Forum Um das Titelbild einzufügen die Datei "Titelbild.pub" aufrufen! Das Wort "Forum" nicht vergessen - St. Marien Braunschweig
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Nr. 78 März - Juni 2021 Pfarrbrief der katholischen Pfarrei St. Marien mit St. Martin und Don Bosco Um das Titelbild einzufügen die forum Datei „Titelbild.pub“ aufrufen! Das Wort „Forum“ nicht vergessen!!! Anreißer Verzicht I Anreißer Ostern II
VORWORT INHALT 3 Vorwort Liebe Leserinnen, liebe Leser, 4 Ein neuer Kreuzweg für St. Marien 8 Verzicht in der österlichen Bußzeit eine NEUE DRUCKAUSGABE DES FORUMS! Die in der letzten Ausgabe angestoßene 12 Verzicht – ein persönlicher Rückblick auf 100 Jahre Umfrage ergab, dass offenbar doch viele auf einen Pfarrbrief in gedruckter Form und 14 Verzicht – und das nicht nur zur Fastenzeit die Art der Kontaktaufnahme und Kommunikation, die er darstellt, nicht verzichten 17 Gottesdienste und Veranstaltungen möchten. 20 Aus der Gemeinde 24 Warum der erzwungene Verzicht auf Kultur so notwendig und „VERZICHT“ ist ausgerechnet das Thema dieser Ausgabe… Das Redaktionsteam hatte bei seinen Überlegungen natürlich vor allem die vor uns zugleich so problematisch ist liegende österliche Bußzeit, die Fastenzeit, im Blick. Jedes Jahr fordert sie uns ja in 28 Worauf verzichten wir und was macht das mit uns? besonderer Weise zum Verzicht, zu einer bewussteren und auch einfacheren Lebens- 32 Müssen wir mehr haben als wir brauchen - oder können wir uns gestaltung auf. keinen Verzicht leisten? 36 Das FORUM soll bleiben – Ergebnis der Umfrage zur Zukunft In diesem Jahr bekommt dieses Thema allerdings ein ganz eigenes Gewicht: Viele sind des Pfarrbriefes durch die Corona-Maßnahmen in vielen Bereichen zu einem Verzicht gezwungen, den 38 Blitzlichter sie sich nicht aussuchen konnten. Der Verzicht auf kulturelle Veranstaltungen, der 40 Kontakt „Verzicht“ auf Schule und KiTa, der Verzicht auf ein schönes Essen in einem gemütli- chen Restaurant – das und vieles mehr sind zurzeit unfreiwillige Verluste. Und sie brin- gen Menschen, die etwa im Bereich Kultur oder Gastronomie tätig sind, an den Rand ihrer Existenzgrundlage oder treiben sie schlimmstenfalls in den Konkurs. Im Pfarrgemeinderat haben wir uns Ende Januar lange und ernsthaft überlegt, ob wir in dieser Situation nicht auch auf die Feier der Gottesdienste verzichten sollten – um das Infektionsrisiko zu vermeiden und auch als Ausdruck der Solidarität. Aber wir haben uns doch dafür entschieden, unter den Auflagen eines strengen und konsequenten Hygie- Impressum nekonzeptes weiterhin Gottesdienste zu feiern. Für Viele ist ein Präsenzgottesdienst doch ein wichtiges Gemeinschaftserlebnis und vor allem auch ein Ort, an dem sie Kraft V.i.S.d.P.: Pfarrer Bernward Mnich tanken können. Redaktion: Stefan Hain, Gisela Noske, Gisela Siebner, Jürgen Thiel, Annegred Thomas, Katharina Weiß, Willfried Weiß So hoffen wir, dass wir – anders als im vergangenen Jahr – auch die Gottesdienste in Design: Bernward Medien der Karwoche und zu Ostern feiern können, wenn auch nach wie vor mit begrenzter Titelbild: „Löwenzahn“ von „katermikesch“ auf pixabay.de Teilnehmerzahl. Druck: Druckhaus Harms Auflage: 3700 Wir wünschen Ihnen, dass Sie trotz aller Einschränkungen und manchem unfreiwilligen Im Internet: st-marien-braunschweig.de Verzicht doch etwas von einer stärkenden und tragenden Osterfreude erfahren. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Ihr Pfarrer Die Redaktion behält sich vor, Beiträge sinngemäß zu kürzen. Die nächste Ausgabe des FORUMs erscheint Ende Juni 2021. Ihre Beiträge und Termine erbitten wir bis zum 15. Mai 2021. 3
GEMEINDE Rainer Mordmüller und Gerd Winner vor den neu verglasten und gerahmten Kreuzwegbildern in St. Marien (Foto: Manfred Zimmermann, Hannover) Ein neuer Kreuzweg für St. Marien Von Pfarrer Bernward Mnich schauten in einen Dialog zu treten. Durch die Reduktion auf wenige Linien Im Februar 2020 – noch vor dem ers- und auch durch die freien Flächen ten Corona-Lockdown – fand in der wird er herausgefordert, sich selbst zu St.-Marien-Kirche eine Vernissage positionieren, seinen eigenen Standort statt, zu der ca. 70 interessierte Gäste einzunehmen. gekommen waren. Es wurden 14 Bil- der eines zeitgenössischen Kreuzwegs Pastor Schmalstieg hatte schon vorab des in Braunschweig geborenen und in zu den Bildern geschrieben: „Rainer Bremen und Paris lebenden Künstlers Mordmüller ist es vortrefflich gelun- Eigentlich sollten die Bilder im Rah- ich möchte Ihnen nur das Zeichen ge- Prof. Rainer G. Mordmüller gezeigt. gen, das farbenprächtige Frühwerk men einer Wanderausstellung bis vor- ben, dass ich mit dem Vorschlag sehr Anwesend waren neben dem Künstler des talentierten Barockmalers Tiepolo aussichtlich Ende April 2020 hier aus- einverstanden bin.“ selbst auch Prof. Gerd Winner, von wie ein fernes in der Luft liegendes gestellt sein. Doch dann kam der erste dem die Kreuzfiguration in der St.- Echo mit federleichten, skizzenartig zu Lockdown und ein weiterer Ausstel- Aus einer Idee wurden konkrete Über- Marien-Kirche stammt und der ein Papier gebrachten Konturen und in lungsort war noch nicht angemeldet. legungen, ein längeres Abwägen und langjähriger Freund und Weggefährte neuer Bildgestaltung einzufangen. Die So blieben die Bilder bei uns. Und es viele Gespräche. Schließlich entschie- von Rainer Mordmüller ist, und der mit dem Kohlestift gekonnte zeichne- blieb und festigte sich der Eindruck: den sich sowohl der Pfarrgemeinderat Künstlerseelsorger des Bistums Hil- rische und farbliche Reduktion der Sie passen in ihrer Schlichtheit und als auch der Kirchenvorstand mit desheim, Pastor Ulrich Schmalstieg. fließenden Formen […] ermöglicht es Unaufdringlichkeit erstaunlich gut in deutlicher Mehrheit dafür, die Kreuz- dem Betrachter, sich in freier Weise den hellen, neu gestalteten Raum der wegbilder von Rainer Mordmüller zu Rainer Mordmüller wurde durch die den einzelnen Figuren anzunähern Kirche. Und es blieb und konkretisier- erwerben. Noch im Dezember wurden Bilder des barocken Malers Giovanni und damit den biblisch geprägten Rol- te sich die Idee: Könnten wir sie nicht diese dann mit neuen Rahmen und Domenico Tiepolo in der Kirche San len von anteilnehmenden, gewalttäti- wirklich auf Dauer für uns überneh- entspiegeltem Glas endgültig in der Polo in Venedig zu diesem Werk inspi- gen oder auch mit agierenden Men- men? Kirche aufgehängt. riert. Seit 2005 hat er – z. T. mit größe- schen wie Simon, der gezwungen wird, ren Unterbrechungen – daran gearbei- das Kreuz mit dem geschwächten Hei- Auch Rainer Mordmüller hörte von Der neue Kreuzweg in der St.-Marien- tet. In einem kurzen Vortrag stellte er land zu tragen.