Perspektiven - ErnteZeit - Magazin der Pfarreiengemeinschaft Meckenheim - Pfarreiengemeinschaft ...

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Perspektiven - ErnteZeit - Magazin der Pfarreiengemeinschaft Meckenheim - Pfarreiengemeinschaft ...
Perspektiven

                                                                                                  1 / 2013
Magazin der Pfarreiengemeinschaft Meckenheim

   St. Jakobus der Ältere | St. Johannes der Täufer | St. Martin | St. Michael | St. Petrus

                                                                                                  3 / 2019

 ErnteZeit
                                                                                              1
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Editorial

                                                                            Liebe Leserinnen und Leser,

                                                                                                 es ist Erntezeit. Eigentlich schon     stellen uns vor große Herausforderungen. Dies betrifft
                                                                                                   viele Wochen lang, seit die ers-     nicht nur die „Verursacher“ auf der Produktionsseite,
                                                                                                    ten Erdbeeren reiften, während      sondern jeden Einzelnen auf der Konsumseite (S. 10).
                                                                                                     die Redaktion das neue Heft        Wenn jeder an seinem Platz und in seiner Verantwor-
                                                                                                      konzipierte, die Artikel ge-      tung hier das Beste versucht, dann ist das sicherlich ein
                                                                                                      schrieben wurden und auch         gelungener Erntedank,
                                                                                                      jetzt noch, wo Sie das Heft in
                                                                                                      Händen halten, ist Erntezeit in
                                                                                                     Meckenheim.                        meint Ihr
                                                                                                   Wenn wir über die Felder und         Alfred Dahmen
                                                                                                 Obstplantagen rund um unsere
                                                                                               Stadt spazieren gehen, können wir
                                                                            sehen, wie die Früchte reifen, von den Landwirten ge-
                                                                            hegt und gepflegt werden und wie viele fleißige Hände
                                                                            am Ende die Ernte einbringen (S. 8).                                                Inhaltsverzeichnis
                                                                            Aber für viele Menschen in den Großstädten ist es gar
                                                                            nicht so selbstverständlich, diesen Prozess noch verfol-        3       Editorial
                                                                            gen zu können. Vielleicht tut sich deswegen dort eine           4       ErnteZeit
                                                                            immer größere Sehnsucht auf, grüne Oasen und Ernte-
                                                                            Inseln zu schaffen, bekannt geworden unter der Be-              6       Urban Gardening
                                                                            zeichnung Urban Gardening (S. 6).
                                                                                                                                            8       Erntehelfer in Meckenheim
                                                                            Aber auch im übertragenen Sinne erntet jeder von uns:
Titelfoto Johannes Plenio auf pixabay, Foto S. 2: Free-Photos auf pixabay

                                                                            Erfolg, Lob, Anerkennung, Lohn, Zufriedenheit, viel-            10      Klimawandel und Landwirtschaft
                                                                            leicht Glück. So kann auch ein reiches, langes Leben
                                                                            viele Früchte tragen (siehe das Bild auf der Innenseite         12      Interview mit Erika Meyer zu Drewer
                                                                            und das Interview mit Frau Meyer zu Drewer auf Seite            14      Geistliches Wort: Maria 2.0
                                                                            12). Dem geht immer ein Bemühen voraus, ganz ähnlich
                                                                            wie in der Landwirtschaft (S. 4).                               15      Kommunionkinder St. Martin / Bücherei
                                                                            Und bald dürfen wir wieder eines der schönsten Feste            16      Die Meckenheimer Glocke „Catharina“
                                                                            feiern: das Erntedankfest. Für mich hat dieses Fest im-
                                                                            mer etwas Besonderes: Es ist bunt, es ist ein Atemholen         18      Interview mit Diakon Michael Lux
                                                                            nach getaner Arbeit, man kann es beim Erntedankgot-
                                                                            tesdienst in Meckenheim sogar riechen und schmecken.            20      Ferienlager auf Ameland
                                                                            Aber es ist auch, das sagt schon der Name, mit Dank             21      Notizen
                                                                            verbunden und mit Demut gegenüber der Natur, der
                                                                            Schöpfung und dem Schöpfer.                                     22      Statistik
                                                                            Aber werden wir in Zukunft dieses Fest auch noch so             23      Erntedankfeier / Gottesdienste / Impressum
                                                                            unbeschwert begehen können? Die zu erwartenden
                                                                            Veränderungen, die mit dem Klimawandel einhergehen,             24      Kontakt

                                                                                                                                                                                               3
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Titelthema

ErnteZeit
In der Landwirtschaft - in unserem Leben

Wann ist Erntezeit in der Landwirtschaft?
Wenn Sie diese Nummer der Perspektiven lesen, ist für
die Meckenheimer Landwirte Erntezeit. Der Sommer
neigt sich seinem Ende zu, der Herbst beginnt. Die
Früchte auf den Feldern und in den Plantagen sind reif.
Jeder Spaziergänger in den Obstplantagen erkennt, bei
uns ist Zeit für die Ernte. Und selbst in der Luft bemerkt
man in Meckenheim, dass es Erntezeit ist, denn die
Zuckerrüben werden in die Krautfabrik geliefert und
verarbeitet. Der süßliche Geruch verbreitet sich bei ent-
sprechendem Wind über unsere Stadt.
Rübenkampagne ist Erntezeit. Der Herbst ist da!
In Europa bestimmt der Sonnenstand den Rhythmus
der Jahreszeiten und damit die Zeiten des Säens, des
Wachsens und der Ernte. Frühling, Sommer, Herbst und
Winter prägen den Ablauf der Arbeit in der Landwirt-
schaft und unseren Lebensrhythmus.
In den Tropen gibt es diesen vom Sonnenstand diktier-
ten Rhythmus nicht. In einigen Ländern, wie zum
Beispiel in Indien mit seinem Monsunklima, gibt es den
Wechsel zwischen Regenzeit und Trockenzeit. Erntezeit
ist dort am Beginn der Trockenzeit.
In den Ländern am Äquator wie zum Beispiel in Ghana,
Ecuador und in der Karibik herrscht ein Klima, das kei-
nen Wechsel kennt, sondern immer ziemlich gleichblei-
                                                                               ErnteZeit in Meckenheim, Foto: K.H. Groß
bende Temperaturen mit hoher Feuchtigkeit verbindet.
Dort entwickeln sich die Bäume so, dass sie gleichzeitig
blühen, Früchte ansetzen und reife Früchte tragen. Ein       um den Samen, der in den Früchten steckt. Die Wissen-
Beispiel dafür ist der Kakaobaum, dessen Früchte             schaftler des Versuchsgutes brauchen die Samen, um
täglich geerntet werden, sonst verderben sie. Für den        neue Pflanzensorten zu züchten. Erntezeit ist nämlich
Kakaobauer ist daher an jedem Tag im Jahr Erntezeit.         immer auch die Zeit, in der die Saat des nächsten Jahres
Was wird geerntet?                                           eingefahren und so die Zukunft des Lebens gesichert
Überall werden die Früchte der Erde und der menschli-        wird.
chen Arbeit geerntet. Dabei hängt der Ernteerfolg auch       Erntezeit ist über diese materielle Seite hinaus auch mit
heute vom Wetter ab, wie wir im extrem trockenen             anderen Aspekten verbunden. Eine gute Ernte ist der
Sommer 2018 wieder gelernt haben.                            Lohn für Sorgfalt, Fleiß und Können des Landwirtes. Mit
In Meckenheim ernten wir vor allem Äpfel und Obst,           seinen Erzeugnissen verdient er Anerkennung, Lob und
Zuckerrüben und vereinzelt Getreide. In anderen              Achtung. Erntezeit ist auch eine Zeit zum Feiern, weil
Regionen alles das, was wir zum Leben benötigen. Die         die Ernte glücklich eingebracht ist. Erntezeit ist
Ergebnisse der Ernte sind lebenswichtig. Das gilt für die    schließlich immer die Zeit zum Danken für den Segen,
Landwirte selbst direkt und unmittelbar, denen der           mit dem Gott unsere Arbeit und Mühen begleitet hat.
Verkauf der Ernte materielle Sicherheit für das ganze        Erntezeit in unserem Leben
Jahr bringen muss. Das gilt aber natürlich auch für uns      Unser Leben hier in Meckenheim ist ähnlich wie in der
alle, obwohl in der EU nur noch wenige Landwirte die         Landwirtschaft vom Wechsel der Jahreszeiten beein-
Lebensmittel erzeugen, die für alle nötig sind.              flusst. Über das Kalenderjahr hinaus gibt es aber auch
Im Versuchsgut in Altendorf wird im Herbst auch geern-       Erntezeiten, in denen lange Jahre des Wachsens und
tet. Da geht es aber nicht nur um die Früchte an sich, die   Reifens mit einer Ernte abgeschlossen werden.
Äpfel, Rüben oder die Getreidekörner, sondern auch

