Natura 2000 Kooperation von Naturschutz und Nutzern - Ergebnisse der 42. Jahrestagung

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Natura 2000 Kooperation von Naturschutz und Nutzern - Ergebnisse der 42. Jahrestagung
Natura 2000
      Kooperation von Naturschutz und Nutzern
                      Pilotprojekte und abgestimmte Nutzungs-
                      konzepte in den Bereichen:

                          Wandernder Abbau
                          Militärische Nutzung
                          Bundeswasserstraßen
                          Grundwassernutzung

Ergebnisse der 42. Jahrestagung
  der unesco-projekt-schulen
Natura 2000 Kooperation von Naturschutz und Nutzern - Ergebnisse der 42. Jahrestagung
Inhaltsverzeichnis
Vorwort                                                                           3

Einleitung                                                                        4

  Kapitel 1: Abbau von mineralischen Rohstoffen und das Management von Natura     6
  2000
Beispiel 1: Vogelschutz im aktiven Gesteinsabbau                                   8
Beispiel 2: Vogelschutz durch Rohstoffgewinnung?                                  13
Beispiel 3: FFH-Rahmenvereinbarung zwischen Natur­schutz­be­hörden und            17
Industrieverbänden

  Kapitel 2: Militär und Naturschutz: Instrumentarien zur nachhaltigen            21
  Nutzung von militärischen Übungsplätzen
Das Regelwerk der Bundeswehr zur Umsetzung der Ziele zur nachhaltigen             23
Nutzung von Übungs­plätzen
Beispiel 1: FFH-Management in Zusammenarbeit von Bundeswehr und Landes­­-         27
behörden auf dem Truppenübungsplatz Jägerbrück
Beispiel 2:  Entwicklung neuer Techniken zur Offenhaltung der Landschaft auf      33
dem Truppenübungsplatz Baumholder
Beispiel 3: Natura 2000-Management auf U.S.-Übungs­plätzen in Deutschland         37

  Kapitel 3: Gewässernutzung von Bundeswasserstraßen und das Management           43
  von Natura 2000
Beispiel 1: Uferrevitalisierung am Rhein zwischen Mainz und Bingen – Rückbau      45
von Uferbefestigungen
Beispiel 2: Wasserstraßenunterhaltung an der Elbe im Biosphärenreservat Mittel-   50
elbe
Beispiel 3: Nationalpark Donau-Auen – Flussrevitalisierung und Wasserstraße       55
östlich von Wien

  Kapitel 4: Grundwassernutzung und das Management von Natura 2000                62
Beispiel 1: Umweltschonende Wassergewinnung am Vogelsberg                         64
Beispiel 2: Optimierung der Grundwasserbewirtschaftung im Donauried               70

  Erfolgsfaktoren: Naturschutz und Nutzer im Schutzgebietssystem Natura 2000 –    74
  Wege zu einer erfolgreichen Kooperation

Glossar                                                                           76

Abkürzungen                                                                       78
Natura 2000 Kooperation von Naturschutz und Nutzern - Ergebnisse der 42. Jahrestagung


Vorwort

Naturschutz und Nutzer im Schutzgebietssystem Natura 2000 – Wege zu einer erfolgreichen Ko-
operation

Das Schutzgebietsnetz Natura 2000 und be-
sondere Schutzbestimmungen zu europaweit
gefährdeten Tier- und Pflanzenarten sind die
Grundpfeiler der gemeinsamen Naturschutz-
bemühungen in der Europäischen Union. In
Deutschland umfasst das Schutzgebietsnetz Na-
tura 2000 15,3% der Landesfläche und setzt sich
aus den nach FFH- und Vogelschutzrichtlinie
gemeldeten Gebieten zusammen.
In den Natura 2000-Gebieten stehen der Schutz
gefährdeter Lebensräume sowie Tier- und
Pflanzenarten im Vordergrund. Die Schutzge-
biete sind jedoch keine abgeschotteten „Inseln“,
in denen jegliche Nutzung ausgeschlossen wäre.
Der Mensch wird auch zukünftig mit wirtschaft-
lichen Nutzungen in vielen Natura 2000-Gebie-
ten gestaltend tätig sein. Diese Nutzungen sollen
aber möglichst naturverträglich und im Ein-
klang mit den Schutzzielen der Gebiete gestaltet
werden. So können dauerhafte Nutzungen, die
bereits vor der Ausweisung der Schutzgebiete
bestanden, oder die nach einer speziellen FFH-
Verträglichkeitsprüfung genehmigt wurden, in        ten Projekte aus den Nutzungsbereichen Roh-
den Schutzgebieten durchgeführt werden.             stoffabbau, Militärische Übungsplätze, Bun-
In der Vergangenheit standen sich Naturschutz       deswasserstraßen und Grundwasserentnahme
und verschiedene Nutzungsbereiche häufig kon-       stehen beispielhaft für die zunehmende Zahl
frontativ gegenüber. Ich bin davon überzeugt,       gelungener Kooperationen von Naturschutz
dass am Ende beide Seiten gewinnen, wenn Na-        und Nutzern im Schutzgebietsnetz Natura 2000.
turschutz und Nutzer zu Partnern werden: Der        Wir hoffen, durch sie auch anderen Akteuren -
Naturschutz durch den Erhalt der biologischen       sei es im Naturschutz, sei es auf Seiten der Nut-
Vielfalt sowie eine gestärkte Akzeptanz für sei-    zer - Anregungen für ein erfolgreiches Mitein-
ne Ziele, die Gesellschaft durch die Bewahrung      ander zu geben.
unserer Lebensgrundlagen und - nicht zuletzt
- die Nutzer durch Planungs- und Investitions-
sicherheit als wesentliche Voraussetzungen für
eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit.
Die Broschüre soll Einblick in die nicht im-
mer leichte, aber letztlich oft erfolgreiche Zu-                                   Prof. Dr. Beate Jessel
sammenarbeit von Naturschutzbehörden und
verschiedenen Nutzern geben. Die vorgestell-                 Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz
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Einleitung

Nach dem Abschluss der Meldung der FFH- und             onen sind noch eher die Ausnahme oder es han-
Vogelschutzgebiete in Deutschland kommt es              delt ich um neue, bisher wenig beachtete The-
in Zukunft vornehmlich darauf an, den Schutz            menfelder bei der Umsetzung von Natura 2000.
der biologischen Vielfalt in der Praxis durch           Daher hat das Bundesamt für Naturschutz im
ein geeignetes und effektives Management der            Jahr 2007 das vom Bundesministerium für Um-
Gebiete zu etablieren bzw. fortzusetzen. Da-            welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geför-
bei ist unter Management der gesamte Prozess            derte Forschungs- und Entwicklungsvorhaben
von der Erstellung von Managementplänen bis             „Integration nicht land-, forst- und fischerei-
zur Durchführung konkreter Maßnahmen oder               wirtschaftlicher Nutzungen in das Management
Erfolgskontrollen zu verstehen, der zur Umset-          von Natura 2000“ (FKZ 3507 82 190) vergeben.
zung der Erhaltungs- und Entwicklungsziele der          Kern des Vorhabens sind vier ausgewählte Nut-
Schutzgebiete dient. Der Erfolg der Maßnahmen           zungsbereiche: Der „wandernde“ Abbau von
zum Schutz von Arten und Lebensräumen hängt             Rohstoffen (obertägiger Lockermaterial- und
wesentlich von der Kooperation mit Flächenei-           Festgesteinsabbau), die Nutzung von Flüssen
gentümern und -nutzern ab.                              als Bundeswasserstraßen, die militärische Nut-
                                                        zung auf Standort- und Truppenübungsplätzen
Die Zusammenarbeit von Land- und Forstwirten            sowie die Nutzung des Grundwassers. Ziel des
mit dem Naturschutz ist schon jahrzehntelange           Vorhabens ist die Akzeptanz von Natura 2000
vielerorts gängige Praxis, auch wenn diese nicht        bei den beteiligten Nutzergruppen aus der Wirt-
immer konfliktfrei ist. Es gibt Förderprogramme,        schaft sowie bei Politik und Medien zu erhöhen
Leitlinien und zahlreiche vorbildliche Projekte         und die Nutzungen unter Beteiligung aller Sta-
für gelungene Kooperationen, die sowohl dem             keholder soweit wie möglich in das Manage-
Schutz von Arten und Lebensräumen als auch              ment von Natura 2000-Gebieten zu integrieren.
der beteiligten Land- und Forstwirtschaft hel-          Dabei wurde in zwei Schritten vorgegangen:
fen. In anderen Bereichen wirtschaftlicher Nut-
zung von Natur und Landschaft erscheinen die            1. Recherche von Pilot- und Modellprojekten
Gegensätze von Naturschutz und Naturnutzung             Dazu wurde zunächst eine Literatur- und In-
zum Teil deutlich größer, gelungene Kooperati-          ternetrecherche zu gelungenen Kooperati-

