Neue Sicht aufs Licht - Universität Oldenburg

Die Seite wird erstellt Holger Kohler
 
WEITER LESEN
Neue Sicht aufs Licht - Universität Oldenburg
Wissen und Innovationen                                    2 | 2019
                         aus niedersächsischen
                         Hochschulen

                         Technologie-Informationen

Neue Sicht aufs Licht
Biophotonik          Analytik            Quantenforschung        Lasertechnik
Maßgeschneidertes    Durchblick mit      Neue Erkenntnisse und   Schutz vor
Licht für Pflanzen   Infrarot-Sensoren   Anwendungen             Produktpiraterie
→ Seite 9            → Seite 12          → Seite 16              → Seite 23
Neue Sicht aufs Licht - Universität Oldenburg
2                                   Inhalt und Vorwort

Inhalt                                                   Liebe Leserinnen und Leser,
                                                         optische Technologien sind Innovationstreiber, als Querschnitts- und
Technologie-Informationen 2 | 2019
                                                         Schlüsseltechnologien für alle wirtschaftlich und gesellschaftlich relevanten
Neue Sicht aufs Licht
                                                         Bereiche prägend. Deutsche Unternehmen sind in Bereichen wie Lasertechnik,
                                                         Mikroskopie, Sensorik, Bildgebung und Beleuchtung Weltmarktführer.
 3     Aktuelles
                                                         In der modernen Produktionstechnik sind Laser als universelle Werkzeuge
 4     Was bedeutet Licht für Sie?                       zum Schneiden, Schweißen, 3D-Drucken, zur Mikro- oder Nanobearbeitung
                                                         unverzichtbar, von der Fertigung hochintegrierter Computerchips bis hin
 6     PhoenixD – digitale Technologien
                                                         zu ganzen Kreuzfahrtriesen. Optische Sensorik und Bilderfassung ist für
		     revolutionieren die Optik
                                                         Industrie 4.0 so wichtig wie für die Mobilität mit autonomen Fahrsystemen.
 8     Blaulicht – Vorfahrt für wertvolle                Optische Technologien bilden die Brücke zwischen der realen und der digitalen
		 Pflanzenstoffe                                        Welt und ermöglichen den rasanten Zuwachs der Datenraten im Internet.
                                                         In der Medizin lassen sich durch Lasereinsatz präzise Operationen minimalin-
 9     Biophotonik – maßgeschneidertes
                                                         vasiv durchführen, neuartige optische Sensoren beschleunigen die Diagnostik.
		     Licht für Pflanzen

10     Digitalisierung im Stall                          Niedersächsische exzellente Forschung und Entwicklung trägt signifikant zu den
		     entlastet Tierwirte                               Innovationen bei, wie die Beiträge in diesem Heft zeigen. Der Querschnitt reicht
                                                         von Lebenswissenschaften, optischer Messtechnik, Informations- und Sicher-
11		   Unkraut mittels Lasertechnik
                                                         heitstechnik, Produktionstechnik, Quantentechnologien und photonischen
		 bekämpfen
                                                         Schaltelementen bis hin zur motivierenden Nachwuchsförderung mit Lego®.
12		   Durchblick mit Infrarot-Sensoren
                                                         Lassen Sie sich von den spannenden und innovativen Forschungsprojekten
13		   Mehr sehen in der Mikroskopie
                                                         der niedersächsischen Forscherinnen und Forscher inspirieren. Erhalten Sie im
14     Defekte an Oberflächen –                          Jahrhundert des Photons einen Einblick in die Zukunftslabore zur nachhaltigen
		     dem Licht entgeht nichts                          Entwicklung Niedersachsens und unserer Gesellschaft.
15		   Kommunizierende Scheinwerfer
		     für sicheren Straßenverkehr

16     Quantenforschung für neue
		     Erkenntnisse und Anwendungen

18     Glasfasern als Lichtleiter
		     und Strahlquelle
                                                                                            Prof. Dr. Walter Neu
19     Transistor der Zukunft –                                                             Institut für Laser und Optik (ILO)
		     ultraschnell dank Licht                                                              Hochschule Emden/Leer

20     Schneller als der Wind –
		     Winzige Windwirbel exakt gemessen
		     Turbulenzen im Laserlicht

22     Multifunktionale
		     optische Materialien

22     Optik für alle

23     Lasergeschriebenes Hologramm
		     schützt vor Produktpiraterie

24     Ultrakurzpulslaser –
		     hochpräzise und extrem schnell

25     Mit dem Laser zur
		     gewünschten Oberfläche
                                                         Die Technologietransferstellen der niedersächsischen
26     Laserbearbeitung ist Kopfsache                    Hochschulen erleichtern insbesondere kleinen und mittleren
                                                         Unternehmen sowie öffentlichen Einrichtungen den Zugang
                                                         zu Forschung und Entwicklung. Bei Fragen oder Kontakt-
                                                         wünschen wenden Sie sich bitte an die Transferstelle in Ihrer
                                                         Region. Ihre Ansprechpartner finden Sie auf der vorletzten
                                                         Seite der Technologie-Informationen.
Neue Sicht aufs Licht - Universität Oldenburg
Aktuelles                         3

Aktuelles

Sicherer Datenaustausch                                                       Expertenforum
Veranstaltung für die Wirtschaft                                              Produktionsplanung und -steuerung

Den sicheren Datenaustausch zwischen Unternehmen                              Wie sieht die Produktionsplanung und -steuerung der
entlang von Wertschöpfungsketten zu unterstützen ist das Ziel                 Zukunft aus? Welchen Nutzen bringt die Digitalisierung
des International Data Space (IDS). Am 19. Juni 2019 stellt die               für die Produktion? Wie können sich produzierende
TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissen-                    Unternehmen auf zukünftige Anforderungen vorbereiten?
schaften gemeinsam mit dem Forschungszentrum L3S den IDS                      Diese und weitere Fragen stehen im Vordergrund des
in Hannover vor. Mit dem Vorstand Boris Otto ist die Interna-                 Expertenforums Produktionsplanung und -steuerung
tional Data Spaces Association vertreten, die als Verein aus                  am 14. Mai 2019 in Frankfurt am Main.
einem Forschungsprojekt von zwölf Instituten der Fraunhofer-
Gesellschaft hervorging.                                                      Veranstaltet wird das Expertenforum vom Institut für
                                                                              Fabrikanlagen und Logistik der Leibniz Universität Hannover
Es wird Impulsvorträge aus Wirtschaft und Forschung zum                       in Zusammenarbeit mit dem Werkzeugmaschinenlabor WZL
Thema sicherer Datenaustausch geben. Auf der Veranstaltung                    der RWTH Aachen, der Fraunhofer-Einrichtung IGCV und
wird auch der Niedersächsische IDS Hub gegründet, der dazu                    dem Institut für Produktionsmanagement und -technik der
dienen soll, Best-Practices auszutauschen, an konkreten                       Technischen Universität Hamburg. Durch Impulsvorträge
Anwendungsfällen zu arbeiten, Trainings anzubieten und                        führender Forschungsinstitute sowie hochrangiger Industrie-
den IDS als Basis für neue KI-Anwendungen zu nutzen.                          vertreter werden Trends, Best Practices und Erfolgsfaktoren
                                                                              aufgezeigt. Interessierte sind herzlich eingeladen, das
www.l3s.de/de/events                                                          Expertenforum zum Erfahrungs- und Wissensaustausch
                                                                              und zur Vernetzung zu nutzen.

                                                                              www.expertenforum-pps.de

Elektromagnetisches Spektrum

Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki; Grafik: Horst Frank / Phrood / Anony; CC BY-SA 3.0
Neue Sicht aufs Licht - Universität Oldenburg
4              Prolog

                              »Licht bedeutet
                                      Leben«
                               Prof. Dr. Jutta Papenbrock
                                        Institut für Botanik

    Was                       Leibniz Universität Hannover

    bedeutet
    Licht für
    Sie?

      »Licht bedeutet
             Energie«
           Prof. Dr. Michael Wark
      Lehrstuhl Technische Chemie
            Universität Oldenburg

                        »Licht bedeutet
                                Sehen«
                    Prof. Dr.-Ing. Roland Lachmayer
     Institut für Produktentwicklung und Gerätebau
                         Leibniz Universität Hannover
Neue Sicht aufs Licht - Universität Oldenburg
Prolog           5

    »Licht bedeutet
    Länge«
    Prof. Dr.-Ing. Rainer Tutsch
    Institut für Produktionsmesstechnik
    Technische Universität Braunschweig

                        »Licht bedeutet
                        Arbeit«
                        Prof. Dr. Alexander Egner
                        Laser-Laboratorium Göttingen e. V.