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Perspektiven - ErnteZeit - Magazin der Pfarreiengemeinschaft Meckenheim - Pfarreiengemeinschaft ...
Titelthema

Der Abschluss der Schulzeit                                 Büchnerpreis für das literarische Werk. Sie erleben diese
Der Abschluss der Schulzeit ist für Schüler, Eltern und     Ehrungen als immaterielle Ernte für früher Geleistetes.
Lehrer Erntezeit, die sogar zeitlich mit dem Herbst zu-     Dasselbe gilt für Ehrungen oder Ordensverleihungen.
sammenfällt. Zeugnisse spiegeln die Ergebnisse des          Unsere Stadt ehrt zum Beispiel Bürger, die sich viele
jahrelangen Arbeitens und Lernens aber auch des             Jahre lang ehrenamtlich für das Wohl der Gemeinschaft
Lehrens. Die Zeugnisnoten sind Lohn und Ertrag langer       engagiert haben. Auch hier werden immaterielle Güter
Arbeit. Deshalb können alle stolz auf das Erreichte sein    wie Dank und Anerkennung „geerntet“.
und sich entsprechend freuen.                               Diese Preise und Ehrungen kann man allerdings nicht
Mit dem Zeugnis beim Abschluss der Schule ernten die        dem „Herbst“ des Lebens zuordnen. Die meisten Geehr-
Schüler nicht nur den Lohn ihrer Arbeit. Für sie endet      ten wollen ja mit ihrer Tätigkeit fortfahren. Hier wird
damit die Schulpflicht, sie werden in die Freiheit der      eine Ernte eingeholt, bei der eine weitere Erntezeit fol-
Erwachsenen entlassen. Diese Ernte der Freiheit ist in      gen soll und kann.
unserem Leben einmalig und etwas ganz Besonderes,           Ernte jeden Tag Zeit
weil wir nie wieder zwischen so vielen Lebens-
                                                            Das Thema ErnteZeit erinnert mich an das Buch
entwürfen wählen können.
                                                            „Momo“ von Michael Ende, in dem es um unser Verhal-
Schulabschlüsse als Nachweis für erworbene                  ten mit der Zeit geht. Wir sparen durch viele Hilfen Zeit,
Kenntnisse sind aber auch der „Samen“ für die Zukunft.      die in der Geschichte nicht genutzt, sondern an Fremde
Sie eröffnen Chancen und Möglichkeiten für das              übertragen wird. Die Folge in der Geschichte wie in der
weitere Leben. Die gewonnene Freiheit verpflichtet zu       Realität ist ein Leben in Hetze und Hektik.
Entscheidungen, zu neuen Bindungen. Das wird den
meisten Jugendlichen schnell bewusst, wenn sie eine
Berufsausbildung beginnen.
Start in die Rente, die Pension.
Unser Berufsleben endet nach etwa 40 Jahren wieder
mit einer Ernte, die wir mit einiger Phantasie als Herbst
des Lebens bezeichnen können. Unser bestehendes
Sozialsystem ist so konstruiert, dass jeder in den Jahren
der aktiven Berufstätigkeit Ansprüche auf die
finanzielle Sicherung im Alter erwirbt. Mit dem Eintritt
in die Rente/Pension beginnt dann quasi eine Erntezeit,
in der bis zum Lebensende die finanziellen „Früchte“
der früheren Arbeit geerntet werden.
Auch hier ist diese Erntezeit mit dem Gewinn von Frei-
heit verbunden, denn die Pflicht, täglich am                             Geerntete Zeit, Foto: Gerd Altmann in pixabay
Arbeitsplatz zu erscheinen und dort die anstehenden
Aufgaben zu bewältigen, endet. Das öffnet neue              Um glücklich und zufrieden zu leben, sollte man die
Möglichkeiten und Chancen. Allerdings gibt es hier in       ersparte Zeit selbst ernten und für sich nutzen, um zur
den meisten Fällen keinen „Samen“, der vor dem              Ruhe zu kommen. In diesem Sinne hat jeder Tag seine
Eintritt in diese Lebensphase gelegt wurde. Man erntet      Erntezeit, wenn wir uns Zeit für uns nehmen und die
zwar die materiellen Fürchte der früheren Arbeit, den       Hektik des Alltags hinter uns lassen. Diese Ernte ist
mit ihr verbundenen immateriellen Lohn in Form von          unabhängig von den Höhepunkten des Lebens, an
Anerkennung und Ansehen im Beruf sind nicht Teil der        denen man besonderen Lohn ernten kann. Sie ist
Ernte.                                                      Aufgabe und Chance, zu reifen und jeden Tag im
                                                            Rückblick sich an Schönes und Positives zu erinnern.
Anerkennung der persönlichen Lebensleistung.
                                                            Dabei sollte die Anerkennung und der Dank für das, was
Wir lesen oder hören regelmäßig in den Medien, dass         uns von unseren Mitmenschen an Zeit und Zuwendung
Künstler, Filmemacher oder Literaten für ihr                geschenkt wurde, Teil der täglichen Ernte sein.
Lebenswerk geehrt werden. Sie erhalten zum Beispiel
                                                                                                    Karl-Heinz Groß
den Bambi im Bereich der Filmschaffenden oder den

                                                                                                                    5
Perspektiven - ErnteZeit - Magazin der Pfarreiengemeinschaft Meckenheim - Pfarreiengemeinschaft ...
Titelthema

Urban Gardening
Grüne Inseln mitten in der Stadt

Wird in Verbindung mit New York von Anschlägen ge-               leblos wirkende Fleckchen New Yorks warf. Keimten die
sprochen, ist der Gedanke an den 11. September 2001              Samen und trieben Blumen und Nutzpflanzen aus,
nicht weit. Doch die amerikanische Metropole wurde               lohnte sich die Arbeit und Liz Christy und ihre Freunde
bereits in den 70er Jahren von Anschlägen ganz ande-             begannen diese Grundstücke vom Müll und Unrat zu
rer Art heimgesucht. Und die waren tatsächlich nicht             befreien, um aus ihnen grüne Oasen inmitten der grau-
bösartig und kriegerisch, sondern ziemlich bunt – ge-            en Großstadt zu zaubern. Die Green Guerillas waren
nauer gesagt sehr grün.                                          geboren. Ihr schier wahnsinniges Projekt, ein 1.700
                                                                 Quadratmeter großes Grundstück voller Bauschutt, Au-
Im Jahr 1973 schlenderte die junge Künstlerin Liz Chris-
                                                                 toteile und Schrott mitten in Manhatten zum ersten
ty durch ihr Stadtviertel, das ziemlich herunter gekom-
                                                                 selbst angelegten Gemeinschaftsgarten New Yorks zu
mene „Bouwerie“ entlang der Lower East Side im
                                                                 machen, gelang bravourös.
südlichen Manhattan. Nach dem Ende des zweiten
Weltkriegs hatten die New Yorker Stadtplaner den Fo-             Liz Christys Kampf gegen die Hässlichkeit der grauen
kus auf Industrie- und Gewerbeimmobilien gelegt,                 Innenstädte fand viele Nachahmer. Alleine in New York
große Wohnkomplexe sollten die Menschen in die                   existieren mittlerweile mehr als 800 von Bürgern ge-
Stadt locken. Grünanlagen oder Parks waren in ihrem              schaffene Gärten.
Konzept nicht vorgesehen. Allein der Central Park sollte         Der Trend schwappte um die Jahrtausendwende auch
das Bedürfnis nach ein wenig Erholung und Ruhe mit-              nach Europa. Überall da, wo viele Menschen auf einem
ten in der Metropole stillen. Das weitläufige Gelände            Fleck leben, der Platz eng ist und Grünanlagen fehlen,
war allerdings so unsicher, dass                                                     da sah man plötzlich Sonnenblu-
selbst die Polizei kapitulierte und                                                  men auf Verkehrsinseln, rankendes
die Augen vor Raubüberfällen, Dro-                                                   Efeu an Betonmauern, Zucchi-
genhandel und anderen krimi-                                                         nipflanzen auf stillgelegten Baustel-
nellen Machenschaften verschloss.                                                    len oder zu Blumenampeln um-
Nur fernab des Zentrums wurden                                                       funktionierte Verkehrsschilder.
Naherholungsgebiete angelegt, die
jedoch aufgrund der weiten und                                                     In Deutschland gibt es zwar nicht,
beschwerlichen Anreise nur von                                                     wie beispielsweise in Frankreich, of-
den besser situierten New Yorkern                                                  fizielle Programme zur freien Begrü-
frequentiert wurden. Die Stadt                                                     nung der Innenstädte. Dennoch
selbst verkam zu einer Betonwüste,                                                 gibt es sie auch bei uns zahlreich:
Gebäude verwahrlosten und zerfie-                                                  Kleine Oasen, die in der Hektik der
len, die Zahl der zugemüllten                                                      Großstadt zum Verweilen einladen,
Brachflächen wuchs stetig.                                                         Treffpunkt der Nachbarschaft sind
                                                                 oder in denen man sich einfach beim Gärtnern die Hän-
Durch dieses hässliche und heruntergekommene                     de schmutzig machen kann.
Künstlerviertel schlenderte nun diese junge Malerin, 27
Jahre alt, feingeistig, mit einem großen Sinn für Schön-         Beispielsweise der Prinzessinnengarten in Berlin. Hier
heit und Ästhetik, die sich in ihrem Zuhause und der             sollte im Jahr 2012 die 6.000 Quadratmeter große Lie-
Umgebung nicht mehr wohl fühlte. Plötzlich entdeckte             genschaft meistbietend verkauft werden. Mit großem
Liz Christy der Legende nach auf einem der verlassenen           Engagement haben die Anwohner diese Privatisierung
Brachgrundstücke eine Tomatenpflanze, die sich unbe-             verhindert und einen Gemeinschaftsgarten ins Leben
irrt ihren Weg entlang des Mülls nach oben bahnte und            gerufen. Seitdem unterstützen bis zu 1.000 Freiwillige
sogar Früchte trug. In der Künstlerin wuchs eine Idee,           jede Saison das Grundstück am Moritzplatz in Kreuz-
die ihr Leben und das Bild ihrer Stadt für immer verän-          berg. Das Besondere an diesem und vielen anderen
dern sollte.                                                     urbanen Gärten: Die Pflanzen werden in Kisten, alten
                                                                 Badewannen, Säcken oder anderen mobilen Behältnis-
Schnell fand sie ein paar Gleichgesinnte, mit denen sie          sen angebaut. Sollte der Mietvertrag von der Stadt be-
ihr Stadtviertel einer Art Fruchtbarkeitstest unterzog:          endet werden, kann der Garten jederzeit umziehen.
Sie bastelte Saatbomben aus Samen, Kompost und                   Kreativität und Recycling statt Hightech und Professio-
Tonpulver, die sie auf leer stehende Grundstücke und             nalität ist die Devise.
                                    Foto: vikvarga auf pixabay
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Titelthema

