Nahrungsmittelallergien und -intoleranzen: Eine interdisziplinäre Bestandsaufnahme
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Fortbildung Nahrungsmittelallergien und -intoleranzen: Eine interdisziplinäre Bestandsaufnahme Teil 2: Nahrungsmittelintoleranzen VNR 2760602016041070009 Ludger Klimek1, Klaus-Michael Keller2 Begriffsbestimmungen Unverträglichkeitsreaktionen auf Nah- rungsmittel werden gemäß dem Positi- onspapier der Europäischen Akademie für Allergologie und klinische Immunologie (EAACI) nach pathogenetischen Gesichts- punkten eingeteilt [1, 2] (Abbildung 1). Foto: Dmytro Sukharevskyy – Fotolia.com Allergische (= immunologische) Mecha- nismen setzen die spezifische Auseinan- dersetzung (Sensibilisierung) und Einlei- tung einer allergischen Reaktion vom So- forttyp (Typ 1: IgE-vermittelt) oder Typ 4 (zelluläre Immunreaktion), seltener auch eine Typ 2-Reaktion voraus. Nicht-allergische / nicht-immunologische Ursachen von Nahrungsmittelintoleran- zen bezeichnen ein weites Spektrum Milch und Milchprodukte können auf unterschiedliche Weise zu Unverträglichkeiten führen, u. a. bei struktureller, funktioneller, toxischer und IgE-vermittelten allergischen Reaktionen auf Milchproteine und bei Lactose-Intoleranz nicht-toxischer Ursachen [3]. Psychische Aversionen auf Lebensmittel und psychosomatoforme Störungen, zum Die häufigsten Nahrungsmittelallergien rung des Gastrointestinaltrakts, die se- Beispiel im Rahmen des sogenannten „Kli- werden duch IgE-Antikörper verursacht: kundär zum Auftreten nahrungsmittelas- nischen Ökologie-Syndroms“ oder der Die Symptome können dabei bereits soziierter Beschwerden führt, beispiels- „Idiopathischen Umweltbezogenen Into- durch kleine Mengen des betreffenden weise führen Dünndarmdivertikel zu einer leranzen“ müssen von Allergien und Into- Nahrungsmittels ausgelöst werden, ver- bakteriellen Dünndarmüberwucherung, leranzen abgegrenzt werden, da sich die schwinden nach dessen Elimination und diese wiederum verursacht postprandia- vermeintliche krankhafte Rolle von Nah- können überzeugend und reproduzierbar len Meteorismus und Diarrhö. rungsmitteln oder Nahrungsmittel-Zu- durch eine erneute Exposition ausgelöst Toxisch bedingte Reaktionen auf Nah- satzstoffen bei diesen Pathologien heute werden. rungsmittel sind bedingt durch Toxinwir- mit keiner wissenschaftlichen Methode kungen, die zum Beispiel vorkommen untermauern lässt [4, 5]. Einleitung durch Kontamination der Nahrungsstoffe Von Nahrungsmittelallergien (bzw. Nah- durch Bakterien-, Pflanzen-, Pilztoxine, rungsmittelzusatzstoffallergien) spricht Nicht-allergische / nicht-immunologische Glykoalkaloide oder andere Gifte. man nur, wenn die krankhaften Sympto- Ursachen von Nahrungsmittelintoleran- So können Vergiftungserscheinungen me nach Nahrungsaufnahme als Folge von zen bezeichnen ein weites Spektrum nach Genuss einiger Pilze oder roher Boh- immunologischen Mechanismen entste- struktureller, funktioneller, toxischer und nen infolge des Lektingehaltes auftreten. hen, welche die Bildung von allergenspezi- nicht-toxischer Ursachen [3]. Lektine werden durch Kochen inaktiviert, fischen Antikörpern oder von sensibilisier- Strukturell bedingte Nahrungsmittelun- daher sind sie gekocht genießbar. Bakte- ten T-Effektorzellen induzieren (siehe verträglichkeit haben ihre Ursache in einer rielle oder mykotische Toxine können fie- auch Teil 1 dieses Beitrags im Hessischen anatomisch-morphologisch belegbaren berhafte Durchfälle und Erbrechen nach Ärzteblatt 02/2016) [6]. Erkrankung mit einer Strukturverände- Genuss verdorbener Speisen auslösen. 1 Allergiezentrum Wiesbaden, 2 DKD-Helios Kliniken Wiesbaden Hessisches Ärzteblatt 3/2016 | 141
