Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck
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Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck MASTERARBEIT zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science MSc (JKU) im Masterstudium WEBWISSENSCHAFTEN Studienzweig Web Business & Economy Eingereicht von: Margit Gast, BSc 0855223 Angefertigt am: Institut für Datenverarbeitung in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften Beurteilung: A. Univ. Prof. Mag. DDr. Johann Höller Linz, August 2015
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Masterarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Danksagung Ich bedanke mich bei meinen Eltern und meinem Bruder Manfred für ihre ständige Unterstützung in allen Bereichen, bei meinen Freundinnen und Freunden für ihren wissenschaftlichen und freundschaftlichen Beistand in und bei Herrn A. Univ. Prof. Mag. DDr. Johann Höller unter anderem dafür, dass unter seiner Mitwirkung das Studium der Webwissenschaften in Linz ins Leben gerufen wurde. Dieses Studium hat mich in vielerlei Hinsicht bereichert, mir neue Blickwinkel, Möglichkeiten und Per- spektiven aufgezeigt und mich schließlich an diesen großartigen Punkt meines Le- bens gebracht. Margit Gast Seite 2
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ........................................................................................................... 5 2. Theoretische Grundlagen .................................................................................. 6 2.1. Begriffe ........................................................................................................... 6 2.2. Allgemeine Einführung in den 3D-Druck ................................................... 9 2.2.1. Die Industrielle Revolution .................................................................... 9 2.2.2. Die Entstehung von 3D-Druck ............................................................. 11 2.3. Über die Technologie ................................................................................... 11 2.3.1. Funktionsweise ................................................................................... 11 2.3.2. Druckverfahren .................................................................................... 12 2.3.3. Materialien ........................................................................................... 15 2.3.3.1. Kunststoffe ................................................................................ 16 2.3.3.2. Metalle ...................................................................................... 17 2.3.3.3. Weitere Materialien ................................................................... 17 2.3.3.4. Materialinnovationen .................................................................17 2.3.4. Geräte ................................................................................................. 19 2.3.5. 3D-Scan ............................................................................................. 29 2.3.6. Vorteile und Nachteile von 3D-Druck ................................................. 20 3. 3D-Druck aus verschiedenen Blickwinkeln..................................................... 23 3.1. 3D-Druck und Wirtschaft .............................................................................. 22 3.1.1. Markteinschätzung und Wettbewerbssituation ................................... 22 3.1.1.1. Gewerbliche Anwendung (B2B-Märkte).................................... 23 3.1.1.2. Private Anwendung (B2C-Märkte) ............................................ 31 3.1.1.3. Dienstleistung ........................................................................... 33 3.1.2. Wertschöpfung .................................................................................... 34 3.1.3. Kosten und Wirtschaftlichkeit .............................................................. 35 3.1.4. Weitere Anwendungsbereiche ............................................................ 36 3.2. 3D-Druck und Recht ..................................................................................... 39 3.2.1. Die rechtlich relevanten Phasen des 3D-Drucks ................................. 39 3.2.2. Geistiges Eigentum und Immaterialgüterrecht .................................... 40 3.2.2.1. Der Werkbegriff und Werkartenzuordnung digitaler Werke....... 40 3.2.2.2. Ausschließungs- und Verfügungsrecht...................................... 41 3.2.3. Urheberrecht und Copyright ................................................................ 42 Margit Gast Seite 3
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck 3.2.4. Gewerblicher Rechtsschutz ................................................................ 44 3.2.4.1. Das Markenrecht....................................................................... 45 3.2.4.2. Das (Geschmacks-)Musterrecht ............................................... 46 3.2.4.3. Das Patent- und Gebrauchsmusterrecht .................................. 47 3.3. 3D-Druck und Technik .................................................................................. 48 3.3.1. FabLabs, Hacker- und Makerspaces .................................................. 48 3.3.2. Das RepRap-Projekt ........................................................................... 48 3.3.3. Slicing-Software und G-Code .............................................................. 