Urban Gardening in Meckenheim: Das Projekt „Gießen und Genießen“ am Neuen Markt.                 Foto: Thomas Schmittgen

Die Gründe für das Warum sind vielfältig. Ausbruch aus        Im Gegenteil: Es muss geplant, angelegt, gesetzt und
dem öden Alltag, politischer Protest, Zeichen setzen,         aufgezogen werden, bis aus einem Samen eine Pflanze
dass ein Leben abseits der großen Landwirtschaftskon-         entsteht, die irgendwann einmal Früchte trägt. Am En-
zerne möglich ist. Sicher ist: Der Klimawandel ist für        de kann man dann aber auch sicher sein, dass es nicht
viele Hobbygärtner ein wichtiges Kriterium geworden.          nur besser schmeckt, sondern auch, dass für meine Le-
Warum sollte mein Obst und Gemüse tausende von                bensmittel keine Tiere oder Menschen ausgebeutet
Kilometern durch die ganze Welt verschifft werden,            wurden.
wenn ich meinen täglichen Bedarf an Vitaminen auch in         Ein weiterer wichtiger Nebeneffekt der urbanen Gärten:
meinem eigenen Garten pestizidfrei anbauen kann?              Jedes Beet, jeder noch so kleine grüne Fleck bringt die
Weil vor allem junge Familien in Großstädten dazu kei-        Natur zurück in die Innenstädte. Lebensräume werden
ne Gelegenheit haben, vielleicht sogar noch nicht ein-        schöner, bunter, vielfältiger. Neue Gemeinschaften ent-
mal einen Balkon, auf dem sie etwas anpflanzen                stehen, vielleicht sogar neue Lebensmodelle, die öko-
können, boomt der Trend zum Urban Gardening. Be-              nomische, soziale, nachhaltige, ernährungspolitische
wusst entscheiden sich viele gegen einen Schrebergar-         und gestalterische Facetten miteinander verknüpfen –
ten, sondern für den Gemeinschaftsgarten mitten in der        so wie seit den Ursprüngen des Urban Gardenings vor
Stadt. Es geht um mehr als Subsistenzwirtschaft und           45 Jahren in New York.
das Ernten von Lebensmitteln. Das Stichwort ist näm-
lich nicht „Garten“, sondern „Gemeinschaft“. Öffent-          Den „Liz Christy Garden“ gibt es immer noch. An der
liche Nutzungsräume, die für alle zugänglich sind, sind       Kreuzung Housten Street und Bowery in Manhattan
Orte des Zusammenkommens, der Begegnung. Hier ist             liegt versteckt der Eingang zu einem wahren Paradies,
jeder willkommen, kann sein Wissen einbringen und so          das von den Touristenfluten leicht übersehen wird. Die
anderen helfen. Eine gemeinsame Tätigkeit verbindet           Anlage beherbergt einen Fischteich mit Schildkröten,
und lässt Grenzen der Herkunft plötzlich ganz unwich-         eine Wildblumenwiese, Obstbäume, Gemüsegärten,
tig werden. Kinder lernen so, dass Obst nicht an der          Beeren, Kräuter und im Sommer hunderte von blü-
Supermarkttheke wächst, und entwickeln ganz neben-            henden Stauden. Die Namensgeberin kann ihren Gar-
bei Offenheit gegenüber anderen, Respekt vor der Na-          ten leider nicht mehr besuchen. Liz Christy starb 1985
tur und deren Rhythmus. Und das erfordert Geduld,             mit nur 38 Jahren an Brustkrebs. Ihr Vermächtnis, ihr
denn in einem selbst angelegten Garten ist nicht immer        bunter und sehr grüner Fingerabdruck findet sich je-
alles verfügbar, wenn ich gerade Lust darauf habe. Die-       doch auf der ganzen Welt.
se Art der Entschleunigung ist aber auch oft genau das,                                               Ilka Wasserzier
was die Hobbygärtner suchen. Natur geht nicht schnell.

 Liste aller urbanen Gärten in Deutschland:
 www.anstiftung.de/urbane-gaerten

 Urbane Gärten im Meckenheimer Umland:
 - Bonn: www.ermekeilgarten.de
 - Köln-Bayenthal: Gemeinschaftsgarten „Kölner Neuland e.V.“: www.neuland-koeln.de

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Perspektiven - ErnteZeit - Magazin der Pfarreiengemeinschaft Meckenheim - Pfarreiengemeinschaft ...
Titelthema

"Ihnen vertraue ich hundertprozentig!"
Gespräch mit polnischen Erntehelfern in Meckenheim

Sie sind diejenigen, die für uns die Äpfel von den Bäu-          Andrzey Swigost: Wir kommen seit 28 Jahren hierher
men holen und die Erdbeeren von den Feldern. Sie                 nach Meckenheim. Die meisten Polen stammen aus
kommen jahrein, jahraus, aus Polen oder Rumänien,                den Gebieten um Krakow (Krakau) oder Wroclaw
leben auf den Obsthöfen in Meckenheim und Umge-                  (Breslau). Anfangs hatten wir noch keine Kinder. Als wir
bung und fahren, wenn die Ernte eingebracht ist, wie-            welche bekamen, blieben sie in Polen zurück und wur-
der zurück in ihre Heimat: Die Erntehelfer, ohne die in          den von unseren Eltern betreut. Heute sorgen unsere
den Betrieben nichts ginge. Bei einem Besuch auf dem             Kinder für den Hof, den wir in Polen betreiben.
Obsthof Gieraths traf ich fünf Polinnen und Polen, die
zum Teil seit Jahrzehnten hierher kommen. Zusammen               Perspektiven: Wie lange bleiben sie bei einem Ernteeinsatz
mit Obstbauer Heinz Gieraths gaben sie mir ein Inter-            in Deutschland?
view. Richard Nawrath, in Polen geborener Schlesier,             Andrzey Swigost: Das hat sich mit der Zeit stark geän-
übersetzte.                                                      dert. Anfangs blieben wir kürzer und haben nur Erdbee-
                                                                 ren gepflückt. Heute ist unser Einsatzgebiet anders. Wir
                                                                 sind auch für die Äpfel zuständig und verschiedene
                                                                 Nacharbeiten, so dass wir sechs bis acht Monate blei-
                                                                 ben. In diesem Jahr sind wir seit Mai hier und bleiben
                                                                 wohl bis zum November.
                                                                 Gieraths: Die gesamten Kulturen haben sich in den letz-
                                                                 ten Jahrzehnten vollkommen verändert. Nehmen Sie
                                                                 die Erdbeeren: Durch neue Züchtungen und Sorten
                                                                 können wir bis in den Herbst hinein Erdbeeren ernten.
                                                                 Mittlerweile wachsen viele Obstsorten überdacht, was
                                                                 zusätzlichen Aufwand bedeutet.

