Naturschutz bericht 2019-;S:ta:d:t :3 :k.JL _ - Stadt Wien
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© Michael Shorny Buchen im Wienerwald Wiens hohe Lebensqualität hängt sehr wesentlich mit den viele Grün- flächen der Stadt zusammen. Gerade in Zeiten des Klimawandels leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Kühlung und zur Reduktion der Treibhausgase. Das Grün in unserer Stadt ist überall zu finden: Der Grüngürtel Wiens mit seinen Wäldern und Wiesen spielt dabei genauso eine Rolle wie der Beserlpark ums Eck oder die Grünfassade im dicht bebauten Gebiet. Gut die Hälfte Wiens besteht überhaupt aus Grünflächen, sie bieten vielen Menschen Naherholung und sind auch der Lebensraum für zahl- reiche Tier- und Pflanzenarten – Singvögel, Wildbienen, Igel und Fuchs fühlen sich in unserer Stadt gleichermaßen wohl. Damit das auch in Zukunft so bleibt, steht rund ein Drittel der Wiener Grünflächen unter Schutz. Täglich arbeiten viele Menschen in Wien daran, die wertvolle Naturvielfalt zu pflegen und zu erhalten. Das erfordert strategische und planerische Überlegungen, aber vor allem ganz viel Engagement. Danke für diesen wichtigen und vor allem nachhaltigen Einsatz! Jürgen Czernohorszky Wiener Stadtrat für Klima, Umwelt, Demokratie und Personal © Pertramer Wir Wienerinnen und Wiener teilen uns die Stadt mit zahlreichen tierischen Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern, die teils sogar in Untermiete bei uns einziehen, z. B. Fledermäuse und gebäudebrütende Vögel, wie der Mauersegler. Dämmerungsaktive Arten, wie Amphibien oder Igel, bleiben teils unbemerkt. Dass alle hier in Wien gute Lebens- bedingungen vorfinden, liegt einerseits an den im Bericht zusammen- gefassten Artenschutzaktivitäten, wie z. B. dem gemeinsam mit Brati- slava durchgeführten EU-Projekt CITY NATURE. Andererseits leisten viele naturverbundene Menschen in der Stadt größere oder kleinere Beiträge dazu, die vom biozidfreien Garteln bis zum Blumenkisterl mit bienenfreundlichen Kräutern reichen. Ein wichtiger Schwerpunkt der Stadt Wien liegt derzeit beim Schutz von Baumbeständen, die leider vermehrt aus Angst vor Haftungsfragen übermäßigen Schutzschnitten zum Opfer fallen. Eine neue Baumkonvention soll auch hier den Schutz zukünftig noch besser begünstigen. Karin Büchl-Krammerstätter Leiterin Stadt Wien – Umweltschutz © Roman David-Freihsl / Stadt Wien – Umweltschutz Wiener Naturschutzbericht 2019 – Vorworte 2
Inhaltsverzeichnis Einleitung............................................................................................................3 Naturschutz mit Recht .....................................................................................7 Artenschutz ...................................................................................................... 16 Objekt- und Gebietsschutz .......................................................................... 28 Naturschutzprogramme.................................................................................33 Internationaler Naturschutz .........................................................................35 Kommunikations und Öffentlichkeitsarbeit .............................................. 40 Naturschutzrelevante Aktivitäten anderer Fachdienststellen .................43 Impressum ........................................................................................................57
Einleitung Die Stadt Wien – Umweltschutz ist fachlich für alle Naturschutzan- gelegenheiten in Wien zuständig. Im Zentrum der fachlichen Na- turschutzarbeit steht neben traditionellen Aufgaben, wie z. B. der Unterschutzstellung von Gebieten und Objekten oder der Beurteilung von Eingriffen, immer stärker der Einsatz moderner Instrumente des fächendeckenden, vorsorgenden Naturschutzes. Dazu gehören u.a. die Entwicklung von Managementplänen, die Umsetzung eines breit angelegten Arten- und Lebensraumschutzprogramms, der Vertrags- naturschutz, die Einbindung der Öffentlichkeit (citizen science) und eine zeitgemäße Öffentlichkeitsarbeit. © Stadt Wien – Umweltschutz Wir tragen mit folgenden Hauptaufgaben zur Umsetzung der Ziele der Das Naturschutzteam 2019 des Bereichs Umweltrecht Stadt Wien – Umweltschutz bei: UMWELT SCHÜTZEN Unser vorrangiges Ziel ist, durch einen vorsorgenden, ganzheitlichen und partnerschaftlichen Zugang Umweltbelastungen zu vermeiden und Umwelt(schutz)belange in alle relevanten Politikfelder (z. B. Ener- gie, Raumordnung, Verkehr) zu integrieren. Wir knüpfen Netzwerke um Erfahrungen auszutauschen, Synergien zu nutzen und Kräfte zu bündeln. UMWELTBEWUSSTSEIN FÖRDERN Wir bringen den Umweltschutz in die Köpfe und Herzen der Menschen. Damit wollen wir erreichen, dass Bürgerinnen und Bürger sowie Vertre- terinnen und Vertreter der Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Medien Dieser Bericht präsentiert gemäß § 34 Abs. 2 des den Wert der Umwelt erkennen, die Umwelt zu ihrem inneren Anliegen Wiener Naturschutzgesetzes 1998 die Aktivitäten machen und ihr Handeln danach ausrichten. der Naturschutzbehörde im Jahr 2019 auf dem Gebiet des Naturschutzes in Wien, insbesondere UMWELTKOMPETENZ LEBEN Unterschutzstellungen von Objekten, Flächen Wir vertreten zu den Umweltthemen unseres Zuständigkeitsbereichs oder Gebieten, Aufhebungen solcher Unter- eine kompetente, schlüssige Fachmeinung – durch eigene Fachkompe- schutzstellungen sowie Studien, Planungen und tenz oder durch Kooperation mit anderen Expertinnen und Experten. Forschungsprojekte auf dem Gebiet der Ökologie. Diese hohe Umweltkompetenz zeigt sich in all unserem Handeln. Dazu gehören insbesondere unsere behördliche Tätigkeit, unsere Sachver- ständigengutachten, Stellungnahmen, Projekte, Vorträge und Emp- fehlungen. Wir erkennen neue Herausforderungen, machen sie zum Thema und entwickeln dazu Strategien. Wiener Naturschutzbericht 2019 – Einleitung 4
