PERS NAL FÜHRUNG - Deutsche Gesellschaft für ...

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PERS NAL FÜHRUNG - Deutsche Gesellschaft für ...
PERS NAL
FÜHRUNG
                                                DAS FACHMAGAZIN FÜR
                                           PERSONALVERANTWORTLICHE
                                               AUSGABE 9.2016 / € 9,80
                                                         www.dgfp.de

     „Von
 Anfang an
  dabei sein“
Joachim Deppe über
  die strategische
 Rolle von HR

Interkulturalität als Modell der Zukunft

Themenschwerpunkt
Diverse Belegschaften und
Fachkräftesicherung
PERS NAL FÜHRUNG - Deutsche Gesellschaft für ...
EDITORIAL       1

                  Diverse Belegschaften und
                  Fachkräftesicherung
Kein Unternehmen kommt an Megatrends wie der globalen                                      lich brauchten Unternehmen „für morgen“
Migration vorbei. Deren Chancen und Risiken zu antizipie-                                  Fach- und Führungskräfte aller Nationalitä-
ren, wird vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels über-                                  ten, um die Absatzmärkte zu verstehen und
lebensnotwendig. Diversity ist dabei gleichermaßen Treiber                                 um Innovation zu beschleunigen (S. 34).
des gesellschaftlichen Wandels wie auch eine Antwort auf die
Herausforderungen der Arbeitswelt von morgen. Auf betrieb-                                  Joachim Deppe kennt die praktische und
licher Ebene muss ein konsequentes Diversity Management                                     die theoretische Seite von HR: Als Personal­
gerade auch die Situation der Flüchtlinge in den Fokus rücken,                              leiter von Hydro Aluminium Rolled Products
fordern Jutta Rump und Silke Eilers (S. 16).                                                ist er verantwortlich unter anderem für die
                                                                    KATHARINA HEUER ▶       deutschen    Mitarbeiter des norwegischen
Mit der Diversität der Belegschaften wachsen die Ansprüche an DGFP-Geschäftsführerin        Konzerns, als Honorarprofessor unterrichtet
die Integrationsfähigkeit der Unternehmen. Der Personalbereich und Herausgeberin der        er die BWL-Studenten der Technischen
                                                                    PERSONALFÜHRUNG
muss lernen, aus einer Vielzahl von kulturellen, sozialen und in-                           Hochschule Köln. Im Herausgeber-Inter-
dividuellen Dispositionen Talente zu gewinnen – und langfristig zu view spricht Deppe über die strategische Bedeutung von HR im
binden. Professionelles Integrationsmanagement wird so zu einem Unternehmen, über die Besonderheiten einer skandinavisch ge-
zentralen Baustein der Fachkräftesicherung. Die Hochschule der prägten Konzernkultur und über Win-win-Chancen in der Zu-
Wirtschaft für Management (HdWM) in Mannheim hat diesen Be- sammenarbeit zwischen Praxis und Lehre (S. 46).
darf frühzeitig erkannt und eine Qualifizierungslinie „Integrations-
management“ aufgebaut, so HdWM-Präsident Michael Nagy (S. 22). Das Internet verbindet nicht nur Menschen, sondern zunehmend
                                                                       auch Menschen mit Maschinen sowie Maschinen untereinander.
Die meisten Konzerne verfügen über ausreichende personelle und Für das Personalmanagement folgt daraus, dass die Steuerungs-
finanzielle Ressourcen, um ambitionierte Personalkonzepte umzu- und Problemlösungskompetenzen der Mitarbeiter und Führungs-
setzen – auch im Diversity Management. Das heißt aber nicht, dass kräfte gestärkt werden müssen. Dies kann nur gelingen, wenn alle
Mittelständler in dieser Hinsicht automatisch eine Liga tiefer spie- Beteiligten den Mut zur Veränderung aufbringen, sagen Markus
len. Der Outdoor-Ausrüster Vaude befasst sich intensiv mit den Dahm und Eva Walther (S. 52).
Themen Familien- und Frauenförderung, Altersdiversität, Inklu-
sion von Menschen mit Behinderung und Flüchtlingsintegration. Die Mehrheitsverhältnisse in Sachen mobiles Arbeiten haben sich
Personalleiterin Miriam Schilling macht im Gespräch mit Chris- umgekehrt: Schon mehr als die Hälfte der Beschäftigten arbeitet
toph Stehr klar, dass innovative Personalarbeit nicht immer kenn- heute mobil, während rein stationäre Arbeitsplätze langsam von
zahlengetrieben sein muss – und dass es auch so etwas wie „Karriere­ der Bildfläche verschwinden. Das hat Vor- und Nachteile – für
diversität“ gibt (S. 28).                                              Arbeitgeber und Beschäftigte, schreiben Jochen Prümper, Mat-
                                                                       thias Becker und Stefanie Hornung (S. 60).
Für DHL Express arbeiten 90 000 Menschen in 220 Ländern. Seit
vielen Jahren spielt Diversity in den Strategien des Unternehmens Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und bedanke mich ganz
eine wichtige Rolle – wie auch beim Mutterkonzern Deutsche Post herzlich bei allen, die an der aktuellen Ausgabe mitgewirkt haben. • ●
DHL Group. Regine Büttner, HR-Chefin von DHL Express, sieht
Diversity als DNA der Organisation und als riesige Chance. Gera-
de HR sollte hier die Vorreiterrolle übernehmen, so Büttner. Schließ-

PERSONALFÜHRUNG 9/2016
PERS NAL FÜHRUNG - Deutsche Gesellschaft für ...
2   INHALT AUSGABE 9/2016

                      16  Vorfahrt für Interkulturalität Die globale Migration ist ein
                      Trend, dem sich Unternehmen nicht verschließen können.
                                                                     Diversity Manage-
                                                                     ment sollte des-
                                                                     halb gerade die
                                                                     Situation von
                                                                     Flüchtlingen in
                                                                     den Fokus rücken.
                                                                     Eine neue Studie
                                                                                          22 Hohe Schule der Integration Je vielfältiger
                                                                                          die Belegschaften werden, desto mehr muss
                                                                     des Instituts für    sich das Personalmanagement bemühen, aus
                                                                     Beschäftigung        einer Vielzahl von kulturellen, sozialen und indi-
                                                                     und Employability    viduellen Dispositionen Talente zu sichten und
                                                                     IBE an der Hoch-     zu binden. Professionelles Integrationsmanage-
                                                                     schule Ludwigs­      ment kann so die Fachkräftesicherung wirkungs­
                                                                     hafen zeigt, wel-    voll unterstützen.
                                                                     che Erfahrungen
                                                                     Unternehmen
                                                                     dabei machen.

    Diverse Belegschaften und Fachkräftesicherung
    Der Schwerpunkt im Überblick
             14
                                           AKTUELLES                                      THEMENSCHWERPUNKT

                                           04 EVIDENZ TO GO                               16 VORTEILE DER INTER­
                                           Wie funktionieren Algorithmen?                 KULTURALITÄT
                                                                                          Jutta Rump / Silke Eilers, Ludwigshafen

                                           06 HR VOR ORT
                                           ElterngeldPlus, HR Innovation Roadshow         22 INTEGRATION MEISTERN
                                                                                          Michael Nagy, Mannheim

                                           08 KURZ GESAGT
                                           DGFP-Ausbildung für Personalentwickler,        28 VIELFALT BEI VAUDE
                                           Neuer kaufmännischer DGFP-Geschäftsfüh-        Christoph Stehr, Hilden
                                           rer, HR Doppelpass, Betriebliches Gesund-
                                           heitsmanagement 3.0
                                                                                          34 DHL EXPRESS GEGEN
                                                                                          INTOLERANZ
                                           10 HR PERSÖNLICH                               Werner Kipp, Berlin
                                           Mark Langer, Melanie Kreis, Stefan Grötecke,
                                           Jakob Leufgens, Angelika Kambeck, Peter
                                           Schmidt, Sybille Reiß                          40 DISKUSSIONSIMPULS DGFP
                                                                                          Katharina Heuer, Frankfurt/M. / Annalena
                                                                                          Bolsinger, Berlin

                                                                                          42 DIVERSE BELEGSCHAFTEN
                                                                                          UND FACHKRÄFTESICHERUNG
                                                                                          Materialien für die Personalarbeit

                                                                                                                PERSONALFÜHRUNG 9/2016
PERS NAL FÜHRUNG - Deutsche Gesellschaft für ...
28 Divers heißt innovativ Der Outdoor-Ausrüster Vaude beweist, dass                                                                                   3
Diversity Management keine Frage großer Budgets ist, sondern sich auch in
mittelständischen Strukturen erfolgreich umsetzen lässt. Im Interview spannt
Personalchefin Miriam Schilling einen Bogen von Familien- und Frauenför-
derung, Altersdiversität, Inklusion bis hin zur Flüchtlingsintegration.
                                                                                                 40 DGFP-Standpunkt: Bewegung durch Druck
                                                                                                 Das Beispiel Frauenförderung zeigt, dass es nicht im-
                                                                                                 mer die Politik sein muss, die Vielfalt in Unternehmen
                                                                                                 erzwingt. Der Druck des Arbeitsmarktes, dem die Fach-
                                                                                                 kräfte ausgehen, sorgt für mehr Geschlechtergerechtig-
                                                                                                 keit – auch ohne Quote. In diesem Sinne sind Lösungen
                                                                                                 auch für andere Diversity-Themen wie die Flüchtlings­
                                                                                                 integration denkbar.