                                                                 Perspektiven: Wie sieht der Tagesablauf für sie in Mecken-
                                                                 heim aus?
                                                                 Anna Swigost: Das hängt wesentlich davon ab, wie das
                                                                 Wetter ist. Wenn es im Sommer heiß und sonnig ist,
                                                                 dann stehen wir früh, das heißt ab fünf Uhr, in den
                                                                 Feldern. Mittags gibt es eine längere Pause, um der
                                                                 Hitze zu entgehen, und dann können wir nochmals am
                                                                 Nachmittag und am Abend pflücken.
                                                                 Gieraths: An diesem Beispiel kann ich Ihnen einmal
                                                                 deutlich machen, wie sehr wir unter der inzwischen
Perspektiven: Zunächst möchte ich Ihnen als jemand, der          ausufernden Bürokratie leiden. Von Gesetzes wegen
gerne heimisches Obst isst, dafür danken, dass Sie für uns       sind wir verpflichtet, zwischen dem Ende der Arbeits-
das Obst von den Feldern und Bäumen holen. Seit wann             zeit an einem Tag und dem Anfang am nächsten eine
tun sie das?                                                     Pause von 11 Stunden einzulegen. Sie können sich aus-
                                                                 rechnen, wie schwierig es ist, das einzuhalten!
                                            Foto: Martin Barth
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Titelthema

                                                                                                          Foto: Katja Schick

Anna Swigost: Übrigens: Eine der Helferinnen, Kazimiera       Andrzey Swigost: Es wird immer schwieriger, Erntehelfer
Podgorska, ist 75 Jahre alt. Sie ist noch immer ein Vorbild   anzuwerben und zu halten. Viele Polen, die früher nach
für uns, wie behände sie im Feld arbeitet!                    Deutschland kamen, sind nun alt und ihre Kinder haben
                                                              andere Berufe. Unsere Kinder zum Beispiel sind Ingeni-
Perspektiven: Wie viele Erntehelfer sind denn insgesamt auf   eure geworden. Den Hof zu Hause betreiben sie nur
dem Hof?                                                      noch, wenn wir in Deutschland sind und Erntehelfer wie
Andrzey Swigost: Zu den Hochzeiten sind es 80 Per-            wir wurden sie nicht.
sonen, die aus Polen, viele aber auch aus Rumänien            Gieraths: Nehmen Sie dieses Jahr: Im Mai hatten wir
kommen. Die Hauptsaison ist bis Mitte Juli, wenn die          Frost in den Erdbeeren. Da haben wir auf sechs Hektar so
Erdbeeren gepflückt werden. Ein weiterer Höhepunkt ist        viel geerntet wie sonst auf einem. Als es zu einer Unter-
dann ab Mitte September, in diesem Jahr vielleicht auch       brechung kam, sind etliche Helfer gegangen.
schon früher, mit Beginn der Apfelernte.                      In Meckenheim wird es zu großen Veränderungen kom-
                                                              men: Die Obstbauern finden nur ganz schwer Nachfol-
Perspektiven: Sie sagten, Sie kämen seit vielen Jahren und    ger für ihre Betriebe, Erntehelfer bleiben aus, bei vielen
Jahrzehnten schon nach Meckenheim. Hat sich da ein be-        Obstsorten lohnt sich der Anbau nicht mehr, weil der
sonderes Verhältnis zwischen Ihnen und Herrn Gieraths         Preis verfällt. Und die Leute kaufen im Zweifel lieber
entwickelt?                                                   Obst bei Aldi oder Lidl. Das wird sich auch auf unsere
Andrzey Swigost: Wir kommen natürlich auch wegen              Landschaft auswirken, wenn die klassischen Meckenhei-
Herrn Gieraths hierher. Es ist tatsächlich ein ganz beson-    mer Obstplantagen nach und nach verschwinden.
deres Verhältnis. Herr Gieraths war auch sicherlich schon
20 Mal in Polen zu Gast.
Gieraths: Gehen sie einmal nach Krakau. Es ist eine der       Die Redaktion der Perspektiven bedankt sich für dieses
schönste Städte die ich kenne! Ich bin sehr dankbar           Interview bei Heinz Gieraths, dem Ehepaar Anna und
dafür, dass ich ein so gutes Verhältnis und einen Stamm       Andrzey Swigost, den Schwestern Kazmiera Podgorska
von Erntehelfern habe, die seit langen Jahren hierher         und Regina Sobus und Elzbieta Szczesnowicz, sowie un-
kommen. Gerade auch dem Ehepaar Swigost bin ich               serem Übersetzer Richard Nawrath. Wir wünschen Ihnen
sehr dankbar. Ihnen vertraue ich hundertprozentig. Sie        alles Gute, denn durch ihre Arbeit erhalten sie die wun-
übernehmen auch eine große Verantwortung für die              derbare Meckenheimer Kulturlandschaft mit den Erd-
Abläufe und die Mitarbeiter hier auf dem Hof.                 beer- und Obstplantagen.
                                                              Um diese zu unterstützen, sei allen der Kauf regio-
Perspektiven: Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung bei    naler Produkte empfohlen.
den Erntehelfern und den Höfen insgesamt?                                           Das Interview führte Martin Barth

                                                                                                                          9
Perspektiven - ErnteZeit - Magazin der Pfarreiengemeinschaft Meckenheim - Pfarreiengemeinschaft ...
Titelthema
Klimawandel und Landwirtschaft:
Was ernten wir in Zukunft?

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„Nach der Klimakatastrophe kommt die Hungerkri-           samer. Methan stammt dabei hauptsächlich aus der
se“, so schrieb es vor einigen Wochen Günter Marks,       Rinderhaltung und dem Feuchtreisanbau, Lachgas aus
Journalist bei tagesschau.de in einem Artikel zum         Stickstoffdünger und dem Dung aus der Viehhaltung.
neuesten „Sonderbericht über Klimawandel und              Durch die hohe Wirksamkeit dieser Substanzen stam-
Landsysteme“ des Weltklimarates IPCC. In diesem           men nach Angaben des IPCC-Berichts etwa 23% der
Bericht[1] warnt der Weltklimarat eindringlich vor        Treibhausgasemissionen aus Land- und Forstwirtschaft.
den Folgen der Erderwärmung, insbesondere hin-            Rechnet man die Prozesse vor und nach der Lebensmit-
sichtlich der Ernährungssicherheit.                       telproduktion, z.B. aus Transporten, Lagerung, industri-
                                                          eller Weiterverarbeitung, Verpackung etc. hinzu, sind es
Durch Dürren, Extremwetterereignisse und stärkeren        sogar bis zu 37%.
Schädlingsbefall – Insekten finden bei wärmeren Tem-
peraturen deutlich bessere Lebensbedingungen vor –        Höchste Zeit, etwas zu tun. Der Weltklimarat setzt hier
gibt es bereits heute deutliche Ernteausfälle, die bei    vor allem auf die Bekämpfung der Wüstenbildung, um
den drei wichtigsten Getreidearten Mais, Weizen und       die Bodenfruchtbarkeit und damit die Kohlenstoffbin-
Reis je nach Region 5 – 20 % betragen. Dies wird in       dung in Böden und Pflanzen zu steigern und gleichzei-
Zukunft drastisch zunehmen. Je Grad Erwärmung, so         tig die landwirtschaftliche Produktivität als Beitrag zur
                                                          Ernährungssicherheit zu erhöhen. Außerdem empfiehlt
eine Studie der kalifornischen Stanford University[2],
                                                          er eine nachhaltige (Wieder)Aufforstung und ein nach-
werden die Ernteausfälle allein durch Schädlinge um
                                                          haltiges Landmanagement.
weitere 10 – 25% zunehmen. Verknappung von Lebens-
                                                          In Deutschland hat das Bundesministerium für Ernäh-
mitteln und steigende Preise sind dann die unaus-
                                                          rung und Landwirtschaft (BMEL) ein 10 Punkte umfas-
weichliche Folge und treffen vor allem die arme
Bevölkerung weltweit, auch bei uns in Deutschland.        sendes Maßnahmen-Paket[3] entwickelt, das vor allem
                                                          auf die Senkung der Stickstoffüberschüsse bei der Dün-
In der Zukunft wird es also in jedem Fall unwirtlichere   gung, auf eine nachhaltige Waldwirtschaft, Humusauf-
Bedingungen für die Landwirtschaft geben. Allerdings      bau der Böden und Erhalt von Dauergrünland und
ist die Landwirtschaft beim Thema Klimawandel nicht       Moorböden setzt. Gleichzeitig wird auch die Vermei-
nur betroffenes Opfer, sondern trägt auch selbst in       dung von Lebensmittelabfällen angestrebt.
nicht unerheblichem Ausmaß zur Erderwärmung bei.
Dabei spielt CO2 im Gegensatz zu anderen Bereichen        Genau hier kann auch jeder Einzelne bereits durch sein
                                                          Konsumverhalten einen wichtigen Beitrag zum Klima-
wie z.B. Verkehr, Energie aus Kohle oder Industrie, an
                                                          schutz leisten. Dass der Verzicht auf Fern- und Flugrei-
die man hierzulande zuerst denkt, nur eine untergeord-
                                                          sen, auf unnötige Autofahrten oder die energetische
nete Rolle. Es sind vor allem Methan und Lachgas, die
                                                          Sanierung des eigenen Hauses in diesem Zusammen-
aus der Landwirtschaft emittiert werden und den Treib-
                                                          hang sinnvoll sind, ist jedem klar. Aber bereits bewusst
hauseffekt verstärken. Dabei ist Methan etwa 20mal
                                                          nur so viel einzukaufen, wie man wirklich braucht, ist
stärker wirksam als CO2, Lachgas sogar 300mal wirk-
                                                          ein erster Schritt. In Deutschland landen im Durch-