“ diesem Gedanken. Kurz nach Ostern Kirche ist sicher ungewöhnlich. Denn den Anwesenden seine Arbeit vor. schrieb er mir in einem Brief: „Von man sieht keine „Momentaufnahmen“ Die Besucherinnen und Besucher be- Gerd [Winner] habe ich gehört, dass des mit den einzelnen Kreuzwegstati- Die skizzenartigen Zeichnungen sind trachteten die Bilder mit großem Inte- Sie weiterhin daran denken, den onen fokussierten Geschehens auf keine eigentlichen Abbildungen bzw. resse und schon am Abend der Vernis- Kreuzweg für die St. Marien Kirche zu dem Leidensweg Jesu. Die Bilder sind bildlichen Darstellungen der Kreuz- sage konnte man erste Stimmen hö- bewahren. Damit wäre auch ich sehr eine Herausforderung – im guten Sinn. wegstationen. Sie stellen vielmehr in ren: „Können wir den (Kreuzweg) hier glücklich, denn mir scheint, die Bilder Sie fordern heraus, sich durch den ihrer besonderen Art eine Einladung nicht behalten?“ sind wie für die Kirche gemacht. Im kraftvollen Ausdruck weniger Linien, an den Betrachter dar, mit dem Ge- Moment ist zwar alles still gelegt, aber die das Sehen und die Wahrnehmung 4 5
»Durch die Reduktion auf wenige Linien und auch durch die freien Flächen wird man herausgefordert, sich selbst zu positionieren, einen eigenen Standort einzunehmen« Meine Kehle ist trocken wie eine der Prophet Jesaja über den leidenden Scherbe, die Zunge klebt mir am Gau- Gottesknecht gesagt hat: men, du legst mich in den Staub des Todes. (Ps 22, 2. 7. 15–16) „Er hat unsere Krankheiten getragen und unsere Schmerzen auf sich gela- Diesen Psalm hat Jesus möglicher- den.“ (Jes 52, 4) weise selber am Kreuz gebetet. Je- denfalls erzählen sowohl Markus als Der neue Kreuzweg in der St.-Marien- auch Matthäus in ihrer Leidensge- Kirche will uns in seiner besonderen schichte, dass Jesus unmittelbar vor Art immer wieder daran erinnern, seinem Tod die ersten Worte dieses dass wir auf einen Gott vertrauen dür- Psalms laut ausruft: „Mein Gott, mein fen, der sich in Jesus Christus auf die Gott, warum hast du mich verlassen?“ Seite der Leidenden stellt. Alle Evangelien wollen mit der Passi- Vielleicht ist es irgendwie auch be- 7. Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz on, der Leidensgeschichte Jesu, deut- zeichnend, dass dieser Kreuzweg aus- nicht gleich festlegen, zur eigenen Ein Kreuz ist gar nicht zu sehen. Und lich machen: Jesus ist der, der selber gerechnet im Jahr 2020 zu uns kam. Betrachtung und Meditation bewegen doch ahnt man, dass eine schier uner- das Leid der Menschen, ihre Schmer- Die Corona-Pandemie hat so viele Sor- zu lassen. So können sie sicher auch trägliche Last die Gestalt zu Boden zen, ihre Ängste und ihre Verzweiflung gen und Ängste und auch so viel Leid zur gemeinsamen betenden Betrach- drückt. Eine Gestalt, die eigenartig getragen hat. Er ist unter dieser Last mit sich gebracht und fordert uns in tung des Kreuzwegs in den Andachten gestaltlos – formlos ist. Ohne erkenn- zusammengebrochen. Aber er ist wie- allen Bereichen unseres Lebens – der österlichen Bußzeit dienen. bare individuelle Gesichtszüge. Wie der aufgestanden und den Weg bis auch in unserem Glauben – nach wie aufgelöst … zum Ende gegangen, bis zum Kreuz. vor heraus. Eine der Kreuzwegstationen möchte ich Ihnen exemplarisch vorstellen: Ich werde erinnert an Verse aus dem Das ist die unerhörte aber auch tröst- Mögen die neuen Kreuzwegbilder 7. Jesus fällt zum zweiten Mal unter Psalm 22: liche Botschaft unseres Glaubens: Je- Wegweiser für unseren Glauben sein, dem Kreuz. sus steht auf der Seite der Leidenden. die uns hinführen zu dem, der durch Mein Gott, mein Gott, warum hast du Sein Mitleid ist unendlich mehr als ein seine unbegreifliche Liebe letztlich Nur ganz wenige Linien. Und doch ist mich verlassen, bist fern meinem Gefühl der Betroffenheit aus der Dis- Leid und Tod überwunden und uns die eine Gestalt erkennbar, die zu Boden Schreien, den Worten meiner Klage? tanz. Sein Mitleid ist Mit-leiden. Dar- Hoffnung auf die Auferstehung ge- gestürzt ist. Mit den Knien und viel- Ich aber bin ein Wurm und kein um treffen auf ihn die Worte zu, die schenkt hat. leicht sogar mit dem Gesicht schmerz- Mensch, der Leute Spott, vom Volk haft aufgeschlagen. Die nach vorn ge- verachtet. In eigener Sache streckten Arme haben den Sturz wohl Ich bin hingeschüttet wie Wasser, ge- Die Neugestaltung des Innenraumes der St.-Marien-Kirche ist in großartiger Weise durch nicht abfangen können. Zu groß die löst haben sich all meine Glieder. viele Spenden aus der Gemeinde unterstützt worden. Wenn Sie auch zum Erwerb des neuen Erschöpfung und die Schwäche. Mein Herz ist in meinem Leib wie Kreuzweges einen finanziellen Beitrag leisten möchten, wären wir Ihnen sehr dankbar. Wachs zerflossen. Spenden können Sie überweisen auf das Konto der Katholischen Pfarrgemeinde St. Marien bei der Nord/LB : IBAN: DE38 2505 0000 0002 5526 44 6 Verwendungszweck: Neuer Kreuzweg 7
VERZICHT OSTERN Verzicht in der österlichen Bußzeit Von Pfarrer Bernward Mnich Es ging sehr einfach – und es ging Mittlerweile haben wir auch in unserer ser Speisen bei der Segnung in der sehr gut. Ich erinnere mich noch an Pfarrei St. Marien in den vergangen Kirche gibt eine Vorahnung auf den Vor Jahren, als Pfarrer in Goslar, kam meine große Überraschung als am Jahren die Osterspeisensegnung am Geschmack und den Genuss, den man ich zum ersten Mal mit dem schönen Vormittag des Karsamstags weit über Karsamstag angeboten. Und dieses dann am Ostermorgen wieder erleben Brauch der Osterspeisensegnung in 100 Personen in der Kirche waren, Angebot wird immer wieder gern an- kann. Berührung. Diese alte Tradition hatte darunter viele Familien mit Kindern. genommen. ich noch nicht gekannt. Dann fragte Über die ganze Breite der Altarstufen Verzicht hilft, achtsamer zu genießen mich ein Mann aus der Gemeinde, der standen liebevoll geschmückte Körb- Nun ist es mit solchen Bräuchen aller- aus Schlesien stammte, ob wir vor chen mit den Speisen für das Oster- dings manchmal so, dass sie zwar als Auf seine Weise zeigt auch dieser Ostern nicht eine solche Segnung an- frühstück. Und statt nach Kerzen oder Tradition aufrecht erhalten werden, Brauch, dass ein zeitweiser Verzicht bieten könnten. Spontan habe ich da- Weihrauch duftete es verführerisch dass aber der eigentliche Zusammen- auf bestimmt Speisen oder Genuss- mals geantwortet: „Wenn Sie mir sa- nach kräftig geräuchertem Schinken hang, aus dem sie stammen, und da- mittel eine Übung sein kann die dazu gen, wie das geht, mache ich das und Krakauern … mit ihre ursprüngliche Bedeutung hilft, diese dann wieder bewusster, gern.