                                 34     „Kein Platz für Intoleranz“ Im Leitbild der
                            Deutsche Post DHL Group ist die Ablehnung jedweder
                              Form von Diskriminierung verankert. Verschiedene
                               Programme sollen das Verständnis der Mitarbeiter
                            für Vielfalt stärken. Ein Gespräch mit Regine Büttner,
                               die das globale und europäische HR-Management
                                                    der Division DHL Express leitet.

HERAUSGEBER-INTERVIEW                               FACHBEITRÄGE                                     SERVICE

 46 „KULTUR KONTINUIERLICH                          52 MENSCH UND MASCHINE                           74   AKTUELLE RECHTSPRECHUNG
 VERBESSERN“                                        Damit Mitarbeiter sich sicher im Internet        70   ARBEITSRECHT
 Der norwegische Norsk-Hydro-Konzern                der Dinge bewegen können, muss das Per-          78   BILDNACHWEISE
 setzt auf die zentralen Werte Zusammen-            sonalmanagement ihre Steuerungs- und             66   BÜCHER
 arbeit, Entschlossenheit, Weitblick, Res-          Moderationskompetenzen stärken.
 pekt und Mut. Was das für den betriebli-           Markus H. Dahm, Hamburg / Eva Walther,
                                                                                                     68 ARBEITSZEIT ANDERS GESTALTEN Ein
 chen Alltag und das Miteinander der Be-            Frankfurt/M.
                                                                                                     kompetenter und sorgsamer Umgang mit
 schäftigten bedeutet, erläutert Joachim
                                                                                                     der Zeit wird zum erfolgskritischen Faktor
 Deppe, Personalchef der deutschen Kon-
 zerngesellschaft Hydro Aluminium Rolled            60 MOBILES ARBEITEN                              für Unternehmen. Sie benötigen nicht nur
                                                    Eine Folge der Digitalisierung ist, dass         innovative Modelle der Arbeitszeitgestal-
 Products, im Gespräch mit DGFP-Ge-
                                                    orts- und zeitunabhängiges Arbeiten er-          tung, sondern müssen auch ihre Kultur ent-
 schäftsführerin Katharina Heuer.
                                                    leichtert wird. Doch sind Unternehmen            sprechend anpassen, sagt Martin Seiler, He-
 Katharina Heuer, Frankfurt/M.
                                                    und ihre Beschäftigten fit für „Mobile           rausgeber des neuen Sammelbands „Wem
                                                    Work“? Eine aktuelle Studie liefert Ant-         gehört die Zeit?“.
                                                    worten.
                                                    Jochen Prümper / Matthias Becker, Berlin /
                                                                                                     01   EDITORIAL
                                                    Stefanie Hornung, Mannheim
                                                                                                     78   INSERENTEN
                                                                                                     76   LOHNSTEUERRECHT
                                                                                                     07   TERMINE
                                                                                                     80   VORSCHAU / IMPRESSUM

PERSONALFÜHRUNG 9/2016
PERS NAL FÜHRUNG - Deutsche Gesellschaft für ...
DISKUSSIONSIMPULS DGFP

                  Diversity:
                Ohne Druck keine Bewegung?
Für mehr Vielfalt in den Unternehmen wird         schrieben. Auch für Vorstände gelten neue Quotenregelungen.
seit Jahren getrommelt: kaum ein Unterneh‑        Bei näherer Betrachtung ist der vonseiten der Politik aufgebau‑
men, das sich das Thema nicht auf die Fah‑        te Druck jedoch gering. Unternehmen können sich die Quote
nen geschrieben hätte, kaum ein Unterneh‑         im Fall der Vorstände selber setzen, bei Nichterreichen drohen
men, das nicht die Vorteile einer diversen Be‑    keinerlei Konsequenzen. Insgesamt ist die deutsche Wirtschaft
legschaft für sich beschreiben würde. Der Fo‑     an dieser Stelle noch einmal mit einem „blauen Regulierungsau‑
kus des Diversity Management liegt häufig         ge“ davongekommen.
auf der Förderung von Frauen. Auch wenn es
hier noch viel Luft nach oben gibt, steigt die    DIE MITARBEITER ALS TREIBER
Anzahl der Frauen in Führungspositionen
kontinuierlich an. Betrachtet man weitere Di‑     Also, kein politischer Druck, keine Bewegung? Die Rechnung
versity-Aspekte wie die Integration von Flücht‑   geht nicht ganz auf, denn Druck kommt von anderer Stelle. Ge‑
lingen oder die Inklusion von Menschen mit        rade bei jüngeren Mitarbeitern wächst der Wunsch nach einer
Behinderung, gehen die Dinge jedoch nur           besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dieser Wunsch
sehr langsam voran. Wie lässt sich diese Dis‑     hat jedoch wenig gesellschaftspolitischen, geschweige denn eman‑
krepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit        zipatorischen Charakter. Vielmehr sind es die persönlichen Um‑
erklären? Unterschiedliche Ansichten prägen       stände und Lebensmodelle, die Mitarbeiter dazu veranlassen, ih‑
die Diskussion: Was brauchen wir, damit Viel‑     ren Arbeitgebern entsprechend mehr abzuverlangen. Diese wie‑
fältigkeit in den Unternehmen zur Selbstver‑      derum zeigen sich im Rennen um die besten Köpfe verhand‑
ständlichkeit wird? Zwei Beispiele.               lungsbereit. Die Konsequenz ist eine Flexibilisierung der Arbeits‑
                                                  welt, die vor allem Frauen zugutekommt beziehungsweise zugu‑
DIE POLITIK IN DER PFLICHT                        tekommen wird. Arbeitgeber, Personaler und Betriebsräte
                                                  diskutieren aktuell vermehrt über die Frage, wie sie flexible Ar‑
Die Suche nach der Antwort auf diese Frage        beitszeitsysteme einführen, Teilzeitmodelle aufsetzen und die
führt unweigerlich zur Debatte, welchen Ein‑      Mütter (wie Väter) durch ein intelligentes Elternzeitmanagement
fluss die Politik hier geltend machen sollte.     zurück an den Arbeitsplatz bringen können. Im Ringen um eine
Muss die Politik Unternehmen stärker in die       familiengerechte Personalpolitik besteht die berechtigte Hoff‑
Pflicht nehmen? Das Beispiel Frauenquote:         nung, dass sich so eine Arbeitswelt entwickelt, die die struktu‑
Die Forderung nach einer Frauenquote stand        rellen Probleme für Geschlech­tergerechtigkeit zumindest in Tei‑
schon lange vor deren Einführung im Raum.         len beseitigt: Präsenzkultur, Karrierekiller Auszeiten und die
Befürworter sind der Meinung, dass politi‑        Nichtvereinbarkeit von Familie und Karriere. Praktisch durch
scher Druck notwendig ist, um mehr Frauen         die Hintertür steigen die Chancen für den Aufstieg von Frauen.
in die Führungsetagen der Unternehmen ein‑        Die Rechnung scheint aufzugehen: Die Zahl der weiblichen Füh‑
ziehen zu lassen. Gegner beharren darauf, dass    rungskräfte steigt – auch in Unternehmen, die nicht von der ge‑
eine Quote falsche Auswahlkriterien für Neu‑      setzlichen Quote betroffen sind.
besetzungen erzeuge und ein Eingriff in die
unternehmerische Freiheit sei.                    VERÄNDERUNGEN BRAUCHEN ZEIT UND GEDULD –
                                                  UND INSBESONDERE AUSDAUER
Mit der gesetzlich festgeschriebenen Geschlech‑
terquote hat die Große Koalition zwar nun         Wenig politischen wie auch gesellschaftlichen Druck verspüren
erstmals verbindliche Zahlen für Aufsichtsrä‑     die Unternehmen bei der Integration von Flüchtlingen. Kurz vor
te vollmitbestimmter Unternehmen festge‑          der Sommerpause sorgte eine in der FAZ zusammengefasste Stu‑

                                                                                              PERSONALFÜHRUNG 9/2016
PERS NAL FÜHRUNG - Deutsche Gesellschaft für ...
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die zum Stand der Integration geflüchteter Menschen in den deut‑            der Unternehmen spürbar. Initiativen zur Arbeitsmarktintegrati‑
schen Arbeitsmarkt, genauer gesagt in deutsche DAX-Unterneh‑                on von Flüchtlingen haben einen stetigen Zuwachs. Entgegen der
                                                                                              Erwartungen, die der FAZ-Bericht von An‑
                                                                                              fang Juli erzeugt, vermelden diese Initiativen
                                                                                              eine steigende Anzahl von Praktikums- und
                                                                                              Ausbildungsplätzen, aber auch Festanstellun‑
                                                                                              gen von Flüchtlingen.