49 3.3.4. Digital Rights Management ................................................................. 50 3.3.5. Freie Software vs. Open Source Software .......................................... 50 3.4. 3D-Druck, Art & Design ............................................................................... 51 3.4.1. Computer Aided Design (CAD) ........................................................... 51 3.4.2. Projekte aus der Kreativbranche ......................................................... 53 3.5. 3D-Druck und Gesellschaft ........................................................................... 55 3.5.1. Maker und DIY .................................................................................... 55 3.5.2. Sharing, Communities und Crowdfunding .......................................... 56 3.5.3. Ausbildung zur qualifizierten Nutzung ................................................ 58 3.5.4. Umwelt und Nachhaltigkeit ................................................................. 58 3.5.5. Events und Maker Fairs ...................................................................... 59 3.6. Kritik am 3D-Druck ....................................................................................... 60 4. Modifikationen durch 3D-Druck | Die Zukunft ............................................... 62 4.1. Veränderung betriebswirtschaftlicher Geschäftsprozesse ........................... 63 4.1.1. Beschaffung ........................................................................................ 65 4.1.2. Vertrieb ............................................................................................... 65 4.1.3. Produktion .......................................................................................... 67 4.1.4. Weitere Bereiche ................................................................................ 69 4.2. Veränderungen in anderen Bereichen ..........................................................72 4.3. Die Relevanz von Interdisziplinarität ............................................................ 74 5. Zusammenfassung und Ausblick ................................................................... 76 6. Literaturverzeichnis ......................................................................................... 79 Margit Gast Seite 4
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck 1. Einleitung “…3-D printing has the potential to revolutionize the way we make almost everything." Barack Obama, Rede zur Lage der Nation am 13.02.20131 Wie diese und viele weitere Aussagen zeigen, wird der 3D-Druck-Technologie eine große Zukunft vorhergesagt. Ihr wird die Kompetenz zugeschrieben, die Welt grund- legend zu verändern und zu revolutionieren, da sie zuvor nie da gewesene Möglich- keiten mit sich bringt. In dieser Arbeit soll festgehalten werden, welcher Stellenwert 3D-Druck im Jahr 2014/15 bereits zukommt und welche ökonomischen Bereiche sich dadurch in Zukunft in welcher Form verändern könnten. Dafür werden in einem ersten Schritt allgemeine Informationen über 3D-Druck be- reitgestellt, um die Technologie grundlegend zu beleuchten. Es werden zentrale Be- griffe erklärt und ein Überblick über Entstehung, Funktionsweise, Vor- und Nachteile präsentiert. Danach wird 3D-Druck aus unterschiedlichen Blickwinkeln |1| der Wirt- schaft, |2| des Rechts, |3| der Technik, |4| des Art&Design und |5| der Gesellschaft betrachtet und anhand von Anwendungsbeispielen aus der Praxis dargestellt, welche Rolle 3D-Druck zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Zusammenhang mit dem jeweiligen Bereich oder der Bereich für 3D-Druck spielt. Dabei wird im Speziellen versucht, die Situation in Österreich darzustellen, es werden aber auch Beispiele aus dem interna- tionalen Raum genannt. Auf Basis einer Literaturanalyse wird anschließend versucht darzustellen, welche ökonomischen Bereiche sich in Zukunft durch 3D-Druck verändern könnten und wel- che Modifikationen für eher unwahrscheinlich gehalten werden. Zudem wird erörtert, warum das Konzept der Interdisziplinarität für die Technologie relevant ist. Die Arbeit schließt mit Zusammenfassung und Ausblick, im Rahmen dessen weiterer For- schungsbedarf aufgezeigt wird. 1 Gross, Obamas speech, CNN International, 16.05.2014 Margit Gast Seite 5
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck 2. Theoretische Grundlagen Um 3D-Druck in einem ersten Schritt grundlegend zu beleuchten, werden in diesem Kapitel zentrale Begriffe erklärt und die Entstehung, Funktionsweise, Vor- und Nach- teile der Technologie präsentiert. 2.1. Begriffe Def. Additive Manufacturing (= Additive Fertigung = Generatives Fertigungsver- fahren = Rapid Prototyping) Additive Manufacturing bezeichnet eine Gruppe von industriellen Verfahren, im Rahmen derer formlose oder formneutrale Materialien wie Pulver oder Draht schichtweise in einer bestimmten Form aufgetragen werden, bis das gewünschte Endprodukt entsteht. Als Basis dafür dienen virtuelle Datenmodelle (CAD-Modelle), die über eine Schnittstelle (meist STL-Schnittstelle) an eine Maschine weiter gege- ben werden, wo dann mittels chemischer und physikalischer Prozesse ein fertiges Produkt entsteht. Beispiele für Generative Fertigungsverfahren sind Stereolithogra- phie, Fused Deposition Modeling, Selektives Lasersintern oder 3D-Druck. Additive Manufacturing stellt beispielsweise dann einen ökonomischen Vorteil ge- genüber konventionellen Fertigungsverfahren dar, wenn einzelne, sehr spezifische Teile von hoher Komplexität, wie sie zum Beispiel in der Medizin Einsatz finden, pro- duziert werden sollen.2 Als Rapid Prototyping (dt. etwa „schnelle Modellerstellung“) bezeichnet man die Her- stellung noch nicht perfekter, aber akzeptabler Modelle von Endprodukten mittels additiver Fertigung. Diese Modelle wurden vor etlichen Jahren von meist noch nicht sehr stark ausgereiften Protoyp-Versionen von 3D-Druckern produziert und somit wird Rapid Prototyping wird als eine Art „Vorstufe“ zum heutigen 3D-Druck betrach- tet. Beispiele für konventionelle, also nicht additive Fertigungsverfahren sind Fräsen, Schneiden und viele weitere Verfahren.3 2 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.21-49 3 vgl. Hagl, 3D-Druck Kompendium, 2015, S. 11f Margit Gast Seite 6
