Netzwerke - pfarrbrief st. agnes _ st. kunibert _ st. ursula _ st. gertrud - Erzbistum Köln
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editorial Auf dem Eigelstein gibt es ein Ministe- rium für Gutes. Aber wir erinnern auch Liebe Leserinnen und Leser, an klassische Netzwerke wie das Bürger- zentrum Alte Feuerwache. Und auch zahllose Willkommensinitiativen haben in der Pfarrei gibt es Gruppen, die eher sich in den vergangenen Monaten im wie ein offenes Netzwerk arbeiten. Die ganzen Erzbistum gegründet. Tausende Taizégruppe gehört dazu, aber auch Menschen engagieren sich in diesen Netz- der agnes.treff. werken, die sich sehr oft unter dem Dach Solche Netzwerke verändern die frü- kirchlicher Gemeinden gebildet haben. her eher familiale Struktur einer Pfarrge- Sie sorgen für Essen und Kleidung, geben meinde radikal. Darin kann eine Chance Sprachunterricht, gehen mit Geflüchteten liegen. Der Theologe Hans-Joachim joggen oder Sander hat für die Kirche das Bild einer begleiten sie ›Bürgerinitiative des Heiligen Geistes‹ in ihren tägli- gefunden. Die Kirche sei eine dynami- chen Angele- sche, sich ständig verändernde Wirklich- genheiten zu keit, sagt er. Sie müsse kampagnefähig den Ämtern sein: »Sie muss etwas lostreten können, oder zum Arzt. sich für begrenzte Zeit einem Projekt Als habe es verschreiben und ebenso bereit sein, sich die vielen nach getaner Tat nach neuen Projekten Missbrauchs- umzusehen. Dabei ist ihr quantitativer fälle oder Bestand nur von sekundärer Bedeutung; den Skandal primär kommt es auf soziale Phantasie um den Lim- und politische Kreativität an.« Mit ande- burger Bischof ren Worten: auch unsere Gemeinde muss Tebartz van Elst nie gegeben, schenken netzwerken. Das bedeutet einerseits diese engagierten Menschen der Kirche wahrzunehmen und wertzuschätzen, fraglos ein großes Stück Vertrauen und welche Netzwerke im Veedel bereits für sprechen ihr selbstverständlich eine das Wohl der Menschen arbeiten. Das große Kompetenz in diesem Thema zu. bedeutet andererseits, selbst konkrete Das ist erstaunlich. Themen zu benennen und anzustoßen, Zum anderen zeigt das Phänomen der die die Menschen bedrängen. Schließ- Flüchtlingsinitiativen, dass netzwerk- lich: Wer mit dem Netzwerkblick auf artige Strukturen zur Lebenswirklichkeit das Veedel schaut, der ist fasziniert, mit der Menschen gut passen. Warum ist wieviel Kreativität und Energie unzäh- das so? Netzwerke sind bewegliche, eher lige Menschen sich für das Wohl anderer fluide Formen, in denen Solidarität, einsetzen. Fromm gesagt: Spuren vom Gemeinschaft und Kreativität ermöglicht Reich Gottes finden sich auch in der Be- und geteilt wird. Sie haben meist einen tonwüste am Ebertplatz. hohen Grad an Selbstorganisation. Zum Schluss: Mark Gevers hat viele Ihre Aufgaben und Ziele sind klar und Jahre lang das Layout des Pfarrbriefs ge- begrenzt. Menschen docken sich an, oft staltet. Aus Zeitgründen kann er das nicht auf Zeit, für eine klar umrissene Aufgabe, mehr leisten. Das ist sehr schade. Seine bei der sie Form und Zeitaufwand ihres Unterstützung war toll und wir sind ihm Engagements sehr frei bestimmen, was zu großem Dank verpflichtet. In diesem zu einer hohen Motivation führt. Pfarrbrief spüren Sie daher die Hand- Bei uns im Veedel gibt es zahllose Netz- schrift unseres neuen Grafikers Sebastian werke. Wir wollen Ihnen in diesem Pfarr- Linnerz. Die Veränderungen gefallen brief einige vorstellen. Da ist zum Bei- der Redaktion sehr gut. Und wir hoffen, spiel die Künstlerinitiative am Ebertplatz. Ihnen geht es genauso. Ihr Peter Otten, Pastoralreferent
www.st-agnes.de inhalt 2/15_titelthema netzwerke 4 Die Betonwüste lebt Freiraum Feuerwache 8 9 Taizégebet ›Nacht der Lichter‹ 12 Netzwerk für Menschenrechte Die Ursulabruderschaft 14 16 DJ rettet Lebensmittel 17 Ministerium für Gutes Netzwerk zu Gott 18 weitere themen 22 »Wenn ich lange genug hinschaue, beginnt die Straße zu sprechen« 26 Ein neues Mehrgenerationenhaus 28 Deutsch lernen in der Ursulinenschule 30 Ankommen und ablegen rubriken 20 nachrichten 21 getauft & verstorben 31 fragebogen 31 impressum
Die Betonwüste lebt Text: Jürgen Salz Gegenüber, in der Galerie ›Bruch und Foto: Sebastian Linnerz Dallas‹, einem früheren Geschäft für Bilderrahmen, bereiten zwei Künstlerin- In der Passage unter dem Ebert- nen eine Videoinstallation über einen platz tummelt sich ein lebendiges brasilianischen Tanz Künstlernetzwerk. vor. Das ›Labor‹ neben der ›Tiefgarage‹ stellt Die Rolltreppen laufen seit Jahren nicht Fotografien von wei- mehr. Es riecht nach Urin. In den tris- ßen Räumen aus. Das ten Betonecken lungern Obdachlose. Die ›Gold und Beton‹ ist unterirdische Passage am Ebertplatz, an diesem Dienstag- zwischen Neusser Straße und Eigelstein, nachmittag geschlos- gilt als eine der hässlichsten Ecken Kölns. sen, in wenigen Tagen »Ich fand den Ort schon immer attrak- öffnet die Ausstellung tiv«, betont dagegen Maria Wildeis; sie zweier Performance- mag die »dominante und heftige Archi- Künstler. tektur« an diesem »ungeliebten Ort«. In den Tiefen des Wildeis, 31 Jahre, in Jeans und Sweat- Ebertplatzes ist eine shirt, führt die Galerie ›Tiefgarage‹, eine lebendige Kunstszene ehemalige Boutique. gewachsen. Ein Künst- An der Wand sind Lkw-Reifen mon- lernetzwerk. Man tiert, in denen sich Lautsprecher verber- kennt sich, man hilft gen. In einem selbstgebastelten Vehikel, sich und leiht sich ge- das einer Seilbahngondel ähnelt, sitzt genseitig schon mal ein Künstler und sorgt für elektronische ein paar Holzböcke Klänge. Ein Gitarrist und Schlagzeuger, aus, die es braucht, um 4 eingezwängt in einen verglasten Sperr- Kunstobjekte zu bear- holzverschlag, liefert den passenden beiten. Etliche gemein- Sound dazu. So laut, dass Wildeis Ohr- same Festivals hat die stöpsel ausgibt. Erst Ende November hat unterirdische Passage der belgische Künstler Jonathan de Win- bereits erlebt; im Juli ter seine Performance ›Wolfsrudel‹ be- stieg ein Sommerfest. endet. Im Dezember stellen ukrainische Objektkünstler in der ›Tiefgarage‹ aus.
titelthema netzwerke »Es gibt hier ein sehr musik- und feier- so kam Galeristin Wildeis auf den Na- freudiges Künstlerpublikum, die klas- men ihrer Galerie. »Ich könnte mir in der sischen Sammler findet man hier eher unterirdischen Passage am Ebertplatz weniger«, sagt Wildeis. auch gut eine große, verglaste Kunsthal- Im September diskutierten die Künst- le vorstellen«, sagt die ›Tiefgaragen‹- ler unter anderem mit der ehemaligen Chefin. Stadtkonservatorin Hiltrud Kier in einer Sechs bis acht Ausstellungen organi- öffentlichen Gesprächsrunde über die siert die studierte Kunsthistorikerin pro Zukunft des Ebertplatzes. Die Beton- Jahr; vor zehn Jahren hat sie sich selbst- schneise mitten in der Innenstadt sorgt ständig gemacht. »Bei der Auswahl achte seit Jahren für Zündstoff im Stadtrat. ich schon darauf, dass die Künstler be- Für 2018 ist nun immerhin ein direkter reits etabliert sind und nicht gerade erst Übergang zwischen Neusser Straße und frisch von der Uni kommen«, sagt Wild- Eigelstein geplant. Der Frankfurter Ar- eis. Für 2016 hat bereits eine Künstlerin chitekt Albert Speer hatte vor Jahren vor- zugesagt, die Galerie komplett mit Pa- geschlagen, den Platz einzuebnen. Auch pier auszukleiden und mit Schwarzweiß- eine Tiefgarage war einst im Gespräch – Fingerabdrücken zu verzieren.
