NEUE TÖNE Kirchenmusik im Bistum Münster 2/2022 - Bistum Münster
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Impressum HERAUSGEBER Bischöfliches Generalvikariat Münster Hauptabteilung Seelsorge Rosenstraße 16, 48143 Münster REDAKTION Ulrich Grimpe (v.i.S.d.P) GESTALTUNG Bischöfliches Generalvikariat DRUCK Druckerei Joh. Burlage, Münster | www.burlage.de REDAKTIONSSEKRETARIAT Bischöfliches Generalvikariat Münster Hauptabteilung Seelsorge Referat Kirchenmusik Rosenstraße 16, 48143 Münster Fon 0251 495-570 kirchenmusik@bistum-muenster.de TITELBILD Bischöfliches Generalvikariat Münster 2
VORWORT Sehr geehrte Damen und Herren, wir wünschen uns die Normalität vor Corona zurück – zu- gleich spüren wir, diese wird es nicht mehr geben: Die Corona-Pandemie ist nach wie vor präsent, Russland hat einen bislang unvorstellbaren Krieg entfacht und auch das kirchliche Zusammenleben in unseren Kirchengemeinden ändert sich. Pastorale Räume bilden sich, zugleich belasten uns die Untersuchungsberichte über die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Münster. Unsere Aufgabe ist es, Musik zu machen! Welch ein Privileg. Diese Ausgabe von Neue Töne berichtet von den Regionalkonferenzen im Bistum zu den neuen pastoralen Strukturen. Wir haben Stellenwert und Aufgaben der Kirchenmusik in den sich neu bilden- den Einheiten diskutiert. Zugleich wurde deutlich: bei zurückgehender Anzahl von Eucharis- tiefeiern ist unser musikalisches Angebot mit gottesdienstlichen Elementen reichhaltig und vielfältig. Wir stellen Ihnen zahlreiche Veranstaltungen, teilweise auch mit genauen Ablauf- vorschlägen vor. Lassen Sie sich davon für eigene Ideen in Ihren Pfarreien inspirieren. Kurz nach Beginn des Ukraine-Krieges hat das Referat Kirchenmusik mit Präses Clemens Lübbers eine Vorlage für ein musikalisches Friedensgebet erstellt und ins Bistum gestreut – verbunden mit der Bitte, uns von Ihren Veranstaltungen zu berichten. Viele kirchliche Chöre nutzten die Vorlage und sandten uns Kurzberichte zu, die wir unter der Rubrik aus den Kreisdekanaten zusammengestellt haben. Schließlich möchten wir Sie zur Teilnahme an unserer neunten Auflage der Kirchenmusik-Werkwoche im Oktober ermuntern. Gemeinsam als Chor der Chorleiterinnen und Chorleiter wollen wir unter der Leitung des emeritierten Domkapellmeisters Roland Büchner aus Regensburg ein Chorkonzert im Rahmen der Tagung geben. Seien Sie dabei! Bleiben Sie der Kirchenmusik verbunden und nutzen die Möglichkeiten in Ihren Pfarreien, Menschen zusammenzuführen und zu begeistern. Angenehme Lektüre wünscht ULRICH GRIMPE Referent für Kirchenmusik 3
Inhaltsverzeichnis INHALT 3 VORWORT 45 PUERI CANTORES 5 GRUSSWORT DIÖZESANPRÄSES 47 BERICHTE AUS DEN KREIS- CLEMENS LÜBBERS UND STADTDEKANATEN 48 Kreisdekanat Borken 7 REGIONALKONFERENZEN IM 51 Kreisdekanat Coesfeld BISTUM MÜNSTER 56 Stadtdekanat Münster 8 Kirchenmusik in pastoralen Räumen 59 Kreisdekanat Recklinghausen 61 Kreisdekanat Steinfurt 11 VIELFALT DER LITURGISCH- 64 Kreisdekanat Warendorf MUSIKALISCHE ANGEBOTE 66 Kreisdekanat Wesel 12 „Evensong – Vesper – Halleluja-An- 68 Offizialatsbezirk Oldenburg dacht“ 70 ARBEITSKREIS NGL 29 KINDERCHOR NACH CORONA 71 Verband für christliche Popularmusik in den Diözesen Deutschlands ge- 32 AUS DEM REFERAT gründet KIRCHENMUSIK Interview mit Daniel Frinken, 33 Online-Fortbildungen der (Erz-) Referent für musisch-kulturelle Diözesen Aachen, Münster und Bildung im Bischöflichen General- Paderborn vikariat Münster 34 Studientag Singen und Musizieren mit Kindern 74 INFORMATIONEN UND 35 IX. Werkwoche für Kirchenmusik EMPFEHLUNGEN 37 Schulungen zur Prävention von sexualisierter Gewalt 77 ANSCHRIFTEN 78 Kreisdekanatspräsides und 38 FACHTAGUNG FÜR ORGELBAUER Regionalkantoren UND ORGELSACHVERSTÄNDIGE 80 Kirchenmusikausbildung im Offizialatsbezirk Oldenburg 42 BISCHÖFLICHE KIRCHENMUSIK- 81 Bischöfliche Kirchenmusikschule SCHULE MÜNSTER Münster 4
Grußwort Diözesanpräses Clemens Lübbers Diözesanpräses Clemens Lübbers. Foto: privat VERLEIH UNS FRIEDEN! Liebe Leserin, lieber Leser! „Da pacem, Domine!“ – „Verleih uns Frieden!“ In so vielen Friedensgebeten singen wir im wortwörtlichen und im übertragenen Sinn diesen Flehruf, sei es als Hymnus, im Kanon, in einer Liedversion oder in einer Chorkomposition. Viele Chöre in unseren Gemeinden betei- ligen sich seit Ende Februar an Friedensgottesdiensten, zu denen immer wieder eingeladen wird, oft über unsere Pfarreigrenzen hinweg in ökumenischer Gemeinsamkeit. Anfang November 1989 hatte ich mein Studium der katholischen Theologie in Würzburg aufgenommen. Mitten in den ersten Semestertagen fiel die Mauer, die Deutschland über vier Jahrzehnte geteilt hatte. Scharen von Menschen aus dem benachbarten thüringischen Suhl füllten die Straßen und Plätze von Würzburg. Es war bewegend, das zu sehen und mit- erleben zu dürfen. In der Folge zerfiel der gesamte Ostblock. Ich war überzeugt: Nun kehren auch in den osteuropäischen Staaten Demokratie, Freiheit und wirtschaftliches Wohlerge- hen ein. Doch schon wenige Jahre später eine erste Enttäuschung: Krieg im zerfallenden Jugoslawien auf ganz erschreckende und widerwärtige Weise. Und nun der völkerrechtswid- rige Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine. 5
Grußwort Diözesanpräses Clemens Lübbers Die Grundsätze der staatlichen Souveränität, der territorialen Integrität und das Gewaltver- bot, das Russland als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates ganz besonders hochhalten müsste, haben Europa zu einer Epoche des Friedens und der Stabilität verholfen, die einma- lig ist in seiner Geschichte – einmalig war, wie man jetzt sagen muss. Wohl kaum einer hätte es für möglich gehalten, dass nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wieder Krieg mitten in Europa möglich sein würde. Was bringt er? Unermessliches menschliches Leid, Zerstörun- gen, Tod und Trauer. Dieser Krieg macht fassungslos, wütend, verschlägt einem die Sprache, lässt im ersten Augenblick verstummen. Und zugleich sehen und erleben wir eine Welle der Hilfsbereitschaft. Das macht Mut, weckt Zuversicht. Wenn wir in diesen Monaten zu Friedensgebeten, Gottesdiensten und Mahnwachen zu- sammenkommen, dann bezeugen wir unseren Glauben, dass der Tod nicht und niemals das letzte Wort hat. Dann rufen wir mit unserem singenden Beten in Erinnerung, dass – gegen scheinbar alle Hoffnungslosigkeit – letztlich dennoch wahr ist und bleibt, was Maria pro- phezeit: „Die Mächtigen stürzt er vom Thron und er erhöht die Niedrigen“. Auch wenn das vordergründig nicht so ausschaut. So möchte ich heute die Bitte aussprechen, in unserem Beten um Frieden – gerade auch musikalisch – nicht nachzulassen. Denn unser Gesang ist zutiefst Ausdruck unserer christlichen Hoffnung. Und wir setzen mit unserem Singen hoff- nungsvolle Zeichen. Vielen Dank für Ihr musikalisches Wirken gerade in diesen unsicheren Zeiten! Ihr CLEMENS LÜBBERS Diözesanpräses 6