                                                                                               Erfahrungsberichte von Unternehmen zeigen
                                                                                               jedoch, dass es einige Hürden gibt, die über‑
                                                                                               wunden werden müssen. Dies fängt bei der
                                                                                               Einstellung von Flüchtlingen mit Fragen nach
                                                                                               Aufenthaltstitel und arbeitsrechtlichen Aspek‑
                                                                                               ten an, geht über kulturelle Hürden bei der
                                                                                               Integrationsarbeit weiter und mündet häufig
                                                                                               im Problem der mangelnden Sprachkompe‑
                                                                                               tenzen. Die Unternehmen befinden sich hier
                                                                                               in einem Lernprozess, der sicherlich erst be‑
                                                                                               gonnen hat.

                                                                                               DAS PRINZIP DAMPFMASCHINE:
                                                                                               DRUCK SORGT FÜR BEWEGUNG!

                                                                                              Es ist wie so häufig im Leben: Die Dinge kom‑
                                                                                              men in Bewegung, wenn der Druck steigt.
                                                                                              Dass dieser nicht zwangsläufig vonseiten der
                                                                                              Politik kommen muss, zeigt das Beispiel Frau‑
Wenn alle Beteiligten ihre Kräfte bündeln, lässt sich das Thema Diversity                     enförderung. Der Druck in Sachen Geschlech‑
erfolgreich auf die große Bühne der Unternehmensstrategie ziehen.
                                                                                              tergerechtigkeit ist der Wunsch vieler Arbeit‑
                                                                                              nehmer nach familienfreundlicheren Arbeits‑
men, für Aufmerksamkeit. Lediglich ein paar Dutzend Flücht‑                 zeitmodellen in Kombination mit einem zunehmenden Arbeit‑
linge hätten in den letzten Monaten trotz anderslautender An‑               nehmermarkt. Dies bringt die Dinge schneller in Bewegung als
kündigungen aus dem Herbst vergangenen Jahres einen Arbeits‑                alle Förderprogramme für Frauen zusammen.
platz bei den 30 Großen gefunden. Muss die Politik auch hier
den Druck auf die Unternehmen erhöhen?                                      Ob es ähnliche Entwicklungen in Sachen Flüchtlingsintegration
                                                                            geben wird, bleibt abzuwarten. Die Unternehmen – und auch die
Das Beispiel Flüchtlingsintegration zeigt, dass es Zeit und vor al‑         Gesellschaft – stehen hier noch ganz am Anfang. Bevor hier richtig
lem Geduld braucht, um Veränderungen in Gang zu setzen. Vie‑                Fahrt aufgenommen werden kann, braucht es Zeit für den Lernpro­
le Unternehmen haben bisher keinerlei Erfahrungen gemacht mit               zess. Andernfalls sorgt Druck nur für kurzfristige Bewegungen. •
der Einstellung von Menschen, die teilweise über nur geringe
Sprachkenntnisse und keine dokumentierten oder nachweisbaren                             Katharina Heuer, Geschäftsführerin der DGFP e.V.
Fachkompetenzen verfügen. Dennoch ist eine langsame Öffnung                    Annalena Bolsinger, Referentin Hauptstadtbüro der DGFP e.V.

PERSONALFÜHRUNG 9/2016
PERS NAL FÜHRUNG - Deutsche Gesellschaft für ...
42   SCHWERPUNKT D I V E R S E B E L E G S C H A F T E N U N D F A C H K R Ä F T E S I C H E R U N G

     Diverse Belegschaften und Fachkräftesicherung

     GEFLÜCHTETE MEN­                                                                    SPRACHBARRIEREN UND BÜROKRATIE sind die
     SCHEN bringen oft eine                                                              größten Stolpersteine auf dem Weg der Flüchtlinge in
     überdurchschnittliche                                                               den deutschen Arbeitsmarkt, wie die Deloitte-Studie „Glo‑
     Motivation, Eigeninitia­                                                            bal Human Capital Trends 2016“ zeigt. Danach vermis‑
     tive sowie eine hohe Lern-                                                          sen HR-Abteilungen auf Bewerberseite vor allem ausrei‑
     und Leistungsbereitschaft                                                           chende Sprachkenntnisse (69 %). Als weiteres Hindernis
     mit, betont die Bundes‑                                                             werden kulturelle Unterschiede genannt (40 %). 18 Pro‑
     agentur für Arbeit in ih‑                                                           zent der Befragten sehen Nachholbedarf beim Führungs‑
     rer Broschüre „Potenzi‑                                                             verständnis. Auch die Anerkennung von Bildungsab‑
     ale nutzen – geflüchte‑                                                             schlüssen bereitet Probleme (41 %). 47 Prozent der Un‑
     te Menschen beschäfti‑                                                              ternehmen sind noch nicht mit den gesetzlichen und re‑
     gen“, die als kostenloser                                                           gulatorischen Anforderungen zur Migrantenintegration
     Download erhältlich ist                                                             vertraut. Nur ein Viertel fühlt sich in diesem Punkt ei‑
     (www.arbeitsagentur.de                                                              nigermaßen sicher. Die Studie macht aber auch deutlich,
        Suchfunktion). Arbeit­                                                           dass HR-Abteilungen trotz aller Schwierigkeiten bestrebt
     geber erfahren, welche                                                              sind, Talente aus vielfältigen Hintergrün­den anzuwerben
     rechtlichen Rahmenbe‑                                                               und zu binden. „Für eine gelungene Flüchtlingsintegra‑
     dingungen für die drei Fokusgruppen Asylbewerber, anerkann‑                         tion müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter sowohl kul‑
     te Flüchtlinge und Geduldete gelten. Zentrale Themen sind Be‑                       turell sensibilisieren als auch juristisch schulen. Dabei
     rufsausbildung, Praktikum, Maßnahmen zur Aktivierung und                            spielt unter anderem die Entwicklung von Führungskräf‑
     beruflichen Eingliederung, Kandidatensuche und Unterstüt‑                           ten eine wichtige Rolle“, sagt Udo Bohdal-Spiegelhoff,
     zungsmöglichkeiten durch die Bundesagentur. Die Broschüre                           Partner Human Capital Advisory Services bei Deloitte.
     versteht sich als kompakte Erstinformation und dient als Brücke                     Die Studie steht zum kostenlosen Download bereit (www.
     zu weiteren Informationsangeboten. •                                                deloitte.de Suchfunktion). • ●

            ALLE ALTERSKLASSEN IM BLICK                                                                nis? Die Erfahrungen von Personalverant‑
            müssen Unternehmen haben, wenn sie                                                         wortlichen und Wissenschaftlern machen
            ihren Fachkräftebedarf langfristig decken                                                  den schmalen Band zu einer Fundgrube für
            wollen. Dies empfehlen die Organisato‑                                                     die Praxis. Es zeigt sich, dass die Förderung
            ren und Teilnehmer eines Arbeitskrei‑                                                      altersgemischter Teams mehr leistet als nur
            ses, den die DGFP e.V. und Das Demo‑                                                       einen Beitrag zur Sicherung der personellen
            graphie Netzwerk e.V. zu den Heraus‑                                                       Ressourcen: Unternehmen verbessern ihr
            forderungen des demografischen Wan‑                                                        Image und werden als Arbeitgeber attrakti­
            dels gegründet haben. Die Ergebnisse                                                       ver; die Entwicklung altersgruppenspezifi‑
            der Arbeitstreffen schlagen sich im Praxis­                                                scher Produkte und Leistungen eröffnet
            papier „Altersgemischte Teams managen“                                                     neue Marktchancen; Erfahrungswissen bleibt
            nieder. Wie organisieren sich altersge‑                                                    länger in der Organisation erhalten. In die‑
            mischte Teams? Unter welchen Bedingun­                                                     sem Sinne ist der demografische Wandel
            gen können sie erfolgreich wirken? Was                                                     kein Schreckgespenst mehr, sondern ein
            folgt daraus für das Führungsverständ‑                                                     Anstoß zu Innovation und Flexibilität. •