Sachverständigentätigkeit und strategischer Naturschutz Wir verstehen Naturschutz als Dienstleistung für Natur und Mensch und als Beitrag zur Lebensqualität in der Stadt. Eine der großen He- rausforderungen ist dabei die Kommunikation mit der immer größer werdenden Zahl an KooperationspartnerInnen, die für Naturschutz anliegen gewonnen werden konnten oder noch zu gewinnen sind. Dazu zählen Universitäten, Museen, Vereine, Bildungseinrichtungen, Interessenvertretungen, Entwicklungs- und Baugesellschaften, Bürger- Innenvertretungen, NGOs u.v.m. y Forschungsprojekte: Durchführung und Betreuung von Erhebun- gen und Studien als Grundlage für die Sachverständigentätigkeit und die Planung y Mitarbeit am Konzept für eine ökosoziale Stadtpolitik y Öffentlichkeitsarbeit: Erstellung von Fachpublikationen, Foldern und Broschüren sowie Organisation von Veranstaltungen (Tag der Artenvielfalt) In der Stadt Wien – Umweltschutz arbeiten unsere MitarbeiterInnen im Naturschutz und im Bereich Recht als Sachverständige, damit die 14.132 ha Schutzgebiete, 426 Naturdenkmäler und 800 geschützten Arten in Wien erhalten bleiben bzw. weiterentwickelt werden. Rechtliche Aufgaben des Naturschutzes Die Hauptaufgaben des Bereichs Umweltrecht betreffend Naturschutz sind: y Legistik: Im Sinne der strategischen Zielsetzung der Stadt Wien – Umweltschutz in einem vorsorgenden, integrativen und partner- schaftlichen Sinn zu betreiben, haben wir Gesetzes- und Verord- nungsentwürfe im Bereich des Naturschutzes, des Nationalparks Donau-Auen, des Baumschutzes, der Luftreinhaltung, des Boden- schutzes und der Abfallwirtschaft vorzubereiten. y Zur Integration von Umweltschutzbelangen in andere Rechtsbereiche arbeiten wir an der Entstehung von Bundesgesetzen und EU-Recht mit. In diesem und anderen Bereichen sind wir bestrebt, die Interes- sen des Umweltschutzes in Arbeitsgruppen aktiv einzubringen. y Durchführung von Verwaltungsverfahren und Kontrollen: Wir haben Anlagen im Rahmen eines Umweltverträglichkeitsprü- fungsverfahrens oder aufgrund der Bestimmungen des Abfall- wirtschaftsgesetzes, des Wiener Naturschutzgesetzes oder des Wiener Nationalparkgesetzes auf ihre Auswirkungen auf die Um- welt zu prüfen, über Bewilligungen zu entscheiden und Kontrollen durchzuführen. Bei dieser Tätigkeit stehen Transparenz, Effzienz und wirkungsbezogenes Denken an erster Stelle. y Beratung und Bewusstseinsbildung: Im Sinne der Stärkung des Umweltbewusstseins stehen wir der Bevölkerung und anderen Wiener Naturschutzbericht 2019 – Einleitung 5
Dienststellen zur Beantwortung umweltrechtlicher Fragen zur Verfügung. Wir bemühen uns auch, unsere Erfahrungen und unser Wissen im umweltrechtlichen Bereich an Interessierte im Rahmen von Vorträgen und Schulungen weiterzugeben. © Stadt Wien – Umweltschutz Der Bereich Naturschutz, Geodaten und Mobilität WEITERE BEREICHE DER STADT WIEN – UMWELTSCHUTZ MIT NATURSCHUTZAUFGABEN Die Agenden des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) nimmt der Bereich Nachhaltige Entwicklung wahr. Der Bereich Räum- liche Entwicklung bringt die Anliegen und Ziele des Umweltschutzes in die Planungen der Stadt ein. Die Expertinnen und Experten des Bereichs befassen sich mit folgenden Themenfeldern und Aufgaben, die Bezug zum Naturschutz haben: Bewertung von Stadterweiterungs- projekten, Regenwassermanagement, Dach- und Fassadenbegrünun- gen sowie die Böden Wiens. Gänzlich zum Naturschutz trägt das Modul „Arten- und Lebensraumschutz an Gebäuden“ bei, das von Mitarbeiter- Innen dieses Bereichs umgesetzt wird. Die Ausgaben der Stadt Wien – Umweltschutz im Jahr 2019 für Forschungs- und Projektvorhaben, Maßnahmen für den Naturschutz und Projekte im Rahmen des Förderprogramms ländliche Entwicklung betrugen ca. 688.736 Euro und teilten sich wie folgt auf: EU-Projekte 432.000 Euro, Arten- und Biotopschutz 79.133 Euro sowie Artenkartie- rung und -monitoring 177.603 Euro. Zur vertiefenden Information: Wofür wir stehen, wer wir sind: Vision und Ziele der Stadt Wien – Umwelt- schutz www.wien.gv.at/umweltschutz/pdf/vision.pdf Wiener Naturschutzbericht 2019 – Einleitung 6
© Gerald Kager/Stadt Wien – Umweltschutz Stieleiche Naturschutz mit Recht Im Jahr 2019 wurden mehrere naturschutzbehördliche Verfahren (u. a. zur S 1 Lobautunnel) durchgeführt, einige Großbauvorhaben im Hin- blick auf die Auswirkungen auf streng geschützte und geschützte Tier- und Pflanzenarten geprüft sowie neue Naturdenkmäler ausgewiesen. Novelle Wiener Nationalparkgesetz: Im Jahr 2019 wurde eine Novelle des Wiener Nationalparkgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 37/1996, zuletzt geändert durch LGBl. für Wien Nr. 71/2018, vorbereitet. Die bisherige Praxis hat gezeigt, dass eine hoheitliche Erlassung eines Managementplanes für den Nationalpark Donau-Auen in Form einer Verordnung nicht mehr erforderlich ist. Die Bestimmungen des Wiener Nationalparkgesetzes wurden daher entsprechend angepasst. Der Managementplan wird in Zukunft – im Gegensatz zum jagdlichen und fischereilichen Managementplan – nicht in Form einer Verordnung erlassen werden. In der Novelle wurden die Rahmenbedingungen für die Erstellung des Managementplanes festgelegt. Danach hat die Nationalpark Donau- Auen GmbH zur Erreichung der Ziele des § 1 Abs. 1 und des Abs. 4 des Wiener Nationalparkgesetzes für die Naturzonen und für die Natur- zonen mit Managementmaßnahmen dem Magistrat einen Vorschlag vorzulegen. Der Managementplan hat jene Maßnahmen zu enthalten, die zur Erfüllung dieser Zielsetzungen erforderlich sind. Jedenfalls hat er Maßnahmen einer naturräumlichen Entwicklung, zur Lenkung von Besucherinnen und Besuchern, zur Bildung, zur Forschung und zum Monitoring der Entwicklung der Schutzgüter zu enthalten. Eine Aktuali- sierung des Managementplanes ist längstens alle 10 Jahre vorzuneh- men. Der Managementplan ist auf der Internetseite des Magistrates der Stadt Wien zu veröffentlichen. In der Novelle wurde auch der Geltungszeitraum für die jagdlichen und fischereilichen Managementpläne für den Nationalpark Donau-Auen flexibilisiert, um eine Synchronisierung mit den Managementplänen für den niederösterreichischen Teil des Nationalparks zu erreichen. Die Novelle des Wiener Nationalparkgesetzes ist am 29. Juni 2019 in Kraft getreten. Wiener Naturschutzbericht 2019 – Naturschutz mit Recht 7