“ nicht mehr bewusst sind. So hat sich achtsamer und auch dankbarer zu ge- Segnung der Osterspeisen - eine alte Tradition ja z. B. auch der Karneval längst ver- nießen. Das hat gerade in unserer Zeit selbständigt. Vielen ist sicher nicht seinen Sinn, in der uns normalerweise mehr bekannt, dass das Wort Karneval – immer noch – das ganze Jahr über vom lateinischen „carne vale“ = alles in Hülle und Fülle zur Verfügung „Fleisch, lebe wohl“ stammt, und dass steht und wir z. B. auch im Winter fri- damit ein letztes ausgelassenen Fei- sche Erdbeeren oder exotische Früch- ern mit entsprechendem Essen und te kaufen können, weil diese von weit- Trinken vor dem Beginn der Österli- her zu uns transportiert werden. Ver- chen Bußzeit, der Fastenzeit, gemeint zicht kann helfen, aufmerksamer und war. Nach dem „carne vale“ folgten in verantwortungsvoller zu leben und früheren Zeiten die 40 Tage, in denen wieder einmal bewusster wahrzuneh- der Genuss von Fleisch, Milchproduk- men, was wirklich Lebens-Mittel und ten und auch Eiern verboten war. was – eben auch einmal verzichtbare – Genussmittel sind. Nach Ablauf der Fastenzeit war das Frühstück am Morgen des Osterfestes Verzicht kommt anderen zugute die erste Mahlzeit, bei der sozusagen wieder alles erlaubt war. Darum gehö- In der österlichen Bußzeit oder Fas- ren in die Körbchen zur Osterspeisen- tenzeit, die ja auch eine Einladung und segnung auch auf jeden Fall Schinken, Chance ist, den eigenen Lebensstil zu Wurst, Butter und Eier. Der Duft die- überprüfen, längst eingespielte Ge- 8 9
wohnheiten, Haltungen und Verhal- net … – jeder und jede weiß, wofür sie tensweisen eventuell auch zu korrigie- da manchmal mehr Zeit investieren, ren, hat der Verzicht noch eine andere als sie eigentlich wollen. Verzicht kann Bedeutung: Es geht ja nicht darum, hier heißen, einmal wieder einen dass ich nicht dauernd um mich selber (Zeit-)Raum zu schaffen, in dem ich (und meinen Verzicht) kreise. Es geht wirklich zur Ruhe komme, in dem ich vielmehr auch darum, dass ich dafür mit dem in Berührung komme, was frei werde, den/die Anderen in den mich wirklich bewegt, indem ich dabei Blick zu nehmen: Wenn ich durch Ver- auch Gott wieder neu auf die Spur zicht auf bestimmte Nahrungs- oder komme. Und wenn aus diesem (Zeit-) Genussmittel auch buchstäblich etwas Raum eine Zeit des Gebetes wird, dann einspare – und hier ist nicht in erster ist es manchmal auch gut, dabei zu- Linie das Gewicht gemeint … – bietet nächst auf die eigenen Worte zu ver- sich die Möglichkeit, ganz konkret mit zichten: Nicht gleich – was wir viel- denen zu teilen, die viel weniger haben leicht am häufigsten tun – um etwas als ich. Ich kann das eingesparte Geld zu bitten, zu danken oder etwas von Dort, wo sonst viele Pilger die als Spende für eines der großen Hilfs- mit mitzuteilen; sondern einmal die Hoffnungsorte der Heiligen werke oder auch für konkrete Hilfs- Stille und das Schweigen aushalten, Stätten in Israel und Palästina projekte, die ich kenne, zur Hilfe für um so aufmerksamer für Gottes Ge- besuchen, ist es zur Zeit wegen Andere werden lassen. So wird Ver- genwart in meinem Leben zu werden. der Corona-Pandemie leer. zicht zur Übung der Solidarität. Welche Formen auch immer der Ver- Christliche Pflegeeinrichtungen Verzicht hilft, aufmerksam zu werden zicht in der österlichen Bußzeit hat – und Schulen, die auch für Ju- für Gott wichtig scheint mir, dass er nicht mit den und Muslime offen sind, dem Gefühl des „Verbotenen“ behaftet geraten in wirtschaftliche Not. Schließlich geht es beim Verzicht in ist, sondern zu einer freiwilligen der österlichen Bußzeit nicht nur um Übung wird, die dem Leben dient. Der Deutsche Verein vom Heili- Essen und Trinken und um materielle gen Land und die Franziskaner Dinge. wollen diese Friedensarbeit im Nahen Osten unterstützen. Wir Es kann durchaus sinnvoll sein, ein- danken Ihnen, wenn Sie uns mal ganz bewusst auch manches zu durch ihre Spende am Palm- verzichten, womit ich mich normaler- sonntag dabei helfen, Hoffnung weise häufig beschäftige oder ablen- ins Heilige Land zu bringen. ken kann: Fernsehen, Surfen im Inter- 10
VERZICHT Verzicht - ein persönlicher Rückblick Warum hast du nur ein Jahr das Lui- sengymnasium in Marienburg be- auf 100 Jahre sucht? Für meinen Schulbesuch mussten Willfried Weiß im Gespräch mit seiner sind Reisebeschränkungen, 14-tägige meine Eltern Schulgeld bezahlen, die Mutter Freya, Jahrgang 1920 Quarantäne oder Schließungen von Eisenbahnkarte kaufen und ich hatte Geschäften deutlich leichter zu ertra- auch weniger Zeit, um in der Gärtnerei Als ich meiner Mutter am 9. Dezember gen. zu helfen, da ich mehr Hausaufgaben erzählte, dass wir uns am Abend in der zu erledigen hatte. Als ich sah wie Redaktionssitzung des FORUMs für Musstest du als Kind noch aufgrund schwer ihnen das fiel habe ich ange- das Thema der nächsten Ausgabe ent- der Folgen des 1. Weltkrieges auf boten, zurück auf die Volksschule zu scheiden wollen meinte sie, wir sollten etwas verzichten? Freya Weiß bei ihrem 100. Geburtstag gehen, obwohl ich von der Sexta in die doch „Verzicht“ nehmen. In der Zei- Mein Vater, geboren 1876, hat mit sei- sieben Kindern von früh morgens bis Quinta versetzt war. Da waren meine tung und im Fernsehen würde doch ner Gärtnerei in einem Dorf in der Nä- spät abends viel zu tun, und danach Eltern erleichtert und haben mich um- viel darüber berichtet, auf was die he von Marienburg/Westpreußen ins- waren sie müde. gemeldet. Menschen angesichts von Corona alles besondere Rosen an Hotels in Zoppot verzichten müssten. Und so ging ich und Danzig und auch das Spielcasino Was war das erste in deinem Leben, Wie war das mit dem Verzicht nach mit dieser Idee in unseren Videotreff geliefert. Mit dem Versailler Vertrag worauf du verzichtet hast? dem 2. Weltkrieg? hinein und kam mit dem Auftrag her- 1920 wurden wir durch den polnischen Ich konnte in den ersten 30 Jahren Das waren Hungerjahre. Verzichten aus, meine Mutter zu diesem Thema Korridor von diesen Städten abge- meines Lebens auf nichts verzichten, musste ich vor allem auf meinen zu befragen – hier das Interview: trennt und mein Vater hat notgedrun- denn wir hatten ja nur das Notwen- Mann. Wir haben im März 1944 gehei- gen auf Gemüseanbau und Verkauf auf digste zum Leben. Als Kind hatte ich ratet und danach musste er gleich in Was denkst du, wenn du hörst worauf dem Markt im benachbarten Marien- als Spielzeug einen Ball und einen den Krieg und wir später auf die die Menschen wegen Corona in dieser burg umgestellt. Das war wie ein Neu- Teddy, mit dem aber meistens meine Flucht. 