                                                                                                                            PERSONALFÜHRUNG 9/2016
PERS NAL FÜHRUNG - Deutsche Gesellschaft für ...
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kompakt Materialien für die Personalarbeit

 ERFOLGREICHE TALENT-MANAGEMENT-STRATEGIEN ver‑                           DIE ROLLE VON DIVERSITY MANAGEMENT in Unter‑
 langen Unternehmen die Fähigkeit ab, Mitarbeiter unabhängig von          nehmen hat sich spürbar weiterentwickelt. Ursprüngliches
 Geschlecht, Alter oder Herkunft zu gewinnen und zu binden. Dies          Ziel war es, Chancengleichheit am Arbeitsmarkt zu ermögli‑
 betont die Beratungsgesellschaft Mercer, die für ihre weltweite „2016    chen. Da Vielfalt inzwischen aber
 Global Talent Trends Study“ mehr als 1 730 Personalverantwort‑           als wertvolle Ressource verstan‑
 liche sowie mehr als 4 500 Mitarbeiter aller Branchen in 17 Ländern      den wird, gilt Diversity Manage‑
 befragt hat . Zwar gaben durchschnittlich 73 Prozent der Unterneh­       ment heute auch als ein Instru‑
 men an, heterogene Führungskräfte-Teams zu fördern, aber ledig‑          ment zur Produktivitätssteigerung.
 lich 54 Prozent der Arbeitnehmer bestätigten, dass ihre Arbeitge‑        Diese historische Linie in der Ma­
 ber entsprechende Programme etabliert hatten. Deutsche Arbeitneh­        nagementtheorie zeichnet der
 mer bezeichneten Autonomie und flexible Arbeitszeiten als beson‑         IAB-Forschungsbericht „Diversi‑
 ders wichtige Faktoren für Arbeitsplatzzufriedenheit. Knapp zwei         ty Management und soziale Schlie‑
 Drittel der Befragten fanden, dass eine flexible Arbeitsgestaltung sie   ßung in Betrieben in Deutsch‑
 in ihrer Produktivität unterstütze (weltweit: 52 %). Arbeitgeber in      land“ nach. Auf Basis von Exper­
 Deutschland scheinen dabei besonders fortschrittlich zu sein: 73 Pro‑    teninterviews wird der Frage nachgegangen, wie und warum
 zent der deutschen Arbeitnehmer sagten, dass sie flexible Arbeits‑       Unternehmen Diversity Management praktizieren. Den the‑
 zeitmodelle nutzen könnten – weltweit waren es 56 Prozent. „Um           oretischen Hintergrund bildet der Zusammenhang zwischen
 Talentloyalität und ‑engagement nicht zu riskieren, sollten Arbeit‑      Diversität und sozialer Schließung im Betrieb. Der Autor
 geber sicht- und erlebbare Entwicklungsmöglichkeiten anbieten,           Jörg Szameitat beschreibt verschiedene Typen von Betrieben,
 ordentlich vergüten und an der Managementqualität arbeiten“, sagt        die sich hinsichtlich ihrer Haltung gegenüber Diversity Ma‑
 Dieter Kern, Partner und verantwortlich für die HR-Management-           nagement, ihres Umgangs mit sozialer Vielfalt sowie ihres
 und Organisationsberatung bei Mercer in Central Europe. „Wer             Grades an sozialer Schließung unterscheiden. Das IAB bietet
 heute nichts tut, schaut morgen wahrscheinlich seinen besten Mit‑        einen kostenlosen Download der Studie an (www.iab.de
 arbeitern hinterher.“ (www.mercer.com) •                                 Publikationen IAB-Forschungsbericht). •●
                                                                                                                               Anzeige

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      fidelisHR GmbH                                                          europäische und deutsche HR-Spezialisten unter einem
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      1/3 Seite quer
                                                                              Das bedeutet für Sie: ein noch breiteres Leistungsportfolio,

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 PERSONALFÜHRUNG 9/2016
PERS NAL FÜHRUNG - Deutsche Gesellschaft für ...
44   SCHWERPUNKT D I V E R S E B E L E G S C H A F T E N U N D F A C H K R Ä F T E S I C H E R U N G

         DIE CHARTA DER VIELFALT, eine Unternehmensinitiati‑            zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie ein Diver‑
         ve zur Förderung von Vielfalt in Unternehmen und Institutio­   sity Management als Unternehmensfunktion fest verankert
         nen, feiert in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. Mittler‑ haben. Lanxess koordiniert im Rahmen der Vorstandsinitia‑
         weile haben mehr als 2 250 Unternehmen und öffentliche         tive „Diversity & Inclusion“ weltweit 30 Projekte. Beispiele
         Einrichtungen die Charta unterzeichnet. Auf Basis einer Selbst‑sind die Erhöhung des Frauenanteils im mittleren und obe‑
         verpflichtung soll so ein Arbeitsumfeld geschaffen werden,     ren Management auf 20 Prozent bis 2020, das „Senior Trai‑
                                                                                         nee Programm“ für Mitarbeiterinnen und
                                                                                         Mitarbeiter, die nach einer mehrjährigen Fa‑
                                                                                         milienphase in den Beruf zurückkehren, so‑
                                                                                         wie ein Pflegezeit-Konzept für die Betreuung
                                                                                         kranker oder pflegebedürftiger Angehöriger.
                                                                                         OTTO macht gute Erfahrungen mit Diver‑
                                                                                         sity-Konferenzen, Entwicklungsprogrammen
                             www.charta-der-vielfalt.de, www.diversity-konferenz.de      für weibliche Talente, Beschäftigungskonzep­
                                                                                         ten für Ruheständler sowie mit einem syste‑
                                                                                         matischen Diversity-Controlling. Eine „Best-
         das frei von Vorurteilen ist und in dem alle Mitarbeiterinnen Practice-Toolbox“ hilft den Konzerngesellschaften, in Sachen
         und Mitarbeiter Wertschätzung erfahren – unabhängig von Diversity voneinander zu lernen. Die Charta der Vielfalt steht
         Geschlecht, Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion oder weiteren Unternehmen offen, die auch die Netzwerkaktivitä‑
         Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung ten der Initiative – etwa den Deutschen Diversity-Tag – sowie
         und Identität. Exemplarisch seien zwei Unternehmen heraus‑ inhaltliche Dossiers nutzen können. Am 10. / 11. November
         gegriffen: der Spezialchemie-Konzern Lanxess in Köln und 2016 veranstaltet die Charta gemeinsam mit dem „Tagesspie‑
         das E-Commerce-Unternehmen OTTO in Hamburg. Beide gel“ die 5. Diversity-Konferenz. •

                           NICHT NUR KONZERNE, sondern auch klei‑               Der gesamte Grundlagenteil enthält viele konkrete Vorgehens‑
                           ne und mittlere Unternehmen können von               weisen mit praxisbezogenen Einführungsinstrumenten wie Check­
                           einem demografieorientierten Personalma‑             listen, Tools, Planungstabellen, Softwarehinweisen, Workshop-
                           nagement profitieren. Der von Professor Dr.          Konzeptionen. Die Best-Practice-Lösungen wurden im Rahmen
                           Uwe Schirmer, dem Leiter des Stu‑                                                des Demografie Exzellenz Awards
                           diengangs BWL-Personalmanage‑                                                    ausgezeichnet. Das Buch fasst außer­
                           ment / Personaldienstleistung an der                                             dem die Ergebnisse der Studie „De‑
                           Dualen Hochschule Lörrach, heraus‑                                               mografie Exzellenz – Herausforde‑
                           gegebene Sammelband „Demografie                                                  rungen im Personalmanagement“
                           Exzellenz“ vermittelt das dazu erforder­                                         zusammen. •●
                           liche Theorie- und Erfahrungswissen
                           und bietet Best-Practice-Beispiele. In
                           sechs Beiträgen spannen die Autoren
                                                                                                           UWE SCHIRMER (HG.) ▶ Demografie
                           einen Bogen von der demografischen
                                                                                                           Exzellenz. Handlungsmaßnahmen und
                           Entwicklung über Gestaltungshin‑                                                Best Practices zum demografieorien-
                           weise für ein demografieorientiertes                                            tierten Personalmanagement.
                           Personalmanagement bis hin zu prak‑                                             Springer Gabler, 2016, 275 S.,
                           tischem Input aus Unternehmen.                                                  € 39,99 ISBN 978-3-658-11909-6

                                                                                                                            PERSONALFÜHRUNG 9/2016
PERS NAL FÜHRUNG - Deutsche Gesellschaft für ...
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                                                     2016