                     Kapitel 1:                                                Kapitel 2:

Abbau von mineralischen Rohstoffen und das Management   Militär und Naturschutz: Instrumentarien zur nachhaltigen
von Natura 2000                                         Nutzung von militärischen Übungsplätzen
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onen zwischen Nutzern und Naturschutz in                2. Themenworkshops mit Nutzern
den ausgewählten Nutzungsbereichen durch-
                                                        Auf speziellen Themenworkshops des Bun-
geführt. Bei der Auswahl der Pilot- bzw. Mo-
                                                        desamtes für Naturschutz zu den ausgewähl-
dellprojekte wurde die Thematik der Prüfung
                                                        ten Nutzungen im Herbst 2008 fand ein fach-
der Verträglichkeit eines Planes oder Projekts
                                                        übergreifender Erfahrungsaustausch zwischen
mit den Erhaltungszielen des jeweiligen Na-             amtlichem Naturschutz, Landesbehörden und
tura 2000-Gebiets sowie die im Rahmen eines             Betroffenen über Probleme und Lösungsansät-
Genehmigungsverfahrens eventuell notwen-                ze zur Integration von Nutzungen in das Schutz-
digen artenschutzrechtlichen Befreiungen be-            gebietsnetz Natura 2000 statt. Dort wurden aus-
wusst ausgeklammert. Während Neuvorhaben                gewählte erfolgreiche Kooperationsprojekte aus
(Projekte) oder Pläne mit möglichen negativen           Sicht der unterschiedlichen Kooperationspartner
Wirkungen auf die Schutzziele eines FFH- oder           vorgestellt und diskutiert. Darüber hinaus wur-
Vogelschutzgebietes grundsätzlich einer FFH-            den Erfolgsfaktoren identifiziert, die für eine
Verträglichkeitsprüfung bedürfen und hierfür            erfolgreiche Kooperation zwischen den Nut-
eigene Handlungsempfehlungen und Verfahren              zungsbereichen und dem Naturschutz besonders
existieren, gibt es in vielen Gebieten bestehende       bedeutsam sind.
Nutzungen (ongoing activities), die häufig im
Rahmen einer Managementplanung weitgehend               Zielsetzung dieser Broschüre ist die Vorstellung
konfliktfrei fortgeführt werden können. Diesen          modellhafter Projekte für die erfolgreiche Ko-
Aktivitäten gilt das Hauptaugenmerk dieser              operation von Naturschutz und Nutzern. Dabei
Broschüre. Daher wurden gelungene Koope-                richtet sich die Broschüre an die Fachleute nicht
rationen im Rahmen bereits genehmigter Nut-             nur des Naturschutzes, sondern auch innerhalb
zungen gesucht und analysiert. Die in dieser            von Wirtschaftsbetrieben, Verbänden, Behör-
Broschüre formulierten Empfehlungen beziehen            den und Politik.
sich auf diese Kooperationen. Bei Nutzungen,            Für die breite Öffentlichkeit steht neben dieser
die in einem Natura 2000-Gebiet erst begonnen           Langfassung eine Kurzfassung der Broschüre
oder wesentlich geändert werden, können diese           zur Verfügung, die vom Bundesministerium
Empfehlungen die ggf. notwendigen behörd-               für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
lichen Genehmigungsverfahren nicht ersetzen,            herausgegeben wurde (erhältlich beim Pressere-
aber ggf. vorbereiten oder erleichtern.                 ferat des BMU, presse@bmu.bund.de).

                     Kapitel 3:                                             Kapitel 4:

Nutzung von Gewässern als Bundeswasserstraßen und das   Grundwassernutzung und das Management von Natura
Management von Natura 2000                              2000
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                         Kapitel 1:
Abbau von mineralischen Rohstoffen und das Management von
                        Natura 2000
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Einleitung: Mineralische Rohstoffe und               bestmögliches Miteinander von Abbau- und
                                                     Naturschutzinteressen gewährleistet wird.
das Management von Natura 2000
                                                     Auch während des Abbaubetriebs können
Der Abbau von mineralischen Rohstoffen und           Abbaustätten positive Funktionen für den
der Naturschutz haben eines gemeinsam: Beide         Naturschutz erfüllen: Durch Sukzessionsflä-
sind weitgehend ortsgebunden. Der Abbau-             chen, die im Zuge des Abbaufortschrittes inner-
betrieb ist auf die vorhandenen Lagerstätten         halb der Abbaustätte unterschiedlich weit in
angewiesen, die meisten Biotope lassen sich          ihrer natürlichen Entwicklung fortgeschritten
in ihrer historisch gewachsenen biologischen         sind, können hochwertige Lebensräume entste-
Vielfalt nicht „verpflanzen“ oder gar in kurzen      hen, die im Hinblick auf seltene und gefährdete
Zeit­räumen regenerieren und wie viele Arten         Arten eine wichtige Bedeutung für den Erhalt
können sie nur dort geschützt werden, wo sie         der Artenvielfalt der umliegenden Kulturland-
vorkommen. Was auf den ersten Blick als völlig       schaft einnehmen. Einige dieser Arten wie z. B.
unvereinbar gilt, kann aber in vielen Fällen bei     die Gelbbauchunke besiedeln heute hauptsäch-
ausreichender Kenntnis der Schutzbedürfnisse         lich anthropogene, sekundäre Lebensräume wie
der örtlich vorkommenden Arten der FFH- und          Sand-, Kies- und Tongruben sowie Steinbrüche.
der Vogel­schutzrichtlinie und der Betriebs­         Die Gelbbauchunke erreicht in den Abbaube-
erfordernisse des Abbaus zu einer für beide          reichen (und auf militärischen Übungsplätzen)
Seiten überzeugenden und funktionierenden            ihre kopfstärksten Populationen. Die Gelbbauch­
Kooperation führen.                                  unke findet gerade während der Abbautätig-
                                                     keiten ideale Lebensbedingungen vor, da sie
Abbaustätten von Rohstoffen über Tage wie            eine typische Pionierart ist, die durch den Abbau
Sand- und Kiesgruben oder Steinbrüche zum            regelmäßig neu geschaffene Gewässer schnell
Abbau von Festgesteinen können schon wäh-            besiedeln kann.
rend des Abbaus wertvolle Lebensräume für be-
drohte Tier- und Pflanzenarten darstellen. Durch     Auch für andere Arten wie den Flussregenpfei-
geeignete Maßnahmen bei der so genannten Re-         fer oder die Uferschwalbe können Steinbrü-
naturierung von Abbauflächen nach Beendigung         che oder Abbaugruben attraktive Lebensräume
des Abbaus lassen sich die Lebensbedingungen         darstellen. Beide Arten haben ihre primären
für diese Arten zudem längerfristig sichern oder     Brutvorkommen an naturnahen Flussläufen:
neue Lebensräume gezielt entwickeln.                 Flussregenpfeifer nisten auf Schotter- und Kies-
                                                     bänken, Uferschwalben in selbst gegrabenen
Daher wurde ein kleiner Teil der aktiven Roh-        Höhlen an frisch angerissenen Steilwänden.
stoffabbaubereiche in das europäische Schutzge-      Durch den Verbau der Flusstäler wurden ihre
bietsnetz Natura 2000 einbezogen – wenngleich        Lebensräume immer mehr eingeschränkt. Auch
zahlreiche Rohstoffabbaubereiche, auch wenn          Uhu und Wanderfalke finden in Steinbrüchen
dies naturschutzfachlich möglich gewesen wäre,       nicht selten günstige Bedingungen für die Auf-
nicht in das Netz Natura 2000 aufgenommen            zucht ihrer Jungen.
wurden. Vor Neueinrichtung von Abbaugruben
und Steinbrüchen innerhalb der Schutzgebiete         Die folgenden Beispiele zeigen, wie der Roh-
ist grundsätzlich eine spezielle Verträglichkeits-   stoffabbau und Naturschutzziele mitein-
prüfung mit den Schutzzielen des jeweiligen          ander vereinbart werden können. Dabei ist
Natura 2000-Gebiets erforderlich, um nega-           Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten eine
tive Auswirkungen eines Vorhabens auf ein            wesentliche Voraussetzung für eine erfolg-
Schutzgebiet zu vermeiden. Sofern ein Abbau-         reiche Kooperation von Abbaubetrieben und
vorhaben jedoch schon vor der Schutzgebiets-         Naturschutz, wobei aber auch die Grenzen der
ausweisung bestand oder unter Abwägung mit           Kompromissfähigkeit auf beiden Seiten berück-
den Naturschutzzielen genehmigt wurde, sollte        sichtigt werden müssen.
die Abbauführung so gestaltet werden, dass ein
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Beispiel 1: Vogelschutz im aktiven Gesteinsabbau