Jonathan Haehn, »Center For The Dull«, Juli 2015. Kunstprojekt, bei dem die Besucher eingeladen wurden, mit Folien den Platz zu umwickeln. Foto: Tiefgarage Finanziell werden die Ebertplatz-Künst- »In meiner Galerie ist noch nie etwas ler von der Stadt Köln sowie von der weggekommen.« Kürzlich, bei einem Fes- Rhein-Energie-Stiftung unterstützt, die tival, hatten allerdings einige Besucher zum Energiekonzern RWE gehört. ihre Rücksäcke und Taschen draußen Zwei- bis dreimal in der Woche ist Wild- abgestellt – und sich später gewundert, eis in ihrer Galerie anzutreffen; zu ihrem dass ihnen ihre Habseligkeiten abhan- Lebensunterhalt tragen zusätzlich noch dengekommen waren. andere Jobs bei. Sie arbeitet etwa als An diesem Dienstag, nachmittags um Projektmanagerin für Ausstellungen oder drei, streunt ein angetrunkener Afrikaner als Webseiten-Designerin. durch die Passage. Die Kneipe gegenüber Durch die Künstler sei die Ebertplatz- macht erst in einer Stunde auf. Um die Passage ein sicherer Ort geworden, Zeit zu überbrücken, quatscht der Mann lobt die Polizei. Direkt neben der Galerie Wildeis an. Sie bleibt freundlich. Nach ›Bruch und Dallas‹ lungern eine Hand- einigen Minuten zieht er von dannen. voll Obdachlose. »Seitdem wir hier sind, Vorbei an den Galerien, durch die Beton- ist die soziale Kontrolle stärker gewor- wüste am Ebertplatz. den«, sagt Wildeis. Oft redet sie mit den 6 gestrandeten Berbern, fragt nach, wo www.tiefgarage.org sie denn jetzt im Winter unterkommen: www.labor-ebertplatz.de www.goldundbeton.de
titelthema netzwerke Kunstprojekte in der Galerie ›Tiefgarage‹ im Oktober 2015 Malte Struck & Mark Wehrmann Death Metal Performance zum »nxnwfestival« Foto: Michael Schaab Tintin Patrone & das Krachkistenorchester zum »nxnwfestival« Foto: Daniel Mennicken Gordoa – Schick – Hein in der Ausstellung von Jonathan de Winter Foto: Michael Schaab
Freiraum Feuerwache Text: Klaus Nelißen Es muss gut darauf geachtet werden, sich Foto: Sebastian Linnerz mit den passenden Organisationen zu ver- netzen, um nicht in Zusammenhänge zu Die Alte Feuerwache ist die größte geraten, in die man nicht hineinmöchte.« Netzwerkfläche im Veedel. Daher ist laut den Zielen der Alten Feu- erwache auch kein Platz für undemo- Seit 1985 wachsen nicht nur die 21 Plata- kratische, rassistische, sexistische oder nen auf dem Gelände der alten Haupt- ökologisch unverträgliche Initiativen. feuerwache von 1890. Das Netzwerk Alte Vielleicht braucht es gerade diesen inne- Feuerwache im Agnesviertel ist zu einem ren Freiraum, um eine Ermöglichungs- bestimmenden Faktor in der gesellschaft- fläche für eine so große Bandbreite an Begegnungsangeboten zu bieten. Die Alte Feuerwache jedenfalls weist beein- druckende Zahlen auf. Und hinter jeder Zahl stehen ungezählte Begegnungen: > Ca. 200 kulturelle und pädagogische Veranstaltungen pro Jahr > 15 Konzerte, 8 Lesungen 2015 > 65 Theater- und Tanzveranst. 2015 > 43 Diskussionen und Tagungen 2015 > 11 Werkstätten; von der Fahrrad- werkstatt bis zum Instrumentenbau > 32 Ausstellungen 2015 > Veranstaltungsbesucher pro Jahr: 14.000 (ohne Flohmärkte) > 70 engagierte Gruppen, die die Alte lich-kulturellen Landschaft Kölns ge- Feuerwache regelmäßig aufsuchen; wachsen. Das selbstverwaltete Bürgerzen- von einer Gemüsekooperative über trum ist heute ein komplexer Organismus Chöre und Theaterprojekte bis zu aus verschiedensten Gruppen, Initiativen politisch-gesellschaftlichen Gruppen und Akteuren. Zentrales Anliegen ist es, wie Attac und ›Recht auf Stadt‹ Raum zu schaffen für Kommunikation > 1.200 Einzelnutzungen von Räumen und Begegnung. »Alle können sich hier 2015, z.B. für Tagungen, Seminare, treffen und Kontakte knüpfen«, erklärt Gruppentreffen Anne Grose von der Alten Feuerwache. > 10 Initiativen haben ihre Büros in »Von Anfang an arbeiten wir generations- der Alten Feuerwache; vom BUND bis und milieuübergreifend – soziale und zum Verein für deutsch-afrikanische kulturelle Herkunft, politische Orientie- Kooperation 8 rung oder religiös-konfessionelle Bindung > Überdachte Aktionsfläche: 5.000 qm spielen bei uns keine Rolle. Wir wollen (zuzüglich 2.500 qm im Hof) Freiräume schaffen für Kreativität und > Seit 1996 lockt der Flohmarkt im Hof bürgerschaftliches Engagement.« 10-12-mal jährlich jeweils rund 4.000 Um diesen Freiraum zu wahren, ver- Besucher an zichtet die Feuerwache darauf, sich von einer bestimmten Partei, Religion oder Weitere Informationen und Konfession vereinnahmen zu lassen. Veranstaltungshinweise unter: »Beim Netzwerken ist Sorgfalt wichtig. www.altefeuerwachekoeln.de
titelthema netzwerke Taizé gebet Nacht der Lichter Text: Ute Strunk ob in die Ehe oder ins Kloster. Beides Fotos: Sebastian Linnerz hatte eine Chance. Die Arbeit der ›Dienerinnen des Evangeliums‹, die Sechs Personen sitzen um den tatkräftig über die Grenzen des CRUX großen Frühstückstisch im dritten hinaus die Stadtjugendseelsorge (und Stock der Blumenthalstraße 24 somit auch das Taizégebet in St. Agnes) und berichten über ihr Netzwerk unterstützen, hat mich sehr stark be- Taizé in St. Agnes. eindruckt. Das Gebet in St. Agnes und in Taizé, die Gesänge und vor allem die »Wir sind uns hier zum ersten Mal be- Menschen haben mir geholfen, zu Gott gegnet«, erzählt Denise, die mit ihrem zu finden und im turbulenten Alltag zur Mann Alexander und dem kleinen Elias Ruhe zu kommen. So hatte ich auch die am Tisch sitzt. »Aber damals war mir noch nicht klar, was meine Berufung ist und wohin der Weg führen würde – Von links nach rechts: Albert Knauf, Elias, Denise und Alex Dorniak, Franka Knauf