Regionalkonferenzen im Bistum Münster KIRCHENMUSIK IN PASTORALEN RÄUMEN Wie gelingt Kooperation über Gemeindegrenzen hinaus? Weniger Gläubige, weniger Geld, weniger Priester, weniger Kirchenmusikerinnen und -musiker: Diese Situation wird die Pfarreien auch im Bistum Münster in Gegenwart und Zukunft prägen. Schon jetzt ist absehbar, dass sich auch für die Kirchenmusik die Zuständig- keit in den größeren pastoralen Räumen erweitern wird. Damit rückt die Teamarbeit des kirchenmusikalischen Personals weiter in den Vordergrund. Die Zusammenarbeit in den pastoralen Räumen bietet die Möglichkeit, musikalische Aufgaben gemeinsam und mit ver- einten Kräften angehen zu können und zugleich Freiräume für eigene Vorhaben zu schaffen. Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit über die eigenen Pfarreigrenzen hinaus können überwunden werden, wenn alle erfahren, dass sie gemeinsam in einem Boot sitzen und ähn- liche Aufgaben zu bewältigen haben. Das Referat Kirchenmusik hat mit den Regionalkantorinnen und -kantoren in acht Dekanats- konferenzen die aktuelle Situation der Kirchenmusik in den Pfarreien in den Blick genommen und sucht gemeinsam mit den Kirchenmusikerinnen und -musikern nach Kriterien für eine gelingende Weiterarbeit in den kirchenmusikalischen Aufgabenfeldern – mit dem Ziel, Pers- pektiven für die Zusammenarbeit in pastoralen Räumen zu benennen. Online und in Präsenz fanden die Regionalkonferenzen im Frühjahr – hier mit Kolleginnen und Kollegen des Kreisdekanates Recklinghausen – statt. 8
Ein zentrales Thema in den Gesprächen: ein immer stärker werdender Rückgang an Gottes- dienstteilnehmerinnen und -teilnehmern und das damit einhergehende rückläufige Angebot von Eucharistiefeiern. Wie können in diesem Kontext Kirchenmusikerinnen und -musiker Formate mit besonderen kirchenmusikalischen Gestaltungsformen anbieten und das gottes- dienstliche Leben in den Kirchen bereichern? Ein weiterer Themenschwerpunkt bildete die Einbindung beziehungsweise Mitarbeit der Kirchenmusikerinnen und -musiker in die ört- lichen pastoralen Teams. Eucharistie und Wort-Gottes-Feiern Eines wurde in den Gesprächskreisen deutlich: Das Angebot an Eucharistiefeiern ist zur- zeit in den Regionen des Bistums stark unterschiedlich: von bis zu 30 Eucharistiefeiern pro Woche wird berichtet bis hin zu deutlich reduziertem Angebot von Messfeiern und regelmä- ßigen Wort-Gottes-Feiern. Manchmal wird die Abfolge der Messfeiern in den verschiede- nen Gottesdienstorten einer Pfarrei von den Fahrzeiten der Organistinnen und Organisten abhängig gemacht. Übereinstimmend erklärten Kirchenmusikerinnen und -musiker, dass sie bei der Vorbereitung von Wort-Gottes-Feiern stärker inhaltlich beteiligt werden wollen. Vielfach nützten die Leiterinnen und Leiter dieser Wort-Gottes-Feiern nicht die kreativen Möglichkeiten der Kirchenmusik und die fachliche Einbindung der Berufsgruppe. Neue liturgisch-musikalische Andachtsformen Große Akzeptanz finden vielfältige, teilweise auch neue musikalische Andachts- und Gottes- dienstformen. Das (alte) Taizé-Gebet wird mit Kerzen, Licht und Liedern wiederbelebt; andernorts werden biblische Kinderkantaten mit liturgischen Elementen verknüpft. In städtischen Pfarreien haben sich liturgisch-konzertante Formate etabliert. Übereinstimmend wird berichtet, dass diese Formen hohe Besucherzahlen aufweisen und sich wachsender Beliebtheit erfreuen. In einigen Fällen sind diese Gottesdienstformen eng verknüpft mit dem Pastoralteam – aber nicht immer. Deshalb sehen die hauptamtlichen Kirchenmusikerinnen und -musiker die Mitarbeit und Anbindung an das Pastoralteam als hilfreich und notwendig an. 9
Dekanatskonferenz in Rheine mit (von links) Andreas Wermeling, Thorsten Schlepphorst, Konstatin Zacharow, Alla Brukwin, Maria Auweiler, Monika Kather, Stefan Eicholt, Stefan Rauch, Melanie Ortmann, Veronika Hoffstädt, Vera Liesbrock. Foto Referat Kirchenmusik Kirchenmusik begleitet Menschen Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen verstehen ihre Chorarbeit auch als eine evangelisieren- de Pastoral, die Menschen begleitet und durch die Kirchenmusik Teilhabe an der Verkün- digung ermöglicht. Genannt werden Anfragen von Chormitgliedern zur Deutung geistlicher Texte, die Einübung liturgischer Formen mit den Kinderchören, die Zusammenarbeit mit Personen, die gottesdienstliche Feiern verantworten bei neuen Gottesdienstformaten. Andere ergänzen, Kirchenmusik sei ein Gesicht der Gemeinde, dort wo das Leben der Pfarrei besonders deutlich werde. Sensibilisierung für die Zukunft der Gottesdienstfeiern Insgesamt ist eine hohe Sensibilisierung der Berufsgruppe für die Zukunft der Gottesdienst- feiern zu beobachten. Alle wünschen, in diesen Prozess eingebunden zu sein. Kirchen- musikerinnen und -musiker sind für die verantwortliche Planung gottesdienstlicher Feiern motiviert und wollen kreativ mitwirken. Das gemeinsame Arbeiten an vielfältigen Gottes- dienstformen mit kirchenmusikalischen Akzenten kann noch stärker eingeübt werden, hier gibt es unterschiedliche Erfahrungen. In den pastoralen Räumen sollte die Kirchenmusik verbindlich in die Teamstruktur integriert werden. Dazu wünschen sich viele Kirchenmusike- rinnen und -musiker Regelungen. Ein Ziel einte alle Gesprächsteilnehmerinnen und -teilnehmer: auch zukünftig in den Pfarrei- en des Bistums die Kirchenmusik in ihren vielfältigen Ausdrucksformen und -möglichkeiten lebendig zu halten und in Gottesdiensten und abwechslungsreichen Feierformen mit mög- lichst vielen Menschen gemeinsam zu musizieren. 10
VIELFALT DER LITURGISCH- MUSIKALISCHEN ANGEBOTE 11