Strenge Prüfung von Vorhaben im Rah- men von naturschutzbehördlichen Ver- fahren 2019 wurden u. a. naturschutzbehördliche Verfahren zur S 1 durchge- führt: NATURSCHUTZBEHÖRDLICHES VERFAHREN ZUR S1 LOBAU TUNNEL, 1. VERWIRKLICHUNGSABSCHNITT (GROß ENZERSDORF – SÜßENBRUNN) Im Zuge der Errichtung des 1. Verwirklichungsabschnittes der S 1, Ab- schnitt Schwechat – Süßenbrunn, von der Anschlussstelle Groß Enzers- dorf bis zum Knoten Süßenbrunn, wurde von der Antragstellerin y eine temporäre Zwischenlagerung von Humusmieten auf einer Fläche von insgesamt rund 8.000 m² im Landschaftsschutzgebiet Donaustadt und y die Errichtung und der Betrieb eines Begleitweges von rund ca. 450 m Länge im Landschaftsschutzgebiet Donaustadt geplant. Der Straßenverlauf des 1. Verwirklichungsabschnittes der S 1 selbst liegt nicht in einem Schutzgebiet nach dem Wiener Naturschutzgesetz. Die genannten Begleitmaßnahmen zur S 1, 1. Verwirklichungsabschnitt, wurden im Rahmen eines naturschutzbehördlichen Verfahrens im Hinblick auf die Auswirkungen auf das Landschaftsschutzgebiet und streng geschützte Tiere und Pflanzen geprüft. Entsprechend den Bestimmungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000) waren dabei die Ergebnisse des vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie durchgeführten Umweltver- träglichkeitsprüfungsverfahren zu berücksichtigen. Im naturschutzbehördlichen Verfahren wurde ein naturschutzfach- liches Gutachten im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Schutzgüter des Wiener Naturschutzgesetzes erstellt. Um eine breite Beteiligung zu ermöglichen, wurden der Projektantrag, die Projektunterlagen und das naturschutzfachliche Gutachten zur öffentlichen Einsicht für jedermann aufgelegt. Die Unterlagen lagen von 21. Jänner bis einschließlich 4. März 2019 beim Magistrat der Stadt Wien zur öffentlichen Einsicht- nahme auf. Im Zuge des naturschutzbehördlichen Verfahrens wurden zahlreiche Einwendungen – vor allem von Bürgerinitiativen und NGOs – erhoben. Im Genehmigungsbescheid wurde sowohl auf diese Einwen- dungen, als auch auf jene naturschutzrelevanten Vorbringen, die im Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren einlangt waren, eingegan- gen. Im naturschutzbehördlichen Bescheid vom 30. Juni 2019 wurden zahlreiche Auflagen zum Schutz gefährdeter Tierarten vorgeschrieben. Der Bescheid wurde ebenfalls zur öffentlichen Einsicht aufgelegt. Ge- gen den naturschutzbehördlichen Bescheid wurden insgesamt sieben Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Wiener Naturschutzbericht 2019 – Naturschutz mit Recht 8
NATURSCHUTZBEHÖRDLICHES VERFAHREN ZUR S1 ANSCHLUSS STELLE HIRSCHSTETTEN (VERBINDUNGSSTÜCK ZWISCHEN „STADTSTRAßE ASPERN“ UND A 23) Im Zuge des naturschutzbehördlichen Verfahrens wurden zahlreiche Schutzmaßnahmen für Feldhamster, Zauneidechsen, Weißbrustigel und diverse Schneckenarten vorgesehen. Weiters wurde ein umfang- reiches Monitoring zur Überwachung der Auswirkungen des Straßen- bauvorhabens auf die Schutzgüter des Wiener Naturschutzgesetzes vorgeschrieben. NATURSCHUTZBEHÖRDLICHE VERFAHREN ZU WEITEREN GROßBAUVORHABEN Die nachfolgend aufgelisteten Vorhaben liegen nicht in einem Schutz- gebiet nach dem Wiener Naturschutzgesetz, wurden aber im Hinblick auf die Auswirkungen auf streng geschützte und geschützte Tier- und Pflanzenarten geprüft. Wenn Beeinträchtigungen dieser Arten zu befürchten sind, sind nach den Bestimmungen des Wiener Natur- schutzgesetzes im naturschutzbehördlichen Verfahren auch zumutbare Alternativen für das Vorhaben zu prüfen. Bei jenen Vorhaben, bei denen durch die Bauarbeiten oder den Be- trieb des Vorhabens Beeinträchtigungen von Tier- oder Pflanzenarten – trotz Alternativenprüfung – nicht ausgeschlossen werden können, wurden von der Naturschutzbehörde jeweils zahlreiche Schutzmaß- nahmen, wie beispielsweise die Schaffung von Ersatzlebensräumen, die Begrünung von Dächern oder die Anbringung von Ersatznistkästen für Vögel oder Fledermäuse, vorgeschrieben. Zur Überwachung der Ausführung der Vorhaben werden im Rahmen des naturschutzbehörd- lichen Verfahrens in der Regel auch die Bestellung einer ökologischen Aufsicht und ein Monitoring zur Beobachtung der weiteren Entwick- lung der Tier- oder Pflanzenarten über mehrere Jahre vorgeschrieben. Neben zahlreichen anderen Verfahren wurden folgende Großbauvor- haben naturschutzbehördlich geprüft: y Bildungscampus Deutschordenstraße, in 1140 Wien, mit Kinder- garten, Ganztagesschule, Volksschule, Neuer Mittelschule und Musikschule. y Wohnbauprojekt Deutschordenstraße/Käthe-Dorsch-Gasse, in 1140 Wien, mit ca. 450 Wohnungen und Tiefgarage. y Wohnbauprojekt Theodor-Körner-Kaserne/Spallartgasse, mit 980 Wohnungen, Büros, Nahversorger, Geschäften und Kinder- garten, in 1140 Wien. Im naturschutzbehördlichen Verfahren wurde u.a. vorgeschrieben, dass mindestens 40 % der als „E Natur- und Erholungsraum“ ge- widmeten Flächen naturnah ausgestaltet werden müssen, sowie sowie dass diese Bereiche nur geringfügig überformt oder über- schüttet werden und nur ein- bis zweimal pro Jahr gemäht werden dürfen. Es wurde auch vorgeschrieben, dass begrünte Dächer und Ersatznistkästen und -quartiere für Fledermäuse und Vögel von den BauträgerInnen angebracht werden müssen. Wiener Naturschutzbericht 2019 – Naturschutz mit Recht 9
y Wohnbauprojekt Pötzleinsdorfer Höhe 2a, in 1180 Wien, mit 70 geförderten Mietwohnungen und 50 Garagenstellplätzen. y Errichtung eines Gebäudes für die Stellungskommission beim Heeresspital, in 1210 Wien. Im naturschutzbehördlichen Verfahren wurde die Schaffung eines zusätzlichen Lebensraumes für Ziesel auf dem Gelände des Heeresspitals im Ausmaß von 800 m2 vorgeschrieben. y Wohnhausanlage am Eisring Süd, mit 276 Wohnungen, einem „Anger“ und Mietergärten, Sanierung der bestehenden Eishalle sowie Errichtung einer Trendsporthalle und einer neuen Außeneis- fläche, in 1100 Wien. Zum Schutz der streng geschützten Hamster wurde im natur- schutzbehördlichen Verfahren u.a. die Schaffung und Pflege einer Ausgleichsfläche vorgeschrieben, die um ein Vielfaches größer ist als die Fläche, die für Hamster verloren geht. y Wohnbauprojekt Gundackergasse, in 1220 Wien, Errichtung von Wohnhausanlagen auf vier Bauplätzen. Im naturschutzbehördlichen Verfahren wurden die Auswirkun- gen auf Rebhuhn, Feldlerche, Heuschrecken, Schmetterlinge, Feldhamster, Wespenspinne und Wiener Schnirkelschnecke geprüft und die Schaffung von Ausgleichsflächen vorgesehen. Die Ausgleichsflächen müssen mindestens 25 Jahre gepflegt werden. y Bildungscampus Aron Menczer, Aspanggründe, mit Schulgebäu- den, Sportstätten und Grünanlagen, in 1030 Wien, wo ebenfalls Ersatzlebensräume für Zauneidechsen und Schnecken angelegt werden müssen. y Wohnbauprojekt Am Langen Feld, ehemalige Hrachowina-Grün- de, in 1220 Wien, bei dem die Anlage und Pflege eines Ersatz- lebensraums für Zauneidechsen, Heuschrecken und die Wiener Schnirkelschnecke in einer Größe von 2000 m2 vorgeschrieben wurde. y Wohnbauprojekt in der Gatterburggasse 10–12, in 1190 Wien, wo zum Schutz der streng geschützten Fledermausarten Alpenfleder- maus und Weißrandfledermaus temporäre Quartiere während des Abrisses des Gebäudes und 22 dauerhafte Quartiere am neuen Objekt angebracht werden müssen. y Wohnbauprojekt am Nordbahnhof, „Freie Mitte“, in 1020 Wien, wo zum Schutz gefährdeter Tierarten u.a. folgende Auflagen im naturschutzbehördlichen Bescheid vorgeschrieben wurden: y Zum Schutz der streng geschützten Wechselkröte müssen von der geplanten „Freien Mitte“ ca. 6,4 ha so ausgestaltet werden, dass sie als Lebensraum für die Wechselkröte geeignet sind, d.h. als überwiegend sekundärer Trockenrasen. y Weiters müssen Becken als Laich-Habitate für die Wechselkröte im Ausmaß von 100 m2 hergestellt werden. y Sollte der Wechselkröten-Bestand trotz dieser Ausgleichsmaß- nahmen – wider Erwarten – 15 Jahre nach der Fertigstellung des letzten Baufeldes keine überlebensfähige Größe aufweisen, ist Wiener Naturschutzbericht 2019 – Naturschutz mit Recht 10