                      Vogelschutz und Abbau               Das Fachkonzept für die hessische Kulisse der
                      im Einklang für Uhu                 Vogel­schutz­gebiete wurde bis 2003 von der
                      und Wanderfalke – Der               Staatlichen Vogel­schutzwarte für Hessen, Rhein­­
                                                          land-Pfalz und Saar­land unter großem Zeitdruck
                      steinige Weg zum Erfolg             erstellt. Im Konzept fanden sich für die Arten
                      einer Ko­operation                  Uhu und Wanderfalke auch viele Stein­brüche
                                                          – darunter auch der aktive Stein­bruch der Fa.
                      aus der Sicht von Dr.               Röhrig in Heppenheim-Sonder­bach. Das erste
                      Matthias Werner, Staatliche         Zusammen­treffen mit dem Betrieb Röhrig
                      Vogelschutz­warte für Hes­          granit GmbH erfolgte im Rahmen der Regional­
                      sen, Rhein­land-Pfalz und           konferenzen zur öffentlichen Anhörung der
                                                          Natura 2000-Kulisse in Hessen im Juli 2003
                      Saarland                            und war geprägt von großer Unsicherheit und
                                                          Existenz­ängsten der Betreiber: Ein in Betrieb

                                   Gebietsbeschreibung
 Abbaugebiet
 Steinbruch Sonderbach
 – Röhrig granit GmbH
 Land
 Deutschland/Hessen
 Natura 2000-Gebiet
 Vogelschutzgebiet
 DE6318450 „Felswän-
 de des Vorderen Oden-
 waldes“ (Teilgebiet
 Sonderbach)
 Größe
 42,0 ha
 Kurzcharakteristik
 Große noch genutzte
 Steinbrüche im teilbe-
 waldeten Mittelgebir-                                                        Fachliche Grundlage: LANIS-Bund, Bundesamt für Naturschutz (BfN) 2007
                                           Topographische Grundlage: Geoinformation © Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (www.bkg.bund.de)
 ge.
 Schutzwürdigkeit
 Regelmäßig und erfolgreich besetzte Brutfelsen der Arten nach Anhang I Vogelschutz-
 Richtlinie Uhu (Bubo bubo) und Wanderfalke (Falco peregrinus).
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befindlicher Steinbruch mit wei-
teren Abbau­planungen als Vogel­
schutzgebiet. Wie sollte das zu­sammen­                           Beteiligte
passen?
                                           Betreiber:
                                           Röhrig granit GmbH, Gerhard und Marco Röhrig
Da auf den Regionalkonferenzen auf
den jeweilig betroffenen Betrieb nicht
                                           Behördlicher Naturschutz:
individuell eingegangen und wich-
tige Frage­stellungen oft nur angeris-     Regierungspräsidium Darmstadt – Obere Natur-
sen werden konnten, wurden nach            schutzbehörde; Staatliche Vogelschutz­warte für
Rücksprache mit dem Landesverband          Hessen, Rhein­land-Pfalz und Saarland, Dr. Matthias
der Natur­stein­industrie individuelle     Werner
Gesprächs­termine mit den betrof-
fenen Steinbruch­be­treibern in der        Ehrenamtlicher Naturschutz:
Vogelschutzwarte vereinbart. Dabei         Vogelschutzbeauftragte der Staatlichen Vogel-
wurden die Probleme des Betriebs im        schutzwarte für Hessen, Rhein­land-Pfalz und Saar-
Detail durchge­sprochen.                   land, Heinrich Hechler, Peter Schabel

Wichtig für die Betreiber war insbe­­       Naturschutzverbände:
sondere die Information, dass das Vo-       NABU, Günther Hagemeister, Dr. Andreas Stähle
gelschutzgebiet keine Veränderungs­
sperre, sondern nur ein Verschlechterungsverbot ereignisse – so z. B., als die Vogel­schutz­
bezogen auf die jeweils relevanten Schutzgüter beauftragten den Steinbruch-Ver­ant­wort­lichen
bedeutet. Weiter­hin über­zeugte die Argumen- einen Junguhu zeigen konnten, der die Menschen
tation, dass Uhu und/oder Wander­falke auf die aus wenigen Metern Entfernung „eindringlich
von den Be­treibern geschaffenen Felswände und interessiert“ beäugte.
angewiesen seien und sie in ihren Stein­brüchen
relativ leicht den seitens der EU geforderten, so Die Kooperation zwischen Betreiber und Natur­
genannten „günstigen Erhaltungs­zustand“ für schutz wuchs. Es war ein gegenseitiges mit-
die maß­geblichen Arten gewährleisten könnten. und voneinander lernen. Die Beauf­tragten für

Die Vogelschutzwarte stellte ebenso den
Kontakt zwischen dem Betrieb und den lokalen
ehrenamtlich tätigen Orni­tho­logen her, die zum
überwiegenden Teil auch „Beauftragte für den
Vogel­schutz“ der Vogelschutzwarte nach § 53
Hessisches Naturschutzgesetz sind. Im Falle des
Steinbruchs Sonderbach standen als Ansprech­
partner mit Heinrich Hechler, Peter Schabel und
Günther Hagemeister ausge­wiesene Greifvogel-
und Eulenspezialisten zur Verfügung, die z. T.
schon über lange Jahre hinweg die Gescheh­nisse
an den Brutplätzen von Uhu und Wander­falken
detailliert verfolgten.
                                                   Mit Einsetzen der Wanderzeit der Jungvögel im Mai beginnt
Die fachliche Kompetenz, die Ehrlichkeit, die
Seriosität und das Augenmaß, mit der die Beauf­    in einem noch in Betrieb befindlichen Stein­bruch die wohl
tragten der Vogel­schutz­warte auftraten, über-    gefahrvollste und kritischste Phase der Jungen­auf­zucht.
zeugten die Verantwortlichen der Firma.            Die Junguhus durch­streifen das gesamte Bruchgelände. Eine
                                                   häufige Nachsuche ist deshalb notwendig um Gefahren abzu­
Und schließlich waren da emotionale Schlüssel­     wenden.
Natura 2000 Kooperation von Naturschutz und Nutzern - Ergebnisse der 42. Jahrestagung
10

                                                            befohlenen“ und konnten diese bei ihren aktu-
                                                            ellen Abbau­prozessen berücksichtigen.