Vielfalt der liturgisch-musikalischen Angebote „EVENSONG – VESPER – HALLELUJA-ANDACHT“ Vielfalt der musikalischen Angebote im Bistum Münster Evensong in St. Joseph – Sonntagsvesper im neuen Gewand Von Pfarrer Dr. Stefan Rau und Dr. Winfried Müller Ohne Messe bleibt die Kirche zu(?) Es ist schon eigenartig: Die Stellung der Laien in der Liturgie ist durch das II. Vatikanum deut- lich aufgewertet worden – selbstverständlich feiern Frauen und Männer, die sich zu Wort- gottesdiensten versammeln, auch ohne Priester wirklich Liturgie der Kirche. Aber gleichzeitig scheinen Andachten und Wortgottesdienste abzusterben und eine „eucharistische Mono- kultur“ greift um sich: „Gottesdienst“ ist für viele heute fast synonym mit „Messe“. Das hat fatale Folgen: Wenn keine Messe stattfinden kann, bleibt die Kirche oft verschlossen, findet gar nichts mehr statt. Auch in unserer Münsteraner Innenstadtgemeinde gibt es diese Tendenz: Zu sorgfältig vorbereiteten Kreuzweg-, Mai- oder Rosenkranzandachten kamen zwei oder fünf Gläubige, auch für die älteren Gemeindemitglieder waren Andachten keine Form ihrer Frömmigkeit. Doch wie andere Gemeinden wollten wir diese Verarmung der Gottesdienstkultur nicht einfach hinnehmen: Es bedeutet letztlich eine Abwertung der Eu- charistiefeier, wenn es keine anderen umgebenden und vorbereitenden Gottesdienste mehr gibt, wenn selbst Familiengottesdienste mit Kleinkindern nur als Eucharistiefeier möglich scheinen. Beim Nachdenken über Ziele und Möglichkeiten stellten wir Folgendes fest: 1. Es ist kein Problem, Gottesdienstleiter/innen zu finden, wohl aber, verlässliche Teil- nehmerinnen und Teilnehmer. So braucht jeder Gottesdienst eine Gruppe, die sich verpflichtet fühlt, ihn zu tragen. Da es bei uns kaum über Jahre stabile Gruppen und Verbände gibt, suchen und werben wir also jeweils Menschen für ein bestimmtes Gottesdienst-„Projekt“. 2. So wie unsere Gemeinde in der Stadt ein Profil entwickeln und nicht alles bedienen muss, was irgendjemand sich wünscht, müssen auch Gottesdienste ein eindeutiges „Gesicht“ entwickeln und über einen längeren Zeitraum behalten – es kann Jahre dau- ern, bis sich Gutes herumspricht und neue Leute anzieht. 3. Gottesdienste müssen „schön“ sein! Unsere Gottesdienste ziehen Menschen an, die wertvolle Inhalte in sinnvollen und sorgfältig gestalteten Formen entdecken, weder überladen und protzig „von gestern“, noch ärmlich und lieblos oder Wort lastig: Raum, Licht, Gegenstände, Bewegung, Sprache und vor allem Musik müssen „stimmen“ und so in die Feier und ihre Inhalte hineinziehen. So tragen inzwischen kleine, aber recht stabile Gottesdienstgemeinden vier Werktagsmessen, am Montagabend eine „Stille Messe“ mit integrierter Vesper, am Mittwochmorgen die Laudes mit anschließendem Frühstück im Pfarrhaus, am Donnerstagabend eine Anbetungszeit mit abschließender Komplet und am ersten Sonntag im Monat einen Evensong. 12
Nele Rothenpieler ist Kantorin beim Evensong in St. Joseph in Münster. Foto: privat Evensong in St. Joseph Dieser Evensong stammt aus der anglikanischen Tradition und bildet dort seit der Reforma- tionszeit den regulären abendlichen Werktagsgottesdienst. Die anglikanische Kirche hat so die altkirchliche Tradition zurück gewonnen, die Eucharistie als Höhepunkt der Liturgie Sonn- und Festtagen vorzubehalten. Der Evensong wird bestimmt durch ausführliche Lesungen und Bekenntnisse, vor allem aber musikalisch durch orgelbegleitete mehrstimmige Psalmen und Gesänge, die heute in der Vollform allerdings nur von den Kathedralchören vollzogen werden. Aus dieser Tradition haben wir folgende Elemente für „unseren“ Evensong definiert: 1. Unsere Zielgruppe sind primär Menschen, die nicht regelmäßig zur Sonntagseucharistie gehen, sich aber am Sonntagabend von 18 Uhr bis 18.45 Uhr Zeit nehmen zur geist- lichen Vorbereitung auf die neue Woche. 2. Bestandteil des Evensongs ist eine der beiden nichtevangelischen Schriftlesungen des Sonntags und ein kurzer Predigtimpuls in die neue Woche. 3. „Earcatcher“ ist jeweils ein Instrumental- oder Gesangssolist oder -ensemble, der/das an vier Stellen im Gottesdienst musiziert. Hier ist der Auswahl der Musiken fast keine Grenze gesetzt. Neben den professionellen Musikern ist der Evensong besonders eine Möglichkeit den jungen Solisten des Kinder- und Jugendchores sich einzubringen und erste Auftrittserfahrungen zu sammeln. 4. Die Gemeinde ist eingeladen, ihre Teile mehrstimmig zu singen, dafür haben wir eine eigene kleine Gesangsmappe zusammengestellt. Ziel: schlichte mehrstimmige Gesänge der Ostkirchen zu nutzen, die von den Gottesdienstbesuchern schnell erfasst werden können. Vor Beginn eines jeden Evensongs singt sich die Feiergemeinde unter Leitung unseres Kirchenmusikers ein. 13
Vielfalt der liturgisch-musikalischen Angebote Dabei ergeben sich automatisch „Stimm-Ecken“ (Männer/Frauen, hohe/tiefe Stimmen). Dieses gemeinsame Sich-Einstimmen in den Evensong bereitet den Raum für das Hören der darauf folgenden ersten Solo-Musik. 5. Ort des Gottesdienstes ist die „Chorkirche“ mit ihren 50 Plätzen, in der sich die Gemein- de gegenüber sitzt und die Psalmen und Gesänge einander wechselseitig zusingen kann. 6. Wir „bewerben“ diese Gottesdienste auf unserer Homepage und über die örtliche Presse. In dieser Form ist der Evensong seit nunmehr zehn Jahren fester Bestandteil unserer Gottesdienste. Er wird von etwa 30 bis 40 Personen mitgefeiert, wobei sich die Zielgruppe deutlich verschoben hat: Es kommen – auch aus anderen Gemeinden – eher Teilnehmer, die morgens auch schon in der Sonntagsmesse waren und sich abends einen Abschluss des Sonntags wünschen, die gerne singen und gute Musik hören möchten. Der Evensong hat die folgende Grundstruktur: ANKOMMEN – UNS SAMMELN MIT CHRISTUS Die Gemeinde versammelt sich in der Chorkirche und stimmt sich ein. 1. Instrumental- / Vokalsolo I Dabei zieht Vorsteherin / Vorsteher still ein und setzt sich. 2. Vorsteherin / Vorsteher: Eröffnung / Begrüßung / kurze Einführung 3. Vorsteherin / Vorsteher holt vom Ewigen Licht das Feuer und entzündet damit die Kerze in der Mitte. 4. Gemeinde: mehrstimmiger Lichthymnus 5. Vorsteherin / Vorsteher: Oration / Lichtsegen SEIN WORT HÖREN + BEDENKEN 6. Ein Psalm (Gemeinde / Kantor/in oder Instrument und Rezitation) 7. Lektorin / Lektor: Lesung vom Sonntag 9. Instrumental- / Vokalsolo II 10. Vorsteherin / Vorsteher: Ansprache / Bildbetrachtung / Wochenimpuls 11. Instrumental- / Vokalsolo III ANTWORTEN IN BEKENNTNIS UND GEBET – UM SEGEN BITTEN 12. Gemeinde: Glaubensbekenntnis (mehrstimmig) 13. (Freie) Fürbitten dabei Entzünden von Kerzen / Weihrauchspende dazu: Kantorin / Kontor und Gemeinde mehrstimmiger Gebetsruf 14. Gemeinde: Vaterunser (mehrstimmig) 15. Vorsteherin / Vorsteher: Schlussgebet und Segen in die Woche 16. Gemeinde: Abend- / Segenslied 17. Instrumental- / Vokalsolo IV 14