von der Antragstellerin eine weitere Ausgleichsfläche im Aus- maß von 8 ha an der Peripherie von Wien zu errichten. y Für die Schmetterlingsarten Großer Feuerfalter, Segelfalter und Wiener Nachtpfauenauge müssen von der Antragstellerin aus- reichend Futterpflanzen gepflanzt werden. y Baumgruppen für den streng geschützten Körnerbock-Käfer müssen erhalten bleiben. y Für Fledermäuse sind Altbäume zu erhalten und Ersatzquartiere zu montieren. y Für Zauneidechsen sind Ersatzhabitate zu errichten und zu pflegen. 2019 hat die Stadt Wien – Umweltschutz nach dem Wiener Natur- schutzgesetz 59 Anzeigen an die Magistratischen Bezirksämter als zuständige Verwaltungsstrafbehörde erstattet. ERKLÄRUNG VON FLÄCHEN ODER EINZELBÄUMEN ZU NATUR DENKMÄLERN 2019 wurden folgende Naturdenkmäler ausgewiesen: y Naturdenkmal 843: Kahlenberggrat, 1190 Wien Der Kahlenberggrat ist eine ca. 30–50 Meter lange und nur bis zu 1 Meter hohe Felsrippe in in einer steilen, bewaldeten Kahlenberg- flanke zum Waldbachsteig. Er besteht aus Kalksandstein der Kah- lenberger Schichten. Das Alter des Gesteins wird mit Ober-Kreide (rd. 80 Millionen Jahre) angegeben. Der Kahlenberggrat ist einer der wenigen natürlichen Felsbildungen im Sandstein-Wienerwald © Gerald Kager/Stadt Wien – Umweltschutz und ist auch ein alpinistisches Kuriosum in Wien. Kahlenberggrat Auf Grund seiner naturwissenschaftlichen und kulturellen Bedeu- tung wurde der Kahlenberggrat gemäß § 28 Abs. 1 Wiener Natur- schutzgesetz zum Naturdenkmal erklärt. Die genaue Abgrenzung des Naturdenkmals ist elektronisch in „Wien Umweltgut“ ersicht- lich. y Naturdenkmal 844: Blutbuche in der Heuberggasse 10, 1170 Wien Die Blutbuche befindet sich auf dem Gelände des Terramare- Schlössl, einer klassizistischen Villa, die Wohnsitz des 1948 ver- storbenen Dramatikers und Regisseurs Georg Eisler von Terramare war. Derzeit befindet sich die Liegenschaft im Besitz des Staates Bosnien und Herzegowina. Der Baum hat einen Stammumfang von 4 m (gemessen in 1 m Höhe ab Boden), einen Kronendurchmesser von ca. 30 m und eine Höhe von ca. 25 m. Das Alter wird auf über 200 Jahre geschätzt. Die Blutbuche verleiht durch ihre mächtige, ortsbildprägende Freistandskrone und ihre gute Vitalität der Landschaftsgestalt ein besonderes Gepräge und wurde deshalb gemäß § 28 Abs. 1 Wie- ner Naturschutzgesetz zum Naturdenkmal erklärt. © Gerald Kager/Stadt Wien – Umweltschutz Blutbuche Wiener Naturschutzbericht 2019 – Naturschutz mit Recht 11
y Naturdenkmal 845: zwei kaukasische Flügelnussbäume, Wald- müllerpark, 1100 Wien Die Flügelnussbäume befinden sich im Waldmüllerpark und haben einen Stammumfang von 3,44 m und 3,83 m und eine Höhe von je- weils 30 m. Sie zeichnen sich durch ihre prächtige Freistandskrone und ihre massiven Stämme aus. Sie verleihen dadurch der Land- schaftsgestalt ein besonderes Gepräge und erfüllen auf Grund ihrer ausladenden Wuchsform auch das Kriterium der Seltenheit im Sinne des § 28 Abs. 1 Wiener Naturschutzgesetz. y Naturdenkmal 846: Stieleiche auf der Sulzwiese, 1020 Wien Bei der Stieleiche „quercus robur“ handelt es sich um eine Baum- art, die naturschutzfachlich in besonderem Maße wertvoll ist. Ihr Biodiversitätspotential ist sehr hoch, da alle heimischen Eichen- arten vielen Tieren idealen Lebensraum bieten. Alte Eichen weisen, selbst wenn sie gesund sind, einen gewissen Anteil an totem und morschem Holz auf. Stehendes Alt- und Totholz spielt im Lebens- zyklus zahlreicher Arten, wie z. B. für Bockkäfer und Wildbienen, © Gerald Kager/Stadt Wien – Umweltschutz Vögel und Fledermäuse, eine bedeutende Rolle. Kaukasische Flügelnuss Die Stieleiche hat durch ihre Größe und Gestalt eine landschafts- prägende Wirkung und hat eine besondere Funktion für den Landschaftshaushalt. Da sie die Kriterien des § 28 Abs. 1 Wiener Naturschutzgesetz erfüllt, wurde sie zum Naturdenkmal erklärt. y Naturdenkmal 847: Stieleiche im Theodor-Körner-Park, 1120 Wien Die Stieleiche stockt im Zentrum des „Wasserwaldes“ und weist einen sehr schönen Wuchs samt einer weit ausladenden Krone auf. Der Baum hat einen Stammumfang von 4,20 m (gemessen in 1 m Höhe ab Boden), einen Kronendurchmesser von ca. 25 m und eine © Gerald Kager/Stadt Wien – Umweltschutz Höhe von ungefähr 30 m. Der Kronenansatz beginnt bei 3,50 m. Stieleiche Der Baum beeindruckt durch seine Größe, Wuchsform und Vitali- tät. Das Alter wird auf ca. 200 Jahre geschätzt. Die Stieleiche hat ein hohes Biodiversitätspotential und bietet vielen Tierarten einen idealen Lebensraum. Sie wurde daher zum Naturdenkmal erklärt. Baumhaftung – Mehr Rechtssicherheit für Baum-Verantwortliche Massive „Sicherheitsschnitte“ und Rodungen in öffentlich zugänglichen Waldbeständen werden zu einem immer größeren Problem. Sie werden oft nur durchgeführt, um die Waldbesitzerinnen und -besitzer rechtlich abzusichern. Aus schmalen Waldwegen oder Forststraßen entstehen so durch massive Baumfällungen breite Schneisen und naturschutzfach- lich wertvoller Baumbestand geht verloren. Eine der Hauptursachen dafür ist die unklare Rechtsprechung zur Haftung der Baum- und Wege-Erhalterinnen und -Erhalter, wenn es um herabfallende Äste und umstürzende Bäume geht. In einigen Fällen werden sehr strenge Haftungsmaßstäbe angelegt. Diese haben nicht nur schadenersatzrechtliche Folgen, sondern sind auch mit strafrecht- lichen Konsequenzen verbunden. Wiener Naturschutzbericht 2019 – Naturschutz mit Recht 12
