ORIENTIERUNGSRAHMEN GLOBALE ENTWICKLUNG - DOKUMENTATION DER 11. KMK / BMZ-FACHTAGUNG

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ORIENTIERUNGSRAHMEN GLOBALE ENTWICKLUNG - DOKUMENTATION DER 11. KMK / BMZ-FACHTAGUNG
ORIENTIERUNGSRAHMEN
GLOBALE ENTWICKLUNG
DOKUMENTATION DER 11. KMK / BMZ-FACHTAGUNG
24./25. November 2020
ORIENTIERUNGSRAHMEN GLOBALE ENTWICKLUNG - DOKUMENTATION DER 11. KMK / BMZ-FACHTAGUNG
ORIENTIERUNGSRAHMEN GLOBALE ENTWICKLUNG

    INHALT

    EINLEITUNG                                                                                                          3
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    BEGRÜSSUNG                                                                                                          4

      Erweiterung auf gynmasiale Oberstufe ist logische Konsequenz                                                      5

      BNE ist eine dauerhafte Bildungsaufgabe                                                                           6

      Bildung ist ein Schlüssel zur Beantwortung vieler Fragen                                                          7

    IMPULSE                                                                                                             8

      Umgang mit Komplexität und Unsicherheit im globalen Lernen                                                        9

      Erweiterung des Orientierungsrahmens auf die gymnasiale Oberstufe (OR GOS)                                        11

    OPEN SPACE                                                                                                         13

      Open Space: Teilnehmende setzen die Themen selbst                                                                14

    WORKSHOPS                                                                                                          15

      Workshop 1: Lehre: Lehrkräfte auf Herausforderungen vorbereiten                                                  16

      Workshop 2: Orte des Lernens: Lernräume für Nachhaltige Entwicklung                                              18

      Workshop 3: Fächer und Unterricht – BNE gemeinsam planen                                                         20

      Workshop 4: Netzwerke und Partnerschaften – lokal und global                                                     22

      Workshop 5: Lernen: Zugänge und Methoden für fachbezogenes Lernen in globalen Zusammenhängen                     24

      Workshop 6: Beteiligung und Teilhabe: Schule gemeinsam gestalten                                                 26

      Workshop 7: Freiräume: Lernen über den Unterricht hinaus                                                         28

      Workshop 8: Diversität in der Schule – machtkritische Perspektiven aus der Zivilgesellschaft                     30

    CHATROOM                                                                                                           32

      Stimmen und Stimmung im Chatroom                                                                                 34

    ANHANG                                                                                                            35

    IMPRESSUM                                                                                                          41
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DOKUMENTATION DER 11. KMK / BMZ-FACHTAGUNG — 24./25. NOVEMBER 2020

EINLEITUNG

                                                                                                                      3

Foto: André Wagenzik

Aktuelle Herausforderungen wie die Coro-                             In Fachvorträgen, Diskussionen, Workshops
na-Pandemie, Digitalisierungsprozesse oder Kli-                      und „Open Spaces“, in denen die Teilnehmen-
maveränderungen fordern einen kompetenten                            den selbst die Themen setzten und moderier-
Umgang mit Komplexität und Unsicherheit und                          ten, wurde der Umsetzungsprozess des OR
zeigen, wie wichtig diese Kompetenzen für eine                       facettenreich vorgestellt und diskutiert. Die
global verantwortungsvolle Lebensgestaltung                          beiden Tagungsschwerpunkte lagen auf dem
sind . Die zunehmende Bedeutung einer hoch-                          Umgang mit Komplexität und Unsicherheit
wertigen Bildung, insbesondere die Bildung für                       sowie auf der Erweiterung des OR auf die gym-
Nachhaltige Entwicklung (BNE), wird so deut-                         nasiale Oberstufe (OR GOS). In dieser Doku-
lich. Der Orientierungsrahmen für den Lern-                          mentation sind die Vorträge, Präsentationen,
bereich Globale Entwicklung (OR) unterstützt                         Ergebnisse der acht Workshops zusammenge-
die Verankerung einer BNE in Schule. Er ist                          fasst und sie verweist auf die 16 Open Spaces.
das Ergebnis einer gemeinsamen Initiative der
Ständigen Konferenz der Kultusminister der
Länder der Bundesrepublik Deutschland (KMK)
und des Bundesministeriums für wirtschaftli-
che Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Im Auftrag des BMZ und der KMK lädt Engage-
ment Global jährlich zur Fachtagung zur Um-
setzung und Weiterentwicklung des Orientie-
rungsrahmens Globale Entwicklung (OR-Fach-
tagung) ein. Die OR-Fachtagung beteiligt die
Zivilgesellschaft und die interessierte Fachöf-
fentlichkeit an der Umsetzung und Weiterent-
wicklung des OR. Am 23. und 24. November
2020 fand die 11. OR-Fachtagung statt. Rund
200 Fachleute aus Ministerien, Wissenschaft,
Lehrkräftebildung, Schulen und Zivilgesell-
schaft sowie Schülerinnen und Schüler nah-
men daran teil. Erstmals wurde die OR-Fach-
tagung vollständig virtuell durchgeführt.                            Foto: André Wagenzik
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    BEGRÜSSUNG
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DOKUMENTATION DER 11. KMK / BMZ-FACHTAGUNG — 24./25. NOVEMBER 2020

ERWEITERUNG AUF GYMNASIALE
OBERSTUFE IST LOGISCHE KONSEQUENZ

                                                                     weiter gestärkt werden, indem junge Men-
                                                                     schen befähigt würden, sich in der modernen         5
                                                                     Gesellschaft zu orientieren. Es werde zu oft zu
                                                                     stark vereinfacht, schlimmstenfalls schürten
                                                                     Verschwörungstheoretiker Angst. Aus der Aktu-
                                                                     alität der Pandemie, so Weidenbach-Mattar, er-
                                                                     gebe sich der erste Schwerpunkt der OR-Fach-
                                                                     tagung, der adäquate Umgang mit Komplexität
                                                                     und Unsicherheit – dies sei eine der zentralen
                                                                     Herausforderungen für schulischen Unterricht.
                                                                     Die Referentin unterstrich, es sei eine logische
                                                                     Konsequenz, dass der OR nun auf die gymna-
                                                                     siale Oberstufe an allgemein- und berufsbil-
                                                                     denden Schulen erweitert werde, was die KMK
                                                                     2019 beschlossen habe und was der zweite
Heidi Weidenbach-Mattar. Foto: Atelier Ralf Bauer                    Tagungsschwerpunkt sei. „BNE wird so noch
                                                                     breiter in der Schule verankert, und die Kom-
                                                                     petenz von Schülerinnen und Schülern, syste-
HEIDI WEIDENBACH-MATTAR, die ständi-                                 matisch und vernetzt zu denken und globale
ge Vertreterin des Generalsekretärs der Kultus-                      Perspektiven einzunehmen, wird gestärkt“,
ministerkonferenz, sagte bei der Eröffnung,                          sagte Weidenbach-Mattar. BNE als Teil des Un-
die gute Resonanz auf die Fachtagung zeige,                          terrichts in der Oberstufe biete die Möglichkeit,
welch hohen Stellenwert das Thema globale                            auf das wissenschaftliche Arbeiten vorzuberei-
Entwicklung inzwischen einnehme – auch bei                           ten, da es besondere Impulse für den Umgang
Schülerinnen und Schülern. Auch von ihnen                            mit Unsicherheit und Komplexität setze und
könnten Erwachsene lernen, denn sie mahnten                          da es das Lernen in einer vernetzten Welt
ganz besonders dazu, im Klima- und Umwelt-                           fördere, „in der es für uns eine Rolle spielt,
schutz nicht nachzulassen. Die Corona-Pan-                           was auf einem Markt in Wuhan passiert“.
demie, die auch darauf zurückzuführen sei,
dass wir zu stark in die Natur eingriffen, führe                     Gleichzeitig fordere die Pandemie das Bil-
noch einmal besonders deutlich vor Augen,                            dungswesen hinsichtlich des digitalen Ler-
wie wichtig es sei, junge Menschen an global                         nens heraus – auch dies sei Thema im OR und
nachhaltiges Denken heranzuführen. Sie stellte                       auf der Fachtagung. Heidi Weidenbach-Mat-
fest, dass der Ideenreichtum und das Engage-                         tar bilanzierte: „Wir sind auf einem guten
ment der Lernenden ausgeprägt seien, aber                            Weg, BNE in allen Bereichen der Schule zu
auch, wie sehr die Lehrkräfte diesen wertvol-                        verankern.“ Abschließend dankte sie allen
len Lernprozess initiierten und begleiteten.                         an der Entstehung und Weiterentwicklung
                                                                     des OR Beteiligten im BMZ und in der Pro-
Der reflektierte Umgang mit Themen der glo-                          jektgruppe und allen Teilnehmenden an der
balen und nachhaltigen Entwicklung müsse                             OR-Fachtagung, die sich aktiv einbringen.
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ORIENTIERUNGSRAHMEN GLOBALE ENTWICKLUNG