                                                            Der Steinbruch Röhrig entwickelte sich zu
                                                            einem der besten Beispiele im Rahmen der
                                                            Umweltallianz Hessen. Das Motto der Umwelt­
                                                            allianz „Kooperation statt Konfron­tation“
                                                            wurde so mit Leben erfüllt und zur Leitlinie des
                                                            Handelns vor Ort. Das Regierungs­präsidium
                                                            Darm­stadt sicherte das Vogel­schutz­gebiet mit
                                                            einer freiwilligen Vertrags­vereinbarung zwi-
                                                            schen dem Land Hessen und der Fa. Röhrig. Es
                                                            war die erste dieser Art in Hessen und wurde
Wanderfalke (Falco peregrinus) im Steinbruch Sonderbach     unter Beisein von Umwelt­minister Dietzel,
                                                            Regierungspräsident Dieke und den Ver­
                                                            antwortlichen der Fa. Röhrig unter­zeichnet.
Vogelschutz wurden zu „Berg­bau­experten“,
mit tieferem Verständnis für Betriebs­abläufe               Besonders erfreulich ist - über diesen greif-
und abbau­bedingte Notwendig­keiten. Die Ver­               baren Erfolg im Sinne der Vogelschutzrichtlinie
antwortlichen der Fa. Röhrig bekamen aktuell                hinaus, dass zwischen den beteiligten Akteuren
und fortwährend Infor­mationen zum Brutstatus               ein offenes, freundschaftliches und von viel
und art­spezifischen Bedürfnissen der „Schutz­              Sympathie getragenes Verhältnis entstanden ist.

Wanderfalke und Uhu genießen einen besonderen Schutz im aktiven Heppenheimer Granit-Steinbruch Sonderbach. Die Bru­
ten und Aufzucht der Jungvögel beider Arten verlaufen seit Jahren erfolgreich. Die Brutplätze der beiden Arten liegen
innerhalb eines Steinbruchs ca. 550 m voneinander entfernt.
11

Die Schutz­güter des Vogelschutzgebiets sind
mittlerweile selbstverständlicher Bestand­teil der
Firmenphilosophie der Fa. Röhrig geworden.

Die Vereinbarung zwischen der Firma Röhrig
granit GmbH und dem Land Hessen
Ziel der Vogelschutz­verein­barung ist es, die
Lebensräume der Tiere (Uhu und Wanderfalke)
nachhaltig zu sichern und dem Betrieb gleich-
zeitig eine Fort­führung des Betriebes zu garan­
tieren. Es besteht weit­gehende Rechts­sicherheit
für den Unter­nehmer. Durch die Verein­barung
hat der Unternehmer ein höheres Maß an
Planungs­sicher­heit.

                                                           Uhu (Bubo bubo) im Steinbruch Sonderbach

Gerhard und Marco Röhrig (Geschäfts­führer           von den zuständigen Vogelschutz­be­auf­tragten
der Röhrig granit GmbH) über die Zusammen­           mit in den Vogel­schutz einbe­zogen; gemein-
arbeit mit dem Naturschutz im Rahmen der EU-         sam fanden z. B. Tier-Beobachtungen statt. Die
                                                     neuen Er­kenntnisse, wie sich die Vögel wäh-
Vogelschutz­gebiets­aus­weisungen:
                                                     rend des Tagesge­schehens im Steinbruch ver­
Mit Unterzeichnung der Vereinbarung ver­             halten, war nicht nur für uns, sondern auch für
pflich­tete sich die Firma, Sprengungen und          die Naturstein­industrie, die Verbände und den
Abbautätigkeiten in Absprache mit den Vogel­         Naturschutz sehr überraschend und wichtig. Die
schutz­beauftragten so zu platzieren, dass die       Zusammen­arbeit funktioniert bei uns sehr gut
Brutstätten und das Leben der Tiere nicht gefähr­    und ist von allen Seiten weiterhin gewollt. Wir
det werden. Daraufhin ist eine wunder­bare und       haben die Vogel­schutz­ver­einbarung wirklich
vorbildliche Zusammen­arbeit im Hinblick auf         gelebt und sind mit gutem Beispiel voran gegan-
den Schutz der Vögel entstanden. Wir wurden          gen. Dies möchten wir auch weiterhin tun.
12

                       Erfahrungen und gewon­            sondere über den Brut­platz, die Bebrütungszeit,
                       nene Er­kennt­nisse im            die Jungenaufzucht und das Ende der Brutzeit.
                       Stein­bruch Sonder­bach           Sehr kritisch ist die Wanderschaft der Junguhus,
                                                         die den gesamten Steinbruch durchstreifen. Für
                                                         die vorwiegend erfolgreich verlaufenen Bru-
                       Heinrich Hechler, Vogel­schutz­   ten von Uhu und Wander­falke im Steinbruch
                       beauf­tragter der Staatlichen     sorgten nicht zuletzt die engen Abstimmungen
                       Vogelschutzwarte für Hes-         zwischen den Steinbruch­be­treibern und den eh-
                       sen, Rhein­land-Pfalz und         renamtlichen Vogelschutz­beauftragten während
                       Saarland, von 2005-2007           der Brut- und Aufzuchtsphase der Vögel. We-
                                                         der erfolgte Sprengungen noch der Betriebslärm
                                                         und der mit dem Betrieb verbundene Fahrzeug-
Für die erfolgreiche Um­setzung des Ver­                 verkehr im Steinbruch führten zu erheblichen
trags­inhaltes in der Praxis fällt dem Vogel­            Störungen oder Beeinträchtigungen der Brut-
schutzbeauftragten eine wesentliche, wichtige            vorkommen.
Rolle zu. Er muss sich mit der Lebensweise               Durch diesen regen informellen Austausch zwi-
und dem Verhalten seiner Schütz­linge bestens            schen den Beteiligten konnten letztlich für den
vertraut machen, er muss aber auch sehr genau            Betrieb Behinderungen oder Einschränkungen
über die Betriebs­abläufe des Unternehmens,              durch die Meldung der Flächen als Vogel­schutz­
über die ge­planten und laufenden Arbeiten in-           gebiet vermieden werden. Es hat sich gezeigt,
formiert sein, um ggf. geeignete Maßnahmen               dass das, was viele für ein großes Problem hal-
er­grei­fen zu können, selbstverständlich immer          ten, gar keines ist, wenn bei allen Beteiligten
im Einvernehmen mit der Be­triebsleitung. Er             guter Wille und grundsätzliche Bereitschaft zur
muss den Betreiber schon von Jahresbeginn an             Zusammenarbeit vorhanden ist.
umfassend über die Vögel informieren, insbe-

       Gerhard und Marco Röhrig (Fa. Röhrig), Regierungspräsident Gerold Dieke (RP Darmstadt) und
       Umweltminister Wilhelm Dietzel (von links nach rechts) bei der Unterzeichnung der freiwilligen
       Vertragsvereinbarung am 17.02.2005
13

           Beispiel 2: Vogelschutz durch Rohstoffgewinnung?

Der Quarzsandtagebau „Seelach“ als Lebens­                  flächen finden schon Re­kulti­vierungen und
stätte für Ziegenmelker und Neun­töter (Arten               Renaturierungen auf den abgebauten Flächen
                                                            statt. Die Re­kulti­vierung und Renaturierung
des Anhang I Vogelschutz-Richtlinie)
                                                            der Flächen läuft in räumlichen und zeitlichen
                                                            Ab­schnitten ab, so dass eine Vergrößerung der
Nach Angaben von Robert Enders, Planungsbüro TEAM 4,        reinen Betriebs­fläche des Abbaus nicht ent-
Bearbeitung Ina Meybaum                                     steht.

