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2 2017 Das Magazin für die Kunden der Schindler Aufzüge AG Schindler Your First Choice next floor Agglomeration – zwischen Verdichtung und Identitätssuche Ein merkwürdiges Zwischenwesen Urbane Lebensqualität und Verkehrschaos Die Vorstadt: von Ghetto bis Idylle «Die Agglomeration ist bereits ein Abbild der Zukunft»
Inhalt 4 Die Agglomeration – ein merkwürdiges Zwischenwesen 9 Die Geburt der Agglomeration 10 Die Vorstadt: von Ghetto bis Idylle 14 Urbane Lebensqualität und Verkehrschaos 18 Der Aufzug für die innere Verdichtung 20 Im Gespräch mit Buchautor Paul Schneeberger: «Die Agglomeration ist bereits ein Abbild der Zukunft» 23 Wohnen in einer typischen Agglomerationsgemeinde 26 next news: Spezielle Projekte und Produkte aus der Schindler-Welt 28 Bürgenstock: dem Himmel so nah Für das neue Bürgenstock Resort konnte Schindler 42 Aufzüge liefern. Das Design ist teilweise individuell auf jedes Gebäude abgestimmt. Impressum Herausgeber Schindler Aufzüge AG, Marketing & Kommunikation, CH-6030 Ebikon Redaktion Thomas Langenegger Redaktionsadresse next floor, Zugerstrasse 13, CH-6030 Ebikon / Luzern, nextfloor.ch@schindler.com Adressverwaltung address @ ch.schindler.com Litho click it AG Layout aformat.ch Druck Multicolor Print AG Auflage 32 000 Ex. Ausgaben next floor erscheint zweimal jährlich in deutscher, französischer und italienischer Sprache Titelbild Ostermundigen im Kanton Bern; Bild: Beat Brechbühl Copyright Schindler Aufzüge AG, Nachdruck auf Anfrage und mit Quellenangabe. www.schindler.ch
Editorial Identität Liebe Leserinnen und Leser Die Schweizer Bevölkerung wächst – und mit ihr vor allem auch die Agglomerationsgemeinden. Es handelt sich um jenes Gebiet der Schweiz, das in den letzten Jahrzehnten den grössten Teil der wachsenden Bevölkerung aufgenommen hat und sich auch in Zukunft weiter dynamisch entwickeln wird. Mit welchen Chancen, Möglichkeiten und Risiken für die Schweiz von heute und morgen? Trotz der Beliebtheit auf dem Wohnmarkt leiden die Agglomerationen, zu denen heute rund die Hälfte aller Schweizer Gemeinden zählen, teilweise noch immer unter einem schlechten Image. Dass die Agglomerationen, diese «Räume mit städtischem Charakter» kein grauer Einheitsbrei, sondern spannende Lebensräume sind, in denen sich ganz gut leben und arbeiten lässt, zeigt das vorliegende next floor. Die Ausgabe geht der geschichtlichen Entwicklung der Agglomeration bei uns und in anderen Ländern und Kontinenten nach, zeigt, wie solche Siedlungsgebiete mit Verkehr und Mobilität umgehen und wie sie um eine eigene Identität ringen. Auch Experten und Bewohner kommen zu Wort. So auch der Journalist Paul Schneeberger, der für sein Buch über die Agglomeration ein Jahr lang durch die Schweizer Vorstädte pilgerte und zum Schluss gekommen ist, dass die Agglomeration ein Abbild der Zukunft darstellt. Viel Spass beim Lesen wünscht Ihnen Rainer Roten CEO Schindler Schweiz next floor 3
Agglomeration – aber wo? Nordrand von Zürich bei Wallisellen in Richtung Dübendorf. Die Schweizer Bevölkerung wächst. Mehr als vier Fünftel wohnen heute in den Städten und den angrenzenden Gemeinden. Dort, in der Agglomeration, spielt sich die eigentliche Entwicklung ab. Doch wohin soll in der Agglomeration die planerische und architektonische Reise gehen? TEXT PIRMIN SCHILLIGER BILD BEAT BRECHBÜHL D er Blick aus dem Zug irgendwo zwischen Luzern und Zürich: Vorbei flitzen Einfamilienhäuser, Villen und Wohnblöcke, Lager- hallen und Fabriken, Tankstellen und Einkaufszentren. Dazwischen Jürg Sulzer ist Leiter des Nationalen Forschungsprogramms 65 «Neue urbane Qualität» (NFP 65). Er nennt das Richti-Areal ein Leuchtturmprojekt jener «Stadtwerdung der Agglomeration», Schrebergärten, Sport-und Golfplätze, vereinzelt auch Bauernhöfe. wie sie das NFP 65 fordert. Dann ein etwas verloren wirkender Kirchturm. Vielleicht markiert er ein einstiges Dorfzentrum. Und immer wieder Kräne und nochmals Zwischen Urbanität Kräne – Signale des Baubooms. Wo eine Siedlung endet und die und Ländlichkeit Und immer wieder nächste beginnt, ist kaum erkennbar. Es überrascht nicht, dass das Kräne und nochmals Richti-Areal etliche Nachah- Kräne – Signale des Ein merkwürdiges Zwischenwesen mer gefunden hat. Und auch Der Charakter dieses bunten Siedlungsgemischs lässt sich schwer- Baubooms. Wo eine Kritiker. Sie sprechen von einer lich bestimmen, die vorbeirauschende Szenerie kaum verorten. So Siedlung endet und «aufgesetzten Urbanität». Die gut wie zwischen Luzern und Zürich könnten wir auch zwischen die nächste beginnt, Agglomeration soll nicht ein- Baden und Olten oder Genf und Lausanne unterwegs sein. ist kaum erkennbar. fach zur Erweiterung der Stadt Agglomeration bald überall im Schweizer Mittelland? Städteplaner, werden, bemängeln sie, son- Architekten und Politiker sind sich in dieser Frage nicht einig. Die dern zwischen Urbanität und Agglomeration: ein Flickenteppich aus Grau und Grün, aus Über- Ländlichkeit ein eigenes Gesicht entwickeln. Unterschiedliche archi- bauungen und Bauernhausidylle, aus Verkehrskreiseln und Parkhäu- tektonische Philosophien prallen also aufeinander. Ein gemeinsames sern. Die Übergänge, am inneren Rand zur Kernstadt und am äusse- Ziel gibt es trotzdem. Alle Akteure wünschen sich eine Agglomera- ren Rand zu den Dörfern, scheinen fliessend. Die Agglomeration tion, die ein vollwertiges Siedlungsgebiet ist, gleichermassen attrak- erweist sich also weder als Stadt noch als Dorf, sondern als ein tiv aufgrund des Wohnangebots, der Arbeitsplätze und guter Ver- merkwürdiges Zwischenwesen. Sie wirkt oft gesichtslos, ungeplant, kehrsanbindungen. Die Bewohnerinnen und Bewohner erwarten unfertig, provisorisch. ein üppiges Menu an Dienstleistungen mit Einkaufs-, Unterhal- Oder überraschend lebendig, erfrischend und urban, zum Beispiel tungs-, Kultur- und Sportmöglichkeiten. auf dem Richti-Areal in Wallisellen. Es umfasst 72 000 m2 und wurde Diese angestrebte Entwicklung zu lenken und den Raum zu ordnen, etappenweise überbaut. Der Mailänder Architekt Vittorio Magnago erweist sich zunächst als grosse planerische Herausforderung. Lampugnani setzte auf ein rigoroses Blockrandbebauungs-Konzept, «Die Verkehrserschliessung und der Bau von Infrastrukturen für wie man es aus dem Städtebau schon seit hundert Jahren kennt. Es Energieversorgung, Wasser, Abwasser, Entsorgung, Kultur, Bildung gibt grüne Innenhöfe und historisierende Elemente wie Arkaden, die und Soziales sind aufeinander abzustimmen. Dies alles mit dem für Transparenz sorgen und im Erdgeschoss eine gemischte Nutzung Blick auf die Schaffung von bedürfnisgerechtem Wohn- und Erho- ermöglichen. Das Richti-Areal hat von Experten viel Lob erhalten. lungsraum sowie von Arbeitsplätzen», sagt Marcel Hunziker, c next floor 5