    BNE IST EINE DAUERHAFTE
    BILDUNGSAUFGABE

                                                     Praktisches werden. Neben dem OR unterstützt
6                                                    das BMZ daher auch Programme zu seiner
                                                     Umsetzung.“ Beispielhaft hob sie die Landes-
                                                     koordinationen BNE sowie die Länderinitiati-
                                                     ven hervor, die maßgeblich dazu beitrügen, die
                                                     entwicklungspolitische Bildungsarbeit struktu-
                                                     rell fachbezogen und fächerübergreifend in den
                                                     Schulen zu verankern. Ein weiteres Programm
                                                     – der Schulwettbewerb zur Entwicklungspoli-
                                                     tik „Alle für Eine Welt – Eine Welt für alle“ mit
                                                     dem Song-Contest „Dein Song für Eine Welt“
                                                     – habe viele praktische Beispiele zur Umset-
                                                     zung globalen Lernens in den Schulen hervor-
                                                     gebracht. Das „Entwicklungspolitische Schul-
                                                     austauschprogramm“ ENSA gebe Schülerinnen
    Dr. Doris Witteler-Stiepelmann. Foto: privat     und Schülern Gelegenheit, in Partnerländern
                                                     mit dortigen Schulen Erfahrungen zu sammeln.

    DR. DORIS WITTELER-STIEPELMANN,                  „Der Orientierungsrahmen und diese Pro-
    Kommissarische Unterabteilungsleiterin im        gramme leisten gemeinsam einen wichtigen
    Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam-     Beitrag zur Umsetzung von BNE und damit
    menarbeit und Entwicklung, betonte, KMK und      auch zu weltbürgerlicher Bildung, der Global
    BMZ hätten 2019 gemeinsam entschieden,           Citizenship Education, wie das in der Agenda
    den Prozess der Erweiterung des Orientie-        2030 genannt wird“, sagte Witteler-Stiepel-
    rungsrahmens auf die gymnasiale Oberstu-         mann. Sie dienten der Stärkung des demo-
    fe anzugehen. Wichtig sei, dass Schülerin-       kratischen Wertekanons des Einzelnen und
    nen und Schüler in ihrer gesamten Schulzeit      dessen Einübung. Toleranz und Akzeptanz des
    immer wieder Gelegenheit erhielten, global       anderen im Sinne eines Perspektivenwechsels
    zu lernen und Bildung für nachhaltige Ent-       sind ein wesentliches Element von globalem
    wicklung in den Blick zu nehmen. Sie sollten     Lernen und nachhaltiger Entwicklung sowie
    permanent zu entwicklungspolitischem En-         eine Voraussetzung für die Gestaltung der
    gagement motiviert und zu zukunftsgerichte-      Einen Welt. Sie leisten damit einen direkten
    tem, nachhaltigem Handeln befähigt werden.       Beitrag zur Umsetzung des Unterziels 4.7 der
    BNE sei eine dauerhafte Bildungsaufgabe.         Agenda 2030 und sind als sogenannte Com-
                                                     mitments Bestandteil des Nationalen Aktions-
    „Der Orientierungsrahmen ist ein zentraler       plans (NAP) BNE. Abschließend dankte die
    Referenzrahmen für die Schule“, sagte Witte-     Referentin den Teilnehmerinnen und Teilneh-
    ler-Stiepelmann. Die darin verfassten klugen     mern der Fachtagung für ihr Engagement.
    Gedanken und Lernstrategien müssten breiten-
    wirksam in den Schulalltag eingebracht werden.
    „Das, was Sie hier mit erarbeiten, soll etwas    1.   Weitere Informationen zur Umsetzung des Orientierungs
                                                          rahmens finden Sie unter: ges.engagement-global.de
                                                          (Stand 30.03.2021)
                                                     2.   Der Schulwettbewerb zur Entwicklungspolitik:
                                                          www.eineweltfueralle.de (Stand 30.03.2021)
                                                     3.   Der Song-Contest „Dein Song für Eine Welt“:
                                                          www.eineweltsong.de (Stand 30.03.2021)
                                                     4.   ENSA: ensa.engagement-global.de (Stand 30.03.2021)
ORIENTIERUNGSRAHMEN GLOBALE ENTWICKLUNG - DOKUMENTATION DER 11. KMK / BMZ-FACHTAGUNG
DOKUMENTATION DER 11. KMK / BMZ-FACHTAGUNG — 24./25. NOVEMBER 2020

BILDUNG IST EIN SCHLÜSSEL ZUR
BEANTWORTUNG VIELER FRAGEN

                                                                     Wandel. BNE widmet sich auch diesen The-
                                                                     men. Bildung ist ein Schlüssel zur Beantwor-      7
                                                                     tung vieler Fragen. Aber Wissen allein bewirkt
                                                                     noch keinen Wandel.“ Es gehe auch darum,
                                                                     dieses Wissen in nachhaltiges Handeln zu
                                                                     übersetzen. BNE vermittele – verfasst im OR
                                                                     – die benötigten Kompetenzen und Fähig-
                                                                     keiten und steigere die Motivation zum Han-
                                                                     deln und dazu, sich als aktiv gestaltender Teil
                                                                     der Gesellschaft zu sehen und nachhaltigen
                                                                     Wandel hier und weltweit voranzutreiben.

                                                                     Komplexität befördere den Wunsch nach ein-
                                                                     fachen Antworten, ob zu Corona oder zum Kli-
                                                                     mawandel. Digitale Medien können durch Fil-
Anita Reddy. Foto: Engagement Global                                 terblasen suggerieren, dass es diese einfachen
                                                                     Antworten gebe. Digitale Bildung als Teil der
                                                                     BNE müsse dem entgegenwirken, die bestehen-
ANITA REDDY, Leiterin des Bereichs Bil-                              de Komplexität unserer Realität analysieren,
dungsprogramme, Förderung Inlandsprojekte                            verständlich machen und sich ihr stellen, ohne
bei Engagement Global, beleuchtete die aktu-                         alles unmittelbar beantworten zu können. Red-
ellen gesellschaftspolitischen Herausforderun-                       dy betrachtete, welchen Fragen sich Bildung
gen und Chancen, die die Pandemie verstärke                          stellen muss angesichts der Herausforderungen
und beschleunige. Eine Hoffnung sei, dass sie                        der Pandemie: „Wie wirkt sich die Situation auf
„im besten Fall dazu führen, dass wir unsere                         die Lernenden und Lehrenden aus? Wie gestal-
Lebensziele überdenken und in Zukunft be-                            ten wir Bildung mit Kontakteinschränkungen?
wusster in Richtung Nachhaltigkeit gestalten“.                       Wie gelingt es uns, den breiten globalen Kon-
Auch entstünden digitale Veranstaltungsforma-                        text der Auswirkungen von Corona trotz der
te, mit denen ohne Reisen viele Menschen an                          unmittelbaren Betroffenheit vor Ort im Auge zu
verschiedenen Orten der Welt erreicht werden                         behalten? Welche Ursachen für den Ausbruch
könnten und die wir in Zukunft ergänzend nut-                        der Pandemie sind erkennbar, die verändert
zen könnten. Auf der anderen Seite addierten                         werden können? Wie wollen wir z. B. das Zu-
sich die neuen Herausforderungen zu den zu-                          rückdrängen des Lebensraums von Wildtieren,
nehmend spürbaren Folgen des Klimawandels,                           das Pandemien auslösen kann, verhindern?“
zu wachsenden sozialen und ökonomischen
Ungleichheiten, zu wachsendem Populismus                             Anita Reddy dankte allen an der Fachta-
und der Diskriminierung vermeintlich anderer.                        gung Teilnehmenden. Das gemeinschaft-
                                                                     liche Arbeiten erziele den besten Er-
„Gleichzeitig stehen wir vor gesellschaftlichen                      folg. Sie dankte auch der KMK und dem
Änderungen, die viele Chancen enthalten.                             BMZ für die gute Zusammenarbeit
Dazu zählen Migration und auch der digitale
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8

    IMPULSE
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DOKUMENTATION DER 11. KMK / BMZ-FACHTAGUNG — 24./25. NOVEMBER 2020

UMGANG MIT KOMPLEXITÄT UND
UNSICHERHEIT IM GLOBALEN LERNEN

                                                                     den, die helfen, Komplexität in der Anschau-
                                                                     ung so zu reduzieren, dass sie gleichzeitig         9
                                                                     dazu beitragen, die Verarbeitungskomplexi-
                                                                     tät, also das, was man an einem Sachverhalt
                                                                     versteht, zu erhöhen. Das gehe über theo-
                                                                     riebezogenes Wissen und Wissen über die
                                                                     Generierung von Wissen. Zudem müsse man
                                                                     mit ethischen Prinzipien agieren, methodisch
                                                                     mit Herausforderungen umgehen, die eigene
                                                                     Emotionalität reflektieren und mit Unsicher-
                                                                     heit auf emotionaler Ebene umgehen können.