„EvenJazz“ in Münsters Überwasserkirche Von Jürgen Wiltink In der Pastoralkonferenz der Seelsorgerinnen und Seelsorger der Stadt Münster im Sommer 2019 sprachen wir über neue Wege in der Pastoral. Am Rande eines solchen Gespräches kam das Thema Jazzmusik bei einem liturgischen Angebot in einer Stadtkirche von Münster auf. Ein neues Angebot in heutiger Zeit kann sehr wohl ambivalent gesehen werden. Ich denke, dass wir die Chance der musikalischen und liturgischen Vielfalt noch nicht aus- geschöpft haben, um Menschen wieder für Gott zu begeistern. Ich bin als hauptamtlicher Diakon Vollzeit tätig in der Klinikseelsorge im UKM, habe vor vielen Jahren das C-Examen für Kirchenorgel und Chorleitung erfolgreich absolviert, hatte über 30 Jahre Klavierunterricht. Derzeit habe ich Unterricht im Jazz-Klavier bei Daniel Masuch. Unser Ziele „Ein guter Gottesdienst sollte mich an die Gegenwart Gottes heranführen und nicht nur durch das Wort, sondern auch durch das Zusammenspiel von Musik und Stille zur Schönheit führen. Und in eine anmutige, demütige Haltung.“ So wünscht es sich der in Berlin lebende Jazz-Saxophonist und Komponist für Kirchenmusik, Uwe Steinmetz. Ich selbst erfahre Kraft und Stärke durch die Mitfeier von Gottesdiensten. Wenn dieses Zusammenspiel gelingt, kann mich der Gottesdienst inspirieren, meine Beziehung zu Gott und zu meinen Mitmen- schen wieder mehr in den Blick zu nehmen. Neues Angebot in Liebfrauen Überwasser Ein Angebot von Jazzmusik im Gottesdienst ist für die gesamte Stadt und darüber hinaus vorgesehen. Es bietet die Möglichkeit, durch neue Wege Kirche wieder attraktiver zu ge- stalten, einen Resonanzraum zu eröffnen, in dem Gott in Stille und Lebendigkeit erfahrbar werden kann. Von Idee und Konzept her orientiert sich der so genannte „EvenJazz“ an den bekannten Evensong: Ein musikalisches Abendgebet in der Kirche, Gebet, Musik, Stille – ein liturgisches Angebot, um zur Ruhe zu kommen, Kraft zu tanken, erfüllt ins Wochenende zu gehen. Zwei Kriterien unterscheiden den „EvenJazz“ vom Evensong: Die Musik wird von Instrumenten – nicht von einem Chor – begleitet und das Genre ist Jazzmusik. Diese Gottesdienstform birgt Möglichkeit, ihn ökumenisch zu feiern. So können mehr Menschen angesprochen werden. 15
Vielfalt der liturgisch-musikalischen Angebote Was wird benötigt? Für Jazzmusik in der Kirche bietet ein Flügel gute Voraussetzungen. Darüber hinaus ist es notwendig, Musikerinnen und Musiker für ihren Dienst angemessen zu honorieren, um ihnen dadurch Wertschätzung und Anerkennung für Ihr Engagement zu erweisen. Der Jazz- pianist Daniel Masuch ist dabei sowie weitere Musikerinnen und Musiker. Alle Mitwirkenden sind in der Jazzmusik als auch im Kirchenraum „zuhause“. Ein Team übernimmt die organisa- torische und inhaltliche Vorbereitung. Die ersten EvenJazz-Abendgebete wurden mit zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern gefeiert, wie hier am 3. Dezember 2021 mit der Lux3-Lichtinstallation zum City Advent. „Wort und Antwort“ in Hiltrup St. Clemens Von Henk Plas Manche Besucher des Gottesdienstes „Wort und Antwort“ brauchen Ermutigung, um vorne in der Kreuzwegkapelle unserer Pfarrkirche Platz zu nehmen, wo die Stühle im Kreis auf- gestellt sind. Aber nach mittlerweile vier Gottesdiensten dieses neuen Formates, gibt es ein „Stammpublikum“, das sich auf das im Mittelpunkt stehende Schriftgespräch einlässt und aktiv beteiligt. Seit Februar 2022 wird der Gottesdienst „Wort und Antwort“ an jedem ersten Sonntagabend im Monat gefeiert. Nach einer kurzen Besinnung durch das Vorbereitungs- team, folgt die liturgische Begrüßung und ein Gebet. Danach wird ein Lied angestimmt, und 16
es beginnt das Schriftgespräch, wofür etwa 20 bis 25 Minuten vorgesehen sind. Zunächst wird der Bibeltext (bisher das Evangelium vom Sonntag) vorgelesen. Nach kurzen Impulsen haben alle die Möglichkeit, den vorab ausgeteilten Text nochmal in Stille zu lesen und an- hand einiger kurzer Fragen ins Gespräch zu kommen. Nicht alle beteiligen sich, aber der Ein- druck entsteht, dass alle den Dialogen aufmerksam folgen. Nach dem Glaubensbekenntnis und Fürbitten wird das Vaterunser gebetet und gemeinsam im Kreis kommuniziert. Segensgebet und Schlusslied bilden den Abschluss dieser Feier, die mir persönlich viele neue Aspekte des Evangeliums aufleuchten lässt. Musikalischer Adventskalender in St. Lamberti Von Alexander Toepper Seit 2017 ist der Musikalische Adventskalender eine feste Einrichtung in der Lambertikirche Münster. Jeden Werktag vom 1. bis zum 23. Dezember öffnet sich am späten Nachmittag ein „Kalendertürchen“, hinter dem sich ein musikalischer Beitrag in einem kleinen liturgischen Rahmen verbirgt. Anliegen war es, ein Angebot zu schaffen, das liturgisch niedrigschwellig ist und gleichzeitig Musik auf hohem künstlerischen Niveau zugänglich macht. Gab es im ersten Jahr nur eine kurze Begrüßung und im Anschluss ein 10-Minütiges adventliches Programm mit Orgel- oder Vokalmusik, setzte sich schnell die Erkenntnis durch, dass der Planungsauf- wand für die gesamte Reihe ohnehin so groß ist, dass man die Gestaltung der einzelnen Ter- mine ausdehnen kann. Das aktuelle Format hat folgenden Aufbau: Liturgische Eröffnung / Begrüßung / Musik / Lesung / Impuls / Musik / Vater unser / Segen und abschließend Musik. Die Gesamtdauer beträgt 30 Minuten bei einem Wortanteil von etwa acht bis zehn Minuten. Für die Musikbeiträge kommen unterschiedliche Ensembles und Musizierende zum Einsatz; solche, die zur Gemeinde gehören, als auch Gäste: Akkordeon solo, Saxophon und Orgel, Streichduo, Blechblasensemble, Alte-Musik-Ensembles, Gitarre solo, Orgel solo, Vokalmusik. Die gespielten Werke haben adventlichen Charakter oder sind neutral und lassen sich gut mit einem adventlichen Text verbinden. Der liturgische Rahmen wird vom Pastoralteam und dem Kirchenmusiker gestaltet. Die Lesung wählt die/der Verantwortliche selbst aus. Sie kann biblischen Ursprungs sein oder auch aus Dichtung, theologischen Schriften oder Belletristik entstammen. Musik und Wort greifen inhaltlich ineinander, können aber auch kontrastieren oder atmosphärisch nebeneinander stehen. Das Angebot richtet sich an Musikinteressierte, an die Besucherinnen und Besucher des Weihnachtsmarktes, die für eine halbe Stunde dem Trubel der Innenstadt entkommen wollen. 17