Das im Vogelschutzgebiet befindliche vorhan-                Für die Genehmigung zum Abbau auf den
dene Quarz­sand­tagebau­gebiet Seelach umfasst              Erweiterungsflächen wurde von der Unteren
derzeit mit den bereits rekultivierten Flächen ca.          Natur­schutz­behörde (UNB) eine Verträg­lich­
9,6 ha; mit den geplanten Erweiterungsflächen               keits­prüfung nach Art. 6 Abs. 3 & 4 der FFH-
sind es ca. 14,7 ha. Sandabbau findet hier seit             Richtlinie gefordert. Weiterhin wurde von
Mitte der 1980er Jahre statt. Der Rohstoffabbau             der UNB eine teilweise naturschutz­orientierte
wird in Form von „wanderndem Abbau“                         Folge­nutzung des Abbaugebietes zur Auflage
be­trieben, d. h. parallel zu den aktuellen Abbau­          ge­macht, d. h. nicht alle Bereiche werden

                                       Gebietsbeschreibung
  Abbaugebiet
  Sandabbaugebiet Seelach – Sandwerke Altdorf OHG
  Land
  Deutschland/Bayern
  Natura 2000-Gebiet
  Vogelschutzgebiet DE6533471
  „Nürnberger Reichswald“
  Größe
  38.192 ha
  Kurzcharakteristik
  Große zusammenhängende
  Waldkomplexe aus vorherrschenden
  Kieferwäldern, eingestreuten
  Laubholzbereichen und Um­
  wandlungs­flächen zu strukturreichen
  Misch- und Laubwäldern mit                                                      Fachliche Grundlage: LANIS-Bund, Bundesamt für Naturschutz (BfN) 2007
                                               Topographische Grundlage: Geoinformation © Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (www.bkg.bund.de)
  Lichtungen und Waldsäumen.
  Schutzwürdigkeit
  Landesweit bedeutsame Vorkommen von Vogelarten wie z.B. Ziegen­melker (Caprimulgus
  europaeus) und Neuntöter (Lanius collurio)
14

                                                   Angestrebt wird eine naturschutz­kon­forme
                       Beteiligte                  Folge­nutzung auf dem Großteil der beiden
                                                   Abbaugruben, das heißt mittel- und lang­
   Betreiber:                                      fristig wird ein ausreichendes Angebot an den
   Sandwerke Altdorf OHG, Herr Adler               wertgebenden Strukturen wie Steilwänden,
                                                   Rohboden- und Sandflächen sowie frühen Suk­
   Grundstückseigentümer:                          zessionsstadien gewährleistet, welche gerade
   Bayrische Staatsforsten, Forstamt Altdorf,      für die Arten Ziegenmelker und Neun­töter von
   Herr Fuhrmann                                   großer Bedeutung sind. Sand­gruben stellen
                                                   zwar einen tief greifenden und vergleichsweise
   Genehmigungsbehörde:                            lang andauernden Eingriff in die ursprüng-
   Regierung von Ober­franken, Bergamt             lichen Waldstrukturen dar, bieten zugleich aber
   Nord-Bayern, Herr Weiß                          Lebensraum für hoch spezialisierte Arten wie
                                                   Ziegenmelker und Neuntöter, die in der moder-
   Behördlicher Naturschutz:                       nen Kulturlandschaft und monotonen Forsten
   Landratsamt Nürnberger Land,                    kein ausreichendes Angebot an natürlichen
   Untere Naturschutzbehörde, Frau Brahm           Lebensräumen mehr finden.

   Ökologische Bau­be­gleitung:                    Die Ufer­schwalbe, als streng geschützte Art, hat
   Planungsbüro TEAM 4, Herr Enders                sich in dieser Sandgrube, aufgrund der durch
                                                   den Abbau entstandenen und immer wieder
                                                   neu entstehenden Steilwände, ebenfalls ange-
wiederaufge­forstet oder durch Sukzession          siedelt und stellt eine weitere Bereicherung der
wiederbewaldet, sondern Offenflächen auf           Avifauna dar.
Sandstand­orten sollen ebenfalls geschaffen bzw.
erhalten werden.                                   Die geplante Renatur­ierung sieht besonders
                                                   die Entwicklung von klein­flächigen, diffe-
Avifaunistisch betrachtet, insbesondere im         renzierten Wald­strukturen wie Lichtungen,
Hinblick auf die beiden im Abbaugebiet             Säumen und Schneisen, einschließlich offener
Seelach vor­kommenden Arten Ziegenmelker           Sandstandorte (Nicht­holz­bodenflächen) mit
und Neuntöter, ist die geplante Erweiterung        Steilwandabschnitten vor. Beachtung findet
der Sandabbauflächen positiv einzustufen.          besonders die Vernetzung dieser Strukturen.

Blick in eine aktive Abbaufläche.
Südexponierte Abbaukanten
werden z. T. nach Beendigung
der Abbautätigkeit erhalten. Sie
stellen ein ideales Brutrevier
für die Uferschwalbe und
einen idealen Lebensraum für
zahlreiche Insekten dar, die z. B.
als Nahrungsgrundlage für den
Neuntöter dienen.
15

Neuntöter (Lanius collurio)                         Uferschwalbe (Riparia riparia)
Der Neuntöter als Leitart für die halboffene        Die Uferschwalbe benötigt Steilwand­bereiche
Feldflur mit Hecken und Gehölzstreifen bewohnt      zum Brüten, in denen sie während des som-
vorzugsweise extensiv genutzte Kulturland­          merlichen Aufenthaltes (Mai bis September)
schaften, die von Ge­büschen und einzelnen Bäu-     Röhren anlegt und die Jungvögel aufzieht. In
men unterbrochen sind. Er besiedelt vor­rangig      den durch den Abbau entstandenen Wänden fin-
Trockenrasen, Suk­zessions­flächen im frühen        det die sonst nur in Landschaften mit natürlich
Stadium, teilweise verbuschtes Offenland und        mäandrierenden Flussläufen und Uferab­brüchen
buschreiche Wald­ränder. Er ernährt sich haupt-     vorkommende Art günstige Lebensbedin-
sächlich von Großinsekten wie z. B. Käfern,         gungen. Die meist süd­ex­po­nierten Abbauwän-
Schmetterlingen, Hummeln und Zweiflüglern.          de mit Brut­röhren werden während der Brutzeit
Die Revier­größe liegt in Mitteleuropa im Durch­    in den Sommer­monaten vom Abbau­ge­schehen
schnitt zwischen 1 und 6 ha. Der Neuntöter ist      ausge­nommen.
ein Langstreckenzieher. Bereits im September
verlässt er das Brutgebiet, und kehrt erst Anfang
Mai zurück. Ein wesentlicher Grund für die
Gefährdung ist der Verlust der Strukturvielfalt
durch die Aus­räumung der Kulturlandschaft.

                                                    Be­stands­dichten erreicht er auf Flächen in jun-
                                                    gen Sukzessionsstadien auf armen Sand­böden.
                                                    Die Reviergröße eines Paares beträgt ca. 1,5
                                                    bis 2,5 ha. Die dämmerungs- und nachtaktiven
                                                    Vögel sind Langstrecken­zieher, im Brut­ge­biet
                                                    sind sie von April bis August anzutreffen. Tags-
                                                    über sitzen die perfekt getarnten Vögel häu-
                                                    fig mit fast geschlossenen Augen regungslos
                                                    längs auf einem Ast, einem Baum­strunk oder
                                                    flach auf dem Boden. Für die mittel­fränkischen
                                                    Sand­gebiete und Kiefern­heiden in Bayern ist
                                                    der Ziegen­melker eine Charakterart. Wesent-
                                                    liche Gründe für die Gefährdung der Ziegen­
Ziegen­melker (Caprimulgus europaeus)
                                                    melkerbestände sind vor allem Habitat­verluste
Der Ziegenmelker ist eine Leitart von halb­         durch Aufforsten von Lichtungen, Schneisen
offenen Sandheiden, Kiefern­jung­beständen und      oder Sandgruben. Die Nahrung besteht aus-
Kiefern-Waldrändern mit offenen Sand­blößen         schließlich aus nachtaktiven Großinsekten wie
und größerem Zwerg­strauch­bestand. Besondere       z. B. Nachtfaltern.
16