»Licht bedeutet
Information«
Prof. Dr. Mirco Imlau
Fachbereich Physik
Universität Osnabrück
Neue Sicht aufs Licht - Universität Oldenburg
6                 Forschung

enixD                                     Vision 1
                                          Adaptive PhoenixD-Brille als interaktive Sehhilfe,
                                          die sich situativ anpasst

PhoenixD — digitale Technologien
                                                            P
Digitale Optik ersetzt die alte analoge Optik –                   räzisionsoptische Systeme erfüllen vielfältigste
                                                                  Funktionen in den Lebenswissenschaften, der
das ist das Ziel des Forschungsverbundes                          Produktionstechnik, der Sensorik und im täg-
PhoenixD. Die Exzellenzstrategie von Bund                    lichen Leben. »Solche Systeme werden in komplexen
                                                             mehrstufigen Prozessen hergestellt und betrieben«,
und Ländern unterstützt Forscherinnen und                    berichtet Dr. Sebastian Dikty von der Leibniz
Forscher aus fünf niedersächsischen                          Universität Hannover. »Sie beruhen dabei häufig
                                                             auf Handarbeit und mühevoller Justage. Die damit
Einrichtungen mit einer Millionenförderung                   verbundenen hohen Kosten verhindern ihren
ab 2019 für sieben Jahre. Optische Präzisions-               massenhaften Einsatz.« Mit den Schlagworten
                                                             Industrie 4.0 und additive Fertigung vollzieht sich
geräte aus kostengünstiger additiver Fertigung               bereits in der modernen Produktion der Wandel zur
sollen individuelle Lösungen für vielfältige                 IT-vernetzten, smarten und individualisierten Ferti-
                                                             gung zu geringen Kosten. Können digitale Tech-
gesellschaftliche Probleme liefern.                          niken auch die Entwicklung und Herstellung von
                                                             Präzisionsoptik revolutionieren?

                                                             Die Optik der Zukunft

                                                             Antworten liefert der Exzellenzcluster PhoenixD
                                                             (Photonics, Optics and Engineering – Innovation
                                                             Across Disciplines). Kooperationspartner der Leibniz
                                                             Universität Hannover sind die Technische Universität
                                                             Braunschweig, das Laser Zentrum Hannover e. V.,
                                                             das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik
                                                             (Albert-Einstein-Institut) sowie die Physikalisch-
                                                             Technische Bundesanstalt. »Jetzt ist der Moment,
                                                             die typische alte analoge Optik durch eine neue
                                                             digitale Optik zu ersetzen«, ist Prof. Uwe Morgner
                                                             überzeugt. Als Sprecher des Exzellenzclusters sieht
                                                             er hierfür drei Voraussetzungen erfüllt: »Steigende
                                                             Rechnerleistungen und künstliche Intelligenz haben
                                                             die Simulationskapazitäten vervielfacht. Zudem
                                                             können der 3D-Druck und neue Materialien den
                                                             Werkstoff Glas ersetzen.«
Neue Sicht aufs Licht - Universität Oldenburg
Forschung   7

Vision 2                                                      Vision 3
Point-of-Care-Diagnose-System für medizinische                PhoenixD-System zur Kommunikation von
Diagnosen oder Umweltanalysen                                 Fahrzeugen untereinander und mit Fußgängern

revolutionieren die Optik
An der Optik der Zukunft arbeiten Expertinnen und     anspruchsvolle Prozesse steuern, um selbstlernende
Experten unterschiedlicher Disziplinen zusammen.      und -optimierende Elemente in die Prozessketten zu
»Physiker, Mathematiker und Informatiker erstellen    integrieren. »Auch auf dem Gebiet der Lichttechnik
zum Beispiel vor der Fertigung exakte Betriebs-       sowie der Umwelt- und Arbeitssicherheit wird
vorhersagen für optische Systeme«, erläutert Uwe      PhoenixD mit adaptiven, flexiblen und individuellen
Morgner. Maschinenbauer und Elektrotechniker          Lichtwerkzeugen neue Entwicklungen anregen«,
entwickeln Produktionsmaschinen und erreichen         stellt Sebastian Dikty in Aussicht. Beispiele sind
mit neuen Fertigungs- und Messtechniken feinste       hochdynamische Beleuchtungssysteme für Fahr-
optische Strukturen. Chemiker und Materialwissen-     zeuge (siehe Seite 15) sowie integrierte optische
schaftler schließlich entwickeln hybride, transpa-    Sensoren und Kommunikationssysteme im Automo-
rente und druckfähige Materialien. »So können         tive-Bereich, 3D-Projektoren mit Mensch-Maschine-
wir optische Systeme realisieren, die individuell     Interaktion sowie Gas- und Flüssigkeitssensoren.
anpassbar sind und neue Anwendungsgebiete
erschließen«, fasst der Sprecher zusammen.            Vielleicht werden Landwirte bald imstande sein,
                                                      Unkraut ohne Herbizide effizient zu bekämpfen –
Optische Sensoren und Lichtwerkzeuge                  mit Hilfe eines schnellen und hochpräzisen Mehr-
                                                      strahl-Laserscanning-Systems, das Unkraut optisch
In den Visionen von PhoenixD werden die digita-       von Nutzpflanzen unterscheidet (siehe Seite 11).
lisierten, adaptiven Optiken in alle Lebensbereiche   Darüber hinaus stehen wissenschaftliche Optiken
hineinwirken. Die Vielzahl optischer Elemente und     im Fokus von PhoenixD, etwa hochauflösende
Materialien, die bereits für Spezialanwendungen       Mikroskopie und Bildgebung. Schließlich wird
entwickelt wurden, dienen hierbei als Ausgangs-       PhoenixD kompakte Laserlichtquellen, aktive und
punkt. Sebastian Dikty, Geschäftsführer des Exzel-    passive mikro- und nanooptische Komponenten
lenzclusters, gibt einen Überblick über die mög-      sowie präzise Lasermessgeräte wie Interferometer
lichen Anwendungen: »Zum Beispiel könnte in           oder resonante Strukturen anbieten. Diese Systeme
Zukunft die individuelle Brille samt Gestell und      sollen disziplinübergreifend einsetzbar sein und
Optik aus dem 3D-Drucker kommen und sich              im Vergleich zu derzeitigen Geräten eine deutlich
situativ an Sehschärfe oder Helligkeit anpassen«,     reduzierte Komplexität und potenziell neue
führt er aus. Ebenso könnten leichte und kosten-      Funktionalitäten aufweisen.

                                                                                                    Pho
günstige optische Sensorsysteme einen Tropfen
Blut oder Proben aus der Umwelt schnell und
präzise vor Ort analysieren.                          Exzellenzcluster PhoenixD
                                                      Leibniz Universität Hannover
Für die industrielle Fertigung planen die Forsche-    Telefon 0511 762-14770
rinnen und Forscher neuartige Messkonzepte.           office@phoenixd.uni-hannover.de
Optische Präzisionsmessgeräte sollen dabei            www.phoenixd.uni-hannover.de
Neue Sicht aufs Licht - Universität Oldenburg
8                              Forschung

Quinoa-Sprossen reagieren auf Licht verschiedener              Die massenspektrometrische Analyse von Quinoa-Extrakten zeigt,
Wellenlängen mit verändertem Wachstum und der                  dass sich der Gehalt an Inhaltsstoffen je nach Lichteinwirkung erhöhen lässt.
Bildung unterschiedlicher Pflanzenstoffe.

Blaulicht — Vorfahrt
für wertvolle Pflanzenstoffe
Pflanzen enthalten eine Vielzahl von wertvollen Inhaltsstoffen,
die unsere Gesundheit fördern. Die Konzentration dieser Substanzen hängt
von den Umweltbedingungen ab, zum Beispiel von den Lichtverhältnissen.
Das Institut für Botanik der Leibniz Universität Hannover untersucht, wie sich
der Gehalt gesundheitsfördernder Pflanzenstoffe durch verschiedene
Lichtqualitäten erhöhen lässt.