Vielfalt der liturgisch-musikalischen Angebote KreuzKlang in Münster Heilig Kreuz Von Jutta Bitsch Mit dem „KreuzKlang“ bietet die Kirchengemeinde Heilig Kreuz ein Format an, das durch wechselnde Gestaltung Personen anspricht, die eher nach alternativen Gottesdienstmodel- len suchen als auch musikalisch Interessierte, die teilweise bewusst experimentelle Klängen erleben möchten. Zwei „Ableger“ des KreuzKlangs sind während der Coronapandemie ent- standen: Während des „Lockdowns“ wurde über Wochen, streckenweise täglich, Orgel- und Klavierimprovisationen für den YouTube-Kanal der Kirchengemeinde eingespielt. Seit wieder Präsenzveranstaltungen möglich sind, wird der jeweilige KreuzKlang mitgeschnitten und an- schließend in Ausschnitten im YouTube-Kanal zur Verfügung gestellt. Außerdem installierte die Kirchengemeinde nach den ersten zaghaften Öffnungen am Mittwoch Abend um 22 Uhr den „AusKlang“, eine halbstündige Zeit zum Musik-Hören, Innehalten und zur Ruhe kom- men. Nachdem die verschiedenen Angebote des öffentlichen Lebens wieder zurückkehrten, wurde die kleine Auszeit auf den Mittag von 12 Uhr bis 12.30 Uhr verlegt. Auch hier herrscht eine große Vielfalt: rein musikalische Gestaltung wechselt mit freien Gottesdienstformen, angelehnt an die Tagzeitenliturgie, ab. Die Gemeinde hat sich bewusst offen gehalten, auf die Entwicklung des Interesses zu reagieren und das Format oder die Uhrzeit gegebenenfalls zu ändern. Geistliche Impulse im Kreisdekanat Borken Im Kreisdekanat Borken hat Werner Hespe variable Gottesdienstformen gesammelt und zusammengestellt: „EvenMASS“ und „Atemholen“ in Velen St. Andreas: In Velen hat Pfarrer Martin Limberg sonntags um 18.30 Uhr die EvenMASS eingeführt, eine Eucharistiefeier in „lockerer“ Form. Wir verfügen in St. Andreas über einen großen Altarraum, in dem die Gottesdienstbesucher auf Stühlen rund um den Altar sitzen. Diese Messen werden musikalisch besonders gestal- tet: Klavier, Instrumental- oder Vokal-Solisten, Taizé-Gesänge: Hier haben sich die Erfahrung des Kirchenmusikers und seine zahlreichen Kontakte bewährt. Nach der Probephase hat sich diese Gottesdienstform etabliert, und es nehmen bis zu 150 Personen daran teil. In St. Stephanus in Hochmoor gibt es im Advent und in der österlichen Bußzeit am Montagabend um 18.30 Uhr die „Zeit zum Atemholen“, etwa eine halbe Stunde mit Texten und viel Musik. Diese Gottesdienste sind an kein formales Konzept gebunden: Das Vorbereitungsteam entwickelt Form und Inhalte gemeinsam mit dem Kirchenmusiker für jeden Abend neu. (Michael Borgmann) 18
„Abendimpuls“ in Borken St. Remigius: Als der Wochenmarkt vor fünf Jahren in die Nachmittagsstunden auf den Kirchplatz verlegt wurde, öffnete auch St. Remigius mit einem geistlichen Angebot die Türen: Der 10minütige „Abendimpuls“ wurde geboren. Auf ein kurzes Musikstück zu Beginn folgt ein Impuls durch ein Mitglied des Seelsorgeteams, beides inhaltlich aufein- ander abgestimmt. Sowohl die unterschiedlichen Zeiten des Kirchenjahres, Festtage als auch aktuelle Themen finden hier Raum. Anschließend beten alle gemeinsam das Vaterunser. Mit einem passenden Gemeindelied und abschließenden Segen endet dieses abendliche Angebot. Der „Abendimpuls“ erfreut sich großer Beliebtheit und wird nicht nur von den Be- suchern des Feierabendmarktes gerne angenommen. (Monika Ladermann) „Moment Mal“, „Schichtwechsel“ und „Im Fokus“ in Bocholt Liebfrauen: In der Advents- zeit gibt es samstags um 12 Uhr einen 15minütigen Impuls „Moment Mal“ mit Musik und Text. Es treten vor allem Schülerinnen und Schüler der Musikschule auf. Ein Mitglied des Seelsorgeteams liest adventliche Texte. Mittwochs findet 14tägig eine halbstündige Andacht „Schichtwechel“ zu einem bestimmten Schlagwort statt. Es gibt eine Schriftlesung mit ergän- zenden Texten und Impuls. Die Besucherinnen und Besuchern haben auch die Gelegenheit sich gegenseitig auszutauschen. Angereichert wird die Andacht durch musikalische Beiträge am Klavier und von weiteren Musikern. Monatlich wird eine Eucharistiefeier am Sonntag um 18 Uhr besonders gestaltet. Hierbei werden Teile des Konzeptes des „Schichtwechsels“ auf die Form der Eucharistiefeier übertragen: eine Schriftlesung, häufig in verteilten Rollen vorgelesen, gefolgt von einem kurzen Impuls. Die Besucher bekommen Zeit, sich darüber Gedanken zu machen oder sich auszutauschen. Es können auch Fürbitten aufgeschrieben werden, die anschließend entweder verlesen oder während der Gabenbereitung mit auf den Altar gelegt werden. Diese „aktive Phase“ wird musikalisch gestaltet. (Philipp Hövelmann) Taizégebet in Bocholt St. Georg: Monatlich treffen sich Jugendliche und junge Erwachsene freitagabends zum Taizégebet. Gerade der ökumenische Charakter dieser Gottesdienstform ist den Teilnehmenden und Vorbereitenden wichtig. Im entsprechend gestalteten Altarraum der gotischen Kirche wird der Gottesdienst nach dem Vorbild in Taizé gestaltet: Schrifttexte, ausgiebige Zeit der Stille, Fürbitten und vor allem der Gesang, der je nach Zahl und Möglich- keiten der Anwesenden unterschiedlich ausfällt. Liturgisch-musikalische Formate im Kreisdekanat Coesfeld Musik zu Marktzeit, Nottuln St. Martinus: Die Marktmusik wird in unterschiedlichen Aus- führungen zur spirituellen Einkehr angeboten. Dieses hochwertige Format wird insbeson- dere von Menschen, die nicht (mehr) an den üblichen Gottesdiensten teilnehmen wollen, gut angenommen. Die Musik steht im Mittelpunkt, daher steht der Veranstaltung auch kein Priester oder Theologe vor. Mögliche Ausführungen: 19
Vielfalt der liturgisch-musikalischen Angebote 1. Orgelmusik, entsprechend den liturgischen Zeiten auch mit textlichem Impuls 2. Orgel und Gesang oder Solo-Instrument(en) 3. Klavier, Gesang, Rezitation von Texten 4. Gitarrenmusik 5. aktuell: Musiker aus der Ukraine – orthodoxe Musik für Cello, Violine und Gesang „Trauer bewegt – in Tanz, Wort und Musik“: Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Hospiz Nottuln. Der Tänzer, Choreograph und Kunsthistoriker Felix Grützner gestaltet seit 30 Jahren tänzerisch Gottesdienste, begleitet von Orgelmusik. (Heiner Block) Stundengebet in Werne: In St. Christophorus wird das Stundengebet regelmäßig gefeiert. Die häufigste Form ist die Vesper oder die Laudes zu den geprägte Zeiten, in der Karwoche die Trauermetten. Der Vorteil dieser Gottesdienste ist, dass sie sich in der Grundform leicht realisieren lassen, sie den Unterschied zur Messfeier nicht verwischen, und man sie nach Bedarf und Möglichkeit mit unterschiedlichem musikalischen Aufwand