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck Def. 3D-Druck wird oft synonym mit Additive Manufacturing verwendet, stellt aber lediglich eines von mehreren Generativen Fertigungsverfahren dar und ist keine technologische Weltneuheit. Es bezeichnet ein Verfahren, bei dem formlose Materialien wie Pulver oder Draht erst geschmolzen, dann schichtweise (=additiv) auftragen und dadurch in eine bestimmte Form gebracht werden. Das Produkt wird also sozusagen „dreidi- mensional ausgedruckt“.4 Def. Technologie Es gibt verschiedene Definitionen für den Technologiebegriff. Im klassischen Sinne beschreibt der er die „direkte Anwendung des Potentials und der Erkenntnisse der Naturwissenschaften und der technischen Möglichkeiten, um Produkte und Prozesse zu realisieren.“5 Def. CAD (=Computer Aided Design) CAx ist der Sammelbegriff für „computer aided“, also für alle rechnerunterstützten Systeme in einem Unternehmen. CAD bedeutet „Computer Aided Design“, also „rechnerunterstütztes Konstruieren“ oder „rechnerunterstütztes Zeichnen“. Es gibt ein breites Spektrum an Software für die Erstellung und viele Anwendungsmöglichkeiten von zweidimensionalen und dreidimensionalen CAD-Modellen.6 Def. STL (= Standard Transformation Language = Surface Tesselation Langu- age = Standard Triangulation Language) STL ist ein Format zum Speichern von 3D-CAD-Modellen, bei dem die Oberfläche des erstellten Objektes vereinfacht gesagt in „viele Dreiecke zerlegt“ wird. Dadurch werden Bearbeitungsschritte wie Drehen, Skalieren oder Schneiden von 3D- Modellen vereinfacht. STL hat sich inzwischen als Standard-Speicherformat für CAD- Modelle durchgesetzt, die mit dem 3D-Drucker fabriziert werden.7 Def. Interdisziplinarität Eine Definition beschreibt Interdisziplinarität als den Übergang von Methodik und 4 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.30f 5 Breuninger u.a., Generative Fertigung mit Kunststoffen, 2013, S.9 6 vgl. Vajna, CAx für Ingenieure, 2009, S.11, S.160ff 7 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.67f Margit Gast Seite 7
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck Sprache einer wissenschaftlichen Disziplin auf die Methodik und Sprache einer ande- ren Disziplin, wobei eine „wechselseitige Übersetzbarkeit“ eine zentrale Rolle spielt. Bei interdisziplinären Projekten sollen Vertreter verschiedener Disziplinen im Rah- men ihrer Zusammenarbeit voneinander lernen und dem Gegenüber die eigene Dis- ziplin verständlich machen. Man könnte interdisziplinäre Zusammenarbeit als wech- selseitiges Übersetzen der eigenen Disziplin in die Sprache der anderen Disziplin interpretieren oder mit dem Finden einer gemeinsamen Sprache vergleichen.8 Def. Wertschöpfungskette Die Wertschöpfungskette nach Porter (1985) umfasst alle zusammenhängenden Prozesse, die in einem Unternehmen bei der Leistungserstellung vom Input bis zum Output ablaufen. Sie umschreibt die Schritte, die ein Produkt vom Rohstoff bis hin zum fertigen Produkt durchläuft. 9 Abb.1: Wertschöpfungskette nach Porter (Quelle: Schawel, 2014, S.280) Def. Geschäftsprozess „Ein Geschäftsprozess ist eine zielgerichtete, zeitlich logische Abfolge von Aufgaben, die arbeitsteilig von mehreren Organisationen oder Organisationseinheiten unter Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien ausgeführt werden können. Er dient der Erstellung von Leistungen entsprechend den vorgegebenen, aus der Unternehmensstrategie abgeleiteten Prozesszielen. Ein Geschäftsprozess 8 vgl. Kimmerle, Intermedialität Interdisziplinarität Interkulturalität, 2014, S.133 9 vgl. Schawel, Wertschöpfungskette, 2014, S.279 Margit Gast Seite 8
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck kann formal auf unterschiedlichen Detaillierungsebenen und aus mehreren Sichten beschreiben werden.“10 2.2. Allgemeine Einführung in den 3D-Druck „3D Print will be bigger than the Web. 3D Printers represent the next industrial revolution.“ 11 3D-Druck ist, wie man vielleicht denken mag, kein neu entwickeltes Verfahren, son- dern es wurde bereits 1983 erfunden. In den letzten Jahren erlangte es allerdings eine enorme mediale Aufmerksamkeit, was unter anderem als Resultat eines 2009 ausgelaufenen Patentes zu diesem Verfahren gesehen wird. Durch das nicht mehr gültige Patent entstand ein zuvor nie da gewesener Raum für neue AkteurInnen in diesem Bereich.12 Durch die Etablierung von 3D-Druck soll in Zukunft ein kompletter Wandel von Ge- sellschaft, Wirtschaft und Industrie stattfinden und Chris Anderson, der ehemalige Chefredakteur des Wired-Magazine spricht sogar von der nächsten industriellen Re- volution.13 Um in Erinnerung zu rufen, welche grundlegenden Veränderungen aus den bereits stattgefundenen industriellen Revolutionen hervorgegangen sind, folgt nun ein kurzer Überblick darüber. 