Landschaftspflegerische Fachbauleitung und          • Biotop-Management mit Schaffung von dif-
ökologisches Monitoring                             ferenzierten Standorten für Pflanzen und Tiere
                                                    bei Bio­topen auf Zeit (Sukzessionsflächen)
Das unabhängige Planungs­büro „Team 4“,             und von Flächen für Ausgleichs- und Ersatz­
namentlich Herr Enders, ist vom Betreiber mit       maßnahmen;
der ökologischen Betreuung des Abbau­gebietes
                                                    • Biotop-Monitoring auf den rekultivierten und
Seelach beauftragt. Er fungiert als natur­schutz­
                                                    renaturierten Flächen (floristische und faunisti-
fachlicher Experte mit großen Kenntnissen der
                                                    sche Untersuchungen) und
Abbauindustrie als Ver­mittler zwischen den
einzelnen Fachbe­hörden und dem Betreiber der       • Öffentlichkeitsarbeit.
Sandgrube. Zu seinen Aufgaben gehören:
                                                    Ergebnis
• Betreuung von Abbau-, Renaturierungs-/
Re­kulti­vierungs- sowie Pflege- und Entwick­       Im abgestimmten Verfahren zwischen der
lungs­maß­nahmen;                                   Staatsforstverwaltung (Forstamt Altdorf) und
• Betreuung und Kontrolle der im Geneh­             der Betreiber­firma (Sandwerke Altdorf) sowie
migungsbescheid enthaltenen naturschutz-            den Fachbehörden Landratsamt Nürnberger
                                                    Land (UNB) und Bergamt Nordbayern, können
fachlichen Auf­lagen während der Dauer der
                                                    ökonomische und ökologische Ziele mit für
Abbau- und Re­naturierungs-/Rekultivierungs­
                                                    beide Seiten akzeptablen Kompromissfin-
maß­nah­men sowie der Ausgleichs- und
                                                    dungen umgesetzt werden. Das Abstimmungs-
Ersatzmaß­nahmen;
                                                    verfahren ist ein normaler behördlicher Prozess
• Vermittlung und Klärung von aktuellen             (Genehmigungs­verfahren), der durchlaufen
Themen und Problemen zwischen Auftrag­              werden muss. Das Beispiel Seelach zeigt, dass
geber und Fachbehörden sowie der Ge­neh­            eine wirtschaftliche Nutzung (Sandabbau) im
migungsbehörde (in mündlicher und schrift-          Vogelschutzgebiet ohne größere Probleme und
licher Form oder auf Ortsterminen);                 Zeitver­zögerungen für den Betrieb weiterhin
• planerische Leistungen für Aktu­ali­sierungen     möglich ist und der Abbau sich sogar positiv auf
bzw. Detaillierungen der Ge­nehmigungs­             die wert­gebenden Arten auswirken kann.
unterlagen bei Erfordernis der Anpassung an
örtliche Gegebenheiten;

Durch die Er­haltung von Sand­
abbau­wänden, Sand­böschungen
und Sohlen­be­reichen mit wech-
sel­feuchten Stellen sowie aufge­
lichteten Wald­rand­bereichen und
durch Ab­rutschung entstehende
Locker­sand­kegel werden vielfäl­
tige Klein­strukturen und Stand­
orte für zahl­reiche Tier- und
Pflanzen­arten geschaffen.
17

          Beispiel 3: FFH-Rahmenvereinbarung zwischen Natur­schutz­­be­
          hörden und Industrieverbänden

Keramische Rohstoffe abbauen und
Natur schützen und entwickeln                                       Beteiligte
                                             Ministerium für Umwelt, Forsten und Ver­
Nach Angaben von Gundolf Schrenk,            braucherschutz (MUFV) Rheinland-Pfalz
Ministerium für Umwelt, Forsten und          Abt. „Nachhaltige Entwicklung, Naturschutz und
Verbraucherschutz Rheinland-Pfalz, Bear­     Grundsatzfragen der Umweltpolitik“
beitung Ina Meybaum                          Kaiser-Friedrich-Str. 1
                                             55116 Mainz
Das Ministerium für Umwelt, Forsten
und Ver­braucherschutz (MUFV)                BKR - Bundesverband Keramische Rohstoffe e.V.
Rheinland-Pfalz hat im September             Bahnhofsstraße 6
2005 eine FFH-Rahmen­vereinbarung            56068 Koblenz
mit dem Bundesverband Keramische             www.bkr-industrie.de
Rohstoffe e.V. (BKR) über den
Schutz von Anhang II-Arten der FFH-
Richtlinie beim Abbau keramischer
Rohstoffe abgeschlossen. Gegenstand
der Vereinbarung ist insbesondere der
Schutz der Gelbbauchunke (Bombina
variegata) und des Kammmolches
(Triturus cristatus). Ziel ist es,
Maßnahmen zur Erhaltung der
genannten Arten in den laufenden
Abbaubetrieb zu integrieren. Mit
einem aktiven und vorausschauenden
Flächenmanagement kann ein rei-
bungsloser Abbau von Rohstoffen bei
gleichzeitiger Einhaltung der natur-
schutzrechtlichen      Anforderungen
erreicht werden. Die Vereinbarung
ist ein Beispiel dafür, dass der
Schutz von bestimmten Tierarten,           Untersuchungen zur Amphibienfauna

                                  Schutzobjekt/Gegenstand
  Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie in aktiven Abbaugebieten des Bundes­landes
  Rheinland-Pfalz, insbesondere:
  - Gelbbauchunke (Bombina variegata),
  - Kammmolch (Triturus cristatus).
18

Gelbbauchunke (Bombina variegata)                       Kammmolch (Triturus cristatus)

die nach der FFH-Richtlinie unter Schutz                europäischen Vogelschutzrichtlinie (besonders
stehen, und der aktive Abbau von Rohstoffen             von Uhu, Braun- und Schwarzkehlchen) erwei-
vereinbar sind. Dabei werden sowohl die spe-            tert werden soll.
zifischen Bedingungen des Abbaus als auch
die dynamischen Landschaftsveränderungen                Langfristig lassen sich die Ziele von Natura
be­rücksichtigt. Die bisherigen sehr posi-              2000 in Gebieten mit aktivem Abbau nur unter
tiven Erfahrungen bei der Umsetzung der                 Einbeziehung der betroffenen Nutzer und
Rahmenvereinbarung haben dazu geführt, dass             Akteure in die Vorbereitung und Durchführung
die Vereinbarung auf den Schutz von wei-                von Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen errei-
teren Arten der FFH-Richtlinie (besonders von           chen. Die abgeschlossene Rahmenvereinbarung
Amphibien) und geschützten Arten nach der               leistet dazu einen wesentlichen Beitrag.

                    Das Gewässer in einer Tongrube im Westerwald bietet dem Kammmolch
                    und anderen bedrohten und schützenswerten Arten ideale Lebensbedin­
                    gungen.
19

                        Interview mit Dr. Matthias Schlotmann (Geschäftsführer des BKR) über die
                        Zusammenarbeit des Bundesverbandes Kera­mische Rohstoffe e.V. mit dem
                        Naturschutz

                        Der Bundesverband Keramische Rohstoffe e.V. (BKR) vertritt gegenüber Behörden, Ver­
                        bänden, Kommunen, Öffentlichkeit und anderen Personenkreisen die fachlichen und
                        wirtschaftlichen Interessen von Firmen, die keramische Rohstoffe wie Ton, Bentonit,
                        Feldspat, Kaolin, Klebsand, Quarzit und Quarzsand gewinnen oder verarbeiten. Im BKR
                        sind Mitgliedsfirmen aus ganz Deutschland zusammen­geschlossen.

Sehr geehrter Herr Dr. Schlotmann, wie kam            Welche Anforderungen und Auflagen müs-
es zur Vereinbarung zum Schutz der FFH-               sen die Betriebe beachten, welche Pflichten
Arten zwischen BKR und MUFV? Welche                   zum Schutz der Arten erfüllen? Welche Vor-
Konflikte gab es im Vor­feld?                         teile (und ggf. welche Nach­teile) bringt die
Dr. Schlotmann: Als die Ausweisung von FFH-           Vereinbarung mit sich?
Gebieten in Rheinland-Pfalz anstand, wurden           Dr. Schlotmann: Die Betriebe müssen natür-
die BKR-Mitgliedsfirmen im Aus­weisungs­              lich die Vorgaben der FFH-Richtlinie ein­halten.
verfahren als Betroffene beteiligt. Es stellte sich   Darüber hinaus verpflichten die Betriebe sich
schon frühzeitig heraus, dass viele FFH-Gebiets-      aber zu mehr:
vorschläge in Rohstoff­abbaustätten liegen, viele     • Während des Abbaubetriebs sollen möglichst
sogar deckungs­gleich mit den Rahmenbetriebs­         viele Kleinstgewässer entstehen und zur Laich-
plänen sind. Dies ist darauf zurückzuführen,          zeit der Amphibien möglichst ungestört belas-
dass viele geschützte FFH-Arten haupt­sächlich        sen werden.
oder teilweise nur noch in Rohstoffabbauflächen
vorkommen.                                            • Bei Aufnahme oder Fortsetzung der Abbau­
                                                      tätigkeit in Bereichen der Grube mit Schwer-
Bei den betroffenen Firmen herrschte zunächst
                                                      punktvorkommen der Amphibien wer­den ggf.
eine tiefe Verunsicherung, wie sich diese Situ-
                                                      Umsiedlungen der Tiere in neu zu schaffende
ation rechtlich und tatsächlich auswirkt. BKR
                                                      Kleinstgewässer in anderen Grubenbereichen
und Naturschutzbehörden arbeiten bereits seit
                                                      vorgenommen.
langem eng zusammen. So wurde bereits An-
fang der 1990er Jahre ein Projekt zum Schutz          • Bei Abschluss der Gewinnungstätigkeit
des Laubfrosches ins Leben gerufen, was im-           wird das Gelände bis zur Nachfolge­nutzung in
mer noch erfolgreich durchge­führt wird. Viele        Absprache mit den zuständigen Natur­schutz­
Firmen fragten sich in Folge der FFH-Gebiets­         behörden so gestaltet, dass es sich weiterhin
aus­weisungen sogar, ob diese enge langjährige        als Lebensraum für die genannten FFH-Arten
Zusammenarbeit im Nachhinein ein Fehler war.          eignet. Auf­kommender Bewuchs wird ggf. ab­
Man habe den Naturschutz immer gefördert und          ge­schoben, flächenhafte Be­pflanzungen werden
jetzt be­komme man die Quittung.                      nicht vorgenommen.
Vor dem Hintergrund dieser Verunsicherung             Für alle Fälle wird eine frühzeitige gegen­seitige
begannen die Verhandlungen zwischen BKR               Information über Vorhaben und über neue Daten
und Umweltministerium. Ziel war es, den be-           und Erkenntnisse sowie eine gemeinsame Suche
troffenen Firmen Ängste und Unsicher­heiten zu        nach Lösungen in Konflikt­fällen zwischen den
nehmen und zugleich den Natur­schutz weiter           zuständigen Natur­schutzbehörden und den Be-
voranzutreiben.                                       trieben vereinbart.
20

Bis jetzt bringt die Vereinbarung für beide Sei-       schutzbehörden statt. Laut Verein­barung ist
ten hauptsächlich Vorteile. Den Unter­nehmen           die Bestandsentwicklung der genannten Ar­ten
wurde die Unsicherheit genommen, der Natur-            durch die Naturschutzbe­hörden zu beobachten.
schutz wird noch stärker gefördert.                    Diese stellen dann den Betrieben entsprechende
Vorteilhaft für die Betriebe ist dabei: Auf den        Berichte über die Erfolgs­kontrollen einzelner
Tonab­bau­flächen innerhalb von Natura 2000-           Maßnahmen und die Bewertung des Er­haltungs­
Gebieten wird hinsichtlich der Arten der Nach-         zustandes der Arten zur Ver­fügung. Die Be-
weis der Verträglichkeit durch eine vereinfachte       richte enthalten auch aktuelle Verbesserungs­
FFH-Prüfung mit Verweis auf diese Vereinba-            vorschläge für das Lebensraum­manage­ment.
rung erbracht. Dies macht sich auch in finan-
ziellen Entlastungen bemerk­bar.                       Welche Erkenntnisse wurden in der Umset-
Zudem ist die Vereinbarung bei der Diskussion          zung der Vereinbarung gewonnen? Welche
mit den Raumordnungsbehörden sehr hilfreich.           allgemein­gültigen Handlungs­empfehlungen
Sie ist der Beweis, dass Rohstoffabbau in FFH-         können aus den ge­wonnenen Erkenntnissen
Gebieten möglich ist und sogar die Biodiversität       abge­leitet wer­den?
steigern kann.                                         Dr. Schlotmann: Wichtig ist eine umfassende
Nachteile: Die Vereinbarung wurde noch nicht           Informationspolitik zwischen allen Be­teiligten.
vor Gericht getestet. Der Vogelschutz ist noch         Probleme lassen sich meistens auf mangelnde
nicht Bestandteil der Vereinbarung, wir sind ge-       Information zurückführen.
rade dabei dies nachzuholen.

                                                       Vielen Dank für das Interview.
Wie werden die Betriebe auf die Erfüllung              Das Interview wurde geführt durch Ina Mey-
der Auflagen hin kon­trolliert?                        baum.
Dr. Schlotmann: Im Rahmen des FFH-Mo-
nitorings finden Kontrollen durch die Natur-

             Unterzeichnung der Vertragsvereinbarung am 26.09.2005 (v. links: Dr. Matthias
             Schlotmann, Geschäfts­führer des BKR, Margit Conrad, Umweltministerin Rheinland-
             Pfalz und Walter Steiner, Vorstandsvorsitzender des BKR)
21

                        Kapitel 2:
Militär und Naturschutz: Instrumentarien zur nachhaltigen
         Nutzung von militärischen Übungsplätzen
22

Einleitung: Militär und Naturschutz:              flächige durch Freizeit und Erholung nicht oder
                                                  kaum genutzte Bereiche, sodass sich gegenüber
Instrumentarien zur nachhaltigen                  Störungen besonders anfällige Arten hier halten
Nutzung von militärischen Übung­                  oder wiederansiedeln konnten.

splätzen                                          Derzeit werden auf dem Gebiet der Bundes­
Den Liegenschaften der Bundeswehr, insbeson-      republik Deutschland 21 Truppenübungsplätze
dere den Truppen- und Standort­übungsplätzen,     und 184 Standortübungsplätze sowie Pionier­
kommt neben ihrer militärischen Zweckbestim-      übungsplätze (Wasser/Land) durch die Bundes-
mung auch eine besondere Bedeutung für den        wehr betrieben. Die durchschnittliche Fläche
Naturschutz zu. Von den drei Lebensraumtypen      der Truppenübungsplätze beträgt 7.000 ha.
2310 „Sandheiden mit Besenheide und Ginster       Sie reicht vom kleinsten Platz, Todendorf in
auf Binnendünen“, 2330 „Offene Grasflächen        Schleswig-Holstein mit 28 Hektar, bis Bergen
mit Silbergras und Straußgras auf Binnendünen“    in Niedersachsen mit 28.500 Hektar. Insgesamt
und 4030 „Trockene Heiden“ nach Anhang I der      sind mehr als 50 % der Übungsplatzfläche in
FFH-Richtlinie sind großflächige Vorkommen        Deutschland als FFH- und/oder Vogelschutz­
fast ausschließlich auf aktiven oder ehemaligen   gebiet gemeldet. Dazu kommen weitere von den
militärischen Übungsplätzen erhalten geblie-      Gaststreitkräften genutzte Übungsplätze.
ben.
                                                  Der besonderen Bedeutung der Übungsplätze
Die Bedeutung der militärischen Übungsplätze      für den Biotop- und Artenschutz wird innerhalb
für den Naturschutz wird darüber hinaus u. a.     der Bundeswehr und bei den Gaststreitkräften
durch die Vorkommen von an die Offen- bzw.        durch entsprechende Richtlinien, Erlasse und
Halboffenlandlebensräume gebundenen Vogel-        Weisungen Rechnung getragen, die den gesetz-
arten des Anhangs I der Vogelschutzrichtlinie     lichen Auflagen zum Lärm-, Boden-, Wasser-,
wie Brachpieper, Wiedehopf, Ziegenmelker und      Biotop- und Artenschutz entsprechen. Darüber
Neuntöter bestätigt.                              hinaus wurden zwischen der Bundesregierung
                                                  und mehreren Bundesländern Vereinbarungen
Der heute anerkannt hohe Wert der militärischen   über das Management der Natura 2000-Gebiete
Übungsplätze für den Biotop- und Artenschutz      auf militärischen Übungsplätzen getroffen,
ist als Folge des teilweise jahrzehntelangen      die insbesondere die Zusammenarbeit bei der
Übungsbetriebes und des damit verbundenen         Erstellung und Umsetzung von Management-
Landschaftsmanagements entstanden. Auf den        plänen regeln.
Übungsplätzen gab es keine wirtschaftliche Nut-
zung und keine Flurbereinigung, bei der Hecken,   Im folgenden Kapitel werden die Instrumente
Feldraine und andere wertvolle Landschafts-       der Bundeswehr sowie der Gaststreitkräfte für
elemente verschwanden. Ebenso gab und gibt        eine nachhaltige Nutzung der militärischen
es keine großflächigen Bodenversiegelungen        Übungsplätze sowie das Management der „mili-
und es wurden und werden dort keine Biozide       tärischen“ Natura 2000-Gebiete dargestellt.
eingesetzt. Während in der Landwirtschaft
seit der Erfindung der Luftstickstofffixierung
nahezu flächendeckend mit hohen Düngermen-
gen gearbeitet wird, sind auf den militärischen
Übungsplätzen durch ihre oft lange Bestands­
tradition oligotrophe Landschaften ohne Mine-
raldüngung mit hoher Bio­diversität und zahl-
reichen konkurrenzschwachen Arten erhalten
geblieben. Lediglich bei der Renaturierung
devastierter Flächen wird kleinflächig schwach
gedüngt. Die Übungsplätze sind zudem groß-
23