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Titelthema

schnitt pro Person in Privathaushalten 85 kg Lebensmit-
tel pro Jahr in der Mülltonne. Das sind insgesamt 7 Mio.
Tonnen, zusammen mit den Abfallmengen aus Land-
wirtschaft, Handel und Gastronomie über 12 Mio.
Tonnen[4], aus deren Produktion Treibhausgase ent-
standen sind.
Aber auch darüber hinaus entscheiden unser Konsum-
verhalten und unsere Ernährungsgewohnheiten mit:
Grundsätzlich sind tierische Erzeugnisse stärker klima-
belastend als pflanzliche Produkte. „Spitzenreiter“ ist
hier erstaunlicherweise die Butter (zumindest im Ver-
gleich pro Kilogramm), gefolgt von Rindfleisch. Geflü-
gel- oder Schweinefleisch schneiden deutlich besser ab
(nur ein Drittel im Vergleich zu Rind). Unschlagbar sind
Gemüse, Kartoffeln und Obst. Einige Beispiele finden
Sie im Infokasten.
Auch „frisch statt verarbeitet“ und „regional und saiso-
nal“ ist unter Klimagesichtspunkten immer ein guter
Tipp. Warum also nicht mit dem Fahrrad zum Hofladen
anstatt mit dem Auto ins Einkaufszentrum? Und warum        Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 eventuell
im Winter nicht mal Grünkohl statt importiertes Ge-        auf die Hälfte oder sogar ein Viertel der jetzigen Emissi-
wächshausgemüse?                                           onen reduzieren lassen. Zusätzlich könnte durch Ände-
Und trotzdem ist es nicht immer ganz einfach, klima-       rungen der Ernährungsweisen ein etwa gleich hohes
freundlich einzukaufen und zu essen. Denn viele andere     Minderungspotenzial erreicht werden. An dieser Stelle
Einflussfaktoren wie z.B. Energieverbrauch für Lage-       sind wir alle gefragt, durch unser eigenes Verhalten für
rung, Wasserverbrauch oder Transportwege können            die Ernte dankbar zu sein, damit wir auch in Zukunft
mitentscheidend sein. Genauso wie unser eigenes Ver-       ausreichend ernten können.
halten: Unnötige Verpackungen zu vermeiden schont                                                    Alfred Dahmen
ebenfalls das Klima.
                                                           Quellenangaben:
Der Weltklimarat schlägt Alarm, aber sieht dennoch         [1] https://www.de-ipcc.de/128.php
„Reaktionsmöglichkeiten im gesamten Ernährungssys-         [2] Curtis A. Deutsch et al: Increase in crop losses to insect pests in a warming
                                                           climate, Science 31 Aug 2018: Vol. 361, Issue 6405, pp. 916-919
tem, von der Produktion bis zum Verbrauch“. Werde          [3] https://www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/ Nachhaltige
das gesamte, derzeit verfügbare technische Minde-          Landnutzung/Klimawandel/ _Texte/LandwirtschaftUndKlimaschutz.html
rungspotenzial aus Ackerbau und Tierhaltung sowie          [4] https://www.zeit.de/wissen/2019-05/lebensmittelverschwendung-
der Agroforstwirtschaft ausgeschöpft, könnten sich die     haushalte-essen-muell-deutschland

                                                                                                                                         11
Titelthema
„Dem helfen, dem es schlechter geht“
Lebenslanger Einsatz einer Merlerin trägt Früchte

Frau Meyer zu Drewer, Sie blicken in Ihrem Leben auf viele    in Merl, dem Vorlesewettbewerb oder beim Kinderbil-
Stationen zurück: Mutter dreier Kinder, Bastelkinder, Orts-   dungswerk. Hier konnte ich feststellen, dass manchen
vorsteherin in Merl, Kinderbildungswerk, Vorlesewettbe-       Eltern das Geld für die Teilnahme ihres Kindes fehlte.
werb, Seniorenunion, „Warme Mahlzeit für Kinder“ und          Mit Einführung der offenen Ganztagsschule und nach
vieles mehr. Sie haben schon viele Dinge angestoßen (ge-      Gesprächen mit der städtischen Verwaltung, den Schu-
sät) und zum Erfolg geführt (geerntet).                       len und Kirchen startete die warme Mahlzeit 2006 erst
                                                              für eine Probephase von drei Monaten an der Haupt-
Der Ort, an dem Menschen leben, soll schön sein. Sie          schule. Als dies erfolgreich war, wurde das Projekt auf
sollen gerne da leben, dafür habe ich mich immer ein-         alle acht Meckenheimer Schulen ausgeweitet.
gesetzt. In das Amt der Ortsvorsteherin, das ich von
1984 bis 2004 innehatte, bin ich mit Hilfe meines Vor-        Was motiviert Sie bei Ihrem Engagement?
gängers im Amt so reingewachsen.                                                  Ich habe ein großes Interesse an
Zum Wohlfühlen gehört das                                                         Kindern. Es ist mir wichtig, dass Kin-
Brauchtum - sei es Kirmes oder Kar-                                               der ein warmes Essen am Mittag
neval - und auch der Sport, Kegeln,                                               haben, denn sonst ist das Lernen
Boule oder der TST, an dessen An-                                                 schwer. Als Kriegskind kenne ich
fänge mit Sport in unserem Garten                                                 Hunger. Ich finde, Kinder sollten gu-
ich mich noch gut erinnere. Auch                                                  te Erinnerungen an ihre Kindheit
eine gute Nahversorgung ist wich-                                                 haben.
tig, daher bin ich froh, dass es mit
Aldi und Edeka nach schweren                                                      Spiel der christliche Glaube dabei ei-
Kämpfen geklappt hat und diese                                                    ne Rolle für Sie?
gut angenommen werden.                                                            Ja, sicher, der Einsatz für den Nächs-
                                                                                  ten. Dem zu helfen, dem es schlech-
Welches Projekt liegt Ihnen besonders                                             ter geht, ist, das ist etwas, das ich
am Herzen?                                                                        schon im Elternhaus vorgelebt be-
Die „Warme Mahlzeit“. Sie finanziert                                              kommen habe. Ob beim Brote
sich ausschließlich aus Spenden.                                                  Schmieren für Ausgebombte, beim
Die Leitung von Schulen, Kinder-                                                  Spielen mit dem kleinen Nachbar-
gärten oder z.B. auch Diakon Lux                                                  kind nach der Schule oder beim Be-
melden sich bei mir, wenn sie erfahren, dass die Eltern       such einer alten Frau in der Nähe: Soziales Engagement
eines Kindes nicht in der Lage sind, eine warme Mittags-      spielte eine große Rolle.
mahlzeit für ihr Kind zu finanzieren. Ich prüfe, ob unsere
Mittel eine Finanzierung erlauben. Oft wird eine Zusage       Wie erleben Sie Kirche in Meckenheim?
der Finanzierung für ein Halbjahr oder ein ganzes             Von Anfang an habe ich in Merl positiv empfunden,
Schuljahr gegeben. Auch übernehmen wir bei Kindern,           dass Ökumene funktioniert: sei es bei der Möglichkeit,
die Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket erhal-         vor dem Bau der Arche evangelische Gottesdienste im
ten, die Differenz zum tatsächlichen Preis der Mahlzeit.      Merler Dom zu feiern, sei es bei der Selbstverständlich-
Oder wir überbrücken die Zeit, bis öffentliche Mittel         keit, mit der Kinder aller Konfessionen die katholische
bewilligt sind, z.B. bei ausländischen Kindern.               Grundschule besuchen oder beim Feiern der Micha-
Dies funktioniert nur, wenn die „Warme Mahlzeit“ über         elskirmes. Auch die Perspektiven hole ich mir gerne im
ausreichend Geld verfügt. Daher an dieser Stelle ein          Pfarrbüro.
ganz herzlicher Dank an alle, die schon gespendet ha-
ben.                                                          Können Sie von einem besonderen Ernteerlebnis berich-
                                                              ten?
Wie kam es zur „Warmen Mahlzeit“?                             Es ist ein Erlebnis, mit den Kindern z.B. Erdbeeren zum
Seit ich 1968 nach Meckenheim kam, hatte ich eigent-          Selberpflücken in den Plantagen zu ernten.
lich immer mit Kindern zu tun, ob bei den Bastelkinder