Die ›Nacht der Lichter‹, jeden ersten Sonntag im November in St. Agnes Möglichkeit, die Geschehnisse der täg- Novembersonntag in der Agneskirche lichen Routine in einem anderen Licht zu stattfindet, resümiert: »Das hat bei allen sehen, Antworten auf die wirklich wich- verschieden angefangen. Ich hatte schon tigen Fragen zu bekommen und Kraft zu frühe Erfahrungen mit der Gemeinschaft schöpfen.« von Taizé, die ich nach langer Pause beim »Alex, der damals im Musikerkreis Taizégebet in St. Agnes miteingebracht Gitarre spielte, und ich haben uns dann habe. In unseren Gebeten erlebe ich oft nach anderthalb Jahren bei einer Fahr- eine ähnlich tiefe Spiritualität wie in radfahrt zum Taizégebet im Altenberger Taizé selbst. Das zieht die Menschen Dom näher kennengelernt. Dort sind wir an und lässt sie verweilen und oft nicht dann weitere zwei Jahre später getraut wieder los.« Franka ergänzt: »Unsere worden«, erzählt Denise strahlend: »Und Töchter stoßen immer wieder zu den heute sind wir zu viert.« Taizégebeten dazu, wenn sie in Köln sind, Was zieht so viele Menschen zum und unser Jüngster ist mit Taizéliedern Taizégebet und zur großen ›Nacht der groß geworden und heute schon munter Lichter‹?, fragen sich die Umsitzenden. bei den Vorbereitungen dabei.« Es ist wohl die Neugier und die Faszina- Die Nacht der Lichter hat im Novem- tion durch die Gesänge und die beson- ber 2015 wieder mehr als 2.000 Men- dere Atmosphäre, die hilft, in das Gebet schen in die Agneskirche gelockt. Jede einzutauchen und darin eine große Ge- Ecke war belegt, auch dort, wo man vom meinschaft und Spiritualität zu erfahren. Geschehen im Chorraum nichts mehr »Es sind immer wieder viele Neue, sehen konnte. Circa 20 bis 25 ehrenamt- aber auch schon mal Gesehene dabei«, liche Personen zählen zum offenen Orga- erzählt Franka aus dem Orgateam und team, dem viele schon lange angehö- Gastgeberin in der Blumenthalstraße. ren; andere sind neu dazugekommen Sie schätzt einen Anteil von ca. 70 Pro- oder nach längerer Pause wieder dabei. 10 zent von unter 30-Jährigen mit gleichem Hier wird die Musikauswahl getroffen Anteil Jungen wie Mädchen, davon viele und der Auf- und Abbau in St. Agnes auch unter 20 Jahren. Ihr Mann Albert, organisiert. Für die gesamte Technik einer der Initiatoren der großen ›Nacht (Strom, Akustik und Beleuchtung) sind der Lichter‹, die seit 2004 jeden ersten
titelthema netzwerke seit langem Julian und Max verantwort- lich. Beide sind aus der Jugendarbeit am CRUX zum Taizégebet gekommen und haben sich im Laufe der Jahre eine Akus- Termine der nächsten tik- und Beleuchtungsanlage zugelegt, Taizégebete in St. Agnes: die jeden Winkel in St. Agnes erreichen kann. Die vielen helfenden Hände kann So, 6. Dezember 2015, 18 Uhr man auf einem Video im Zeitraffer auf So, 3. Januar 2016, 18 Uhr www.taize-koeln.de sehen. So, 7. Februar 2016, 18 Uhr Zum Abschluss der ›Nacht der Lich- So, 6. März 2016, 18 Uhr ter‹ trifft sich der Helferkreis an eben So, 3. April 2016, 18 Uhr jenem Tisch in der Blumenthalstraße. So, 1. Mai 2016, 18 Uhr Ein Ausklang mit vielen Gesprächen, Musik; und manchmal gibt es auch ein näheres Kennenlernen – wie noch einige andere Paare zeigen, die sich hier gefun- den haben. Der Geist und die Spiritualität von Taizé ziehen an und fesseln. Das geschieht in Taizé, dem kleinen Dorf in Frankreich bei Cluny, in dem die Gemeinschaft von Taizé ihren Sitz und Ursprung hat, ähn- lich wie bei der großen ›Nacht der Lich- ter‹ in St. Agnes, erzählen die Menschen, die bereits beides erlebt haben. Hier fühlt man sich angekommen. Jemand sagt in Pfarrer Bernhard Wagner plant auch die Runde: »Das ist etwas, das man nicht im kommenden Sommer eine Fahrt mit 11 in Worte fassen kann ... und wenn denn Jugendlichen und jungen Erwachsenen doch, dann ist es das Wirken des Heili- nach Taizé. Wer Interesse hat, kann per gen Geistes, das man hier spüren kann.« E-Mail: bernhard.wagner.pr@gmail.com oder telefonisch: (0221) 78 80 75 26 Kontakt mit ihm aufnehmen.
Netzwerk für Text: Jürgen Salz Menschenrechte Fotos: Sebastian Linnerz Mitten im Veedel begann die Wand hängt eine Kopie der Nobelpreis- Erfolgsgeschichte von Amnesty urkunde für Amnesty aus dem Jahr 1977. International in Deutschland – Ein Plakat am Fenster fordert Solidari- und hält bis heute an. tät mit dem saudi-arabischen Blogger Raif Badawi, der laut Anklage den Islam Im Erdgeschoß des unscheinbaren beleidigt haben soll und vom Regime Hauses zwischen Hauptbahnhof und in Riad zu zehn Jahren Gefängnis und Eigelstein herrscht jeden Montagabend zu tausend Peitschenhieben verurteilt Hochbetrieb. In der Domstraße 56 wurde. Ein Fall für Amnesty. hält Amnesty International regelmäßig »Auch im E-Mail-Zeitalter schreiben Asylsprechstunden ab. Ehrenamtliche wir noch Briefe, um uns für politische Freiwillige mit juristischen Kenntnis- Gefangene, Folteropfer, Verschleppte sen bereiten Flüchtlinge auf die Asylan- und gegen die Todesstrafe einzusetzen«, hörung vor und beantworten Fragen sagt Kleinert-Gentz, »Waschkörbe voller 12 zum Verfahren. »Derzeit können wir uns Briefe machen immer noch mehr Ein- vor Anfragen kaum retten«, sagt Am- druck als Mails, die sich bequem weg- nesty-Mitglied Ursula Kleinert-Gentz. drücken lassen.« Im Fall Badawi steht Die pensionierte Lehrerin, die dem der Erfolg noch aus. internationalen Netzwerk für Menschen- »In etwa einem Drittel bis zur Hälfte rechte seit über vierzig Jahren angehört, der Fälle können wir den Opfern von gibt Interessierten regelmäßig einen Menschenrechtsverletzungen helfen«, Einblick in die Arbeit von Amnesty. Sie sagt Kleinert-Gentz, »das kann eine Haft- sitzt an einem langen Holztisch, an der erleichterung sein oder die Freilassung.«
titelthema netzwerke Wie kürzlich im Falle des Nigerianers höchst erfreulich, erzählt Fonfara. Ihre Moses Akatugba, für den auch das Köl- Aufgabe sieht sie darin, Amnesty in der ner Amnesty-Büro mit Briefaktionen Bevölkerung bekannter zu machen. Fon- kämpfte. 2005 nahm die nigerianische fara wirbt nicht nur in Kirchen für die Staatspolizei Akatugba fest, folterte den Menschenrechtsorganisation. Auch auf Nigerianer und verurteilte ihn zum Tode, Veranstaltungen wie dem Literaturfes- weil er angeblich Mobiltelefone gestoh- tival lit.cologne, bei Theater- oder Opern- len hatte. 2014 startete Amnesty eine welt- aufführungen oder im Domforum stand weite Briefaktion; über 800.000 Unter- sie mit ihrer Gruppe schon für Amnesty schriften kamen zusammen. Im Mai 2015 am Infotisch. wurde Akatugba, der nun selber Men- »Wir können noch viele weitere Mit- schenrechtsaktivist werden will, begna- streiter gebrauchen«, sagt Fonfara, »auch digt und aus der Haft entlassen. gern jüngere Leute, die sich mit IT und sozialen Medien gut auskennen.