In einer im Auftrag der Stadt Wien – Umweltschutz (gemeinsam mit den Dienststellen, in deren Verantwortung die Wald- und Baumpfle- ge liegt, sowie der Wiener Umweltanwaltschaft) von Frau Univ. Prof. Dr. Erika Wagner (Johannes Kepler Universität Linz) erstellten Studie wurde zur Lösung dieses Problems die Notwendigkeit zur legistischen Änderung des Forstgesetzes 1975 und des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) aufgezeigt. Zudem kommt eine Studie des Umweltbundesamtes (UBA) zu dem Ergebnis, dass theoretisch fast ein Viertel aller Waldflächen Österreichs von „Angstschnitten“ bedroht ist. Insgesamt sind es 959.029 ha – das sind 24,1 Prozent aller bundesweiten Waldflächen. Das UBA hatte für diese Studie im Auftrag der Stadt Wien – Umweltschutz sämtliche Verkehrswege Österreichs – von Autobahnen und Schnellstraßen über Landstraßen bis hin zu Forststraßen und Wanderwegen – analysiert. Unter diesen Rahmenbedingungen wurde 2017 die „Plattform Zukunft mit Bäumen – Bäume mit Zukunft“ gegründet. Ziel der Plattform ist es, mehr Rechtssicherheit und Klarheit für Baum- besitzerinnen und -besitzer sowie -pflegerinnen und -pflegers zu schaffen, den Fachdiskurs voranzutreiben und praktikable Lösungs- ansätze auf breiter Basis zu finden. Der Plattform gehören bereits mehr als 35 Institutionen an, die sich zu diesem Ziel bekennen; unter anderem Vertretungen großer Forstbetriebe, NGOs, öffentliche Ver- waltungen, Naturschutzorganisationen, Schutzgebietsverwaltungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Baumpflegerinnen und Baumpfleger, Umweltanwaltschaften sowie der Städte- und der Ge- meindebund. Weiters finden seit 2017 jährlich Fachtagungen statt; 2019 startete eine Symposienreihe, die speziell die Auseinandersetzung der Richterschaft mit der Thematik im Fokus hat. Parallel dazu wird ein rechtlich abgesicherter Leitfaden ausgearbeitet, der klare Anleitungen zum Umgang mit Bäumen bietet. Auch auf der LandesumweltreferentInnenkonferenz (LURK) 2019 wur- de das Thema mit den Bundesländern diskutiert. Hier wurde beschlos- sen, Rechtssicherheit in Bezug auf Haftungsfragen zu schaffen und die vorgeschlagenen Änderungen des ABGB, des Forstgesetzes 1975 und des Wasserrechtsgesetzes 1959 weiter zu verfolgen sowie die Eigen- verantwortung der Einzelnen zu stärken. Zudem soll eine Bestimmung enthalten sein, dass Bäume haftungsrechtlich nicht analog zu Bau- werken anzusehen sind, und klargestellt werden, wann ein Baumhalter jedenfalls seiner Verkehrssicherungspflicht entspricht. BAUMHAFTUNG – MEHR RECHTSSICHERHEIT FÜR BAUM-VERANTWORTLICHE Bäume haben einen enormen ökologischen, gesellschaftlichen und auch wirtschaftlichen Wert: Sie leisten einen wesentlichen Beitrag zu Klima- und Umweltschutz, indem sie CO2, ebenso wie Luftschadstoffe und Staub, binden. Gleichzeitig tragen sie entscheidend zur Minderung der Klimawandel-Folgen bei: Sie spenden Schatten, kühlen, helfen Regenwasser im Boden zu binden, verlangsamen bei Starkregen den Ablauf und können dadurch Überflutungen oder Hangrutschungen verhindern. Sie sind wertvoller Lebensraum für zahlreiche Tierarten; selbst ihr Totholz bietet vielen Insekten, Vögeln und Fledermäusen Wiener Naturschutzbericht 2019 – Naturschutz mit Recht 13
Nahrung und Unterschlupf. Darüber hinaus sind Bäume die Basis für Lebensqualität. Ihr wirtschaftlicher Wert liegt nicht nur in der Holz- gewinnung, sondern sowohl Einzelbäume als auch Wald sind wesent- liche Faktoren für Wohlgefühl und landschaftliche Schönheit in einem Tourismusland wie Österreich. Und doch bringt die Entwicklung der letzten 15 Jahre unsere Bäume und Wälder unter massiven Druck: Alte, großkronige Bäume in Parks und an öffentlichen Plätzen werden zunehmend zurückgeschnitten oder gleich gefällt und durch junge Säulenbäumchen ersetzt, Alleen verschwinden schrittweise aus dem Straßenraum, kleine Waldwegerl werden zu breiten „Wandertrassen“ freigeschnitten, an Forststraßen und Landstraßen alle Bäume beidseitig im Ausmaß von ca. 25 m – das entspricht etwa einer Baumlänge – entfernt. Eine der Hauptursachen dafür ist die Sorge der Baum- und Wege-Er- halterinnen und -Erhalter, zivil- und auch strafrechtlich zu haften, wenn © Stadt Wien – Umweltschutz es um herabfallende Äste und umstürzende Bäume geht. Dabei ist die Aus schmalen Waldwegen oder Forststraßen entstehen durch massive Baumfällungen breite Schneisen. wachsende Tendenz zu „Sicherheitsschnitten“ weder aus der geltenden Rechtslage noch aus der Judikatur ableitbar. Um hier gegenzusteuern, wurde seitens der Stadt Wien die Plattform „Zukunft mit Bäumen – Bäume mit Zukunft“ initiiert, die inzwischen bereits von mehr als 35 Institutionen unterstützt wird: Vertretungen großer Forstbetriebe, NGOs, öffentliche Verwaltungen, Naturschutz- organisationen, Schutzgebietsverwaltungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Vertreterlnnen der Normenausschüsse, Baumpfle- gerinnen und Baumpfleger, Umweltanwaltschaften sowie der Städte- und der Gemeindebund. Die Plattform „Zukunft mit Bäumen – Bäume mit Zukunft“ will „Angst- schnitte“ vermeiden, mehr Rechtssicherheit und Klarheit in Haf- tungsfragen für Baumverantwortliche schaffen und damit wertvolle Baumbestände schützen. Es gilt, gemeinsam mehr in Richtung Be- wusstseinsbildung, Achtsamkeit, Gemeinwohl und Eigenverantwortung zu gehen. Am 24. und 25. Oktober 2019 veranstaltete die Nationalparkverwal- tung Donau-Auen gemeinsam mit der Stadt Wien – Umweltschutz das 1. Fachsymposium „Baumsicherung“ in Hainburg zu den Themen Baumsicherung und Baumhaftung. Die wichtigste Erkenntnis aus den Präsentationen und Beratungen mit Repräsentantinnen und Reprä- sentanten der Rechtsprechung und der Rechtswissenschaft war, dass die derzeit durchgeführten und „zum Teil überbordenden Vorsichts- maßnahmen … in ihrer Intensität keine Grundlage in den rechtlichen Gegebenheiten finden“. Die einleitende These 1 des Tagungsbands beschreibt die Ausgangs- situation, die der Entscheidung für die Veranstaltung einer Symposien- reihe zur Baumsicherung und zur dortigen Entwicklung von Thesen durch ein interdisziplinäres Gremium zugrunde lag: © Stadt Wien – Umweltschutz Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung 2019 in Linz „Wie auch in anderen Bereichen des Schadenersatzrechts muss im Bereich der Haftung für Bäume und Wälder die Tendenz beobachtet werden, dass die betroffenen Verkehrskreise das Risiko einer Haftung für einen Schadensfall – trotz an sich zurückhaltender Rechtsprechung – überbewerten. In der Praxis führt das dazu, dass die potenziell Haf- tungsverantwortlichen zum Teil überbordende Vorsichtsmaßnahmen Wiener Naturschutzbericht 2019 – Naturschutz mit Recht 14