Agglomeration Schweiz Verdichten nach innen – das einstige Transitlager zwischen Basel und Münchenstein wird etappenweise zum modernen städtischen Quartier. Agglomeration muss vor allem funktionieren im Sinne einer guten Abwägung c sozialwissenschaftlicher Landschaftsforscher an der Eidg. zwischen Privatheit und Geschäftsführer von Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Dichte, Anschluss und Senn Development AG, Rückzug, Durchmischung Immobilienentwickler Vielfältige Lösungen und Trennung, Preis und und Totalunternehmer, Im Bemühen der Architekten, die Agglomeration zum funktionie- Qualität. hat eine klare Meinung: renden Ort zu entwickeln und ihr ein ästhetisch überzeugendes «Agglomeration muss Gesicht zu verleihen, haben sich verschiedene Strömungen heraus- vor allem funktionieren gebildet. Ein anschauliches Beispiel gibt die Transformation des im Sinne einer guten Industrieareals Dreispitz/Freilager in Basel Südost. An den verschie- Abwägung zwischen denen städtebaulichen Wettbewerben beteiligten sich viele Archi- Privatheit und Dichte, tekten von Rang und Namen. Die Bandbreite ihrer zum Teil schon Anschluss und Rück- umgesetzten Vorschläge deckt das ganze Spektrum ab, von nüch- zug, Durchmischung und Trennung, Preis und Qualität. Auf all die- ternem Minimalismus bis zu einer Architektur der grossen Gesten, sen Achsen ist es in der Agglomeration besonders schwierig, die Ba- von Historisierung bis zu postmoderner Urbanisierung. lance zu finden. Zumal die Agglomeration selber meist wenig Auch wenn daraus so unterschiedliche Lösungen wie der «Helsinki bestehende qualitätsstiftende Elemente bietet. Die Ästhetik leitet Dreispitz» von Herzog & de Meuron oder der «verdrehte Block» der sich letztlich aus der gründlichen Beantwortung dieser Fragen ab.» dänischen BIG-Architekten entstanden sind, Sorgfalt und Qualität Die von Senn realisierten Projekte beweisen, dass Bau- und Lebens- ist dank den hochkarätigen Wettbewerben fast immer garantiert. qualität in der Agglomeration über viele Wege führen. Beispiels- Schlecht wäre hingegen – es lässt sich leider vielerorts auch beob- weise entwickelte Senn, zusammen mit Schneider Studer Primas Ar- achten – die Variation des immer gleichen kubistischen Blocks, der chitekten, das preisgekrönte «Zwicky Süd» in Dübendorf, ein sehr «Swiss Box», monoton und in steriler Strenge ausgeführt. städtisches wirkendes, gut durchmischtes Quartier. Dabei hätten die Johannes Eisenhut möchte weniger von einer «Stadtwerdung» als Akteure, so das einhellige Lob der Kritiker, Mut zur Dichte und Urba- vielmehr von einer «Etablierung der Agglomeration» sprechen. Der nität bewiesen. 6
Agglomeration – Siedlungsgürtel zwischen Grau und Grün Ganz anders die Gestaltung des Projekts Feldbreite Baufeld C1 in Laut Bundesamt für Statistik BFS wohnen mehr als drei Emmen. Das holländische Architekturbüro MVRDV gewann den In- Viertel der 8,42 Millionen Einwohner der Schweiz in den vestorenwettbewerb mit einer Art «Dorf im Quartier», nach innen insgesamt 50 Agglomerationen oder – wie es beim Bund mit bunt gemischten Einfamilienhäusern formal-verspielt, nach aus neuerdings heisst – «Räumen mit städtischem Charakter». sen eher städtisch wirkend. Nun ist, nachdem die Baubewilligung Allerdings zählt das BFS die Kernstädte, um die herum bereits vorlag, das Projekt im letzten Moment gestoppt worden. sich die einzelnen Agglomerationen gebildet haben, bei Das Luzerner Kantonsgericht stufte aufgrund einer Beschwerde die diesen Zahlen mit dazu. Das mag aufgrund der engen funk- 37 geplanten EFH nicht als Einzelbauten, sondern als zusammen- tionalen Beziehungen zwischen den Agglomerationen und hängenden Komplex ein. Deswegen seien sie barrierefrei zu bauen, den Kernstädten Sinn machen, ist aber unter Städteplanern, sprich mit Aufzügen auszustatten. «Das bisherige Projekt ist damit Demografen und Politikern umstritten. Sie verstehen unter gestorben, und wir sind nun an einer Neuplanung, mit den gleichen der eigentlichen Agglomeration den an die jeweilige Kern- holländischen Architekten», verrät Eisenhut. stadt angrenzenden Siedlungsraum. Die Agglomeration ist also der dicht bebaute Vorortgürtel zwischen einer Lebendige Sehnsucht nach dem Dorf oder mehreren Kernstädten und dem dünner besiedelten, Grössere Bauvorhaben in der Agglomeration bleiben eine delikate dörflich geprägten Umland. Die aktuelle Ausgabe von next Aufgabe, und auf dem Weg zur Vollendung lauern oft Stolper- c floor fokussiert sich auf diese Definition von Agglomeration. Glattbrugg in Zürich-Nord: Verkehrsdrehscheibe, Einkaufszentrum, Arbeitsplatz und Wohnquartier. next floor 7
Agglomeration Schweiz «Zwicky Süd» in Dübendorf: Mut zur Dichte und klar getrennte Mobilität für die verschiedenen Verkehrsteilnehmer. Obwohl mittlerweile mehr als drei Viertel der Schweizerinnen und Schweizer in Städten und Agglomerationen wohnen, möchten 72 Prozent am liebsten in einem Dorf leben. «Richti Areal» in Wallisellen (rechts und unten): Blockrandbebauung in urbaner Frische. c steine. Zu bedenken ist ausserdem: Die vielerorts angestrebte Stadtwerdung der Agglomeration ist nicht nur eine ästhetische und architektonische, sondern auch eine soziale Frage. Eine vor einem Jahr veröffentlichte Umfrage der Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft hat gezeigt: Obwohl mittlerweile mehr als drei Viertel der Schweizerinnen und Schweizer in Städten und Agglomerationen wohnen, möchten 72 Prozent am liebsten in einem Dorf leben. Immerhin 37 Prozent finden, dass die Agglo- meration der beste Ort zum Leben ist. Während die Städter die Agglomeration am liebsten möglichst rasch einverleiben möchten, schweift der Blick der Agglomerations- bewohner, die in ihrem Herzen oftmals Dorfbewohner geblieben sind, also weiterhin hinaus aufs Land, wo sie oder ihre Vorfahren zumeist herkommen. Bei aller Stadtwerdung soll die Agglomeration also ihre Beziehungen zum grünen Umland bewahren. Wichtig ist weiter, sie mit zentralen Funktionen auszustatten. Es gibt dafür überall schon gute Beispiele: Einkaufszentren wie das weit ausstrah- lende Glattbrugg, der Flughafen Kloten, Institute von Hochschulen und Universitäten, Innovations- und Gründerzentren, Kulturstätten wie die Event-Halle Dübendorf, Konzernhauptsitze usw. Solche Anziehungspunkte stiften nicht zuletzt auch Identität. Sodass wir in Zukunft wissen, ob wir uns gerade in Wallisellen, Bümpliz, Emmen, Muttenz oder Meyrin befinden. Oder ob es die Häuser und der Kirchturm von Rotkreuz waren, die soeben am Zugfenster vorbeiflitzten. n 8