2.2.1. Die Industrielle Revolution Die Erste industrielle Revolution, die „Industrialisierung“ oder „Mechanisierung“ be- gann um 1750 mit der Entwicklung der Dampfmaschine, was zuerst in allen Lebens- bereichen für Verbesserungen sorgte. Eine Industrialisierung wurde ermöglicht und Manneskraft konnte durch Maschinen ersetzt werden, was die Produktivität steigerte und die Lebensumstände der Menschen zunächst verbesserte. Klassische Hand- werksberufe und Landwirtschaft gingen zurück und zwei gesellschaftliche Schichten (Fabriksbesitzer und Fabriksarbeiter) entstanden, wobei sich die eine Schicht stark 10 Gadatsch, Grundkurs Geschäftsprozess-Management, 2010, S.41 11 Anderson, Why I left Wired, ZDNet, 14.05.2015 12 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.30f 13 vgl. Anderson, Makers, The New Industrial Revolution, 2012 Margit Gast Seite 9
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck bereicherte, die andere extrem ausgebeutet wurde. Die Zweite Industrielle Revolution an der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert wird auch als „Elektrifizierung“ bezeichnet. Sie war geprägt von einer arbeitsteiligen Mas- senproduktion, die mit Hilfe elektrischer Energie möglich wurde und ein gewisses Wohlstandsbedürfnis mit sich brachte. Das von Henry Ford erfundene Fließband gab der Automobilindustrie einen enormen Aufschwung und es wurden elektrische An- triebe und Verbrennungsmotoren entwickelt. Anfang der 60er Jahre folgte die Dritte Industrielle Revolution, die auch „Digitalisie- rung“ genannt wird. In deren Rahmen erfolgte ein Wechsel in die Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft, wobei Elektronik und in Folge Informations- und Kom- munikationstechnologien (IKT) wie das Internet zu einer nie da gewesenen Verbrei- tung von Wissen führte. 14 Rifkin (2011) beschreibt in „Die Dritte Industrielle Revolu- tion – Die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter“ interessante Zukunftsvisi- onen wie die Wandlung von Märkten zu Netzen oder die Demokratisierung und De- zentralisierung des Geschäftslebens,15 was unter anderem auch der Technologie 3D- Druck viele Türen geöffnet hat. Inzwischen ist bereits die Rede von einer vierten Industriellen Revolution, der „In- dustrie 4.0“. Im Zuge derer wird ein Wandel der Produktionsfaktoren (Energiewende, Personalwende, Kapitalwende) stattfinden, um auch in Zukunft Angebot und Nach- frage in Einklang bringen zu können. Als Basis dafür dient die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) und Ressourceneffizienz, Personalisierung, Regi- onalisierung und gleichzeitig Globalisierung stehen im Vordergrund. Das „Internet der Dinge“ dient als Grundlage.16 In diesem Zusammenhang soll auch der Begriff „Gloka- lisierung“ erwähnt werden, der im wirtschaftlichen Kontext so viel wie „die fokussierte Anpassung von Produkten und Dienstleistungen eines globalen Unternehmens auf die jeweiligen lokalen, oft zu stark differenzierten Bedingungen“ bedeutet.17 Laut Hagl (2015) ist die derzeit beworbene nächste industrielle Revolution eine Me- dienpropaganda, die nicht ganz plötzlich über Nacht auftreten wird, da es beispiels- weise zahlreicher erfolgreicher Zertifizierungsprozesse bedarf, um eine neue Tech- 14 vgl. Bauernhansl, Industrie 4.0, 2014, S.5f 15 vgl. Rifkin, Die Dritte Industrielle Revolution, 2011, S.146-149 16 vgl. Bauernhansl, Industrie 4.0, 2014, S.11ff 17 vgl. Robertson, Glocalization, 1995, S.28 Margit Gast Seite 10
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck nologie an bestehende Prozesse zu koppeln. Um Sicherheit zB in der Raumfahrt o- der in der Medizin zu gewährleisten, muss ein 3D-gedrucktes Produkt diverse Aufla- gen erfüllen. Diese zu überprüfen kann unter Umständen sehr lange dauern, was einen plötzlichen revolutionären Umschwung eher unwahrscheinlich macht. 3D- Druck werde allerdings zunehmend Einzug in verschiedene Branchen und Industrie- zweige nehmen. 18 2.2.2. Die Entstehung von 3D-Druck Der erste 3D-Drucker wurde bereits 1983 von Charles W. Hull erfunden und be- zeichnet ein Gerät, mit dem man formlose Materialien schichtweise auftragen und so in eine bestimmte Form bringen, also „dreidimensional drucken“ kann. Grund für den 3D-Druck Hype der letzten Jahre stellt laut Horsch (2014) das Patent US5121329 dar, in dem das Druckverfahren beschrieben wird und das im Jahr 2009 ausgelaufen ist, was einen bisher nicht da gewesenen Raum für eine Vielfalt an neuen AkteurIn- nen auf dem 3D-Druck-Markt mit sich brachte.19 2.3. Über die Technologie Nun wird beschrieben, wie aus der reinen Idee das fertig ausgedruckte 3D-Objekt entsteht, wobei nicht im Detail auf die elektromechanischen Vorgänge im Drucker eingegangen wird. Es wird erklärt, wie 3D-Druck funktioniert, welche verschiedenen Verfahren und Materialien es gibt und welche Geräte vor allem auf dem österreichi- schen Markt vorhanden sind. Es folgt ein Bereich über 3D-Scan und abschließend werden werden verschiedene Vor- und Nachteile der Technologie aufgelistet. 2.3.1. Funktionsweise Als erster Schritt wird mit Hilfe einer 3D-CAD-Software (siehe dazu Kapitel 3.4.1. Computer Aided Design (CAD) ) ein virtuelles 3D-Datenmodell erstellt, oder ein be- reits vorhandenes Modell wird vom Anbieter eines solchen heruntergeladen und ver- wendet. Wichtig ist in den meisten Fällen, dass das Modell im STL-Format abgespei- 18 vgl. Hagl, 3D-Druck Kompendium, 2015, S. 9 19 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.30f Margit Gast Seite 11