                                            DIE HR INNOVATION ROADSHOW
          Lernen Sie HR Innovationen aus    IST 2016 DER ORT, AN DEM AM
          erster Hand kennen und testen     MEISTEN ÜBER HR INNOVATION
          Sie diese direkt vor Ort.         GESPROCHEN UND DISKUTIERT WIRD:

          Treten Sie mit innovativen         Nur die HR Innovation Roadshow
          Experten und erfahrenen            liefert diesen tiefen Einblick in HR
          Personalern in einen intensiven    Innovationen und in die HR Startup Szene.
          Austausch.
                                             Nur die HR Innovation Roadshow bringt
          Denken Sie HR neu und lassen       etablierte Unternehmen und HR Startups
          Sie Arbeit 4.0 und New Work        in dieser Dichte und Qualität zusammen.
          Wirklichkeit werden.
                                             Zahlreiche Stationen von Juni bis
                                             November 2016 in ganz Deutschland:
                                             FRANKFURT 20. September
                                             KÖLN 11. Oktober
                                             STUTTGART 25.Oktober
                                             BERLIN 15. November
                                             HANNOVER 24. November
   Veranstalter:                             LEIPZIG (TBA.)
                                             Weitere Informationen und Anmeldung:

                                              www.hr-roadshow.de

PERSONALFÜHRUNG 9/2016
46    HERAUSGEBER-INTERVIEW

     Das Gespräch führte Katharina Heuer Anfang August in Grevenbroich.

                                                                          PERSONALFÜHRUNG 9/2016
47

                             VON        „
                          ANFANG AN
                          DABEI SEIN“

                                  JOACHIM DEPPE,
                                PERSONALLEITER BEI
                             HYDRO ALUMINIUM ROLLED
                                PRODUCTS, ÜBER DIE
                              STRATEGISCHE ROLLE VON
                            HR UND DAS ZUSAMMENSPIEL
                              VON THEORIE UND PRAXIS
                                Joachim Deppe kennt die praktische und
                                     die theoretische Seite von HR:
                             Als Personalleiter von Hydro Aluminium Rolled
                            Products ist er unter anderem verantwortlich für
                              die deutschen Mitarbeiter des norwegischen
                           Konzerns, als Honorarprofessor unterrichtet er die
                          BWL-Studenten der Technischen Hochschule Köln.
                           Im Herausgeber-Interview spricht Deppe über die
                           strategische Bedeutung von HR im Unternehmen,
                              über die Besonderheiten einer skandinavisch
                         geprägten Konzernkultur und über Win-win-Chancen
                          in der Zusammenarbeit zwischen Praxis und Lehre.

PERSONALFÜHRUNG 9/2016
48   HERAUSGEBER-INTERVIEW

                     Herr Deppe, Hydro in Deutschland ist Teil des norwegischen            KONTINUIERLICHE
                     Norsk-Hydro-Konzerns mit Hauptsitz in Oslo. Es gibt eine              VERBESSERUNG VON KULTUR
                     lange Tradition der deutsch-norwegischen Beziehungen.
                         PROF. DR. JOACHIM DEPPE Es gab bereits eine langjährige Ver­           Wir suchen die kontinuierliche Verbes­
                     bindung zwischen der früheren VAW Aluminium und Nor­                  serung aber nicht nur bei unseren Prozes­
                     wegen. 2002 hat Hydro dann VAW von Eon übernommen.                    sen, wir wollen sie auch bei unserer Kultur
                     Hydro in Deutschland ist etwa so groß wie unsere Geschäfts­           und beim Umgang miteinander. Aktuell
                     bereiche in Brasilien und in Norwegen. Wir sind international         lasse ich zum Beispiel unsere Trainees eine
                     in 50 Ländern unterwegs. Derzeit beschäftigt Hydro welt­weit          Untersuchung durchführen, wie effizient
                     13 000 Mitarbeiter weltweit und arbeitet in sämtlichen Schrit­        die Mail-Kommunikation im Unternehmen
                     ten entlang der Aluminium-Wertschöpfungskette, von der                ist und was wir anders machen sollten: Muss
                     Bauxitförderung über die Weiterverarbeitung bis zur Her­stel­         es tatsächlich sein, dass jemand in vielen
                                                                                           Vorgängen in „cc“ gesetzt wird, ohne tat­
                     PROF. DR. JOACHIM DEPPE ist Vice President HR & Or-                   sächlich in ein Projekt involviert zu sein?
                     ganisation der Hydro Aluminium Rolled Products GmbH,
                     Grevenbroich. Neben seiner Tätigkeit im Unternehmen                   Was braucht es nach Ihrer Erfahrung,
                     betreut Joachim Deppe seit vielen Jahren als Lehrbeauf-               damit Veränderung von Kultur erlebbar
                     tragter Studentinnen und Studenten der Fakultät für                   wird?
                     Wirtschaftswissenschaften der Technischen Hochschule                      DEPPE Es braucht vor allem einen lan­
                     Köln; anlässlich seiner Ernennung zum Honorarprofessor                gen Atem. Änderungen in der Unterneh­
                     2009 hat er den Deppe-Preis für Personalmanagement                    menskultur sind ein Langfristprojekt. Nie­
                     gestiftet.
                                                                                           mand verlässt gerne seine Komfortzone.
                                                                                           Und wichtig ist auch, den Mitarbeitern
                     lung von gewalztem Aluminium. Als Personalleiter bin ich zustän­      klarzumachen, dass die Dinge in der Ver­
                     dig für unsere Business Area Rolled Products in Deutschland,          gangenheit nicht falsch gemacht wurden,
                     aber auch für zwei Walzwerke in Norwegen.                             sondern dass das Umfeld und der massive
                                                                                           Wettbewerb Änderungen erfordern. Um
                     Wie unterscheidet sich Führung in einem skandinavisch ge-             das zuzulassen, braucht es gelebtes Vertrau­
                     prägten Konzern von der Führungskultur in anderen Unter-              en. Und das ist etwas, das gerade wir im
                     nehmen?                                                               Management beweisen müssen.
                          DEPPE Unsere Arbeit bei Hydro basiert zunächst einmal auf
                     dem Führungsprinzip des „Hydro Way“ mit den zentralen Wer­            Wie viele andere Konzerne wird Hydro
                     ten Zusammenarbeit, Entschlossenheit, Weitblick, Respekt und          über Business Areas und eine Matrixor-
                     Mut. Durch die skandinavische Prägung sind wir sehr konsens­          ganisation geführt. Das Modell hat viele
                     orientiert und bei Themen wie besserer Vereinbarung von Beruf         Vorteile, aber sicher auch Nachteile.
                     und Familie auf einem guten Weg. Unser Werk Grevenbroich                  DEPPE Wir sind dadurch sehr stark auf
                     ist seit 2012 mit dem Siegel „berufundfamilie“ auditiert und stellt   das Geschäft fokussiert. Für die Arbeitneh­
                     den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seit 2014 Plätze in der         mervertreter liegt die Schwierigkeit darin,
                     Kindergroßtagespflege „Walzwichtel“ zur Verfügung, die gut an­        dass sich die gemeinsamen Gremien vor al­
                     genommen werden. Mit unserem Programm „Renew“ wollen wir              lem an der Legalstruktur orientieren. Wir
                     unsere Kultur weiterentwickeln, noch stärker weg vom klassischen      sind in Deutschland aber mit mehreren Busi­
                     Command & Control-Ansatz im Management hin zu einer ver­              ness Areas vertreten, die sich zum Beispiel
                     trauensbasierten Führung, in der wir Entscheidungen dort tref­        bei der Ausgestaltung ihrer Bonussysteme un­
                     fen lassen, wo der Job tatsächlich gemacht wird. Im Rahmen von        terscheiden. Das führt dann auch schon mal
                     Renew fragen wir in Workshops mit den Mitarbeitern, ob und            zu Friktionen mit den Betriebsräten.
                     wie wir die Dinge anders machen können. Dass zum Beispiel ein
                     gewerblicher Mitarbeiter eine lose Schraube an einer Maschine         Und was bedeutet dies für Ihre Perso-
                     nicht selber festziehen durfte, sondern dafür die Instandsetzung      nalorganisation?
                     rufen musste, war in der Vergangenheit ein Punkt, den wir ver­           DEPPE Die orientiert sich ebenfalls an den
                     ändert haben.                                                         Business Areas. Global HR unter anderem

                                                                                                                PERSONALFÜHRUNG 9/2016
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mit Compensation & Benefits oder Leader­          plomarbeit zum Thema schreiben lassen und                DEPPE Wir setzen ein für unsere Bedürf­
ship sitzt in Norwegen, ebenso wie die Kol­       den Absolvent bei uns eingestellt. Unsere He­        nisse modifiziertes Business-Partner-Modell
legen, die den Euro-Betriebsrat betreuen. Die­    rausforderung dabei war und ist immer noch:          nach Dave Ulrich ein. Die Welt hat sich dra­
ses System findet sich heruntergebrochen in       Wir sind ein Halbzeuglieferant und haben,            matisch verändert, auch HR muss sich ver­
den Business Areas wieder und darunter auch       anders als unsere Kunden zum Beispiel aus            ändern. Für mich die entscheidende Frage
auf der Werksebene. Die Personalleiter dort       der Automobilindustrie, keine Kontakte zum           dabei ist: Wann wird HR in Prozesse und
berichten fachlich an mich. Ich wiederum          Endkunden. Und Aluminium – unser Pro­                Entscheidungen eingebunden? In vielen Un­
berichte an den Chef der Business Area Rolled     dukt – weckt ja zunächst keine Emotionen.            ternehmen muss die Personalabteilung ja das
Products und habe eine fachliche Linie zum        Aber es ist ein fantastisches Material, sehr span­   umsetzen, was vorher bereits von anderen
Personalvorstand nach Oslo.                       nend für Ingenieure. Also haben wir gezielt          entschieden wurde. Das ist bei uns anders.