gestalten kann. Wel- che Teile musikalisch gestaltet werden, richtet sich nach den aktuellen Möglichkeiten. Die wiederkehrende Struktur des Stundengebets ist leicht erlernbar, so dass sie schon bald zur positiven Routine wird. (Hans-Joachim Wensing) Liturgisch-musikalische Veranstaltungen in Recklinghausen Von Thorsten Maus An liturgischen konzertanten Veranstaltungen ist in der Propsteigemeinde in den vergange- nen Jahren ein breites Spektrum entstanden, um möglichst viele Gruppen „niederschwellig“ zu erreichen. Bach am Mittag: mehrmals im Jahr Aufführungen von Bachschen Kantaten, von der klein- besetzten Solo-Kantate bis zum Weihnachtsoratorium. Die Werke werden mit einem spiri- tuellen Impuls erweitert. Adventliche Orgelmatineen: An den Samstagen im Advent sind Organistinnen und Organis- ten aus der Region zu Gast, verbunden mit einem geistlichen Wort. Viertelsternstunde: Die „Viertelsternstunde“ der Dortmunder Reinoldikirche hat die Propstei- gemeinde vor einigen Jahren ins Vest geholt: Jeden Tag im Advent zieht um 17.15 Uhr ein Stelzenläufer nach einer kurzen liturgischen Eröffnung in der Propsteikirche in Begleitung eines Gemeindemitgliedes weiß gekleidet und mit einem beleuchteten Stern vor sich her- tragend durch die Innenstadt – vorzugsweise über den Weihnachtsmarkt, um Leute zu sammeln, die dann in die Kirche folgen. Hier laden Stille und adventliche Texte zum Verweilen und Vorfreuen auf Weihnachten ein. 20
Die Musik beinhaltet täglich wechselnde Improvisationen von Gitarre solo bis E-Piano oder Pfeifenorgel oder Opernsängerin. Dazu wird ein bekanntes Lied gesungen wie „Macht hoch die Tür“. Wortgottesdienste im Garten der Religionen: Im Garten der Religionen, der zum interreli- giösen Dialog einlädt, ist die Band AreoSounds zu erleben, wenn sie mit NGL und Sacro-Pop vielfältig Menschen erreicht. Karfreitagsliturgie in der Propsteikirche: experimentell – eine Johannespassion mit im- provisierten Percussion-Klängen; ungewohnt – eine mit Marcel Duprés Kreuzigung aus dem Kreuzweg angeschlossene Passionsgeschichte; gewohnt – eine mit Chorsätzen gestaltete Li- turgie. Gemeinsam haben sie den roten Faden der abwechslungsreichen Herangehensweise. Taizé-Atempause: Dieser Wortgottesdienst nach klassischem Vorbild einer Taizé-Andacht entstand vor 15 Jahren im Kreis des damaligen Mädchenchores der Propsteikirche. Dabei kommen im von Kerzen erleuchteten Chorraum Menschen in ökumenischer Runde zu- sammenkamen. Im Laufe der Zeit wanderte diese Form aus Gebet, Stille und Musik durch die Kirchen und fand vor einiger Zeit neue Heimat in der umgestalteten Gemeindekirche St. Elisabeth und wird aus der Gemeinde heraus vorbereitet. Familiengottesdienst mit Kindermusical: Ebenfalls in der Kirche St. Elisabeth beheimatet sind die mehrfach im Jahr durchgeführten Familiengottesdienste, in denen Kindermusicals als musikalische Katechese durch die Roncallispatzen zum Erklingen gebracht werden. Evensong: In der Pauluskirche entstand mit dem Vokalensemble St. Paul die Idee des Even- songs nach anglikanischem Vorbild. Den Hauptpart übernimmt der Chor und schafft damit eine besondere Atmosphäre, um innere Ruhe zu finden, Glauben und Leben zu verbinden und den Tag ausklingen zu lassen. Musikalisches Abendgebet: Ebenfalls in der Pauluskirche beheimatet ist das musikalische Abendgebet. Die neue Form des Gottesdienstes regt an zur Besinnung und Erfahrung der Gottesnähe. In dieser Atmosphäre erklingt Orgel-, Vokal- oder auch Instrumentalmusik im Wechsel mit biblischen Texten, Psalmen und gemeinsamen Gesang. Himmelwärts: Mehrfach lud die Choralschola der Propsteikirche zu diesem Format mit einem Gregorianischen Gesang durch das Kirchenjahr ein. Die Highlights des Graduale (Introitus zu Pfingsten oder Christi Himmelfahrt) werden mit Klavier- und Saxophonimpro- visationen in ein neues Gewand gekleidet. Wechselnde Orte des Musizierens im Kirchraum (Taufkapelle, Mittelgang, Chorraum) erregen die Aufmerksamkeit der Gäste. 21
Vielfalt der liturgisch-musikalischen Angebote Messe mit Musikakzent: Bei dieser Variante des kir- chenmusikalischen Einsatzes erklingt in der Messfeier Instrumental- oder Vokalmusik – oftmals als Ersatz für Gemeindegesänge. Sayaka Nakajima, Violinistin der Neuen Philharmonie Westfalen, gab Unbekanntes auf historischem Instrument zu Gehör. Auch Konzertgitarre und Cello solo mit Bachs Suiten waren zu hören. Messe mit besonderem musikalischem Akzent mit der Liturgie und Kirchenmusik im Violinistin Sayaka Nakajima. Foto: Marcel Kusch Kreisdekanat Steinfurt Von Andreas Wermeling Rheine St. Dionysius, Düstere Mette: Seit mehr als zwan- zig Jahren zählt die Düstere Mette zum festen Bestandteil der liturgischen Feiern der Karwoche. In Anlehnung an die Tradition der Trauermetten versammelt sich die Ge- meinde am späten Mittwochabend der Karwoche zu die- sem besonderen Wortgottesdienst. Die Klagelieder des Propheten stehen im Mittelpunkt der Feier. Sie führen ein in die besondere Spiritualität der Heiligen Woche vor Ostern. Dazu erklingen liturgische Gesänge zur Passion Christi aus verschiedenen Jahrhunderten und unter- schiedlichen Ländern. Außergewöhnlich ist dabei der Standort des Chores. Die Capella Sankt Dionysius steht im Westen der Kirche, unter dem Turmjoch. Die Aufstellung ist für die Gemeinde also nicht sichtbar. Der Blick wird somit auf einen großen Leuchter im Altarraum gelenkt. Fünfzehn Kerzen brennen dort zu Beginn der Mette. Die Capella Sankt Dionysius gestaltet in der Karwoche die Düstere Mette. Foto: privat 22