Die Geburt der Agglomeration In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts revolutionierte die Eisen- stadt» ins Umland hinauswuchs. Um 1930 zählte die Schweiz bahn das Transportwesen und die Mobilität. Und sie ermöglichte bereits vier Millionen Menschen, 80 Jahre später waren es doppelt wirtschaftliche Verflechtungen viel grösseren Ausmasses. Unter so viele. Die stärksten Zuwachsraten von jährlich 1,5 Prozent anderem konnte erstmals billigeres ausländisches Getreide impor- wurden zwischen 1950 und 1970 registriert, dank dem Geburten- tiert werden. Dies schwächte allerdings die einheimische Landwirt- überschuss der Babyboomer-Generation. schaft, sodass es 1870 zu einer schweren Agrarkrise kam. Viele Die jungen Familien benötigten Wohnraum. Und sie fanden ihn fast Leute wanderten notgedrungen in die Städte ab. Die Eisenbahn überall, wo sie im nun für jedermann erschwinglichen Auto hin- begünstigte also den räumlichen Konzentrationsprozess. fahren konnten. Mit dem in dieser Zeit gebauten Nationalstrassen- Die Grösse, die gewisse Städte bald einmal erreichten, machte netz rückten die meisten Dörfer in Pendlernähe zu den Städten, den Bau von innerstädtischen Verkehrslinien notwendig. Die Städte die sich in der Folge immer weiter und wilder ins Umland hinaus- dehnten sich vorerst entlang ihrer historischen Mauern kompakt streckten. Die Agglomeration wucherte, und sie wurde zum Syno- und organisch aus. Wichtig war, dass das Zentrum zu Fuss, mit nym für ungehemmtes Wachstum, Bausünden und Zersiedlung. n dem Velo oder Tram erreichbar blieb. Der Begriff Agglomeration (lat. agglomerare = «fest anschliessen») hatte noch einen durchaus positiven Beiklang. Er meinte damals nichts anderes als die Stadt, Bauboom im Talkessel von Kriens / die an ihren eigenen Mauern neue Viertel gründete und als «Neu- Horw (Luzern Süd), der weiter verdichtet wird, derweil der «Speckgürtel» die umliegenden Hügel und Hänge erobert. next floor 9
Suburbs in den USA sind schick und lebenswert – in Europa denkt man bei Vororten zuerst an französische Banlieues. Die Entwicklung auf dem alten Kontinent und in Nordamerika hätte unterschiedlicher kaum sein können. TEXT CHRISTIAN SCHREIBER BILD ADOBE STOCK D ie City ist wieder angesagt. Europäer drängen zurück in die Innenstädte von Zürich, Wien oder München. Zum Wohnen und Leben. Das, was sie einst in die Peripherie gezogen hat, bringen Städte entstanden Fabriken und Wohnsiedlungen für die Arbeiter. Ende des 19. Jahrhunderts verstärkte der Ausbau der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur mit S- und U-Bahnen das Wachstum der sie einfach mit. Auf Häusern entstehen Grünflächen, ein Paar hat Städte in die Fläche. Die Zerstörung mitteleuropäischer Metropolen in Antwerpen gleich ein Gartenhäuschen samt Schafen und Weide im Zweiten Weltkrieg führte zum Bau von Satellitenstädten neben auf sein Dach verfrachtet. In London ist es total angesagt, sich den oftmals zerbombten historischen Stadtkernen. Bienenvölker zwischen den Häuserschluchten zu halten. Auf der anderen Seite erhöht die Zuwanderung den Druck gerade auf die Aufbruch in die Moderne grossen europäischen Metropolen. Wohn- und Lebensraum muss In Frankreich, und speziell in Paris, fokussierte sich die Politik auf her, und der kann meist nur in den Aussenbezirken entstehen. die Entwicklung der öffentlichen Infrastruktur und der Industrie. Doch wie schwierig es ist, Vorstädte zu planen und zu entwickeln, Die Schaffung von Wohnraum wurde als nachrangig angesehen zeigt das Beispiel Paris. Die dortigen Banlieues sind das Negativ und führte bereits ab Mitte der 1950er-Jahre zu Problemen. Politiker beispiel in Europa: Sozial Schwache und Migranten werden an den ordneten daraufhin den Bau grosser Siedlungen mit Hochhäusern Rand (der Stadt) gedrängt. Die geplanten Vororte zur Entlastung in Vororten und angrenzenden Gemeinden an. Diese Cités, später der Innenstadt sind grösstenteils Problemzonen, reine Schlafstädte Banlieues genannt, standen in den 1960er-Jahren für den Aufbruch ohne Infrastruktur und Arbeitsplätze. Da verwundert es im ersten in die Moderne. Aber ein Jahrzehnt später machten Deindustrialisie- Moment, wenn man auf die Gegenstücke in Nordamerika blickt, rung und Wirtschaftskrise die Träume zunichte. Die Arbeitslosigkeit die sogenannten Suburbs. Die dortigen Vororte funktionieren aus stieg – vor allem unter den Einwanderern der damaligen Zeit, die sozialer Sicht, ermöglichen den Dreiklang von Leben, Wohnen, vornehmlich aus Südeuropa und Nordafrika kamen und in den Arbeiten im Nahbereich, haben einen guten Ruf und stehen für Banlieues wohnten, die zunehmend als Problemviertel galten. Zu Lebensqualität. Wer diese Gegensätze verstehen will, muss sich den düstersten Beispielen zählt die Wohnsiedlung «Cité des 4000», zunächst mit der europäischen Siedlungsgeschichte befassen. die Ende der 1950er-Jahre in die Kleinstadt La Courneuve gepflanzt Deren Anfänge reichen zurück bis in die klassische Antike. Auf grie- wurde, um die Pariser Innenstadt zu entlasten. Hochhausriegel chische Stadtstaaten folgten Stadtgründungen durch die Römer, mit 15 bis 26 Etagen für zig Tausende Menschen entstanden, aber die wie die Griechen schachbrettartige Grundrisse anlegten. Nach Infrastruktur und schulische Einrichtungen konnten nicht Schritt dem Zerfall des Römischen Reiches entwickelte sich das mitteleuro- halten. Bis heute sind Ausländeranteil und Arbeitslosigkeit sehr päische Städtesystem. Die Bevölkerung wuchs stark. Burgen, Klöster hoch. Die «Cité des 4000» ist zum Sinnbild für Negativentwicklun- und neue Siedlungen entstanden. Die Menschen erschufen mehr- gen europäischer Vorstädte geworden. stöckige Häuser, die Bebauung war sehr dicht. Wachstum war auf In Nordamerika entstanden die meisten Städte erst im 18. und den Bereich innerhalb der Stadtmauern beschränkt. Es gab einen 19. Jahrhundert, als die Hauptphase der Stadtgründungen in Europa Mittelpunkt mit Rathaus und Kirche, auf den sich alles konzentrierte. schon mehr als 500 Jahre zurücklag. Den US-Städten fehlen die Vorstädte entstanden ab dem 18. Jahrhundert, als technologische in Europa typischen Element wie Stadtmauer, Marktplatz, Schloss Fortschritte und verbesserte hygienische Bedingungen ein ungeahn- oder Burg. Sie waren nie kulturelle Zentren, sondern spiegeln tes Bevölkerungs- und Städtewachstum auslösten. Am Rande der gesellschaftliche Werte und Einstellungen wider und sind nach next floor 11