                                                                     Im Forschungsprojekt „Lehren im Kontext welt-
                                                                     gesellschaftlicher Bildung“ stellte Scheunpflugs
                                                                     wissenschaftliche Mitarbeiterin Dorothea
Prof. Annette Scheunpflug. Foto: Universität Bamberg                 Taube dreierlei fest: Erstens könnten Lehren-
                                                                     de am ehesten mit Komplexität in Bereichen
                                                                     umgehen, die mit ihren eigenen Werten zu
Der Umgang mit Komplexität und Unsicherheit                          tun hätten. Zweitens seien viele Lehrkräfte
im globalen Lernen war Thema des Vortrags                            motiviert, sich mit globalem Lernen und der
von PROF. ANNETTE SCHEUNPFLUG von                                    Komplexitätsproblematik zu beschäftigen.
der Universität Bamberg. Sie skizzierte Her-                         Drittens schlügen sich in der unterrichtlichen
ausforderungen, erklärte die Notwendigkeit                           Bearbeitung globaler Lernherausforderungen
der sogenannten „Komplexitätsabsorptions-                            Orientierungen und Haltungen der Lehrenden
kompetenz“ und stellte Forschungsansätze                             nieder. Scheunpflug und Taube haben, basie-
zur Stärkung der Handlungskompetenz von                              rend auf 17 narrativen Interviews mit Lehr-
Lehrkräften vor. Der Umgang mit Komplexität                          kräften, die im globalen Lernen engagiert und
im sozialen Bereich und im globalen Lernen sei                       erfahren sind, untersucht, welche handlungs-
noch wenig erforscht und müsse noch erarbei-                         leitenden Orientierungen ihr Handeln struk-
tet werden, sagte Prof. Scheunpflug. Aufgrund                        turieren. Daraus abgeleitet unterscheiden die
der Vieldimensionalität und Interdependenzen                         Forscherinnen vier Idealtypen von handlungs-
im sozialen Bereich sei es jedoch schwierig,                         leitenden Orientierungen von Lehrkräften.
hier Ursachen, Wirkungen und Zusammen-
hänge zu beschreiben (Niklas Luhmann).                               Für die Typen 1 und 2 zeigt sich eine Ori-
„Menschen sind ‚Nahbereichswesen‘, merken                            entierung an Eindeutigkeit und einer damit
sich am ehesten das, was sie selbst erfah-                           verbundenen Vereinfachung von Komplexität
ren haben.“ Zum anderen lägen in sozialen                            als handlungsleitend. Die Lehrkraft wird als au-
Zusammenhängen oft Simultanverursachun-                              thentische Wissensautorität und Vermittlungs-
gen vor, soll heißen, Dinge passieren gleich-                        instanz konstruiert, die den Schülerinnen und
zeitig. Erschwerend komme hinzu, dass viele                          Schülern klare Handlungsperspektiven an die
Entwicklungen im sozialen Raum nicht mehr                            Hand gibt, basierend auf einer Beschreibung
sinnlich wahrgenommen werden könnten.                                weltgesellschaftlicher Zusammenhänge in line-
                                                                     aren Interdependenzen zwischen globaler und
Globales Lernen müsse somit als abstrakte                            lokaler Welt. Für Typ 2 zeigt sich eine Orientie-
Sozialität verstanden werden. Für Lehrkräfte                         rung an stärker empathiebezogenen Zugängen
hieße dies, didaktische Reduktionen anzuwen-                         als handlungsleitend. Auch hier wird die Lehr-
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ORIENTIERUNGSRAHMEN GLOBALE ENTWICKLUNG

     kraft in der Rolle als Wissensautorität mit klarer            Das Fazit der Wissenschaftlerin: Allein das
10   moralisierender Deutungsinstanz konstruiert. Die              Brennen für globales Lernen führt noch nicht
     Entwicklungsnotwendigkeit wird klar gekenn-                   dazu, dass dem Umgang mit Komplexität
     zeichnet. Die Lernenden werden in der idealty-                genügend Aufmerksamkeit gewidmet wird.
     pischen Verdichtung der Typen 1 und 2 als Rezi-               Sie appellierte, auf der OR-Fachtagung der
     pienten und Ausführende beschrieben. Die Typen                Frage nachzugehen, wie man erreicht, dass
     3 und 4 konstruieren soziale Komplexität durch                sich mehr Lehrkräfte an den idealtypisch
     vielschichtige Beschreibungen und ermöglichen                 herausgearbeiteten Zugängen und Heran-
     Zugänge zur Komplexität weltgesellschaftlicher                gehensweisen im Sinne des Typ 3 und vor
     Zusammenhänge. Die Lehrkraft wird insbeson-                   allem Typ 4 orientieren. Das Lernen abstrak-
     dere bei Typ 4 so konstruiert, dass er oder sie               ter Sozialität sei die herausragende Aufgabe
     Unterricht begleitet. Lernende werden als aktiv               im Umgang mit Weltgesellschaft, mit ihrer
     Mitpartizipierende und Mitgestaltende beschrie-               Multidimensionalität und Komplexität – auf
     ben. Beiden Typen (Typ 3 und Typ 4) gelingt eine              sachlicher sowie auf didaktischer Ebene und
     „vielperspektivenbezogene Komplexitätsreduk-                  auch für die Bildung von Werten. Dies erfor-
     tion“. Typ 3 ist stärker inhaltsfokussiert als Typ            dere Reflexionskompetenz, die man mit der
     4 und klassischer im Modus des Unterrichtens.                 Lösung komplexer Aufgaben erwerbe, etwa
     Typ 4 arbeitet eher „reflexiv priorisierend“, er-             von Dilemmata. Scheunpflug: „Indem sie [die
     möglicht multidimensionales unterschiedliches                 Schülerinnen und Schüler] gemeinsam re-
     Handeln und Bewerten, einen subjektorientier-                 flektieren, welcher Entscheidungsweg besser
     ten, konstruktiven Zugang und Kontroversität.                 ist, mit welchem sie besser zurechtkommen,
     Typ 4 beschreibt die Entwicklung der Weltgesell-              lernen sie, mit Komplexität umzugehen.“
     schaft als ergebnisoffen und ermöglicht Ler-
     nenden so eine partizipative Entwicklungsper-
     spektive. Scheunpflug sagte, Typ 4 sei erstre-
     benswert, aber keineswegs selbstverständlich.

     Foto: André Wagenzik

                    Den vollständigen Vortrag finden Sie als Video unter:
                    youtu.be/GZgBdkqRJxA
DOKUMENTATION DER 11. KMK / BMZ-FACHTAGUNG — 24./25. NOVEMBER 2020