Fortbildung Auch kann die bakterielle Kontamination ver Mangel bzw. eine reduzierte Aktivi- logische Diagnostik ist hierbei hervorzu- bei nicht richtig gelagertem Fisch zu ei- tät des für den extrazellulären Histamin- heben, da die Symptome des HIS von den nem Abbau von Histidin zu Histamin füh- Abbau verantwortlichen Enzyms Dia- Symptomen einer Typ-I-Allergie kaum zu ren, und somit die sogenannte Skom- minoxidase sein: DAO (zum Beispiel unterscheiden sind. broid-Reaktion auslösen, eine allergieähn- durch DAO-Inhibition) bei „normaler“ Labordiagnostisch sind der Histaminspie- liche Reaktion mit Flush, urtikariellem Histaminmenge, anderseits eine „nor- gel im Serum und die DAO-Aktivität im Exanthem, Dyspnoe, Kopfschmerzen, Ma- male“ DAO-Menge und -Aktivität bei er- peripheren Blut als Hinweise zu werten, gen-Darm-Symptomatik bis zum anaphy- höhtem Anfall von Histamin, bedingt allerdings nicht beweisend. Da die Aktivi- laktischen Schock [35]. z. B. durch die vermehrte Aufnahme von tät der DAO normalerweise relativ gering Strukturell und toxisch bedingte Nah- histaminreicher Nahrung, Histaminlibe- ist, kann vor Blutentnahme Heparin ge- rungsmittelintoleranzen sind jedoch expli- ratoren oder andere Ursachen [37, 38]. spritzt werden, um gewebegebundene zit nicht Gegenstand dieser Übersichtsar- Auch die für den intrazellulären Hista- DAO freizusetzen. Die postheparine Frei- beit, diesbezüglich sei vielmehr auf die minabbau verantwortliche Histamin- setzung der DAO ist allerdings höchst in- Vielzahl ausgezeichneter Review-Arbeiten N-Methyltransferase (HNMT) kann be- konsistent und weist eine hohe interindi- und Leitlinien der Gastroenterologie ver- troffen sein. viduelle Variabilität auf. Neuere Methoden wiesen (www.AWMF.org). Die Symptomatik tritt dosisabhängig be- wie ein sensitiver Assay auf Basis der Oxi- Funktionell bedingte Nahrungsmittelun- reits beim Erstkontakt in Erscheinung; es dation von O-Dianisidin und unter Nut- verträglichkeit werden oft durch isolierte existiert ein individueller Schwellenwert. zung von Cadaverindihydrochlorid als Funktionsstörungen (zum Beispiel Lakta- Betroffen sind circa drei Prozent der Welt- Substrat könnten zukünftig bessere Er- semangel im Dünndarm) hervorgerufen bevölkerung, hiervon 80 Prozent Frauen gebnisse liefern. Um falsch negative Be- und zeigen initial keine weitere anato- mittleren Alters. Das Beschwerdebild der funde auszuschließen sollte bei Patienten, misch-morphologische Veränderung am Histaminintoleranz ist sehr vielfältig und die klinische Merkmale des Histamininto- Gastrointestinaltrakt. betrifft nahezu alle Organe. Die häufigsten leranz-Syndroms aufweisen, zusätzlich Nicht-toxische Reaktionen auf Nahrungs- Symptome oder Erkrankungskomplexe der Histaminspiegel im Serum untersucht mittel werden in zwei Hauptmechanismen sind: werden. unterteilt, die immunologisch sowie die Quincke-artige Ödeme, chronisch-per- Weiterhin kann es sinnvoll sein, Kupfer, Vi- nicht immunologisch vermittelten Reaktio- sistierende oder chronisch-rezidivieren- tamin B 6 und Vitamin C zu bestimmen. nen [3]. Insgesamt machen nicht immuno- de Rhinitis; chronische RhinoSinusitis Diese dienen der DAO als Kofaktoren und logisch, nicht-toxisch vermittelte Reaktio- oder Polyposis nasi