München Rumänisches Filmfestival Fedor Dostoevskij Film und Psychoanalyse Western in 3-D Zuschauerkino Weihnachtsfilme Regia Donna 2000 Ekstase ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
münchen Rumänisches Filmfestival Fedor Dostoevskij Film und Psychoanalyse Western in 3-D Zuschauerkino Wint er 2021 -202 2 | Heft 41 Weihnachtsfilme Regia Donna 2000 Ekstase
Eintrittspreise sierten und mit 1,55 € frankierten DIN A5-Briefum- 4 € (3 € für MFZ-Mitglieder). Ab 120 Minuten Film- schlages an die Adresse des Filmmuseums. WebCalen- länge oder mit Gästen: 1 € Aufschlag. Ab 180 Minuten, dar: tinyurl.com/fmm-cal1, Twitter: @filmmuseummuc. mit Live-Musik oder bei 3D: 2 € Aufschlag. Die Kasse öffnet jeweils 60 Minuten vor und schließt 30 Minu- Münchner Filmzentrum e. V. ten nach Beginn der Vorstellung. Bei allen öffentlichen Wer sich für die Arbeit des Filmmuseums interessiert, Veranstaltungen verbleibt ein Kartenkontingent für den kann Mitglied im Verein der Freunde des Filmmuseums freien Verkauf an der Abendkasse. Die Vorstellungen München, dem Münchner Filmzentrum e.V. (MFZ) wer- beginnen pünktlich ohne Vorprogramm. den. Mitgliedsanträge sind an der Kinokasse erhältlich. Der Jahresbeitrag beträgt 20 € und berechtigt zum Corona-Regeln ermäßigten Eintritt ins Filmmuseum sowie zur Teil- Es gilt die aktuelle Infektionsschutzmaßnahmenver- nahme an den Mitgliederversammlungen des MFZ, in ordnung der Bayerischen Staatsregierung. Bei Druck- denen die Programmplanungen des Filmmuseums legung dieses Programmhefts erhalten nur Geimpfte diskutiert und Projekte entwickelt werden. Weitere und Genesene (2G) Zugang zum Kino, die sich an der Informationen erhalten Sie unter Tel. 089 / 2713354 Kasse beim Kartenerwerb ausweisen müssen. und www.muenchner-filmzentrum.de. Kartenvorverkauf Barrierefreier Zugang Um die Einhaltung der 2G-Regelung und deren Kontrol- Der Kinosaal und die barrierefreie Toilette im Unterge- le an der Kinokasse zu gewährleisten, ist vorläufig kein schoss sind über einen Aufzug erreichbar. Das Kino be- Kartenvorverkauf an der Kasse oder online möglich. sitzt eine Induktionsschleife für Hörgeräte. Der Empfang ist auf den Randplätzen der Sitzreihen am besten. Altersfreigabe Da ein Großteil der Filme keine FSK-Freigabe hat, sind Mobiltelefone die Vorstellungen erst ab 18 Jahren zugänglich. Die Benutzung von Mobiltelefonen während der Veran- staltungen ist nicht gestattet. Programmabonnement Das Kinoprogrammheft und unseren Newsletter kön- Verkehrsanbindung nen Sie unter www.muenchner-stadtmuseum.de/film Sie erreichen das Filmmuseum in 5 Gehminuten vom kostenlos abonnieren. Das Programmheft wird an U/S-Bahnhof Marienplatz oder in 7 Gehminuten vom Mitglieder des MFZ auf Wunsch kostenlos versandt. U-Bahnhof und der Trambahnhaltestelle Sendlinger Tor. Ansonsten bitten wir um die Zusendung eines adres- Die Buslinien 52 und 62 halten am St.-Jakobs-Platz. Open Scene am Donnerstag ..................................................................................................... Die Termine am Donnerstag sind teilweise für aktuelle Veranstaltungen reserviert. Das Programm wird etwa acht Tage vorher festgelegt und in den Schaukästen an der Kinokasse, im E-Mail-Newsletter, unter muenchner-stadtmuseum.de/film/open-scene.html, auf Facebook, Twitter und in der Tagespresse bekannt gegeben. Für Unterstützung und Kooperation bei der Realisierung unseres Programms danken wir ................. Adalbert Stifter Verein, München (Zuzana Jürgens, Franziska Mayer) · Akademie für Psychoanalyse und Psychothera- pie, München · Chainsaw Europe, Bukarest (Dan Draghicescu) · Cinémathèque suisse, Lausanne (Alix Hagen) · Circolo Cento Fiori Cinema, München (Ilaria Furno-Weise, Emanuela Perna) · Filmarchiv Austria, Wien (Nikolaus Wostry, Florian Wrobel) · Fantascope Film, Bukarest (Minodora Șerban) · Gesellschaft zur Förderung der Rumänischen Kultur und Tradition e.V., München (Brigitte Drodtloff) · goEast Festival, Wiebaden (Jan Peschel, Dominik Streib) · Gosfilmofond, Moskau (Olga Derevyankina) · Kinosseur Production, Bukarest (Codruţa & Andrei Crețulescu) · Tschechisches Zentrum, München (Frances Jackson) · Antti Alanen, Helsinki · Peter Bagrov, Rochester · Klaus Volkmer, München Impressum ........................................................................................................................... Landeshauptstadt München. Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum, St.-Jakobs-Platz 1, 80331 München, 089-23324150, filmmuseum@muenchen.de · Redaktion: Stefan Drößler, Claudia Engelhardt, Christoph Michel, Mara Rusch · Gestaltung: twogether Design und Kommunikation, München · Druck: Weber Offset, München
Rumänisches Filmfestival, Fedor Dostoevskij, Weihnachtsfilme Nach dem pandemiebedingten Ausfall im letzten Jahr kehrt das Rumänische 2 Rumänisches Filmfestival Filmfestival nun ins Kino des Filmmuseums zurück. Zusammen mit den im Juni online gezeigten Filmen (und einer Kinovorführung mit live zugeschalte- 6 Fedor Dostoevskij tem Filmemacher) ist dies wieder der Versuch, auch in der Beschränkung und Konzentration einen repräsentativen Querschnitt durch die Jahresproduktion 17 Film und Psychoanalyse Rumäniens zu zeigen. Nach wie vor werden in Rumänien Filme produziert, die zu den wichtigen Werken des Gegenwartskinos und den – oft preisgekrönten 18 Western in 3-D – Höhepunkten der internationalen Filmfestivals zählen. Nur wenige finden einen deutschen Filmverleih, so dass die Aufführungen im Filmmuseum oft 20 Zuschauerkino einmalige Gelegenheiten sind, sie auf der Kinoleinwand zu sehen. 21 Weihnachtsfilme 296 filmische Adaptionen von Fedor Dostoevskijs literarischen Werken lis- tet die International Movie Database. Und diese Liste ist keineswegs vollstän- 25 Regia Donna 2000 dig. Für das Filmmuseum ist Dostoevskijs 200. Geburtstag der Anlass, sehr unterschiedliche Umsetzungen seiner bekannten Romane und einer Erzählung 28 Ekstase (»Weiße Nächte«) zusammenzutragen, die reizvolle Variationen und Kontraste bieten. Filme großer Regisseure wie Luchino Visconti, Akira Kurosawa oder 29 Kalenderübersicht Robert Bresson sind ebenso dabei wie Werke, die in Deutschland kaum zu sehen waren, aufwändige Ausstattungsfilme ebenso wie No-Budget-Produkti- onen, die sich sehr frei von Dostoevskij inspirieren ließen oder nur markante Motive oder Szenen zitieren. Wir wünschen Ihnen frohe Festtage und einen guten Rutsch ins neue Jahr! Vielleicht haben Sie ja auch Lust und Freude daran, zuvor noch im Filmmuse- R = Regie · B = Drehbuch · K = Ka- um einen bekannten oder weniger bekannten