                              L
                                    icht reguliert nicht nur das Größenwachstum        Die Ergebnisse zeigen, dass blaues Licht die
                                    der Pflanzen, sondern ihren gesamten Stoff-        Gesamtkonzentration von Flavonoiden im Vergleich
                                    wechsel. Damit beeinflusst Licht auch die          zu rotem und weißem Licht erhöht hat. Vor allem
                               Bildung sekundärer Stoffwechselprodukte, die für        Quercetin-konjugierte Verbindungen wurden durch
                               die Pflanzen meist nicht lebensnotwendig sind.          die unterschiedlichen Lichtwellenlängen beeinflusst.
                               Viele dieser Substanzen sind aber wertvoll für          Das deutet auf einen bestimmten Biosynthese-Weg
                               unsere Gesundheit. So wirken Flavonoide und             hin, der auf Blaulicht reagiert. Die Gesamtkonzen-
                               phenolische Verbindungen stark antioxidativ.            tration der phenolischen Substanzen änderte sich
                               Quinoa (Chenopodium quinoa) etwa zeichnet sich          im Vergleich zur Kontrolle nicht durch das blaue
                               durch eine hohe Konzentration dieser Verbin-            Licht. Eine einzelne Phenolsäure, die Ferulasäure,
                               dungen und einen hohen Proteingehalt im Samen           wurde nur bei Blaulicht gebildet, das Wachstum
                               aus. Zudem ist die stresstolerante Pflanzenart aus      der Pflanzen ging hingegen leicht zurück. Das
                               den Anden an extreme Umweltbedingungen ange-            Forschungsteam arbeitet daran, die Erhöhung von
                               passt und hat somit weltweit Interesse als Nutz-        gesundheitsfördernden Substanzen durch Kultivie-
                               pflanze gefunden.                                       rung unter bestimmten Lichtbedingungen noch
Bei der LED-                                                                           besser zu verstehen und in die Praxis umzusetzen.
Beleuchtung in                 Die Botanikerinnen und Botaniker untersuchen in
der Klimakammer                Hannover die Auswirkungen verschiedener Licht-          Leibniz Universität Hannover
am Institut für Botanik        wellenlängen auf das Wachstum und die Konzen-           Institut für Botanik
lassen sich die Wellen-        tration der sekundären Pflanzenstoffe von Quinoa-       Sebastian Pinzón González, M. Sc.
längen und Intensität          Sprossen. Dazu ziehen sie Quinoa-Setzlinge in           Dr. Yvana Glasenapp
variieren.                     Petrischalen unter blauem, rotem und weißem Licht       Prof. Dr. Jutta Papenbrock
                               mit verschiedenen Intensitäten und Einwirkzeiten        papenbrock@botanik.uni-hannover.de
                               an. Nach sechs Tagen identifizieren sie einzelne        www.botanik.uni-hannover.de
                               Verbindungen mittels Massenspektrometrie, ana-
                               lysieren das Wachstum der Setzlinge, die Konzen-
                               tration an phenolischen Säuren, Flavonoiden und
                               die antioxidative Kapazität.
Neue Sicht aufs Licht - Universität Oldenburg
Forschung                           9

Biophotonik —
maßgeschneidertes Licht für Pflanzen
Dynamisch steuerbare LED-Belichtungsmodule für In-vitro-Kulturen

P
      flanzen erhalten die Energie für Wachstums-      ein flexibles Belichtungsmodul entwickelt. Mit
      und Stoffwechselprozesse durch Licht. Gleich-    diesem speziell für die In-vitro-Kultur konzipierten
      zeitig dient Licht über spezifische Fotorezep-   LED-Forschungsmodul können die Forschenden
toren als Informationsquelle und hat Einfluss auf      Effekte von Licht in verschiedenen Entwicklungs-
wichtige Entwicklungsprozesse wie Blüteninduk-         phasen der Pflanzen untersuchen und unterschied-
tion, Spross- und Wurzelbildung sowie die Kom-         liche Lichtcharakteristika dynamisch steuern. Unter
position von Inhaltsstoffen. In der pflanzlichen       Berücksichtigung biophotonischer Aspekte höherer
In-vitro-Kultur jedoch bleibt insbesondere der phy-    Pflanzen wählten sie die Emissionspeaks der LEDs
siologische Effekt der Lichtqualität oft ungenutzt.    anhand der Absorptionsmaxima der pflanzlichen
                                                       Fotorezeptoren aus.
Durch die In-vitro-Kulturtechniken werden beispiels-
weise qualitativ hochwertige Pflanzen wie Orchi-       Das Modul ist Mikrocontroller-basiert und steuert
deen, Gehölze und Aquariumspflanzen vegetativ          drahtlos über eine Webseite Lichtintensität, Licht-
vermehrt oder isolierte Pflanzenzellen regenerieren    qualität, Photoperiode und Frequenz der LEDs.
auf künstlichem Nährmedium zu vollständigen            Als weitere Besonderheiten verfügen die Proto-
Pflanzen. Notwendige Wachstumsprozesse werden          typen über aktive Wasserkühlung, Temperatur-
vorrangig durch Zugabe von Pflanzenhormonen            sensoren, homogene Lichtintensitätsverteilung
ausgelöst. Allerdings gibt es dadurch auch nach-       sowie UV-B-LEDs. Das Institut hat eine Anschluss-
teilige Effekte wie genetische, epigenetische oder     förderung des Gesamtprojekts zur Weiterentwick-
morphologische Veränderungen. Am Institut für          lung der Prototypen bereits beantragt.
Gartenbauliche Produktionssysteme der Leibniz
Universität Hannover sehen die Forschenden vor         Leibniz Universität Hannover
allem im Faktor Licht einen innovativen Ansatz,        Institut für Gartenbauliche Produktionssysteme
um pflanzliche Entwicklungsprozesse zu steuern.        Hans Bethge, B. Sc.
                                                       Prof. Dr. Traud Winkelmann
Im Gegensatz zu Leuchtstoffröhren mit konstantem       bethge@baum.uni-hannover.de
Emissionsspektrum, die pflanzliche Kulturen übli-
cherweise belichten, stellen LEDs eine immer effi-
zienter werdende Alternative dar. Aus diesem
Grund hat Masterstudent Hans Bethge an der
Universität Hannover, unter der Leitung von
Prof. Traud Winkelmann und in Kooperation mit
Prof. Thomas Rath von der Hochschule Osnabrück,

Mit dem eigens entwickelten Webinterface lassen        Die im Mehretagensystem installierten LED-Belichtungsmodule sind
sich die Belichtungsmodule ansteuern.                  speziell für die pflanzliche In-vitro Kultur entwickelt worden. Sie zeichnen sich
                                                       durch variable Lichtintensität, dynamisch einstellbare spezifische Emissionsspektren
                                                       und homogene Verteilung der Lichtintensität aus.
Neue Sicht aufs Licht - Universität Oldenburg
10                Praxis

Digitalisierung im Stall
entlastet Tierwirte
In der Landwirtschaft liegen große
Potenziale für den Einsatz digitaler Technologien.
Das Start-up corvitac entwickelt mit dem
Pig-Counter ein vollautomatisches Zählsystem,
                                                                        Timo Kaiser (von links), Yiyun Luo und Manuel Sprehe
das Tierwirte bei ihren aufwändigen                                     entwickeln mit ihrem Start-up corvitac ein automatisiertes
Dokumentationsaufgaben unterstützt.                                     Kamerasystem, um Tierwirte von Bürokratie zu entlasten.