et sinuum, Cephal- sind essenziell für die Funktion des En- nen den größten Anteil (15 bis 20 Prozent) gien, Flush-Syndrome; Asthma bronchia- zyms und damit für die Metabolisierung aller Reaktionen auf Nahrungsmittel aus le; Migräne, Arrythmien, Hypotonie, re- des Histamins. Bei pathologischen Befun- [3]. Nicht immunologisch vermittelte For- zidivierende Urticaria, Diarrhoe; unspezi- den ist gegebenenfalls eine Substitutions- men der Nahrungsmittelunverträglichkei- fische gastrointestinale Symptomatiken behandlung erforderlich. ten stellen keine Allergie dar. Sie umfassen u. a. Dyspepsie, Völle- und Spannungsge- Als Goldstandard in der HIS-Diagnostik pseudoallergische und pharmakologische füh), Vomitus und Dysmenorrhoe [37, gilt der doppelblinde, placebokontrol- Wirkungen beispielsweise durch Salicylate, 38]. Ursächlich hierfür sind die vielfälti- lierte orale Provokationstest (DBPCFC) biogene Amine (zum Beispiel Histamin,Ty- gen Wirkungen von Histamin an glatter nach histaminarmer Diät [37, 38]. Der ramin, Serotonin etc.), Sulfite (enthalten in Muskulatur, Drüsen, Gefäßen etc. Das Patient erhält dazu an aufeinanderfol- Wein und Medikamenten) u. a.m. Histaminintoleranz-Syndrom kann daher genden Tagen ein ernährungswissen- Den meisten durch Additiva bedingten In- auch lebensbedrohliche Ausmaße an- schaftlich zusammengestelltes Menü. toleranzen liegen vorläufig unbekannte Me- nehmen und zum anaphylaktischen Im Gegensatz zu einer offenen Provoka- chanismen zu Grunde, welche zu einer Me- Schock führen. tion ist hierbei weder dem Patienten diatorenfreisetzung aus Blutbasophilen noch dem Arzt bekannt, an welchem oder mukosalen Mastzellen führen. Da sie Diagnostik des Histaminintoleranz- Tag histaminreiche Lebensmittel getes- echten allergischen Reaktionen ähnlich Syndroms tet werden. Der Histamingehalt der sind, wurde früher der Begriff „pseudoaller- Speisen ist dabei entweder den ganzen gische Reaktionen“ (PAR) verwendet. In Bedingt durch die hohe Bandbreite an Tag über hoch (Histaminprovokation) den Positionspapieren der Europäischen möglichen Symptomen ist eine detaillierte oder ausgesprochen niedrig (Placebo- Akademie für Allergologie und klinische Im- Anamnese nötig. Dies beinhaltet sowohl kontrolle). Die Provokation ist zeitlich munologie (EAACI) wird empfohlen, diesen die detaillierte Befragung des Patienten aufwendig, dafür verringert diese Vor- Begriff nicht mehr zu verwenden [1, 5, 36]. zur Aufnahme histaminreicher Nahrungs- gehensweise jedoch die Anzahl an falsch mittel oder Einnahme von Medikamenten, positiven Reaktionen. Histaminintoleranz-Syndrom (HIS) die in den Histaminstoffwechsel eingrei- Die Bestimmung der Serumtryptase kann fen als auch die diagnostische Abklärung zudem hinsichtlich einer differentialdiag- Die Ursache eines Histaminintoleranz- gastrointestinaler Erkrankungen und IgE- nostisch zu bedenkenden versteckten Syndroms kann einerseits ein quantitati- vermittelter Allergien. Gerade die allergo- Mastozytose hilfreich sein. 142 | Hessisches Ärzteblatt 3/2016
Fortbildung Salicylatintoleranz ter Mono- und Disaccharide betreffen, ei- Kappadokien, 2. Jhd. n. Chr). Als Erstbe- (ASS-Intoleranz-Syndrom: AIS) ne wichtige Rolle. schreibung dieser Krankheit gilt der Bericht Störungen der Verdauung und Resorption von Samuel Gee (1888), der von „coeliac Die Prävalenz der Salicylatintoleranz be- einfacher Kohlenhydrate stellen in der eu- affection“ sprach und damit eine Verdau- trägt ca. 2 bis 3,5 Prozent [39, 40]. Klassi- ropäischen Bevölkerung die häufigsten ungsstörung meinte, die bevorzugt Klein- scherweise löst das AIS respiratorische nicht immunologischen Unverträglichkei- kinder zwischen ein bis fünf Jahren betraf. Symptome (Rhinitis, Sinusitis, Polyposis ten von Nahrungsmitteln dar (Lactose, Diese wiesen meist ein aufgetriebenes wei- nasi, Asthma bronchiale) aus, sie kann je- Fructose-, Sorbitmalabsorption etc.). ches Abdomen, dünne Extremitäten (Kach- doch auch zu Magen-Darmbeschwerden Die Kohlenhydrate können nicht in den exie) und lockere, helle, massige Stühle auf. mit Druckgefühl, Meteorismus, Flatulenz, Dünndarm aufgenommen werden, wenn Den Zusammenhang zwischen der Zufuhr Diarrhöen führen. zum Beispiel ein Lactasemangel bezie- von Weizen und Zöliakie erkannte der Pä- Die Pathogenese der Salicylatintoleranz hungsweise Transportdefekt besteht (wie diater K. W. Dicke in den in den frühen beruht auf einer Hemmung der Cyclooxy- zum Beispiel GLUT 5 beim Fructosetrans- 1930er-Jahren, zuvor war die hohe Letalität genase-1 durch Salicylate und andere port, GLUT 2 bei Glucose-, Galactose- und von 30 bis 60 Prozent gefürchtet. In den nicht steroidale Analgetika und durch sali- Fructosetransport) und gelangen daher in 1950er-Jahren wurden in kurzer Zeit Gluten cylathaltige Nahrungsmittel und Nah- osmotisch wirksamer Form in den Dick- (das Speicherprotein des Weizens) als Aus- rungsmitteln zugesetzte Säuren (bei- darm. Sie werden dort durch bakterielle Zer- löser der Zöliakie – die Zottenatrophie mit spielsweise Benzoesäure oder Farbstoffe) setzung zu kurzkettigen Fettsäuren, Me- Kryptenhyperplasie als morphologisches mit der Folge einer verminderten Prosta- than, Kohlendioxid, Wasserstoff metaboli- Korrelat (Margot Shiner 1957) und die Glia- glandinsynthese [39, 40]. siert, die Meteorismus, Flatulenz, abdomina- din-Antikörper im Serum – erkannt. Erst Den wegweisenden pathobiochemischen le Schmerzen und Diarrhöen induzieren [3]. Ende des 20. Jahrhunderts folgte die Entde- Befund der AERD stellt der basal erhöhte Da Kohlenhydrate in vielen Lebensmitteln ckung der Gewebstransglutaminase (TG2) Leukotrienspiegel dar, der nach Einnahme enthalten sind, kann die Kohlenhydrat- als diagnostisch wichtiges Autoantigen der von COX-1 Inhibitoren exzessiv ansteigt. Unverträglichkeit im Sinne einer Malab- Zöliakie [41] sowie die Beschreibung der Dieser Anstieg der Leukotriene (LTs) be- sorption gegenüber Fructose, Sorbit und genetischen Prädispositionsfaktoren HLA- ruht auf der pharmakologisch kompetiti- Lactose zu vielen undifferenzierten Un- DQ2 und –DQ8. ven Hemmung der Cyclooxigenase verträglichkeiten ohne exakte Angabe der Die Zöliakie ist eine zunehmend häufiger (COX)-1 Enzyme, was unter anderem zu auslösenden Nahrungsmittel führen. Wei- werdende immunologisch vermittelte einer reduzierten Synthese von Prosta- tere Enzymmangelzustände und Trans- Systemerkrankung (Prävalenz 0,9 Pro- glandin E2 (PGE2) führt. Da PGE2 den portstörungen sind in der Literatur be- zent in Deutschland bis 2,4 Prozent in wichtigsten Inhibitor der 5-Lipoxygenase schrieben – spielen jedoch in der klini- Finnland) [42, 43]. Auf Grund ihres brei- und damit der Leukotrienproduktion dar- schen Praxis selten eine wesentliche Rolle. ten klinischen Spektrums ist sie unterdiag- stellt, verläuft die Leukotrienproduktion nostiziert [43]. ungebremst und führt zu dem exzessiven Glutensensitive Enteropathie Die Zöliakie führt bei Personen mit gene- Anstieg der Leukotriene LTB4, LTC4, LTD4 (Zöliakie) tisch-determiniertem Risiko (HLA-DQ2 und LTE4. Durch die erniedrigte Bildung und -DQ8) durch eine fehlgeleitete Im- der broncho- und vasodilatativen Media- Der Name Zöliakie ist abgeleitet von „koi- munantwort auf Gluten zur Bildung von toren PGI2 und PGE2 kommt es zum kli- lia”, die bauchige Krankheit (Aretaeus von Serum-Antikörpern gegen Endomysium nisch evidenten Überwiegen der leuko- trienvermittelten Broncho- und Vasokon- striktion und somit zur typischen klini- schen Intoleranzreaktion an den Atemwe- gen. Darüber hinaus führt die erniedrigte PGE2-Synthese zu einer Destabilisierung von Mastzellen, welche vermehrt Hista- min freisetzen und PGD2 sowie Leukotrie- ne synthetisieren, was das Auftreten von Symptomen auch an anderen Organsyste- men erklärt. Kohlenhydratmalabsorption Bei den Kohlenhydraten spielen Erkran- kungsprozesse wie der Lactasemangel (Milchzuckerunverträglichkeit) und Er- krankungen, die den Transport bestimm- Hessisches Ärzteblatt 3/2016 | 143
Fortbildung und Gewebstransglutaminase. Eine zu- körpern unter Umständen auf die histologi- sonders schädlingsresistenten Weizensor- sätzlich entscheidende Rolle spielen für sche Diagnostik verzichtet werden [46]. ten gezüchtet wurden. Es gibt noch kei- Gluten hochaffine T-Zellen [44]. Folge ist In aller Regel gehört die Entnahme von nen diagnostischen Test, Zöliakie oder eine duodenale Entzündung mit charakte- mindestens sechs Dünndarmbiopsien zur Weizenallergie müssen jedoch ausge- ristisch gestörter Mukosaarchitektur. Kli- histologischen Klassifikation nach Marsh schlossen werden. Klinisch bestehen nische Symptome können komplett feh- vor glutenfreier Diät jedoch zum diagnos- Überlappungen zum Reizdarmsyndrom. len (Screeningpatienten), betreffen in der tischen Standard. Bei gesicherter Diagno- Die weizenabhängige Klinik soll durch ein Regel den Gastrointestinaltrakt, können se muss die glutenfreie Diät lebenslang Beschwerdetagebuch dokumentiert und jedoch auch völlig atypisch sein (z. B. iso- strikt eingehalten werden, die Mitglied- vor allem bei Kindern und Jugendlichen lierter Kopfschmerz). Die klassische Prä- schaft bei der Selbsthilfegruppe der Deut- am besten durch eine doppelblinde, Place- sentation ist heute eher selten, möglicher- schen Zöliakiegesellschaft wird unbedingt bo kontrollierte Belastung bewiesen oder weise mit verursacht durch die längeren angeraten. ausgeschlossen werden, um negative psy- Stillzeiten. chosoziale Folgen einer glutenfreien Diät Zu den heutzutage häufigeren klinischen Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie- zu vermeiden [47]. Manifestationen gehören z. B. unklarer Ei- Weizensensitivität senmangel, chronische Bauchschmerzen Literatur bei den Verfassern mit und ohne Gedeihstörung, chronischer Die Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie- Durchfall, Obstipation, Kleinwuchs, Zahn- Weizensensitivität ist bislang noch unzu- schmelzdefekte, Osteopenie sowie z. B. reichend definiert. Sie ist eine wichtige Prof. Dr. med. Ludger Klimek unklar erhöhte Transaminasen im Serum. Differenzialdiagnose der Zöliakie und der Prof. Dr. med. Klaus-Michael Keller Es lohnt sich, auch bei ungewöhnlichen IgE-vermittelten Weizenallergie. Klinisch Kontakt: Symptomkonstellationen immer an die ist die Weizensensitivität nicht von der Prof. Dr. med. Ludger Klimek Zölioakie zu denken. Zöliakie zu unterscheiden. Alle Befunde Allergiezentrum Die Diagnose fußt auf