Weihnachtsfilmklassiker in der mera · M = Musik · S = Schnitt · T = unverfälschten Originalfassung auf der großen Leinwand zu sehen. Wir freuen Ton · D = Darsteller · P = Produktion uns, wieder Programme mit bewährten Kooperationspartnern wie der Akade- OF = Originalfassung · OmU = Ori- mie für Psychoanalyse und Psychotherapie und dem Circolo Cento Fiori Cine- ginalfassung mit Untertiteln · OmeU = Originalfassung mit englischen ma anbieten zu können und hoffen darauf, dass das Kino bald wieder im Nor- Untertiteln · OmfU = Originalfassung malbetrieb ganz ohne Einschränkungen arbeiten kann. mit französischen Untertiteln · OmÜ = Originalfassung mit deutscher Über- setzung · dtF = deutsche Synchron- Ihr Filmmuseum fassung · = Live-Musik begleitung 2 = Einführung · = Zu Gast 16. Oktober 2021: Werner Herzog liest im Filmmuseum aus seinem 21. Oktober 2021: Peter Seitz, Anni Seitz, Claudia Engelhardt und Mara Buch »Das Dämmern der Welt« und präsentiert anschließend seinen Rusch im Foyer des Filmmuseums vor der Aufführung von DU KANNST Film BALLADE VOM KLEINEN SOLDATEN (1984) MICH FRAGEN WAS DU WILLST – FRANZ SEITZ (2021)
Rumänisches Filmfestival Rumänisches Filmfestival 2 MALMKROG Zu den herausragenden Schätzen Rumäniens gehört die Warum zieht es dann aber einen berühmten Musiker Landschaft. Man kann zwischen Karpaten und Schwar- wie Anton in dem Film URMA nach Curtea de Argeș? An zem Meer noch viele Regionen finden, in denen der einen Ort, der durch ein Kloster aus dem 16. Jahrhundert Mensch kaum Spuren hinterlassen hat. Für den Quali- bedeutend geworden ist, an dem man aber auch einfach tätstourismus ist das eine wertvolle Resource, für das auf den Fluss Argeș schauen kann. Dorian Boguţă ver- Kino auch. Anthony Minghella zum Beispiel drehte COLD schränkt mit dieser erzählerischen Lösung ein Ende mit MOUNTAIN (2003), sein Drama aus dem amerikanischen einem Anfang. Ein menschliches Leben geht zu Ende, Bürgerkrieg, weitgehend in Rumänien. Auch die Vertreter und zwar an einem Ort, der mit dem Anfang der rumäni- des Neuen Rumänischen Kinos zeigen sich immer wie- schen Kultur assoziiert wird. Das Land hat natürlich ver- der fasziniert von den Wäldern und von den Heiligtümern, schiedene Regionen mit unterschiedlichen Geschichts- die an deren Erschließung erinnern. Von außen, für das bezügen. Es gibt ältere nationale Mythologien, die an das internationale Kino, kommt es dabei einfach auf die visu- Römische Reich anschließen. Es gibt die Steppe als den ellen Qualitäten an: Landschaften, die nicht von Zeichen zweiten nationalen Identitätsort neben den Wäldern. der Zivilisation durchsetzt sind, muss man heute auf dem URMA knüpft an die Zeiten an, in denen Siedlungen in ganzen Globus suchen. Aus der Perspektive des rumäni- den Wäldern errichtet wurden, am Ausgang des soge- schen Kinos aber zeigen sich in der Natur und der Land- nannten Mittelalters, zu Beginn einer Neuzeit, die in Ru- schaft alternative Modelle von Zeitlichkeit, mit denen sich mänien heute noch nachwirkt. Oft fand diese Landnah- die Grundtatsache ergänzen lässt: das Datum 1989/90, me im Zeichen der Christianisierung statt. Das Berghotel die Überwindung des Ceaușescu-Kommunismus, ist im- in Alina Grigores CRAI NOU, das herrschaftliche Gut in mer noch für die meisten Menschen im Land das eine Cristi Puius MALMKROG, das abgelegene Haus in Florin strukturierende Moment, an dem sie ihre Erfahrungen Șerbans DRAGOSTE 2 – AMERICA, das geheimnisvolle davor und danach messen können. Inzwischen ist die Sägewerk in Radu Munteans ÎNTREGALDE sind jeweils neue Ordnung mit allen ihren politischen und geschichts- Orte, die aus diesen ersten Erschließungen hervorgegan- politischen Problemen fest etabliert. Rumänien ist ein gen sind. Sie sind Enklaven, von Menschen geschaffen, europäisches Land. Die Menschen leben in Beziehungen, an Orten, an denen sonst die Natur mit sich allein wäre. die bis nach London oder Berlin reichen. Sie fahren nach Es wäre jedoch übertrieben, von einer neuen Wert- Thailand in Urlaub und filmen ihr Intimleben mit dem schätzung der Natur im rumänischen Kino zu sprechen. Handy. Mit einem Wort: Zumindest die neue Mittelschicht Geschichten vom Land ziehen sich durch die Filme, ge- verhält sich wie eine globale Klasse. rade auch als Spannungsmoment im Vergleich zu den
höchst modernen Lebensformen in den Städten. Aber die Herrschaft, am Beispiel einer Gruppe von Zwangsumge- Entwicklungen in den Jahrgängen 2020/21, die das Pro- siedelten, die für eine Weile mehr oder weniger von der gramm nun konzentriert präsentiert, deuten jedenfalls Geschichte vergessen werden und eine ursprüngliche Rumänisches Filmfestival darauf hin, dass es ein verstärktes Interesse an Tiefen- Gemeinschaft zwischen Ideal und Terror entwickeln. Und bohrungen in den historischen Bezügen gibt. Das Berg- Nicolae Mărgineanus CARDINALUL verband das für Ru- hotel in CRAI NOU sieht so aus, als stamme es aus einer mänen entscheidende Datum 1918, die Entstehung der Zeit, in der die Jagdrechte und die landwirtschaftlichen Nation, mit der Unterdrückung religiöser Führer durch die Belange zentralistisch gelenkt wurden, also aus dem Kommunisten 50 Jahre später. Konfessioneller Glaube ist Kommunismus, wo solche Orte der Nomenklatura vorbe- dabei eine zivilgesellschaftliche Resource, die noch ein- halten waren. Wenn nun die arithmetisch, nicht aber so- mal fünfzig Jahre später den Charakter eines Mahnmals zial begabte Protagonistin Irina eine Holztrommel erklin- bekommt. gen lässt, als wäre man in einem Resort für Esoteriker, Diesen expliziten Gedenkfilmen aber stehen im ru- dann tun sich verschiedene Zeiten im Hintergrund eines mänischen Kino eben zunehmend komplexere Schich- 3 Films auf, der zugleich ganz und gar zeitgenössisch ist. tungen von Identität gegenüber. In Cristi Puius opus mag- Ein Pope bekommt auf einem der meist katastrophal ver- num MALMKROG wird diese Regionalisierung, die laufenden Familientreffen eine Krautsuppe serviert, seine bewusst nach Geschichtsorten sucht, geradezu pro- Gegenwart ist ebenfalls ein Indiz für den Traditionalismus, grammatisch. Das Gut, auf dem der Film spielt, ist zu- dem das Leben auf dem Land gehorcht. gleich maximal abgelegen und vollkommen zentral. Der In Liviu Săndulescus CĂRTURAN spielte Adrian Titieni Widerspruch wird überbrückt durch eine Kultur, die noch eine vergleichbare Rolle, einen Pfarrer, der zugleich zen- den ersten Landnahmen, also feudalen Bezügen ent- trale Autorität in einem ländlichen Ort ist. In diesem Fall stammt, die aber durch Lektüre und Reisen zugleich der verteidigt er ein Brauchtum, das nicht