Pfalzbrief Aufbruch und Ausbruch - Kanton St. Gallen - Amtsblatt Kanton St. Gallen

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Kanton St. Gallen

Pfalzbrief

Aufbruch und Ausbruch

Personalzeitschrift des Kantons St. Gallen Ausgabe 01/2017
Pfalzbrief Aufbruch und Ausbruch - Kanton St. Gallen - Amtsblatt Kanton St. Gallen
Nachgefragt
Wie lautet Ihr Plan B?

                         Raphael Aerne, Fachspezialist Elektrotechnik, Hochbauamt, Baudepar-
                         tement: Dort arbeiten, wo andere Urlaub machen, oder das Hobby zum Beruf werden
                         lassen: Diese beiden Sprichwörter wären bei meinem Plan B keine leeren Worthülsen.
                         Ich würde auf einer paradiesischen Insel als Barkeeper in der eigenen Strandbar feine
                         Cocktails mixen und guten Wein ausschenken. Doch wie der Schauspieler Will Smith
                         einmal sagte: Man soll keinen Plan B haben, denn dieser lenkt nur von Plan A ab.

                         Jürg Engler, Fachstelle Psychische Gesundheit, Zepra, Gesundheits-
                         departement: Die Frage nach dem Plan B ist für mich etwas wertend – wenn der
                         bevorzugte Plan A nicht klappt, kommt eben Plan B zum Zug. Für mich war und ist
                         es wichtig, für Veränderungen offen zu sein und dort, wo ich es mir wünsche, die­
                         se auch gezielt in Angriff zu nehmen. So habe ich bereits in den unterschiedlichsten
                         Berufsfeldern und an ganz verschiedenen Aufgaben gearbeitet und dabei viele Erfah­
                         rungen gesammelt – jedoch immer als Plan A zum passenden Zeitpunkt.

                         Philipp Egger, Stabsmitarbeiter der Geschäftsleitung, Staatskanzlei:­
                         Sollte ich meinen Plan B anwenden müssen, würde ich mich nach Mexiko abset­
                         zen und dort eine Tauchbasis samt kleinem Hotel eröffnen. So könnte ich tags­
                         über zusammen mit meinen Gästen die traumhafte Unterwasserwelt genies­
                         sen und abends als Barkeeper meine Cocktails perfektionieren. Diese würden
                         selbstverständlich auf hausgemachtem Tequila basieren. Je nach Erfolg der bei­
                         den Geschäftsbereiche würde ich dann den einen oder den anderen ausbauen.

                         Susie Bischof, Finanzen Sonderpädagogik, Amt für Volksschule, Bil-
                         dungsdepartement: In meinem Plan B tausche ich die Tastatur gegen eine Garten­
                         hacke und das geheizte Büro im Bildungsdepartement gegen den freien Himmel auf
                         unserem kleinen Bauernhof. Garten, Schafe und Hunde gehören bereits dazu. Men­
                         schen zu finden für gemeinsame Projekte wie rund ums Jahr Gemüse anbieten und
                         den Hof mit weiteren Tieren als gestaltete Umgebung für Kinder und Erwachsene mit
                         besonderen Bedürfnissen – also für dich und mich – öffnen: Das wäre mein feiner Plan.

                         Thomas Unseld, stv. Generalsekretär, Volkswirtschaftsdepartement: Habe
                         ich einen Plan B? In manchen Bereichen habe ich nicht mal einen Plan A. Gewisse
                         Dinge im Leben lassen sich einfach nicht planen. Soweit möglich ist es sicher ratsam,
                         Alternativen oder eben einen Plan B in Betracht zu ziehen, falls Plan A nicht aufgeht.
                         Trotzdem bin ich persönlich vorsichtig mit Plänen. Denn erstens kommt es – frei nach
                         Wilhelm Busch – anders und zweitens als man denkt.

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Aufbruch und Ausbruch

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                                                                            wir Kolleginnen und Kollegen, die diesen Schritt
                                                                            gewagt haben. Einige haben innerhalb der Kantons-
                                                                            verwaltung die Stelle gewechselt, andere innerhalb
                                                                            des Kantons, wieder andere haben die Kantonsgren-
                                                                            ze überschritten und ein paar Wagemutige haben
                                                                            den Sprung über den Teich gewagt. Diese leben und
                                                                            arbeiten heute in Vietnam, auf den Galapagos Inseln,
                                                                            in Washington oder in der Elfenbeinküste.
                                                                            Zuerst war er Generalsekretär im Volkswirtschafts-
                                                                            departement und danach Leiter Amt für Kultur:
                                                                            Hans Schmid. Seine Reise führte ihn vor zehn Jah-
Aufbruch und Ausbruch                                                       ren ins Engadin nach Lavin, wo er einen 150-jähri-
                                                                            gen Palazzo, das Hotel und Restaurant Piz Linard,
                                                                            übernahm. Hans Schmid berichtet von seinem neu-
                                                                            en Leben.
Auf zu neuen Ufern                                                      4
                                                                            Katja Lendi war früher Sachbearbeiterin bei der
Bewegter Mittag beim Kanton                                        11       Regionalstelle Buchs des Konkursamtes. Heute ist
                                                                            sie selbständige Huforthopädin. Katja Lendi erzählt,
Hans Schmid, Hotelier                                              12
                                                                            wie sie zu ihrem Plan B und ihrem beruflichen
Ausgefragt mit Hildegard Jutz                                      14       Glück fand.
                                                                            «Mister Olma» Nicolo Paganini legte eine abwechs-
Katja Lendi, Huforthopädin                                         16       lungsreiche Berufskarriere zurück: Früher war er

Nicolo Paganini, Olma-Direktor                                     18       unter anderem Anwalt, von 2002 bis 2007 Leiter
                                                                            Amt für Wirtschaft des Kantons St. Gallen, danach
Peter Jenni, Aussteiger                                            20       «Banker» bei der St. Galler Kantonalbank und seit
                                                                            2011 Olma-Direktor.
Wechsel beim Personal                                              22
                                                                            Peter Jenni arbeitete 17 Jahre im Amt für Verbrau-
Offa-­Genussinsel: Showküche Ostschweiz                            24       cherschutz und Veterinärwesen, bevor er beschloss,
                                                                            sich in Vietnam niederzulassen. Fast hätte ein
                                                                            Schicksalsschlag seine Pläne zunichte gemacht –
                                                                            aber eisern setzte er (wie geplant) Ende 2016 sei-
                                                                            nen Traum in die Tat um. Peter Jenni beschreibt,
                                                                            wie es dazu kam und wie sein Alltag in Südostasien
                                                                            aussieht.
Herausgeberin                                                               Und last but not least macht sich die Unterzeich-
Staatskanzlei/Kommunikation                                                 nende Ende April «auf und davon». Es war toll, in
                                                                            der St. Galler Kantonsverwaltung arbeiten zu dürfen,
Layout und Druck
                                                                            aber künftig kann ich von meiner Pension zehren.
Cavelti AG, medien. digital und gedruckt, 9201 Gossau
                                                                            Somit sage ich allen: Tschüss!
Adresse der Redaktion
Redaktion Pfalzbrief, Staatskanzlei, Regierungsgebäude, 9001 St. Gal­       Hildegard Jutz
len, Telefon 058 229 21 58, sabrina.rohner@sg.ch

                                                                                                                                    3
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Auf zu neuen Ufern

    Boris Tschirky                                                                            Jutta Röösli

Von Mai 2000 bis Ende 2003 arbeitete                                                        Ich habe ab 2001 als Leiterin der Zentral­
ich im Amt für Wirtschaft (AfW) – zuletzt                                                   stelle für Berufsberatung beim Kanton gear­
als Leiter Standortmanagement. In jenen                                                     beitet. Nach zehn Jahren war die Zeit für
gut dreieinhalb Jahren durfte ich zahlreiche                                                etwas Neues gekommen. Die Aufbauarbeit
kommunale, nationale und internationale                                                     in der Berufsberatung war geleistet und
Unternehmen beraten und begleiten. Eine                                                     vieles hatte sich eingespielt. Nach einem
tolle Erfahrung war es jeweils, wenn die         Pia Thoma                                  Abstecher nach Winterthur wurde ich im
besprochenen Massnahmen Früchte tru­                                                        August 2014 zur Vorsteherin des Departe­
gen und zur Weiterentwicklung der Firmen                                                    ments Bildung und Sport in Wil gewählt. Ich
sowie zur Stärkung des Standortes Kanton       Nach fast elf Jahren als Sachbearbeiterin    habe nun wieder eine Führungsaufgabe im
St. Gallen beitrugen. Unvergessen bleiben      Lehraufsicht im Amt für Berufsbildung war    Bildungsbereich, was mir bereits beim Kan­
die vielen persönlichen Begegnungen im In-     es für mich 2011 Zeit, meinen Rucksack       ton sehr gut gefallen hat. Beim Kanton hat­
und Ausland. Nach dem Aufbruch zu neu­         zu packen und aufzubrechen für ein neu­      te ich einen tollen Gestaltungsraum, wurde
en Ufern arbeitete ich bei St. Gallen-Boden­   es Abenteuer. Gefunden habe ich dieses       gefördert und erfuhr bereichernde Begeg­
see Tourismus als Direktor. Aktuell bin ich    bei der Micarna. Heute absolvieren 126       nungen. Es war eine schöne Zeit, und in
Gemeindepräsident von Gaiserwald und           Lernende in 18 Berufen ihre Grundaus­        meiner jetzigen Funktion stehe ich weiter­
Präsident der St. Galler Gemeindepräsiden­     bildung in Courtepin und Bazenheid. Hier     hin im Kontakt mit dem Bildungsdeparte­
tinnen und Gemeindepräsidenten (VSGP).         durfte ich vor sechs Jahren die Verant­      ment des Kantons St. Gallen.
Bei all diesen Funktionen zehrte und zeh­      wortung für die Ausbildung der Dienstleis­
re ich von den Erfahrungen beim dama­          tungsberufe Ost übernehmen. Eine span­
ligen AfW sowie von den departements­          nende und vor allem abwechslungsreiche
übergreifenden Kontakten.                      Tätigkeit. Ich kann nicht nur in der Wirt­
                                               schaft etwas bewegen, sondern vor allem
                                               jungen Menschen eine Perspektive auf­
                                               zeigen. Noch heute kann ich von meinem
                                               reichlich gefüllten Rucksack aus meiner
                                               Kantonszeit profitieren, sei es bei meiner
                                               Arbeit mit den Jugendlichen, ihren Eltern,
                                               den Lehrern oder im Austausch mit den
                                               kantonalen Bildungsinstitutionen.

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Sarah Neff

                                              2001 gestartet, habe ich meine KV-Lehre
                                              mit BMS im Bildungsdepartement absol­
                                              viert. Darauf durfte ich als Sachbearbei­
                                              terin im Amt für Volksschule Berufserfah­
                                              rung sammeln. 2008 war es Zeit für einen
                                              Aufbruch. Ich habe an der Hochschule in
                                              Chur den Bachelor in Tourismus erworben.
                                              Es war immer ein Vergnügen, während
                                              des Studiums zurückzukommen und Ein­
  Remo Daguati                                sätze im Generalsekretariat zu leisten. Von     Daniel Morf
                                              @sg.ch auf @switzerland.com ging’s weiter
                                              nach Zürich zu Schweiz Tourismus. Bei der
Von 2004 bis 2011 betreute ich im Amt         nationalen Marketingorganisation habe ich     Ich habe von 2005 bis 2010 in der Staats­
für Wirtschaft Projekte in den Bereichen      während vier Jahren im Event Management       kanzlei als wissenschaftlicher Mitarbeiter
Standortförderung, Arbeitsmarktbeobach­       gearbeitet und bin jetzt für dieselbe Firma   gearbeitet. In unserem Team waren wir für
tung und Arbeitssicherheit. Bei Switzer­      in Wien tätig, um österreichische Gäste für   die Entwicklung von neuen Planungs- und
land Global Enterprise (damals Osec) fas­     die Schweiz zu gewinnen.                      Steuerungsinstrumenten verantwortlich, so
zinierte mich das internationale Netzwerk.                                                  zum Beispiel für den Aufgaben- und Finanz­
Bis Anfang 2016 leitete ich dort die natio­                                                 plan oder das Regierungscontrolling. Im
nale Standortpromotion, die Importförde­                                                    Jahr 2010 habe ich die Staatskanzlei ver­
rung und das Messewesen mit Aktivitä­                                                       lassen, um mich 100 Prozent meiner Fir­
ten in über 30 Nationen. Seit 2016 bin ich                                                  ma, der rheinspringen GmbH, widmen zu
selbständiger Berater für Standortförde­                                                    können. Mit rheinspringen unterstützen wir
rung, Arealentwicklung sowie Social Media                                                   Jugendliche und junge Erwachsene beim
Marketing. Wichtigste Mandate sind die                                                      Übergang von Schul- zur Arbeitswelt mit
Geschäftsführung des Hauseigentümerver­                                                     dem Ziel, dass sie eine Lehrstelle oder eine
bands Kanton und Stadt St. Gallen sowie                                                     Arbeitsstelle finden. Während den fünf Jah­
der Projektsupport bei der IT-Bildungsof­                                                   ren in der Staatskanzlei konnte ich einiges
fensive. Die Erfahrung aus beruflichen Sta­                                                 lernen. Ich bin dankbar für die Erfahrungen
tionen fliesst so in meine Kundenprojekte.                                                  und die gute Zeit, die ich erleben durfte.

                                                                                                                                      5
Pfalzbrief Aufbruch und Ausbruch - Kanton St. Gallen - Amtsblatt Kanton St. Gallen
Nathalie Montalvo (geb. Flaig)                                                               Christof Gämperle

Ich schaue hinaus aufs türkisblaue Meer                                                        In den 20 Jahren beim Kanton übernahm
und erinnere mich an früher. Vor fast 19        Christian Meile                                ich verschiedene Positionen und arbeitete
Jahren habe ich direkt nach der Ausbildung                                                     zuletzt als Generalsekretär im Baudeparte­
bei der Fremdenpolizei eine Stelle angetre­                                                    ment. Nach dieser sensationellen Zeit bei
ten. Es war eine sehr schöne und lehrrei­     Von 1993 bis 2016 arbeitete ich bei der          der öffentlichen Hand wollte ich unbedingt
che Zeit mit tollen Kolleginnen und Kolle­    Kriminaltechnik (heute Forensisch-Natur­         auch die Privatwirtschaft kennenlernen. Als
gen und Vorgesetzten. Nach einigen Jahren     wissenschaftlicher Dienst) der Kantonspo­        sich mir die Gelegenheit bot, die Stelle als
wurde mir unbezahlter Urlaub bewilligt und    lizei St. Gallen. In den letzten 13 Jahren       General Counsel bei der Implenia Grup­
ich ging nach Ecuador, um Spanisch zu         führte ich die Dienststelle. Von November        pe zu übernehmen, habe ich zugegriffen.
lernen. Auf den Galapagos Inseln lernte       2014 bis Dezember 2016 absolvierte ich           Obwohl es mir beim Kanton sehr gefallen
ich meinen jetzigen Mann kennen. Unse­        in der Elfenbeinküste eine UNO-Mission           hat, bereue ich diesen Schritt nicht. Wenn
re Liebe war der Grund, weshalb ich mei­      und unterstützte die Entwicklung des dor­        ich heute zurückblicke, denke ich an den
ne Stelle kündigte und auswanderte. Nun       tigen Polizeilabors. Ich machte vor allem        spannenden Austausch mit den Kunden
lebe ich schon seit fast 13 Jahren auf der    Analysen von Betäubungsmitteln. Im April         des Baudepartementes und an die vielen
Insel Santa Cruz und habe einen Sohn.         2016 wurde die Elfenbeinküste von einem          interessanten Menschen, mit denen ich
Ich übersetze ab und zu auf Kreuzfahrten      Terroranschlag erschüttert, bei dem ich          zusammenarbeiten durfte.
oder Tagestouren und arbeite seit einigen     drei Freunde verlor. Ich selber hielt mich
Jahren im familieneigenen Hotel (Kontakt:     zur Zeit des Anschlags zu Hause auf. In
nathalie_flaig@yahoo.de).                     Afrika wurde mir bewusst, wie viel Glück
                                              ich in meinem Leben gehabt habe. Nach
                                              dem schrecklichen Terroranschlag woll­
                                              te ich weiterhin in der Entwicklungszu­
                                              sammenarbeit arbeiten. Da ich Angebote
                                              für die Begleitung von Polizeiprojekten in
                                              Afrika erhielt, entschied ich mich, bei der
                                              Kantonspolizei zu kündigen und ein neu­
                                              es Kapitel in meinem Leben aufzuschlagen.
                                              Zurzeit begleite ich als selbständiger Bera­
                                              ter Polizeiprojekte in Afrika. Von Februar bis
                                              Ende April 2017 zum Beispiel in Kamerun.

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Pfalzbrief Aufbruch und Ausbruch - Kanton St. Gallen - Amtsblatt Kanton St. Gallen
Caroline Derungs

                                              Per 1. Januar 2017 wechselte ich von der
                                              Standortförderung im Amt für Wirtschaft
                                              und Arbeit als Messeleiterin von «Gren­
                                              zenlos» zur Genossenschaft Olma Mes­
                                              sen St. Gallen. Seit meiner Reisebürolehre­
                                              habe ich den «Tourismusvirus» in mir. Der       Florian Kessler
                                              Wunsch, wieder an der Front zu wirken,
                                              wuchs während meiner Weiterbildung Exe­
                                              cutive MBA «Tourismus und Hospitality         Nach meiner Tiefbauzeichnerlehre beim
                                              Management». Das Angebot, die ehema­          Kanton von 1988 bis 1992 folgten Studi­
  Sybille Moser                               lige Ferienmesse St. Gallen in den nächsten   en- und Berufsjahre, bis ich im Jahr 2000
                                              Jahren zu einem Treffpunkt für Freizeit und   als Projektleiter beim Amt für öffentlichen
                                              Fernweh umzuwandeln, entsprach genau          Verkehr einstieg. Die Angebotsgestaltung
Fast neun Jahre habe ich im Sekretariat der   meinen Vorstellungen der beruflichen Wei­     des Regionalverkehrs von Bahn und Bus
Bewährungshilfe gearbeitet. Schon damals      terentwicklung. Bei der Standortförderung     im südlichen Kantonsteil war eine meiner
habe ich nebenbei Pferde osteopathisch        habe ich Einblick in verschiedene Branchen    Hauptaufgaben. Die Busse verkehren bis
behandelt. Wegen der stetig steigenden        und ihre Herausforderungen erhalten und       fast in jeden Winkel. So lernte ich «Land
Therapieanfragen kam der Zeitpunkt, an        viele Prozesse und Aufgaben der öffentli­     und Leute» des Kantons kennen. Fordernd
dem ich mir überlegen musste, wie ich die     chen Hand kennengelernt. Der Aufbruch fiel    waren die Erarbeitung von öV-Investitions­
vielen Termine fristgerecht in meiner Frei­   mir leichter, da ich mit «Grenzenlos» einen   programm und künftiger öV-Strategie. Das
zeit unterbringen konnte. Der Umzug der       direkten Beitrag zur Standortattraktivität    Arbeiten im kleinen AöV-Team war sehr
Bewährungshilfe an den Oberen Graben          des Messeplatzes St. Gallen leisten kann.     kollegial – es machte Spass! Und trotz­
32 und die daraus resultierende Umstruk­                                                    dem, die Inhalte wiederholten sich und mir
turierung des Sekretariats war für mich der                                                 fehlte der Bezug zur räumlichen Entwick­
passende Zeitpunkt, die Pferdetherapien                                                     lung als Ganzes. So entschied ich mich
zum Hauptberuf zu machen. Die Zeit bei                                                      zu einer raumplanerischen Weiterbildung,
der Bewährungshilfe hat mich gelehrt, mit                                                   und schliesslich wechselte ich 2006 nach
kniffligen Situationen und anspruchsvollen                                                  Rorschach. Seit 2014 engagiere ich mich
Menschen umzugehen. Dies kommt mir                                                          für die Entwicklung von St. Gallen als Lei­
auch bei meiner jetzigen Tätigkeit zugute.                                                  ter des Stadtplanungsamts.

                                                                                                                                     7
Pfalzbrief Aufbruch und Ausbruch - Kanton St. Gallen - Amtsblatt Kanton St. Gallen
Denise Solenthaler                                                                            Tuuli Mooney-Schindler

«200-jähriges Bauernhaus zu vermieten,                                                          Während der Totalrevision der Kantonsver­
Appenzellerland.» Dieses Inserat habe ich                                                       fassung von 1996 bis 1999 arbeitete ich
vor knapp fünf Jahren im St. Galler Tag­                                                        als Leiterin des Verfassungssekretariats. Es
blatt entdeckt. Sofort war mein Interesse                                                       war eine überaus spannende Zeit. 1999
geweckt. Vor dem Umzug von der Stadt                                                            zog ich der Liebe wegen nach Washington,
aufs Land arbeitete ich als Leiterin Adminis­                                                   D.C. Inzwischen bin ich dort festverankert.
tration im Hochbauamt und als Sekretärin                                                        Seit mehreren Jahren arbeite ich als Juristin
im Rechtsdienst beim Gesundheitsdepar­                                                          beim Internationalen Währungsfonds (IWF)
tement. Der Entscheid für den Aufbruch fiel                                                     und bin zuständig für das interne Perso­
mit dem Erhalt der Schlüssel zum Bauern­          Stephan Brunner                               nalrecht. Meine Aufgabe beim IWF erin­
haus. Ich kündigte die Stelle beim Kanton                                                       nert mich oft an die St. Galler Verfassungs­
und startete die zweijährige Weiterbildung                                                      revision, da sie auch zu einem Grossteil
zur Bäuerin an der Landwirtschaftlichen         1999 stieg ich im Rechtsdienst der Staats­      aus Gesetzesschreibung und juristischem
Schule Salez. Heute züchte ich Appen­           kanzlei als Praktikant ein. Dort und bei den    Projektmanagement besteht. Mein Büro
zellerziegen, geniesse Gemüse aus dem           Aussenbeziehungen sammelte ich, nach            ist aber kein grandioses, dunkel getäfer­
Garten und arbeite Teilzeit im Personalbe­      Tätigkeiten in der Privatwirtschaft und an      tes Zimmer wie damals in der Pfalz, und
reich sowie im sozialen Bereich. Ich lebe       der Uni, erste Verwaltungserfahrung. Ein        statt der Klostertürme sehe ich nun das
bewusster, bewege mich mehr und habe            knappes Jahr später musste ich schon wei­       Weisse Haus.
den für mich optimalen Ausgleich zur sit­       terziehen. Ich verliess nicht nur, fast etwas
zenden Bürotätigkeit gefunden. Die fünf         schweren Herzens, die st.gallische Staats­
Jahre als Kantonsangestellte möchte ich         kanzlei, sondern auch die Ostschweiz.
nicht missen. Rückblickend gibt es kein         Beim Bundesamt für Justiz in Bern wurde
gut oder schlecht, ganz nach dem Mot­           ich als wissenschaftlicher Adjunkt für das
to «Alles zu seiner Zeit» – wie in der Natur.   damals erarbeitete Öffentlichkeitsgesetz
                                                des Bundes zuständig. Weitere Etappen
                                                auf dem Berufsweg führten mich aber wie­
                                                der auf ähnliche Geleise zurück: Heute lei­
                                                te ich den Rechtsdienst der Bundeskanzlei.
                                                Und bin ein bisschen Heimweh-St. Galler!

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Pfalzbrief Aufbruch und Ausbruch - Kanton St. Gallen - Amtsblatt Kanton St. Gallen
Barbara Koch

                                                Von April 2006 bis Juni 2013 war ich Gene­
                                                ralsekretär-Stellvertreterin im Gesund­
                                                heitsdepartement. Heidi Hanselmann und
  Simon Thalmann                                Roman Wüst haben mir als junger Frau
                                                die Chance gegeben, Verantwortung zu
                                                übernehmen, Projekte zu leiten und erste         Chompel Balok
1997 bin ich im Bildungsdepartement ein­        Führungserfahrung zu sammeln. Mit einem
gestiegen, als Revisor im Amt für Schulge­      Rucksack voll von Gelerntem sowie mit
meinden. Anschliessend übernahm ich die         schönen Erinnerungen an die Ostschweiz         Im Bildungsdepartement war ich zuerst als
Abteilung Stipendien, in der damals Auf­        kehrte ich im August 2016 nach Luzern          wissenschaftlicher Mitarbeiter im Amt für
bruchstimmung herrschte. