Allgemeines - Magendarmliga Schweiz

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Völlegefühl und Übelkeit häufiger als bei Gesunden. Letztere Stö-
Reizdarmsyndrom                                                      rungen werden auch als Reizmagen oder funktionelle Dyspepsie be-
                                                                     zeichnet. Beschwerden des Reizdarmsyndroms beschränken sich
Colon irritabile, spastisches Kolon, Reizdarm                        bei gewissen Leuten auch nicht ausschliesslich auf den Magen-
engl.: Irritable bowel syndrome (IBS)                                Darm-Trakt. Die Betroffenen fühlen sich oft müde oder abge-
                                                                     spannt und klagen über:
Allgemeines
Das Reizdarmsyndrom ist eine der häufigsten Erkrankungen des          - Rückenschmerzen
Magen-Darm-Traktes: 10 bis 15% der erwachsenen Bevölkerung
sind davon betroffen. Typische Beschwerden sind Bauchschmer-          - Kopf- und Gliederschmerzen
zen, veränderte Stuhlgewohnheiten (chronische Verstopfung,            - Schlafstörungen
Durchfall oder abwechslungsweise beides) sowie Blähungen. Den
Beschwerden liegt eine funktionelle Störung des Magen-Darm-           - Angstgefühle, Nervosität
Traktes zugrunde. Eine organische Erkrankung (z.B. eine Entzün-
dung oder Krebs) muss aber aufgrund der Krankengeschichte und
oft mittels spezifischer Abklärungen ausgeschlossen werden. Das      Diagnose des Reizdarmsyndroms
Reizdarmsyndrom hat oft einen langjährigen Verlauf, wobei die In-    Die Diagnose eines Reizdarmsyndroms wird aufgrund der typi-
tensität der Beschwerden individuell verschieden ist und auch im     schen Beschwerden gestellt. Nach internationaler Übereinkunft
zeitlichen Verlauf starken Schwankungen unterliegt. Frauen sind      (ROM IV-Kriterien) spricht man von Reizdarmsyndrom, wenn die
etwa zweimal häufiger betroffen als Männer; sie suchen zudem häu-    Beschwerden (Bauchschmerzen in Zusammenhang mit dem Stuhl-
figer medizinische Behandlung. Das Reizdarmsyndrom erhöht we-        gang, Durchfall, Verstopfung) für mindestens 3 Monate in den ver-
der das Risiko, an einem Tumor des Magen-Darm-Traktes zu             gangenen 6 Monaten bestanden haben, häufig auftreten (in der
erkranken, noch fördert es die Entwicklung von entzündlichen         Regel mindestens 1x jede Woche) und wenn keine Hinweise für
Darmkrankheiten wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. Bei Pa-      eine spezifische organische Ursache der Beschwerden vorliegen.
tienten mit Reizdarmsyndrom ist die Lebenserwartung gegenüber        Leider gibt es keinen zuverlässigen, einfachen Test für diese Krank-
der Allgemeinbevölkerung nicht eingeschränkt. Die Symptome des       heit. Man spricht deshalb oft von einer «Ausschluss-Diagnose». Das
Reizdarmes können aber so ausgeprägt sein, dass die Betroffenen in   bedeutet, dass erst dann die Diagnose «Reizdarm» zulässig ist, wenn
ihrer Lebensqualität und Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt     andere, organische Ursachen für die Beschwerden ausgeschlossen
sind.                                                                sind. Zur Diagnoserstellung sind verschiedene Laboruntersuchun-
                                                                     gen (beispielsweise Untersuchung von Blut auf Entzündung, Schild-
Symptome                                                             drüsenfunktionsstörungen oder Allergie gegen Gliadin) notwendig.
Die Hauptsymptome des Reizdarmsyndroms sind Bauchschmerzen           Zusätzlich sind Stuhluntersuchungen auf Infektionen und entzünd-
(abdominelle Schmerzen), die 3 Monate oder länger andauern oder      liche Prozesse (zum Beispiel mittels Calprotectin im Stuhl), häufig
episodenweise immer wieder auftreten und typischer Weise verbun-     eine Ultraschalluntersuchung des Bauches (Abdomensonografie)
den sind mit:                                                        und teils eine Spiegelung (Endoskopie) des Dickdarmes (Kolosko-
                                                                     pie) und ev. auch Magens (Gastroskopie) notwendig um organische
 - Zusammenhang der Beschwerden mit dem Stuhlgang (mehr-             Erkrankungen ausschliessen zu können. In Abhängigkeit von den
   heitlich Erleichterung, teils aber auch Verstärkung)              Symptomen, vom Alter der Patienten und vom Krankheitsverlauf
 - Veränderung der Stuhlhäufigkeit oder Stuhlkonsistenz (Durch-      können auch weitere Untersuchungen, wie z.B. eine Röntgenunter-
   fälle, Verstopfung oder Wechsel von Durchfällen)                  suchung des Bauches erforderlich sein. Sind Durchfall und/oder
                                                                     Blähungen die vorherrschenden Symptome, sollte nach bestimmten
                                                                     Nahrungsunverträglichkeiten gesucht werden. Bei der Sprue (Zölia-
                                                                     kie) führt eine Allergie gegenüber Gliadinen, die in verschiedenen
Die Bauchschmerzen sind oft im Unterbauch lokalisiert, gelegent-
                                                                     Getreidearten vorkommen, zu teils ähnlichen abdominellen Be-
lich aber auch über das gesamte Abdomen verteilt, häufig krampfar-
                                                                     schwerden. Eine Sprue kann in der Regel mittels eines einfachen
tig und in ihrem Ausmass zwischen mild und schwer wechselnd. Je
                                                                     Bluttests ausgeschlossen werden, manchmal ist auch eine Magen-
nach Vorherrschen der Stuhlgewohnheiten eines Patienten werden
                                                                     spiegelung mit Entnahme von Gewebeproben aus dem Dünndarm
zwischen einem Reizdarmsyndrom mit vorwiegend Verstopfung
                                                                     notwendig.
(Obstipation) oder vorwiegend Durchfall (Diarrhoe) oder mit alter-
nierend Verstopfung und Durchfall unterschieden. Die Symptoma-
                                                                     Bei einer Unverträglichkeit von Milchprodukten sollte eine Lak-
tik ist für die Therapieansätze wichtig. Bei Patienten mit
                                                                     toseintoleranz ausgeschlossen werden. Wenn eine Laktoseintoleranz
Reizdarmsyndrom sind weitere funktionelle Störungen des Verdau-
                                                                     alleinige Ursache der Beschwerden ist, wird eine laktosefreie Diät
ungstraktes wie Blähungen, Sodbrennen, Oberbauchschmerzen,
                                                                     zu Symptomfreiheit führen.

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Laktoseintoleranz                                                    Reizdarmsyndrom, da auch sie über Bauchschmerzen und Blähun-
 Symptome: Durchfall, Blähungen, Bauchschmerzen, Flatulenz nach       gen berichten, ohne dass aber die Diagnosekriterien für ein
 Genuss von Milchprodukten oder Laktosehaltigen Nahrungsmit-          Reizdarmsyndrom erfüllt sind. Die Therapie beider Erkrankungen
 teln.                                                                richtet sich nach den vorherrschenden Symptomen und ist deshalb
 Diagnose: H2-Atemtest (Atemtest nach Einnahme von Laktose);          oft ähnlich.
 Untersuchung der genetischen Veranlagung (Blutuntersuchung).
 Ursache: Fehlen oder eingeschränkte Aktivität von Laktase, dem       Ursachen
 Milchzucker spaltenden Enzym, in der Dünndarmschleimhaut.            Leute mit einem Reizdarmsyndrom haben nicht nichts, obwohl die
 Behandlung: Meiden von Milchprodukten; Substitution von Lak-         genaue Ursache des Reizdarmsyndroms unbekannt ist. Wahrschein-
 tase (Tabletten) bei der Nahrung.                                    lich spielen mehrere Faktoren wie Störung der Motorik, der Darm-
                                                                      sensitivität, aber auch Veränderungen des Mikrobioms,
                                                                      Nahrungsmittelunverträglichkeiten, genetische und neuroimmuno-
Bei einer Fruktoseintoleranz werden Reizdarmähnliche Symptome         logische Prozesse eine Rolle. Ausgelöst werden die Beschwerden
durch den Genuss von Fruchtzucker ausgelöst. Eine Fruktose- oder      oft durch einen schwereren Darminfekt, eine akute Erkrankung
Laktoseintoleranz können aber auch zusätzlich zu einem                oder eine akute psychische Belastungssituation. In wissenschaftli-
Reizdarmsyndrom vorliegen und die Symptome verstärken.                chen Untersuchungen konnten Veränderungen der Motorik des
                                                                      Darms (Motilität des Darms), sowie eine Verstärkung der
                                                                      Schmerzwahrnehmung des Darmes (viszerale Hypersensitivität)
 Intestinale Fruktoseintoleranz
                                                                      festgestellt werden. Die Motilitätsstörung kann sich als Durchfall
 Symptome: Blähungen, Durchfall, Unwohlsein.
                                                                      bei einer beschleunigten oder als Verstopfung bei einer verzögerten
 Diagnose: H2-Atemtest, (Atemtest nach Einnahme von Fruktose).
                                                                      Darmpassage des Stuhls äussern. Patienten mit Reizdarmsyndrom
 Ursache: Malabsorption (schlechte Aufnahme) von Fruchtzucker
                                                                      zeigen im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen eine erhöhte
 (Fruktose) und Saccharose (Haushaltszucker bestehend aus Glu-
                                                                      Schmerzempfindlichkeit gegenüber Dehnungsreizen des Dickdar-
 cose und Fruktose) im Dünndarm; deshalb bakterieller Abbau
                                                                      mes (Kolon) und Enddarmes (Rektum). Eine allgemein erhöhte
 des in den Dickdarm übergetretenen Fruchtzuckers, was zu ver-
                                                                      Schmerzempfindlichkeit des Körpers besteht aber nicht. Die ver-
 mehrter Gasproduktion und Durchfall führt.
                                                                      stärkte Schmerzwahrnehmung im Darm kann durch eine Überemp-
 Behandlung: Ernährungsberatung; Reduktion oder Meiden von
                                                                      findlichkeit des Magen-Darm-Traktes selbst, durch eine gestörte
 Fruktose; Verträglichkeitsgrenze individuell sehr unterschiedlich.
                                                                      Schmerzverarbeitung im Gehirn (zentrales Nervensystem, ZNS)
 (Die intestinale Fruktoseintoleranz muss von der seltenen vererb-
                                                                      oder aber durch eine gestörte Kommunikation zwischen dem zent-
 ten gefährlichen Fruktoseintoleranz unterschieden werden, bei
                                                                      ralen Nervensystem und dem Nervensystem des Darmes entstehen.
 der das Fruchtzucker abbauende Enzym in der Leber fehlt).
                                                                      Der gesamte Verdauungstrakt besitzt ein eigenes Nervensystem
                                                                      (enterisches Nervensystem), das für eine geregelte Verdauung und
Das Ausmass der Untersuchungen, ehe der Arzt sagen kann «Es ist       für den normalen Transport von Nahrung und Stuhl verantwortlich
ein Reizdarm» hängt von vielen Faktoren ab. Besonders wichtig ist     ist. Dieses sogenannte Darmhirn kommuniziert laufend mit dem
es, sogenannte «Alarmsymptome» zu erfassen. Alarmsymptome, die        Kopfhirn, u.a. auch, damit die Darmfunktion mit anderen Körper-
weitere Untersuchungen erfordern, sind:                               funktionen koordiniert werden kann. Die Wichtigkeit dieser Darm
                                                                      – Hirnachse wurde in den letzten Jahren zunehmend offensichtlich.
                                                                      So gibt es teils im Hirn chronisch aktivierte Zentren, die für die an-
 - Blut im Stuhl, sichtbar als frisches Blut oder durch Schwarzfär-   dauernden Bauchschmerzen verantwortlich sind Wissenschaftliche
   bung des Stuhles oder okkult (d.h. unsichtbar und nur durch        Studien zeigten bei Patienten mit Reizdarmsyndrom eine veränderte
   spezielle Untersuchung nachweisbar)                                Reaktion des Darmes auf verschiedene Stimuli wie Nahrungsauf-
 - Gewichtsverlust                                                    nahme und Hormone. Es konnte aber auch festgestellt werden,
 - Blutarmut                                                          dass bei einzelnen Leuten gewisse Nahrungsmittel im Dünndarm
 - Fieber                                                             nicht verdaut werden können und deshalb erst im Dickdarm durch
 - Störung der Nachtruhe wegen Durchfall oder Bauchschmerzen          Bakterien fermentiert werden, was zu Gasproduktion, Blähungen
 - relativ kürzlich ohne klare Ursache aufgetretene Bauchbe-          und Durchfall führen kann. Beim Reizdarmsyndrom können als
   schwerden oder Änderung der Stuhlgewohnheiten                      Ausdruck der Überempfindlichkeit des Darmes aber auch normale
                                                                      Verdauungsvorgänge als unangenehm oder schmerzhaft wahrge-
                                                                      nommen werden. Auch emotionaler oder körperlicher Stress kann
Die Abgrenzung vom Reizdarmsyndrom zu anderen funktionellen           bei diesen Patienten zu einer gesteigerten Empfindlichkeit des Dar-
Darmerkrankungen ist manchmal schwierig, da sich die Symptome         mes und zu Störungen der Darmmotilität führen, wobei die Be-
oft überlappen. So erhalten z.B. Patienten mit einer chronischen      schwerden durch Stress und psychische Belastung ausgelöst oder
Verstopfung immer wieder fälschlicherweise die Diagnose

© Magendarmliga Schweiz, Mai 2021. Alle Rechte vorbehalten.                                                                               2
verstärkt werden. Stress als alleinige Ursache des Reizdarms ist aber     veränderte Bakterienflora (Mikrobiota) im Darm ein möglicher Fak-
unwahrscheinlich.                                                         tor für die Entstehung von Reizdarmbeschwerden ist, ist die Kor-
                                                                          rektur dieser veränderten Bakterienflora mittels Antibiotika bzw.
Therapie                                                                  Probiotika ein möglicher Therapieansatz. Mehrere doppelblinde
                                                                          Plazebokontrollierte Studien mit dem schlecht absorbierbaren Anti-
Allgemeine Grundsätze                                                     biotikum Rifaximin suggerieren, dass die Behandlung für mehrere
                                                                          Wochen zu einer Symptomverbesserung, v.a. der Blähungen und
Die Therapie des Reizdarmsyndroms umfasst allgemeine, diäteti-            Flatulenz, führen könne. Allerdings sind für den klinischen Alltag
sche, medikamentöse, psychotherapeutische und alternativ/komple-          die Dosierung, die Therapiedauer sowie Langzeitfolgen inkl. Resis-
mentäre Massnahmen. Eine erfolgreiche Betreuung von                       tenzentwicklungen noch unklar. In der Schweiz ist Rifaximin für
Reizdarmpatienten braucht Zeit und beruht auf einer positiven             diese Indikation nicht zugelassen, die Kosten müssten vom Patien-
Arzt-Patienten-Beziehung. Ist die Diagnose gestellt, steht die adä-       ten selbst getragen werden bzw. muss ein Kostengutsprachegesuch
quate Information an erster Stelle. Der Patient soll dabei erfahren,      bei der Krankenkasse gestellt werden. Probiotika scheinen mehrere
dass schwerwiegende organische Krankheiten ausgeschlossen wor-            mögliche Ursachen des Reizdarmsyndroms (viszerale Hypersensiti-
den sind und dass er an einem Reizdarmsyndrom leidet, welches             vität, veränderte Bakterienflora, Entzündung) positiv zu beeinflus-
zwar seine Lebensqualität nicht aber seine Lebenserwartung beein-         sen. Etliche Studien haben den Nutzen beim Reizdarmsyndrom
trächtigt. Das Aufzeigen der pathophysiologischen Mechanismen,            untersucht, insgesamt zeigen davon ca. ¾ einen positiven Effekt
vor allem auch der engen Interaktion zwischen Darm und ZNS,               (Verminderung von Blähungen bzw. Bauchschmerzen). Es gibt al-
kann den Umgang mit den Symptomen erleichtern und das Ver-                lerdings keinen Konsens, welche der Organismen/Präparate wirk-
ständnis für die verschiedenen Therapieansätze öffnen. Die Thera-         lich effizient sind, wobei für Bifidobacterium longum 35624 noch die
pie des Reizdarmsyndroms richtet sich nach den Symptomen und              besten Resultate vorliegen. Probiotika dürfen versucht werden,
dem Leidensdruck des Patienten, dabei müssen oft verschiedenste           wichtig ist sicherlich ein genügend lange Therapiedauer von min-
Medikamente ausprobiert und/oder kombiniert werden (siehe Ta-             destens 4 Wochen.
belle).
                                                                          Medikamente bei Bauchschmerzen
Medikamente bei Verstopfung (Obstipation)
                                                                          Die Ursache der Bauchschmerzen beim Reizdarmsyndrom ist kom-
In erster Linie soll eine ballaststoffreiche Ernährung oder zusätzliche   plex und nicht nur Folge von einem spastischen Darm. Auch die
Therapie mit Ballaststoffen wie z.B. Flohsamen versucht werden.           veränderte Schmerzverarbeitung im ZNS ist daran beteiligt, was
Damit die Ballaststoffe überhaupt ihre Wirkung entfalten können, ist      auch erklärt, weshalb Stress und allenfalls auch psychische Be-
ganz wichtig, dass mindestens 1-2 Gläser Flüssigkeit mit jeder Dosis      gleiterkrankungen dabei eine Rolle spielen. Spasmolytika (krampflö-
getrunken werden. Viele Patienten klagen allerdings unter Ballast-        sende Mittel) wie Mebeverin, Pinaveriumbromid und
stoffen über zusätzliche störende Blähungen, die letztlich zu einer       Butylscopalamin werden häufig und mit gutem Erfolg bei Bauch-
Umstellung der Stuhlregulation auf andere abführende Medikamente          krämpfen eingesetzt, obwohl die Datenlage unbefriedigend ist. An-
(Laxativa) zwingen. In erster Linie kommen dabei osmotische Laxa-         tidepressiva werden primär eingesetzt, weil mittlerweile gut
tiva vom Typ Macrogole zum Tragen. Bei ungenügendem Effekt                untersucht ist, dass sie die Schmerzverarbeitung positiv beeinflussen
können zusätzlich stimulierende Laxantien versucht werden, die al-        und das allgemeine Wohlbefinden steigern, haben aber auch einen
lerdings oft Bauchkrämpfe provozieren. Neben diesen klassischen           Nutzen bei allenfalls vorhandenen psychiatrischen Begleiterkran-
Laxantien gibt es neuere Medikamente mit anderen Wirkmechanis-            kungen. Trizyklische Antidepressiva (z.B. Amitriptylin) sollten we-
men: Linaclotid bindet an spezielle Rezeptoren an den Darmzellen          gen der häufigen Nebenwirkung der Verstopfung eher bei Patienten
und beschleunigt so nicht nur die Magen-Darm-Passage, sondern             mit Diarrhoe eingesetzt werden, selektive Serotonin Wiederaufnah-
verringert auch Bauchschmerzen und Blähungen. Linaclotid ist zu-          mehemmer (SSRI, z.B. Citalopram, Escitalopram, Paroxetin, Sertra-
gelassen fürs Reizdarmsyndrom mit Verstopfung. Prucaloprid stimu-         lin) eher bei Patienten mit Obstipation, da sie als Nebenwirkung oft
liert die Motorik des gesamten Magendarmtraktes und verbessert            zu Diarrhoe führen. Generell sollen die Antidepressiva beim
somit die Verstopfung, ist in der Schweiz jedoch nur für die schwere      Reizdarmsyndrom zu Beginn niedrig dosiert begonnen und nur
Obstipation und nicht fürs Reizdarmsyndrom mit Obstipation zuge-          langsam gesteigert werden.
lassen. Da sich diese zwei Krankheitsbilder jedoch oft überlappen,
wird Prucaloprid manchmal auch bei Reizdarmpatienten eingesetzt.          Andere Medikamente

Medikamente bei Durchfall (Diarrhoe)                                      Das pflanzliche Präparat (Phytotherapeutikum) STW 5 enthält 9
                                                                          Pflanzenextrakte und wird wegen seiner krampflösenden, motilitäts-
Eine einfache und oft hilfreiche Therapie des Durchfalls ist das An-      fördernden und schmerzlindernden Eigenschaften beim
tidiarrhoikum Loperamid, welches die Stuhlfrequenz senkt. Da die          Reizdarmsyndrom verbreitet eingesetzt. Pfefferminzöl und Küm-
                                                                          melöl können ebenfalls bei Krämpfen, Völlegefühl und Blähungen
© Magendarmliga Schweiz, Mai 2021. Alle Rechte vorbehalten.                                                                                  3
hilfreich sein. Entschäumende Substanzen (Simethicon) werden im-
mer wieder zur Behandlung von Blähungen versucht, sind aber nur
selten wirksam.

Medikamente
 Symptom               Therapie                   Wirkstoff              Handelsname           Dosierung     Kommentare
                                                                                               (pro Tag)
 Verstopfung           Ballaststoffe              Kleie

                                                  Psyllium (Flohsamen)   Metamucil®            1 KL 1-3x     Sollten mit 1-2 Gläser
                                                                         Colosan mite®                       Flüssigkeit eingenommen
                                                                                                             werden.
                                                  Sterculia              Normacol®             1 KL 1-3x     Verursachen oft Blähun-
                                                                                                             gen

                       Osmotische                 Laktulose              Duphalac®             15-45 ml
                       Laxativa
                                                  Laktitol               Importal® Lotung      15-30 ml
                                                                         Importal® Pulver      1-2 Sachets

                                                  Polyethylenglycol      Transipeg® Movi-      1-2 Sachets
                                                  (Macrogol)             col®. Macrogol®
                                                                         Laxipeg®

                       Stimulierende              Bisacodyl              Dulcolax®             5-10 mg       Verursachen oft Bauch-
                       Laxativa                                          Prontolax®            Drg. /Supp.   krämpfe

                                                  Sodiumpicosulfat       Laxoberon®            10-60 Trpf.

                                                  Senna                  Pursennid®, Agiolax
                                                                         mit Senna, Valverde
                                                                         Verstopfung®,
                                                                         X-Prep®

                       Prokinetika,               Linaclotid             Constella®            290 µg
                       Sekretagoga
                                                  Prucaloprid*           Resolor®              1-2 mg

 Durchfall             Antidiarrhoika             Loperamid              Imodium®              max. 16 mg

                                                  Opiumtropfen           Tinctura opii         2-25 Trpf

                                                  löslicher Guar         Benefiber®            1-2 KL

                       Probiotika                 Bifidobacterium und    Symbiolact®           1-2 Kps.      Kontroverse Datenlage
                                                  Lactobacillus

                                                  Enterococcus f.        Bioflorin®            3-6 Kps.

                                                  Saccharomyces b.       Perenterol®           250-500 mg

                                                  Bifidobacterium        Alflorex®             1 Kps.
                                                  longum 35624

                                                  VSL#3**                                      1-2 Sachet

                       Antibiotikum               Rifaximin***           Xifaxan®              3x 550 mg     Limitierte Daten

© Magendarmliga Schweiz, Mai 2021. Alle Rechte vorbehalten.                                                                           4
Symptom                 Therapie                      Wirkstoff                       Handelsname                   Dosierung             Kommentare
                                                                                                                     (pro Tag)
 Bauch-                  Spasmolytika                  Mebeverin                       Duspatalin®                   2x 1 Kps.
 schmerzen
                                                       Pfefferminzöl                   Colpermin®                    3x 1 Kps.

                                                       Pinaveriumbromid                Dicetel®                      3x 1 Tbl.

                                                       Trimebutin                      Débridat®                     3x 1-2 Tbl.

                                                       Butylscopolamin                 Buscopan®                     3x 1–2 Drg.

                         Trizyklische                  Amitriptylin                    Saroten®                      50-150 mg             NW: Obstipation
                         Antidepressiva

                         SSRI                          Escitalopram                    Cipralex®                     10-50 mg              NW: Diarrhoe

                                                       Citalopram                      Seropram®                     20-40 mg

                                                       Sertraline                      Zoloft®                       50-200 mg

 Blähungen                                             Simethicon                      Flatulex®                     41-82 mg

                         Probiotika                    siehe «Medikamente                                                                  kontroverse Datenlage
                                                       bei Durchfall (Diar-
                                                       rhoe)»

                         Antibiotikum                  Rifaximin                       Xifaxan®                      3x 550 mg             limitierte Daten

 Dyspepsie               Phytotherapeutika             STW5                            Iberogast®                    3x 20 Trpf.

                                                       Pfefferminzöl                   Colpermin®                    3x 1-2 Kps.

                                                       Pfefferminzöl und               Carmenthin®                   2x 1 Kps.
                                                       Kümmelöl

  * Prucaloprid ist in der CH zugelassen für die therapierefraktäre chronisch idiopathische Obstipation (und formal nicht fürs Reizdarmsyndrom mit Obstipation)
 ** VSL#3 ist nicht mit einem Rezept erhältlich, da es als Nahrungsergänzungsmittel zugelassen ist. Man kann es online bestellen (www.vsl3.ch)
*** Rifaximin ist in der CH nur zur Behandlung von hepatischer Enzephalopathie zugelassen. Für die Behandlung von Reizdarm ist eine Kostengutsprache notwendig.

Zu beachten: Die aufgelisteten Medikamente wurden in wissenschaftlichen Studien zu Reizdarmsyndrom geprüft und waren wirksam. Es
wurden nicht alle Medikamente einer Substanzklasse aufgeführt.

© Magendarmliga Schweiz, Mai 2021. Alle Rechte vorbehalten.                                                                                                        5
Ernährung                                                               zu- und abnehmen. Auch längere beschwerdefreie Phasen sind häu-
Viele Patienten beschreiben eine Zunahme ihrer Beschwerden nach         fig. Die Hälfte der Betroffenen wird über einen Zeitraum von 5
Genuss bestimmter Nahrungsstoffe wie Fett, Hülsenfrüchte, rohes         Jahren spontan oder nach entsprechender Behandlung wieder be-
Gemüse, Gewürze, Alkohol, Kaffee und Milchprodukte. Eine nor-           schwerdefrei.
male Nahrungsaufnahme verursacht Dickdarmkontraktionen und              Die Behandlung des Reizdarmes richtet sich nach den vorherr-
kann innerhalb von 30 bis 60 Minuten nach dem Essen zum Stuhl-          schenden Symptomen, mit dem Ziel, Schmerzen, Blähungen,
drang führen. Bei Personen mit Reizdarmsyndrom kann dieser              Durchfall oder Verstopfung zu beseitigen oder zumindest zu lin-
Drang früher auftreten und von Krämpfen und/oder Durchfall be-          dern. In Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung und den
gleitet sein. Bei starken Blähungen oder Durchfall nach Genuss von      vorwiegenden Symptomen wird ein individueller Therapieplan er-
Milchprodukten kann eine Milchzuckerunverträglichkeit (Laktosein-       stellt. Wichtig für den Behandlungserfolg ist, dass die Betroffenen
toleranz) und nach Genuss von Früchten oder zuckerhaltigen Spei-        über den gutartigen Charakter des Reizdarmsyndroms aufgeklärt
sen eine Fruktoseintoleranz vorliegen. Echte Nahrungsmittel-            werden, insbesondere um Ängste vor einer schweren Erkrankung
allergien sind beim Reizdarmsyndrom äusserst selten, das Führen         (v.a. Krebsangst) zu nehmen. Der weitaus grösste Teil der Patienten
eines Ernährungstagebuchs kann jedoch helfen gewisse Symptom-           leidet an leichten Symptomen, die durch ärztliches Gespräch, medi-
Trigger in der Ernährung zu erkennen. Generell ist auf eine ausge-      kamentöse Behandlung und Vorschläge zur Änderung der Ernäh-
wogene und ballaststoffreiche Ernährung und auch regelmässige           rung und des Lebensstils deutlich gebessert werden können. Nur
Bewegung zu achten. Zudem gibt es mittlerweile gute Daten, dass         eine sehr kleine Anzahl an Patienten (3–5%) hat ein schweres
eine sogenannte FODMAP (fermentable oligo-, di- and monosac-            Reizdarmsyndrom. Bei diesen Patienten helfen oft die Schmerzmo-
charides and polyols) -arme Diät die Reizdarmbeschwerden erheb-         dulation mit niedrig dosierten Antidepressiva und psychotherapeuti-
lich reduzieren kann. Diese Diät sollte zusammen mit einer              sche Ansätze.
Ernährungsberatung durchgeführt werden, die die individuelle Ver-
träglichkeit bestimmter Speisen evaluiert.                              Glossar
                                                                        Abdominell Den Bauch oder das Abdomen betreffend.
Psychotherapie
                                                                        Darmmotilität Die Bewegungen, die die Darmmuskulatur vollbringt,
Der heute nachgewiesene enge Zusammenhang zwischen Hirn und
                                                                        um den Darminhalt zu transportieren.
Darm legt nahe, dass psychotherapeutische Ansätze vor allem bei
einem schweren Reizdarmsyndrom helfen können. Hiermit soll              Darmsensorik Wahrnehmung von Reizen (z.B. Dehnung durch Gas,
nicht suggeriert werden, dass der Reizdarm eine eingebildete psychi-    Reizung durch Nahrungsstoffe) innerhalb des Darms durch die Sti-
sche Störung sei. Das pathophysiologische Verständnis wurde in          mulierung spezieller Nervenfasern.
den letzten Jahren wesentlich klarer. Mittels psychotherapeutischen
                                                                        Diarrhoe Durchfall; definiert als häufige Stuhlentleerungen (>3 pro
Ansätzen soll die verstärkte Aktivität gewisser Hirnzentren reguliert
                                                                        Tag).
werden, die Beschwerden fördern, und gleichzeitig soll die „coping“
Fähigkeit des einzelnen verbessert werden. Verschiedene Ansätze         Endoskopie Untersuchung des Verdauungstraktes mit einem dünnen
wie kognitive Psychotherapie, „mind-fullness-based stress reduc-        (ca. 1 cm dicken) schlauchförmigen, flexiblen Instrument, an dessen
tion“ und hypnotherapeutische Behandlungen konnten auch chro-           Spitze sich eine spezielle Kamera befindet.
nische schwere Beschwerden oft wesentlich verbessern.
                                                                        Enterisches Nervensystem Das Nervensystem des Verdauungstraktes,
                                                                        das aus einem dichten Geflecht aus Nervenfasern innerhalb der
Alternativ-medizinische Methoden
                                                                        Darmmuskulatur besteht und über Nervenbahnen mit dem zentra-
Viele alternativ medizinische Ansätze, wie z.B. Akupunktur und
                                                                        len Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) in Verbindung steht.
Hypnose wurden mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt, und kön-
nen auf jeden Fall versucht werden Oft hilft vor allem das verständ-    Funktionelle Störung Eine Störung oder Erkrankung, die nicht auf
nisvolle empathische Gespräch und das überzeugend vermittelte           eine erkennbare strukturelle Veränderung eines oder mehrerer Or-
Wissen, dass dahinter keine schwere Erkrankung steckt. Gemäss           gane zurückzuführen ist und auch nicht auf einer erkennbaren Stö-
heutigem Wissensstand ist eine Stuhltransplantation beim                rung der Stoffwechselvorgänge des Organs beruht.
Reizdarmsyndrom nicht hilfreich.
                                                                        Hypersensitivität Überempfindlichkeit
Leben mit Reizdarm, Ziel der Behandlung und Prognose                    Koloskopie Die Endoskopie oder Spiegelung des Dickdarmes.
Die Ursache des Reizdarmsyndroms ist unbekannt und es gibt
                                                                        Laxativa Abführende Medikamente
keine «Heilung» für diese Krankheit. Aber das Reizdarmsyndrom ist
keine gefährliche Erkrankung und führt nicht zu Krebs. Trotzdem         Muskelrelaxantien Substanzen oder Medikamente, die entspannend
kann es die Lebensqualität, Leistungs- und Arbeitsfähigkeit stark       auf die Muskulatur wirken.
beeinträchtigen. Die Beschwerden können über einen sehr langen
                                                                        Obstipation Verstopfung
Zeitraum (Jahre) bestehen und während dieser Zeit an Intensität

© Magendarmliga Schweiz, Mai 2021. Alle Rechte vorbehalten.
Ösophagogastroduodenoskopie Endoskopie/Spiegelung des oberen Ver-    DGVS Deutsche Gesellschaft f. Verdauungs-& Stoffwechselerkran-
dauungstraktes (d.h. Speiseröhre, Magen, Zwölffingerdarm).           kungen
                                                                     www.dgvs.de
Psychosomatisch Bezeichnet den Einfluss der Psyche auf Körperfunk-
tionen.                                                              American Gastroenterological Association (AGA)
                                                                     www.gastro.org
Phytotherapeutika Pflanzliche Arzneimittel
                                                                     American College of Gastroenterology (ACG)
Spasmolytika Krampflösende Medikamente.
                                                                     www.gi.org
Syndrom Eine Reihe von Erkrankungen oder Veränderungen, die ge-
                                                                     British Society of Gastroenterology (BSG)
meinsam auftreten und auf eine gemeinsame Ursache zurückzufüh-
                                                                     www.bsg.org.uk
ren sind.
                                                                     Schweiz. Vereinigung für Ernährung
Zentrales Nervensystem Gehirn und Rückenmark.
                                                                     E-Mail: info@sge-ssn.ch
                                                                     www.sge-ssn.ch
Hilfreiche Links zum Thema Reizdarmsyndrom
Deutsche Reizdarmselbsthilfe e.V.
www.reizdarmselbsthilfe.de

Magendarmliga Schweiz               Schweizerische Gesellschaft      Die Verfassung dieser Publikation und die Magendarmliga werden unterstützt
Postfach 2705                       für Gastroenterologie SGG/SSG    von:
3001 Bern                           www.sggssg.ch                    Alfasigma Schweiz AG                       Permamed AG
Tel. +41 31 301 25 21                                                Allergan AG                                Reckitt Benckiser (Switzerland) AG
Fax. +41 31 301 25 80                                                B. Brown Medical AG                        RECORDATI AG
www.magendarmliga.ch                                                 Desopharmex AG                             Sandoz Pharmaceuticlas AG
                                                                     DR. FALK Pharma AG                         Sanofi-Aventis (Schweiz) AG
                                                                     Geberit International AG                   Schwabe Pharma AG
                                                                     Janssen-Cilag AG                           Takeda Pharma AG
                                                                     MOSITECH Medizintechnik AG                 Vifor AG
                                                                     Mylan Pharma GmbH (a Viatris company) Zambon Schweiz AG
                                                                     Norgine AG                                 Zur Rose Suisse AG
                                                                     Olympus Schweiz AG                         Stand August 2021

© Magendarmliga Schweiz, Mai 2021. Alle Rechte vorbehalten.                                                                                          7
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