Im Verlauf der Feier wird eine Kerze nach der anderen gelöscht. Am Schluss brennt in der fast dunklen Kirche nur noch die mittlere Kerze, Sinnbild für die Verlassenheit Christi vor seinem Kreuzestod. Angelus-Konzerte: Einen weiteren kirchenmusikalischen Akzent setzen in Sankt Dionysius die Angeluskonzerte. An den Samstagen im Advent versammelt sich zum Angelusläuten und Gebet um 12 Uhr regelmäßig eine stattliche Zuhörerzahl, um einer halbe Stunde ad- ventlicher und vorweihnachtlicher Orgelmusik zu lauschen. Die inzwischen auf 63 Register angewachsene viermanualige Orgel der Firma Klais bietet dazu viele Klangmöglichkeiten. Und manchmal gesellt sich zu den mehr als 3500 Orgelpfeifen auch noch eine Sologesangs- stimme hinzu. Eternal Dream: Die Pfarrei Sankt Antonius Rheine steht seit Jahren für eine experimentelle und aus- drucksstarke Liturgie zu den Kar- und Ostertagen. Die Lichtinstallation FOKUS im Jahre 2021 bildete einen vorläufigen Höhepunkt, bei dem biblisches Geschehen mit Licht- installationen und Musikbeiträgen nacherzählt wurde. Inspiriert von diesen Erfahrungen macht sich das FOKUS-TEAM im Jahr 2022 auf zu neuen Ufern: „Eternal Dream“ mit Künstler Simon Weckert ist eine in- teraktive Kunstinstallation, inspiriert vom ewigen Traum vom Fliegen. Die Arbeit besteht aus einer blauen Monolith-Leinwand inmitten eines Kunstinstallation Eternal Dream: in St. Antonius Rheine. Foto: Andreas Wermeling Wasserbeckens. Vor der Leinwand wird der Körper des Besuchers als Echtzeit-Punktwolke gescannt und auf der Leinwand an- gezeigt. Nachdem das Team von FOKUS sich mit diesem Werk auseinandergesetzt hatte, war klar, dass hier die österliche Botschaft in digitaler Weise korreliert: Der Mensch, der nach dem Tod in den Himmel auffährt und in der Unendlichkeit Gottes aufgeht, kann synonym zur digitalen Unendlichkeit des Internets verstanden werden. Ungewöhnlich, experimentell und reizvoll der musikalische Beitrag der Kirchenmusik mit van Halens „Jump“ auf Haupt- und Chororgel sowie auf der Melodika. 23
Musikalische Andachten in Horstmar: Kirchenmusiker Rafael D. Marihart und Flötistin Cor- nelia Becken entwickelten im Herbst 2020 die „Musikalischen Andachten an St. Gertrudis“. Unter dem Zeichen des „entflammten Herzens“ gibt es sonntags um 17 Uhr eine halbe Stunde Texte und Musik. War dieses Format ursprünglich nur als einmalige Aktion für sechs Sonntage bis Weihnachten gedacht, führte der große Zuspruch dazu, dass die Andachten mittlerweile fester Bestandteil an den Fasten- und Adventssonntagen sind. Dabei ist der Ablauf immer gleich: Vier Blöcke Musik wechseln sich mit drei Blöcken Text ab. Für die Texte zeichnet sich ein Mitglied des Seelsorge-Teams oder der Evangelischen Gemeinde verant- wortlich. Die musikalische Gestaltung übernahmen Cornelia Becken und Rafael D. Marihart zunächst allein. Mittlerweile reicht die musikalische Gästeliste vom Trompeter über das Gitarren-Quartett, das Geigenduo, den Opernsänger bis hin zur Musicaldarstellerin. Gerade diese stilistische Bandbreite macht die „Musikalischen Andachten“ auch über die Stadtgren- zen Horstmars hinaus bei den Menschen beliebt. Cornelia Becken und Rafael D. Marihart gestalten die „Musikalischen Andachten an St. Gertrudis“. Foto: privat 24
Musik und Liturgie im Kreisdekanat Wesel „Halleluja-Andacht“ in Schermbeck Von Nicola Kotulla-Kozole Die „Halleluja-Andacht“ ist ein gottesdienstliches Angebot mit musikalischem Schwerpunkt. Die einzelnen Lieder und Instrumentalstücke werden durch kurze Texteinheiten verbunden. Es bleibt auch Raum für das persönliche Gebet. Die Andachten haben keine starre liturgische Form, allerdings überwiegend ein festes „Gerüst“. Die Andachten wurden in der Corona-Zeit einmal im Monat zur Probenzeit des Projektchores angesetzt. Gute Erfahrungen haben wir mit folgender Konstellation gemacht: Eine Person (in unserem Fall eine Religionslehrerin) wählt die Texte aus. Diese werden der Kirchenmusikerin geschickt, die passende Lieder aussucht und Einleitungen zu den Liedern formuliert. Einen Gottesdienst-Vorsteher gibt es nicht. Die Texte werden aus der Bank heraus von einer Person vorgelesen. Der Altarraum bleibt leer oder farbig illuminiert. Oder es kann als Blickfang eine Leinwand aufgestellt wer- den, auf der thematisch passende Fotos eingeblendet werden. Wichtig ist, diese „andere“ Gottesdienstform zu ungewohnter Zeit zu kommunizieren. Wir haben dazu Plakate, Mail- Verteiler, WhatsApp-Gruppen genutzt, sowie die Hinweise in den Pfarrnachrichten und im Publikandum. Das Entscheidende ist aber die Mund-zu-Mund-Propaganda. Themen der Andachten: „Ein Familienwochenende in Berlin“ – Grenzerfahrungen; „Sprung vom 10-Meter-Turm“ – Vertrauen; „Herbst/Baum“ – verwurzelt sein; „Taizé-Reise“ – Licht sein, „Olympische Spiele“ – „Sehnsucht“. Ablauf der Andacht: Einstimmung Instrumental / Lied / Eröffnung und persönliche Worte / Lied / Psalmvers / Lied / Impuls (hier haben wir keine „klassische“ Predigt eingefügt, sondern persönliche, selbst formulierte Gedanken zum Thema). Es folgen Lied und Schriftlesung sowie Fürbitten mit gesungenem Liedruf und einer Einladung zum persönlichen Gebet: „Nun können Sie, wenn Sie möchten, ein stilles „Vater unser“ beten oder ihre eigenen Worte an Gott richten. Oder Sie lauschen einfach der Musik.“ Abschließend ein Instrumentalstück / Segen / Verabschiedung sowie persönliche Worte und Terminhinweise. Die Andachten sind bewusst „musik-lastig“ gestaltet und bieten Raum zum persönlichen Gebet, um „zur Ruhe zu kommen.“ 25
Vielfalt der liturgisch-musikalischen Angebote Taizé-Gebet in Duisburg-Hochheide: Von Heiner Lueger Zu Beginn: 32 Mon âme se repose – „Bei Gott bin ich geborgen“ 35 Bonum est confidere Kurzes freies Gebet Psalmverse dabei: 21 Christe salvator – „Du bist Verzeihen“ Lichtgesang: 8 C’est toi ma lampe – „Wach auf“ Schrifttext Gesang: 66 Qui regarde vers Dieu Stille Gesänge: 60 O Christe Domine Jesu 50 Nada te turbe Fürbitten / Dank: 87 Kyrie 17 Vater unser 147 Vater Unser Gesang: 65 Dona nobis pacem cordium Gemeinsames Gebet Gesänge: 53 Dona la pace 142 Bleib mit deiner Gnade bei uns Die Liednummern beziehen sich auf das ausliegende Heft „Gesänge aus Taizé“. Das Vorspiel wird von Querflöte und E-Piano gespielt. Anschließend spielen Streicher jeweils einmal den Satz. Danach folgen mehrere Durchläufe. Blockflöten spielen aus dem Satz im Gemeinde- heft. Zu „Christe Salvator“, „Qui regarde vers Dieu“, „Kyrie 17“ und „Vater Unser“ spielen alle aus dem Gemeindeheft. Kunst, Kirchenmusik und Liturgie in Kevelaer, Xanten und Sendenhorst Digital-Art in Kevelaer: Am 12. April 2022 fand in der Basilika in Kevelaer ein besonderes Event statt: Zur traditionellen Abendmeditation war der Digital-Art-Künstler Robin Mödder eingeladen worden, der anlässlich des aktuellen russischen Krieges in der Ukraine eine Videoinstallation zu den Themenkomplexen „Frieden“ und „Passion“ entworfen hatte. Untermalt wurden diese beeindruckenden Bilder in der atmosphärisch beleuchteten Basilika von Elmar Lehnen auf der großen Orgel, der subtile Klänge fand, um eine fesselnde Synthese herzustellen. 26