                                                              Foto: Monika Barth
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                                                                                                      Foto: congerdesign auf pixabay

Ich habe viele Dinge nicht allein erreicht, sondern im-            und Gemüse für Schüler“ an den Meckenheimer Grund-
mer Mitstreiter gesucht und gefunden. Und meine Fa-                schulen finanzieren.
milie hat immer mitgemacht, sonst wäre es nicht
gegangen. Schön ist es, wenn etwa das Maisingen oder               Frau Meyer zu Drewer, ich bedanke mich ganz herzlich
„Sauberes Merl“ (heute „sauberes Meckenheim“) weiter               bei Ihnen für dieses Interview und wünsche Ihnen
bestehen, wenn man selbst damit aufhört.                           selbst alles Gute und Ihren Plänen gutes Gelingen.

Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?                                 Das Interview führte Monika Barth.
Ich würde gerne im nächsten Winter die Aktion „Obst

 Das Spendenkonto lautet:
 Stadtkasse Meckenheim, IBAN DE 22 3706 9627 1001 2160 11, Raiffeisenbank Voreifel e.g., Kennwort „Warme
 Mahlzeit“. Die Stadtverwaltung stellt gern eine Spendenquittung aus, dazu geben Sie bitte Namen und genaue
 Anschrift auf dem Überweisungsträger an.

Gott, ich bin wie ein Acker.                                       Allmächtiger, guter Gott,
Manches an mir ist hart und festgetrampelt.                        hilf mir auch bei scheinbar vergeblichem Mühen, bei Misslin-
Manches an mir ist steinig. Da kann nichts wachsen.                gen, Erfolglosigkeit und Scheitern nicht zu verzagen und zu
                                                                   verbittern, sondern auf dich zu hoffen und dir zu vertrauen.
Manches an mir ist spitz und dornig. Da ist kein Platz für dich.
                                                                   Schenke mir Beharrlichkeit und Geduld, Zuversicht und frohen
Aber da ist in mir auch gutes Ackerland und fruchtbarer Boden.
                                                                   Mut!
Du, Sämann-Gott,
                                                                   Denn du kannst alles zum Guten lenken. Bei dir ist nichts un-
ich möchte offen sein für das Gute, das in mir wachsen will.       möglich.
Ich möchte offen sein für dein Wort, das in mir Wurzeln schla-     So mag auch bei mir am Ende eine Ernte stehen, die jedes Maß
gen will.                                                          übersteigt, wie du es verheißt, dank deiner Gnade und Güte,
Ich möchte dir in mir Platz und Zeit und Aufmerksamkeit geben.     dank deines Erbarmens und deiner Treue.
Dann kann in meinem Leben viel aufgehen, zum Guten heran-                                                Pater Pius Kirchgäßner
reifen und Frucht bringen, sogar hundertfach.

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Geistliches Wort

Maria 2.0
„Es geht um die Zukunft der Kirche“

Mitglieder des Pfarrgemeinderates überlegen, ob es                    Die zweite wichtige Frage ist die des Amtes überhaupt.
nicht gut wäre, für die Küche eine Spülmaschine anzu-                 Genauer besehen: Können Frauen auch Diakonin und
schaffen, um bei Festen oder anderen Veranstaltungen                  Priesterin werden? Das ist ebenso ein Thema, das eine
das Spülen zu erleichtern. Da meldet sich der Pfarrer zu              lange Tradition der Kirche anfragt. Sie hat mit ihren
Wort und bemerkt: „Wofür brauchen wir eine Spülma-                    Ämtern immer wieder auf Notwendigkeiten reagiert.
schine? Dafür haben wir doch die Frauen!“                             Wir erfahren bereits im Neuen Testament davon. Die
                                                                      Apostelgeschichte erzählt wie sich das Amt des Diakons
Eine Anekdote, die zunächst schmunzeln lässt. Dann                    entwickelt hat. Es gab den Bedarf, dass sich jemand um
aber nachdenklich macht. Jahrzehntelang waren Frau-                   die Witwen und Waisen kümmert. Und die Kirche hat
en in den Pfarrgemeinden fürs Tische decken, Kochen                   mit der Einführung eines neuen Amtes auf diesen Be-
und Backen und eben auch fürs Spülen gut. Natürlich                   darf reagiert. Könnte das nicht heute auch der Fall sein?
sind das auch Aufgaben, die erledigt werden müssen.                   Schließlich muss bei der Amtsfrage berücksichtigt wer-
Aber nur von Frauen?                                                  den, dass es dabei nicht um eine Angelegenheit des
                                                                      Geschlechts geht. Entscheidend ist allein die Beziehung
In unseren Tagen wollen die Frauen                                                        zu Christus. Und die ist doch bei
das nicht mehr mitmachen. So hat                                                          Frauen genauso gegeben wie bei
sich die Bewegung Maria 2.0 gebil-                                                        Männern. Auch hierbei spielt wie-
det, die für Frauen in der Kirche die                                                     der die Tradition eine wichtige Rol-
gleichen Möglichkeiten fordern wie                                                        le. Was hat sich in der Tradition
für Männer. Es geht vor allem um                                                          gebildet, was ist geschichtlich so
die Amtsfrage. Man kann trefflich                                                         geworden, und was ist wesentlich
darüber streiten, ob die Art und                                                          und kann nicht aufgegeben wer-
Weise des Vorgehens dieser Bewe-                                                          den? Ist die jetzige Gestalt des
gung richtig ist: Kirchen- und Got-                                                       kirchlichen Amtes endgültig ver-
tesdienstboykott. Aber die inhalt-                                                        bindlich, oder steckt noch Potenzial
liche Ausrichtung scheint mir die                                                         für Veränderung darin?
Richtige zu sein. Es werden Fragen
angesprochen, die den Weg in die                                                            Es zeigt sich, dass Maria 2.0 wichtige
Zukunft der Kirche wesentlich prä-                                                          Fragen angeschnitten hat. Fragen,
gen.                                                                                        die den Weg der Kirche in die Zu-
                                                                                            kunft stark betreffen. Natürlich
So geht es um die Frage des Zöli-                                                           kann die Kirche von Köln solche
bats. Gehört der Zölibat wesentlich                                                         wichtigen Fragen nicht allein ent-
zum Priesteramt dazu? Manche sa-                                                            scheiden. Bei weiterem Nachden-
gen Ja. Aber der Zölibat hat sich erst allmählich unge-               ken wird immer deutlicher, dass sich die Notwendigkeit
fähr seit dem 4. Jahrhundert entwickelt. Er hat eine                  eines neuen Konzils ergibt. Ein Konzil, das sich mit der
lange Tradition in der Kirche. Das stimmt. Aber gehört                Zukunft der Kirche befasst scheint notwendig. Ist die
er so zum Priesteramt, dass es ohne diesen kein Pries-                Kirche, sind die Amtsträger dazu bereit? Es muss klar
tertum geben kann? Es spielten wirtschaftliche Erwä-                  sein, dass es bei dieser Frage nicht um etwas Beiläufiges
gungen und religionsgeschichtliche Faktoren eine                      geht. Es geht fundamental um die Zukunft der Kirche.
Rolle. Natürlich ist der Zölibat kein Allheilmittel. Aber             Das zu begreifen und entsprechend zu handeln scheint
wäre es nicht besser freizustellen, ob einer als Priester             mir wichtig. Ansonsten sieht es wohl schlecht aus für
heiratet oder nicht?                                                  die Kirche als Ganzes.

                                                                                                    Pastor Reinhold Malcherek
                       Bild: Lisa Kötter, www.mariazweipunktnull.de
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Aus dem Gemeindeleben

      Kommunionkinder St. Martin 2019

Aus datenschutzrechtlichen Gründen können wir in der Version für die Homepage leider keine personebezogenen
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Wir bitten um Verständnis
Ihre Perspektiven-Redaktion

Lesetipps aus der Öffentlichen
Bücherei
Baumbach, Martina: Herbst im Holunderweg.                  Lemken, Norbert: Miteinander leben - miteinander
2015, 128 S., ab 8 J. Alles, was die Herbstzeit spannend   danken.
macht, finden Kinder in diesen turbulenten Ge-             Bausteine zur Gestaltung von Gottesdiensten zum Ern-
schichten.                                                 tedank. Kevelaer 1993, 86 S.