             Das Regelwerk der Bundeswehr zur Umsetzung der Ziele zur
             nachhaltigen Nutzung von Übungs­plätzen

                         Ein Beitrag von Wilfried         für die Planung, Entwicklung und Pflege der
                         Grooten, Amt für Geo­            Plätze sowie den umweltverträglichen Betrieb
                         informationswesen der            darauf. Die militärische Nutzung hat sich an
                                                          dieser Richtlinie zu orientieren.
                         Bundeswehr, Dezernat
                         Ökologie                         • Der „Leitfaden zur Durchführung der FFH-
                                                          Verträglichkeitsprüfung bei Infrastrukturvor-
                                                          haben und landschaftsbezogenen Vorhaben der
                                                          Bundeswehr“ und der „Leitfaden zur Umwelt-
                                                          verträglichkeitsuntersuchung (UVU) bei Infra-
                                                          strukturvorhaben der Bundeswehr“ erfordern
Seit Anfang der 1990er Jahre werden auf Bun-              unter anderem eine Standortanalyse, die den
deswehrübungsplätzen flächendeckende Bio-                 Ansprüchen von Boden-, Wasser-, Biotop- und
topkartierungen in Anlehnung an die jewei-                Artenschutz gerecht wird.
ligen Länderkartierungsstandards durchgeführt.
                                                          • Die Berücksichtigung der Belange des
Erfassungen und Bewertungen nach den Vorga-
                                                          Umweltschutzes im Rahmen der militärischen
ben der FFH-Richtlinie (Kartierung von Lebens-
                                                          Nutzung erfolgt durch den „Benutzungs- und
raumtypen und Arten) gehören seit 2003 zusätz-
                                                          Bodenbedeckungsplan” (BB-Plan), der mit
lich zum Standardverfahren der Bundeswehr.
                                                          dem zivilen Flächennutzungsplan vergleichbar
                                                          ist. Für Fragen des Natur- und Landschafts-
Zur Umsetzung der Ziele des Umwelt- und
                                                          schutzes ist dabei seit 1994 die „Raumana-
Naturschutzes auf militärischen Übungsplätzen
                                                          lyse zur Naturausstattung und Geologie“ eine
ist ein umfangreiches Regelwerk entstanden:
                                                          wesentliche Grundlage, die auch als Basis für
• Die „Richtlinie zur nachhaltigen Nutzung von            Umweltverträglichkeitsuntersuchungen       und
Übungsplätzen der Bundeswehr” ist Grundlage               FFH-Verträglich­keits­prüfungen genutzt wird.
                                                                          • Aus der Raumanalyse und
                                                                          dem BB-Plan werden für alle
                                                                          Übungsplätze Pflege- und Ent­
                                                                          wicklungs­pläne sowie forstliche
                                                                          Fachplanungen entwickelt, die
                                                                          militärische Erfordernisse, öko-
                                                                          logische Aspekte und ökono-
                                                                          mische Gesichtspunkte berück-
                                                                          sichtigen. Dies beinhaltet auch
                                                                          die Erstellung von Management-
                                                                          plänen in Gebieten, die gemäß
                                                                          FFH- und Vogelschutzrichtlinie
                                                                          gemeldet sind.

Das Regelwerk zur nachhaltigen Nutzung von Übungsplätzen der Bundeswehr
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Die Raumanalyse zur Naturausstattung und             zeitliche und witterungsbedingte Einschrän-
Geologie                                             kungen, Nutzungsintensitäten).

Im Grundlagenteil (Schritt 1) der Raum­analyse       Der Benutzungs- und Bodenbedeckungsplan
zur Naturausstattung und Geo­logie (siehe
Ablaufschema S. 25) werden die Ergeb­nisse der
                                                     (BB-Plan)
Biotop­kar­tierungen, der forstlichen Bestands­      Der Benutzungs- und Bodenbedeckungsplan
erhebungen und der geologisch-hydro­lo­gischen       (BB-Plan) ist ein Geo-Informations-System
Erfassungen in Text und Karte dargestellt.           (GIS)-gestütztes Planungs- und Management­
                                                     instrument und dient als militärischer Flächen­
Im zweiten Schritt erfolgt eine Bewertung der        nutzungsplan zur Gewährleistung einer
Grund­lagen­informationen mit dem Ergebnis           gesetzeskonformen, nachhaltigen und bestim-
einer Gesamt­arbeitskarte, in der alle „sensib-      mungsgemäßen Nutzung von Übungsplätzen.
len Bereiche“ (hinsichtlich Boden-, Wasser-,         Der BB-Plan besteht aus drei Teilen:
Biotop- und Artenschutz) dargestellt sind, aber
auch Flächen, in denen die naturwissenschaft-        • Teil A – Fachwissenschaftliche Grundlagen
lich und gesetzlich bedingten Raumwiderstände        und Bewertung,
als deutlich geringer ein­zu­stu­fen sind.           • Teil B – Nutzung und Bodenbedeckung,
Im dritten Schritt erfolgt eine zielorientierte      • Teil C – FFH-/Vogelschutz-Management
Auswer­tung. Zielgerichtet auf die militärische      (Modul N 2000).
Nutzung wer­den hier die „sensiblen Bereiche“
auf ihre Empfind­lichkeit gegen­über der gegen­      Im Teil A sind Ausgangslage und Rahmenbe-
wärtigen oder geplanten militärischen Nutzung        dingungen, Fachbeiträge der einzelnen Wis-
überprüft:                                           senschaftsdisziplinen sowie weitere Einfluss-
                                                     faktoren zu erfassen und hinsichtlich ihrer
• Schadet die gegenwärtige militärische Nut-
                                                     Auswirkungen auf die bestimmungsgemäße
zung der Naturausstattung und dem -poten­
                                                     Nutzung zielgerichtet auszuwerten und zusam-
zial (z.B. durch Biotop­vernichtung, Boden­
                                                     mengefasst darzustellen. Schutzforderungen,
ver­dichtung oder Erosion, Gefährdung der
                                                     die sich aus Gründen des Immissions-, Boden-,
Schutz­funktion des Waldes)?
                                                     Natur- und Gewässerschutzes sowie der Land-
• Ist die gegenwärtige militärische Nutzung für      schaftspflege ableiten, sind zu dokumentieren.
den Erhalt des Naturpotenzials
ohne Bedeutung?
• Ist die gegenwärtige mili-
tärische Nutzung dem Natur-
potenzial   förderlich  oder
sogar Grundbedingung für die
derzeitige Ausprägung von
Lebensräumen (Kulturbiotope,
z.B. Heiden, vegetationsarme
Flächen)?

In Verbindung mit den Nut-
zungsvorgaben für den jewei-
ligen Übungsplatz entsteht da-
raus eine Karte „Mögliche Nut-
zungseinschränkungen“ (z.B.
Betretungsverbot, Befahrungs-
verbot, Schanzverbot, jahres­ Naturnahe Ufervegetation auf dem Truppenübungsplatz Jägerbrück
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