Videoinstallation und Gesang des Knabenchores in Kevelaers Marienbasilika. Foto: privat Die Projektionen fanden im Wechsel mit dem Knabenchor Kevelaer statt, dessen klare Stimmen einen spirituellen Kontrast und Ruhepol zu den aufrüttelnden Bildern darstellten. Die intensive Synergie und große Tiefe des Abends wurde schließlich eingeleitet durch einen Vortrag des „Ratlosen Psalms“ von Stephan Wahl, rezitiert durch die eindringliche Stimme des Musikwissenschaftlers und Gregorianik-Experten Prof. Dr. Stefan Klöckner mit den Wor- ten: „Es ist Krieg.“ (Sebastian Piel) Orgelmeditationen in Xanten: Seit 2016 werden an jedem Samstag im Advent in der Zeit von 11.30 Uhr bis 12 Uhr Orgelmeditationen im Xantener Dom angeboten. Zahlreiche Gastinter- preten haben schon den Weg nach Xanten gefunden. Die Intention dieser Orgelreihe ist es, den Zuhörenden aus dem Alltag in der vorweihnachtlichen Zeit zu holen. Der beeindrucken- de Dom bietet hierzu die passende Atmosphäre. Die meisten Zuhörenden sitzen und lau- schen der Musik, manche bleiben auch nur einen Augenblick. Ein paar Minuten Innehalten ist für viele eine gute Erfahrung. Seit Beginn der Reihe haben vom Auszubildenen im Xante- ner C-Kurs bis hin zu international renommierten Konzertorganisten viele Musikerinnen und Musiker in dieser Reihe gespielt. (Matthias Zangerle) 27
Vielfalt der liturgisch-musikalischen Angebote Der Kreuzweg in Sendenhorst: Eingebettet in den liturgischen Rahmen einer kirchenmusi- kalischen Andacht präsentierte Winfried Lichtscheidel mit der Vertonung „Der Kreuzweg“ von Marcel Dupré eine der bedeutendsten Orgelkompositionen des letzten Jahrhunderts. Die Kirchenbesucher erlebten eine eindringlich gestaltete Interpretation der vierzehn Kreuzweg-Stationen, die stimmungsvoll und durch ihre transparente Klanggestaltung durchdringbar und nachvollziehbar geriet. So konnte auch der „Ersthörer“, dem sich in der Klangsprache Duprés nicht spontan erschließen mochte, durch die assoziative Registrierung und Ausdrucksstärke in Lichtscheidels Vortrag den Leidensweg Jesu gut nachfühlen. Jede musikalische Station wurde von Pfarrer Clemens Lübbers durch Texte des französischen Schriftstellers Paul Claudel eingeleitet, der zu den 14 Stationen inspirierende Prosagedichte schrieb. Diese Gestaltung schlug nicht nur Brücken zwischen den einzelnen Orgelstücken, sondern lieferte auch Orientierung und Impulse, die zum Nachdenken anregen konnten. Eine Broschüre mit Fotografien der im Kirchenschiff befindlichen Kreuzweg-Gemälde runde- te die gelungene Andacht ab. (Heinz Braunsmann) Winfried Lichtscheidel spielte Duprés „Kreuzweg“ in Sendenhorst. Foto: Heinz Braunsmann 28
KINDERCHOR NACH CORONA 29
Thomas Neuleben berichtet von seinen Chorproben in Waltroper Grundschulen. Foto: privat Die Krise als Chance Von Thomas Neuleben Die letzten zwei Jahre waren für die Chorarbeit – vor allem im Kinderchorbereich – eine Herausforderung. Kontaktaufnahme zu den jungen Sängerinnen und Sängern war zeitweise nur online möglich, neuen Nachwuchs gab es weitgehend nicht, was sich gerade bei Kinder- chören besonders bemerkbar gemacht hat. Nach zwei Jahren Durststrecke war es für den Kinder- und Jugendchor St. Peter in Waltrop an der Zeit, wieder die Initiative zu ergreifen und aktiv Werbung um neue Sängerinnen und Sänger zu machen. Seit vielen Jahren besteht Kontakt zu den Waltroper Grundschulen. Vor Corona gab es an zwei von vier Grundschulen wöchentliche „Kontaktstunden“, in denen jahrgangsweise mit den Kindern gesungen wurde. Diese Initiative konnte teilweise über das Förderprojekt „Kultur und Schule“ des Landes NRW, sowie ehrenamtlich durchgeführt werden. Natürlich profitierte von dieser Arbeit auch der Kinder- und Jugendchor der Ge- meinde, da das Gesicht des Kirchenmusikers sowohl den Schülerinnen und Schülern als auch deren Eltern bekannt war. Trotzdem ging es in erster Linie nicht darum, den Kinderchor der Gemeinde „durch die Hintertür“ mit Nachwuchs zu versorgen, sondern Kindern Singen als Erfahrung zu ermöglichen und die Freude am Gesang zu wecken. Im Frühjahr 2022 äußerte die Schulleitung in Waltrop den Wunsch, die Chorarbeit an der Schule wieder aufzunehmen. Die Schule stellte zwei Schulstunden pro Woche für Chorarbeit zur Verfügung, nur über die Finanzierung müsse man noch sprechen. Was für ein Angebot und Geschenk! Hier bot sich nun die Möglichkeit, den Kontakt und die Zusammenarbeit mit einer Schule zu intensivieren und bildlich gesprochen auch den Boden für den Kinder- und Jugendchor dauerhaft neu zu bereiten. 30
Chorprobe mit Thomas Neuleben und Schülerinnen und Schülern der August-Hermann-Francke-Schule in Waltrop. Foto: privat Das Besondere an der Chorarbeit in der August-Hermann-Francke-Schule in Waltrop ist, dass es keinen Schulchor im üblichen Sinne gibt, in dem nur die Kinder singen, die Lust dazu haben, sondern dass alle Schülerinnen und Schüler dem Chor angehören. Singen wird zum gemeinschaftsstiftenden Element, dass alle miteinschließt. Nicht selten kommt es vor, dass gerade die Kinder, die verhaltensauffällig sind oder soziale Defizite aufweisen, durch das Singen angesprochen werden. Nach den ersten vier Wochen Chorarbeit an der Grundschu- le wurde eine Werbeaktion für den Kinder- und Jugendchor der Gemeinde durchgeführt, und 20 neue Kinder konnten für diesen Chor begeistert werden. Gleichzeitig gab es einen Bericht in der Tageszeitung, damit auch Kinder der anderen drei Grundschulen Waltrops erreicht werden. Ergebnis der Werbeaktion: 95 % der neuen Kinder im Chor kamen von der August-Hermann-Francke-Schule. Dies zeigt, wie wichtig die Chorleitung als Kontaktperson vor Ort in der Schule ist. Es reicht nicht, „nur“ in der Gemeinde seine Arbeit als Kirchenmu- siker zu verrichten. Es wird immer wichtiger, Kontakt zu nicht-kirchlichen Einrichtungen zu suchen, um die Menschen, die nicht am Gemeindeleben teilnehmen, für die Chorarbeit zu begeistern. Damit diese neue Zusammenarbeit zwischen Schule und Kirchengemeinde ge- lingen konnte, brauchte es einige Voraussetzungen: einen Pfarrer, der sich von dieser Idee begeistern ließ und die Chorproben in der Schule als Arbeitszeit des Kirchenmusikers an- erkannte, einen Kirchenmusikerkollegen, der nun Orgeldienste an Werktagen zur Entlastung des Chorleiters übernimmt, eine Schulleitung und einen Förderverein, die davon überzeugt sind, dass die Schülerinnen und Schüler nachhaltig vom Singen profitieren. Die „Krise“ als Chance zu sehen und neue Wege zu gehen hat sich hier gelohnt. Vielleicht können uns die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre mehr denn je dazu ermutigen, neue und kreative Ideen in unseren Gemeinden umzusetzen. 31
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