Boff, Leonardo: Zukunft für Mutter Erde: warum wir         Ray, Jane: Die Schöpfungsgeschichte in Bildern er-
als Krone der Schöpfung abdanken müssen.                   zählt.
München 2012, 316 S. Nur mit einem auf einer Theolo-       Freiburg i. Br.: Herder, 1993, 12 Bl. Eine phantasievoll-
gie des Lebens basierenden, verantwortlichen Handeln       bunt ausgestaltete Nacherzählung der Geschichte vom
hat die Menschheit eine Zukunft.                           Anfang der Welt.

Danke für die guten Sachen, die uns satt und fröh-         Werth, Jürgen: Danken tut gut
lich machen.                                               ein Gesundheitsratgeber, der die Seele erfrischt. Gerth-
Tischgebete von Marlene Fritsch, 2012.                     Medien. 2015.

Kaenders, Gudrun: Dekoideen zum Erntedank.
Stuttgart 2006, 30 S. Vorlagebögen. Viele Ideen mit gu-
ten Material- und Arbeitsangaben.

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Aus dem Gemeindeleben

HÆC CAMPANA SONAT !
Die Meckenheimer Glocke „Catharina“ ist 200 Jahre alt

Meckenheim hatte 1000 Jahre unter geistlicher Herr-
schaft gestanden, dann hatte die Franzosenzeit vieles
verändert. Nun war das Rheinland vor fünf Jahren preu-
ßisch geworden, und erst in fünf Jahren sollte der erste
Rosenmontagszug in Köln gehen. Da bekam Mecken-
heim im Jahre 1819 eine neue Glocke mit besonderem
Charakter, die heute die älteste im Turm ist und regel-
mäßig die Stunden schlägt.
Gegossen wurde die Glocke aus 900 kg Bronze von
Georg Claren mit seinem Bruder Heinrich. Die Glocken-
gießerdynastie Claren hatte ihre Werkstatt 1816 von
Köln nach Troisdorf-Sieglar verlegt, wo bis 1891 an die
1.000 Glocken entstanden. Heute sind nur noch archäo-
logische Überreste der Gießerei erhalten. Unsere Glo-
cke stammt aus der frühen Phase dieser Werkstatt, als
sie noch unter „Gebrueder Claren“ firmierte, wie man
neben der Inschrift auch an dem Muschelornamentfries
auf der Schulter der Glocke erkennen kann. In ihrer
altmodisch-barocken Form- und Tongebung sowie Ver-
zierung ist sie typisch für Meister Georg. Sie hat einen
Durchmesser von 1,13 m und erklingt mit dem Schlag-
ton f’.
Wie kam es nun zu dem Glockenguss? Darüber gibt die
Hauptinschrift der Glocke verschlüsselt Auskunft:

                                                           „Catharina“ im Meckenheimer Kirchturm.
                                                                                                Foto: Matthias Grüne

Auch ohne Lateinkenntnisse lässt sich die erste Infor-     dung und war des Lateinischen vermutlich nicht mäch-
mation der Inschrift entschlüsseln: Die groß dargestell-   tig. Die meisten lateinischen Glockeninschriften
ten Buchstaben ergeben, als römische Zahlen addiert,       wurden damals ohnehin von den Pfarrern verfasst.
das Gussjahr 1819. So etwas nennt man ein Chrono-          Statt die Inschrift Wort für Wort zu übersetzen, lässt sie
gramm.                                                     sich auch unter Wahrung der antiken Versform ins
Analysiert man den Text genauer, dann zeigt sich, dass     Deutsche übertragen:
sein Verfasser ein Kenner und Freund der klassischen
Antike gewesen sein muss. Die Inschrift hat die Form
eines „elegischen Distichons“, allerdings nur, wenn man
                                                           Diese Glocke erklingt, die nun Catharina genannt
an einigen Stellen „falsch“ betont. Diese antike Vers-     wird,
form war seit der Renaissance wieder populär und fin-      durch unser Spendengeld wiedergeboren aus Erz.
det sich auch auf zwei Glocken von 1818, die vom
gleichen Meister für St. Margareta in Neunkirchen ge-
                                                           Der erste Halbvers „Diese Glocke erklingt“ bekommt
gossen worden waren. Mit Chronogramm, Versform
                                                           seine Erklärung erst am Schluss: „wiedergeboren aus
und inhaltlicher Aussage ist das Formulieren solcher
                                                           Erz“ bzw. aus Bronze. Gemeint ist die Bronze einer Vor-
Inschriften sozusagen ein „dreidimensionales Puzzle“.
                                                           gängerglocke, die mutmaßlich gesprungen war und
Unser Meister Georg hatte jedoch wenig formale Bil-

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Aus dem Gemeindeleben

daher eben nicht mehr erklang. Es handelt sich also um     Unsere Catharina galt 1917 noch aufgrund ihres Alters
einen sog. Umguss. Finanziert wurde er offenbar durch      als denkmalwürdig und wurde verschont. Die beiden
eine Spendenaktion unter den Meckenheimer Bürgern.         anderen, 1874 ebenfalls durch Umguss in der gleichen
„Nostris collectis probis“ kann dabei sowohl „durch un-    Werkstatt (unter Georgs Neffen Christian Claren) ent-
sere bescheidenen Spenden“ als auch „durch unsere          standenen Glocken wurden abtransportiert und fielen
üppigen Spenden“ heißen. Möglicherweise soll beides        der Rüstungsproduktion zum Opfer. Im Zweiten Welt-
durchklingen.                                              krieg wurde dann auch Catharina beschlagnahmt und
                                                           in den Hamburger Hafen gebracht, wo sich das größte
Warum heißt die Glocke nun Catharina? Ein Bezug zur
                                                           Glockenlager befand. Glücklicherweise konnte sie nicht
Hl. Katharina ist nirgendwo auszumachen, weder zu der
                                                           verarbeitet werden, da die entsprechenden Fabriken
von Alexandrien noch zu der von Siena. Ohnehin trägt
                                                           zerstört wurden. 1947 kam sie zurück nach Mecken-
unsere Glocke weder Anrufung noch Segensspruch
                                                           heim, nur beschädigt durch Abplatzungen am unteren
noch Hinweise zu ihrer geistlichen Rolle (abgesehen
                                                           Rand. Nach Anfertigung eines neuen Klöppels konnte
von einem Kreuzigungs-Relief). Solche „prosaisch“ be-
                                                           sie 1948 wieder zusammen mit der verbliebenen,
schrifteten Kirchenglocken findet man nur im ersten
                                                           kleinsten Glocke „Joseph“ (Gussjahr 1922) geläutet wer-
Drittel des 19. Jh., davor und danach waren die In-
                                                           den. Wenn heute zur Werktagsmesse geläutet wird,
schriften frommer. Wahrscheinlich hatte die Säkularisa-
                                                           hören wir wieder den gleichen Klang wie damals.
tion ihre Spuren hinterlassen, und Bürgerstolz und
Eigeninitiative wurden wichtiger als die Rückbindung       1952 kamen als Ersatz für die Kriegsverluste zwei neue
an übersinnliche Mächte. Der Name Catharina taucht         Gussstahlglocken dazu, mit den Namen der Vorkriegs-
ein weiteres Mal auf, und zwar in der zweiten Inschrift    glocken „Johann Baptist“ und „Maria“. Seitdem haben
auf der Glockenvorderseite:                                wir wieder ein volles, vierstimmiges Geläut (d’–f’–g’–a’),
                                                           welches aus sehr unterschiedlichen Glocken besteht
                                                           und in dieser Verschiedenheit durchaus eine Besonder-
 BEI CONSECRATION DER GLOCKE SINT ZEUGEN·                  heit darstellt. Bei genauem Hinhören kann man erken-
 CARL CHRYSTOPH WUELFING BUERGERMEISTER                    nen, dass Catharina (die Glocke mit dem dritthöchsten
    MIT CATHARINA SHÆFER GENANNT ROTH                      Ton) einem etwas anderen (barocken) Klangideal mit
          UND HEN: GOTTSCHALK MIT                          einem anderen inneren Tonaufbau nachgebildet ist als
  CHRISTINA SCHÆBEN GENANNT SCHUMACHER                     die anderen Glocken. Ihr tiefster Summton ist z.B. nur
                                                           eine Septime unter dem Schlagton und nicht wie bei
                                                           den anderen Glocken eine Oktave. Daher mischt er sich
Catharina Schäfer war also gewissermaßen die Ehren-        mit dem der zweithöchsten Glocke „Maria“ zu einem
dame des Bürgermeisters bei der Glockenweihe. War          mächtigen „Posaunenton“, besonders gut am Samstag-
sie die Schwester des „Empfängers“ (also des Ren-          abend (ohne die tiefste Glocke) zu hören.
danten) Andreas Roth, dessen Name auf der Rückseite
                                                           Das Sonntags-Vollgeläute unserer
mit denen sämtlicher Obrigkeiten und Honoratioren
                                                           Kirche ist von Georg Kluth ein-
aufgeführt ist? Hatte sie die Spendenkampagne für den
                                                           drucksvoll     gefilmt   worden:
Glockenumguss geleitet? Jedenfalls liegt es nahe, in ihr
                                                           http://youtu.be/O0H218kMpsM
die „Namenspatronin“ zu sehen.
                                                           oder direkt über den nebenstehen-
Ein Jahrhundert später wurden in den beiden Weltkrie-      den QR Code.
gen große Mengen von Glocken beschlagnahmt, da ihr
                                                           Zum diesjährigen Patrozinium wurde Catharinas Jubilä-
Metall für die Elektrotechnik und für Granatenhülsen
                                                           um mit dem vielleicht ersten Meckenheimer Glocken-
dringend gebraucht wurde. So kommt es, dass von den
                                                           konzert gebührend gewürdigt.
3.372 Glocken des Erzbistums Köln nur gut 700 aus der
Zeit vor 1900 stammen. Aus dem ersten Viertel des 19.                                               Matthias Grüne
Jh. sind sogar nur 11 Glocken erhalten.