                  Von Christina Amrhein-Bläser

                  Z
                         unehmende Dokumentations- und Organisa-           unterstützt. Zusammen mit Timo Kaiser und Yiyun
                         tionsaufgaben haben die Arbeit in der Land-       Luo entwickelt Maschinenbauingenieur Manuel
                         wirtschaft stark verändert. Existenzgründer       Sprehe ein Kamerasystem, welches Tiere automa-
                  Manuel Sprehe weiß, wovon er spricht: »Als Kind          tisiert erfassen und damit Kontroll- und Dokumen-
                  habe ich meinem Vater regelmäßig bei seiner Arbeit       tationsaufgaben deutlich beschleunigen und
                  als Ackerbauer und Schweinehalter geholfen und           vereinfachen soll. Der Pig-Counter soll Schweine
                  ihn zum Beispiel bei der Tierkontrolle unterstützt.      während der Umstallung fehlerfrei zählen, die
                  Heute findet ein Großteil seiner Arbeit im Büro          Tieranzahl speichern und an entsprechende Melde-
                  statt.« Viele Landwirte könnten mittlerweile nur         datenbanken übermitteln sowie den Tierzustand
                  noch selten im Stall sein, erzählt Manuel Sprehe.        belegen. Die Daten lassen sich automatisch im
                  Dadurch ginge viel Erfahrung und Zeit verloren, um       betriebsinternen Qualitätsmanagementsystem
                  etwa frühzeitig Krankheiten oder andere Probleme         speichern. Zusätzliche Hardware oder RFID-
                  bei den Tieren zu erkennen. »Mit unserem Unter-          Ohrmarken sind nicht notwendig.
                  nehmen wollen wir die Bürokratie soweit automa-
                  tisieren, dass mein Vater, seine Kolleginnen und         »Die Schweine leben je nach Altersstufe in
                  Kollegen wieder mehr Zeit haben, sich selbst um          speziell dafür ausgelegten Sauen-, Ferkel- oder
                  die Tiere zu kümmern.«                                   Mastställen«, erläutert Manuel Sprehe. »Üblicher-
                                                                           weise werden die Tiere mindestens zweimal pro
                  Das Gründungsteam corvitac wird vom Mecha-               Umstallung durch das Personal von Hand gezählt.«
                  tronik-Zentrum Hannover der Leibniz Universität          Selbst in kleinen Betrieben sei die Zählung zeitauf-
                  betreut und von einem EXIST-Gründerstipendium            wändig, »und jeder Fehler führt zu einem Umsatz-
                                                                           verlust, wenn der Landwirt die Tiere verkauft«,
                                                                           berichtet er. Der automatisierte Zählprozess entlaste
                                                                           nicht nur den Landwirt zeitlich und finanziell,
                                                                           sondern reduziere auch den Stress für das Tier.
                                                                           »Mit dem gesicherten Videomaterial kann der
                                                                           Landwirt zudem die Haltungsqualität transparent
                                                                           gegenüber der Gesellschaft nachweisen«, hebt der
                                                                           Gründer einen weiteren Vorteil hervor. Sein Team
                                                                           plant nun, das System im Markt zu testen und um
                                                                           zusätzliche Module zu erweitern.

                                                                           corvitac
                                                                           c/o MZH – Mechatronik-Zentrum Hannover
                                                                           Leibniz Universität Hannover
                                                                           Manuel Sprehe, M. Sc.
                                                                           team@corvitac.de
                                                                           www.corvitac.com
Forschung                                 15
                                                                                                                                                11

Unkraut mittels
Lasertechnik bekämpfen
Das Laser Zentrum Hannover (LZH) arbeitet an einem
neuen Ansatz für die Unkrautbekämpfung in der Pflanzen-
produktion. Statt Herbizide nach dem Gießkannenprinzip                                                            Wenn hochdosierte
auszubringen, wollen die Wissenschaftlerinnen und                                                                 Laserstrahlung die
                                                                                                                  Wachstumszentren
Wissenschaftler Unkraut physikalisch bekämpfen: Ein Laser                                                         unerwünschter Beikräuter
soll das empfindliche Wachstumszentrum »veröden«.                                                                 verödet, stirbt die Pflanze
                                                                                                                  (Mitte, nach 14 Tagen) oder
                                                                                                                  wächst schwächer (rechts).

D
       as Ziel des neuen Projektes ist es, weniger       Nachteile und auch die Lebensmittelproduktion            Links ist eine unbehandelte
       Herbizide auf Anbauflächen auszubringen           wäre chemisch weniger belastet.                          Kontrollpflanze.
       und die wuchshemmenden Beikräuter
selektiv durch Laserstrahlung zu entfernen. Dazu         Die laserbasierte Unkrautbekämpfung wurde bereits
entwickelt die Gruppe Food und Farming einen             in mehreren Publikationen erfolgreich demonstriert.
Demonstrator mit einem robusten, feldtauglichen          Notwendig für einen großflächigen Einsatz sind
und sicheren Lasersystem. Zusammen mit verfüg-           jedoch noch robustere Laserstrahlquellen sowie eine
baren Sensor- und Fahrzeugsystemen soll ein              möglichst fehlerfreie optische Beikrauterkennung
solcher Demonstrator in naher Zukunft über die           unter schwierigen Umwelt- und Bodenbedingungen.
Anbauflächen fahren und Beikraut anhand der              Das LZH forscht im Exzellenzcluster PhoenixD an der
Merkmale Form und Absorptionsspektrum optisch            Entwicklung neuer, stabiler und preiswerter Optiken,
erkennen. Um ungewollte Pflanzen präzise veröden         die einen wartungsarmen und störungsfreien
zu können, ermitteln die Forschenden im weiteren         Normalbetrieb ermöglichen.
Projektverlauf die notwendige Bestrahlungsdauer
und -dosis zur letalen Schädigung der Pflanzen.          Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt fördert das
                                                         Projekt »NUBELA«. Als Kooperationspartner betei-
Je nach eingesetztem Laser, verwendeter Para-            ligen sich die Firmen LASER on demand aus Nieder-
meter und zu schädigender Pflanzenart können             sachsen und IPG Laser aus Nordrhein-Westfalen.
die Bestrahlungsdauern erheblich variieren. Unter-       Das Projektteam will die Technologie möglichst
schiedliche Veröffentlichungen zeigen notwendige         schnell zur Marktreife bringen.
Bestrahlungen von wenigen Millisekunden bis zu
einer Sekunde. Der laserbasierte Ansatz hat gleich       Laser Zentrum Hannover e.V.
mehrere Vorteile: Pflanzenbauer brauchen weniger         Abteilung Industrielle und Biomedizinische Optik
Herbizide, die Pflanzen können keine Resistenzen         Dr. Tammo Ripken
gegen die Laserstrahlung entwickeln, für die aus         Telefon 0511 2788-228
Sicht der Biodiversität nützlichen Beikräuter und        t.ripken@lzh.de
Nützlingsinsekten auf den Flächen entstehen keine        www.lzh.de

Vision von autonomen Feldrobotern zur Laser-gestützten                Struktureller Aufbau einer robusten
Unkrautbekämpfung                                                     Applikationsoptik
12                            Technologieangebot

Der Infrarotsensor NIRScreen untersucht beim Milchpulver                  Der Sensor ist mit Powerbank für den
Kontaminationen durch Melamin.                                            mobilen Einsatz geeignet.

Durchblick mit Infrarot-Sensoren
Die nächste Generation der Prozessanalytik

                             I
                                n vielen industriellen Produktionsprozessen ist       dank des breiten Lichtspektrums (900 bis 2500 nm)
                                eine kontinuierliche Kontrolle der Vorgänge unab-     verschiedenste Parameter in direkter Prozessum-
                                dingbar. Bei der Qualitätsprüfung von Rohstoffen      gebung berührungslos erfassen. So lassen sich bei
                              und Produkten bei Lebensmitteln, Milcherzeug-           diversen Lebensmitteln unter anderem Reifegrad,
                              nissen, Kunststoffen oder Kraftstoffen ist die Pro-     Feuchte-, Fett- und Proteingehalt messen.
                              zessanalytik aktuell aber nur auf wenige messbare
                              Parameter beschränkt, zum Beispiel pH-Wert,             Die smarten Sensoren sind sowohl als mobiles Gerät
                              Temperatur und Leitfähigkeit. Der Diplom-Chemiker       als auch als Labor- und automatisierte Industriepro-
                              René Ungermann hat in seiner Forschungszeit an          zessvariante erhältlich. Die Software lässt sich über
                              der Universität Oldenburg einen großen Bedarf an        einen Touchscreen oder alternativ über ein eigenes
                              neuen sensitiven Messgeräten erkannt, die sich          Endgerät bedienen, indem der Sensor ins eigene
                              direkt vor Ort einsetzen lassen. Er gründete 2018 mit   Netzwerk eingebunden wird. Aktuell werden die
                              der Unterstützung der Universität und eines EXIST-      Sensoren bereits im Interreg-Projekt MEDUWA
                              Gründerstipendiums das Start-up InProSens.              eingesetzt, um die Filtrationsleistung von Hoch-
                                                                                      leistungsfiltersystemen zu überwachen. Bei inte-
                              Mit seiner Expertise für optische Messtechnik ent-      ressierten Unternehmen kann das Gründungsteam
                              wickelt das Team innovative Sensoren auf Basis von      unverbindlich Testmessungen vor Ort vornehmen
                              nahem Infrarot (NIR) für unterschiedlichste chemi-      oder anhand von Proben prüfen, ob die Sensoren
                              sche Strukturen. Aufgrund des modularen Aufbaus         für die gewünschten Anwendungen einsetzbar
                              sind die Sensoren universell für verschiedenste         sind. Das Start-up ist sehr an Kooperationen und
                              Anwendungen einsetzbar, in denen feste, flüssige        neuen Anwendungsfeldern für seine Produkte
                              oder pastöse Substanzen und Materialien konti-          interessiert.
                              nuierlich oder auch stichprobenartig untersucht
                              werden sollen. Sie eignen sich etwa für Milch, Öle,     InProSens UG (haftungsbeschränkt),
                              Fette, Polymere, Kraftstoffe, Algen und Nährstoffe.     Oldenburg
                              Es sind weder Reagenzien noch eine vorherige            Dipl.-Chem. René Ungermann
                              Probenaufbereitung notwendig. Die Sensoren              info@inprosens.com
                              der Produktlinien NIRScreen und NIRLyzer können         www.inprosens.com
Praxis   13