« Ihre Einsatz im Gottesdienst Amnesty-Gruppe, sagt Fonfara, drohe Der britische Rechtsanwalt Peter etwas zu überaltern. Benenson gründete Amnesty 1961 in Lon- Themen gibt es genug: Am 11. Dezem- don. Die Zentrale recherchiert und do- ber spricht der chinesische Schriftsteller kumentiert Menschenrechtsverletzungen und Dissident Liao Yiwu im VHS-Forum und die Schicksale der Opfer weltweit. am Neumarkt über die Menschenrechte In über 60 Ländern (»Sektionen«) ist in China. Und rund um den Internatio- Amnesty inzwischen mit eigenen Büros nalen Tag der Menschenrechte am 12. De- vertreten, vor allem in Europa und in zember startet Amnesty einen Briefma- Nordamerika. Die Londoner Zentrale ent- rathon: Hunderttausende Menschen aus scheidet darüber, welche Büros welche allen Teilen der Welt schreiben inner- Fälle verfolgen. halb von wenigen Tagen Millionen Briefe, Bereits zwei Monate nach der inter- um an Regierungen zu appellieren, die nationalen Gründung startete die deut- Menschenrechte zu achten. Die Aktion sche Sektion von Amnesty in Köln; die läuft vom 4. bis 18. Dezember 2015. WDR-Journalisten Gerd Ruge und Caro- la Stern waren damals die treibenden Kräfte. Seit Jahrzehnten residiert das Büro in der Domstraße. Hier finden nicht nur die Infoabende und die Asyl- sprechstunden statt, hier treffen sich auch einige der Arbeitsgruppen. Manche Gruppen haben sich auf ein- zelne Länder wie Iran oder Afghanistan spezialisiert, andere auf einzelne Themen wie die Todesstrafe. Hadwig Fonfara engagiert sich in der Kirchengruppe. Mit einer Handvoll Gleichgesinnter tritt die frühere Bibliothekarin – nach Abspra- che mit dem jeweiligen Pfarrer oder der Pfarrerin – in Kölner Kirchen auf und erinnert in den Gottesdiensten an das Schicksal von politischen Gefangenen. Im Vorraum liegen dann nach der Messe Ursula Kleinert-Gentz im Gespräch mit Petitionslisten aus; Gottesdienstbesu- Jürgen Salz. Die Website der deutschen Sektion cher können gerne unterschreiben. von Amnesty International: www.amnesty.de Einmal im Jahr gestaltet die Amnesty- Kirchengruppe auch den Gottesdienst in St. Agnes mit. Die Zusammenarbeit mit der Pfarrei laufe seit Jahren problemlos,
Die Ursulaprozession, ein Foto von Eusebius Wirdeier, Autor des Kalenders der Pfarrei St. Agnes 2016 (siehe auch Seite 22) Wissenswertes rund um die Ursulaverehrung und die Bruderschaft: www.heilige-ursula.de Ältestes Social Network im Veedel seit 570 Jahren: Die Ursulabruderschaft Text: Klaus Nelißen Wenn ›sie‹ zusammenkommt, ist tragen, damit ihre Namen nicht verloren- die Kirche in blutrotes Licht ge- gehen und ihrer in der Basilika der hei- taucht. Knochen spielen eine zen- ligen Ursula gedacht wird: einmal zum trale Rolle; getafelt wird in der Zeitpunkt ihres Todes mit einem eigenen ›Schreckenskammer‹. Gedenkamt; danach an jedem zweiten Sonntag im Monat, wenn Messe gefeiert Ansonsten aber ist die Ursulabruder- wird für sämtliche Lebenden und Ver- schaft weder morbide noch weltverschwö- storbenen der Bruderschaft. rerisch. Vielmehr geht es ihr um ein from- Das Interessante: Weder ist diese mes Anliegen: Die Verehrung der heili- Bruderschaft allzu verschworen – man gen Ursula durch die Zeiten zu pflegen. muss nur am Pfarrhaus bei Monsignore Und wenn man so will, gehören die Mit- Wilhelm Schlierf klingeln, um allerhand glieder der Ursulabruderschaft dem wohl Interessantes zu erfahren – noch sind ältesten noch bestehenden ›Social Net- Männer in der Überzahl. Im Grunde 14 work‹ der Agnesgemeinde an – stolze müsste man die Bruderschaft eher eine 570 Jahre ist sie alt. Ihr ›Server‹ ist ein ›Schwesternschaft‹ nennen. Unter den uraltes Buch, das noch heute in der Sa- vielen Namen im Bruderschaftsbuch kristei von St. Ursula aufbewahrt wird. taucht einer – wenig überraschend – Tausende Namen sind aufgeführt, quasi besonders oft auf: Ursula. als ›Follower‹: Könige, Fürsten, Kardi- »In früheren Zeiten bekamen viele näle – Namen aus ganz Europa. Im Bru- Ursulas die Mitgliedschaft quasi direkt derschaftsbuch von 1445 haben sie sich zur Taufe mitgeschenkt«, weiß Msgr. über die Jahrhunderte hinweg einge-
titelthema netzwerke Schlierf zu erzählen, der seit 1998 die derschaft dürre Zeiten durchschreitet. treibende Kraft hinter der Bruderschaft Der Dreißigjährige Krieg, die napoleoni- ist. Die meisten Mitglieder stammten gar schen Wirren: Immer wieder drohte der nicht aus Köln, sondern aus der gesam- Traditionsfaden zu reißen. Immer wieder ten Bundesrepublik – und sogar aus der wurde er neu aufgenommen. So soll nach Schweiz. »Selbst in der calvinistischen dem Zweiten Weltkrieg Prälat Paul Fet- Hochburg Basel gibt es ja ein Ursula- bzw. ten, der damalige Pfarrer von St. Ursula, Jungfrauengässchen«, bemerkt Schlierf persönlich zum Hörer gegriffen haben nicht ohne Stolz über die Verehrung der und allen Frauen im Kölner Telefonbuch Stadtpatronin Kölns. In der ihr geweihten mit dem Vornamen Ursula die Mitglied- Kirche wirkte er viele Jahre lang als Pfar- schaft angetragen haben. Joseph Kardi- rer. Noch im Ruhestand feiert er dort nal Frings musste nicht lang überredet regelmäßig Messe – auch für die Mitglie- werden. Am 21. Oktober 1946 trat er dem der ›seiner‹ Bruderschaft. Kreis bei und schrieb in das Bruder- Gegründet wurde die Bruderschaft zu schaftsbuch: »In einer Zeit, da die Basi- einer Zeit, als sich das Zunftwesen im lika St. Ursula in Trümmern liegt und Niedergang befand. Neue Formen des der Gottesdienst nur im Vorraum gehal- Zusammenstehens mussten gefunden ten wird, trage ich mich ein in das Mit- werden. Viele Bruderschaften, die heute gliedsbuch der Ursulabruderschaft Köln noch landauf, landab bestehen, wurden und erhoffe durch die Fürbitte der Stadt- damals vor allem zu einem Zweck ge- patronin, dass ihre Kirche bald wieder gründet: Ihre Mitglieder konnten sich die goldene Turmkrone trägt und Köln sicher sein, im Tod nicht alleingelassen zu neuem materiellem und christkatho- zu werden. Diese sogenannten Sterbe- lischem Leben erwacht.