treffen, die in ihrer Intensität keine Grundlagen in den rechtlichen Ge- Der umfassende Tagungsband zum 1. Fachsymposium ist im Früh- jahr 2020 erschienen und kann direkt beim Neuen Wissenschaft- gebenheiten finden. Dies hat nicht nur eine Fehlallokation von Ressour- lichen Verlag (NWV) bestellt werden: cen zur Folge, sondern vor allem den Verlust gesamtgesellschaftlich www.nwv.at/recht/zivilrecht/1452_kriterien_fuer_eine_differenzier- höchst bedeutsamer ökologischer Werte, nämlich die unnötige Vermin- te_baumhaftung/ derung von Wald- und Baumbestand aus Sorge vor einer möglichen Haftung. Daher ist es sinnvoll, die Frage der Haftungsgefahr auf ihre tatsächli- chen Grundlagen zurückzuführen und praxisnah zu konkretisieren.“ Das 2. Fachsymposium „Baumsicherung“ ist für den 12. und 13. Novem- ber 2020 in der Forstlichen Ausbildungsstätte Traunkirchen gemeinsam mit Repräsentantinnen und Repräsentanten der Rechtsprechung und Rechtswissenschaft geplant. Die nächste Fachtagung wird voraussicht- lich im Frühjahr 2021 stattfinden. Wiener Naturschutzbericht 2019 – Naturschutz mit Recht 15
© J. Hill Weibchen von Podarcis muralis maculiventris (Mauereidechse) Artenschutz Die Stadt setzt zahlreiche Projekte, Programme und Maßnahmen um, die die wertvolle Stadtnatur fördern, pflegen und erhalten. Davon erfasst werden Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume sowie viele weitere Grünareale in der Stadt. Die Fachabteilungen der Stadt sind gemeinsam in die Projekte eingebunden und mit deren Umsetzung be- fasst. Das Wiener Arten- und Lebensraumschutzprogramm N etzwerk Natur, das in der Stadt Wien – Umweltschutz angesiedelt ist, setzt Ziele und definiert Strategien zur langfristigen Erhaltung der kleinen und größeren Naturräume der Stadt. Osterluzei und Osterluzei-Falter D Das Vorkommen der Aufrechten Osterluzei (Aristolochia clematitis ) in Wien und Rand- D bereich sowie Reproduktionshinweise* von Zerynthia polyxena (2019): D * Ei und Raupen Pflanzenanzahl D keine Angabe DD 1 - 15 20 - 30 mit Reproduktionshinweis 30 - 100 D l' D ohne Reproduktionshinweis D D 0 100 - 200 D 0 300 - 400 0 D D D D 600 - 1000 D DDD D D D D D D Martin Strausz D D D D D Stefanie Wimmer-Schmidt D D DD David Jaros D D D D Patrik Buhmann D D Andreas Römer D D Adolf Schatten D Helmut Götz D D D Johann Berthold D D Jürgen Rienesl D Stefan Lehninger D D Carina Leu D Manfred Pendl D D Verortung im Auftrag der Stadt Wien | Umweltschutz D D D D km 0 0,25 0,5 0,75 1 1,25 D D D D D D D D D D D DD D D D D D DD D D D D D D D D D DD D D D D D D D D D D D D D D D D D D DD D D DD D D D © Stadt Wien, ViennaGIS - Geografisches Informationssystem der Stadt Wien. km Fachdaten: Umweltschutz 0 0,25 0,5 0,75 1 1,25 1,5 1,75 2 km Basisdaten: Stadtvermessung Weiterverwendung nur mit Quellenangabe. 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 Keine Haftung für Vollständigkeit und Richtigkeit; Kein Rechtsanspruch ableitbar (11/2019) gisl-kas; nagmo_osterluzei Wiener Naturschutzbericht 2019 – Artenschutz 16
KARTIERUNG DER OSTERLUZEI (ARISTOLOCHIA CLEMATITIS), FUTTERPFLANZE DES FFH-ANHANG IV GESCHÜTZTEN OSTERLU ZEI-FALTERS (ZERYNTHIA POLYXENA) Im Rahmen der Kartierung, die mit Unterstützung von Freiwilligen (Citicen Science) erfolgte, wurden alle aktuell bekannten und älteren Fundpunkte der Raupennahrungspflanze in Wien (Lobau & Umland, Donauinsel und Donaukanal) kartiert und zugleich auch die Raupensta- dien, sofern vorhanden, dokumentiert. Ziel war die Aktualisierung aller Fundorte für die Darstellung auf einer GIS-Karte. Einhorn-Trüffelkäfer VERBREITUNG DES EINHORN-TRÜFFELKÄFERS BOLBELASMUS UNICORNIS (SCHRANK, 1789) (COLEOPTERA: GEOTRUPIDAE) IN DER WIENER LOBAU Die Art ist außerordentlich selten und wird in der Fauna-Flora-Habi- tat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) der Europäischen Union in den Anhängen II und IV gelistet. Die Nennung in Anhang II bedeutet, dass für diese Arten spezielle Schutzgebiete ausgewiesen sein müssen: Die Mit- gliedsstaaten sind verpflichtet, Gebiete zu nennen, zu erhalten und zu entwickeln, in denen Arten und Lebensräume von europaweiter Bedeutung vorkommen. Im Anhang IV sind streng zu schützende Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse gelistet. Der © Alexander Dostal Einhorn-Trüffelkäfer Bolbelasmus unicornis ist eine von 24 angeführten Einhorn-Trüffelkäfer europäischen Käferarten in der letztgültigen Fassung. In der Roten Liste gefährdeter Tiere Österreichs ist der Einhorn-Trüf- felkäfer als stark gefährdet klassifiziert (Franz & Zelenka 1994). Der Einhorn-Trüffelkäfer wird für die Bundesländer Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark und Wien angeführt, in den westlichen Bundesländern ist die Art bisher noch nicht nachgewie- sen. Nach Paill (2008) ist von einer aktuellen Bewertung für Österreich als „vom Aussterben bedroht“ auszugehen. Das ist nicht unbegründet, denn den Einhorn-Trüffelkäfer bekommt man zum einen ob seiner be- sonderen Lebensweise an unterirdischen Pilzen nur selten zu Gesicht, zum anderen dürften ebendiese auch entsprechend selten sein. Publizierte Fundortdaten des Einhorn-Trüffelkäfers aus Österreich sind daher sehr spärlich. Die rezentesten Fundortmeldungen veröffentlichte Paill (2008) aus dem Augebiet in der Unteren Lobau in Wien. Es war zu klären, ob dieser Fund bestätigt werden kann. An zwei Standorten in der Lobau konnte der Käfer im Rahmen der Untersuchung nachgewie- sen werden. ERFASSUNG VON NATURSCHUTZRELEVANTEN BRUTVÖGELN IM NATURA-2000-GEBIET LAINZER TIERGARTEN Der Lainzer Tiergarten stellt aufgrund seiner Vorgeschichte als kaiserli- ches Jagdgebiet und der daraus resultierenden eingeschränkten forst- lichen Nutzung einen speziellen, hochqualitativen Lebensraum für eine breite Palette geschützter Vogelarten dar. Altholzreiche Wälder haben Wiener Naturschutzbericht 2019 – Artenschutz 17
aufgrund des Strukturreichtums und der großen Menge an stehendem und liegendem Totholz eine herausragende Bedeutung als Lebensraum für Vogelarten wie Hohltaube, Halsbandschnäpper oder Zwergschnäp- per. In der vorliegenden Studie wurden im Erhebungsjahr 2018 Siedlungs- Studien der Stadt Wien – Umweltschutz: dichten von insgesamt 20 Zielarten untersucht: Grauspecht, Schwarz- www.wien.gv.at/kontakte/ma22/studien/natur.html specht, Mittelspecht, Weißrückenspecht, Wendehals, Hohltaube, Turteltaube, Eisvogel, Zwergtaucher, Uhu, Habichtskauz, Waldkauz, Schwarzstorch, Neuntöter, Waldlaubsänger, Zwergschnäpper, Hals- bandschnäpper, Grauschnäpper, Gartenrotschwanz und Rauchschwal- be. Mit Ausnahme des Waldkauzes weisen alle Arten eine besondere Relevanz für den Artenschutz auf. Der Waldkauz kann aber aufgrund der engen Bindung an Totholz und alte Waldbestände als guter Indika- tor für naturnahe Waldbereiche herangezogen werden. Aufgrund der großen Diversität an ökologischen Ansprüchen und Aktivitätszeiträumen kamen unterschiedliche Erhebungsmethoden zum Einsatz. Für die Waldvögel wurde eine Revierkartierung in me- thodischer Anlehnung an Wichmann & Frank (2003) durchgeführt. Gábor Wichmann, Georg Frank: Bestandserhebung