nur christlich ge- großen Welt draußen angehört. Für Rumänien, das Land prägt ist, sondern auf ältere Bestattungsrituale verweist: am südöstlichen Rand Europas, sind die inneren Verhält- bei einer Beerdigung werden »Almosen« gesammelt. nisse von Mitte und Rand, Zivilisation und Unberührtheit Man könnte CĂRTURAN als eine pointierte Modernisie- immer auch Spiegelungen der Aushandlungen seines rung dieser alten sozialen Zusammenhänge lesen: Denn Orts in der Welt. Bert Rebhandl da macht nun einer geltend, dass er selbst es doch sein sollte, dem diese Gaben zugute kommen sollen. Der Tod- Ein Programm in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft zur Förde- rung der Rumänischen Kultur und Tradition e.V., München. geweihte möchte den gemeinschaftlichen Akt vorziehen, er möchte selbst noch etwas von diesem Brauch haben, damit er über die Hinterlassenschaft verfügen kann. Berliner (Die Kampagne) | Rumänien 2020 | R: Mari- CĂRTURAN oder die Politsatire BERLINER von Marian an Crișan | B: Marian Crișan, Gabriel Andronache | K: Crișan sind Filme, die in den Übergangsbereichen zwi- Oleg Mutu | D: Ion Sapdaru, Ovidiu Crișan, Maria schen Ursprünglichkeit und Gegenwart spielen, an Orten, Jungheţu, Sorin Cociş, George Dometi, Ioana Chitu, Ion die Provinz sind, aber doch Beziehungen zum Zentrum, Ruscut | 94 min | OmeU | Eine Autopanne führt zu be- zu den Institutionen haben. ÎNTREGALDE hingegen geht deutenden Veränderungen im Leben eines einfachen bewusst an diese Grenze, und überschreitet sie. Der Film Menschen: Viorel ist ein Bauer in einer entlegenen Re- trifft dort auf Menschen, die den Siedlern im amerikani- gion im Westen Rumäniens. Als eines Tages der Politi- schen Western entsprechen, raue Gesellen oder fromme ker Mocanu mit seinem defekten Auto vor ihm steht, Frauen, die in unwirtlichen Situationen die Stellung hal- hilft er natürlich. Allerdings kann das benötigte Ersatz- ten. Staatliche Strukturen entwickeln sich entlang von teil nur über Nacht beschafft werden. Damit beginnt Infrastrukturen, erst wenn Straßen eine Verbindung zwi- eine Komödie, in der es wenig zu lachen gibt. Mocanu schen Orten herstellen, wächst etwas zusammen. Bei wittert eine Chance und präsentiert sich in einem lau- Radu Muntean führen die Straßen tief in den Wald, und fenden Wahlkampf als »alter Freund« von Viorel, der sie enden im Ungewissen. fortan bei all den arrangierten Szenen mitmacht, die Natürlich gibt es auch in den aktuellen Jahrgängen Mocanus Assistent vor allem für Facebook inszeniert. des rumänischen Kinos Filme, die ausdrücklich histori- Marian Crișan führt die zynischen Strukturen der Politik sche oder gründungsmythologische Begebenheiten auf- (und der korrupten rumänischen Elite im besonderen) greifen. Andrei Zincăs ŞI ATUNCII ... CE E LIBERTATEA? unaufdringlich vor Augen, und findet in Viorel einen per- erinnerte an das Trauma der Kollektivierung der Land- fekten (Anti-)Helden. wirtschaft in den ersten Jahren der kommunistischen Freitag, 12. November 2021, 19.00 Uhr
Războiul Regelui (Der Krieg des Königs) | Rumänien risch bleibt auch die Geschichte von Anton und Bea- 2016 | R+B: Trevor Poots | K: Viorel Sergovici Sr., Lulu trice, den beiden Liebenden. Für Șerban ist der durch- Hillerin, James Miller, Matthew Vaughan | M: Andrei Va- aus rätselhafte Film »eine Liebesgeschichte zwischen silache | 48 min | OmeU – Regele Mihai – Drumul Rumänisches Filmfestival Büchern«. Amerika ist eher eine Chiffre als ein realer către casă (Der letzte König hinter dem Eisernen Ort. Vorhang) | Rumänien 2021 | R+B: Trevor Poots | K: Samstag, 13. November 2021, 20.00 Uhr Viorel Sergovici Sr., Adrian Danciu, James Miller, Jon Bjorgvinson | M: Andrei Vasilache | 48 min | OmeU | Malmkrog | Rumänien 2020 | R+B: Cristi Puiu, nach Zwei Dokumentarfilme zum 100. Geburtstag von Mihai »Drei Gespräche« und »Kurze Erzählung vom Antichrist« I., dem letzten König Rumäniens. DER KRIEG DES KÖ- von Vladimir Solov'ev | K: Tudor Vladimir Panduru | D: NIGS erzählt eine der letzten unbekannten Geschichten Agathe Bosch, Ugo Broussot, Marina Palii, Frédéric über den Zweiten Weltkrieg. Mit dem Mut der Verzweif- Schulz-Richard, Diana Sakalauskaité, István Téglaș, Ju- 4 lung gelang es dem jungen rumänischen König, bei ei- dith State, Simona Ghiţă | 200 min | OmeU | Auf einem nem Treffen mit Hitler die Gräuel des Krieges um sechs Landgut in Transsylvanien (der Filmtitel benennt den Monate zu verkürzen. Eine Geschichte der Intrigen, der Ort) an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert kom- Täuschungen und des Mutes, mit aristokratischen Spi- men einige kultivierte Menschen zusammen. Gespro- onen, Erpressungen und Waffengewalt – vom Bucking- chen wird Französisch (die Vorlage von Vladimir So- ham Palace bis Bukarest, von Moskau bis Washington. lov'ev wurde in Russisch verfasst). Drei Gespräche über Der zweite Film erzählt die dramatische Exilgeschichte den Krieg, den Fortschritt und das Ende der Weltge- eines schneidigen und oft einsamen jungen Mannes, schichte. MALMKROG ist in hohem Maß ein Diskursfilm: der im großen Schachspiel zwischen der CIA, die in Ru- Menschen in Kostümen sprechen leidenschaftlich und mänien einen bewaffneten Widerstand gegen den in geschliffener Form über Fragen der Moral, der Reli- Kommunismus aufbauen wollte, und Sowjetrussland gion, der Geschichte. Einige wagemutige erzählerische hin und her geschoben und dabei von den gefürchteten Manöver interpunktieren die Inszenierung. Bei aller Agenten von Ceaușescus Securitate bespitzelt und ver- Text- und Werktreue geht MALMKROG doch weit über folgt wurde. eine »Literaturverfilmung« hinaus: Selten einmal hat Samstag, 13. November 2021, 17.00 Uhr das Kino sich so dezidiert an einer Wegmarke von Ge- schichtsphilosophie und opaker Gegenwartsdeutung These Days | Rumänien 2020 | R+B: Andrei Crețules- positioniert wie dieses Salonstück, das den Geist einer cu | K: Ana Drăghici | D: Ana Ularu, Emilian Oprea | 12 verlorenen Epoche zum Leben erweckt. Darüber hinaus min | OmeU | Eine Wohnung, eine Kameraposition, am ist MALMKROG auch eine Meditation über das alte und Ende ein Schwenk: Ein Paar macht sich zum Ausgehen das neue Europa. Der Ort der Handlung lässt sich als bereit, doch bald geht die Symmetrie der Handlungen Bindeglied sehen zwischen einer Welt, der Russland als verloren. – In the Shadow of Men | Rumänien 2020 | Zivilisationsmacht angehörte, und der heutigen Ent- R+B: Andrei Crețulescu | K: Andrei Butică | D: Rodica fremdung zwischen Ost und West. Lazăr, Crina Semciuc, Şerban Pavlu, Andi Vasluianu, Sonntag, 14. November 2021, 17.00 Uhr