ERWEITERUNG DES ORIENTIERUNGS-
RAHMENS AUF DIE GYMNASIALE
OBERSTUFE (OR GOS)
Über die Erweiterung des Orientierungsrah-                           in der Vertreterinnen und Vertreter der Länder,
mens auf die gymnasiale Oberstufe (OR GOS),                          aus NROs und der Wissenschaft zusammen-                      11
die die KMK 2019 beschlossen hat, berichte-                          arbeiten, begleitet den Prozess. Die KMK-Be-
ten WULF BÖDEKER, KMK-Berichterstatter                               richterstatter BNE sowie Engagement Global
BNE im Ministerium für Schule und Weiterbil-                         steuern den Prozess inhaltlich, die Gesamtkoor-
dung Nordrhein-Westfalen, und RENÉ DANZ,                             dination verantwortet Engagement Global.
Gruppenleiter Globale Entwicklung in der Schule                      Im Rahmen des Prozesses OR GOS wird es
bei Engagement Global. René Danz blickte zu-                         zahlreiche Möglichkeiten zur Mitgestaltung und
nächst auf die Entwicklung des vorliegenden                          Partizipation geben, so Danz. So könnten un-
OR zurück: 2007 wurde die erste Auflage ver-                         terschiedliche Perspektiven in die Zwischener-
abschiedet, seit 2015 liegt der aktuelle OR vor,                     gebnisse und Ergebnisse der Facharbeitskrei-
der inzwischen fast alle Schulfächer für die Se-                     se einfließen, zum Beispiel auf der jährlichen
kundarstufe I umfasst. Eine durch Engagement                         Fachtagung zum Orientierungsrahmen, die in
Global in Auftrag gegebene Erhebung der Jahre                        den nächsten Jahren verstärkt den Erweite-
2015 bis 2018 zeige, so Danz, dass die Nutzung                       rungsprozess zum Thema machen wird. Die
und Verbreitung des OR inzwischen so ausge-                          Beteiligung Lernender im Prozess war zudem
prägt seien, dass der Orientierungsrahmen ei-                        eine Frage, der sich ein Workshop auf der
nen beträchtlichen Einfluss auf die Entwicklung                      OR-Fachtagung widmete. Die Ergebnisse die-
und Praxis des globalen Lernens und somit auf                        ses Workshops fließen auch in die Arbeit ein.
die Verankerung von BNE in der Schule habe.
Dies sei maßgeblich den zahlreichen Akteurin-                        KMK-Berichterstatter Wulf Bödeker skizzier-
nen und Akteuren, Partnerinnen und Partnern                          te zunächst BNE im Verständnis des OR: Der
aus Schule, Zivilgesellschaft, Wissenschaft,                         OR orientiere sich am fachlichen Lernen, aber
Bildungsverwaltung und interessierter Fachöf-                        auch und eng damit in Verbindung stehend
fentlichkeit in unterschiedlichen Bereichen                          an der Entwicklung grundlegender Kompe-
in den Ländern zu verdanken; u.a. befördert                          tenzen zur verantwortlichen Zukunftsgestal-
durch die Länderinitiativen und Landeskoor-                          tung. Dabei seien globale Zusammenhänge
dinationen. Auch die internationale Nachfrage                        zu berücksichtigen, sowohl des privaten als
sei groß; dies zeige sich auch durch die Über-                       auch des beruflichen und gesellschaftlichen
setzungen des OR ins Englische, Spanische                            Lebens. Diese Kompetenzentwicklung voll-
und Französische. Ungebrochen stark sei auch                         ziehe sich im Dreischritt Erkennen – Bewer-
das Interesse an der OR-Fachtagung und am                            ten – Handeln. Voraussetzung dafür sei die
Prozess der Erweiterung des OR auf die GOS.                          Vermittlung der Einsicht in die Notwendig-
                                                                     keit einer nachhaltigen Entwicklung, basie-
Der Prozess OR GOS startete 2020. Facharbeits-                       rend auf Werten und mündend in die Kom-
kreise werden aktuell aus Fachleuten aus der                         petenz zu selbstwirksamem Handeln.
Schuldidaktik, Schulpraxis, Zivilgesellschaft,
Lehrkräftebildung und Lehrplanentwicklung zu-
sammengestellt. Diese verfassen die Fachbeiträ-                      5   Auswertungsbericht der zweiten und erweiterten Auflage
ge zum OR GOS. Die KMK/BMZ-Projektgruppe,                                des Orientierungsrahmens (2019)
                                                                         ges.engagement-global.de/publikationen.html?
                                                                         file=files/2_Mediathek/Mediathek_Microsites/
                                                                         OR-Schulprogramm/Downloads/Veroeffentlichungen_
                                                                         Orientierungsrahmen/Auswertung_OR_2019_bf_final.
                                                                         pdf&cid=132008 (Stand: 29.03.2021)
                                                                     6   Übersetzungen des Orientierungsrahmens finden Sie
                                                                         unter: ges.engagement-global.de/publikationen.html
                                                                         (Stand: 29.03.2021)
ORIENTIERUNGSRAHMEN GLOBALE ENTWICKLUNG

     Bödeker erklärte, nachhaltige Entwicklung                 René Danz fasste abschließend zusammen,
12   im Verständnis des OR erstrecke sich auf die              dass mit dem Prozess der Erweiterung auf
     vier Dimensionen Soziales, Ökonomie, Poli-                die GOS ein Wissenschaftsverständnis bei
     tik und Ökologie. Zwischen ihnen und auch                 Lernenden geschaffen oder gefördert wer-
     innerhalb der Dimensionen gebe es viele                   den solle, das auf Rezeption sowie aktive und
     Zielkonflikte und Widersprüche. Um unter-                 vorbereitende Teilhabe an wissenschaftlichen
     schiedliche Interessenlagen zu erkennen, zu               und öffentlichen Diskursen über nachhalti-
     bewerten und auszuhandeln, sollten Lernende               ge Entwicklung abziele. Der Erweiterungs-
     Einblicke in systemisches Denken und ver-                 prozess soll 2023 abgeschlossen sein.
     netztes Wissen gewinnen und lernen, es zu
     praktizieren. Das gelte gerade in der GOS, in
     der Allgemeinbildung vertieft, Studierfähig-
     keit erreicht und wissenschaftspropädeuti-
     sche7 Bildung vorangetrieben werden sollten.

     Die Erweiterung des OR auf die Sekundar-
     stufe II mit ihrem höheren Spezialisierungs-,
     Komplexitäts- und Abstraktionsgrad bringe
     also spezielle Herausforderungen mit sich und
     biete insbesondere Chancen für BNE. Böde-
     ker erklärte, im Erweiterungsprozess müs-
     se beantwortet werden, welche akuten und
     herausfordernden Themen der nachhaltigen
     Entwicklung, beispielsweise Klimagerechtig-
     keit und soziale Ungleichheit, in welcher Form
     und wann in welchen Fächern sowie fachüber-
     greifend integriert werden sollten. Auch solle
     thematisiert werden, wie Lernende Organisa-
     tions- und Lernprozesse mitgestalten könnten.
     Zudem müsse der OR für die GOS thematisie-
     ren, wie Digitalisierung stärker genutzt werden
     könne und welche digitalen Kompetenzen die
     BNE-Kompetenzen ergänzen und fördern könn-
     ten. Dabei sollten die ökologischen, wirtschaft-
     lichen, sozialen und politischen Implikationen            Foto: André Wagenzik
     der Digitalisierung kritisch reflektiert werden.

                                                               7   Wissenschaftspropädeutik ist die Hinführung zu wissen-
                                                                   schaftlichen Denk- und Arbeitsweisen, zu Methoden des
                                                                   Erkenntnisgewinns und allgemein zu Erkenntnistheorie
                                                                   und Wissenschaftstheorien.

                  Informationen zum Erweiterungsprozess sowie die Möglichkeit, Fragen zu stellen
                  und Anregungen zu geben, finden sich auf der Internetseite
                  ges.engagement-global.de/umsetzung-und-weiterentwicklung.html
DOKUMENTATION DER 11. KMK / BMZ-FACHTAGUNG — 24./25. NOVEMBER 2020

                                                                     13

         OPEN SPACE
ORIENTIERUNGSRAHMEN GLOBALE ENTWICKLUNG

     OPEN SPACE: TEILNEHMENDE SETZEN
     DIE THEMEN SELBST

14

     Foto: André Wagenzik

     Open Space ist ein offenes Format mit Work-     Aus diesen zehn Open Spaces konn-
     shop-Charakter. Die Initiative geht von den     ten die Teilnehmenden wählen:
     Teilnehmenden aus. Sie setzen die Themen
     selbst, sie entscheiden, an welchen Open        →   Digitale Angebote globales Lernen/BNE
     Spaces sie teilnehmen und arbeiten in Klein-
     gruppen eigenverantwortlich. Sie moderieren     →   Komplexität und Unsicherheit im Unterricht
     und protokollieren live online in Eigenregie.       didaktisch begegnen –Reflexionen im
     Nach der Premiere auf der Tagung 2019 lief          Anschluss an den Vortrag
     die Open-Space-Runde bei der 11. Fachta-
     gung zum zweiten Mal, dieses Mal unter dem      →   BNE und Jugend-Partizipation
     Oberthema: „Aktuelle schulische Herausfor-
     derungen hinsichtlich Komplexität und Un-       →   Wie hängen Diskriminierung und
     sicherheit im Sinne einer nachhaltigen Ent-         Bildungspolitik zusammen?
     wicklung“. Das Themenspektrum der Open
     Spaces reichte von Reflexionen über den         →   Ein Wort sagt mehr als 1.000 Worte –
     Vortrag von Professorin Scheunpflug über            Framing /Deutungsrahmen
     Jugendpartizipation bis hin zu Methoden und
     Beispielen der Auseinandersetzung mit Kom-      →   Selbst aktiv werden:
     plexität und Unsicherheit. Technische Aspek-        Bottom up  Top down
     te, wie Zukunftsenergietechnologien in ihrer
     Komplexität in Schule zu behandeln, wurden      →   Emotion und Empathie als weiteren Zugang
     ebenso diskutiert wie didaktische Erwägun-          zur Lösung komplexer Herausforderungen in
     gen im Open Space „Emotion und Empathie             Schule eröffnen
     als weiteren Zugang zur Lösung komplexer
     Herausforderungen in Schule eröffnen“.          →   Methodische Umsetzung und Ideen

                                                     →   Erlass zu BNE in Niedersachsen –
                                                         Pros und Cons?