der Wiener Offenlandarten und gewässergebundene Arten wurden in speziellen Brutvögel, Ergebnisse der Spezialkartierung Waldvögel – Bericht 2003 Erhebungen erfasst. Für die Eulenarten wurde zur Zeit der Herbstbalz – Teil 1 – Natur und Naturschutz – Studien der Wiener Umweltschutz- eine Nachtkartierung durchgeführt. abteilung (MA 22) – 55, 2003 Relativ konstante Revierzahlen im Vergleich der Jahre 2001 und 2018 konnten für Schwarzspecht, Mittelspecht und Neuntöter ermittelt werden. Wendehals und Eisvogel wurden in der aktuellen Erhebungs periode nicht festgestellt, diese Arten gelten allerdings als unregel- mäßige Brutvögel im Lainzer Tiergarten. Der Zwergtaucher wurde das letzte Mal in den 1990ern als Brutvogel im Gebiet nachgewiesen. Uhu und Habichtskauz sind bis dato als Brutvögel im Gebiet nicht dokumen- tiert, allerdings gibt es einzelne Sichtungen. Der Bestand des Waldlaub- sängers wurde auf eine relativ geringe Anzahl von rund 67 Brutpaaren geschätzt, allerdings ist es aufgrund natürlicher Fluktuationen dieser Art nicht ratsam, aus dem Vergleich nur zweier Erhebungsperioden auf einen Bestandsrückgang zu schließen. Weißrückenspecht und Grauspecht zeigten einen stabilen bis leicht abnehmenden Trend. Bei drei Arten wurde eine deutliche Abnahme dokumentiert: Turteltaube, Zwergschnäpper und Grauschnäpper. Bei allen drei Arten deuten europaweite Rückgänge auf eine überregio- nale Problematik hin. Der Halsbandschnäpper wiederum erreichte mit hochgerechnet rund 763 Revieren bzw. einer Siedlungsdichte von 2,12 – 7,42 Revieren/10 ha Maximalwerte. Die Hohltaube verzeichnete einen deutlichen Zuwachs: Innerhalb der letzten 17 Jahre hat sich der Bestand fast verdoppelt und umfasst derzeit etwa 73 Reviere. Der Schwarzstorch konnte als Brutvogel bestätigt werden, es flogen drei Jungtiere erfolg- reich aus. Der Waldkauz ist im gesamten Gebiet vertreten und erreichte eine Siedlungsdichte von 7,8 Revieren/10 km2. Zusammengefasst ist die Bedeutung des Lainzer Tiergartens als Lebensraum für die untersuchten Arten herauszustreichen. Für Arten wie die Turteltaube oder insbesondere den Zwergschnäpper können nicht allein regionale Gegebenheiten als Ursache für den Rückgang gesehen werden. Der Zwergschnäpper hatte im Lainzer Tiergarten sein Hauptverbreitungsgebiet in Wien und nach Angaben aus dem Wienerwald (Dvorak et al. 2014) scheint dies trotz der stark reduzier- ten Revieranzahl immer noch der Fall zu sein. Dem Lainzer Tiergarten Wiener Naturschutzbericht 2019 – Artenschutz 18
kommt als Lebensraum zahlreicher Vogelarten eine hohe Priorität zu. Die Dringlichkeit, dieses Gebiet u. a. für eine vermutlich überregional geschwächte Population als Lebensraum zu erhalten, ist hoch und wird in den Managementplänen berücksichtigt. Laichkartierung Exelbergstraße 2019 Bereits mit der baulichen Fertigstellung der permanenten Schutzan- lage in der Exelbergstraße in Wien-Hernals im Jahr 2014 hat die Stadt Wien – Umweltschutz beschlossen, eine Maßnahmenkontrolle im Sinne eines Monitorings des Fortpflanzungserfolgs an den Laichgewässern durchzuführen. Seit dem Referenzjahr 2014 werden daher qualitative und quantitative Daten über die Amphibienpopulationen an den Laich- gewässern an der Exelbergstraße erhoben. ~ M....... 1••4,.) Ci
Bei der Erhebung der verschiedenen Molch-, Frosch- und Krötenar- ten wurden unterschiedliche feldherpetologische Zugänge gewählt, nämlich 1) die quantitative Erhebung der Laichballen, Laichschnüre bzw. Gelege, 2) eine Rufkartierung und 3) der Fang mittels Keschern. Es wurde jährlich die räumliche Verteilung der reproduzierenden Arten an den Laichgewässern dargestellt. Ebenso wurden differen- zierte Aufzeichnungen nach Geschlecht, Altersklasse und Anzahl gemacht. In zwölf von dreizehn Laichgewässern wurden im Untersuchungsjahr 2019 Amphibien und deren erfolgreiche Reproduktion nachgewiesen, in drei Gewässern wurden vier und mehr Arten nachgewiesen. Das Vorkommen des Laubfrosches (Hyla arborea) befand sich seit 2014 in stetigem Rückgang, bis im Rahmen der Rufkartierung 2018 wieder mehr aktive, rufende Männchen festgestellt werden konnten. Doch die Erfolgsgeschichte geht weiter: Denn im Jahr 2019 ist der Laubfrosch erneut an zwei Gewässern eingetroffen, wobei es in Gewässer 7 zur erfolgreichen Reproduktion kam. Bei den Braunfröschen, nämlich Gras- (Rana temporaria) und Spring- frosch (Rana dalmatina), zeigte sich bezüglich des Reproduktionserfol- ges eine beinahe unveränderte Situation gegenüber dem Vorjahr. Un- ter den Wassermolchen weist der Teichmolch (Lissotriton vulgaris), der in sechs Gewässern angetroffen wurde, weiterhin einen positiven Trend auf, während der Alpenkammmolch (Triturus carnifex) insbesondere auf die gesetzten Pflegemaßnahmen an den Gewässern 6, 7 und 9 positiv reagierte. Der Bergmolch (Ichthyosaura alpestris) ist seit dem Jahr 2019 erstmals in drei Gewässern beheimatet, was umso erfreulicher ist, weil der Bergmolch von der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e.V. (DGHT) zum „Lurch des Jahres 2019“ erklärt wurde. Die bisher über fünf Jahre im Sinne eines Monitorings des Fortpflan- zungserfolgs an den Laichgewässern durchgeführte Maßnahmenkont- rolle zeigt bereits im Jahr 2019 zwei wichtige Ergebnisse deutlich auf: 1. Die permanente Amphibienschutzanlage, die in mehreren Bauab- schnitten realisiert und 2014 fertig gestellt wurde, ist funktionstüchtig. Jedes Jahr werden hier tausende von wandernden Kröten, Fröschen und Salamandern gezählt. Der massive Straßentod an der Exelberg- straße gehört der Vergangenheit an. Das gewährleisten nicht zuletzt die Stadt Wien – Straßenverwaltung und Straßenbau durch Säuberung der Tunneleingänge und Rigole, damit die Amphibien frei passieren können, und die Stadt Wien – Forst- und Landwirtschaftsbetrieb durch das Freischneiden der Anlage von aufkommendem Neubewuchs. Das Projekt wurde mit Unterstützung des Vereins „Amphibienschutz Wienerwald“ und basierend auf der guten Zusammenarbeit mehrerer Dienststellen (Stadt Wien – Umweltschutz, Stadt Wien – Straßenver- waltung und Straßenbau, Stadt Wien – Wiener Gewässer und Stadt Wien – Forst- und Landwirtschaftsbetrieb) realisiert, wobei die Stadt Wien – Umweltschutz für die Gesamtplanung zuständig war. 2. Als äußerst wichtig hat sich die kontinuierliche Sicherung einer mög- lichst stabilen Qualität der Laichgewässer und der umgebenden Land- lebensräume auf dem Areal erwiesen. Hierfür ist wiederum die Stadt Wien – Forst- und Landwirtschaftsbetrieb verantwortlich. Wiener Naturschutzbericht 2019 – Artenschutz 20