International Rund um die Stadt Vororte in Lateinamerika wirtschaftlichen und pragmatischen Gesichtspunkten angelegt. Schätzungen zufolge lebt fast die Hälfte der städtischen «Amerikanische Städte (…) sind nicht kompakt und auf ein Zentrum Bevölkerung Lateinamerikas in Hüttensiedlungen am ausgerichtet, sondern zentrifugal aufgelöst und mit dem ländlichen Rande der grossen Metropolen. In Peru heissen diese Vor- Umland zu einem vielkernigen, vielzelligen Stadtland zusammen- orte Barriadas, in Brasilien Favelas. Es sind keinesfalls reine gewachsen», schreibt Autor Lutz Holzner in seinem Buch Stadtland Elendsviertel. Oft handelt es sich um Siedlungen mit eige- USA. Die Unterscheidung erfolgt in drei Sequenzen: Da ist zunächst ner Verwaltung, Schulen, Kirchen und Krankenhäusern. der Innenstadtbereich, die Downtown, mit seinen Wolkenkratzern Immer häufiger fliehen die Bewohner aus den Slums der und dem schachbrettartigen Strassenmuster, das letztlich auf die Innenstädte in die Aussenbezirke. Parallel entstanden Griechen zurückgeht. Es folgen Übergangszone und Stadtrand in den Vororten Condeminios – abgeschlossene, für die bereich. Öffentlichkeit nicht zugängliche Viertel der Oberschicht, Mittlerweile hat die Downtown ihre Attraktivität als Lebensraum vergleichbar mit den Gated Communities in den USA. nahezu komplett eingebüsst. Die Entwicklung hat bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit der wachsenden wirtschaftli- chen Bedeutung der Innenstädte begonnen. Anfangs verliessen vor In Asien allem einkommensstarke Bewohner die City und zogen in die Vor- städte, die Suburbs. Die Suburbanisierung führte zu einem extre- Acht der zehn grössten Metropolregionen der Welt liegen men Ausufern der Städte in die Fläche und weit entfernte Gemein- in Asien. Als Beispiel wird meist die grösste Agglomera- den. Geschäfte zogen im wahrsten Sinne des Wortes hinterher in tion, nämlich Tokio-Yokohama mit seinen rund 37 Millio- die Suburbs. Auch Gewerbebetriebe, Banken und Hotels änderten nen Einwohnern, herausgegriffen. Allein der Kernbereich ihre Standortansprüche und liessen sich in der äusseren Agglomera- Tokios, der von zahlreichen Millionenstädten umgeben ist, tion nieder, sodass geschlossene Vorort-Städte entstanden, die von verfügt über 23 Bezirke. Die meisten werden mehr oder Bett über Büro bis Burger alles bieten, was man zum Leben und weniger als Vororte angesehen, befinden sie sich doch bis Arbeiten benötigt. Der US-Journalist Robert Fishman spricht davon, zu 70 Kilometer von der Innenstadt entfernt. Bereits jetzt dass «die Peripherie unsere Innenstädte als Zentrum und Kern der leben fast zwei Drittel der Weltbevölkerung in Asien. Zivilisation abgelöst» hat. Er bezeichnet «diese multifunktionalen Japan gilt als eines der wenigen asiatischen Länder, die Suburbs» als «ganz neue Art von Stadt». laut UNO mit einem Rückgang der Bevölkerung zu rechnen Das Magazin Business Insider hat die Suburbs näher untersucht. haben. Demnach leben im Jahr 2050 mehr als fünf Milliar- Dabei fällt auf, dass selbst Siedlungen und Dörfer, die 40 Kilometer den Menschen in Asien. Experten sehen grosse Probleme von der nächsten Metropole entfernt sind, noch als Suburb ange auf die dortigen Metropolen zukommen. Der Ruf nach sehen werden. In diesen Vororten leben fast ausschliesslich reiche Plänen für den strukturierten Bau von Vororten und Ideen Familien. Im Vermögens-Spitzenreiter Atherthon, das mit seinen für die kontrollierte Ausbreitung der Megacitys in die Peri- 7000 Einwohner zwischen San Francisco und San José liegt, verfügt pherie wird immer lauter. jeder Haushalt über ein durchschnittliches Jahreseinkommen von Erste Ansätze gibt es ausgerechnet in Europa: In der Vision rund 240 000 Dollar. Generell gilt: Die Verbrechensraten liegen weit eines Architektenteams dient der Lauf der Seine bis zur unter dem US-Durchschnitt und der Nachwuchs aus den Suburbs Mündung in Le Havre als Ausdehnungsachse für Paris. besucht in der Regel die besten Highschools im weiten Umkreis. Jene Familien aus der Ober- und Mittelschicht, die sich nicht in die weit(er) entfernten Suburbs zurückziehen wollen, findet man ver- mehrt auch in den Gated Communities (geschützte Viertel) am direkten Rand der City. Die Armen und sozial Schwachen landen hingegen in städtischen Übergangsbereichen mit Parkplätzen und Abrissflächen, die vieler- orts zu Hyper-Ghettos gewachsen sind. Man kann sie schon deshalb nicht mehr als Vororte bezeichnen, weil sie die Grösse eigener Städte erreicht haben. In Atlanta nehmen Hyper-Ghettos mittler- weile mehr als die Hälfte der Stadtfläche ein. Sie sind keine geplan- ten Siedlungen und auch näher am Stadtzentrum als französische Banlieues. An den Problemen und am sozialen Sprengstoff ändert das jedoch nichts. Auch diese Menschen kommen sich vor wie in einem abgrenzten, weit entfernten Vorort ohne funktionierende Infrastruktur und Perspektive, abgeschnitten von der Stadt und vom eigentlichen Leben. n 12
Fliessende Grenzen zwischen Vorstadt und Zentrum in Caracas. Die einstigen Aussen- bezirke fressen sich immer näher an die City ran. Ein Stehplatz ist Standard in der U-Bahn von Tokio, Sitzplätze gibt es nur für Glücks- pilze. Kein Wunder bei geschätzt 37 Millionen Einwohnern, die im Grossraum leben. next floor 13
Mobilität Noch fehlt in vielen Agglomerationen ein ansprechendes Zentrum, das Lebensqualität bietet und die Menschen zum Verweilen einlädt. Urbane Lebensqualität und Verkehrschaos Die Schweizer Bevölkerung wächst – und dies vor allem in den Agglomerationen. Staus und überfüllte Züge zu Stosszeiten sind dadurch vorprogrammiert. Doch es gibt Rezepte dagegen. TEXT RAPHAEL HEGGLIN BILD BEAT BRECHBÜHL J apan ist ein Land mit eindrücklichen Pendlerzahlen: 40 Millionen Passagiere nutzen täglich das Bahnsystem von Tokio, rund neun Millionen davon entfallen auf die U-Bahn. Es ist die meist werden Entscheidungen auf Gemeindeebene getroffen, die später eine ganze Region beeinflussen und ungünstige Verkehrsverhält- nisse schaffen. Mit den Agglomerationsprogrammen können genutzte U-Bahn der Welt. In den Stosszeiten fahren in ihr doppelt die beteiligten Städte und Gemeinden dem entgegenwirken. so viele Passagiere, wie Plätze vorhanden sind – die Kapazitäts- Wirkungsvolle Projekte finanziert der Bund zu 30 bis maximal grenze ist längst überschritten. Oft schliessen sich dadurch die 50 Prozent. Das Geld dafür stammt mittlerweile aus dem National- Türen nicht mehr, denn Arme, Beine und Gepäckstücke der zuletzt strassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF), den das Schwei- einsteigenden Passagiere ragen heraus. Hier beginnt die Arbeit der zer Stimmvolk am 12. Februar 2017 bewilligt hat. legendären Oshiya, auch Tokio-Pushers genannt. Sie stossen von aussen die letzten Passagiere in den Wagen und sorgen dafür, dass Überregionale Agglomerationsprogramme sich die Türen schliessen und die U-Bahn losfahren kann. Ende 