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck chert wird. STL ist ein Speicherformat, das sich im 3D-Druck als Standard zum Spei- chern von 3D-CAD-Modellen etabliert hat. Der nächste Schritt ist der Einsatz einer so genannten Slicing-Software (siehe Kapitel 3.3.3. Slicing-Software und G-Code). Um das Objekt druckbar zu machen, muss das Modell in zweidimensionale Schichtdaten zerlegt werden. Beim Slicen werden die Daten in einen maschinenlesbaren Code umgewandelt, den so genannten „G-Code“.20 Eine weitere wichtige Rolle beim Druckprozess spielt die „Firmware“, die auf der Steuerungselektronik des Druckers läuft. Mit ihr werden Sensormessdaten ausgewertet und die Stromverteilung dadurch entsprechend reguliert.21 Der Druckauftrag wird dadurch an den Drucker übermittelt und der Ausdruck beginnt nach einem bestimmten technischen Verfahren (siehe Ka- pitel 2.3.2. Druckverfahren), bei dem das Verbrauchsmaterial (siehe Kapitel 2.3.3. Materialien) nach dem jeweiligen Verfahren verarbeitet wird, bis das fertige Objekt entsteht. Abb.2: Funktionsweise (Graphik von Autorin) 2.3.2. Druckverfahren Jeder 3D-Drucker arbeitet nach einem bestimmten Verfahren. In diesem Kapitel wer- den einige dieser generativen Fertigungsverfahren präsentiert. Stereolithographie (SLA) Die Stereolithographie gilt als ältestes 3D-Druck-Verfahren, da es bereits 1984 von Charles W. Hull patentiert und Ende 1987 der Weltöffentlichkeit vorgestellt wurde. Bei dieser Version wird flüssiges Epoxidharz (Photopolymer), das sich in einem Be- 20 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.201f 21 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.257 Margit Gast Seite 12
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck cken befindet, durch einen UV-Laser Schicht für Schicht verhärtet, bis das ge- wünschte Objekt (im Becken, noch immer umgeben von flüssigem Harz) fertiggestellt ist.22 Charles W. Hull gilt auch als Erfinder des STL-Dateiformats und der ersten kommerziellen Rapid Prototyping Technologie. Er ist Mitbegründer des 1986 gegrün- deten Unternehmens 3D Systems, das an der New Yorker Börse notiert.23 Stereolithograhie wird als die additive Technologie mit der höchsten Präzision und der besten Oberflächenveredelung gesehen. Für den Druck von Überhängen und Vertiefungen eines Objekts werden Stützmechanismen verwendet, damit die Kon- struktion während des Herstellungsprozesses nicht zusammenbricht. Ein Nachteil ist, dass bis zur völligen Fertigstellung eine gewisse Nachbearbeitung des gedruckten Objekts nötig ist. Beispielsweise muss überflüssiges Harz zum Teil manuell mit Alko- hol entfernt werden. Zudem werden die eingesetzten Flüssigharze zum Teil als prob- lematisch bezeichnet, weil sie gesundheitsschädlich und zum Teil sogar krebserre- gend sein können und auch die Gewährleistung einer langfristigen Stabilität des Ma- terials kann noch nicht garantiert werden. Zudem sind die Anlagen zur Herstellung von Objekten mit dieser Technologie noch sehr teuer, was auch eine gewisse Ein- schränkung der freien Nutzung durch jede/n mit sich bringt.24 Fused Deposition Modeling (FDM) = Fused Filament Fabrication (FFF) Viele 3D-Drucker arbeiten nach dem FDM-Verfahren (geschützt durch die Stratasys Ltd.), was übersetzt so viel heißt wie „Modellierung durch aufgeschmolzene Ablage- rungen. Dabei wird das Verbrauchsmaterial (Filament aus Kunststoff in Form eines langen Drahtes) durch eine Fördereinheit in den heißen Druckkopf geschoben und darin geschmolzen. Anschließend wird es in Form dünner Kunststoffstränge auf dem „Druckbett“ des 3D-Druckers Schicht für Schicht aufgetragen bis das fertige Element entstanden ist.25 Ein freier, von der RepRap-Community gebildeter und nicht geschützter Begriff für das Verfahren ist „Fused Filament Fabrication“ (FFF). Als ein Nachteil wird bei die- sem Verfahren die mangelnde Stabilität des gedruckten Objektes in einigen Berei- chen durch die entstehende Schichtung gesehen. Mit Hilfe von Stützkonstruktionen, die ebenfalls beim Druck entstehen, können auch Überhänge und abgeschrägte Be- 22 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.129f 23 vgl. National Inventors Hall of Fame, Charles Hull, 13.09.2014 24 vgl. Hagl, 3D-Druck Kompendium, 2015, S. 19ff 25 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.111f Margit Gast Seite 13
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck reiche gedruckt werden, was FFF wiederum zu einer flexiblen Technologie macht. Zudem können bei diesem Verfahren verschiedene Materialien mit unterschiedlichen Festigkeiten und Temperatureigenschaften verwendet werden.26 Laminated Object Manufacturing (LOM) Beim LOM werden die einzelnen Schichten des Basismaterials wie Platten oder Foli- en mit einem Laser oder Messer an der äußeren Kontur ausgeschnitten und durch Hitze Schicht für Schicht übereinander geklebt. Das Druckergebnis befindet sich im Kern des Folienstapels und muss durch manuelles Abtragen des Restmaterials frei- gelegt werden.27 Das Grundmaterial für die Laminierungsfolie stellt Papier dar und das fertige Werk- stück hat das Aussehen und die Eigenschaften von Holz. Andere Materialien haben sich bisher für das Verfahren nicht kommerziell bewährt. Vorteile sind, dass Über- hänge und Hohlräume vom Material selbst gestützt werden und dass die Material- kosten relativ gering sind. Als Nachteil wird genannt, dass Oberfläche, Stabilität und Präzision des Werkstückes nicht so stark ausgeprägt sind, wie bei anderen Verfah- ren. Trotzdem können sehr attraktive Ergebnisse entstehen.28 Selektives Lasersintern (SLS) Beim Sintern werden pulverförmige Stoffe durch Hitzeeinwirkung miteinander ver- bunden. Das SLS ist eine spezielle Form davon. Es bietet eine große Auswahl an verschiedenen Materialien und kann komplexe geometrische Formen abbilden, was es sehr flexibel einsetzbar und interessant für industrielle Anwendungen macht. Nur bestimmte Teile (=selektiv) des Pulvers werden durch einen Laser geschmolzen und dadurch miteinander verbunden. 