Dorian Boguţă, Ana Ularu, Radu Iacoban, Emilian Oprea | 18 min | OmeU | Zwei Frauen in drei Szenen, in denen Întregalde | Rumänien 2021 | R: Radu Muntean | B: sie zweimal im Schatten ihrer Männer stehen, bevor sie Radu Muntean, Răzvan Rădulescu, Alexandru Baciu | K: in der dritten in die gemeinsame Freiheit aufbrechen Tudor Vladimir Panduru | D: Maria Popistaşu, Ilona Bre- (wollen). – Dragoste 2 – America (Liebe 2 – Ameri- zoianu, Alex Bogdan, Luca Sabin, Toma Cuzin, Radu ka) | Rumänien 2020 | R+B: Florin Șerban | K: Oleg Muntean, Alex Baciu, Gabor Bondi | 104 min | OmeU | Mutu | M: Bartosz Chajdecki | D: Igor Babiac, Emöke Maria, Ilinca und Dan tun Gutes. Sie bringen Säcke mit Pál, Constantin Dogioiu | 75 min | OmeU | Das erste Bild Konserven, Süßigkeiten und anderen Hilfsgütern zu in Florin Șerbans Mittelteil seiner Liebes-Trilogie: eine Menschen in entlegenen Gebieten. Sie fahren mit Brücke im Wald. Eine Frau ist offensichtlich auf der schweren Geländewagen zu einsamen Hütten, zu de- Flucht. Im Verlauf des Films lotet Serban alle Möglich- nen kaum benutzte Straßen führen. Als sie unterwegs keiten aus, diesen Ort (gedreht wurde in den Se- einen alten Mann treffen, der zu einem Sägewerk will, menic-Bergen am Abhang der Karpaten im Südwes- nehmen sie eine Abzweigung, die sich als unheilvoll tens Rumäniens) mit filmischen Mitteln zu erschließen erweist. Radu Muntean spielt hier mit Motiven des Hor- und zugleich in Fragmente zu zerlegen. Und fragmenta- rorkinos (wo die Provinz oft zum Ort des Schreckens
Rumänisches Filmfestival ÎNTREGALDE 5 wird), bleibt aber dem protokollarischen Erzählen treu, der schnell »Juden« im Hintergrund vermutet, wenn das so charakteristisch ist für das neuere rumänische ihm etwas nicht passt. In einer hellen Mondnacht deu- Kino insgesamt. ÎNTREGALDE findet am äußersten tet sich schließlich ein Geheimnis an, von dem nicht nur Rand zum Kern der heutigen Verhältnisse in Rumänien: Irina bestimmt ist. Ihre Ambivalenz wird sie wohl nicht Die Leute aus der Stadt und die Leute vom Land wissen mehr los. nichts miteinander anzufangen, und während die einen Mittwoch, 17. November 2021, 19.00 Uhr ihren modernen Lebensstil betonen, stecken andere noch in Zeiten fest, für die auch der Kommunismus nur Urma (Die Spur) | Rumänien 2020 | R: Dorian Boguţă | am Rande ein Faktor war. Dass dann auch längere Zeit B: Dorian Boguţă, Loredana Novak | K: Barbu Bălășoiu | die Hilfsaktion buchstäblich feststeckt, ist ein schönes M: Marius Leftărache, Matei Stratan, Urma | D: Teodor Sinnbild für einen Fortschritt, der nicht von außen kom- Corban, Marin Grigore, Irina Rădulescu, Mădălina Ghe- men kann. nea, Dragoş Bucur, Lucian Ifrim, István Téglaș | 104 min Dienstag, 16. November 2021, 19.00 Uhr | OmeU | Der Film beginnt in einer leeren Wohnung, in der die Polizei nach Indizien für den Verbleib eines Ver- Crai Nou (Blauer Mond) | Rumänien 2021 | R+B: Alina missten sucht: Anton, ein berühmter Musiker, ist nicht Grigore | K: Adrian Pădureţu | M: Ioan Filip, Subcarpaţi | mehr aufzufinden. Gemeinsam mit den Angehörigen be- D: Ioana Chiţu, Mircea Postelnicu, Mircea Silaghi, Vlad ginnen die Behörden, sich mit dem Fall zu beschäftigen: Ivanov, Robi Urs, Emil Măndănac, Ioana Flora | 85 min | die Lebensgefährtin von Anton, seine Schwester und OmU | »Ein psychologisches Drama mit den Ingredien- deren Mann – alle haben ihre Erinnerungen an und ihre zien Familie, Sex und ein bisschen Blut.« (Alina Grigore) Geheimnisse mit dem Verschwundenen. Das rumäni- Irina wird morgens unsanft aus dem Bett geholt. Privat- sche Kino hatte immer schon eine Neigung zu analyti- sphäre wird in der Familie klein geschrieben, bei der sie schen Erzählungen, also zu Dramaturgien, in denen der lebt – der Vater hat sich vor vielen Jahren nach London Verlauf der Geschichte mit der Freilegung immer neuer verabschiedet, nun ist er zu Besuch. Er wirkt so, als Details einher geht, bis schließlich Klarheit über die Um- wäre er ein erfolgreicher Mann. Irina soll zu ihm nach stände mit einem Schlusspunkt zusammenfallen. URMA England kommen. Doch sie hat andere Pläne. Sie will lässt sich als ein extremes Beispiel für dieses Erzählen nach Bukarest gehen, um dort zu studieren. Doch der begreifen, vielleicht schon fast auch als eine Parodie: Die Onkel, der Cousin, der ganze Clan, der in einer prächti- Bewegung führt aus der Stadt aufs Land hinaus und zu gen Berglandschaft ein Hotel betreibt, wollen sie nicht einem »heiligen« Ort, das Ende ist schließlich angemes- gehen lassen. Alina Grigore entfaltet das chaotische sen rätselhaft. Soziogramm dieser Familie mit einer agilen Kamera, die Donnerstag, 18. November 2021, 19.00 Uhr immer nahe an den Figuren ist, aber auch sehr ge- schickt die Spannungen zwischen ihnen aufgreift. Ne- ben Irina wird vor allem ihr Cousin Liviu zu einer wichti- gen Figur, ein junger Mann, der nicht lesen kann, und
Zum 200. Geburtstag von Fedor Dostoevskij Fedor Dostoevskij 6 THE BROTHERS KARAMAZOV Fedor Michailovič Dostoevskij (1821–1881) ist nicht ersetzt Petersburg (»die künstlichste aller Städte«) nur einer der bedeutendsten Romanautoren der Welt- durch eine zeitgenössische italienische, jedoch in irrea- literatur, sondern gehört auch zu den russischen Auto- lem Licht schimmernde Stadt voller kleiner Brücken. ren, die im Ausland viel beachtet, gelesen – und von Bresson verlegt Dostoevskijs Sujets in ein Pariser Mili- Meisterregisseuren verfilmt wurden. In der Retrospekti- eu, als wäre nichts Petersburgisches an den »Weißen ve sind Verfilmungen aus allen Perioden seines Schaf- Nächten« – obwohl doch die hellen Nächte ein Spezifi- fens vertreten, von »Weiße Nächte« (1848) über »Schuld kum des Nordens sind und dort im Sommer für eine und Sühne« (1866) bis zu »Die Brüder Karamazov« unwirkliche Atmosphäre sorgen. Während Visconti noch (1879/80), laut Sigmund Freud der »großartigste Ro- mit studiogeneriertem Chiaroscuro arbeitet, verzichtet man, der je geschrieben wurde«. Besonders reizvoll ist Bresson darauf, den Titel wörtlich zu nehmen und inter- der Vergleich verschiedener Adaptationen derselben pretiert das Oxymoron der ›weißen Nacht‹ als Möglich- Vorlage: etwa Luchino Viscontis LE NOTTI BIANCHE mit keit einer ungeahnten, nur kurz aufscheinenden Klar- Robert Bressons QUATRE NUITS D’UN RÊVEUR, oder heit der Erkenntnis und des Fühlens. Die Pariser Weißen der völlig unterschiedlichen Verfilmungen von »Der Idi- Nächte werden zu einer Ausnahmezeit, in der die bisher ot« und »Die Brüder Karamazov«. unklaren Wünsche ans Licht kommen dürfen. Die Pari- Wie wurde Dostoevskij bisher überhaupt verfilmt? ser