                                                     →   Zukunftsenergietechnologien (Photovoltaik,
                                                         Smart Grids, ...) in Theorie und Praxis in ihrer
                                                         Komplexität in Schule behandeln
DOKUMENTATION DER 11. KMK / BMZ-FACHTAGUNG — 24./25. NOVEMBER 2020

                                                                     15

      WORKSHOPS
ORIENTIERUNGSRAHMEN GLOBALE ENTWICKLUNG

     WORKSHOP 1: LEHRE: LEHRKRÄFTE AUF
     HERAUSFORDERUNGEN VORBEREITEN

     Impuls: Dr. Lydia Kater-Wettstädt,                 Unsicherheiten handlungsfähig zu bleiben. Die
16   Leuphana Universität Lüneburg                      aktuelle Krise zeige einmal mehr die Bedeu-
     Experte: Michael Knittel,                          tung von BNE als ergebnisoffenen Prozess, der
     Landeskoordination BNE Hessen                      gemeinsam vorangetrieben werden müsse.
     Moderation: Katrin Schmitz-Parting,
     Engagement Global                                  Die Teilnehmenden trugen zusammen, wie
                                                        die Pandemie den Lehrkräftealltag verändert
                                                        hat: Digitales Lernen werde zwar beschleunigt
     Der Workshop thematisierte, wie BNE vor            und digitale Kompetenzen nähmen zu. Aber
     dem Hintergrund der zunehmenden Heraus-            Präsenzunterricht, außerschulische Lernorte
     forderungen umgesetzt werden kann. Welche          und Projekte fehlten. Das erschwere die Be-
     Implikationen bringen die komplexen globalen       ziehungsarbeit mit den Lernenden, die zudem
     Dynamiken der nachhaltigen Entwicklung und         häufiger verunsichert und ängstlich seien sowie
     auch neuer Entwicklungen, zum Beispiel der         mehr häusliche Probleme hätten. Andere Wege
     Digitalisierung, für die Aus- und Fortbildung?     müssten gefunden werden. Neue Unterricht-
     Welche Fähigkeiten benötigen Lehrkräfte?           sideen entstünden zwar. Allerdings bestehe
                                                        Planungsunsicherheit, und Unterricht müsse
     Dr. Lydia Kater-Wettstädt von der Leuphana         immer wieder neu an die Gegebenheiten ange-
     Universität Lüneburg betonte die tragende          passt werden, was viel Flexibilität erfordere und
     Rolle von BNE bei der Bewältigung von Kri-         Organisationsaufwand mit sich bringe. Gleich-
     sen. In einer Krise gelernte Herangehenswei-       zeitig seien viele Lernende und Eltern mit dem
     sen, z. B. Kreativität, Solidarität, Engagement,   Homeschooling überfordert. Chancenungleich-
     Sensibilität und Verantwortungsbewusstsein,        heit und Bildungsungerechtigkeit nähmen zu.
     könnten auf die Bewältigung anderer Krisen
     übertragen werden. Sie warf die Frage auf, ob      Als weitere Chancen aus der Pandemie für
     es dann noch um eine Bildung für nachhalti-        den Schulalltag und BNE wurden folgende
     ge Entwicklung geht oder um Bildung für eine       Erfahrungen genannt: Bestehende Strukturen
     unbekannte Zukunft, die der Nicht-Nachhal-         und Praktiken, z. B. die 45-Minuten-Taktung
     tigkeit der bestehenden Strukturen ernstlich       und die Fachbezogenheit, würden hinterfragt.
     Rechnung trägt. Michael Knittel, Landeskoor-       Es entstehe mehr Raum für individualisier-
     dination BNE Hessen, appellierte, mit BNE-An-      tes und selbstständiges Lernen. Es entstehe
     sätzen angesichts globaler Krisen wie Hunger,      ein stärkerer Zusammenhalt innerhalb der
     Klimawandel, Kriege und wachsende soziale          Klassen und der Gesellschaft, weil Solidari-
     Ungleichheit eine verantwortungsvolle Neuori-      tät und Empathie in Zeiten der Krise zunäh-
     entierung in der Gesellschaft mitzugestalten.      men. Die räumliche Unabhängigkeit durch
                                                        die zunehmende Digitalisierung könne das
     In der anschließenden Diskussion wurde bei-        globale Bewusstsein stärken und zum Bei-
     spielsweise das Konzept Critical Hope (Prob-       spiel den internationalen Austausch erleich-
     leme werden möglichst realistisch dargestellt,     tern. Kompetenzorientierung werde gegen-
     um realistische und konkrete Lösungsmöglich-       über der reinen Wissensvermittlung gestärkt,
     keiten aufzeigen zu können) als Möglichkeit        beispielsweise in Bezug auf die Medienerzie-
     dargestellt, um angesichts von Herausforde-        hung, die Selbstwirksamkeit, Projektarbei-
     rungen und damit verbundenen Ängsten und           ten und den Umgang mit Unsicherheiten.
DOKUMENTATION DER 11. KMK / BMZ-FACHTAGUNG — 24./25. NOVEMBER 2020

Der Workshop erarbeitete, wie Lehr-                                  Schließlich arbeiteten die Teilnehmenden
kräfte darüber hinaus die Kri-                                       heraus, welche Implikationen speziell für die    17
se als Chance nutzen könnten:                                        Erweiterung des OR auf die GOS gelten sollten:

→     Im Sinne des Whole School Approachs                            →   mehr internationaler Austausch,
      sollten alle an Unterrichtsentwicklung
      beteiligten Gruppen gestärkt und mit                           →   die emotionale Basis und die psychischen
      Ressourcen ausgestattet werden, die                                Ressourcen für nachhaltiges Handeln
      ihre Resilienz, Offenheit, Innovations-                            thematisieren,
      freudigkeit, Kommunikation und
      Zusammenarbeit fördern, um als Schule                          →   besondere Bildungsangebote und Freiräume
      gemeinsam „umzulernen“.                                            für Kooperation mit außerschulischen
                                                                         Akteuren,
→     Lehrkräfte sollten für den Umgang mit
      Emotionen bei Krisenthemen geschult                            →   bereits in der Lehrkräfteausbildung den
      werden, um psychische Ressourcen der                               OR noch stärker einsetzen und besondere
      Lernenden wie Selbstwirksamkeit,                                   Lernangebote mit praxisnahen Lern-
      Achtsamkeit, Solidarität und Critical Hope                         beispielen, offeneren und innovativeren
      (Entwicklung von Hoffnung) zu stärken.                             Lernprojekten schaffen,

→     Auch sollten Freiräume für Lehrkräfte und                      →   transformative Bildung sollte wichtiger
      Lehramtsstudierende geschaffen werden,                             Schwerpunkt in der Lehrkräftebildung der
      damit sie sich selbst erproben können, auch                        3. Phase sein,
      als „Lernbegleitende“, und ihre
      Selbstkompetenz stärken.                                       →   mehr Reflexions- und Erfahrungsräume
                                                                         in der Lehrkräftebildung, um sich von
→     Sie sollten bestehende Bewertungslogiken                           Kolleginnen und Kollegen inspirieren zu
      aufbrechen,                                                        lassen, die bereits Freiräume nutzen.