« bruderschaften waren richtungweisend, Frings’ Hoffnungen wurden erfüllt. als es noch keine geregelte Bestattungs- Weithin sichtbar leuchtet wieder die kultur gab. Bei der Ursulabruderschaft Turmkrone. Noch immer kommen Jahr scheint der Gründungszweck allerdings für Jahr am 21. Oktober Hunderte zur ein anderer gewesen zu sein: Von Anfang ›Knöchelcheprozession‹, wie die Einhei- an war das Anliegen zentral, das Ansehen mischen die älteste bestehende Kölner und die Verehrung der populären Schutz- Prozessionstradition liebevoll nennen. patronin zu mehren. Und das mit beacht- Dann ziehen die Gläubigen mit rotleuch- lichem Erfolg: Bedeutende Universitäten tenden Kerzen und knöchernen Reliquien – wie diejenigen von Paris oder Wien – über den früheren ›Ager Ursulanus‹. stellten sich ebenfalls unter das Patronat Das ist der Tag, an dem die Basilika in der Kölner Jungfrau. Und 90 Jahre nach märtyrerrotes Licht getaucht ist, und Gründung der Ursulabruderschaft grün- an dem die Ursulabruderschaft traditio- dete Angela Merici in Italien die ›Ge- nell ihr Mahl hält in der Gaststätte meinschaft der heiligen Ursula‹. Daraus ›Schreckenskammer‹ – wie jedes Jahr entwickelte sich der Orden der Ursuli- und hoffentlich noch lange Zeit. Und wer nen, dem heute 10.000 Schwestern ange- weiß, vielleicht kann sich Msgr. Schlierf hören. Natürlich fühlt sich jede Ursuline schon bald über einen Neueintritt freuen: der Kölner Kirche mit der Krone der »Kürzlich habe ich den Kardinal auf britischen Prinzessin auf dem Turm be- das gute Beispiel seiner Amtsvorgänger sonders verbunden. hingewiesen, Bruderschaftsmitglied zu Nur zahlen diese Ordensschwestern werden«, berichtet er und ergänzt, Erz- nicht den jährlichen Bruderschaftsmit- bischof Woelki sei nicht abgeneigt 15 gliedsbeitrag von bescheidenen 25 Euro – gewesen: »Jetzt warten wir mal auf den sonst wäre die Mitgliederstatistik von Schrieb.« Msgr. Schlierf stattlicher: Gab es vor we- Social Networking funktioniert manch- nigen Jahren noch 500 Mitglieder, sind mal eben immer noch auf dem Papierweg es derzeit nur noch 200. Derzeit wird und durch direkte Ansprache – genau viel gestorben in der Ursulabruderschaft. wie vor 570 Jahren. Aber Schlierf hofft auf bessere Jahre. Es ist nicht das erste Mal, dass die Bru-
DJ rettet Lebensmittel Text: Peter Otten durch werden die Lebensmittel verwertet Foto: Pressestelle Evang. Kirche Köln und nicht weggeworfen«, erklärt Hors- ters. Zusammengehalten und optimiert Bei foodsharing verhindern Men- wird das Netzwerk über die Internetseite schen, dass Lebensmittel wegge- foodsharing.de, auf der sich jede/r regis- worfen werden. Christian Horsters trieren und damit selbst zum ›Foodsa- brachte die Idee ins Agnesviertel. ver‹ werden kann. »Wir fragen nie nach der sozialen Bedürftigkeit«, sagt Hors- Ein Dokumentarfilm verwandelte ters, »bei uns geht es um die Würde des Christian Horsters in einen ›Lebensmit- Lebensmittels. Nehmen kann sie jeder, telretter‹: vor dreieinhalb Jahren sah er der für sie eine Verwendung hat.« Neben »Taste the Waste«. Darin zeigt Regisseur Privatpersonen können inzwischen auch Valentin Thurn eine unfassbare, welt- Firmen ihre Überschüsse anmelden, weite Verschwendung von Lebensmitteln. die dann von Mitgliedern der Initiative Allein in Deutschland werden pro Jahr abgeholt und weitergegeben werden. über die Hälfte der produzierten Lebens- Ein Blick auf die Internetseite verdeut- licht die Spannbreite an Lebensmitteln, die in einer Stadt wie Köln abgegeben wird: von überzähligen Büchsen mit Sauerkraut bis zum fix und fertig gekoch- ten Essen ist alles dabei. Horsters ist ein sogenannter ›Botschaf- ter‹ der Initiative. Er koordiniert ver- schiedene Teams in Köln. »Hier machen inzwischen 300 Firmen und etwa 800 Einzelpersonen mit.« Im Agnesviertel beteiligen sich der Bioladen Biosam und die Bäckerei Epi auf der Neusser Straße. Horsters hat erreicht, dass eine Bäcke- reikette ihre täglichen Überschüsse an foodsharing weitergibt. Jeden Dienstag um zehn Uhr werden die Backwaren auch Pfarrerin Eva Esche und Christian Horsters an der Thomaskirche am Neusser Wall ausgegeben. »Das dauert eine Stunde, dann ist alles weg.« Solche institutionali- mittel weggeworfen. Aneinandergereiht sierten Verteilungspunkte würde Hors- ergäben das 500.000 Lastwagen – eine ters gerne an weiteren Stellen im Agnes- Schlange von Berlin bis Peking. Thurn viertel etablieren. Der 60-Jährige ist je- zeigt, wie Gabelstapler Joghurt, Käse und den Tag in Sachen foodsharing unbezahlt Gemüse, Brot und Milch palettenweise unterwegs. »Ich kann mir das leisten«, und original verpackt in Abfallcontainer sagt er, »und darüber freue ich mich.« wuchten; wie Salatblätter und Tomaten Horsters Unabhängigkeit ergab sich durchs Bild regnen. Verbeulte Kartoffeln vor fünf Jahren, als er »aus Versehen« 16 oder eierköpfige Auberginen werden durch einen YouTube-Schnipsel zum in- frisch geerntet entsorgt oder gleich unter ternational gefragten »DJ der guten Lau- die Erde gepflügt. ne« aufstieg und sein Hobby über Nacht Christian Horsters war beeindruckt zum Broterwerb wurde. Seitdem hat er und beschloss, sich der ehrenamtlichen Zeit, Menschen für ein bewussteres Leben Initiative foodsharing anzuschließen: zu gewinnen: »Wir können anders leben«, »Die Ursprungsidee ist, dass Menschen sagt er, »und es ist gut, mit anderen Lebensmittel abgeben oder tauschen Menschen einfach anzufangen.« können, die sie privat übrig haben. Da- Weitere Infos: www.foodsharing.de
titelthema netzwerke Geben und nehmen – ›Minister‹ Michael Hübner vor der ›Givebox‹ Ministerium für Gutes MfG Text: Ute Strunk eigene Bohrmaschine besitzen, die er Foto: Sebastian Linnerz dann durchschnittlich nur 10 Minuten seines Lebens benutzt. Bezahlt wird in Rechts vom Eigelstein liegt das Mi- Nachbarschaftshilfe oder gegen Geld; nisterium für Gutes (MfG) im Büro das ist Verhandlungssache. von Michel Hübner, seines Zeichens ›Ministerium für Gutes‹ bedeutet Spiel Minister und Vorstandsvorsitzender. im Veedel – in der und für die Gesellschaft. Mitspieler sind Nachbarn, die Minister – Schräg gegenüber befindet sich der mi- je nach Angebot und Bedarf, der sich nisterielle Versammlungsort, das Kunst- vor Ort ergibt. Das MfG ist die Plattform. café Stüverhoff. Träger des MfG ist der Die Minister werden in wöchentlichen Verein ›Menschen für Gutes‹ – schließ- Veranstaltungen gewählt. lich kann ein Ministerium kein e.V. sein. Es geht um Nachbarschaftshilfe im Gegründet wurde der Verein am 25.9.2011 Veedel, aber auch – weitergedacht – um – am Gedenktag des heiligen Michael, eine Präsentations- und Handlungsplatt- unter dessen Segen das Projekt gestellt form für größere Projekte. Cluster ver- wurde. Gründungsväter sind Menschen binden sich durch weitere soziale Netz- aus Kirche, Caritas und Wirtschaft. Ko- werke. Das Netzwerk MfG bietet zur operationen gibt es bereits in Österreich übergeordneten Willensbildung entspre- und der Schweiz. Wissenschaftliche