29 Beim Lasersintering ist für etwaige Überhänge und Hohlräume am Objekt keine Stützvorrichtung nötig, da sie durch das feste Pulverpartikelbett getragen werden. Im Vergleich zur Stereolithographie spart das Zeit in der Endverarbeitung. Lasersin- tering wird häufig für die Verarbeitung von Metall- und Keramikobjekten und Kera- mikwerkzeugen verwendet. Zudem ist die Technologie im Bezug auf Qualität und Preis zum Teil bereits wettbewerbsfähig zu konventionellen Fertigungsverfahren. Ein 26 vgl. Hagl, 3D-Druck Kompendium, 2015, S. 25ff 27 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.135f 28 vgl. Hagl, 3D-Druck Kompendium, 2015, S. 33 29 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.117f Margit Gast Seite 14
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck Nachteil ist der hohe Preis der Anlagen, die zur Fertigung dienen.30 Dreidimensionaler Druck 3D-Printing (3DP) Dieses Verfahren wurde am Massachusetts Institute of Technology entwickelt und ist grundsätzlich mit dem Selektiven Lasersintern (SLS) verwandt. Der Unterschied liegt in der Werkstoffzuführung, weil nicht mit einem Laserstrahl gebrannt, sondern ein flüssiges Bindemittel über einen Inkjet-Druckzylinder in den Fertigungsprozess ein- gebracht wird. Damit werden die Werkstoffe gebunden, welche in der Regel Keramik- oder Metallpulverpartikel darstellen. Die Pulverpartikel dienen wie auch bei andern Methoden als Stützmaterial bei etwaigen Überhängen des Werkstücks. Ein Vorteil dieses Verfahrens ist, dass die Werkstoffe im Vergleich zu anderen Verfahren kos- tengünstiger sind, jedoch werden mit diesem Verfahren auch hauptsächlich konzep- tionelle Modelle hergestellt, mit denen nur begrenzt funktionales Testen möglich ist.31 Es gibt noch weitere Verfahren der generativen Fertigung wie die Jetted- Photopolymer-Technologie, die Single-Jet-Inkjet-Technologie, oder das Laser Pow- der Forming, auf die im Rahmen dieser Arbeit allerdings nicht näher eingegangen wird. 2.3.3. Materialien Den beim 3D-Druck verwendeten Verbrauchsmaterialien wird ein sehr hoher Stel- lenwert zugeschrieben, da sie durch die großen Unterschiede in ihren Eigenschaften das Endergebnis wesentlich beeinflussen können. Solche Unterscheidungsmerkmale in ihren Eigenschaften stellen zum Beispiel Festigkeit, möglicher Detailgrad, Oberflä- chengüte und Flexibilität dar.32 In diesem Kapitel werden die wichtigsten Materialen, mit denen derzeit gearbeitet wird (Kunststoffe, Metalle und weitere Materialien), so- wie innovative Materialien, die für die Zukunft der 3D-Druck Technologie eine bedeu- tende Rolle spielen könnten, vorgestellt. 30 vgl. Hagl, 3D-Druck Kompendium, 2015, S. 23ff 31 vgl. Hagl, 3D-Druck Kompendium, 2015, S.29 32 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.146 Margit Gast Seite 15
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck 2.3.3.1. Kunststoffe Filament Als Basismaterial für die meisten Anwendungen dient Filament. Das ist ein kabelför- miger Stoff, der meist auf einer Trommel aufgerollt erhältlich ist. Filament kann aus verschiedenen Kunststoffen bestehen, wobei die qualitativen Unterschiede oft sehr hoch sind. Vor der Verwendung minderwertiger, gesundheitsschädigender Materia- lien zB beim Aufheizen von Thermoplasten wird gewarnt (siehe dazu auch Kapitel 3.6. Kritik am 3D-Druck).33 In diesem Bereich entwickeln sich jedoch ständig Neuerungen. So wird im Jahr 2015 bereits von der Existenz biologisch abbaubaren Filaments berichtet. Ein umwelt- freundliches Filament wurde vom deutschen Unternehmen „twoBEars“ aus dem or- ganischen Material Lignin hergestellt. Das Material nennt sich „bioFilaLinen“. 34 Polyamid35 Polyamid gilt laut Aussage verschiedener 3D-Druck Dienstleister als populärstes Ma- terial am Markt. Es bietet hohe Festigkeit und mittlere Flexibilität im Bauteil. Elastomer36 Elastomer ist ein flexibles Gummimaterial, das durch seine spezielle Beschaffenheit neue Möglichkeiten im Designprozess mit sich bringt. Resin37 Resin ist ein Werkstoff, mit dem sehr glatte Oberflächen und sehr genaue Details hergestellt werden können. Mit diesem Gießharz können auch völlig transparente Objekte gedruckt werden. 33 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.236, 305 34 vgl. Wheeler, Airwolf 3D tests bioFila Biodegradable 3D Printing Filament, 3D Printing Industry, 13.08.2015 35 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.147 36 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.148 37 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.150 Margit Gast Seite 16