1946 habe ich das erste Le- Zeit verzichten müssen? anfang und wir hatten viel Arbeit und größeren Brüder spielten. Eine Figur benszeichen bekommen, eine Post- Ich kann es teils gut verstehen, dass wenig Geld. Und ich habe natürlich zum Aufziehen hatten wir, die meine karte aus russischer Gefangenschaft. die Leute traurig oder enttäuscht sind. geholfen. Mein Vater sagte immer, ich Mutter aufbewahrt hat, und uns Im Oktober 1948, 4 ½ Jahre nach der Die Leute sollten aber bedenken, wie könnte mit meinen kleinen Fingern so manchmal vorführte. Sechs Geschwis- Hochzeit, haben wir uns erst wieder- gut es ihnen trotzdem noch geht. Sie gut das Unkraut in den Aussaaten zup- ter hatte ich. gesehen. Das war eine schwere Zeit. haben doch noch soviel in ihrem Le- fen. So konnte ich schon mit 8 Jahren Drei meiner Brüder wurden im Krieg ben. Vor diesem Hintergrund sind die meine Eltern unterstützen. Musstest du wegen der vielen Ge- getötet und ich musste meine Heimat Einschränkungen eigentlich nicht so schwister auf etwas verzichten? verlassen. schlimm. Und sie sind ja notwendig für Worauf mussten deine Eltern in dei- Da ich die jüngste war, musste ich die das Wohl der Gemeinschaft. Vielleicht ner Kinder- und Jugendzeit verzich- Sachen der älteren Geschwister auf- Worauf möchtest du heute auf keinen sagen die Jüngeren ja, dass ich klug ten? tragen, wenn sie noch brauchbar wa- Fall verzichten? reden kann, weil ich mein Leben fast Freizeit und Urlaub, das hatten sie ren. Und natürlich wurde alles aufge- Den Kontakt zu meiner Familie und ein hinter mir habe. Aber im Vergleich zu nicht, denn mein Vater hatte mit der teilt. warmes Zuhause. Krieg, Flucht, Todesangst und Hunger Gärtnerei und meine Mutter mit uns 12 13
VERZICHT Verzicht – und das nicht nur zur Fastenzeit Von Jürgen Thiel sich die Insassen (Konventuale) – es des Braunschweiger Bürgers Hacken- nicht ihr volles Eigentum, sondern waren überwiegend alleinstehende dal wenig, der sich dauerhaft ver- standen ihnen lediglich als Unterei- Der liturgische Kalender wies bis zur Frauen – einer strengen, der klösterli- pflichtet hatte, einem jeden Insassen gentum zur Verfügung. Grundherren Zeit der Reformation neben den je- chen Hausordnung angenäherten Le- zwei Laib Brot während des Jahres des Meierlandes waren der Adel, die weils vierzig Fastentagen vor Weih- bensform. Sofern es ihr Gesundheits- zukommen zu lassen. Grundsätzlich Geistlichen, weltliche Institutionen, die nachten und Ostern auch solche wäh- zustand zuließ, waren sie zur Mitarbeit waren die Hospizzuwendungen auf das ihren Besitz gegen Entgelt in Form von rend des Jahres, insgesamt rd. 200, verpflichtet. Existenzminimum beschränkt. Naturalien (Zehntabgaben) und Grund- aus. Die in dieser Zeit geltenden zins (Geldleistungen) als kleine land- Fastenregeln sahen vor allem bei der Erschreckend gleichförmige Speisen Nicht viel besser war es um die Ernäh- wirtschaftliche Betriebe an die Bauern Ernährung für die Gläubigen empfind- rung außerhalb der Stadt, im restli- überließen. Grundherren waren auch liche Verzichte vor. Die Ernährung muss als kärglich be- chen Herzogtum Braunschweig, be- die Zisterzienser-Mönche aus Rid- zeichnete werden. Diese konnte, so es stellt. Mehr als drei Viertel der Ein- dagshausen. Zu deren Grundbesitz Das „tägliche Brot“ verdiente sich die die persönliche Vermögenslage zuließ, wohner bezogen ihr Einkommen aus zählten zeitweise ganze Ortschaften, Braunschweiger Stadtbevölkerung im durch vertraglich geregelte Gegenleis- den Erträgen der Landwirtschaft. Auch u.a. auch Querum und Hondelage. späten Mittelalter und im Übergang tung verbessert werden. Überliefert hier zählte die Mehrzahl der in der zur Neuzeit vorwiegend bei den Tuch- ist die Zusatzvereinbarung von Metke Landwirtschaft Tätigen zur bäuerli- Kein Wunder, dass im traditionellen machern, Lakenmachern, Gewand- Frederiks, die diese bei Eintritt in das chen Unterschicht, einer Gruppe von Landhaushalt fast ausschließlich die schneidern. Beckenwerkern, Kannen- St. Thomae-Hospital getroffen hat. Menschen, deren Einkommen aus der Selbstversorgung bei der Zubereitung gießern, Kupfer- und Messingtreibern. Danach wurde ihre Kostration im Ver- Landwirtschaft keinen hinreichenden der Alltagsspeisen vorherrschte. Das Dennoch vermerkt die Geschichts- gleich mit der „gemeinen Pfrund“ die Lebensunterhalt bot. Ihre Höfe waren Essen war auch hier gekennzeichnet schreibung, dass 50 % der Stadtbevöl- ihr zustand, erhöht, sodass sie auf kerung am Rande der Armutsgrenze täglich „dre halff Stoueken beers“ An- lebte. Bei diesen ließ sich in der Fas- spruch hatte, dazu wöchentlich ein tenzeit der Gürtel mit großer Wahr- Pfund „sterkes“ (mitteldeutsch: junge scheinlichkeit kaum enger schnallen. Kuh), jeden Freitag je ein Viertel Käse Hinweise auf die Quantität und Qualität und Butter zusätzlich zu dem Hering, der täglichen Ernährung finden sich in der bereits zu ihrem Versorgungsplan den Aufzeichnungen der ehemals gut gehört hatte. Auf ein solches Zubrot 20 Hospize und Beginenhäuser. Diese konnten jedoch nur wenige Insassen Institutionen waren soziale Stiftungen zurückgreifen. Die Speisepläne für die vorwiegend wohlhabender Bürger. normierte Konventualenversorgung Wer hier Aufnahme fand, genoss ein sind von einer für heutiges Verständ- Wohnrecht, die Versorgung mit Nah- nis erschreckenden Gleichförmigkeit rungsmitteln und im Bedarfsfalle eine gewesen. Daran änderten auch die Krankenpflege. Dafür unterwarfen Legate mildtätiger Spender wie die 14 Täglich 400 Arme wurden zeitweise an der Klosterpforte Riddagshausen versorgt. 15
GOTTESDIENSTE St. Marien, Querum durch eine große Eintönigkeit, nicht immer wieder zu einem absoluten zuletzt aufgrund der verhältnismäßig Versorgungstief. Samstag vor dem 1. und 3. Sonntag im Monat geringen Auswahl von Zutaten. Nach 18:00 hl. Messe den Aufzeichnungen in der Vor diesem Hintergrund dürfte sich 1. und 3. Sonntag im Monat „Braunschweigischen Landesge- der Speiseplan der Mehrzahl der Men- 9:00 hl. Messe schichte“ aß man bis weit in die Neu- schen im Jahresverlauf kaum von dem zeit hinein „morgens und abends Brei, in der Fastenzeit unterschieden ha- 2. Sonntag im Monat Grütze und Suppen mit Brot, abends ben. 10:45 hl. Messe und Kinderkirche (Kirchbus: 10.30 Volkmarode) oft Bier- und Brotsuppen, im Übrigen 4. Sonntag im Monat Milch- oder Wassersuppen, die mit Geradezu als eine verordnete Locke- 10:45 Familiengottesdienst (Kirchbus: 10.30 Volkmarode) Mehl oder Grütze zubereitet und teils rung der Fastenordnung mutet eine Mittwoch durch ‚Klümpe‘ angereichert waren.“ Nachricht an, wonach Herzog Fried- 9:00 hl. Messe / am 1. Mittwoch im Monat „Laudes“ Gewürzt wurde nur mit einer Prise rich von Braunschweig den Mönchen mitgestaltet von der Frauenschola Salz. Honig und später Zucker galten in Riddagshausen im Jahre 1392 das als zu wertvoll für die Alltagskost. Privileg erteilte: „... gutes Bier zur Ad- 2. Dienstag im Monat Fleischkonsum galt als „Luxus“ und vents- und Fastenzeit zu brauen, ver- 19:00 Jugendgottesdienst war auf dem Küchenzettel so gut wie mutlich aus der löblichen Absicht, da- 1. Donnerstag im Monat nicht auffindbar. mit die guten alten Klosterbrüder die 19:00 „AusZeit“ – ökumenischer Abendgottesdienst in der Alten Kirche in Querum magere Fastenzeit desto besser über- Pestepidemien und Versorgungstief stehen, und sich an der Schüddekappe St. Martin, Wendhausen erholen möchten.