Un- chende Foren bzw. kann Abstimmungs- terstützung erhält das Projekt von der tools bieten, um diverse Bürgerentschei- Universität Oldenburg; ein Konzept für dungen zu ermöglichen. die Finanzierung bzw. konkrete Förde- Bereits jetzt gibt es im Kunstcafé Stü- rung ist erstellt. Derzeit wird die Sache verhoff an jedem geraden Freitag im im Kleinen ins Rollen gebracht. Umfas- Monat die Singbude, zu der Interessierte send wird das Projekt ab Anfang 2016 eingeladen sind, ihre Wünsche und Ideen realisiert. mitzubringen. Vernissagen und Konzer- Die Idee hinter dem MfG ist die Ver- te runden das Programm ab. Und auf netzung von Fähigkeiten und gemein- dem Platz befindet sich eine ›Givebox‹, 17 samen Interessen. Jeder kann sich ein- die von Nachbarn bereits fleißig genutzt bringen. Das kann eine Bohrministerin wird, um Bücher, Kleidung, Schuhe, sein, die eine Bohrmaschine hat und dort Spielsachen, Haushaltsgeräte und vieles Löcher bohrt, wo Nachbarn Löcher brau- mehr zu geben – und zu nehmen. chen. Über die ›Union Nachbarschaftli- cher Selbsthilfe› (UNS) steht auch eine Kontakt: Menschen für Gutes e.V. Bohrmaschine für Selbstbohrer zur Ver- Im Stavenhof 6, 50668 Köln fügung. Schließlich muss nicht jeder eine www.kunstcafe-stueverhoff.de mfg.koeln@netcologne.de
Netzwerk zu Gott Text: Hilde Naurath Foto: privat Ein junger Erwachsener fand über die Agnesgemeinde den Weg in die katholische Kirche. »Ich hatte immer das Gefühl, dass etwas fehlt.« York-Alexander Dornhof lässt seine Kindheit und Jugend in »einer normalen evangelischen Familie« Revue passieren. Mutter evangelisch, Vater ihr zuliebe vom katholischen zum evangeli- schen Glauben konvertiert. Sicher, Ostern und Weihnachten ging es allemal in den Gottesdienst. An Weihnachten kam das Christkind statt des Weihnachtsmanns, darauf legte die Mutter Wert. Es gab auch »interessante Menschen«, von denen York im evangelischen Religionsunter- es ab in die Messe – und zu Yorks Ver- richt hörte, und die ihn faszinierten – blüffung an Ostern und Weihnachten wie Martin Luther, der felsenfest an Gott nicht nur insgesamt einmal, sondern an glaubte und überzeugt war, »man braucht jedem einzelnen Feiertag stramm durch. nicht das ganze Drumherum«, es kommt Frisch verliebt erklärte York: »Da komm’ nicht auf Äußerlichkeiten an. Darüber ich mal mit.« Und so lernte er die Ag- hinaus hatte York stets »ein Gefühl des nesgemeinde kennen und die Heimatge- Verbundenseins« – des Verbundenseins meinde von Annas Eltern und so manch mit Gott, dem er »phasenweise« von einen Gottesdienst im Kölner Dom. seinem Tag erzählte. Doch sonst, »sonst »Ich wurde quasi an die Hand genommen war da nix«; keine weiteren Anknüp- und in tolle – und nicht so tolle – Gottes- fungspunkte an eine Gemeinschaft, an dienste mitgenommen.« Und zwar meis- einen Glauben. tens in die Familiengottesdienste, denn Dann kam Anna. York fand sie schon »ich bin ja wie ein Kind, das noch lernt«. beim ersten Treffen toll. Anna stammt Gemeinsam gewöhnte sich das Paar an, aus einer »erzkatholischen Familie« aus mindestens einmal in der Woche in einer 18 Vietnam, einem Land, in dem nur eine Kirche eine Kerze anzuzünden. winzige Minderheit Christen lebt, von der Langsam wurde das Band fester. Ganz wiederum 99 Prozent der katholischen allmählich war nicht mehr Anna die Kirche angehören. Annas Familie ist fest treibende Kraft, die sonntagmorgens aus im Glauben verankert. Mindestens ein- dem Bett zog. Sondern York überlegte, mal, wenn nicht zweimal pro Woche geht wie auch an terminreichen Wochenenden
titelthema netzwerke bloß der Messbesuch gewährleistet wer- üblichen Trott, über fundamentale The- den konnte. Die Gemeinde zog. »Es gab men zu diskutieren – und sich daran zu nie den einen Moment, in dem sich alles erinnern, dass er schon einmal ein tie- änderte, sondern es war ein Entwick- fes Gefühl für das Wesentliche im Leben lungsprozess.« Ganz allmählich erkannte gehabt hatte: »Als Zivi habe ich mit York, dass es eine Option für ihn gab, Geistigbehinderten in Schulen gearbeitet. die Option, zum Katholizismus zu wech- Das hatte Sinn.« Existenzielle Fragen seln, willentlich einer Glaubensgemein- diskutiert er bis heute im agnes.treff. schaft anzugehören. In einer öffentlichen Samstagsmesse Der erste, dem er davon erzählte, war tat er den offiziellen Schritt in die ka- sein Vater. Sein Vater hatte den umge- tholische Gemeinde. Seine Firmpatin war kehrten Schritt schließlich auch schon Anna; die Familie war auch dabei. Zele- geschafft – und sein Vater sah gar kein brant Bernhard Wagner erklärte: »Wir Problem. Auch Anna erklärte: »Das haben heute einen unter uns, der in die musst Du wissen und wollen.« Und als katholische Kirche eintritt. Da er aus er sich nach der offiziellen Aufnahme- der evangelischen Kirche kommt, ist die möglichkeit erkundigte, erklärte ihm Bilanz wieder Null.« York ist ihm für die Stimme am Telefon des Pfarrbüros diese Worte von Herzen dankbar; für ihn fröhlich: »Da sind Sie hier richtig.« ist es wie »ein Trikottausch bei einem Die Stimme leitete ihn zum zuständigen Mannschaftswechsel«. Die Entscheidung Subsidiar. Dieser Subsidiar wiederum für die eine Kirche ist für ihn nicht vor- erwies sich als entscheidender Vermitt- rangig eine Entscheidung gegen die an- ler. Bernhard Wagner führte intensive dere: »Ich hoffe, ich werde immer mehr Gespräche mit dem wissbegierigen Teil der Gemeinschaft sein.« Nachwuchskatholiken, gab umfangrei- Wenn also Kirche ein Netzwerk von che Lektüretipps, lotste durch das schier Menschen ist, die im Glauben verbunden endlos scheinende formale Prozedere sind – hätte er dann ohne dieses Netz- und schlug als Austauschplattform den werk zu Gott gefunden? York-Alexander agnes.treff vor. Zweimal sollte der poten- Dornhof muss keine Sekunde überlegen. tielle Konvertit den Treff für junge Er- »Nö«, sagt er, und lacht. wachsene besuchen, um einen Eindruck von Katholiken seiner Generation zu erhalten. York kam und fand eine selte- ne Gelegenheit, auszubrechen aus dem Das Bild auf dem Umschlag ist ein Gemälde von Herbert Linden, Jahrgang 1955. Der Künstler lebt seit 1977 im Agnesviertel. Nach vielen nationalen und internatio- 19 nalen Ausstellungen in Galerien und Museen stellt Herbert Linden im Februar 2016 im Agnesviertel im ›plus Raum für Bilder‹ in der Schillingstraße 14 aus.