→     in den Veränderungsprozessen hoffnungsvoll
      und motiviert bleiben,

→     mehr Raum für Austausch und mehr
      gegenseitige Wertschätzung schaffen und
      sich als Lernende und Gestaltende verstehen
      und gemeinsam mit den Lernenden zum
      Ausprobieren neuer Wege ermutigt werden,
      inklusive Fehlertoleranz.
ORIENTIERUNGSRAHMEN GLOBALE ENTWICKLUNG

     WORKSHOP 2: ORTE DES LERNENS: LERN-
     RÄUME FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG

     Impulse: Ulrike Kegler, ehemalige Leiterin                  bei Lehrenden und Lernenden. Einschränken-
18   der Montessori-Oberschule, Potsdam /                        de Rahmenbedingungen wie die Aufsichts-
     Micha Pallesche, Leiter der Ernst-Reuter-                   pflicht müssen bei Umgestaltungen mitgedacht
     Gemeinschaftsschule Karlsruhe                               werden und erfordern kreative Lösungen.
     Experte: Reiner Mathar, Mitautor des                        Micha Pallesche zeigte, wie an seiner Schule
     OR 2016, BNE-Koordinator im Hessischen                      Lernorte gestaltet sind und wie z.B. das digi-
     Kultusministerium                                           tale Lernen integriert wird: Lernende nutzten
     Moderation: Birte Strebel und Lejla Bubic,                  Tablets eigenverantwortlich zur Bearbeitung
     Engagement Global                                           von Aufgaben, auch in Gruppenarbeit außer-
                                                                 halb der Klassenräume. Digitalisierung in
                                                                 der Schule könne neue Unterrichtsformen
     Orte des Lernens haben großen Einfluss auf die              mit sich bringen: aktives Lernen, oft in Grup-
     Art des Lehrens und Lernens. Der Workshop                   pen, statt Frontalunterricht und Vereinzelung,
     ging den Fragen nach, wie Lernorte und die                  Lehrkräfte werden zu Lernbegleitenden.
     Gestaltung von Lernumgebungen die Umset-
     zung von BNE im Sinne des OR beeinflussen?                  In der anschließenden Diskussion stellten die
                                                                 Teilnehmenden des Workshops fest, dass die
     Ulrike Kegler betrachtete es als dauerhaftes An-            abrupte und unvorbereitete Umstellung auf
     liegen der gesamten Schulentwicklung, Innen-,               digitales Lernen im ersten Lockdown dazu ge-
     Außen- und Zeiträume umzugestalten sowie                    führt habe, dass versucht worden sei, Inhalte
     neue Unterrichtskonzepte zu etablieren. Die                 und Methoden des traditionellen Frontalun-
     Lehrkraft steht dabei nicht wie beim traditio-              terrichts in digitale Formate zu packen. Eine
     nellen (Frontal-)Unterricht als Experte oder Ex-            veränderte Lehr- und Lernkultur sei jedoch
     pertin vor der Klasse, sondern die Schülerinnen
     und Schüler erarbeiten die Inhalte individuell,
     wobei die Lehrkraft ihnen begleitend zur Seite
     steht. Die Umgestaltung der Lernräume soll
     damit vor allem individuelles und freies Arbei-
     ten sowie Praxis- und Handlungsorientierung
     im Unterricht ermöglichen. So gibt es bspw.
     keine feste Sitzordnung und verstellbare Möbel,
     sodass die Schülerinnen und Schüler selbst ent-
     scheiden können, wo und mit wem sie was ler-
     nen.8 In der anschließenden Diskussion wurde
     deutlich, dass ein verändertes Rollenverständ-
     nis der Lehrkräfte Voraussetzung dafür ist,
     die Lernortumgebung so zu verändern, dass
     sie die Lernerfolge positiv beeinflussen kann.
     Andererseits führen aber auch die Lernorte
     zu einem veränderten Denken und Handeln

     8   Einen Eindruck von Ulrike Keglers Schule und wie dort   Workshop 2: Lernräume für Nachhaltige Entwicklung.
         Lernräume gestaltet sind, erhält man in diesem Video:   Foto: André Wagenzik
         www.youtube.com/watch?v=JM70ANgF4h8
DOKUMENTATION DER 11. KMK / BMZ-FACHTAGUNG — 24./25. NOVEMBER 2020

erforderlich: die Ausgestaltung des digitalen                        Reiner Mathar, Verfasser von Kapitel 5 des
Lernens und Lehrens mit mehr Austausch,                              OR, „Der Lernbereich Globale Entwicklung                      19
Mitgestaltung und kritischer Auseinanderset-                         als Aufgabe der ganzen Schule“, bestärkte in
zung der Lernenden sowie mit mehr Beglei-                            seinem Vortrag die genannten Elemente und
tung als Bestimmung seitens der Lehrkräfte.                          ihre Bedeutung für BNE. Die Gestaltung der
                                                                     Lernräume stelle dabei aber nur einen Aspekt
Die Teilnehmenden arbeiteten anschlie-                               dar, der die Umsetzung von BNE unterstützen
ßend heraus, welche Elemente eines Ler-                              könne. Es bedürfe eines nachhaltigen gesam-
norts insbesondere BNE befördern. Un-                                tinstitutionellen Ansatzes, einer Unterrichts-
ter anderem wurden dabei genannt:                                    und Schulentwicklung im Sinne einer BNE. Den
                                                                     Ansatz eines solchen Whole School Approach
→     vielfältige Material- und                                      (WSA) erläuterte er anhand von Beispielen
      Informationsangebote                                           unterschiedlicher internationaler Projekte. Wei-
                                                                     terhin betonte er die Bedeutung der Digitalisie-
→     erschiedene Zugänge zum Lernen, etwa                           rung von Schule und Unterricht, um Lernende
      zum Austausch sowie zu Einzel-, Partner-                       auf die nachhaltige Gestaltung der Zukunft
      und Gruppenarbeiten. Räume müssen hierfür                      vorzubereiten – im Sinne von digital citizens.9
      entsprechend gestaltet sein.
                                                                     Die Teilnehmenden zogen das Fazit, dass die
→     Barrierearmut,                                                 veränderte Gestaltung von Lernorten nicht
                                                                     automatisch zu einer Veränderung des Lehrens
→     Integration verschiedener medialer Formate,                    und Lernens führt. Sie gibt aber Anstoß und ist
                                                                     ein wichtiges Element für die Umsetzung von
→     Raum für Kreativität und Inspiration                           BNE im Unterricht. Die Gestaltung von Lernor-
      schaffen, Offenheit und Flexibilität                           ten – im realen und im digitalen Raum – sollte
      bezüglich der Methoden und                                     daher auch im OR für die GOS berücksichtigt
                                                                     werden, indem positive Beispiele, auch inter-
→     Einbindung außerschulischer Partner und                        nationale, aufgenommen werden könnten.
      Bildungsangebote.

                                                                     9   Digitale Bürger und Bürgerinnen nutzen regelmäßig auf
                                                                         sichere und verantwortungsvolle Weise die neuen Techno-
                                                                         logien, um an Gesellschaft und Politik teilzuhaben.
ORIENTIERUNGSRAHMEN GLOBALE ENTWICKLUNG

     WORKSHOP 3: FÄCHER UND UNTERRICHT –
     BNE GEMEINSAM PLANEN

     Impuls: Klaus Schilling, Deutsche UNESCO-                  Klaus Schilling betonte, dass BNE als Quer-
20   Kommission e.V. / Rainer Maehl,                            schnittsaufgabe in einer offenen Schulkultur un-
     Hamburger Institut für Berufliche Bildung                  ter Berücksichtigung des Whole School Approach
     Experte: Jörg-Robert Schreiber,                            (WSA) umgesetzt und verankert werden könne,
     Mitautor des OR 2016                                       wenn sie auf folgenden Eckpfeilern basiere:
     Moderation: Marcus Römer, Engagement Global
                                                                →     Steuerung (Selbstverpflichtung,
                                                                      Zuständigkeiten, Kontinuität, Partizipation,
     In dem Workshop wurde – insbesondere vor                         Teamentwicklung),
     dem Hintergrund aktueller Herausforderungen
     – erarbeitet, wie eine zielgerichtete kollegiale           →     Qualitätsentwicklung,
     Abstimmung und gemeinsame Planung des Un-
     terrichts die Verankerung von BNE in Schulen               →     Einbindung der Jugend in Prozesse und
     unterstützen kann. Wie kann Schule sich hin-                     Gestaltungsmöglichkeiten,
     sichtlich Stundenplänen, Teamentwicklung und
     Themenplanung aufstellen und organisieren,                 →     ganzheitliche und dauerhafte Lehr- und
     auch um BNE-Themen parallel fachübergrei-                        Lernangebote für Lernende und das ganze
     fend zu behandeln? Welche besonderen Ansät-                      Schulpersonal,
     ze und Rahmenbedingungen sind hilfreich? 10
                                                                →     nachhaltiger Schulbetrieb (Verpflegung,
                                                                      Beschaffung, Ressourcenmanagement,
                                                                      Lernumfeld),

                                                                →     BNE als Motor für Innovation, Wandel,
                                                                      Vernetzung (Öffnung für Partnerschaften)
                                                                      und

                                                                →     interne und externe Kommunikation des
                                                                      BNE-Profils der Schule.