“ Großen Einfluss auf die Versorgung 1. Sonntag im Monat hatten im Mittelalter zeitweise extre- In der Stadt Braunschweig gab es um 10:45 Familiengottesdienst me Witterungsverhältnisse. So sind In das Jahr 1500 etwa 60 Kirchen, Klös- den Jahren zwischen 1310 und 1320 ter und Kapellen. Keinen Grund zur 3. Sonntag im Monat sieben Jahre mit schlimmen Missern- Klage hatte offensichtlich der hiesige 10:45 hl. Messe ten belegt. In dieser Zeit verpflegte die Klerus bezüglich des Zuspruchs der 2. und 4. Sonntag im Monat Pforte des Klosters Riddagshausen Gläubigen zu Gottesdiensten und dem 9:00 hl. Messe täglich bis zu 400 Arme. Empfang des Bußsakramentes wäh- Freitag rend der Fastenzeit. Auf eine ange- 8:30 hl. Messe Auch verschonten die europäischen messene Verehrung nicht zu verzich- Pestwellen das Braunschweiger Land ten brauchte in jener Zeit der Stadt- nicht. Diese erreichten unsere Gegend patron St. Auctor: Jeweils am vierten Don-Bosco, Hondelage nachweislich in den Jahren 1350, 1358 Fastensontag vor Ostern (Laetare) Samstag vor dem 2. und 4. Sonntag im Monat und 1365/66. Und auch während des wurden seine Reliquien in einem 1457 18:00 hl. Messe Dreißigjährigen Krieges gab es dann gestifteten silbernen Sarg unter gro- noch einmal zwei große Pestepide- ßer Beteiligung der Bevölkerung feier- 2. Donnerstag im Monat mien. Alle diese Ereignisse führten lich um die Stadt getragen. 18:00 hl. Messe 16 17
GOTTESDIENSTE wegstation als Video-Beitrag auf unse- Teilen … – wir werden gemeinsam he- rer Internetseite. rausfinden, was davon gelingen kann und was vielleicht auch nur ein Ver- Jeweils mittwochs wird es – ebenfalls such bleibt. als Video – einen Impuls zum diesjäh- rigen Hungertuch geben, das von der Herzliche Einladung! Künstlerin Lilian Moreno Sánchez un- Über Aushänge und unsere Internet- ter dem Gedanken „DU STELLST MEI- seite werden wir die konkreten Termi- NE FÜßE AUF WEITEN RAUM - DIE ne und alle detaillierten Informationen KRAFT DES WANDELS“ gestaltet wur- weitergeben. de. Gleichzeitig eine Möglichkeit, sich Montags erscheint ein Beitrag mit Im- einzubringen und Gutes zu tun: Osterplanungen pulsen aus den diesjährigen Misereor- Auf der Internetseite soll ein Stück Frühschichten. Hoffnung, Frühling, Ermutigung und Die Corona-Einschränkungen ermöglichen uns nach wie vor keine sicheren Pla- Auferstehung sichtbar werden! Wir nungen. Wir hoffen natürlich Ostern mit Präsenzgottesdiensten feiern zu kön- Sonntags (oder am Vorabend) wird es laden ein, uns selbst gemalte Bilder, nen – vielleicht sind dann ja sogar wieder mehr Gottesdienstbesucherinnen und den Gottesdienst aus St. Marien als Texte, Fotos oder Gedanken zukom- -besucher erlaubt!? Livestream zu sehen geben, der dann men zu lassen, die wir auf unserer Anders als an Heiligabend, wo wir viele kleine Gottesdienste angeboten haben, für einige Tage abrufbar bleibt. Internetseite veröffentlichen möchten. lässt sich die Feier der Auferstehung natürlich nicht mehrfach wiederholen. Wir Von Kindern gemalte Bilder würden gehen deshalb für die Ostertage zunächst von den üblichen Gottesdienstzeiten Damit es aber wenigsten ab und zu wir zudem gern auf die Rückseite von der vergangenen Jahre aus. auch interaktiv und kommunikativ Ostergrüßen drucken, die wir großflä- werden kann, wird es einige Angebote chig verteilen möchten. Über alle Gottesdienste und ggf. weitere Termine der Fastenzeit, der Karwoche im Rahmen einer Video-Konferenz und Ostern werden wir immer kurzfristig, aber rechtzeitig, über die ausliegende geben. Gemeinsam beten, nachden- Wir freuen uns über viele Eingaben! Gottesdienstordnung, mit Aushängen in den Schaukästen und über unsere In- ken, Gedanken austauschen, Bibel- ternetseite informieren. Fastenkalender Der Pfarrgemeinderat hat sich Gedan- sein, aber es soll versucht werden, ken gemacht, wie in der vorösterlichen einige Ideen umzusetzen: Zeit über die Gottesdienste hinaus ein wenig Verbindung entstehen oder Es wird freitags nicht nur das Kreuz- gehalten werden kann – ähnlich dem weggebet in der Kirche geben, son- Adventskalender im Dezember. Es dern auch Gedanken zu einer Kreuz- wird nicht jeden Tag etwas möglich 18 Bild von Peter H auf Pixabay 19
AUS DER GEMEINDE Abschied von Katharina Weiß als Pfarrsekretärin In all den Jahren ihrer Tätigkeit wurde mit großem Engagement wahrgenom- sie mehr und mehr der ruhende Pol men. im oft hektischen Betrieb des Pfarrbü- Von Pfarrer Bernward Mnich ros und behielt stets den Überblick in „Sie sind ja doch noch da …?!“ – war und Stefan Hain allen Aufgaben und Herausforderun- Frau Weiß während des vergangenen gen. In ihrer klaren und direkten nord- Jahres immer wieder einmal gefragt Schon im Osterpfarrbrief des vergan- deutschen Art war sie stets zugänglich worden, weil manch eine/r nicht ver- genen Jahres hatten wir über perso- für Andere und fand ihrerseits auch standen hatte, dass die Reduktion der nelle Veränderungen in unseren immer einen Zugang zu den Men- Arbeitszeit noch nicht der Eintritt in Pfarrbüros informiert. schen. Mit großem Einfühlungsvermö- den Ruhestand war. gen und menschlicher Zuwendung Nachdem Susanne Dierig zum 1. Feb- hatte sie stets ein offenes Ohr für die „Sie ist nun nicht mehr da…“ – daran ruar 2020 ihren Dienst als neue Pfarr- Fragen, Anliegen und Sorgen der Men- werden wir uns von jetzt an aber ge- sekretärin begonnen hatte, hatte Ka- schen, für die eine Pfarrsekretärin wöhnen müssen. Und wir werden nicht tharina Weiß ihre Arbeitszeit auf heutzutage ja oft die erste Ansprech- nur das fröhliche, mit dem typisch 8 Stunden reduziert und war im ver- partnerin ist. norddeutschen Klang gerufene gangenen Jahr in den Pfarrbüros von „MOIN!