Mehr sehen in der Mikroskopie
Digital steuerbare Filter beschleunigen Bildaufnahmen

Z
      ellen beim Leben zusehen – der Goldstandard
      in der Forschung dazu ist die Fluoreszenz-
      mikroskopie. Anfärbungen sorgen für einen
spezifischen, hohen Kontrast des Bildes. Um genaue
Untersuchungsergebnisse zu erhalten, müssen die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die
spektralen Eigenschaften optimal auf die Anwen-
dung und Fluoreszenzfarbstoffe einstellen. Hierfür
kombinieren sie gewöhnlich mehrere optische Filter,
die sie mechanisch wechseln müssen – meist den
kompletten Filtersatz. Die Arbeitsgruppe Laser in
der Medizin, Mikroskopie und Analytik der Hoch-
schule Emden/Leer hat in Kooperation mit der
Firma AHF analysentechnik AG das TuneCube-
Mikroskop entwickelt. Dieses innovative System
ermöglicht erstmals schnelle, hyperspektrale Bild-
aufnahmen ohne Filterwechsel.

Die durchstimmbaren Dünnfilmfilter lassen sich
dynamisch, per Softwaresteuerung, im Winkel
variieren. Da so die spektralen Eigenschaften eines
Filters verändert werden können, ersetzt das System
mehrere Filtersätze und kann sogar neue gene-
rieren; Strahlteiler entfallen vollständig. Diese
flexible digitale Ansteuerung erlaubt es, mehrere
Farbkanäle ohne Filtertausch schnell und adaptiv
aufzunehmen. Die verwendeten Dünnfilmfilter
                                                      Das neuartige Fluoreszenzmikroskop ermöglicht eine
zeichnen sich durch hohe Transmission im Mess-
                                                      hyperspektrale Vollfeld-Bildgebung mit durchstimmbaren
bereich aus und unterdrücken gleichzeitig uner-
                                                      Dünnschichtfiltern.
wünschte Strahlung effizient. Ohne Nachjustierung
können Anwender schnell zwischen Standard-
Fluoreszenzmikroskopie und hyperspektraler
Bildgebung wechseln, die im vollen Sichtfeld
der Probe erfolgt.

Im Vergleich zu einem Forschungsmikroskop Zeiss
Axio Observer ist das TuneCube-Mikroskop bezogen
auf eine Standard-Referenzprobe (Argolight) eben-
bürtig bezüglich Bildqualität, Beleuchtungshomo-
genität, Feldverzerrung und Kontrast. Messungen
an Quantendots zur spektralen Charakterisierung
ergeben eine Auflösung von unter drei Nano-
metern, für alle Kombinationen durchstimmbarer
Filtertypen ohne Bildkorrekturalgorithmen. Das
System eignet sich zum einen zu sub-beugungs-
begrenzten Methoden, zum Beispiel zur Förster-
Resonanzenergietransfer (FRET)- und zur Ca2+-
Bildgebung. Zum anderen ermöglicht es spektros-
kopische Anwendungen, etwa zur Analyse variabler
Spektren mit relativer Helligkeitsreferenz oder zur
spektralen Auftrennung nah benachbarter Linien.

Hochschule Emden/Leer
Institut für Laser & Optik
Prof. Dr. Walter Neu
Telefon 04921 807-1456
walter.neu@hs-emden-leer.de                           Ohne Filterwechsel lassen sich verschiedene Chlorophyll-
https://ilo.hs-emden-leer.de                          Fluoreszenzspektren der Grünalge Micrasteria aufnehmen
www.ahf.de                                            (Falschfarbendarstellung).
14                             Technologieangebot

Das neue Messprinzip weist Defekte an spiegelnden                  Das neuartige Verfahren erfasst sogar Kratzer, deren Abmessungen
Oberflächen sehr empfindlich nach. Selbst winzige Kratzer          deutlich unterhalb der Digitalauflösung des Kamerasystems liegen –
oder Einschlüsse streuen das reflektierte Licht, vermindern        hier einen Kratzer mit einer Breite von 3,5 µm (dunkle Struktur in weiß
den Kontrast und sind dadurch detektierbar.                        markiertem Ausschnitt) bei einer Auflösung von zirka 54 µm/Pixel.

Defekte an Oberflächen —
dem Licht entgeht nichts
Neues Prüfverfahren erleichtert Automatisierung

                               V
                                      iele technische Erzeugnisse weisen spie-           Auf diese Weise kann das Verfahren mit hoher
                                      gelnde oder transparente Oberflächen mit           Empfindlichkeit Kratzer, Schrammen, Verunreini-
                                      bestimmten Funktionen auf. Hierzu zählen           gungen, Poren, Einschlüsse oder vergleichbare
                               etwa optisch abbildende Grenzflächen von Spiegeln         Unvollkommenheiten sichtbar machen. Das IPROM
                               und Linsen, aber auch lackierte oder polierte Ober-       belegt mit seinen bislang durchgeführten Unter-
                               flächen von Konsumgütern, die der Produktästhetik         suchungen, dass das Messprinzip an ebenen und
                               dienen. Um die Produktqualität sicherzustellen, ist       gekrümmten Oberflächen sowohl in Reflexion als
                               es oftmals erforderlich, auch kleine Oberflächen-         auch in Transmission anwendbar ist. Ein vorteil-
                               defekte wie Kratzer oder Poren zu lokalisieren und        hafter Unterschied zur verwandten Deflektometrie
                               zu klassifizieren. Diese Aufgabe übernehmen in            besteht darin, dass keinerlei geometrische Ein-
                               vielen Fällen noch Qualitätsprüfer durch visuelle         messung der Systemkomponenten erforderlich ist.
                               Sichtprüfung. Das erfolgt üblicherweise unter             Somit lässt sich das Verfahren sehr flexibel an unter-
                               Dunkelfeldbeleuchtung, wobei sich die fehlerhaften        schiedliche Prüfsituationen anpassen. Das Institut
                               Strukturen vor einem dunklen Hintergrund hell             sucht Kooperationspartner, die das Verfahren testen
                               abheben. Bei diesem Vorgehen ist eine Automati-           und an ihre jeweiligen Problemstellungen anpassen
                               sierung sehr schwierig.                                   möchten.