Brücken bieten sich – 20 Jahre vor Leos Carax’ DIE Man kann grob zwei Ausrichtungen unterscheiden. Die LIEBENDEN VON PONT-NEUF (1991) – als Kulisse für meisten Filme belassen die Handlung in der zweiten zarte Anbahnungen und emotionale Ergüsse an; diese Hälfte des 19. Jahrhunderts und rekonstruieren »Origi- großen Brücken sind Orte der Grenzüberschreitung und nalschauplätze« der Romane, also Petersburg, das rus- des neuen Sehens, die für den Sehnsüchtigen Zeichen sische Provinzstädtchen oder Wiesbaden (Čardynin, bereithalten (so trägt der vorbeifahrende Kahn den Na- Wiene, Ozep, Brooks, Pyr’ev, Kulidžanov, Wajda). Die men der Geliebten). zweite Gruppe von Filmen versetzt das Sujet in eine Doch bereits in Vorkriegsverfilmungen von Dosto- andere Zeit oder an einen anderen Ort (Visconti, Bres- evskij abstrahierte man zuweilen vom russischen Mi- son, Kaurismäki, Zelenka, Vecchiali). lieu. Die Vertreter des »Russenfilms« wie Carl Froelich Es scheint, dass besonders der westeuropäische (IRRENDE SEELEN / SKLAVEN DER SINNE, 1921, nach Film der 1950er bis 1970er Jahre in den literarischen »Der Idiot«) und Friedrich Zelnik (ERNIEDRIGTE UND Vorlagen Dostoevskijs universelle Sujets erkennt, die BELEIDIGTE, 1922) kombinierten in der Ausstatung vi- auch anderswo verortet werden können. Visconti etwa suelle Trends der westlichen Roaring Twenties mit rus-
sischen Versatzstücken – und das alles auf dem Rü- Überzeugender ist da Yul Brynners schillernde Erotik cken der literarischen Vorlagen, von denen wenig übrig in der amerikanischen Verfilmung aus den 1950er Jah- blieb. Jerzy Toeplitz schreibt über Wienes expressionis- ren. In Brooks’ Film bilden ähnlich wie bei Ozep die tischen RASKOLNIKOW: »Es war kein Zufall, dass der Söhne Dmitrij und Smerdjakov zum Vater ein Dreieck Regisseur Robert Wiene, der Schöpfer von DAS CABI- der Spannung. Im Gegensatz jedoch zum hilflosen NET DES DR. CALIGARI, den Roman ›Schuld und Süh- Greis von 1931 ist Fedor Karamazov (Lee J. Cobb) bei Fedor Dostoevskij ne‹ verfilmte und Raskolnikow in einem stilisierten De- Brooks ein echter Rivale seines Sohnes. Stärker her- kor sich bewegen und handeln ließ, das eher an die ausgearbeitet sind hier Dmitrijs potentielle kriminelle deutsche Kleinstadt von Mayer und Janowitz erinnerte Energien, die dem kühlen Intellekt seines Bruders Ivan als an das Petersburg des 19. Jahrhunderts.« Man gegenüberstehen, dessen Mitschuld darin besteht, könnte einwenden, dass die expressionistische Stadt- dem Vater nicht zu Hilfe gekommen zu sein. Smerdja- architektur insgesamt geografisch nicht festgelegt ist, kov wiederum bezeichnet sich selbst als das Werkzeug vielmehr die dunklen und unsicheren Seiten der Urba- des ödipalen Wunsches der beiden anderen. Der Bezug 7 nität hervorkehrt: Raskol’nikov (der groß und kräftig zur Freudschen Auslegung des Textes vom verhassten wirkende Grigorij Chmara) betritt seine schiefwändige Vater der Urhorde ist deutlich – deshalb wirkt die Figur Wohnung wie eine Erdhöhle, ein »Kellerloch«. Die ex- des gottesfürchtigen Bruders Aljoša etwas deplatziert pressionistischen Filmbauten scheinen die Menschen (1931 fehlte sie im Drehbuch von Ozep/Frank/Trivas dazwischen zu erdrücken, sie geradezu zum Verbre- ganz). chen zu treiben – hier erweist sich die Kombination von Als Maßstab der Qualität einer Literaturverfilmung caligaresker Kulisse und den ruhig-natürlich agieren- wird meist der Grad der Werktreue angesehen. Doch den Schauspielern des Moskauer Künstlertheaters als was bedeutet Werktreue oder Nähe zum Original, wenn wohltuend. Chmaras Augen tragen zwar den expressio- ein Text in ein multimediales Raum-Zeit-Medium über- nistischen Lidstrich, seine Bewegungen und Mimik sind führt wird? Geht es um die Handlung, die religiöse, aber nicht überzeichnet, sondern psychologisch fun- geistige oder politische Ausrichtung oder aber um eine diert – eben der Stanislavskij-Tradition verpflichtet. bestimmte Atmosphäre – etwa die des typischen Wienes Film gehört streng genommen also nicht zur Dostoevskijschen Skandals und der sich überschlagen- oben beschriebenen »Russenwelle«, bei der der Russe den Hysterie (russ. »nadryv«), die oft mit der Idiotie des immer das Andere, das Abnormale, das Gesetzlose, Gottesnarren gepaart wird? bestenfalls das unberechenbar Maßlose verkörpern Die hysterische Atmosphäre des »nadryv«, ein Wort, musste: sei es Ivan der Schreckliche oder ein Karama- das man auch mit Überreizung wiedergeben kann, ent- zov. lädt sich in Dostoevskijs Texten meist in einer Skandal- Weitere Früchte deutsch-russischer Zusammenar- szene (Geldbündel werden in den Kamin geworfen) oder beit waren zwei in Deutschland produzierte Karama- einem Anfall. Dostoevskijs Werk ist voll von »nadryv«- zov-Verfilmungen: Froelich ließ sich 1920 für seine Personen; zumeist leiden sie an derselben Krankheit Adaptation des russischen Romans von Dimitri Bucho- wie ihr Autor, an der Epilepsie. Es sind dies zum einen wetzki beraten, und der russische Emigrant Fedor Ozep die helle Figur des Fürsten Myškin und zum anderen wählte deutsche Charakterdarsteller für seinen Tonfilm eine der abscheulichsten Kreaturen, die Dostoevskij aus dem Jahre 1930/31. Oksana Bulgakowa verzeich- ersonnen hat: Smerdjakov, der illegitime Sohn und Mör- net in diesen beiden (vor allem für ein deutsches Publi- der des Urvaters Fedor Karamazov. Während in den kum produzierten) Filmen die Reduktion der psycholo- literarischen Texten das Hassenswerte dieser Figur nur gisch-philosophisch-religiösen Vatermordgeschichte indirekt aufscheint, muss sie im Film mit einem konkre- auf einen moralisierenden Krimi: Im Film von Ozep ten Schauspieler besetzt werden. Ozep wählt den sub- mordet eine Nebenfigur aus Berechnung, der Held er- alternen Widerling Fritz Rasp, Brooks den aalglatten, liegt einem Justizirrtum, und die Dirne wird ehrbar. Fritz doch zugleich psychotisch wirkenden Albert Salmi. Bei- Kortner, der bereits bei Froelich den Dmitrij gegeben de wirken in gewisser Weise debil. Der des Schwach- hatte, zeigt ein Jahrzehnt später mehr als »eine Spur sinns geziehene Fürst Myškin aus dem Roman »Der zuviel Raisonnement« (so Siegfried Kracauer in der Idiot« dagegen wird von dem durchgeistigten und edlen Frankfurter Zeitung, 13.2.1931) und seine kreuzbrave Gérard Philipe (bei Lampin, 1946) dargeboten, bzw. bei Darstellung sinnlicher Leidenschaft in den Zigeuner- Kurosawa (HAKUCHI, 1951) von dem feinsinnigen Mori. szenen erinnert in manchem eher an Heinrich Manns Hier fällt auf, dass auch das »Idiotische« kulturell ver- »Untertan« als an Dostoevskij. schieden ausfällt.