Der Hydro-Konzern ist ein internationa-
les Unternehmen. Wie divers sind Sie in
der deutschen Organisation?
     DEPPE Wir brauchen mehr Frauen im Un­
ternehmen – auf den Führungspositionen,
aber auch im gewerblichen Bereich. In unse­
ren norwegischen Werken begegnen Sie ganz
selbstverständlich Produktionsmitarbeiterin­
nen oder Staplerfahrerinnen. Für diese Posi­
tionen habe ich hier in Deutschland in 25 Jah­
ren keine einzige Bewerbung von Frauen ge­
sehen. Die Förderung von Frauen ist kein
Selbstzweck. Wir haben es in diesem Jahr ge­
schafft, von den neun Traineestellen für die
kaufmännischen und Ingenieurberufe sechs
mit Frauen zu besetzen. An der Quote ändert
das natürlich nur etwas im Nachkommabe­
reich. Selbst wenn Sie bei Neubesetzungen
eine Quote von 30 Prozent vorgeben, dauert
es lange, bis Sie tatsächlich eine signifikante
Zahl von Frauen ins Unternehmen bringen.
Aber wir sollten Diversity nicht nur auf die      Hydro walzt im Werk Grevenbroich Aluminiumfolie in Autobahngeschwindigkeit bis fünf Mikrometer
                                                  dick; Menschenhaar ist acht- bis zehnmal dicker. Solche Folie hilft mit geringstem Materialeinsatz,
Geschlechterthematik reduzieren. Sie betrifft
                                                  dass Säfte und H-Milch im luftdichten Verbundkarton monatelang frisch bleiben, ohne gekühlt
genauso Alter, Kultur und Kompetenzen.            werden zu müssen.

Sie betreiben bereits seit vielen Jahren          die Hochschulen identifiziert, die für uns ge­       WIE PHÖNIX AUS DER ASCHE
sehr konsequent Employer Branding.                eignete Ingenieure ausbilden. Dort kooperie­
Was sind Ihre Lessons learned?                    ren wir mit den Lehrstühlen und den Studen­              In der Krise von 2008/09 hatten wir
    DEPPE  Allein die Tatsache, dass wir ein      tenvertretungen. Oder wir sind Sponsor beim          einen massiven Umsatzeinbruch von 25 Pro­
Employer Branding haben, differenziert uns        „International Students‘ Day of Metallurgy“.         zent und im Unternehmen die Diskussion,
bereits von vielen anderen mittelständischen      Und wenn wir bei einer Veranstaltung prä­            wie wir damit umgehen sollen. Ich habe mich
Unternehmen. Ich bin ja seit vielen Jahren als    sent sind, treten wir nicht als HR alleine auf,      damals massiv gegen Massenentlassungen ge­
Honorarprofessor an der Fachhochschule Köln       sondern immer mit Ingenieuren. So können             sträubt. Aluminium walzen ist ein Erfah­rungs­
tätig. Und dort habe ich in einer Projektar­      wir im Gespräch mit den Studenten die fach­          beruf. Mitarbeiter brauchen fünf bis sechs
beit die Frage an die Studenten gestellt: Wie     liche Ebene nutzen.                                  Jahre, bis sie das können. Dieses Know-how
kann Employer Branding Hydro nutzen? Die                                                               abzuschneiden, wäre ein Fehler gewesen.
Studenten sind dabei wie eine Beratungsfir­       Derzeit reorganisieren Sie Ihre HR-Orga-             Also haben wir damals mit der IG Metall
ma vorgegangen und haben hervorragende            nisation. Was unterscheidet Ihr Modell               und dem Betriebsrat ein Maßnahmenpaket
Vorschläge geliefert. Dann habe ich eine Di­      vom klassischen Dave-Ulrich-Modell?                  ausgearbeitet – ohne Entlassungen. Wir ha­

PERSONALFÜHRUNG 9/2016
50   HERAUSGEBER-INTERVIEW

     ben Arbeitszeitkonten reduziert, haben be­           DEPPE Genau. Feedback ist aus meiner        SPRACHE ENORM WICHTIG
     fristete Verträge nicht verlängert und Kurzar­   Sicht essenziell, ohne Feedback keine Ver­
     beit eingeführt. Gleiches galt für unsere aus­   besserung. Wir führen mit jedem Mitar­          Sie engagieren sich seit vergangenem
     ländischen Werke. 2009 kam der Markt wie         beiter zwei Gespräche im Jahr. Im ersten        Jahr auch für die Integration von Flücht-
                                                                                                      lingen in die Arbeitswelt. Welche Erfah-
                                                                                                      rungen haben Sie dabei gemacht?

         Deutsche Tochter                                                                                  DEPPE Zunächst einmal haben wir si­
                                                                                                      cher unterschätzt, wie viel Arbeit der Kampf
         mit skandinavischer Mutter                                                                   mit den Windmühlen der Bürokratie macht.
                                                                                                      Mit einem externen Partner haben wir be­
         Hydro ist ein globales Aluminiumunternehmen mit Produktionsstätten sowie Ver-
                                                                                                      gonnen, Menschen auf eine Ausbildung
         triebs- und Handelsaktivitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von
                                                                                                      vorzubereiten. Um die Sicherheit der Ar­
         der Bauxitgewinnung über die Erzeugung von Tonerde und Energie bis zur Her-
                                                                                                      beit bei uns im Unternehmen zu gewähr­
         stellung von Primäraluminium und von Aluminiumwalzprodukten sowie Recycling.
                                                                                                      leisten, ist Sprache enorm wichtig. Wir ha­
         13 000 Beschäftigte sind in über 50 Ländern auf allen Kontinenten tätig, Hauptsitz
                                                                                                      ben also Anfang 2016 mit 15 Flüchtlingen
         ist Norwegen. In Deutschland ist Hydro unter anderem mit seinem Geschäftsbe-
                                                                                                      in einem Sprachkurs begonnen. Und heu­
         reich Rolled Products vertreten. Das Unternehmen betreibt in Deutschland drei
                                                                                                      te sind wir froh und stolz, dass hier am
         Walzwerke sowie eine Aluminiumhütte – in Grevenbroich, Neuss und Hamburg. •
                                                                                                      Standort Grevenbroich der erste Flüchtling
                                                                                                      eine reguläre Ausbildung beginnen kann.
                                                                                                      Ein zweiter konnte dank seines Vorwissens
                                                                                                      eine Stelle im Lagerwesen übernehmen.