Da die Ursachen von Schwankungen im Bestand von Amphibienpopu- lationen u.a. in der Sensibilität gegenüber mehreren variierenden äu- ßeren Faktoren liegen können, rückt auf dem Areal die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Qualitätssicherung der Laichgewässer und der umgebenden Landlebensräume immer mehr in den Vordergrund. Die künstlich angelegten Gewässer unterliegen der Sukzession und laufen daher Gefahr, im Verlaufe weniger Jahre ihre Lebensraumeignung für einzelne Amphibienarten zu verlieren. Denn seit dem Referenzjahr 2014 hat sich der Charakter der einzelnen Gewässer stetig verändert. Ne- gative Auswirkungen hatten vor allem der zunehmende Uferbewuchs und die gleichzeitige Abnahme der Gewässertiefe, was einerseits den ausbleibenden Niederschlägen und andererseits der zunehmenden Verlandung durch Biomasseeintrag geschuldet war. Daher fand im Jahr 2017 eine umfassende Pflegeaktion durch Rückschnitt der Ufergehölze und/oder Entnahme von Biomasse an den Gewässern 2, 6, 8, 9 und 16 statt. Im Winter 2018/2019 wurde ein Rückschnitt der Weiden an der südöstlichen Uferlinie von Gewässer 7 vorgenommen, dem an Arten und Individuen reichsten Laichgewässer. Im Frühjahr 2019 konnte infol- gedessen die erfolgreiche Reproduktion aller drei Molcharten und des sensiblen Laubfrosches nachgewiesen werden. Allerdings zeichnet sich bereits der nächste zu beachtende Trend in der Entwicklung dieses Ge- wässers ab, nämlich die Ausbreitung des Schilfbewuchses auf Kosten der submersen Vegetation, der Schwimmblattgesellschaften und der freien Wasserbereiche. Es wird daher auch in Zukunft in gewohnter Weise in Absprache der Stadt Wien – Umweltschutz mit der Stadt Wien – Forst- und Landwirt- schaftsbetrieb ein Management der Laichgewässer und der Landle- bensräume umzusetzen sein, das in jährlichen Begehungen festgelegt wird. Zu den unbedingt erforderlichen Maßnahmen werden weiterhin das Zurückdrängen des Schilfbestandes und die Auslichtung der Ge- wässerufer ebenso gehören wie die Sicherung der Landlebensräume durch teilweise Entbuschung. Mauereidechse EIN NEUES VORKOMMEN DER MAUEREIDECHSE (PODARCIS MU- RALIS) IM 19. WIENER GEMEINDEBEZIRK (KUCHELAUER HAFEN STRAßE) Gemäß aktuellen Untersuchungen besteht die Art Mauereidechse (Podarcis muralis) aus vier phylogenetischen Hauptgruppen bzw. sechs potenziellen Unterarten. In Österreich autochthon sind die Nominat- form Podarcis muralis muralis sowie die Unterart Podarcis muralis ma- culiventris, wobei sich das Vorkommen der letzteren auf das Inntal be- schränkt. Bisher konnten nur bei Linz und in Vorarlberg eingeschleppte allochthone Populationen dieser Unterart nachgewiesen werden. Im Rahmen der Tätigkeiten als ökologische Aufsicht auf dem Areal der ehemaligen Tegetthoff-Kaserne in Wien 19, Kuchelauer Hafen, wurde © J. Hill von Johannes Hill und Mag. Rudolf Klepsch 2017 erstmals in Wien eine Bild 1: Männchen von Podarcis muralis muralis Population der Unterart Podarcis muralis maculiventris nachgewiesen werden, die ursprünglich in Oberitalien, Slowenien und Istrien behei- matet ist und nach diversen Verschleppungen anscheinend die Bahn- Wiener Naturschutzbericht 2019 – Artenschutz 21
trassen als Ausbreitungskorridor Richtung Norden nutzt. Dieser Unter- art wird ein Konkurrenzvorteil gegenüber den heimischen Eidechsen unterstellt. FÄRBUNG UND ZEICHNUNG DER NOMINATFORM PODARCIS MURALIS MURALIS: Die Grundfarbe besteht aus Braun- bis Grautönen, der oft kontrast- arm gemusterte Rücken ist heller als die Flanken, auf welchen sich jeweils ein breiter, brauner bis dunkelbrauner und von den Augen bis zur Schwanzwurzel reichender Streifen befindet. Dieser ist, speziell bei Männchen, oft mit hellen Flecken durchsetzt. Der Rücken und beson- ders die Flanken der Weibchen sind im Normalfall deutlich weniger ge- mustert bzw. können auch komplett zeichnungslos sein. Meist ist auch © J. Hill ein dunkler Vertebralstreifen vorhanden, der aber auch als Fleckenreihe Bild 2.: Weibchen von Podarcis muralis muralis aus der Kuchelau aufgelöst sein kann. In der Paarungszeit ist die Kehle, oft auch der ganze Bauch der Männchen deutlich rot gefärbt. Die Unterseite der Männchen ist zumeist deutlich schwarz gefleckt, bei den Weibchen be- schränkt sich diese Fleckung meistens auf die Kehle. Die Färbung der Nominatform (das ist die die Art beschreibende Unter- art, in diesem Fall Podarcis muralis muralis) enthält keine Grüntöne (siehe dazu: Bilder 1 und 2). FÄRBUNG UND ZEICHNUNG VON PODARCIS MURALIS MACULIVENTRIS: Die Zeichnung variiert zwischen den einzelnen Populationen stark. Von Podarcis muralis maculiventris gibt es in Österreich eine autochthone Population im Inntal, die der Nominatform stark ähnelt. Alle Popu- lationen haben jedoch – wie auch die nicht heimische Population in Linz – zumeist gelbliche Unterseiten. Individuen dieser Populationen wirken oft massiger als die der heimischen Unterart (die unter anderem in Wien vorkommt), weiters ist die Zeichnung gröber, kontrastreicher und besitzt einen größeren Schwarzanteil. Auch Grüntöne kommen vor (siehe dazu: Bild 3). Als Ausgangspunkt für die Neubesiedlung in Wien gilt das bisher ein- zige bekannte Vorkommen einer allochthonen Population im Stadt- gebiet von Klosterneuburg, im Bereich des Bahnhofs Weidling. Diese © J. Hill Population wurde Anfang des neuen Jahrtausends entdeckt und ihre Bild 3: Männchen von Podarcis muralis maculiventris Ausbreitung in das angrenzende Gewerbegebiet beobachtet. Schon aus der Kuchelau die äußeren Merkmale wie Färbung und Zeichnungsmuster ließen eindeutig auf Podarcis muralis maculiventris schließen. Genetische Untersuchungen (u. a. vom Naturhistorischen Museum Wien) belegten letztlich eine Abstammung aus dem norditalienischen Adriaraum. Die untersuchten Exemplare wurden dem „Venetian subclade“ zugerech- net, dem auch die Bezeichnung „Podarcis muralis maculiventris – Ost“ entspricht. Zur Frage der Herkunft lässt sich vermuten, dass es sich um eine Verschleppung durch Bahntransporte handeln könnte. Ziel des vorliegenden Projektes im Jahr 2019 war im Auftrag der Stadt Wien – Umweltschutz, einerseits die Verbreitung bzw. Ausbreitung von Podarcis muralis maculiventris zu untersuchen und andererseits eine Dokumentation ihrer bevorzugt genutzten Lebensraumtypen in diesem Areal in Wien 19, Kuchelauer Hafenstraße, vorzunehmen. Zur Erhebung der Basisdaten erfolgten die nachfolgenden Schritte: 1) Darstellung von Funden (Lebensraumbewertung und Habitatparameter), 2) Doku- Wiener Naturschutzbericht 2019 – Artenschutz 22
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