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck 2.3.3.2. Metalle Alumid Alumid ist unechtes Aluminium und bietet die Möglichkeit, kostengünstig metallisch aussehende Ausdrucke zu produzieren. Im 3D-Drucker wird Alumid in Pulverform verwendet, welches dann im Zuge des Selektiven Lasersinter-Druckverfahrens (SLS) Schicht für Schicht verfestigt wird. 38 Edelstahl, Bronze und Gold Durch den Druck mit Edelstahl oder Bronze erhält das Objekt ein höheres Gewicht und wirkt dadurch höherwertiger als ein Ausdruck aus Kunststoff. Das metallische Pulver wird in einem speziellen Druckprozess durch einen Binder verfestigt, welcher anschließend wieder ausgebrannt wird. Zudem bieten einige Dienstleister Polieropti- onen und die Möglichkeit zur Beschichtung des ausgedruckten Objekts mit Gold oder Platin. 39 2.3.3.3. Weitere Materialien Keramik Hat den Vorteil, dass es als einziges der vorgestellten Materialien lebensmittelecht ist. Beim Druckverfahren wird Keramikpulver verwendet. 40 Auf 3D-Druck von Pro- dukten aus innovativen Keramikmaterialien hat sich das österreichische Unterneh- men Lithoz GmbH spezialisiert (siehe Kapitel 3.1.1.1. Gewerbliche Anwendung (B2B- Märkte). 2.3.3.4. Materialinnovationen Innovative Materialien der Zukunft sollen „fester, poröser, härter, weicher, flexibler, recyclebar, umweltverträglich, unbedenklich für die Gesundheit, wiederverwendbar oder wasserlöslich“ sein. Da es zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Langzeitstudien 38 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.149 39 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.151f 40 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.154 Margit Gast Seite 17
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck gibt, ist noch wenig über Langlebigkeit, Verhalten unter Grenzlast oder Gesundheits- risiken der Materialien bekannt.41 Nanomaterialien Nanotechnologie ist die Kombination von Wissenschaft, Technik und Technologie im Nanobereich und durch 3D-Druck konnten in diesem Bereich völlig neue Arten des Verbundwerkstoffes geschaffen werden. 42 3D-Druck mit Nanomaterialien macht unter anderem die Erstellung hoch komplexer dreidimensionaler Strukturen, beispielsweise für die Photonik, möglich. Das deutsche Unternehmen Nanoscribe GmbH bietet 3D-Drucker für die Anforderungen der Mikro- und Nanofabrikation, Software und entsprechende Materialen dafür. Damit wird eine neue Form der Produktion von hochauflösenden 3D-Strukturen aus innovativen Ma- terialien im Bereich der Mikroskala möglich.43 Zellulose Im Juni 2015 wurde beim 3D-Druck zum ersten Mal mit Zellulose als Verbrauchsma- terial gearbeitet. An der Chalmers University of Technology in Schweden wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem das auf der Erde in hohen Mengen vorkommende or- ganische Material Zellulose für den 3D-Druck verwendet werden kann.44 Auch das Unternehmen 3D Printlife aus Los Angeles stellte im August 2015 ihr bio- logisch abbaubares Filament „Enviro ABS“ vor. Der Ausgangsstoff ABS, ein petrole- umbasierter Kunststoff, wird durch Bakterien biologisch abgebaut. Auch die Spule, auf der das Filament aufgebracht ist und die Verpackung sind umweltfreundlich. Ein Punkt der gegen die Umweltfreundlichkeit spricht könnte sein, dass fossile Brennstof- fe für die Erzeugung verwendet werden.45 Poröse Materialien 3D-gedruckte Bauteile die porös sein müssen wie Filter für Gase und Flüssigkeiten, sollen es bald zur Marktreife schaffen. An der Herstellung komplexer Filtersysteme mittels 3D-Druck wird geforscht. Weitere Anwendungsmöglichkeiten poröser innova- 41 vgl. Hagl, 3D-Druck Kompendium, 2015, S. 37 42 vgl. Ivanova, Additive manufacturing (AM) and nanotechnology, 2013, S.354 43 vgl. Nanoscribe, Photonic Professional GT, 13.01.2015 44 vgl. Tampi,, 3D Printing Cellulose, & Conductive Cellulose for the First Time Ever, 13.08.2015 45 vgl. Molitch-Hou, , Biodegradable ABS Filament Thanks to Our Friends, Bacteria!,,14.08.2015 Margit Gast Seite 18
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck tiver Materialien im 3D-Druck sind die Herstellung von Gasakkumulaor-, Batterie- und Kraftstoffzellen.46 2.3.4. Geräte Hier werden einige 3D-Drucker vorgestellt, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Um- lauf sind. Es wird unterschieden zwischen Geräten für den privaten Gebrauch (mit B2C gekennzeichnet) und Geräten für die industrielle Nutzung (mit B2B gekenn- zeichnet). Österreich | Unternehmen und zugehöriger 3D-Drucker • EVOtech GmbH (AT - Seewalchen am Attersee): Der EVOlizer (B2B) • HAGE Sondermaschinenbau GmbH & Co KG (AT - Obdach): Der HAGE 3Dp- A2 (B2B) • Lithoz GmbH (AT - Wien): Der CeraFab 7500 (B2B, keramische Werkstoffe) • RepRap Austria: Der xBot 155 CE Plug & Print (B2C) International | Unternehmen und zugehöriger 3D-Drucker • MakerBot Industries (US – NYC): Der Replicator 2 (B2C) • 3D Systems (US – Rock Hill) / Cubify: Der Cube (B2C) • RepRap Community (UK – Bath): Der RepRap (B2C) • Ultimaking Ltd (NL – Utrecht): Der Ultimaker (B2C) • HypeCask (DE – Bayreuth) und Delta Tower GmbH (CH): Der Delta Tower (B2C) • Sintermask (DE - Lupburg): Der Fabbster (B2C) 2.3.5. 3D-Scan 3D-Scan ist die „umgekehrte Form“ von 3D-Druck. Bei einem 3D-Scanner handelt es sich um ein Gerät, das die Daten räumlicher Objekte aufzeichnen und digitalisieren kann. 3D-Scan funktioniert |1| durch Fotos, die rund um ein Objekt herum aufge- nommen und mit Hilfe einer Software zu einem 3D-Modell umgewandelt werden, |2| 46 vgl. Hagl, 3D-Druck Kompendium, 2015, S. 40f Margit Gast Seite 19