“ am Morgen vermissen… St. Martin und St. Marien tätig. In die- Diese Eigenschaften und die Tatsache, ser Zeit konnte sie der neue Kollegin dass sie sich mit den Jahren eine gro- Wir danken Frau Weiß von ganzem während der Einarbeitungsphase mit ße berufliche Kompetenz angeeignet Herzen für ihre langjährige Mitarbeit Rat und Tat zur Seite stehen. hatte, wurden auch von „höherer Stel- in der Pfarrei St. Marien und wün- le“ gesehen, so dass sie vor einigen schen ihr zusammen mit ihrem Mann Ende Februar geht Frau Weiß nach Jahren von den Verantwortlichen im für die kommenden Jahre eine inte- dieser Übergangszeit nun in den Ru- Bistum Hildesheim gebeten wurde, als ressante und lebendige Zeit. Allzu ru- hestand. Sie war mit zuletzt fast Mentorin für ihre Kolleginnen in den hig wird es bestimmt nicht werden – 24 Dienstjahren uneinholbar die Pfarreien tätig zu sein. Auch diese dafür gibt es genug Interessen und Dienstälteste – und in so manchen Rendantin, d. h. die gesamte Buchfüh- Aufgabe hat Frau Weiß bis vor Kurzem Freude am Leben … Punkten auch die Erfahrenste in unse- rung der Pfarrei übertrug! Nur gut, rem Pfarrteam. dass Frau Weiß als ausgebildete Veränderte Sprechzeiten der Pfarrbüros Rechtsanwalts- und Notarfachange- Die Tatsache, dass es nun mit Susanne Dierig nur noch eine Sekretärin in der Am 1. Juli 1997 hat sie ihren Dienst als stellte nach Jahren der Arbeit in einer Pfarrei gibt, hat natürlich Auswirkungen auf die Bürozeiten. Die leicht verän- Pfarrsekretärin der Pfarrei St. Marien Anwaltskanzlei und bei der Polizei derten Sprechzeiten in St. Marien und St. Martin sind auf der Rückseite dieses begonnen. Bei all den Besonderheiten, schon eine solide Berufserfahrung FORUMs zu finden. die die Aufgaben in einem Pfarrbüro mitbrachte, die ihr bei der Organisati- Nur noch eine Telefonnummer mit sich bringen, war es wahrschein- on und Durchführung der anfallenden lich schon ein Sprung ins (kalte?) Was- Arbeiten und im Umgang mit den Men- Wer das Pfarrbüro erreichen möchte, wählt in Zukunft einfach die 0531 ser – zumal ihr der Kirchenvorstand schen zugute kam. 2141928. Freitags wird diese Nummer für die Sprechzeit nach Wendhausen damals auch gleich die Aufgaben einer ins Pfarrbüro umgeleitet. 20 21
AUS DER GEMEINDE Getauft wurde Verstorben sind Am 25. Januar 2021 verstarb Pfarrer Pal Rastovac Er stand seit 1991 als Geistlicher vielen ungarischen Gemeinden in den nord- deutschen Bistümern zur Verfügung und feierte auch in St.Martin, Wendhausen, viele Jahre regelmäßig „Ungarische Messe“. Die Beisetzung erfolgte in seiner Heimatdiözese in Subotica (Serbien). Hilfe für Satu Mare In der vergangenen Ausgabe berichteten wir über die Arbeit des „Freundeskreis Satu Mare“ aus Wolfenbüttel und darüber, dass auch der Mittwochskreis in Wendhausen die Hilfslieferungen nach Rumänien mit Spenden unterstützt. Die Caritas in Satu Mare schrieb dem Freundeskreis in ei- nem Dankschreiben folgendes: Liebe Freunde und Partner vom Freundeskreis Wolfen- büttel, trotz schwieriger Zeiten sind auch heuer viele sorgfältig zusammengestellte Weihnachtspakete und Sachspenden, darunter viele haltbare Lebensmittel und insbesondere Winterbekleidung bei uns angekommen. […] mit Ihrer Hilfe ist es uns möglich geworden, unzähli- ge arme Menschen – Kinder, Familien, alte Menschen – zu beschenken und ihnen so ein schönes Weihnachtsfest zu ermöglichen. Übergabe von Weihnachtspäckchen im Reha- 22 bilitationszentrum Hl. Joseph – Satu Mare
VERZICHT Warum der erzwungene Verzicht auf Kultur so notwendig und zugleich so problematisch ist Von Johannes Mnich Kultur und Musik sind Freizeitbeschäf- tigungen. So stellte es der Bund- Länder-Beschluss zum Erstaunen vie- ler zunächst zum „Lockdown Light“ Ende Oktober dar, der den Konzert- häusern, Opern, Theatern und sonsti- gen Kulturbetrieben nach der länge- ren Schließung im Frühjahr 2020 er- neut den Betrieb untersagte. Johannes Mnich ist Kulturmanager und Intendant der Tauber Philharmonie Eine ganze Branche nebst Zulieferern in Weikersheim, Baden-Württemberg. – von Servicekräften, Catering, Tech- nik und natürlich vor allem die Künst- lenkung, sondern können Prozesse lerinnen und Künstler – schaut seit- freisetzen, zum Nachdenken anregen, Ein Blick in den Saal der Tauber Philharmonie. dem voller Ungewissheit in die Zu- versöhnen und spalten, aufrütteln und kunft: Ab wann werden Konzerte wie- beglücken wie kaum etwas anderes. der möglich sein? Und ab wann zumin- Was bei so viel akuter sozialer Distanz wegen der funktionierenden Hygiene- gezwungen werden, stehen Diskursor- dest annähernd so, wie das vor der und dem Wegfall persönlicher Begeg- konzepte die Situation dann doch auch te wie Theater, Konzerthäuser und Pandemie möglich war, mit Begeg- nungen noch viel wichtiger ist als wirt- anders bewertet werden könnte. Opern leer. Und wo auf künstlerische nungen vor, im und nach dem Konzert, schaftliche Aspekte. Art Fragen gestellt, behandelt und dichter Gemeinschaft und vollen Sä- Hier aber geht es um den Verzicht auf diskutiert werden; in großen, hohen len? Denn natürlich sind Kontakteinschrän- Kultur, Musik und die Folgen. Die Fol- Räumen mit penibel ausgearbeiteten kungen angesichts der aktuellen In- gen für die Gesellschaft und insbeson- Hygienekonzepten, da herrscht Stille. Es geht hier natürlich auch wie so oft fektionszahlen unumgänglich und es dere für die Teile derselben, die in die- Bei aller Verordnungsmüdigkeit der um die wirtschaftliche Komponente, ist sicher auch schwierig, eine private ser außergewöhnlichen Zeit ohnehin Bevölkerung, bei immer neuen Stell- immerhin hat die Kultur- und Kreativ- Beschränkung auf maximal 5 Perso- außergewöhnlichen Belastungen aus- schrauben seitens der Politik, bei im- wirtschaft im Jahr 2019 über 106 Milli- nen zu fordern, während im Konzert- gesetzt sind. Es fehlt nämlich nicht mer mehr (notwendigen) Einschrän- arden Euro Umsatz gemacht. Aber saal je nach Größe trotz Abstand auch nur die Musik, die Oper, das Theater; kungen: wäre es nicht sinnvoll, ja ge- Kunst und Kultur sind im besten, ja 500 möglich wären. Trotzdem wäre im es fehlt vor allem: die Gemeinschaft radezu fördernd, in sicheren und er- normalen Fall, vor allem viel mehr als größeren Kontext eine notwendige und ein Ort der Auseinandersetzung. probten Räumen die Art von Geistes- pure Freizeitbeschäftigung oder Ab- Diskussion darüber zu führen, dass Während die Menschen ins Private nahrung zu bieten, die Fernsehen und 24 25
Internet eben nicht oder nur begrenzt zu Kultur. Weil gerade in diesen Zeiten ermöglichen? Zusammenhalten und Vertrauen in die Politik wichtig sind. Weil, wie der Die Digitalisierung lässt zwar heute Schlagzeuger Martin Grubinger in ei- eine Teilhabe an Konzerten und Auf- nem Zeitungsartikel so treffend for- führungen auch über Streaming zu, mulierte, „alle kulturellen Einschrän- aber das Besondere geht dabei fast kungen gerechtfertigt sind, wenn da- immer verloren und die nachhallende, durch auch nur ein einziges Men- nachwirkende und dadurch inspirie- schenleben gerettet würde“. rende Kraft entfaltet sich eben nur im Vor-Ort-Sein. Im unabgelenkten Da- Und trotzdem ersehne ich den Mo- Sein. Kultur und Musik könnten so ment, an dem die Kultur- und Veran- zum Auftanken der verunsicherten, staltungshäuser – vielleicht auch vor ängstlichen und vielleicht zunehmend vielen anderen – wieder öffnen und die resignierten Seele dienen und damit Rolle einnehmen dürfen, die sie so einen nachhaltigen Beitrag für das unverzichtbar für unsere Gesellschaft Wohl unserer Gesellschaft leisten, der machen: als Orte der Gemeinschaft im Zuge der Corona-Verordnungen und der Auseinandersetzung. Auf ei- mehr und mehr verloren geht. Wenn ner anderen, unvergleichlichen Ebene Diskussion, Gemeinschaft und Aus- und ganz im Geiste des abgedrosche- tausch erlischt, gerät ein wesentlicher nen, aber dadurch nicht minder wah- Teil des Mensch-Seins ins Ungleichge- ren Satzes von Victor Hugo: „Musik wicht. drückt aus, was mit Worten nicht ge- sagt werden kann und worüber zu Und so verzichte ich auf Live- schweigen unmöglich ist.“ Konzerte, weil der Schutz des Lebens höher zu bewerten ist als der Zugang Ich hoffe auf ein Ende der Stille. 26