                                                                Die Teilnehmenden tauschten sich über ihre
                                                                vielfältigen Erfahrungen mit konkreten Maß-
                                                                nahmen und Projekten an ganz unterschied-
     Workshop 3: Fächer und Unterricht – BNE gemeinsam plane.   lichen Schulen aus, die der strukturellen
     Foto: André Wagenzik                                       Verankerung von BNE im Unterricht dienen.

                                                                10 Ansätze hierfür gibt es unter anderem im OR. Beispiele für
                                                                   die Umsetzung finden sich im „Orientierungs- und Hand-
                                                                   lungsrahmen für das übergreifende Thema Nachhaltige
                                                                   Entwicklung / Lernen in globalen Zusammenhängen“ für
                                                                   Berlin und Brandenburg.
DOKUMENTATION DER 11. KMK / BMZ-FACHTAGUNG — 24./25. NOVEMBER 2020

Zur besseren Verankerung von BNE in Un-                              Rainer Maehl ergänzte, zur erfolgreichen
terricht und Schule sahen die Teilnehmen-                            Verankerung von BNE in Fächern und Unter-           21
den unter anderem folgendes Potenzial:                               richt seien ein Umdenken und die bewusste
                                                                     Entscheidung von Schulleitungen zur dauer-
→     Es sollte mehr und stärkere Bezüge zur BNE                     haften Umsetzung von BNE in der eigenen
      in den Schulbüchern geben, um auch in                          Schule nötig sowie die Überzeugung bei den
      weniger naheliegenden Fächern eine Routine                     Lehrkräften, BNE in den Unterricht einzubin-
      bei der Behandlung von Querschnittsthemen                      den und in den Lehrplan zu integrieren. Da
      zu erlangen.                                                   dies stets mit Mehrarbeit verbunden sei, sei
                                                                     es wichtig, Anreize zu schaffen und dieses
→     Ländlicher Raum: mehr Unterstützung für                        Engagement zu fördern. Ein Problem seien die
      Schulen und Erweiterung ihrer Möglichkeiten                    begrenzten Ressourcen für Schulleitungen,
      zur Kooperation mit außerschulischen                           weshalb BNE und globales Lernen oft keine
      Partnern mit internationalem Bezug.                            hohe Priorität besäßen. Die aktuellen Her-
      In Materialien zum globalen Lernen werden                      ausforderungen inklusive der Konzentration
      oft Handlungsoptionen (Aktionen, Projekte                      auf ständig abzuändernde Hygienekonzepte
      etc.) vorgeschlagen, die sich auf dem Land                     erschweren die Verankerung von BNE massiv.
      schwer umsetzen lassen. Hier braucht es
      größeres Know-how.                                             Die Diskussion der Teilnehmenden mit Jörg-Ro-
                                                                     bert Schreiber über den Erweiterungsprozess
→     Ganzheitliche Schulentwicklungsprozesse                        des OR auf die GOS brachte folgende Impulse:
      auf allen Ebenen sollten von den Schul-
      leitungen getragen werden. Dabei sollten                       →   Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft
      Kollegien, Lernende und Eltern zusam-                              und Lernenden sowie ihre Beteiligung an
      men-wirken, ergänzt um Fortbildungen und                           Forschungsprojekten sollten ausgebaut
      ggf. ein Projektmanagement, das von weite-                         werden.
      ren Bildungsinstitutionen begleitet wird.
                                                                     →   BNE-Aspekte sollten insbesondere im
→     Lehrkräfte brauchen mehr Zeitressourcen,                           Politik- und Sozialkundeunterricht, aber auch
      um die Unterrichtsmaterialien zu BNE                               in anderen Fächern, wissenschaftlicher
      vollumfänglich zu verwenden.                                       betrachtet werden.

→     BNE sollte in lokalen Bildungslandschaften                     →   Lernende sollten für die (selbständige)
      stärker verankert werden, indem Schulen                            Entwicklung der eigenen Kompetenzen, auch
      Kooperationen als selbstverständlich                               über Unterricht und Schule hinaus,
      begreifen, z.B. Schulnetzwerke wie die                             sensibilisiert werden.
      UNESCO-Projektschulen, die in mehreren
      Bundesländern bereits geknüpft werden.                         →   Möglichkeiten der Demokratisierung der
                                                                         Schulgemeinschaft sollten aufgezeigt
                                                                         werden.
ORIENTIERUNGSRAHMEN GLOBALE ENTWICKLUNG

     WORKSHOP 4: NETZWERKE UND PART-
     NERSCHAFTEN – LOKAL UND GLOBAL

     Impuls: Dr. Marie Bludau,                       rahmens Globale Entwicklung beobachtet,
22   Niedersächsisches Kultusministerium             dass das Verständnis für komplexe Sachver-
     Expertin: Eva-Maria Kohlmann,                   halte steigt, wenn komplexe Fragestellun-
     Universität Kassel                              gen in interdisziplinären Gruppen gemein-
     Moderation: Sabine Seiffert,                    sam bearbeitet und reflektiert und außer-
     Engagement Global                               schulische Partner einbezogen werden.

                                                     In den Diskussionen im Workshop wurde
     Wie können Netzwerke und Partnerschaf-          deutlich, dass der Umgang mit Komplexität,
     ten Schule und Lehrkräfte im Umgang mit         ein reflektierter Umgang mit eigenen Unsi-
     Komplexität und Unsicherheit stärken, ins-      cherheiten wie auch der Umgang mit und in
     besondere mit Blick auf aktuelle Herausfor-     BNE-Netzwerken samt fachlicher und päda-
     derungen und im Sinne der globalen Ent-         gogischer Orientierung in die Lehrkraftaus-
     wicklungsziele? Dieser Leitfrage wurde im       bildung eingebunden sein sollten. Dabei
     Workshop nachgegangen. Sie ist besonders        sollten Fachwissenschaften, Bildungswissen-
     wichtig, da Netzwerke und Partnerschaften       schaften unterschiedlicher Disziplinen und
     den Raum bieten, unterschiedliche Pers-         Schulpraxis zusammengebracht werden.
     pektiven einzunehmen, Komplexität besser
     zu verstehen und praktisch einzuüben.           Begleitete internationale Bildungspartnerschaf-
                                                     ten und Austausch sollten frühzeitig in die
     Dr. Marie Bludau vom Niedersächsischen          Lehrkraftausbildung implementiert werden.
     Kultusministerium referierte zu Gelingensbe-    Solche Begegnungen erforderten eine sehr gute
     dingungen, die Kultusministerien zur Ausge-     Vorbereitung hinsichtlich einer klaren Zielfor-
     staltung von Netzwerken in und um Schule        mulierung und auch bezüglich gesellschaftli-
     zur Verfügung stellen können. Am Beispiel       cher, politischer, kultureller und ökonomischer
     Niedersachsens präsentierte sie, wie Netzwer-   Hintergründe im Partnerland bzw. in der
     ke und Kooperationen Selbstwirksamkeitser-      Partnergruppe. Als höchst relevant scheint in
     fahrungen von Lernenden durch den Peer-to-      diesem Kontext die Reflexion für angehende
     Peer-Ansatz stärken können.11 Da Lehrkräfte     Lehrkräfte. Die eigene Situation mit anderen
     die steuernde Instanz in der Vermittlung von    gesellschaftlichen Voraussetzungen, anderen
     komplexen Sachverhalten und auch beim           Bildungssystemen und Lernkulturen verglei-
     Erlernen des Umgangs mit Komplexität sind,      chen zu können, erleichtere den Perspektiven-
     sind deren gut geschultes Kompetenzprofil,      wechsel und stärke die Haltung im Umgang
     deren Haltung und deren Handlungsfähigkeit
     essentiell. Ein angemessener Umgang mit
     Komplexität und ein reflektierter Umgang mit
                                                     11   Die im Workshop vorgetragenen Gelingensbedingungen
     eigenen Unsicherheiten in komplexen Sach-            basieren auf Studienergebnissen von Dr. Marie Bludau
     verhalten sollte daher routiniert und in die         (2016).Die Ergebnisse der Studie wurden in einer Zusam-
                                                          menstellung von Engagement Global (2019) veröffentlicht.
     Lehrkräfteausbildung eingebunden sein.
                                                          Marie Bludau (2016): Globale Entwicklung als Lernbereich
     Wie Netzwerke in der universitären Lehr-             an Schulen? Kooperationen zwischen Lehrkräften und
                                                          Nichtregierungsorganisationen.
     kraftausbildung die Handlungskompeten-               Opladen, Berlin, Toronto: Budrich UniPress.
     zen von angehenden Lehrkräften stärken,
     berichtete Eva-Maria Kohlmann von der                Marie Bludau (2019): Gemeinsam für Zukunftsfähigkeit.
                                                          Formen und Bedingungen von Kooperationen zwischen
     Universität Kassel. Sie hat bei den Länderin-        Schulen und dem gesellschaftlichen Umfeld im Sinne des
     itiativen zur Umsetzung des Orientierungs-           Whole School Approach. Bonn: Engagement Global.
DOKUMENTATION DER 11. KMK / BMZ-FACHTAGUNG — 24./25. NOVEMBER 2020