                                                                                                      Sie sprachen es bereits an: Neben Ihrer
                                                                                                      Tätigkeit für Hydro sind Sie auch Hono-
                                                                                                      rarprofessor und haben einen eigenen
                                                                                                      Preis initiiert. Was hat Sie dazu motiviert?
                                                                                                           DEPPE Ich habe seit 25 Jahren Lehraufträ­
                                                                                                      ge und bin davon begeistert. Während ich äl­
                                                                                                      ter werde, bleiben meine Studenten Anfang
                                                                                                      20 Jahre alt. Es ist eine großartige Herausfor­
                                                                                                      derung, neue Strömungen, den unterschiedli­
                                                                                                      chen Umgang mit Themen und die Nutzung
                                                                                                      neuer Medien kennenzulernen. 2009 wurde
     Phönix aus der Asche zurück. Hätte ich in        Gespräch im ersten Quartal geht es um die       ich zum Honorarprofessor ernannt. In meinen
     dieser Situ­a­tion nach neuen Mitarbeitern su­   Ziele für Performance und die persönliche       Veranstaltungen bekommen die Studierenden
     chen müssen, die dann auch erst noch hät­        Entwicklung, im zweiten Gespräch gibt es        ein konkretes „Projekt im Personalmanage­
     ten eingear­beitet werden müssen, wäre unse­     Feedback. Jeder einzelne Mitarbeiter ist für    ment“ zur Bearbeitung. Dabei geht es um ver­
     re Hochlaufkurve eine ganz andere gewesen.       seine Entwicklung mitverantwortlich. Bei        schiedene Themen, für die ich im Unterneh­
                                                      unseren Trainings im Walzbereich haben          men keine Ressourcen habe. Beispiele sind ne­
     Wie genau wird Ihr Business-Partner-             wir seit Jahren das Ziel, am Bedürfnis des      ben Employer Branding zum Beispiel auch der
     Modell aussehen?                                 Business ausgerichtete Schulungen zu kon­       Wert von Unternehmersiegeln oder die Nut­
         DEPPE Unser Kompetenzcenter für Deutsch­     zipieren. So haben wir zum Beispiel zur         zung von Social Media. Wenn die Studenten
     land geht im Dezember live. Wir arbeiten mit     Qualitätssteigerung für unseren Vertrieb        das erarbeiten, nutzt dies uns und den Studen­
     vier Feldern: Employee Services, Payroll, Re­    ein dreistufiges Verhandlungstraining ent­      ten. Zudem macht es einen deutlichen Unter­
     cruiting und Performance & Development.          wickelt. Zum besseren Verständnis der Ge­       schied, ob Sie Projektmanagement in der The­
     Die Business Partner sind benannt und wer­       schäftsvorgänge gibt es Business Intelligence   orie lehren oder ob die Studenten selbst durch
     den zurzeit geschult.                            Skills, die wir gemeinsam mit unserem           das Tal der Tränen gehen und zum Beispiel
                                                      Controlling entwickelt haben und die als        auf die termingerechte Zuarbeit durch andere
     Performance & Development ersetzt die            interaktives Spiel die Auswirkungen von Ma­     angewiesen sind. Das Feedback der Studenten
     Personalentwicklung?                             nagemententscheidungen deutlich machen.         bestätigt den Ansatz.

                                                                                                                            PERSONALFÜHRUNG 9/2016
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Haben Sie den Eindruck, dass wir in der            dament und die Offenheit für Verände­         Aufgabe mit einem Spektrum von Arbeits­
HR-Hochschulausbildung gut aufgestellt             rung. Ein Studium sollte die Vorbereitung     sicherheit bis Mitarbeitermotivation. Gera­
sind?                                              sein, sich mit dem Change auch bei HR         de im Bereich Arbeitssicherheit ist der Ein­
     DEPPE Der Bachelor und der Master             auseinandersetzen zu können. Den Dep­         satz von HR unverzichtbar. Denn auch hier
sollten die Ausbildung ja eigentlich erleich­      pe-Preis habe ich gestiftet, weil ich junge   geht es um Leadership. Aber HR braucht
tern. Vor 25 Jahren hatte ich den Eindruck,        Studenten fördern möchte, die in ihrem        auch Bodenständigkeit und erheblichen
dass wir mit der ganzheitlichen Ausbildung         Studium einen Beitrag zum Theorie-Pra­        Pragmatismus. Wer sein Business nicht ver­
gut aufgestellt sind. Heute ist das Angebot        xis-Transfer geleistet haben, zum Beispiel    steht, ist definitiv fehl am Platz. Hier im
der Hochschulen und Fachhochschulen                durch Abschlussarbeiten oder Praxispro­       Unternehmen gibt es diese enge Verbin­
stark diversifiziert und sehr spezialisiert. Ich   jekte.                                        dung zum Business. Wir haben vor kurzem
finde es in der Ausbildung aber wichtig,                                                         eine Investitionsentscheidung in eine neue
dass wir das Gesamtbild von HR vermit­             Ich erlebe es immer wieder, dass wissen-      Produktionsanlage getroffen, in der es um
teln und nicht nur Teilaspekte. Ein HR­            schaftliche Erkenntnisse im HR-Alltag         130 Millionen Euro ging. Für die Qualifi­
ler, der sich auf Personalentwicklung spe­         leider eine eher geringe Rolle spielen.       zierung der Mitarbeiter werden wir natür­
zialisiert, sollte auch wissen, was zum Bei­           DEPPE Ich erwarte von den Studenten       lich intensive Personalentwicklungsmaß­
spiel ein geldwerter Vorteil ist. Früher er­       und auch von meinen Mitarbeitern Neu­         nahmen brauchen. Da ist es für HR wich­
folgte eine Spezialisierung ja erst im Haupt­      gier und die Bereitschaft, sich um Themen     tig, von Anfang an dabei zu sein.
studium. Wir sollten uns wirklich fragen:          zu kümmern. Es ist wichtig, sich fortzubil­
Welche Qualifikationen brauchen wir? Für           den, Fachzeitschriften zu lesen und offen     Vielen Dank für das Gespräch! •
40 Jahre Arbeit und Veränderung im Un­             zu sein für Entwicklungen in der eigenen
ternehmensalltag braucht es ein breites Fun­       Profession. HR ist eine interdisziplinäre
                                                                                                                                      Anzeige

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PERSONALFÜHRUNG 9/2016
66 R E S S O U R C E N F Ü R D I E P E R S O N A L A R B E I T B Ü C H E R

     BUCHTIPPS AUS DER REDAKTION

      FLÄCHENBRAND IM UNTERNEHMEN

      Frustration sowie Rache und Vergeltungsgedanken sind sowohl in der Mensch-
      heitsgeschichte als auch im Lebensalltag tief verwurzelt, auch wenn sie nicht
      immer gleich erkennbar sind. Und auch am Arbeitsplatz können sie unseren
      zwischenmenschlichen Umgang bestimmen, obwohl sie von Unternehmens-
      seite her nur allzu gern verdeckt werden. „Konfliktkultur ist eine gute Sache,
      aber im eigenen Unternehmen nicht nötig, mit solchen Problemen hat man
      nichts zu tun“, so die verbreitete Meinung. Dabei führt Konfliktvermeidung
      paradoxerweise eher zu einer Häufung von Konflikten bis hin zur Eskalation:
      Rache und Vergeltungsgedanken können im schlimmsten Fall einen wahren
      Flächenbrand unter den Mitarbeitern auslösen. Trotzdem gibt es erstaunlich
      wenig Literatur zum Umgang mit Rache am Arbeitsplatz. Philipp Schneider
      stellt juristische und organisationale Aspekte gegenüber und schafft einen
      Überblick, wie Widerständen im Unternehmen aus organisationssoziologi-
      scher Sicht begegnet und vorgebeugt werden kann. Er beschreibt Erschei-
      nungsformen, Ursachen und Maßnahmen gegen Frustration, Rache und Ver-
      geltung aus dem Blickwinkel eines Juristen, Organisationssoziologen und sys-
      temischen Business Coach.

      PHILIPP SCHNEIDER     ▶ Frustration, Rache und Vergeltung am Arbeitsplatz.
      Tectum Verlag, 2016, 143 S., 24,95 € ISBN 978-3-8288-3759-1

                                                                             WENDE IM GLOBALEN SPIEL DER MÄCHTE

                                                                             Der Westen wird nach Meinung der Autoren nicht weiterhin Motor
                                                                             der Weltwirtschaft und des Fortschritts sein. Es sind nicht länger Ein-
                                                                             zelstrukturen, um die es geht, sondern die Zusammenhänge im Welt-
                                                                             geschehen: neue Allianzen und Handelsströme, eine Neuverteilung
                                                                             der Rollen der Länder, die Entstehung einer globalen Mittelklasse,
                                                                             ein radikales Umdenken in der Bildung, eine Welt der Städte. Ob
                                                                             Politik, Wirtschaft, Wissenschaft oder Kultur, der Einfluss der zent-
                                                                             ralen Mächte des Westens, allen voran Europas und der USA, brei-
                                                                             tete sich über Jahrhunderte auf alle Kontinente aus. Die Führungs-
                                                                             rolle wird jedoch aus verschiedenen Richtungen infrage gestellt: durch
                                                                             die Krise der westlichen Demokratie, mangelnde Reformbereitschaft
                                          JOHN NAISBITT / DORIS              sowie den Aufstieg Chinas und der Staaten des globalen Südgürtels.
                                          NAISBITT ▶ Machtwende.
                                                                             Der Ruf nach einem Ende der westlichen Bevormundung und nach
                                          Wie die Länder des Globalen
                                          Südgürtels unsere Welt             Verbesserungen und Reformen wird lauter: China, die treibende Kraft
                                          verändern werden.                  des Aufstiegs, hat sich nicht nur zu einem bedeutenden Akteur der
                                          Goldegg Verlag, 2016, 376 S.,      Weltwirtschaft entwickelt, es ist auch dabei, die USA aus seiner wis-
                                          24,90 € ISBN 978-3-903090-12-5     senschaftlichen Führungsposition zu verdrängen.