einer Kombination deuten auf eine klinische Reaktion der an- An den Quellen 10, 65183 Wiesbaden von klinischen Symptomen sowie serolo- geborene Immunität hin. Möglicherweise Fon: 0611 308 6080 gischen Markern (Gewebstransglutami- spielen die alpha-Amylase-Trypsin-Inhibi- E-Mail: ludger.klimek@ nase-IgA-Antikörper, Ausschluss eines toren (ATIs) eine große Rolle, die in be- allergiezentrum.org IgA-Mangels!), endoskopischen und his- tologischen Befunden (Marsh-Klassifikati- on). Antikörperbestimmungen im Stuhl oder Speichel werden nicht empfohlen. Multiple Choice-Fragen Unter lebenslanger glutenfreier Diät (GFD) Die Multiple Choice-Fragen zu dem wie auf den Online-Seiten des Hessi- kommt es zur Remission der klinischen Artikel „Nahrungsmittelallergien und schen Ärzteblattes (www.laekh.de). Symptomatik und der serologischen und -intoleranzen: Eine interdisziplinäre Die Teilnahme zur Erlangung von histologischen Befunde [45]. Nach neuen Bestandsaufnahme / Teil 2: Nah- Fortbildungspunkten ist ausschließ- europäischen Leitlinien kann in Absprache rungsmittelintoleranzen“ finden Sie lich online über das Mitglieder-Portal mit dem betreuenden Kindergastroentero- im Mitglieder-Portal der Landesärzte- (https://portal.laekh.de) vom 25.02.2016 logen bei klassischer Präsentation und kammer (https://portal.laekh.de) so- bis 24.02.2017 möglich. 10-fach erhöhten Transglutaminase-Anti- CME-Beitrag aus Ausgabe 02/2015: Buchtipp Richtige Antworten Neuauflagen: Operationen- und Prozedurenschlüssel 2016 ICD-10-GM- & OPS-Versionen – je als Systema- Zu den Multiple Choice-Fragen „Bedeutung und Entwick- tisches oder Alphabetisches Verzeichnis lung wissenschaftlich begründeter Leitlinien für die klinische Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und Praxis“ von Albrecht Encke und Ina Kopp im Hessischen Ärz- verwandter Gesundheitsprobleme; 10. Revision – German Modi- teblatt 02/2015, Seite 68 ff: fication Version 2016, Deutscher Ärzte-Verlag 2016, je € 24,99 Frage 1 3 Frage 6 3 Bedingt durch die Anpassung des G-DRG-Fallpauschalensystems hat das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und In- Frage 2 4 Frage 7 2 formation die ICD-10-GM- und OPS-Versionen aktualisiert und er- Frage 3 2 Frage 8 2 weitert. Beide Werke sind verbindlich für die Dokumentation und Frage 4 1 Frage 9 4 Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen und ambulanter Opera- Frage 5 1 Frage 10 4 tionen. Die neuen Versionen sind durch das Bundesministerium für Gesundheit mit Wirkung vom 1. Januar 2016 in Kraft gesetzt. 144 | Hessisches Ärzteblatt 3/2016
Fortbildung Multiple Choice-Fragen: Nahrungsmittelallergien und -intoleranzen: Eine interdisziplinäre Bestandsaufnahme Teil 2: Nahrungsmittelintoleranzen / VNR 2760602016041070009 (nur eine Antwort ist richtig) 1. Die Prävalenz der Zöliakie in Deutsch- 6. Welche der folgenden Aussagen zum 5) Die gesteigerte Aktivität der Cyclooxy- land liegt bei: Histamin-Intoleranz-Syndrom trifft genase-1 durch Salicylate und andere 1) 0,3 Prozent nicht zu ? nicht steroidale Analgetika führt zu ei- 2) 0,9 Prozent 1) Ein quantitativer Mangel des Enzyms ner verminderten Prostaglandinsyn- 3) 2 Prozent Diaminoxidase (DAO) kann ursächlich these. 4) 5 Prozent sein. 5) 9Prozent 2) Eine reduzierte Aktivität des Enzyms 9. Welche der folgenden Aussagen zur Diaminoxidase (DAO) kann ursächlich Kohlenhydratmalabsorption ist falsch? 