                               Das Institut für Produktionsmesstechnik (IPROM)           Technische Universität Braunschweig
                               der Technischen Universität Braunschweig hat für          Institut für Produktionsmesstechnik
                               derartige Inspektionsaufgaben ein neuartiges              Prof. Dr.-Ing. Rainer Tutsch
                               Messprinzip entwickelt und erprobt. Dieses begüns-        Dr.-Ing. Marcus Petz
                               tigt die Automatisierung des Prüfprozesses durch          Telefon 0531 391-7028
                               eine einfacher beherrschbare Beobachtung in Hell-         iprom@tu-braunschweig.de
                               feldanordnung. Hierbei zeigt ein Flüssigkristallbild-     www.iprom.tu-bs.de
                               schirm Mustersequenzen an, eine elektronische
                               Kamera zeichnet das vom Prüfling durch Spiegelung
                               oder Brechung beeinflusste Abbild auf. Ober-
                               flächendefekte verändern das Streuverhalten in
                               charakteristischer Weise. Durch Bestimmung der
                               lokalen Kontrastverhältnisse können die Anwender
                               das Streuverhalten der Oberfläche ortsaufgelöst
                               charakterisieren.
Forschung                   15

Kommunizierende Scheinwerfer
für sicheren Straßenverkehr
Innovative Konzepte für autonome Fahrzeuge

S
     ehen und gesehen werden – auf diesem               Um Informationen wie Warnungen, Navigations-
     Grundsatz basiert die Sicherheit im Straßenver-    hinweise oder Zebrastreifen farbig direkt auf der
     kehr. Die Kommunikation im Verkehrsraum ist        Straße abzubilden, kommen laserbasierte Systeme
durch den Blickkontakt zwischen Fahrzeugen und          zum Einsatz. Der Vorteil ist, dass die Symbole direkt
Personen sowie durch das Verhalten jedes einzelnen      im Blickfeld des Autofahrers liegen oder sich für
Verkehrsteilnehmers geprägt, zum Beispiel an            andere Personen neben das Fahrzeug lenken lassen.
Zebrastreifen. In einem zukünftigen Szenario, bei       Die Laser lassen sich in idealer Weise mit hochauf-
dem teil- und vollautonome Fahrzeuge am Straßen-        lösenden Fahrzeugscheinwerfern kombinieren.
verkehr teilnehmen, wird der für die gefühlte Sicher-   Basierend auf Kamerabildern und anderen Sensor-
heit wichtige Blickkontakt entfallen. Forscherinnen     daten leuchten diese den Verkehrsraum adaptiv
und Forscher des Instituts für Produktentwicklung       aus, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu blenden.
und Gerätebau der Leibniz Universität Hannover          Diese Schweinwerfer bestehen nicht wie üblich
beschäftigen sich daher mit der Frage, wie motori-      aus wenigen Bildpunkten, sondern aus bis zu einer
sierte und nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer in     Million Pixeln, die sich einzeln steuern lassen.
verschiedensten Situationen sicher miteinander
kommunizieren können.                                   Das Team erarbeitet aktuell, wie Symbole auf der
                                                        Straße gestaltet werden sollten, damit diese den
Der Informationsaustausch autonomer Fahrzeuge           gewünschten Empfänger erreichen. Darüber hinaus
untereinander und mit der Infrastruktur (Car-2-X)       untersucht es Aspekte wie Lasersicherheit, den
ist funkbasiert. Doch solange der Verkehrsraum          notwendigen Kontrast bei Tag und Nacht, den erfor-
ein offener und zugänglicher Bereich ist, wird es       derlichen Farbraum und die Sichtbarkeit in Abhän-
Verkehrsteilnehmer geben, die nicht digital vernetzt    gigkeit vom Straßenzustand.
sind. Hierzu gibt es verschiedene Lösungsansätze.
Das hannoversche Forschungsteam entwickelt              Leibniz Universität Hannover
Lichtassistenzsysteme nach dem Motto »Licht             Institut für Produktentwicklung und Gerätebau
spricht«. Dabei sollen hochauflösende Scheinwerfer      Prof. Dr.-Ing. Roland Lachmayer
zum Beispiel farbige Informationen oder Symbole         Marvin Knöchelmann, M. Sc.
auf die Straßenoberfläche sowohl tags als auch          ipeg@ipeg.uni-hannover.de
nachts projizieren.                                     ipeg.uni-hannover.de

Prototyp eines Laserscanners zur adaptiven                                          Kontrastreiche Symbolprojektion mit einem
Ausleuchtung der Straße                                                             hochauflösenden Scheinwerfer
16                            Forschung

Bei extrem kalten Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt lassen sich Atome
als Materiewellen beschreiben. Zu sehen ist die Dichteverteilung eines Rubidium-Gases
in einem so genannten Bose-Einstein-Kondensat, deren wellenförmige Ausbreitung
an Schwingungsmoden einer Trommel erinnern.

Quantenforschung für neue
Erkenntnisse und Anwendungen

                                                                                        I
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus                                              solierte Atome und Moleküle stellen schon lange
                                                                                          die am besten kontrollierbaren Systeme dar, um
Niedersachsen widmen sich einer der größten                                               fundamentale Fragen der Physik zu studieren und
Herausforderungen der modernen Physik:                                                  zu beantworten. Die Vision des neuen Sonderfor-
                                                                                        schungsbereichs (SFB) »DQ-mat – Designte Quan-
Quanteneigenschaften von Vielteilchensystemen                                           tenzustände der Materie« ist es, die Kontrolle
zu verstehen. Sie erforschen, wie sie die Eigen-                                        über isolierte Atome und Moleküle (Ein-Teilchen-
                                                                                        Systeme) auf große Quantensysteme (Viel-Teilchen-
schaften von Licht und Materie messen und                                               Systeme) auszudehnen. Hierbei kooperieren die
kontrollieren können, um Anwendungen                                                    Leibniz Universität Hannover, die Physikalisch-
                                                                                        Technische Bundesanstalt in Braunschweig und das
zu entwickeln.                                                                          Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie
                                                                                        und Mikrogravitation in Bremen. Sie entwickeln
                                                                                        neue Methoden zur Herstellung, Manipulation
                                                                                        und Detektion von Quantenzuständen, um das
                                                                                        Verständnis physikalischer Vorgänge zu erweitern
                                                                                        und mögliche Anwendungen in der Metrologie
                                                                                        zu erschließen

                                                                                        Optische Uhren

                                                                                        Jüngste Entwicklungen in der Messtechnologie,
                                                                                        etwa optische Uhren mit einer Genauigkeit von
                                                                                        18 Stellen hinter dem Komma (ein Milliardstel einer
                                                                                        Milliardstel Sekunde), demonstrieren eindrucksvoll
                                                                                        die Kontrolle über Ein-Teilchen-Systeme. »Das
                                                                                        bedeutet, dass die Uhr erst nach 30 Milliarden
                                                                                        Jahren – dem doppelten Alter des Universums –
                                                                                        um zirka eine Sekunde nach- oder vorgehen wird«,
                                                                                        verdeutlicht SFB-Geschäftsführer Dr. Alexander
                                                                                        Wanner. Ihm zufolge dienen optische Uhren mit
                                                                                        derartig hoher Genauigkeit zum einen der exakten
                                                                                        Bestimmung eines Zeitpunktes oder einer Zeitdauer
                                                                                        von kurzlebigen Abläufen in der Forschung. Zum
Studierende führen Arbeiten an einem Optik-Experiment durch.                            anderen lassen sich damit verschiedene Zeitsysteme
Forschung                    17

                                                                             Was sind Quanten?
                                                                             Die Quantenphysik beschreibt Eigenschaften und
                                                                             Gesetzmäßigkeiten der Materie, deren Zustände und
                                                                             Vorgänge mit der klassischen Mechanik nicht mehr
                                                                             beschrieben werden können. Beispiele für ein Quant
                                                                             sind das Elektron und das Photon. Die Strom- und
                                                                             Lichtteilchen existieren nur ganz oder gar nicht
                                                                             und können — je nach der Art der Messung — sowohl
                                                                             den Charakter einer Welle als auch den eines
                                                                             Teilchens annehmen (Welle-Teilchen-Dualismus).
                                                                             Wellen breiten sich im Raum aus, schwächen oder
                                                                             verstärken sich durch Überlagerung. Ein klassisches
                                                                             Teilchen kann zu einem Zeitpunkt nur an einem
                                                                             bestimmten Ort anwesend sein. Der Quantentheorie
                                                                             folgend wird nun jedem Körper eine Materiewelle
                                                                             zugeschrieben.