                                                                                                                             PERSONALFÜHRUNG 9/2016
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                                                             WIE IM FUSSBALL, SO IM UNTER­
                                                             NEHMEN: DAS GEHEIMNIS EINER
                                                            ­ERFOLGREICHEN MANNSCHAFT

KLIMA FÜR FREIES DENKEN SCHAFFEN                            Auch wenn das Ausscheiden der deutschen Fußballnati-
                                                            onalmannschaft im Halbfinale der EM 2016 gegen Frank-
Führung rockt – wenn es gelingt, die Kreativität der Mit-   reich bei vielen Fans zunächst für Enttäuschung gesorgt
arbeiter und deren Lust am eigenen Wirken zu wecken         hat, gibt es Gründe genug, sich wieder mit dem Thema
und ihnen Freiräume zum Wachsen zu geben. Das Buch          Fußball zu beschäftigen: Den Autoren gelingt es, tragfä-
befasst sich mit den Chancen und Herausforderungen          hige Parallelen zwischen betriebswirtschaftlichen Prozes-
des Leadership im Industriezeitalter 4.0. Der Schwer-       sen und den Abläufen im Profifußball herzustellen, da
punkt des Buchs von Lutz W. Eichler ist die Erschlie-       sie selbst Experten für Wirtschaftspsychologie beziehungs-
ßung des kreativen Potenzials der Mitarbeiter und Teams     weise Führung sind und auch mit Bundesligavereinen zu-
durch exzellente Führung. Führungskräfte müssen ihre        sammenarbeiten. Im vorliegenden Buch werden zunächst
Rolle heute neu definieren und sich klar werden, dass       die einzelnen Spieler und deren Persönlichkeiten betrach-
Führung vor allem von den Geführten abhängig ist. Sie       tet, das Zusammenspiel der Mannschaft, der Trainer als
müssen anders kom-                                          Führungskraft sowie der Verein als gestaltendes Umfeld.
munizieren und mit                                          Komplettiert wird dies von zahlreichen Selbsttests, die
Fehlern umgehen, ih-                                        bei der Übertragung auf den eigenen Unternehmenskon-
ren Mitarbeitern die                                        text helfen. Das Buch ist fachlich ausgesprochen solide
Möglichkeiten geben,                                        und macht großen Spaß beim Lesen. Hinzu kommen die
auch scheinbar verrück-                                     konkreten Handlungsempfehlungen, sodass es jedem Le-
te oder abwegige Din-                                       ser guten Gewissens empfohlen werden kann.
ge zu tun, und damit
ein echtes Klima für                                        Für Sie gelesen von Julia Roth, Portfoliomanagerin Deutsche
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freies Denken und In-
novationen schaffen.
                                                                 RALF LANWEHR,
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                         LUTZ W. EICHLER ▶ Führung
men und Re­geln statt. rockt! Wie Sie bei Ihren Mitarbei-    kräfte und engagierte
Das ist Chance und tern ein Klima für freies Denken                     Mitarbeiter.

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wenn wir es falsch ma- ISBN 978-3-527-50893-8
chen. In seinem Buch
verbindet Lutz W. Eichler seine jahrzehntelange Erfah-
rung als Psychologe, Trainer, Berater und Führungskraft
mit den Anforderungen, die eine sich schnell wandeln-
de Business-Welt unter den Bedingungen des Internets
und der Industrialisierung 4.0 an moderne Führung
stellt – mit Impulsen zum Aufstehen, Anfangen und An-
packen.

PERSONALFÜHRUNG 9/2016
68 R E S S O U R C E N F Ü R D I E P E R S O N A L A R B E I T B Ü C H E R

    AUTORENGESPRÄCH „WEM GEHÖRT DIE ZEIT?“

                    Beginn einer neuen Zeitrechnung
                    Der Tag hat nur 24 Stunden, aber die Komplexität im Privat- und Arbeitsleben nimmt
                    stetig zu, sodass ein kompetenter und sorgsamer Umgang mit der Zeit immer wichtiger,
                    ja auch zum erfolgskritischen Faktor für Unternehmen wird. Herausgeber Martin Seiler
                    hat verschiedene Perspektiven gesammelt, um eine Antwort auf eine für ihn zentrale
                    Frage der Zukunft zu finden: Wem gehört eigentlich die Zeit?

                    Herr Seiler, Ihr Buch beschäftigt sich mit der Zeit, genauer gesagt mit          die Zeiger der Uhr sagen, was die Stunde
                    der Frage, wie künftig das steigende Bedürfnis von Mitarbeitern nach             geschlagen hat, fließt die Zeit nicht mehr,
                    frei verfügbarer Zeit mit dem Druck, dem Unternehmen ausgesetzt sind,            wie sie das zuvor noch in den Sand- und
                    auf immer mehr Zeit der Mitarbeiter angewiesen zu sein, zu vereinbaren           Wasseruhren tat. Seit es die mechanische
                    ist. Welche Lösungsansätze bietet Ihr Buch für dieses Dilemma?                   Uhr gibt, tickt die Zeit und muss es ertra-
                        MARTIN SEILER Es ist quasi die Quadratur des Kreises, und es gibt natür­     gen, in gleich große Teile zerhackt und
                    lich kein One-size-fits-all. Aber das Dilemma ist lösbar. Wir stellen in un-     wie die Wäsche auf einer Leine aufgereiht
                    serem Buch zahlreiche Modelle vor und auch ganz praktische Beispiele aus         zu werden. Und mit der Zeit ticken dann
                    Unternehmen. Die Leitprinzipien einer innovativen Arbeitszeitgestaltung          auch die Menschen, manchmal richtig,
                    sind in einem gesonderten Ka-                                                    manchmal falsch.“ Haben wir heute das
                    pitel sehr greifbar zusammen­                                                    Gefühl für die Zeit verloren?
                    gefasst. Im Übrigen haben wir                                                        SEILER Das Bewusstsein für die Zeit ist
                    die Zeitproblematik auch in                                                      sogar gestiegen, und eben damit fühlen sich
                    einen gesellschaftlichen Kon-                                                    die Menschen zunehmend getrieben. Es
                    text gestellt.                                                                   erfordert eine Menge Eigenverantwortung,
                                                                                                     in der heutigen Gesellschaft sorgsam mit
                    Und damit in ein Wespen-                                                         unserer Zeit umzugehen und sie einzutei-
                    nest gestochen?                                                                  len. Arbeitszeit ist auch Lebenszeit und um-
                        SEILER Die große Reso-                                                       gekehrt.
                    nanz aus den Unternehmen
                    auf unser Buch in sehr kur-                                                      Der Titel Ihres Buchs impliziert es ja schon,
                    zer Zeit zeigt, dass wir in der                                                  das Gezerre um die Zeit, die nun mal be-
                    Tat einen Nerv getroffen ha-                                                     grenzt ist. Martin Spilker von der Bertels-
                    ben. Es werden sicher diverse                                                    mann Stiftung zieht im Buch das Fazit,
                    Workshops folgen.                                                                dass der Begriff der Work-Life-Balance
                                                                                                     nicht nur ausgedient habe – er habe ver-
                    Sie haben namhafte Autorin-                                                      mutlich auch über Jahrzehnte ein falsches
                    nen und Autoren gewinnen                                                         Paradigma suggeriert: Denn er setze Ar-
                    können, unter anderem Professor Karlheinz Geiß-          MARTIN SEILER           beit mit Mühsal, Qual und Unzufrieden-
                    ler, der zum Thema Zeit forscht und die Leser in         (HG.) ▶ Wem gehört      heit gleich, während nach dieser Unter-
                                                                             die Zeit? Innovative
                    unerwarteter, fast philosophischer Weise auf das         Arbeitszeitgestaltung
                                                                                                     scheidung das Privatleben eine Form von
                    Thema einstimmt, indem er von Rhythmus und Takt          in der Praxis.          Glückseligkeit, Lebensfreude und Selbst-
                    spricht. Er beschreibt die Umstellung von Rhythmus       Schäffer Poeschel,      verwirklichung verheiße. Die strikte Tren-
                    auf Takt und die damit einhergehende zunehmen-           2016, 200 S., 39,95 €   nung von Arbeit und Leben sei als Relikt
                    de Trennung der Zeitansage von der Zeiterfahrung         ISBN 978-3-7910-        des Industriezeitalters nicht mehr haltbar,
                                                                             3648-9
                    und vom Zeiterleben. Wörtlich sagt er: „Seitdem                                  meint er. Stehen wir also am Beginn einer

                                                                                                                          PERSONALFÜHRUNG 9/2016
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