                                                                                                                     23

Workshop 4: Netzwerke und Partnerschaften – lokal und global. Foto:André Wagenzik

mit komplexen Fragestellungen. Die Beob-                             Den kompetenten Umgang mit Komplexität
achtung zeige, dass Erfahrungen mit außer-                           könnten angehende Lehrkräfte fundiert er-
schulischen Partnerschaften mit dem globalen                         werben, wenn auch ihre Dozierenden entspre-
Süden und mit komplexen Fragestellungen in                           chend in der BNE geschult seien. Der Umgang
einem BNE-relevanten Bereich den beruflichen                         mit Netzwerken und Komplexität sollte in
Werdegang junger Lehrender nach-                                     die Lehrkraftausbildung eingebunden wer-
haltig festigen können.                                              den, so der Tenor im Workshop. Im Zuge des
                                                                     OR-Erweiterungsprozesses sollten hier beglei-
Die Mehrperspektivität sollte daher in allen                         tende Maßnahmen und entsprechende anre-
Kontexten der universitären und schulprak-                           gende Lehrmaterialien entwickelt werden.
tischen Ausbildung integriert sein. Beispiels-
weise bietet das Entwicklungspolitische
Schulaustauschprogramm von Engagement
Global (ENSA) mit seinen Aus- und Fortbil-
dungsangeboten sowie Angeboten zur inhalt-
lichen Begleitung von Begegnungsreisen eine
anregende Grundlage für Studienseminare.
Um Mehrperspektivität zu praktizieren, seien
BNE-konforme Lehrmaterialien für die Lehr-
kraftausbildung und für den Unterricht nötig.
ORIENTIERUNGSRAHMEN GLOBALE ENTWICKLUNG

     WORKSHOP 5: LERNEN: ZUGÄNGE UND
     METHODEN FÜR FACHBEZOGENES LERNEN
     IN GLOBALEN ZUSAMMENHÄNGEN
     Impuls: Prof. em. Dr. Kersten Reich,              Dr. Andreas Eberth nannte miteinan-
24   Universität zu Köln                               der verwobene Aspekte des Lernens:
     Experte: Dr. Andreas Eberth, Didaktik der
     Geografie (Leibnitz Universität Hannover),        →   Wie kann eine technische Ausstattung
     Länderinitiative „Sustainable Development             entsprechend den Bedürfnissen von
     Goals mit digitalen Medien vermitteln“                Lehrenden und Lernenden zur Verfügung
     Moderation: Lorenz Denks,                             gestellt werden?
     Engagement Global
                                                       →   Wie kann man bewirken, dass auch weniger
                                                           privilegierte Gruppen nachhaltige
     Im Workshop wurde unter besonderer Be-                Entwicklung diskutieren und die
     rücksichtigung der aktuellen Entwicklungen            Digitalisierung den Gap nicht vertieft?
     erarbeitet, wie Lernangebote besser im Sinne
     einer BNE gestaltet werden können, auch hin-      →   Gute und innovative Erfahrungen und
     sichtlich der Ausweitung des OR auf die GOS.          Ansätze sollten in der Pandemie nicht in
     Einig waren sich die Teilnehmenden, dass die          Vergessenheit geraten und nachher wieder
     Kombination aus Pandemie, beschleunigter              aufgegriffen und vertieft werden.
     Digitalisierung und zunehmenden globalen He-
     rausforderungen eine Chance für innovatives       →   Beim digitalen Lernen stellen Kompetenz-
     globales Lernen im Sinne einer BNE ist, aber          orientierung, Handlung und Reflexion
     auch viele Unsicherheiten mit sich bringt. Eine       besondere Herausforderungen dar. Es gilt,
     besondere Herausforderung bilde das soziale           reflexive Methoden einzuplanen und die
     Gefälle, vor allem bezüglich der Ausstattung          Chancen der Digitalisierung zu nutzen, die es
     mit Endgeräten. Dies könne Bildungsgerechtig-         z. B. erleichtere, Partner aus dem globalen
     keit weiter verringern. Lernende müssten somit        Süden einzubinden.
     pädagogisch und technisch eng begleitet und
     wo nötig mit entsprechenden Geräten unter-
     stützt werden. Auch könnten sozial schwäche-
     re Lernende in der Pandemie früher wieder
     in Präsenz unterrichtet werden als andere.
     Die hohe Belastung der Lehrenden müsse
     bedacht werden.
DOKUMENTATION DER 11. KMK / BMZ-FACHTAGUNG — 24./25. NOVEMBER 2020

Prof. Kersten Reich warb für das beteiligungs-                       greifende Querschnittsaufgabe verstanden,
orientierte, das heißt das selbstständige, for-                      damit alle Lehrenden sich beteiligen. Kolle-      25
schende und digital-aktive Lernen, auch in der                       gien sollten übergreifende Themen gemein-
Pandemie. Um Interesse für globales Lernen                           sam planen und sich absprechen, um den
zu fördern, müssten Themenkomplexe wie                               überfachlichen Anspruch der BNE zu fördern,
Klimawandel, Demokratisierung und Nach-                              ihn in den einzelnen Fächern umzusetzen
haltigkeit auf die Lebenswelt der Lernenden                          und Redundanzen zu vermeiden. Hier biete
heruntergebrochen werden und auf für sie                             der Orientierungsrahmen gute Ansätze, die
relevante Aspekte abzielen. Reich stellte ein                        jede Schule individuell anpassen könne.
fünfstufiges Handlungs- und Lernmodell vor:
                                                                     Um Interesse und Engagement der Lernenden
→     Emotionale Reaktionen: Sie entstehen                           zu stärken, müsse Partizipation, beispielswei-
      und wecken Interesse am ehesten bei                            se in der Schülerselbstverwaltung, gefördert
      aktuellen Themen nah an der Lebenswelt                         werden. Die Schülerinnen und Schüler beton-
      der Lernenden.                                                 ten im Workshop dabei, dass es für sie wichtig
                                                                     ist, dass der Unterricht von ihren persönlichen
→     Anschlussfähigkeit: Die Lernenden sollen an                    Interessen ausgeht. Genauso wichtig sei eine
      ihr vorhandenes Wissen anknüpfen können.                       Umgebung, in der Lernende ihre Persönlich-
                                                                     keit entwickeln könnten, also eine gelungene
→     Zum forschenden Lernen und selbst-                             Feedback-Kultur und Empathie sowie Möglich-
      ständigen Arbeiten gehören das Entwickeln                      keiten, im schulischen Lernen auch zu handeln
      von Hypothesen, Untersuchungen und                             und an persönliche Interessen anzuknüpfen.
      Experimenten.
                                                                     Die Erweiterung des OR auf die GOS könne
→     So entwickeln die Lernenden eigene                             von der Rückkehr zu G13 in vielen Bundeslän-
      Lösungsansätze und lernen, sie zu                              dern profitieren. Jede Schule solle erarbeiten,
      präsentieren und Wissen weiterzugeben.                         wie BNE speziell in der Oberstufe umgesetzt
                                                                     werden solle. Lernende könnten z. B. für
→     Das Ziel ist mehr als Prüfungen zu bestehen.                   andere Lernende ein „Wiki“ zum Abi-Wissen
      Vor allem sollte das erworbene Wissen in                       erstellen und so zugleich ihre Noten verbes-
      anderen Bereichen und im persönlichen                          sern und anderen helfen. Eine andere Idee
      Leben angewandt werden.                                        war es, dass Lernende der Oberstufe BNE-In-
                                                                     halte in der Mittelstufe unterrichten und dabei
                                                                     von Lehrenden begleitet werden. Bei Themen
Die Teilnehmenden diskutierten darüber, wie                          des globalen Südens sei es zielführend, viel-
es gelingen kann, die Ansätze von Prof. Reich                        fältige Akteure auf Augenhöhe einzubinden.
im Alltag, auch in der Pandemie, umzuset-                            Schließlich sei der gute Umgang mit Komple-
zen. Eine zentrale Herausforderung sei die                           xität (Scheunpflug) gerade in der Vorbereitung
Institutionalisierung der BNE, oft als fachüber-                     auf das wissenschaftliche Arbeiten wichtig.
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