2016 sind beim Bund 37 neue Agglomerationsprogramme Trotz allem gilt die U-Bahn von Tokio als sicher – und pünktlich. eingereicht worden. Daran beteiligt sind rund 800 Städte und Denn Japan hat in den vergangenen Jahren viel in automatische Gemeinden aus 23 Kantonen sowie grenznahe Gebiete in Deutsch- Steuerungen und Verkehrsleitsysteme investiert. Die Pendlerströme land, Frankreich, Italien, Österreich und dem Fürstentum Lichten- lassen sich so effizient leiten, und die Passagiere steigen diszipliniert stein. Die Programme haben zwei Stossrichtungen: den Ausbau und geordnet ein und aus. Was in vielen anderen Metropolen der der Verkehrsinfrastruktur und die Siedlungsentwicklung. Insgesamt Welt tagtäglich im Chaos endet, läuft in Japan dank Automatisie- stehen dafür pro Jahr rund 400 Millionen Franken zur Verfügung. rung relativ geordnet ab – wenn auch nicht gerade komfortabel. Sowohl der Verkehr auf der Strasse als auch der öffentliche Verkehr sollen so flüssiger werden. «Möglich wird das zum Beispiel durch Bevölkerung wächst weiter leistungsfähigere Verkehrsrechner, die eine komplexere Ampel Szenen wie jene in Tokio sind in der Schweiz undenkbar. Doch auch steuerung ermöglichen», sagt Ulrich Seewer, Vizedirektor Direkti- hierzulande nimmt der Stress beim Pendeln zu. Dass man in den onsbereich Mobilität, Raum und Infrastruktur beim Bundesamt S-Bahnen und Intercitys zu Stosszeiten keinen Sitzplatz bekommt, für Raumentwicklung (ARE). «Der Verkehr lässt sich dann regional ist mittlerweile Normalität. Ebenso wie Verkehrsstaus rund um leiten und dosieren.» Hoffnung liegt zudem auf neuen Technolo- die Wirtschaftszentren. Und die Situation dürfte sich in den gien: Automatisierte Fahrzeuge könnten dereinst die Kapazität auf kommenden Jahren weiter zuspitzen: Der Bund geht davon aus, Strasse und Schiene erhöhen. «Das geschieht zum Beispiel dass sich die Bevölkerung von heute circa 8,5 Millionen Einwohner durch Fahrerassistenzsysteme: Sie ermöglichen kürzere Abstände auf über zehn Millionen Einwohner im Jahr 2045 erhöhen wird. zwischen den einzelnen Fahrzeugen. Und mit intelligenten Steue- Dieser Zuwachs von rund 20 Prozent wird die Verkehrssysteme rungen liesse sich der Takt auf der Schiene erhöhen.» zusätzlich belasten. Ebenso wichtig wie Verkehrseffizienz sind raumplanerische Mass- Es braucht daher griffige Strategien gegen das drohende Verkehrs- nahmen: Mit sogenannten Entwicklungsschwerpunkten wollen chaos. Eine davon sind die Agglomerationsprogramme des Bundes. die Agglomerationen die Zersiedelung eindämmen. Verschiedene Sie ermöglichen es den Kantonen, Städten und Gemeinden, ihre Schwerpunkte lassen sich dann untereinander durch effiziente Siedlungsgebiete sowie die Verkehrsinfrastruktur gemeinsam zu Verkehrsachsen verbinden. «Wenn hingegen Pendler von überall planen und aufeinander abzustimmen. Denn oft wurden und her unkoordiniert anreisen, wird es immer Stau geben», sagt c 14
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Mobilität Facts & Figures Ulrich Seewer. Dem gegenüber steht der Traum vom Haus im Grü- Zahlen zum Arbeitsweg nen. «Verdichtetes Bauen» und «Agglomerationszentren» sind Be- griffe, die bei vielen Ängste und Abneigung auslösen. «Zentrales 3 900 000 Arbeitspendler/innen raumplanerisches Element muss daher die Steigerung der Siedlungs- 70 % pendeln über die Gemeindegrenze qualität in den Agglomerationen sein – sie sollen attraktiver wer- 14,5 km durchschnittlicher Arbeitsweg (ein Weg) den», weiss Ulrich Seewer. Ein Ziel der Agglomerationsprogramme ist deshalb, mehr Grünzonen zu schaffen, Wohnquartiere zu beruhi- 29,9 Min. mittlerer Zeitbedarf für einen Arbeitsweg gen, den Fuss- und Veloverkehr zu fördern und Ortszentren auf zuwerten. Fortbewegungsmittel der Pendler Interdisziplinäres Denken gefragt 17 % Bahn Patentlösungen für den Verkehr gibt es keine: «Man kämpft auf der ganzen Welt mit denselben Problemen, die lokalen Gege- Auto 52 % 13 % öffentl. Strassenverkehr benheiten unterscheiden sich jedoch teilweise stark», sagt Prof. Dr. Christian Schmid von der ETH Zürich. Er ist Soziologe und Teil 9 % zu Fuss des Departments Architektur sowie des Netzwerks «Stadt und Landschaft». Dieser interdisziplinäre Zusammenschluss verfolgt das 7 % Fahrrad Ziel, Grundlagen für eine menschengerechte und nachhaltige sowie ästhetisch und kulturell anspruchsvolle Gestaltung der menschli- 2 % Motorrad chen Umwelt zu entwickeln. Quelle: Bundesamt für Statistik, Zahlen 2015 Den Schlüssel sieht auch Christian Schmid nicht primär in neuen, noch leistungsfähigeren Verkehrstechnologien, sondern in der Siedlungsplanung. «Solange die Zersiedelung weiter fortschreitet, werden wir mit Staus und anderen Verkehrsproblemen zu kämpfen 16
Die Wahl des Verkehrsmittels Laut Bundesamt für Statistik wählen 44 % der autofahrenden Pendlerinnen und Pendler ihr Verkehrsmittel, weil es die ein- fachste und bequemste Lösung darstellt. Bei weiteren 23 % mangelt es an Alternativen, und 14 % fahren wegen Gepäck- transport mit dem Auto zur Arbeit. Beim öffentlichen Verkehr wurden die gleichen drei Gründe am häufigsten genannt, dabei wies das Argument der einfachsten und bequemsten Lösung mit 45 % beinahe den gleichen Wert wie beim Auto auf. immer einen Bauboom aus. Plötzlich bestand die Möglichkeit, Beim Langsamverkehr (zu Fuss oder mit dem Velo) lauten die fernab des Arbeitsortes zu wohnen und jeden Tag unkompliziert Hauptargumente Spass, sportliche Betätigung und Gesundheit zu pendeln – im ersten Moment zumindest: «Mobilität ist grenzen- (45 %), Kürze des Weges (26 %) und bequemste Lösung (15 %). los. Steigert man die Verkehrskapazität, wird dieses zusätzliche Der Umweltschutz wurde, wie beim öffentlichen Verkehr auch, Angebot genutzt und oft gleich wieder ausgeschöpft», sagt nur selten als Grund genannt (2 %). Christian Schmid. Man gelange so trotz neuer verkehrstechnischer Massnahmen immer wieder an denselben Punkt zurück. Christian Schmid plädiert daher für eine stärkere Trennung von menschlichem Siedlungsraum und Landschaft. In den Agglo merationen sollen Zentren entstehen, in denen nicht nur gewohnt, haben.» Ein Beispiel hierfür ist die Zürcher S-Bahn. Aus verkehrs sondern auch gelebt und gearbeitet wird. Solche Zentren lassen technischer Sicht ist sie eine Erfolgsgeschichte: Die S-Bahn bedient sich dann effizient miteinander verbinden. «Dazu müssen wir aber über 170 Bahnhöfe im Kanton Zürich und in den angrenzenden zuerst urbane Lebensqualität schaffen.» Wie schwierig das ist, Regionen. Täglich fahren rund eine halbe Million Passagiere mit bezeugen zahlreiche verwaiste Dorfkerne und Agglomerationen ihr, ein grosser Teil davon sind Pendler. Und neuerdings ermöglichen ohne eigentlichen Lebensmittelpunkt. «Erfolgreiche Siedlungs Durchmesserlinien eine noch schnellere Fahrt in und durch die planung beginnt im Grossen, bei der Städte- und Verkehrsplanung, Stadt Zürich. und muss sich bis ins Kleine fortsetzen: bei der Frage, wie der öffentliche Raum gestaltet wird und wo etwa eine Sitzbank steht.» Mehr Mobilität, mehr Zersiedelung Verdichtetes Bauen schliesse Lebensqualität nicht aus: «Sie lässt Doch ist die S-Bahn zu Stosszeiten immer noch überfüllt. Und ihr sich durchaus auch in neu entstehenden Agglomerationen schaffen. Ausbau konnte den Verkehr nicht von der Strasse auf die Schiene Das erfordert aber enge Zusammenarbeit zwischen den Fach verlagern. Denn: Bekam ein Dorf einen S-Bahn-Anschluss, löste das disziplinen wie auch mit der Politik und der Bevölkerung.» n next floor 17