Die politische Dimension von Dostoevskijs Schriften greise Großmutter am Roulette nur ein schrulliger loser, hatte in der UdSSR dazu geführt, dass der Autor jahr- bei Dostoevskij jedoch die Figur, die durch ihr beständi- zehntelang praktisch zu den Verfemten gehörte; damit ges Setzen auf die Zahl Null das intrikate Nullsummen- hängt auch der relativ späte Anfang der Geschichte spiel des Textes bedingt). Bereits der Titel vom »Großen sowjetischer Dostoevskij-Adaptationen zusammen, die Sünder« lässt vermuten, dass der Film das Schicksal zunächst nur linientreuen Regisseuren (wie dem Stali- des russischen Spielers aus der moralischen Perspek- Fedor Dostoevskij nisten Ivan Pyr’ev in den 1950ern oder später dem tive hehrer Ideen beleuchtet – ein Moment, das im oft Ersten Sekretär des Filmverbands, Lev Kulidžanov) zynisch daherkommenden Originaltext weitgehend überantwortet wurden. Es ist der polnische Regisseur fehlt. Diese Reduktion des echten Dostoevskij, der über Andzrej Wajda, der in seinen LES POSSÉDÉS der Ver- »Verbrechen« und »Strafe« schrieb, auf die moralisch nachlässigung der ideologischen Problematik in den gefärbte Rede von »Schuld« und »Sühne« ist freilich ein filmischen Dostoevskij-Bearbeitungen ein Ende macht Übel, das bereits in der Rezeption seiner Romane ange- 8 und sich an »Die Dämonen« wagt. Wajda gelingt es hier, legt ist. »Die Überschätzung des ›ideellen Überbaus‹ den politischen Weitblick des Autors zu würdigen und der Werke Dostojewskis gehört zu den bewährtesten mit Hilfe von hervorragenden Schauspielern der Ge- Fallen, die dieser Autor seinen Kritikern und Lesern schichte der lokalen Revolution von Stavrogin/Vercho- stellt.« (Aage Hansen-Löve) venskij eine tragische Note zu geben. Und doch fängt Siodmaks Film ein zentrales Was bewirken einschneidende Eingriffe in die von Dostoevskij-Thema ein – das der (Spiel-)Leidenschaft, Dostoevskij vorgegebene Handlung? Robert Siodmaks die alle menschlichen Regungen, ja, sogar den Eros THE GREAT SINNER (1948) vernachlässigt nicht nur die (hier Ava Gardners) zunichte macht. Der süchtige Spie- Namen der Personen (aus dem Hauslehrer wird ler unterwirft sich bedingungslos der Magie der Zahlen Dostoevskij selbst), sondern lässt Randfiguren wie Ma- und der Mechanik der Roulettescheibe. Vor allem in den demoiselle Blanche beiseite oder verändert ihre Bedeu- Hollywood-Produktionen sind die wahren Bezüge zu tung für die Idee der Geschichte (bei Siodmak ist die Dostoevskij nicht gerade vordergründig: Es ist das psy- THE GREAT SINNER
chologische, um nicht zu sagen, psychoanalytische de, wirklich ein Fabrikarbeiter, oder ist er vom Festival Ausloten der Figurenkonstellationen und das auch in eingeschleust und das tragische Ereignis nur eine In- Dostoevskijs Kriminalgeschichten prominente Moment szenierung, für die die Theatergruppe das Publikum des suspense, durch das die amerikanischen Verfil- abgibt? Ständig werden wir daran erinnert, dass wir ein mungen brillieren. Natascha Drubek-Meyer Stück nach einem Roman in einem Film sehen, doch anstatt dass die Handlungsebenen konstrastierten, ver- Fedor Dostoevskij The Brothers Karamazov (Die Brüder Karamasow) schmelzen sie. | USA 1958 | R+B: Richard Brooks, nach dem Roman Samstag, 20. November 2021, 17.00 Uhr von Fedor Dostoevskij | K: John Alton | M: Bronislau Kaper | D: Yul Brynner, Maria Schell, Claire Bloom, Lee Die Brüder Karamasoff | Deutschland 1920 | R: Carl J. Cobb, Albert Salmi, Richard Basehart, William Shat- Froelich | B: Carl Froelich, Dimitri Buchowetzki,.Ronald ner | 145 min | OF | »Richard Brooks' Konzentration von Boschitzko, nach dem Roman von Fedor Dostoevskij liegt auf der Beziehung des Zynikers Dimitri Karamasow | K: Otto Tober | D: Fritz Kortner, Bernhard Goetzke, Emil 9 und seinem Vater, eine Hass-Liebe, die dadurch ihren Jannings, Hermann Thimig, Alina Griffycz-Milewska, Höhepunkt erreicht, dass sich beide in dieselbe Frau Rudolf Lettinger, Hanna Ralph, Werner Krauß | 105 min verlieben. Der Sündenfall tritt ein, Vatermord, der Ver- | »Das, was der Film bietet, ist natürlich ein zusammen- such eines Neuanfanges scheitert, die Moral versagt, gedrängter Extrakt des Buchdramas, der aber doch in und Gerechtigkeit ist eine Illusion. Aus den Trümmern der Filmbearbeitung nichts Unwesentliches fortlässt, der gescheiterten Ideale von Loyalität, Freundschaft sondern das Fortschreiten des Geschehnisse in logi- und Liebe steigt zu guter Letzt ausgerechnet dem Athe- scher Aufeinanderfolge in sehr guten Szenen festhält. isten unter den Brüdern die Erkenntnis empor: Wir alle Carl Froelichs äußerst sorgfältige Regie zeigt Bilder sind Werkzeuge des Teufels. Brooks’ Inszenierung ist echt russischer Färbung und operiert mit Darstellern, solide, was insbesondere in der Kameraarbeit stre- die sich in den Charakter ihrer Rollen mit größter Hinge- ckenweise zwar nur Routine bedeutet, dafür wird durch bung eingelebt zu haben scheinen. Es wird ein wahr- geschickte Farb- und Lichtkomposition der außerweltli- haftiger Einblick in die Kultur der Handlungsumgebung che Bezug geschaffen, der dem Werk die manipulative des Stückes geboten, eine Bildschilderung der Sitten Aura verleiht, die auch traditionelle Kirchengemälde und Gebräuche, wie sie auch Dostoevskijs gewandte zum Kultobjekt stilisierte – letztlich ein entscheidendes Feder nicht anschaulicher bieten konnte. Einen ausge- Merkmal des Classical Hollywood Style.« (Matthias zeichneten Typ hatte Werner Krauß mit seinem epilepti- Grimm) schen Koch Smerdjakoff geschaffen. Eine Kabinettleis- Freitag, 19. November 2021, 19.00 Uhr tung für sich. Der alte Karamasoff fand in Fritz Kortner einen prächtigen Nachgestalter. Dem düsteren Zyniker Karamazovi (Die Karamazows) | Tschechien 2008 | Iwan gab Bernhard Goetzke die entsprechende Charak- R+B: Petr Zelenka, nach dem Theaterstück von Evald terisierung. Emil Jannings spielte den leichtsinnigen, Schorm | K: Alexander Šurkala | M: Jan A.P. Kaczmarek lebensfrohen Dimitri ganz im Sinne russischer Auffas- | D: Ivan Trojan, Lenka Krobotová, Igor Chmela, Martin sung.