nachrichten Fotos aus Rom: Fotos von der Sommerfahrt: Niklas Möller Katharina Kaiser Messdienerinnen und Mess- diener aus St. Agnes in Rom Eine Messdienergruppe aus St. Agnes nahm in den Herbstferien 2015 an der Ministrantenwallfahrt des Erzbistums Köln teil. Gemeinsam mit 2.000 anderen Kirchenvorstände in Jugendlichen reisten sie unter dem Motto »Wie im Himmel ...!« nach Rom. Höhe- St. Agnes gewählt punkte der Wallfahrt waren eine Gene- Bei der Wahl am 14. und 15. Novem- ralaudienz bei Papst Franziskus auf dem ber 2015 wurden Friederike Cremer, Her- Petersplatz sowie der Abschlussgottes- mann-Josef Hermes, Bettina Kersting, dienst mit der großen Gruppe und dem Ingrid Kühnau und Hans Reusteck in den Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Kirchenvorstand gewählt. Der Kirchen- Woelki. »Wir haben viel Beeindruckendes vorstand ist das Vermögens- und Verwal- von der Stadt gesehen wie den Peters- tungsgremium einer Pfarrei. dom, den Trevi-Brunnen und die Spani- sche Treppe«, erzählt Katharina Kaiser, Navid Kermani kommt Messdienerleiterin in St. Kunibert. In drei Jahren führt die nächste Ministran- nach St. Kunibert tenwallfahrt wieder in die Heilige Stadt. Der Kölner Orientalist und Schriftsteller Navid Kermani spricht im Rahmen einer Neue Messdienerinnen Veranstaltung des Literaturkreises von St. Agnes am Donnerstag, den 21. April und Messdiener 2016 um 20 Uhr in St. Kunibert über sein 11 neue Messdienerinnen und Mess- 20 Buch »Ungläubiges Staunen – Über das diener haben am Sonntag, den 22. No- Christentum«. Sein Gesprächspartner vember 2015 in einem feierlichen Gottes- ist der Theologe Hans-Joachim Höhn, dienst offiziell ihren Dienst am Altar die Moderation übernimmt Christoph begonnen. Viele Wochen lang wurden Fleischmann. sie von Mitgliedern der Leitungsrunde ausgebildet. Insgesamt dienen nun rund 70 junge Menschen in den Gottes- diensten unserer Kirchen.
Sommerspaß am See An den Pälitzsee führte 2015 die Sommerfahrt 57 Kinder und Jugendliche aus St. Agnes. »Wir hatten zwei Wochen viel Spaß«, bestätigt Niklas Möller aus der Leitungsrunde. Er freut sich schon auf die nächste Sommerfahrt. Sie führt vom 7. bis 20. August 2016 nach Bock- holm an der dänischen Grenze. Die An- meldebögen liegen ab Anfang Dezember 2015 in den Kirchen aus. Erstkommunion und Firmung: Hohes Interesse 55 Kinder haben sich bislang zur Erst- kommunionvorbereitung 2016 in St. Agnes angemeldet. 25 Menschen haben sich bereit erklärt, als Katechetinnen und Ka- techeten mitzuwirken. Die Anmeldung der Firmanden läuft noch; hier erwartet die Pfarrei die Teilnahme von etwa 40 Jugendlichen, die von einer Gruppe von sieben Katechetinnen und Katecheten vorbereitet werden. Die Feier der Erst- kommunion findet statt am Sonntag, den 3. April 2016 um 10 Uhr in St. Agnes. Die Feier der Firmung findet statt am 12. November 2016 um 18 Uhr in St. Agnes. Drei Stunden: Freiheit Eine besondere Lesung bereitet der Literaturkreis von St. Agnes zum Gedenk- tag von Nikolaus Groß vor. Die Gruppe hat Menschen aus dem Veedel nach Texten, Gedichten und Songtexten zum Thema Freiheit gefragt, die für sie eine persönliche Bedeutung haben. Zusammen- getragen wurden Texte von Wolfgang Herrendorf, Heinrich Böll, Patti Smith und einigen anderen. Die Lesung mit Musik beginnt am Samstag, den 23. Januar 2016 um 20 Uhr in der Krypta von St. Agnes.
»Wenn ich lange genug hinschaue, beginnt die Straße zu sprechen« Ein Gespräch mit dem Kölner Fotografen Eusebius Wirdeier, der den Jahreskalender 2016 für St. Agnes gestaltet hat. Seine Fotos zeigen Szenen aus den Vierteln der Pfarrgemeinde. Herr Wirdeier, wie schaut eigent- Und wurde durch den Bau der Nord-Süd- lich ein Fotograf auf die Welt? Fahrt zerteilt. Dann sind große Dienst- Schaut er anders darauf als ich? leister dahingezogen. Es gibt eine Fabrik, Vielleicht. Ich schaue auch durch die die Berufskleidung herstellt, Versiche- Brille meiner Vorgänger. Und das sind in rungen, die AOK und diesem Viertel die Fotografen Charges- medizinische Dienste. heimer und Hermann Claasen, die in den Und eben im östli- 1950er-Jahren fotografiert haben, als zum chen Bereich die Beispiel die Straße Unter Krahnenbäu- Ursulinenschule und men schon totgesagt war und dann noch die Hochschule für mal zur Blüte kam in der Armutszeit nach Musik und Tanz, also dem Krieg. Und diese Bilder habe ich Ausbildung. Es hat im Kopf. Und ich gucke auf die Welt und sich sehr verändert, frage, ob die Welt noch so ist oder ob das aber es ist schon alles vorbei ist. Was sich davon erhalten lebendig geblieben. und wieviel sich davon verändert hat. Im Ursulaviertel und auf dem Eigelstein hat sich eine Menge verändert, aber es ist auch viel geblieben. Andere Einwoh- ner sind dazugekommen, zum Beispiel Türken, Griechen und Italiener, die hier Das Foto wurde zwei inzwischen dazugehören. Da gucke ich Tage vor dem Inter- drauf und versuche, mich leise hindurch- view, am 12. Oktober zubewegen und festzustellen: Was ist 2015 aufgenommen. hier? Wie lebt es sich hier? Die beiden Gebäude Haben Sie einen Lieblingsort? am linken und rechten Sicher die Straße Unter Krahnenbäu- Bildrand standen so auch schon vor sechzig men, weil sie in den letzten Jahrzehnten Jahren. Die Aufnahme 22 immer wie ein Barometer städtische Be- von Chargesheimer findlichkeit angezeigt hat: Was passiert (siehe Abb. Seite 24) da? Wer lebt da? Kann man da noch kann man im Museum leben? Sie ist einem starken Wandel un- Ludwig ansehen oder terlegen. 1950 wurde sie totgesagt. Kurz in der Stadtbiblio- darauf wurde sie wieder sehr lebendig. thek in dem Fotobuch »Chargesheimer/ Heinrich Böll, Unter Krahnenbäumen – Bilder einer Straße«.