Schindler 3300 Der Aufzug für die innere Verdichtung 18
Auch wenn die planerischen und architektonischen Details oft umstritten sind, zumindest in einem Punkt sind sich alle an der Entwicklung der Agglomeration beteiligten Akteure einig: der Notwendigkeit der inneren Verdichtung. Zwangsläufig heisst das auch Bauen in die Höhe und konsequente vertikale Erschliessung, in der Agglomeration oftmals mit dem Aufzug Schindler 3300. TEXT PIRMIN SCHILLIGER BILD ALBERT ZIMMERMANN M ittlerweile entfallen rund 7,5 Prozent der Schweizer Landes fläche oder über 3000 Quadratkilometer auf Siedlungen und Verkehrswege. Um den weiteren Verlust von Kulturland zu Bei noch grösseren Vorhaben als in La-Tour-de-Peilz sind vorgängig oftmals Arealentwicklungsprozesse und Masterpläne notwendig. Die öffentliche Hand versucht so, den räumlichen Prozess zu steuern stoppen, ist die innere Verdichtung unumgänglich, z. B. auch in und das Bauland für private Investoren attraktiv zu machen. der boomenden Genfersee-Region. Dazu das folgende Beispiel, Alle interessierten Akteure sind dabei aufgefordert, in partizipativen die auf drei Etappen ausgelegte Überbauung Sully in La-Tour-de- Verfahren gemeinsam tragfähige Visionen zu entwickeln. Weg Peilz VD. Die Gemeinde liegt im Ballungsraum Montreux-Vevey, weisende Beispiele finden sich etwa in Basel Südost (Dreispitz/ bei der es sich laut BFS um eine eigenständige Agglomeration Freilager), in Luzern Nord (Seetalplatz), Lausanne West oder Genf handelt, die ihrerseits zum Metropolitanraum Lausanne-Genf Süd (Projekt PAV Praille-Acacias-Vernets). gehört. Derzeit gerade fertiggestellt wird die Etappe Sully 2: fünf drei- und viergeschossige Gebäude mit insgesamt 114 Woh- 12 400 Wohnungen und 6200 Arbeitsplätze nungen, die über eine unterirdische Garage miteinander verbunden Letzteres ist wohl das grösste Siedlungsentwicklungsprojekt der sind. Für die vertikale Erschliessung sorgen hier 15 Aufzüge des Schweiz. Es erstreckt sich über die drei Gemeinden Carouge, Genf Typs Schindler 3300. Der Hightech-Aufzug gilt als sicher, schnell und Lancy. Ein Gelände von 230 Hektaren wird für den Bau von und energieeffizient. Letzteres war für die Generalplaner von 12 400 Wohnungen und 6200 gewerblichen Arbeitsplätzen ver EG Edifea SA ein wichtiges Argument in Sully, denn die Siedlung dichtet. Der langwierige Prozess begann vor zwölf Jahren mit einem ist nach Minergie-Standard gebaut worden. In diesem Falle bieten Planungswettbewerb. 2015 wurde der Masterplan verabschiedet. die Aufzüge über vier und fünf Etagen eine Förderkapazität von Voraussichtlich 2019 wird das erste Teilprojekt La Marbrerie mit 675 kg / 8 Personen. den beiden Wohntürmen Castor und Pollux realisiert werden. Bis alles – insgesamt zehn Teilquartiere – fertig sein wird, dürften Ein idealer Aufzug für den Einsatz in grösseren noch Jahre vergehen. Gebäuden, wie sie in der Agglomeration PAV ist exemplarisch für die in der Agglomeration meistens notwen- besonders häufig gebaut werden. dige Zusammenarbeit über Gemeindegrenzen hinweg, die vielerorts in Zweckverbänden erfolgt. Oder es wird, um die Prozesse zu ver- Den Schindler 3300 gibt es in verschiedenen Grössen, für bis zu einfachen, fusioniert bzw. eingemeindet. Das passierte zum Beispiel 15 Fahrgäste und eine Förderhöhe von maximal 20 Stockwerken – in Lugano oder soll in den nächsten Jahren in der Agglomeration ein idealer Aufzug also für den Einsatz in grösseren Gebäuden, wie Freiburg geschehen. Andernorts sind ähnliche Vorhaben an finan sie in der Agglomeration besonders häufig gebaut werden. Da er ziellen Fragen gescheitert. Der Widerstand formiert sich jeweils ohne Maschinenraum auskommt, benötigt er eine niedere Schacht- im sogenannten Speckgürtel. Die steuergünstigen Villengemeinden, höhe und wenig Platz. Das ergibt umso mehr Wohn- und Arbeits oft in sonniger Vorzugslage und mit Seesicht, bekunden verständli- fläche. Der Aufzug bietet somit auch grösseren architektonischen cherweise kein sonderliches Interesse an solchen Zusammen Spielraum und lässt sich problemlos in jene Vielfalt integrieren, schlüssen. Und um auf unser Eingangsbeispiel zurückzukommen: wie wir sie uns in der Agglomeration alle wünschen. In Sully 2 Auch das steuergünstige La-Tour-de-Peilz legt Wert auf Eigen etwa wurde der durch den Aufzug ohne Dachaufbau gewonnene ständigkeit und ist nicht daran interessiert, mit den grösseren, Raumgewinn für die Platzierung der Solarpanels auf den begrünten aber fiskalisch weniger attraktiven Nachbarn Montreux und Vevey Flachdächern genutzt. zu fusionieren. n next floor 19
Im Gespräch 20
Abwechselnder, überraschender und viel spannender als erwartet hat NZZ-Journalist Paul Schneeberger auf seinen Streifzügen die Agglomeration erfahren und das Erlebte in Buchform und in packenden Reportagen verarbeitet. Im Interview mit next floor kommt der Autor zum Schluss, dass die Zukunft der Agglomeration eben gerade begonnen hat. «Die Agglomeration ist bereits ein Abbild der Zukunft» TEXT PIRMIN SCHILLIGER BILD BEAT BRECHBÜHL next floor: Die Agglomeration ist, lichkeiten verspielen, wenn sie kurzfristig davon: Die Agglomeration ist bei weitem obwohl in den Ohren vieler ein Schimpf- von der Hand in den Mund leben. Zufällige nicht nur eine Wohnzone. Industrie und wort, besser als ihr Ruf. Warum? Kuhweiden in Baulücken werden verschwin- Gewerbe finden hier Raum, den es in der Paul Schneeberger: Die Agglomeration ist den, klar definierte und auf Dauer gesi- Stadt nicht gibt, und Einkaufszentren sind die reale Schweiz von heute, zumindest für cherte Grünräume werden ihre Funktion längst zu Treffpunkten geworden. die relative Mehrheit der Menschen, die übernehmen. dort lebt. Sie ist geprägt von einer grossen Wie würden Sie den typischen Vielfalt. In ihrer Gesamtheit repräsentieren Agglomerationsbewohner die Agglomerationsgemeinden heute