« (Der Kinematograph) Myšička, David Novotný, Radek Holub, Michaela Badin- Samstag, 20. November 2021, 20.00 Uhr | Musikbe- ková | 100 min | OmeU | Eine tschechische Theater- gleitung: Günter A. Buchwald gruppe fährt für ein alternatives Festival ins polnische Nowa Huta, um dort vor der Belegschaft eines noch Die Frau mit den 5 Elefanten | Schweiz 2009 | R+B: aktiven, aber verfallenden Stahlwerks die Bühnenbear- Vadim Jendreyko | K: Niels Bolbrinker, Stéphane Kuthy | beitung von Fedor Dostoevskijs »Die Brüder Karama- M: Daniel Almada, Martín Iannaccone | Mit: Svetlana zov« aufzuführen, die der tschechische Autor Evald Geier, Anna Götte, Hannelore Hagen, Jürgen Klodt | 93 Schorm Anfang der 1980er Jahre ins Theater und ins min | Als die fünf Elefanten bezeichnet Svetlana Geier Fernsehen brachte. Kein Wunder, dass die Grenzen zwi- selbst die fünf großen Romane Dostoevskijs, die sie neu schen Literatur, Theater, Film und Realität verschwim- ins Deutsche übertragen hat. Damit wurde sie weit über men. Soll die Truppe in der baufälligen Halle ernsthaft Spezialistenkreise bekannt, auch weil sie bei ihren mit Schutzhelmen auftreten? Kann sich der Darsteller Übersetzungen nah am Russischen blieb und die Titel des Dmitrij rechtzeitig davonstehlen, um daheim an ei- »Schuld und Sühne« und »Die Dämonen« in »Verbre- nem Nachtdreh teilzunehmen? Ist der Fabrikarbeiter, chen und Strafe« und »Böse Geister« änderte. Regis- dessen Kind beim Spielen im Werk schwer verletzt wur- seur Vadim Jendreyko beobachtet die 85-jährige Svet-
lana Geier bei ihrer akribischen Übersetzungsarbeit, Adaptation des Dostojewski-Romans im damaligen Ge- wenn sie mit ihrem ebenfalls schon betagten Assisten- genwartsparis spielen lassen. Der Film schmilzt die lite- ten jedes einzelne Wort sorgfältig abwägt. Der Doku- rarische Vorlage auf ihre kriminalistische Essenz ein, mentarfilm führt aber auch in die bewegte Vergangen- ohne doch die philosophischen Implikationen ganz aus heit von Svetlana Geier und in ihren ukrainischen dem Blick zu verlieren. Die morbide Ausstrahlung ver- Heimatort, den sie seit ihrer Flucht 1943 nicht mehr fallener Bauten in alten Pariser Quartieren tut ein Übri- Fedor Dostoevskij besucht hat. »Der Film zeichnet ein komplexes Bild sei- ges, um die bedrückende Atmosphäre des Romans zu ner Protagonistin, löst nicht die großen Widersprüche beschwören. Der Film bezeugt mit jeder Einstellung den einer ereignisreichen Biografie, in der die Zeitgeschich- versierten Blick seines Regisseurs und ein unaufdring- te solch deutliche Spuren hinterlassen hat, und folgt mit liches Können, das sich ganz in den Dienst der Ge- seinen Bildern dem Tempo ihrer Erzählung.« (Lena schichte stellt. Überdies erfreut er mit glänzenden Serov) Schauspielerleistungen.« (Steffen Jacobs) 10 Dienstag, 23. November 2021, 19.00 Uhr Freitag, 26. November 2021, 19.00 Uhr Der Mörder Dimitri Karamasoff | Deutschland 1931 | Crime and Punishment (Schuld und Sühne) | USA R: Fedor Ozep | B: Leonhard Frank, Fedor Ozep, Victor 1935 | R: Josef von Sternberg | B: Joseph Anthony, S.K. Trivas, nach Motiven des Romans »Die Brüder Karama- Lauren, nach dem Roman von Fedor Dostoevskij | K: zov« von Fedor Dostoevskij | K: Friedl Behn-Grund | M: Lucien Ballard | M: R.H. Bassett, Louis Silvers | D: Peter Karol Rathaus | D: Fritz Kortner, Anna Sten, Fritz Rasp, Lorre, Edward Arnold, Marian Marsh, Tala Birell, Elisa- Bernhard Minetti, Max Pohl, Elisabeth Neumann-Viertel beth Risdon, Robert Allen, Gene Lockhart | 95 min | | 93 min | »Die Musik zu DER MÖRDER DIMITRI KARA- OF | »Die Frage, was diese Verfilmung mit Fedor Dosto- MASOFF zählt zu den bahnbrechenden Leistungen des evskijs Romanklassiker von 1866 verband, sah Stern- Tonfilms. Sie entwickelt sich zum emotionalen Spiegel berg als lachhaft an, denn solch unsterbliche Kunst Dimitris und erreicht meiner Ansicht nach den Gipfel bei könne schwerlich den Gang durch Hollywoods Wurst- seiner hysterischen Troika-Fahrt im Schneegestöber, maschine überstehen. Aber versuchen wir uns ohne begleitet von einer gewaltigen Schlagwerksbatterie. vorgefasste Meinung in den Film zu stürzen, tauchen Rathaus' Beitrag ist eine echte Errungenschaft, weil er wir in den Portraitstil der Großaufnahmen ein, betrach- erstmals die Musik als integralen emotionalen Bestand- ten wir das reduzierte Dekor. Ja, gegen den Glanz teil des Werks behandelte.« (Bernard Herrmann) »Der des Dietrich-Zyklus' mag der Film schlicht wirken, erste deutsche Tonfilm, der einen Vergleich mit den schmucklos gar, aber Sternberg packt diesen Minima- guten stummen Filmen aushalten kann. Denn anders lismus und verdichtet dessen Möglichkeiten. Das nicht als bei den üblichen Roman-Verfilmungen ist der epi- von der Hand zu weisende Ergebnis ist die Ausgestal- sche Stoff nicht einfach als Unterlage für illustrative tung eines unverzichtbaren Kernstücks des späteren Szenen ausgenutzt, sondern von Grund auf in die Film- Film Noir: in Freud'scher Terminologie, der Antiheld als sprache übersetzt worden. Hervorzuheben ist vor allem verbrecherisches Ich, von seinem Es in den Wahnsinn eine Lehre, die dieser Tonfilm erteilt: dass das gespro- getrieben, muss sich seinem auf Schuldgefühle verses- chene Wort nicht den Vorrang haben darf, sondern sich senen Über-Ich stellen, üblicherweise verkörpert als einordnen muss ins Bildgefüge.« (Siegfried Kracauer) Polizist oder Ermittler.« (Adrian Martin) Mittwoch, 24. November 2021, 19.00 Uhr Samstag, 27. November 2021, 17.00 Uhr Crime et châtiment (Schuld und Sühne) | Frankreich Rikos ja rangaistus (Schuld und Sühne) | Finnland 1956 | R: Georges Lampin | B: Charles Spaak, nach 1983 | R: Aki Kaurismäki | B: Aki Kaurismäaki, Pauli dem Roman von Fedor Dostoevskij | K: Claude Renoir | Pentti, nach dem Roman von Fedor Dostoevskij | K: M: Maurice Thiriet | D: Robert Hossein, Marina Vlady, Timo Salminen | M: Pedro Hietanen | D: Markku Toikka, Jean Gabin, Ulla Jacobsson, Bernard Blier, Lino Ven- Aino Seppo, Esko Nikkari, Hannu Lauri, Olli Tuominen, trua, Gérard Blain | 107 min | OmeU | »Réné Brunel ist Matti Pellonpää | 93 min | OmU | »Sie lachen nicht, sie nicht Raskolnikow, Paris ist nicht Sankt Petersburg. weinen nicht. Aber vielleicht träumen sie. Man kann Doch die alte Geschichte von verbrecherischer Verstri- den Helden von Aki Kaurismäki nicht ansehen, was sie ckung und religiöser Läuterung ist auch im Paris der bewegt. Ungerührt geben sie sich dem Lauf der Zeit 1950er Jahre die gleiche wie 90 Jahre zuvor in der hin, Amokläufer des eigenen Schicksals. Sie nehmen Zarenstadt an der Newa. Georges Lampin hat seine Rattengift, heuern Auftragskiller an oder greifen wie in