Was interessiert Sie? Die Verände- Sie haben erzählt, dass Sie vor rung oder das, was Bestand hat? zwei Tagen lange vor St. Kunibert Beides. Nehmen wir die Treppe, die gesessen und fotografiert haben. an der Unterbrechung der Straße Unter Da dachte ich: Das verlangt ein Krahnenbäumen zur Nord-Süd-Fahrt hohes Maß an Aufmerksamkeit für hinaufführt. Es ist total wichtig, dass Situationen und Szenen. die da ist. Bis in die späten 1960er-Jahre Ja, aber das ist auch ein sehr genuss- gab’s die nicht. Da mussten die Men- voller Augenblick, mal auf der Bank zu schen durch die Dagobertstraße oder die sitzen, statt durch die Stadt zu rasen. Das Machabäerstraße gehen, um auf den ist ja eine sehr ruhige Zone hier, was auch Eigelstein zu kommen. Aber schön ist die von den Leuten angenommen wird. Ein nicht. Und wenn ich die Studierenden mit Teil nutzt das natürlich auch als Passage ihren Instrumenten auf den Stufen sehe, von Nord nach Süd. Aber ein Teil sitzt dann denke ich, auch für sie wäre es da, liest in der Zeitung oder spricht mit- schöner, wenn die Straße immer noch einander. Das ist eine schöne ruhige Si- mit einem sanften Gefälle zu St. Kunibert tuation. Wenn ich nun um die Ecke gehe führen würde. Das ist aber vorbei. in die Straße Unter Kahlenhausen, da
Chargesheimer, Köln, Unter Krahnenbäumen, Ecke An der Linde/ Unter Kahlenhausen, Mitte 1950er-Jahre Doppelseite aus dem Buch »Chargesheimer/ Heinrich Böll, Unter Krahnenbäumen – Bilder einer Straße« Köln 1958 Greven Verlag stand früher an der Ecke UKB ein großes standen davor und lasen. Die Plakate wa- Mietshaus mit Lebensmittelgeschäften im ren ja Unikate. Und das kam an, ich habe Erdgeschoss. Heute ist dort der Eingang es ja beobachtet. Die Leute konnten zur Musikhochschule. Also ist es immer sich einen Standpunkt bilden. Das finde noch belebt, aber anders. Heute stehen ich gut. dort junge Menschen mit dem Kontrabass auf dem Rücken und reden, bevor sie ins In vielen Fotos in Ihrem Werk fin- Gebäude gehen. den sich Orte im Viertel, von denen die Leute sagen würden, es sind Können Sie Menschen verstehen, hässliche Orte. Und doch wirken sie die den alten Zeiten hinterher- durch die Fotografie anders. trauern? Die Ecken werden durch das Fotogra- Irgendwann habe ich mir gesagt, es fieren ja nicht schöner. Sie sind so etwas hat keinen Zweck, darüber zu jammern, wie Landmarken, an denen sich die was alles weg ist. Aber da ist etwas Neues Menschen orientieren. Wenn man sich hingekommen, was auch lebendig ist und in einem Viertel bewegt, ist nicht alles im Viertel eine Ausstrahlung hat. Dann immer so, wie man es haben möchte. kann ich das annehmen und muss nicht Aber bestimmte Ecken gehören zum Er- unbedingt dem Vergangenen hinterher- leben einer Stadt hinzu. Und wenn man trauern. sie länger betrachtet, kann man ihnen etwas abgewinnen. Vielleicht werden Es gibt immer noch – trotz eines sie irgendwann mal verändert. Aber zu- Rückzuges ins Private und digita- nächst mal gehören sie dazu. len Versammlungsformen – eine Bedürftigkeit nach öffentlichem, Gibt’s für Sie Grenzen, die auch strukturierendem Raum. Warum? der fotografische Blick nicht mehr 24 Im öffentlichen Raum sind Kontakt toleriert? und Austausch direkt. Man kann sich Natürlich, zum Beispiel die Unterfüh- treffen, sich sehen, miteinander reden. rungen am Bahnhof, die nach Urin rie- Als die Gemeinde neulich die großen chen, wo also noch andere als optische Plakate zum Flüchtlingsthema auf dem Reize dazu kommen. Oder da, wo ich Neusser Platz aufgestellt hatte, dann angepöbelt werde. Neulich war ich mit saßen die Leute auf den Bänken oder meiner Frau am Eigelstein verabredet.
Wir fuhren mit den Fahrrädern los. Plötz- ist weithin sichtbar. Die ist ja mit Bedacht lich kam von hinten ein lautes Rufen und an diese Stelle gesetzt worden. Die Kir- Grölen. Da war eine Gruppe von rechts- chen sind schon Glanzpunkte, auch äu- radikalen Provokateuren, die sich dort ßerlich. Und wenn man wie ich auch viel formiert hatten. Sie wollten die voll be- mit historischen Fotos arbeitet, sieht setzten Straßencafés als Publikum nut- man, wie kaputt die Kirchen nach dem zen. So etwas finde ich 70 Jahre nach Krieg waren und wie viel Mühe verwandt Kriegsende unerträglich und beschämend. worden ist, um sie wieder zu dem zu machen, was sie waren. Eine Kirche ist Sie haben eine sehr große Gelas- Identifikations- und Schutzraum. senheit in Ihren Fotos, finde ich. Sie urteilen nicht. Als neulich in St. Ja. Ich nehme mehr auf und gebe wei- Agnes die Glocken ter. Ich überliefere. Manchmal ist es ein wochenlang nicht lapidarer Blick die Straße herunter, der funktionierten, einem sonst nicht auffällt. Auf den versu- haben Menschen che ich mich einzulassen. Wenn ich lange erzählt, dass sie genug hinschaue, fängt die Straße auf ein- zum ersten Mal in mal an zu sprechen. Das zu überliefern, ihrem Leben ver- das empfinde ich als meine Aufgabe: ein schlafen haben, Abbild zu schaffen von dem Alltäglichen, weil sie das Geläut was uns alle prägt. Das ist ja oft das Un- um sechs Uhr scheinbare, das ist ja das Schöne daran. nicht geweckt hat. Foto: Barbara Räderscheidt Identifikation pas- Unsere Viertel hier werden ja auch siert auf viele Arten. Das Gespräch mit Eusebius von den Kirchen dominiert. Welche In einer Kirche wird Wirdeier führte Peter Otten Bedeutung haben diese Gebäude der Lärm abgehalten, am 14. Oktober 2015 in immer noch für die Menschen? das Treiben drau- Weisers Bäckerei und Café, An der Linde 14, direkt Das sind natürlich Bauwerke, die ßen bleibt außen vor. neben dem Westwerk von wegen ihrer Architektur wahrgenommen Das finde ich schön. St. Kunibert. Informationen werden, wegen ihrer Schönheit. St. Agnes Sie hat eben nur den über den bekannten Kölner steht mitten auf dem Neusser Platz und Zweck, dass man Fotografen finden Sie hier: sich darin aufhält. www.eusebius-wirdeier.de Der Kalender der Pfarrgemeinde St. Agnes 2016 ist ein 25 Geschenk an die ehrenamtlich Mitarbeitenden. Einige wenige Exemplare sind ab dem 29. November im Pfarrbüro und in der Agnes- buchhandlung für 12,50 Euro erhältlich.
Der Innenhof des neuen Pfarrzentrums von St. Agnes am Tag der Eröffnung und Einsegnung am 18. Oktober 2015 Ein neues Text: Ute Strunk Fotos: Sebastian Linnerz Mehrgenerati Beinahe in geplanter Bauzeit Hans Reusteck für ihren außergewöhnli- wurde das neue Gemeindezentrum chen Einsatz. Meiering, ehemals Kaplan St. Agnes fertiggestellt in St. Agnes (2003 bis 2006), sprach von einem bedeutenden Ort für die Ge- Im Spätherbst 2015 war es soweit: Unter meinde: »Hier kann sich Kirche ereignen. reger Anteilnahme feierte die Kirchen- Dieses neue Pfarrzentrum mit Kinder- gemeinde St. Agnes mit Generalvikar tagesstätte, Jugendheim und Sitzungs- Dr. Dominik Meiering und Architekt Tho- und Funktionsräumen ist ein Paradebei- mas Duda eine Festmesse, in deren An- spiel für einen Ort, an dem ganz unter- 26 schluss Meiering den Neubau einsegnete. schiedliche Menschen unter einem Dach Gemeindezentrum, Kindergarten und Ju- zusammenkommen, die zusammenge- gendbereich haben damit an altem Platz hören.« ein neues Zuhause gefunden. Ebenso unterstrich der mit Planung Pfarrer Frank Müller bedankte sich und Umsetzung beauftrage Thomas Duda herzlich bei allen Mitarbeitern; nament- den Gemeindegedanken: »Ein Haus der lich bei den ehrenamtlich steuernden Begegnung für alle Generationen, das als Projektbegleitern Birgitt Caspers und Begegnungszentrum konzipiert ist.«
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