charakterisieren? das, was der Schriftsteller Hugo Loetscher «Immer mehr Behörden Den typischen Agglomerationsbewohner, einst als Merkmal der Städte definierte: die erkennen, dass eine die typische Agglomerationsbewohnerin grösste Gleichzeitigkeit aller menschlichen zunehmende Dichte an gibt es natürlich nicht. Aber wenn man eine Möglichkeiten. Abgesehen von einigen Menschen und Bauten Klammer finden müsste, welche die prestigeträchtigen Vororten ist die Agglo- Entwicklungsziele Menschen in der Agglomeration verbindet, meration frei von Dünkel. Das passende bedingt.» dann ist es wohl der Pragmatismus. Man Motto dafür lautet: mehr Sein als Schein. Paul Schneeberger wohnt dort, weil es praktisch ist: der Wald hinter dem Haus, der Laden um die Ecke Trotzdem halten sich die Vorurteile: und die S-Bahn in der Nähe. Nicht der Klang Die Agglomeration steht für schlechte der Adresse zählt, sondern das, was diese Planung und eintönige Gestaltung, für Das Leben in der Agglomeration ist einem ganz konkret bietet. Das gilt übrigens Bausünden und Spekulation. Ist dieses offenbar doch viel attraktiver, als sich auch für jene Firmen, die zunehmend Klischee überholt? dies die Städter und Dorfbewohner Arbeitsplätze von der Stadt in die Agglo Viele Gemeinden wurden und werden vorstellen. Welches sind denn dort die meration verlegen. überrollt von einer stürmischen baulichen besonderen Lebensqualitäten? Entwicklung. Doch das Blatt beginnt sich zu «Attraktivitätsfaktoren» in der Agglo Die Raumplaner fordern in der wenden. Immer mehr Behörden erkennen, meration sind die gute Verkehrsanbindung, Agglomeration Verdichtung und dass eine zunehmende Dichte an Menschen das Verhältnis von Preis und Leistung beim «Stadtwerdung», derweil der Blick und Bauten Entwicklungsziele bedingt, die Wohnen und die Möglichkeit zur Selbstver- vieler Agglomerationsbewohner diesen Namen verdienen. Gemeinderäte se- wirklichung im Garten oder auf der Terrasse, hinausschweift aufs Land und ins Grüne. hen, dass sie mittelfristig Entwicklungsmög- kurzum: das kleine Glück. Abgesehen Ein unlösbarer Widerspruch? next floor 21
Im Gespräch «Architektur ist dann gut, wenn sie funktioniert, wenn sich die Menschen in ihr und um sie wohl fühlen und sie in einer erkennbaren Beziehung zu ihrer Nachbarschaft steht.» Paul Schneeberger In der Agglomeration besteht die Chance, Wo gibt es gute gestalterisch- In welche Richtung soll sich diese bauliche städtische Notwendigkeiten und architektonische Ansätze? Agglomeration, sollen sich mentale ländliche Einstellungen unter einen Architektur ist dann gut, wenn sie funktio- Agglomerationen weiterentwickeln? Hut zu bringen, geeignete Formen für die niert, wenn sich die Menschen in ihr und Wir sollten endlich die mentale Grenze zwi- realen Städte des 21. Jahrhunderts zu um sie wohl fühlen und sie in einer erkenn- schen Stadt und Agglomeration beseitigen finden, ohne dass da so viel historischer, die baren Beziehung zu ihrer Nachbarschaft und anerkennen, dass sich die beiden Kate- Kreativität einschränkender Ballast ist. Der steht. Hier haben wir in der Schweiz Nach gorien gegenseitig bedingen. Die Stadt ist Schlüssel für eine gute Lösung liegt im holbedarf. Es mangelt immer noch am Sinn längst nicht mehr der universale Ort, der sie Umgang mit dem Freiraum. Wird er nicht für das Ganze, für das Ensemble. Hier kön- einmal war. Vieles ist heute auf die ganze vorausschauend in ausreichendem Masse nen wir von nordischen Ländern lernen, verstädterte Schweiz verteilt, von der grob- gesichert, sorgt das für Blockaden. Im Zwei- von den Niederlanden, von Schweden. schlächtigen Logistik bis zu den Leuchttür- felsfall sorgen die Stimmbürgerinnen und Gute Gestaltung betrifft aber nicht nur men von Forschung und Entwicklung. Ein- Stimmbürger dafür, dass eine Prise Land in Bauten, sondern auch Strassen und Frei- kaufen im kleinen und im grossen Stil lässt ihrer Nachbarschaft erhalten bleibt. räume. sich längst in Stadt und Agglomeration. Langsam entstehen auch in der Agglomera- Unbestritten ist die Agglomeration Die Schweiz – eine einzige tion kulturelle Einrichtungen, die regional der dynamische Raum, in dem sich Agglomeration: ein wünschbares oder gar national ausstrahlen, die Event- ein wesentlicher Teil des Wachstums Zukunftsszenario? Halle in Dübendorf oder die Umweltarena abspielt: Wo sehen Sie gute planerische Die Verstädterung, die Metropolitanisie- in Spreitenbach sind Beispiele dafür. n Ansätze? rung, ist weltweit eine Realität. Dem kann Zentral ist, dass Strukturen in die heutige sich auch die Schweiz nicht entziehen. Das Heterogenität der Agglomeration gebracht klassische Bauernland, wie wir es im Kopf werden. Dass Verbindungen geschaffen, haben, ist passé, und die klassische Stadt, rote Fäden gelegt werden, an denen man die alle zentralen Funktionen in ihren Gren- sich orientieren kann. Die Glatttalbahn zen vereint, ist ebenfalls passé. Die Frage ist, in Zürich Nord ist ein Beispiel, das zeigt, wie wie wir nun damit umgehen. Wir müssen ein Verkehrsmittel nicht nur die Beziehun- uns bewusst werden, dass nicht mehr jede gen innerhalb der Agglomeration verbes- Stadt und jede Gemeinde alles anbieten sern, sondern auch Orientierung in einem muss, sondern dass einer klugen Vernet- komplexen Raum schaffen kann. Rein bau- zung die Zukunft gehört – auch und gerade lich wird die Agglomeration vor allem dort in der Agglomeration. Insofern ist die Ag- Buchhinweis aufgewertet, wo bewusst Zwischenräume glomeration bereits ein Abbild der Zukunft. «Daheim – eine Reise durch die Agglomeration», gestaltet werden, in Lausanne West zum Schon heute gibt es dort eine informelle 208 Seiten, Verlag NZZ libro, 2013, Beispiel oder in Luzern Süd. Arbeitsteilung zwischen den Gemeinden. Matthias Daum/Paul Schneeberger 22
Ein Dorf wird zur Agglomeration «Alles, was es zum Leben braucht» Die Gemeinde Rümlang ist in den vergangenen 20 Jahren von 5200 auf gegen 8000 Einwohner gewachsen. Dazu kommen 6000 Arbeitsplätze. Zu dieser stürmischen Entwicklung haben der Flughafen Zürich, die A1-Nordumfahrung und der Ausbau der S-Bahn beigetragen. Wie lebt es sich vor den Toren der Stadt Zürich und dennoch mitten im Grünen? Zu Besuch in einer typischen Agglomerationsgemeinde. next floor 23
Ein Dorf wird zur Agglomeration Beat Scheuber Thomas Hardegger Daniela Ulli Daniel Hinnen 24