VERZICHT Worauf verzichten wir und was macht das mit uns? Eine Umfrage in der Gemeinde Freundinnen, was mir allmählich „Der allgemeine gezwungene Umgang wirklich schwer fällt, da mir diese beim Gottesdienstbesuch stört inzwi- Von Gisela Noske „Auf Kontakt verzichte ich, um andere Kontakte wirklich fehlen. Einfach mal schen doch erheblich, da auch eine und mich vor Ansteckung zu schützen. so sich auf nen Kaffee treffen oder online Anmeldung gefordert wird. Verzicht = Abstinenz, die Enthaltung zum Brunchen gehen ist nicht möglich gewisser Aktivitäten. (Wikipedia) Die Beschränkungen sind schon hart. und allmählich schon sehr einschnei- Der Verzicht, die Kinder und Enkel Kein Treffen mit der Familie, kein Got- dend. Darüber hinaus wurden bereits nicht besuchen zu können, fällt uns Wir alle enthalten uns in diesen Wo- tesdienstbesuch, keine Feier, kein zwei Fortbildungen, an denen ich sehr etwas schwer. Einzelne Familien ha- chen und Monaten gewisser Aktivitä- Sport in der Gemeinschaft, kein Chor, gerne teilgenommen hätte, abgesagt. ben wir bisher besuchen können, aber ten. Und langsam kommen wir an un- keine Reise und vieles mehr. Es macht Der fachliche Austausch fehlt dadurch das ist jetzt auch untersagt. Die ge- sere Grenzen. Während wir uns nach mich traurig, dass ich im Augenblick ein Stück weit. meinsamen, liebgewonnen Treffen mit Gesellschaft, nach Kontakten und Be- keinen Kontakt habe zu meiner Fami- unserer „Großfamilie“, sei es Ge- gegnungen sehnen, sagt uns unser lie, zu den sechs Enkeln nur über Te- Was durch den Lockdown wegfällt, burtstagfeiern, Ostern, Weihnachten, Verstand, dass wir genau darauf wohl lefon und Handy oder Skype. Alles, sind viele Termine, die sonst stattfin- Tagestouren, fehlen uns sehr. Dabei noch einige Zeit verzichten müssen. was nicht notwendig ist, kann ich ent- den würden und damit geht es mir können wir uns noch glücklich schät- behren. Langeweile habe ich nicht, teilweise gut, da dies das Leben auch zen, dass wir noch zu zweit unsere Zeit Für das FORUM haben wir gefragt, aber ich fühle mich doch oft ein- entschleunigt. Der Sportverein hat verbringen können.“ (Kathrin und worauf Gemeindemitglieder verzichten sam.“ (Gisela Siebner) geschlossen, dafür ist jetzt mehr Zeit Siegfried Geiger) und wie es ihnen damit geht. Dies sind für Spaziergänge, was den Kopf gut einige Antworten: „Ich verzichte gezwungenermaßen frei werden lässt.“ (ein Gemeindemit- „Der Verzicht ist aus Vernunft, ist vom gerade auf Präsenzkontakte mit glied, das anonym bleiben möchte) Kopf glasklar, aber im Herzen ein So kennen es alle: das letzte Abendmahl. Jesus mit all seinen Jüngern. So sieht es wohl in Corona-Zeiten aus. Jesus allein am Tisch. Keine Jünger. Keine Kontakte. 28 29 Montage: Julian Weiß
schweres, unschönes Aushalten. den nicht statt, insbesondere keine „Gezwungenermaßen verzichte ich auf mählich auf´s Gemüt schlagen, zumal Manchmal führt es zu regelrechten Chorwochenenden und -freizeiten und so einiges: Chorproben und -auftritte – im Moment eine baldige wirkliche Beklemmungen. Mit Verzicht meine eben auch keine Aufführungen/ das hat mir in der Adventszeit doppelt Besserung nicht in Sicht ist. Wenigs- ich das Treffen mit meinen Kindern. Konzerte. Keine Reisen oder Kurztrips gefehlt, aber auch sonst fehlen mir die tens kann ich regelmäßig Gottesdiens- Weihnachtstage wurden draußen ver- mit Übernachtungen. Keine Restau- Musik und die sozialen Kontakte in der te besuchen – noch so ein Ostern wie bracht, natürlich mit Abstand und ir- rant-, Kneipen- oder Café-Besuche. Chorgemeinschaft; spontane Treffen das Letzte möchte ich nicht erle- gendwann wurde es fürchterlich kalt. Die Stadtbibliothek ist geschlossen. mit Freunden, Besuch von Theater und ben!“ (Ursula Pfennig) Schmökern in Buch- oder CD-Läden Kino, Essen gehen, regelmäßiger Keine Umarmungen, auch nicht mit entfällt. Stadt- und Einkaufsbummel Sport im Fitnessstudio, mal ein ent- Das nennt man Ambiguitätstoleranz. meinen Eltern. Es fehlt einfach etwas unmöglich, da praktisch alle Geschäfte spannter Stadtbummel, auch, dass Ein Begriff, den ich erst im Zuge der im Leben. Im Freundeskreis wird tele- geschlossen sind. man keinen Urlaub planen kann ... Pandemie gelernt habe. Ambigui- foniert, Adventskaffee per Zoom. Spa- tätstoleranz (v. lat. ambiguitas ziergänge und das wieder entdeckte Leichter fällt der Verzicht auf Kinobe- Am meisten schmerzt mich die Ein- „Mehrdeutigkeit“, „Doppelsinn“ und Hobby ‚Stricken‘ lässt mich entspann- suche. Vorteile durch Lockdown: Viel schränkung der sozialen Kontakte und tolerare „erdulden“, „ertragen“) ist die ter sein. Respekt vor dem Virus hält Zeit zu Hause, zum Lesen, aber auch auch, dass ich Freunde, wenn ich sie Fähigkeit, mehrdeutige Situationen mich mit unnötigen Begegnungen zu- zum Aufräumen. Viele Telefonate, E- denn treffe, nicht mehr in den Arm und widersprüchliche Handlungswei- rück.“ (Manuela Sehrt-Oppermann) Mails oder Briefe. ‚Sichtbare‘ Kontakte nehmen darf. sen zu ertragen. Ambiguitätstolerante durch Video-WhatsApp, Zoom- Personen sind in der Lage, Ambiguitä- „Wir verzichten auf Besuche, weder Konferenzen. Den Sport vermisst mein ‚innerer ten, also Widersprüchlichkeiten, kul- Freunde, Bekannte, Nachbarn noch Schweinehund‘ nicht wirklich, aber ich turell bedingte Unterschiede oder Kinder oder Enkel. Keine Konzerte, Wir können den Verzicht relativ gelas- merke, dass es meinem Körper auf die mehrdeutige Informationen, die Theater, Museen. Keine Reisen in die sen ertragen, wegen der ‚Ersatz- Dauer nicht gut tut. schwer verständlich oder sogar inak- alte Heimat, in deutsche oder gar eu- möglichkeiten‘ und weil wir noch wis- zeptabel erscheinen, wahrzunehmen, ropäische Feriengebiete. Keine Mucki- sen, wie schlimm die Zeit vor der Dass so einige Abendtermine wegfal- ohne darauf aggressiv zu reagieren bude, kein Tanzen. Aber: tägliche Spa- ‚Währung‘ war. Auch aus den Erzäh- len, empfand ich anfangs sogar als oder diese einseitig negativ oder – ziergänge oder Radtouren. lungen der Großeltern und Eltern, wie Entlastung, und in der kalten und häufig bei kulturell bedingten Unter- schrecklich die Hungersnot nach dem dunklen Jahreszeit vermisse ich die schieden – vorbehaltlos positiv zu be- Wir halten beide die Restriktionen 1. Weltkrieg war und die Hungers- und meisten auch nicht wirklich; aber es werten. Sagt das allwissende Wikipe- strenger ein als vorgeschrieben, um Wohnungsnot nach dem 2. Weltkrieg. wird ja auch wieder heller und wär- dia. die Kontakte und auch die kontaktierte Wie groß war die Freude, als nach mer, wenn der Frühling naht. Zoom- Personenanzahl insgesamt niedrig zu dem 1. Shutdown im vergangenen Konferenzen sind für mich kein Ersatz In diesem Sinne halte ich es mit Ingo halten. Wir haben die Kirchenbesuche Jahr die Gaststätten wieder geöffnet für persönliche Kontakte, nur ein Mit- Zamperoni, der am Ende einer Tages- reduziert, vor allem an den großen hatten, und man ohne großartige Vor- tel, um anstehende Themen abzuar- themen-Sendung den Wunsch äußert: Festtagen (wegen vieler Menschen). anmeldung wieder Pizza oder Bier etc. beiten. Bleiben Sie zuversichtlich! bestellen konnte. Größter Vorteil: Wir Was besonders schwerfällt? Kontakte sind zu zweit!!“ (Adolf und Margot Ich weiß, dass es bei mir ‚Jammern zu Enkeln reduzieren, nur im Freien, Klauke) auf hohem Niveau‘ ist, aber ich merke und ohne ‚Knuddeln‘. Chorproben fin- doch, dass mir die Umstände so all- 30 31
VERZICHT Müssen wir mehr haben als wir brauchen – oder können wir uns keinen Verzicht leisten? Von Willfried Weiß In Deutschland wurde aber jahrelang weniger verdient und man setzte dar- Natürlich haben Sie und ich nur das auf, dass Menschen in anderen Län- was wir brauchen! Sonst hätten wir dern mehr ausgeben als sie produzie- das ja nicht. Und mehr brauchen wir ren. So wurden z. B. 2019 in Deutsch- nicht, na ja, aber ein E-Bike oder der land von den produzierten Gütern – neue Terrassen-Fernseher von Sam- Wert ca. 3.400 Milliarden Euro – Pro- sung, resistent gegen Sonne, Regen dukte für ca. 1.300 Milliarden Euro und Minusgrade, wären praktisch. Al- exportiert, ca. 200 Milliarden mehr als so die könnte ich schon gebrauchen. importiert. Daher müssen wir die an- Aber brauche ich die dann auch? Oder deren bei Kauflaune und Finanzkraft kann ich drauf verzichten? halten oder selber mehr kaufen. Solche Fragen haben sich die Men- Verzicht wäre nur eine Lösungsvarian- schen in der Kriegs- und Nachkriegs- te, wenn wir selber weniger produzie- zeit nicht gestellt, denn den meisten ren. Ich verzichte z. B. auf das regel- Natürlich ist das Weltwirtschaftssys- Grundbedürfnisse stillt ist ökonomisch fehlte es sogar am Nötigsten. Sie mäßig neue Auto und fahre meins, bis tem komplexer, aber für mich ist klar, egal. Und das „Nötigste“ ist deutlich mussten unfreiwillig auf so vieles ver- eine Reparatur absolut nicht mehr dass es eine Veränderung in Richtung weniger als das, was wir unter zichten und vermutlich daher ist der vertretbar ist, also mindestens 20 Jah- Verzicht geben muss. Denken wir an „brauchen“ verstehen. Begriff „Verzicht“ bei uns negativ be- re. Wenn wir das alle machten, dann eine gerechte Verteilung der Güter auf legt. Als Wirtschaftsminister Ludwig könnte z. B. VW sehr viel weniger pro- der Erde. Wenn alle Menschen so leb- „Relevant“ sind die Menschen, die Erhard den „Wohlstand für alle“ pro- duzieren, bräuchte in Deutschland ten wie wir Europäer jetzt, dann „Überflüssiges“ konsumieren, und von pagierte traf er den Wunsch der Men- keine 120.000 Mitarbeiter und seine bräuchten wir die Ressourcen dreier denen regelmäßig eine repräsentative schen nach materieller Sicherheit im Zulieferer keine 300.000 Arbeitskräfte. Erdplaneten (Global Footprint Net- Probe von 2.000 Personen von der Nachkriegsdeutschland und legte da- Aber alle Freizustellenden wären wohl work). Haben wir aber nicht. Nürnberger Gesellschaft für Konsum- mit den Grundstein für unsere Kon- kaum in den zusätzlich erforderlich forschung (GfK) befragt wird. U.a. wird sumgesellschaft. Damit die Wirtschaft Kfz-Werkstätten und in der Ersatzteil- Und vergessen wir nicht, dass wir hier monatlich der Konsumklimaindex aus wachsen kann, muss das reale Ein- produktion unterzubringen. Und au- nur über den möglichen Verzicht bei Konjunkturerwartung, Einkommens- kommen so hoch sein, dass wir die ßerdem: Bei uns brauchen viele Men- denjenigen sprechen, die mehr Geld erwartung und Anschaffungsneigung selbst produzierten Güter auch kaufen schen ein neues Auto – aus unter- haben als sie für das Nötigste brau- berechnet. Letztere war noch im Feb- können, also Lohnsteigerung gleich schiedlichen Motiven. chen, denn nur für sie kann Verzicht ruar 2020 dreimal so hoch wie 10 Jah- Produktivität minus Zielinflationsrate. eine Alternative sein. Wer nur seine re zuvor, hatte im Mai 2020 aber ein 32 33
historisches Tief und geht nun seit 1. Kann ich die Kaufgründe Ersatzbe- Oktober wieder nach unten. friedigung und „Kauf des Kaufs we- gen“ ausschließen ? In einer Umfrage im Juli 2020 gaben 34 % an, dass sie mehr darauf achten, 2. Kaufe ich aus Prestigegründen oder wofür sie ihr Geld ausgeben und 22 %, um andere zu beeindrucken? Wenn dass sie günstigere Produkte kaufen, ja, ist es das wert? um zu sparen. So haben wir Deut- schen im letzten Jahr coronabedingt 3. Habe ich ausreichend Kenntnis über etwa 100 Milliarden Euro (6 %) zurück- meine eigenen Bedürfnisse, die behalten, was die Bundesregierung Preissituation, die Qualitäten und mit drei Rettungspaketen über insge- die Marktlage? samt 86 Milliarden Euro direkt an die Wirtschaft auszugleichen versucht. 4. Kenne ich die finanziellen, zeitli- Wir müssen konsumieren, aber mög- chen, gesundheitlichen, sozialen lichst das, was wir auch brauchen. und ökologischen Folgen? Bin ich damit einverstanden? Aber was brauchen wir? Werbung ver- sucht auf allen Ebenen auf unseren 5. Was passiert im ungünstigsten Fall, Entscheidungsprozess Einfluss zu wenn ich auf den Kauf verzichte? nehmen. Ob pauschal mit „Besser ha- ben als brauchen“ oder über digitale 6. Wäre die eigene Herstellung des Drückerkolonnen, die uns täglich Produktes möglich und sinnvoller? zehntausenden von Werbebotschaften aussetzen, uns geradezu verfolgen Krise und Shutdown bringen uns eine und nerven. Was können wir dagegen fundamentale Erkenntnis: Viele Dinge, setzen? Sechs Fragen habe ich aus die wir für normal hielten, vermissen der „Typologie von Fehlentwicklungen wir, andere dagegen kein bisschen. bei Kaufentscheidungen“ (Haushalts- Auch hier merken wir, was wir wirk- ökonom Udo Beier) abgeleitet, mit de- lich brauchen, haben die Chance, um ren Beantwortung wir die Notwendig- den Fokus von der Liebe zu leblosen keit des Kaufs besser bewerten kön- Objekten zu nehmen, und von Zielen, nen: die wir kaufen können. Nutzen wir sie! 34
Sie können auch lesen