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck durch PrimeSense Sensoren wie zB bei der Kinect Sensor bei der Microsoft Xbox 360, |3| durch Lichtschnitte oder |4| durch Streifenprojektion.47 Das Unternehmen DOOB Group AG aus Düsseldorf hat sich darauf spezialisiert, na- turgetreue Miniaturmodelle von Personen anzufertigen. Dafür wird die Person mit dem 3D-Scanner DOOBLICATOR gescannt und dann 3D-gedruckt. Inzwischen ist der Ausdruck sogar bis zur lebensgroßen Figur möglich.48 2.3.6. Vorteile und Nachteile von 3D-Druck Hier werden Vor- und Nachteile der 3D-Druck Technologie gegenüber konventionel- len Fertigungsmethoden (wie Fräsen, Drehen, Gießen) genannt. Vorteile Zu den Vorteilen des 3D-Drucks gegenüber herkömmlichen Fertigungsverfahren zählt, dass komplexere geometrische Formen hergestellt werden können, dass we- niger Müll beim Produktionsprozess entsteht und dass lange Transportwege und - kosten entfallen und dadurch völlig neue Möglichkeiten entstehen. Zusätzlich können Rohstoffe effizienter genutzt werden, weil (zumindest bei den meisten Druckverfah- ren) nur das wirklich benötigte Material im Produktionsprozess verarbeitet wird. Laut Thinktank Atlantic Council (2011) ist die Produktion zu alldem, wenn überhaupt, nur minimal gesundheitsschädigend.49 Dem wird allerdings in anderer Literatur wider- sprochen. Ein weiterer Vorteil des 3D-Drucks ist die variable Fülldichte der ausgedruckten Ob- jekte, also das Innenleben, das sehr effizient gestaltet werden kann. Hier gehen Denkansätze von Gary Hodgson (2012) weg von zweidimensionalen in Richtung neuer dreidimensionaler Füllmuster.50 Das kann zum Beispiel der Architektur bei der Anwendung auf Baumaterialen großen Nutzen bringen. 3D-Druck ermöglicht zudem eine Vielzahl neuer Recycling- und Reparaturpraktiken, da die Reparaturteile leicht herstellbar sind, was die Reparaturfreundlichkeit von 47 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.97-108 48 vgl. DOOB Unternehmenswebsite, 14.12.2014 49 vgl. Campbell u.a., Strategic Foresight Report, 2011, S.5f 50 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.218 Margit Gast Seite 20
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck Produkten erhöht.51 Nachteile Horsch (2014) hat eine andere Sichtweise auf das Thema Gesundheitsschädigung durch additive Fertigungsverfahren. Er spricht als erfahrener 3D-Druck-Anwender den dringenden Warnhinweis aus, beim Druck immer für genügend Frischluft zu sor- gen, da durch das Aufheizen von Thermoplasten bedenkliche, ultrafeine Partikel frei- gesetzt werden können. Nur bei sehr wenigen, gut dokumentierten Materialien könne man mich Sicherheit sagen, dass sie nicht gesundheitsschädigend sind.52 Eine nähe- re Ausführung dazu ist in Kapitel 3.6. Kritik am 3D-Druck zu finden. Wenig geeignet ist 3D-Druck für die Produktion einer hohen Stückzahl wenig indivi- dualisierter Produkte, dafür eignen sich meist konventionelle Fertigungsverfahren besser, da mit günstiger und schneller produziert werden kann. Ein weiterer Nachteil gegenüber anderen Verfahren ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch die meist noch eher geringe Geschwindigkeit de Technologie.53 Auch der Energieverbrauch pro Einheit im unmittelbaren 3D-Druckprozess ist ten- denziell höher als bei konventionellen Fertigungsverfahren und die einfache Herstel- lung von Produkten kann zu einer überflüssigen Mehrproduktion führen. Beim 3D- Druck durch Laien kann es außerdem zur Herstellung fehlerhafter Bauteile kommen, die auch „Crapjects“ (=crappy objects) genannt werden.54 51 vgl. Petschow u.a., Dezentrale Produktion, 3D-Druck und Nachhaltigkeit, 2014, S.28 52 vgl. Horsch, 3D-Druck, 2014, S.236f 53 vgl. Kerkmann, Mythen, 2013, 19.11.2014 54 vgl. Petschow u.a., Dezentrale Produktion, 3D-Druck und Nachhaltigkeit ,2014, S.27 Margit Gast Seite 21
Modifikation interdisziplinärer Bereiche durch das Additive Manufacturing-Verfahren 3D-Druck 3. 3D-Druck aus verschiedenen Blickwinkeln Nun soll 3D-Druck aus unterschiedlichen Blickwinkeln |1| der Wirtschaft, |2| des Rechts, |3| der Technik, |4| von Art&Design und |5| der Gesellschaft betrachtet wer- den. Das Konzept der Interdisziplinarität wird zudem in Kapitel 3.7. Die Relevanz von Interdisziplinarität erklärt, da viele Überschneidungspunkte der fünf Bereiche im Zu- sammenhang mit 3D-Druck auftreten. Erkenntnisse aus einer Analyse aktueller deutsch- und englischsprachiger Literatur sollen zusammen mit Anwendungsbeispie- len aus der Praxis darstellen, welche Rolle 3D-Druck im Zusammenhang mit dem jeweiligen Bereich oder der Bereich für 3D-Druck spielt. Hauptaugenmerk liegt dabei auf 3D-Druck in Österreich, es werden aber auch mit der Technologie in Verbindung stehende Sachverhalte aus dem internationalen Wirkungsskreis genannt. 3.1. 3D-Druck und Wirtschaft „The Internet first eliminated distance as a factor in moving information and now Additive Manufacturing eliminates it for the material world.“55 Aus diesem Kapitel soll hervorgehen, welchen Stellenwert 3D-Druck auf der einen Seite in der österreichischen Wirtschaft und auf der anderen Seite in der internatio- nalen Wirtschaftswelt einnimmt. Das Kapitel ist in die Bereiche Markteinschätzung und Wettbewerbssituation, Wertschöpfung, Kosten und Wirtschaftlichkeit und Weite- re Anwendungsfelder untergliedert. 3.1.1. Markteinschätzung und Wettbewerbssituation Hier soll ein Überblick über Kunden, Marktvolumen und Wettbewerbssituation der 3D-Druck Technologie präsentiert werden. Unterteilt in die Bereiche gewerbliche Anwendungen, private Anwendungen und Dienstleistungen soll unter anderem an- hand verschiedener Anwendungsbeispiele aus der Praxis der österreichische und der internationale 3D-Druck Markt umrissen werden. 55 Campbell u.a., Strategic Foresight Report, 2011, S.1 Margit Gast Seite 22
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