                                                                             Die Quantenmechanik bezieht sich auf einzelne
                                                                             Teilchen im Größenbereich der Atome und Elementar-
                                                                             teilchen und lässt sich auf Systeme mit vielen
                                                                             Teilchen übertragen. Mit den spezifischen Eigen-
                                                                             schaften der Quanten sind Computer, Sensoren
Bei der neuartigen Ionenfalle ermöglichen dünne Abstandshalter               und neuartige Messtechnologien denkbar,
zwischen den Elektrodenschichten einen 3D-Laserzugriff.                      die bisherige Leistungen weit übertreffen.       cab

und -skalen koordinieren. Weitere Anwendungen              und das Verständnis für die Eigenschaften von
für robuste optische Uhren in der Zukunft sieht er         Verschränkung in Quantensystemen vertiefen.
in der Telekommunikation, in der Energieversor-            »Die Anwendung neuster Erkenntnisse in der
gung, zum Kalibrieren in der Industrie und zur             experimentellen Forschung wird es uns erlauben,
Navigation mit deutlich verbesserter Präzision.            mögliche Variationen von fundamentalen physi-
                                                           kalischen Konstanten nachzuweisen«, erklärt
Ein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Ausdeh-            Alexander Wanner. Ein Beispiel dafür ist die Fein-
nung von Ein-Teilchen-Systemen auf große, wech-            strukturkonstante α, die die Stärke der elektro-
selwirkende und verschränkte Quantensysteme.               magnetischen Wechselwirkung beschreibt, also
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler               wie stark ein Elektron vom positiv geladenen Atom-
entwickeln Konzepte zur Manipulation, Erkennung            kern angezogen wird. Möglicherweise bringen die
und Charakterisierung von Quantenkorrelationen in          Forschungen sogar Licht in eines der großen unge-
Systemen von zehn bis zu zehntausenden von Parti-          lösten Rätsel der Physik: Wie vereint man Einsteins
keln. »Letztlich wollen wir die Fähigkeit erlangen«,       Relativitätstheorie mit der Quantenmechanik?
erläutert Alexander Wanner, »die Wechselwirkung
von Atomen und Molekülen mit Licht auszunutzen,            Schülerlabor foeXlab
um Quantenzustände von Materie zu detektieren
und kontrollieren.« Zum Beispiel soll es dadurch           Aber auch den Nachwuchs hat der Sonderfor-
gelingen, die Genauigkeit und Auflösung von                schungsbereich im Blick. Das Schülerlabor foeXlab
Quantensensoren wie optischen Uhren und Mate-              an der Leibniz Universität Hannover wendet sich
riewellen-Interferometern signifikant zu verbessern.       an Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II,
                                                           an ihre Lehrkräfte sowie an Lehramtsstudierende.
Neben praktischen Anwendungen kann durch                   Hier gibt es Arbeitsstationen zu den Grundlagen
hochgenaue Messungen mit optischen Uhren                   der Optik und fortschrittliche Laser-Interferometer.
und Materiewellen-Interferometern der nächsten             Das Labor bietet Vorträge sowie Trainings- und
Generation die Physik der Grundbausteine der               Praktikumsprogramme an.
Materie erforscht werden. »Voraussichtlich können
wir dadurch auch unser Verständnis der Naturge-
setze überprüfen«, erwartet der Physiker. Dazu             Leibniz Universität Hannover
gehören beispielsweise Fragen wie: Ändern sich             Sonderforschungsbereich »DQ-mat«
möglicherweise Naturkonstanten? Werden funda-              Prof. Dr. Piet. O. Schmidt
mentale Symmetrien in der Physik verletzt?                 Prof. Dr. Klemens Hammerer
Welchen Einfluss hat Gravitation auf Quanten-              Dr. Alexander Wanner
systeme? Neuartige Beschreibungsmethoden                   alexander.wanner@quest.uni-hannover.de
sollen die Computersimulation effizienter machen           www.dq-mat.uni-hannover.de
18               Forschung

                 Modified Chemical Vapor Deposition (MCVD)-Anlage am HITec der Leibniz Universität Hannover
                 zur Erforschung neuartiger Faserkonzepte und strahlungsharter Fasern

Glasfasern als Lichtleiter und Strahlquelle
Spezialanfertigung aus Hannover

                D
                         ie optische Glasfasertechnologie findet viel-       Ausgehend von einem hochreinen Glasrohr bauen
                         fältige Anwendungen in unserem täglichen            die Forscherinnen und Forscher zunächst mittels
                         Leben: in medizinischen Endoskopen, in der          Modified Chemical Vapor Deposition (MCVD) eine
                 Laserbearbeitung von Materialien, in hochmo-                sogenannte Preform auf. Dieser Glasstab mit 10 bis
                 dernen Sensorkonzepten oder auch in der opti-               50 Millimeter Durchmesser und über einem Meter
                 schen Datenübertragung. Mit dem Ziel, spezielle             Länge wird in der Folge lokal aufgeschmolzen und
                 optische Fasern zu entwickeln und zu produzieren,           in einem zwölf Meter hohen Faserziehturm zur
                 startet derzeit eine interdisziplinäre Forschungs-          fertigen Faser ausgezogen. Auf diese Weise
                 gruppe an der Leibniz Universität Hannover. Ins-            entstehen innerhalb eines Arbeitstages bis zu
                 besondere sollen maßgeschneiderte Faser-Laser-              200 Kilometer Faser mit einem typischen Faser-
                 systeme und neuartige Sensorkonzepte mit                    durchmesser von 125 Mikrometer. Das besondere
                 sogenannten strahlungsharten Fasern konzipiert              Potenzial der Anlagen besteht vor allem in der
                 werden, die robust genug für den Einsatz im                 flexiblen Verwendung komplexer Dotierungsprofile
                 Weltraum sind. Das neu gebaute HITec-Institut               und -materialien bis hin zu Nanopartikeln.
                 stellt hierfür eine leistungsfähige Infrastruktur
                 mit zwei Reinraum-Laboren, die eine vollständige            Ein Alleinstellungsmerkmal der eingerichteten
                 Produktionskette zur Faserherstellung und einen             Labore ist die Verbindung der klassischen Forschung
                 Faserziehturm beherbergen, zur Verfügung.                   an laseraktiven Glasfasern mit Weltraumanwen-
                                                                             dungen, mit den Quantentechnologien und ins-
                 Die Lichtleitung in optischen Fasern beruht auf             besondere auch mit der Quantensensorik. Damit
                 dem Effekt der Totalreflexion an einer Grenzfläche:         entstehen am Standort Hannover neuartige
                 Ein innerer hochbrechender Faserkern ist von einem          Möglichkeiten, zukunftsweisende Faserkonzepte
                 niedrigbrechenden Mantel umgeben. Durch Zusatz              zu erforschen und wichtige Impulse für die Laser-
                 unterschiedlicher Fremdatome, sogenannter                   technik und deren Anwendung zu setzen.
                 Dotanden, im Kern und im Mantel lassen sich die
                 Eigenschaften und der Brechungsindex innerhalb              Leibniz Universität Hannover
                 einer solchen Glasfaser gezielt variieren. So gelingt       Hannover Institute of Technology (HITec)
                 eine praktisch verlustfreie Führung von Licht               Prof. Dr. Detlev Ristau
                 entlang einer optischen Faser über hunderte                 Dr. Axel Rühl
                 von Kilometern. Zudem lassen sich Fasern durch              Dr. Matthias Ließmann
                 Verwendung spezieller Dotanden wie seltene                  d.ristau@lzh.de
                 Erden herstellen, die Licht bis hin zur Laseraktivität      www.iqo.uni-hannover.de/de/arbeitsgruppen/
                 verstärken.                                                 lasercomponentsandfibers/
Forschung                         19

Transistor der Zukunft —
ultraschnell dank Licht
Signalkontrolle im Nanometerbereich

T
      agtäglich werden sie billionenfach verwendet:    Form von sogenannten Plasmonwellen mit nur
      Elektronische Transistoren dienen in jedem       einigen wenigen Schaltermolekülen wie Farbstoffen
      Smartphone oder Computer als kleinstmög-         oder Quantenpunkten zu erzwingen.
liche Recheneinheit. In den Transistoren wird
elektrischer Strom dazu verwendet, den Informa-        Dabei kann der in der Abbildung grün dargestellte
tionsfluss – wiederum Strom – gezielt an- und aus-     Kontrollpuls darüber entscheiden, ob der von unten
zuschalten und somit Rechenoperationen durch-          links eingekoppelte Signalpuls bis zur Auskopplung
zuführen. Einer weiteren Miniaturisierung dieser       durchgelassen oder vom Schaltermaterial absorbiert
Bauteile und damit einer Geschwindigkeitszunahme       wird – und das auf einer räumlichen Skala von nur
der Prozessoren sind jedoch physikalische Grenzen      wenigen Nanometern. Die Geschwindigkeit, mit der
gesetzt, die bald erreicht sind. Dieser Herausforde-   dieser Schalter im Prinzip geöffnet und geschlossen
rung stellen sich Physikerinnen und Physiker der       werden kann (also die Taktrate), liegt im Bereich
Universität Oldenburg und erproben ein völlig          von einigen Terahertz und übertrifft damit die
neues Konzept zur Funktionsweise eines Transistors.    Geschwindigkeit jedes elektronischen Transistors
                                                       um mehrere Größenordnungen. Das Forschungs-
Anstelle des Stromflusses durch Elektronen wollen      team versucht, einen solchen Schalter erstmals zu
sie Licht, also Photonen, dazu verwenden, den Infor-   realisieren und zu testen. Dabei interessiert es sich
mationsfluss in Form anderer Photonen gezielt zu       vor allem für die hohe Taktfrequenz, die mit einem
steuern. Photonen lassen sich jedoch sehr ungern       solchen Schalter erreicht werden kann.
auf kleine Dimensionen einsperren und reagieren
zusätzlich kaum mit anderen Photonen. Dies sind
jedoch Voraussetzungen für einen funktionierenden      Universität Oldenburg
photonischen Schalter. Die Forschenden stellen nun     Institut für Physik
in diesem Projekt extrem kleine metallische Struk-     Dr. Martin Silies
turen mit der neuartigen Methode der Helium-           Telefon 0441 798-3515
Ionen-basierten Lithographie her. Diese nutzen sie,    martin.silies@uol.de
um die Wechselwirkung von Licht in Metallen in         www.uol.de/photonictransistor

                                                                                           Der photonische Transistor soll die
                                                                                           Signalübertragung beschleunigen:
                                                                                           Der Informationsfluss und die Kontrolle
                                                                                           über ein Schaltermolekül erfolgt nicht
                                                                                           durch elektrischen Strom, sondern
                                                                                           durch Licht, also Photonen.
20                            Forschung

                                                     Schneller als der Wind
                                                     Um Windenergieanlagen und Windparks optimieren
                                                     zu können, benötigt die Windenergieforschung
                                                     exakte Messmethoden. Wissenschaftlerinnen und
                                                     Wissenschaftler des Zentrums für Windenergieforschung
                                                     (ForWind) entwickeln an der Universität Oldenburg
                                                     hierfür neue Technologien, die auf dem Einsatz von
                                                     Laserlicht und Hochgeschwindigkeitskameras basieren.

Der an der Universität
Oldenburg entwickelte
hochpräzise Windmesser
misst Turbulenzen
                              Winzige Windwirbel exakt gemessen
in einem Offshore-

                             W
Windpark in der                          er morgens Milch in seinen Kaffee rührt,   von ihm reflektierten Laserstrahl in zwei Richtungen
Nordsee.                                 produziert turbulente Strömungen.          ab. Die Richtung des reflektierten Lichtes wird
                                         Solche Turbulenzen lassen sich überall     erfasst und intern ausgewertet. Auf diese Weise
                              beobachten – von der Kaffeetasse bis hin zu           erreicht der hochsensible Strömungsmesser eine
                              Wirbeln in der Atmosphäre. Um diese turbulenten       räumliche Auflösung von 160 Mikrometern.
                              Strömungen in der Atmosphäre und ihre Aus-
                              wirkungen auf Windenergieanlagen besser zu            Das Forschungsteam setzt den neuartigen Wind-
                              verstehen, hat das ForWind-Team an der Univer-        messer in Offshore-Windparks oder bei Experi-
                              sität Oldenburg eine neue Art von Windmesser          menten im Oldenburger Windkanal ein. Mit seiner
                              entwickelt: das sogenannte 2D-Laser Cantilever        robusten Bauart und der geringen Größe lässt sich
                              Anemometer (2D-LCA).                                  das Gerät auch unter schwierigen Bedingungen
                                                                                    flexibel anwenden. So lassen sich etwa Strömungs-
                              Mit Hilfe eines Lasers kann das 2D-LCA winzig         geschwindigkeiten von Flüssigkeiten mit Partikeln
                              kleine Wirbel im Mikrometerbereich exakt messen       oder nahe einer Begrenzung damit messen. In dem
                              mit bis zu 150.000 Messwerten in der Sekunde.         gerade gestarteten Projekt MARL fördert das
                              Dieses etwa 22 Zentimeter lange Anemometer            Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die
                              erfasst Strömungsgeschwindigkeiten in zwei            Weiterentwicklung des 2D-LCAs bis zur Marktreife.
                              Dimensionen. Dazu wird ein Biegebalken, der Canti-    Die bestehenden Prototypen sollen insbesondere in
                              lever, in die Strömung gehalten und mit einem Laser   Bezug auf Signalqualität und Handhabung verbes-
                              angestrahlt. Unter der Kraft der Strömung verbiegt    sert werden und so einer breiteren Nutzergruppe
                              und/oder verdreht sich der Balken und lenkt so den    aus öffentlichen Forschungseinrichtungen und
                                                                                    Entwicklungsabteilungen privater Unternehmen
                                                                                    zur Verfügung stehen.

                                                                                    Universität Oldenburg
                                                                                    ForWind – Zentrum für Windenergieforschung
                                                                                    Dr. Jaroslaw Puczylowski
                                                                                    Telefon 0441 798-3952
                                                                                    jaroslaw.puczylowski@uni-oldenburg.de
                                                                                    www.uol.de/twist/forschung/messtechnik/
                                                                                    laser-cantilever-anemometer/

            Beim neuartigen Windmesser erfassen Laser Veränderungen
            des Biegebalkens im Mikrometerbereich.
Forschung   21

                                                                    Das Strömungsfeld über dem
                                                                    Rotorblatt basiert auf den Messergebnissen und
                                                                    gibt Aufschluss über die einwirkenden Lasten.

Turbulenzen im Laserlicht

W
             ie strömt der Wind um das Rotor-               Auswertungsprogramme berechnen. Die Kameras
             blatt einer Windenergieanlage? Was             machen dabei bis zu 12.000 Bilder pro Sekunde.
             geschieht, wenn eine Windböe das
Blatt trifft? Um die Lebenszeit von Windenergie-            Die Ergebnisse zeigen, wie der Wind das sich bewe-
anlagen zu verlängern, sind Wissenschaftlerinnen            gende Rotorblatt umströmt. Besonders interessiert
und Wissenschaftler auf immer genauere Mess-                die Forschenden, wann und wie die Strömung vom
methoden und Regelungstechniken angewiesen.                 rotierenden Blatt abreißt und welche Windsituatio-
Dem Oldenburger Team von ForWind ist es nun                 nen zu den größten Schlägen und dynamischen
gelungen, eine bildgebende Messmethode für                  Lasten auf die Komponenten der Windenergieanlage
turbulente Strömungen anzupassen und im                     führen. Im Windkanal sind die Messungen unter
großen Oldenburger Windkanal an einer rotie-                kontrollierten Bedingungen reproduzierbar. So kann
renden Modellwindturbine anzuwenden.                        das Team beispielsweise mehrere Versuche mit dem
                                                            gleichen turbulenten Windfeld durchführen. Da sie
Hier können die Forschenden eine Modellwindtur-             mit der PIV-Methode nur in einem dünnen Lichtschnitt
bine turbulenten Strömungen aussetzen, die sie mit          messen können, arbeiten die Forschenden bereits an
Hilfe eines aktiven Gitters erzeugen. Ein Laser macht       einer Weiterentwicklung. Dabei wollen sie mittels
winzige, der Luft zugesetzte Partikel sichtbar und          Holografie dreidimensionale Strömungsfelder messen.
High-Speed-Kameras erfassen die Bewegungen der
Partikelströme. Bei dieser Methode, der sogenann-           Universität Oldenburg
ten Particle-Image-Velocimetry (PIV), werden die            ForWind – Zentrum für Windenergieforschung
vorbeiströmenden Partikel eines ganzen Strömungs-           Dr. Gerd Gülker
feldes fotografiert. Aus der Änderung ihrer Positio-        gerd.guelker@uni-oldenburg.de
nen von einem Foto zum nächsten lassen sich Strö-           www.uol.de/twist/forschung/messtechnik/
mungsrichtung und -geschwindigkeit über spezielle           stereo-piv/

Im Oldenburger Windkanal erzeugt ein aktives Gitter (rechts im Hintergrund)
Luftturbulenzen. Die Auswirkungen auf die Modellwindturbine machen ein Laser
und eine High-Speed-Kamera anhand von Partikeln im Luftstrom sichtbar.
Sie können auch lesen