Fedor Dostoevskij 11 RASKOLNIKOW SCHULD UND SÜHNE selbst zur Waffe. In einer tisch-übersteigerten expressionistischen Bauten spie- Fleischfabrik beginnt Kaurismäkis Erstling, mit einem len. Auf diesen Hintergründen schwellen die Gescheh- Blick in eine kalte Hölle, wo der Tod so nah und doch so nisse müheloser ins Unheimliche, Übermenschliche. fern ist. Ein kühles Licht liegt auf der Welt, das für klare Man fragt sich immer: Wie wurden diese Originial-Rus- Farben sorgt. Man darf den Beitrag des ständigen Ka- sen in diese verzackten Zimmer, Treppenhäuser, Stra- meramanns Timo Salminen zu Kaurismäkis Kosmos ßen, die sich ins Unendlich-Geheimnisvolle verlieren, nicht unterschätzen. Eine Ruhe der Bildfindung und hineingeschleudert? Man kann Wiene verteidigen, in- -gestaltung geht von ihm aus, in der sich der Regisseur dem man sagt: wichtiger als das realistische Milieu ist mit seinem trockenen Witz frei bewegen kann.« (Micha- bei Dostoevskij die seelische Atmosphäre, und diese el Althen). Wenn Aki Kaurismäki behauptet, einen Klas- seelische Atmosphäre wird zwischen diesen phantasti- siker zu verfilmen, wird die Buchvorlage vielmehr in schen Bauten deutlicher fühlbar als in fotografiertem Frage gestellt. »Schuld und Sühne« wird aktualisiert realistischem Milieu. Das ist richtig. Das Ganze wirkt und ins heutige Helsinki versetzt, aus Raskol’nikov wird sehr aufregend, frisst sich ein; man ahnt Dostoevskijs Rahikainen. Dostoevskijs große Themen werden umge- Größe und Tiefe; man ist erschüttert, mitgenommen, wertet: Es gibt keine Gnade, es gibt keine Sühne. geläutert.« (Kurt Pinthus) Zur Aufführung gelangt eine Samstag, 27. November 2021, 20.00 Uhr neue digital restaurierte Fassung des Filmmuseums München. Raskolnikow | Deutschland 1923 | R+B: Robert Wie- Sonntag, 28. November 2021, 17.00 Uhr | Musikbe- ne, nach dem Roman »Schuld und Sühne« von Fedor gleitung: Günter A. Buchwald Dostoevskij | K: Willy Goldberger | D: Grigorij Chmara, Elisaveta Skulskaja, Alla Tarasova, Pavel Pavlov, Michail Tichie stranicy (Verborgene Seiten) | Russland 1993 Tarchanow | 120 min | »Wiene nimmt die Schauspieler | R+B: Aleksandr Sokurov | K: Aleksandr Burov, nach des Moskauer Künstlertheaters und lässt diese keines- Motiven von »Schuld und Sühne« von Fedor Dostoevskij wegs in russischem Milieu, sondern in phantas- | D: Aleksandr Čerednik, Elizabeta Koroleva, Sergej Bar-
kovskij, Galina Nikulina, Olga Onishchenko | 77 min | Roman von Fedor Dostoevskij | K: Otto Baecker | M: OmU | Das Kino ist für Aleksandr Sokurov wie Malerei. Giuseppe Becce | D: Albrecht Schoenhals, Lída Baaro- Die Kinoleinwand ist flach, wie die eines Gemäldes. In vá, Eugen Klöpfer, Hannes Stelzer, Hilde Körber, Hedwig diesem Sinne ist dieser Film nach Motiven russischer Bleibtreu, Karl Martell | 93 min | »Vor allem Baarová als Prosa des 19. Jahrhunderts vor allem ein visuelles Er- Nina, die sich in die Abhängigkeit des Sekretärs ihre lebnis. Er wurde teils in schwarz-weiß, teils in einer Vaters begibt (Alexej Nikitin, von Hannes Stelzer spröd Fedor Dostoevskij ganz leichten bräunlichen Farbigkeit gedreht, die kurz und mit schroffer Sachlichkeit gespielt), überzeugt in einem ungetrübten Rot aufscheint. »Das bisschen Farbe, das Sokurov verwendet, ist fast immer schon zu viel. Wer sich seine Filme ansieht, braucht mehr als nur zwei Augen im Kopf.« (Andrea Kern) In einer optisch unglaublichen Szene stürzen sich die Figuren ein Trep- 12 penhaus hinab, dem jegliche dreidimensionale Tiefe genommen wurde. Es entsteht etwas Unmögliches. Dramatisch gestaltete Szenen gibt es nur wenige. In ihnen spielt der Bezug zu Dostoevskij jedoch eine we- sentliche Rolle. An zentraler Stelle zitiert Sokurov die berühmte Szene aus »Schuld und Sühne«, in der die todkranke Sonja versucht, Raskol'nikov dazu zu bringen seine Schuld öffentlich zu gestehen, um so wenigstens seine Seele zu retten. Dienstag, 30. November 2021, 19.00 Uhr durch ein psychologisches Gespür für die Abgründe einer Frau. Ansonsten verfolgt man als Zuschauer ge- Les possédés (Die Dämonen) | Frankreich 1988 | R: diegenes Theaterspiel. DER SPIELER ist ein den propa- Andrzej Wajda | B: Andrzej Wajda, Jean-Claude Carriè- gandistischen Vorstellungen der NS-Filmpolitik eher re, Angnieszka Holland, Edward Zebrowski, nach dem ferner Stoff, eine – im Dialog etwas zu überladene – Roman von Fedor Dostoevskij | K: Witold Adamek | M: Studie um Abhängigkeiten, falsche Liebe und Wahn- Zygmunt Konieczny | D: Jerzy Radziwiłowicz, Isabelle sinn, in der jeder der rollenden Kugel erliegt, auch wenn Huppert, Jean-Philippe Écoffey, Jutta Lampe, Laurent sich das Drehbuch von Peter Hagen alias Willi Krause Mallet, Lambert Wilson, Omar Sharif, Bernard Blier | und Alois Johannes Lippl – auch Goebbels hatte im 115 min | OmU | Jerzy Radziwiłowicz spielt die Rolle Hintergrund mitgewirkt – für Nina ein Happy End er- des abtrünnigen Verschwörers Šatov, der einer abge- laubt.« (Wolfgang Jacobsen) Kurz nach seiner Urauf- feimten Intrige seiner Mitverschwörer zum Opfer fällt. führung wurde der Film verboten. Grund war die Liebes- Sein Schicksal steht, anders als bei Dostoevskij, im Mit- affäre zwischen Lida Baarová und Joseph Goebbels, die telpunkt: Wajda sieht ihn als Opfer totalitärer Denk- durch Hitlers Intervention jäh beendet wurde. strukturen. »Wajda versucht nicht, die Geschichte eines Freitag, 3. Dezember 2021, 19.00 Uhr finsteren Revoluzzergrüppchens in einer zaristischen Kleinstadt um 1870 in ihrer ganzen Breite zu fassen; er Die Spielerin | Deutschland 2005 | R: Erhard Riedls- drängt, der Dramatik zuliebe, die Hauptereignisse – Ge- perger | B: Fred Breinersdorfer, nach Motiven des Rom- burt und Tod, Brandstiftung, Mord und Selbstmord – in ans von Fedor Dostoevskij | K: Frank Brühne | M: Karim eine aberwitzig kurze Zeitspanne zusammen. Das gibt Sebastian Elias | D: Hannelore Elsner, Erwin Steinhauer, dem Anarchistentreiben eine hysterische Aufgeregtheit, Nina Petri, Frank Giering, Gesine Cukrowski, Michael jagt oft aber auch die Schauspieler in atemlose Theat- Schönborn | 89 min | Eine freie Adaption, die im heuti- ralik. Wajdas Zentralfigur ist der idealistische Revolutio- gen Hamburg spielt, und gegen Ende teilweise wörtlich när Šatov, der seinen Glauben verliert und dafür sterben die Dialoge aus Dostoevskijs Roman übernimmt. »DIE muss – ihn allein umgibt der Film mit Märtyrerglanz.« SPIELERIN zeigt, wie es gehen kann: Wie ein Mensch (Der Spiegel) plötzlich vom Spiel gepackt wird. Aus der Leidenschaft Mittwoch, 1. Dezember 2021, 19.00 Uhr wird eine Sucht, die das Glück, dessen Suche ein gan- zes Leben dauern kann, in den Bruchteilen einer Se- Der Spieler | Deutschland 1938 | R: Gerhard Lamp- kunde fassen möchte. Alle Intensität wird in diesen recht | B: Peter Hagen, Alois Johannes Lippl, nach dem einen Moment gelegt: wenn die Kugel fällt. Die Schlag-
Sie können auch lesen