                                                                                                                  17
Aus dem Gemeindeleben

Neuer beruflicher Auftrag für
Diakon Michael Lux

Diakon Michael Lux ist seit 2011 in unserer Pfarrei-     2003 war ich in Lengsdorf Ansprechpartner für die Pfar-
engemeinschaft tätig. Ab dem 1. September 2019           rei St. Petrus und kümmerte mich in Absprache mit dem
wird sich sein Aufgabenbereich deutlich verändern.       Pastor um alle Belange.
Er bleibt unserer Pfarreiengemeinschaft zwar als
Diakon erhalten, dies allerdings nur noch einge-         Perspektiven:
schränkt. Künftig wird er die Hälfte seiner Arbeits-     Von den diesen vielen Arbeitsfeldern liegt Ihnen ja bis
zeit als Krankenhausseelsorger am Universitäts-          heute hier bei uns die Caritasarbeit besonders am Her-
klinikum in Bonn einbringen. Wir haben diesen Um-        zen.
bruch zum Anlass genommen, mit Diakon Lux über
die zurückliegende Zeit bei uns und über seine neu-      Diakon Lux:
en Herausforderungen zu sprechen.                        Richtig. Aber es kamen ja noch weitere Aufgaben auf
                                                         mich zu. Von Anfang hat mich sehr beeindruckt, dass es
                                                         hier keine Fusionen von Pfarreien gegeben hat, son-
Perspektiven:
                                                         dern das Konstrukt einer Pfarreiengemeinschaft mit
Ich hatte seiner Zeit die Gelegenheit, an Ihrer Verab-   fünf selbständigen Pfarreien und einem hohen Potenti-
schiedung in der Pfarrkirche St. Maria Magdalena in      al von Ehrenamtlichen, die sich mit großer Leidenschaft
Bonn-Endenich teilzunehmen. Dort lag, wenn ich mich      einbringen und das Leben vor Ort lebendig halten. So
richtig erinnere, ein besonderer Schwerpunkt Ihres       wurde mein Einsatz breiter und abwechslungsreicher.
seelsorglichen Wirkens in der Arbeit mit Kindern, Ju-    Im Laufe der Jahre, nicht zuletzt dadurch bedingt, dass
gendlichen und Familien. Konnten Sie - rückblickend -    ich mit meiner Familie zunächst eine Wohnung in Merl
Ihre Vorstellungen für den Neuanfang in Meckenheim       fand, kam es dazu, dass ich mich schwerpunktmäßig in
verwirklichen?                                           der Pfarrei St. Michael einbringen konnte. Es entwickel-
                                                         te sich eine enge Zusammenarbeit mit dem Familienli-
Diakon Lux:                                              turgiekreis, der Messdienergemeinschaft, dem Pfarr-
                            Nun, nach der Diakonats-     ausschuss, den beiden Grundschulen, dem Senioren-
                            weihe im Jahre 1994 durf-    kreis und dem Katechetenkreis für die Erstkommunion-
                            te ich meine ersten          vorbereitung.
                            beruflichen Erfahrungen
                            in meiner Heimatpfarrei      Perspektiven:
                            Heilige Dreikönige in        Wir sprachen zuvor schon über das Thema Pfarrcaritas.
                            Neuss machen. Nach dem       Wollten Sie Ihre Erfahrungen hier einbringen und wenn
                            Vorbereitungsdienst be-      ja, welche Ziele hatten Sie sich gesetzt?
                            gann ich 1997 meine Tä-
                            tigkeit in Bonn, davon       Diakon Lux:
                            zehn Jahre in Endenich.      Es gab natürlich auch vor meinem Dienst in Mecken-
                            Dort konnte ich mich in      heim bedürftige Menschen, ob Familien oder Einzelper-
                            mehreren Schwerpunkten       sonen, denen im Gespräch und auch mit
                            der seelsorglichen Arbeit    Lebensmittelgutscheinen und Barauszahlungen (das
einbringen. Neben der von Ihnen schon erwähnten Fa-      Geld stammte aus der jährlich stattfindenden Caritas-
milien-, Kinder – und Jugendpastoral gehörten dazu die   Haussammlung) geholfen werden konnte. Es war fort-
Kommunion- und Firmvorbereitung, die Pfarrcaritas so-    zusetzen, was mein geschätzter Vorgänger, Diakon
wie die Messdienerarbeit. Nicht zu vergessen sind die    Werner Preller, mit den Caritaskreisen gut begonnen
viele Taufen, Trauungen und Beerdigungen. Bis zur ers-   hatte. Lediglich neu war die Einrichtung regelmäßiger
ten Fusion von drei Pfarreien zu einer Pfarrei im Jahr   Caritas-Sprechstunden im Pastoralbüro. Sehr dankbar

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Aus dem Gemeindeleben

                                                                                                Foto: Thomas Schmittgen

bin ich dafür, dass sich Menschen aus unserer Pfarreien-   sorgerliche Notfälle in der Klinik. An den anderen Tagen
gemeinschaft finden ließen, die diesen Dienst mit über-    arbeite ich hier in der Pfarreiengemeinschaft. Das ist
nommen haben. Besonders hervorzuheben ist, dass            mittwochs und donnerstags sowie an den Wochenen-
sich eine enge Zusammenarbeit zwischen der Ver-            den, an denen ich keine Rufbereitschaft habe. Die Cari-
bands- und Pfarrcaritas entwickelt hat. Und ich bin sehr   tas bleibt ein Schwerpunkt meiner Arbeit. Hinzu
zuversichtlich, dass diese Kooperation auch nach dem       kommen die sog. Kasualien, das sind Taufen, Trau-
1. September 2019 weiter ausgebaut werden kann. Ge-        ungen und Beerdigungen.
plant für den Herbst ist die Einrichtung eines Lotsen-
punktes im Sozialpsychiatrischen Zentrum (SPZ). Frau       Perspektiven:
Kastorp vom Caritasverband, Herr Ody vom SPZ und ich       Lieber Herr Diakon Lux, vielen Dank für dieses auf-
sind darüber im Gespräch.                                  schlussreiche Gespräch. Wir von der Redaktion bedan-
                                                           ken uns ganz herzlich für Ihr bisheriges Wirken in
Perspektiven:                                              unseren Gemeinden und freuen uns auch in der einge-
Und Ihr Einsatz in der Gemeindearbeit? Er wird sich ja     schränkten Zeit auf Ihr segensreiches seelsorgliches
ebenfalls reduzieren müssen.                               Tun. Ihnen und Ihrer Familie wünschen wir weiterhin
                                                           alles Gute und viel Kraft für die neue berufliche Heraus-
Diakon Lux:                                                forderung in der Krankenhausseelsorge.
Ich bin Pfarrer Malcherek und dem Pastoralteam sehr
dankbar, dass sie meinen Wunsch, in der Krankenhaus-       Wer unser Gespräch aufmerksam gelesen hat, dem
seelsorge arbeiten zu können, mittragen. Ich werde         dürfte nicht entgangen sein, dass Sie in diesem Jahr Ihr
nach einem sechswöchigen „Grundlagenkurs Kranken-          Silbernes Weihejubiläum feiern können. Dazu gratu-
hausseelsorge“ dienstags und freitags in der Uni-Klinik    lieren wir ganz herzlich und wünschen Ihnen Gottes
sein. Darüber hinaus übernehme ich etwa einmal im          reichen Segen.
Monat an den Wochenenden Rufbereitschaft für seel-                            Das Gespräch führte Helmut Bremm

                                                                                                                    19
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