TEXT STEFAN DOPPMANN BILD BEAT BRECHBÜHL Beat Scheuber Thomas Hardegger Pensionär (62) Gemeindepräsident (61) «Rümlang ist städtischer geworden. Dank der «Mit dem Gemeinderat zusammen setze ich intelligenten Planung konnte aber der Siedlungs- mich intensiv dafür ein, dass die hohe Lebens- kern sehr kompakt gehalten werden. Die Wege qualität in Rümlang trotz des starken Wachstums ins Grüne sind kurz. Dass man auf der Strasse erhalten bleibt. Mit einem abwechslungsreichen nicht mehr jeden kennt, stört mich nicht. Wenn Dorfleben und vielfältigen Veranstaltungen jemand hier leben will, ohne sich in die Dorfge- erleichtern wir Neuzuzügern die Integration. meinschaft zu integrieren, soll das möglich sein. Ein wertvolles Instrument zur Kommunikation Man darf die Erwartungen an die Neuzuzüger und Identitätsstiftung ist auch unsere Wochen- diesbezüglich nicht zu hoch schrauben. Rümlang zeitung. Ich finde, wir haben heute eine ausge- bietet alles, was wir zum Leben brauchen – auch wogene Zusammensetzung der Bevölkerung. im Alter. Es gibt Einkaufsmöglichkeiten, Alters- Neben einem beträchtlichen Anteil an Einperso- wohnungen, Ärzte und ein Alterszentrum, das nenhaushalten sind dank preisgünstiger Genos- Dienstleistungen für Betagte anbietet. Spitäler senschaftswohnungen auch viele Familien mit finden sich in den Nachbargemeinden. Dank des Kindern hierher gezogen. Die Gemeinde bemüht gut ausgebauten öffentlichen Verkehrs ist die sich sehr, den fremdsprachigen unter ihnen die Stadt Zürich bequem erreichbar. Ich besuche Integration zu erleichtern. In meinen Augen hat gerne Ausstellungen in den zahlreichen Museen. die Gemeinde nun eine Grösse erreicht, die ihr Spürbar zugenommen hat der Strassenverkehr. die Autonomie in absehbarer Zukunft sichert. Um dem überlasteten Nordring auszuweichen, Gleichzeitig bleibt das Dorfleben überschaubar. nutzt mancher Autofahrer die Strassen unserer Ich denke, dass wir nun eine Konsolidierung Gemeinde.» anstreben sollten.» Daniela Ulli Daniel Hinnen Bibliothekarin (36) Bauunternehmer (37) «Ich bin hier aufgewachsen. Nachdem ich einige «Ich bin in Rümlang verwurzelt. Viele Feste und Jahre in der Stadt gelebt habe, bin ich in mein ein reges Vereinsleben sorgen für ein lebendi- 300 Jahre altes Elternhaus zurückgekehrt. Um ges Dorf und bieten die Möglichkeit zu Begeg- Kinder grosszuziehen, ist Rümlang ein guter Ort. nungen, wenn man das wünscht. Auch in einer Mit unserem Hund verbringen wir viel Zeit in der wachsenden Gesellschaft ist Nähe möglich. Natur. Gleichzeitig steht uns das Angebot der Aber man muss sie pflegen. Ich engagiere mich Stadt weiterhin offen, um auszugehen oder ein- selber bei den Armbrustschützen. Als Unterneh- zukaufen. Mit S-Bahn und Bus ist das ein Katzen- mer habe ich von der baulichen Entwicklung sprung. Gut ist auch die Anbindung ans Auto- profitiert. Auch wenn nun nicht mehr so viele bahnnetz. Von hier aus kommen wir in alle Neubauten realisiert werden sollten, mache ich Richtungen gut weg. Schade finde ich, dass man mir keine Sorgen. Auch mit Sanierungen und auf der Strasse nicht mehr alle Leute kennt. Das Umbauten gibt es genügend Arbeit. Zudem Leben ist ein bisschen anonymer geworden. sehe ich bei der Infrastruktur der Gemeinde Auch ist bedauerlich, dass die öffentlichen Ein- einen Nachholbedarf: Wegen der vielen Neu- richtungen sich nicht im Gleichschritt mit der zuzüger braucht es zum Beispiel mehr Schul- Bevölkerungszahl entwickelt haben. Mit Spiel- raum. Zum nahen Flughafen habe ich ein plätzen sind wir zum Beispiel nicht gerade ver- unverkrampftes Verhältnis. Er bringt Steuer wöhnt. Auch sind einige Dorfläden eingegan- zahler in die Gemeinde und Arbeit für viele gen. Zwar wurden neue Einkaufsmöglichkeiten kleine und mittlere Unternehmen. Dank des eröffnet, doch diese liegen am Ortsrand und sind technischen Fortschritts hat die Belastung für mich ohne Auto nicht gut erreichbar.» durch den Fluglärm eher abgenommen.» next floor 25
ONE VANDERBILT – 86 AUFZÜGE WOLKENKRATZER FÜR «THE CIRCLE» DER SUPERLATIVE AM FLUGHAFEN IN NEW YORK ZÜRICH One Vanderbilt, so heisst der «Super- Gegen harte Konkurrenz ist Schindler Wolkenkratzer», der zurzeit in Midtown Zürich ein Grosserfolg gelungen: Manhattan, New York, gebaut wird. Schindler wird für den Grundausbau Der Turm in unmittelbarer Nähe zum des Dienstleistungszentrums «The Grand Central Terminal ist als reines Circle» beim Flughafen Zürich alle nextnews Bürohochhaus konzipiert und soll mit 86 Aufzüge liefern. seinen 427 Metern Höhe nach dem Zurzeit ist es die grösste Baustelle der One World Trade Center (541 m) und Schweiz, im Laufe des Jahres 2020 soll es in dem Central Park Tower (472 m) Betrieb gehen: das Dienstleistungszentrum das dritthöchste Gebäude New Yorks «The Circle» direkt am Flughafen Zürich. Das werden. Grossprojekt, das rund eine Milliarde Fran- Schindler wird alle Aufzüge und Fahrtreppen ken kostet, wird dereinst Büroflächen, zwei liefern. Konzipiert hat das Hochhaus, dessen Hotels der Hyatt-Gruppe, ein medizinisches Fertigstellung Ende 2020 geplant ist, das Kompetenzzentrum des Universitätsspitals JETZT SCHON KLAR: VOLL ERSCHLOSSEN ONE VANDERBILT WIRD UND IM ZENTRUM r enommierte Architekturbüro Kohl, Pedersen, Zürich sowie Kunst, Kultur, Gastronomie EINES DER WAHRZEICHEN DER MOBILITÄT: DAS NEW YORKS WERDEN. Fox. Gemäss renovierter Zonenplanung erhält DIENSTLEISTUNGS und Bildung umfassen. Midtown Manhattan eine neue Höhenbe- ZENTRUM «THE CIRCLE» Hinter der Grossüberbauung, die als «best BEIM FLUGHAFEN schränkung, womit alle neuen Wohn-, Hotel- erschlossener Ort der Schweiz» gilt, steht die ZÜRICH. und Bürotürme rund 30 Prozent höher gebaut Flughafen Zürich AG (51 %) mit der Miteigen- werden können als bisher. Ein federführendes tümerin Swiss Life AG (49 %). Konzipiert hat Projekt ist dabei die Umgestaltung des Grand den «Circle» Stararchitekt Riken Yamamoto. Central Terminal und seine nähere Umgebung. Inspiriert wurde der japanische Architekt Das One Vanderbilt wird einer der «Land- interessanterweise durch das historische marks» dieses Gebietes sein. Das Gebäude Zürcher Niederdorf mit seinen verwinkelten strebt eine «LEED-Gold»-Zertifizierung an. Die Gassen. zweitgrösste Bank von Kanada, die «Es freut mich riesig, dass wir den Zuschlag Toronto-Dominion-Bank, wird Ankermieterin für dieses prestigeträchtige Projekt am Flug- des Hochhauses, wo auf einer Höhe von 311 m hafen Zürich erhalten haben», meint Ver- auch eine Aussichtsplattform geplant ist. kaufsleiter Neuanlagen Urs Fischer, der die Schindler wird 35 Schindler 7000-Aufzüge Verhandlungen geführt hat. Schindler Zürich sowie 4 kleinere Personenaufzüge und wird die 86 Aufzüge fortlaufend installieren 5 Fahrtreppen liefern. Die High-Rise-Aufzüge und ab Sommer 2019 übergeben. Es handelt laufen mit der Zielrufsteuerung PORT. sich dabei mehrheitlich um Schindler 5500- Aufzüge sowie einige Spezialanlagen. Die Montage der Aufzüge beginnt im kommen- den April und dauert bis ins Jahr 2020. 26
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