2. Welche Symptome und Befunde kom- sein. 1) Störungen der Verdauung und Resorp- men bei Zöliakie vor? 3) Ein erhöhter Anfall von Histamin z. B. tion einfacher Kohlenhydrate stellen in 1) Bauchschmerzen, Durchfall durch die vermehrte Aufnahme von der europäischen Bevölkerung die 2) Kopfschmerzen, chronische Müdigkeit histaminreicher Nahrung kann ursäch- häufigsten nicht immunologischen 3) Verstopfung, Stuhlunregelmäßigkeiten lich sein. Unverträglichkeiten von Nahrungsmit- 4) Eisenmangel, erhöhte Leberenzyme, 4) Eine reduzierte Aktivität des Enzyms teln dar. Osteoporose Histamin-N-Methylperoxidase 2) Die häufigsten Kohlenhydratmalab- 5) alle der oben genannten Symptome (HNPD) kann ursächlich sein. sorptionen betreffen Lactose und Mal- und Befunde 5) Eine reduzierte Aktivität des Enzyms tose. Histamin-N-Methyltransferase 3) Die häufigsten Kohlenhydratmalab- 3. Welche der folgenden Krankheiten ist (HNMT) kann ursächlich sein. sorptionen betreffen Lactose und eher nicht mit der Zöliakie assoziiert? Fructose 1) Typ2 Diabetes mellitus 7. Welche der folgenden Symptome sind 4) Bei der Kohlenhydratmalabsorption 2) Typ1 Diabetes mellitus typisch für das Histamin-Intoleranz- können Kohlenhydrate nicht in den 3) IgA-Mangel Syndrom? Dünndarm aufgenommen werden, da 4) Hashimoto Thyreoiditis 1) Quincke-artige Ödeme beispielsweise ein Transportdefekt 5) Down-Syndrom 2) Migräne GLUT 5 beim Fructosetransport be- 3) Arrythmien steht. 4. Für die Diagnose der Zöliakie wird eine 4) Diarrhoe 5) Bei der Kohlenhydratmalabsorption der folgenden Methoden üblicherweise 5) alle Aussagen sind richtig werden Kohlenhydrate durch bakteriel- nicht benötigt: le Zersetzung zu kurzkettigen Fettsäu- 1) Transglutaminase-IgA-Antikörper im 8. Welche der folgenden Aussagen zum ren, Methan, Kohlendioxid, Wasser- Serum ASS-Intoleranz-Syndrom ist richtig ? stoff metabolisiert, die Meteorismus, 2) IgA im Serum 1) Die Prävalenz der Salicylatintoleranz Flatulenz, abdominale Schmerzen und 3) Entnahme von mehreren Dünndarm- beträgt ca. 15 bis 20 Prozent. Diarrhöen induzieren. biopsien 2) Den wegweisenden pathobiochemi- 4) histologische Klassifikation nach Marsh schen Befund der AERD stellt der basal 10.Welche der folgenden Aussagen zum 5) Kapselendoskopie erhöhte Prostaglandinspiegel dar. Positionspapier der Europäischen Aka- 3) Die erhöhte Synthese von Prostaglan- demie für Allergologie und klinische Im- 5. Welches der folgenden Getreidesorten din E2 (PGE2) führt zu einem exzessi- munologie (EAACI) über Unverträglich- ist glutenfrei? ven Anstieg der Leukotriene LTB4, keitsreaktionen auf Nahrungsmittel ist 1) Weizen LTC4, LTD4 und LTE4. richtig ? 2) Dinkel 4) typische assoziierte Krankheitsbilder 1) Nicht-allergische / nicht-immunolo- 3) Hirse sind Sinusitis, Polyposis nasi, Asthma gische Ursachen von Nahrungsmittel- 4) Einkorn bronchiale, Magen-Darmbeschwerden Intoleranzen bezeichnen ein weites 5) Emmer und Urtikaria. Spektrum struktureller, funktioneller,
Fortbildung toxischer und nicht-toxischer Ursa- 3) Psychische Aversionen auf Lebensmit- 5) alle Antworten sind richtig chen. tel und psychosomatoforme Störungen müssen von Allergien und Intoleranzen 2) Von Nahrungsmittelallergien spricht abgegrenzt werden. man nur, wenn die krankhaften Symp- 4) Allergische (= immunologische) Me- tome nach Nahrungsaufnahme als Fol- chanismen setzen die spezifische Aus- ge von immunologischen Mechanis- einandersetzung (Sensibilisierung) men entstehen. und Einleitung einer allergischen Reak- tion voraus.
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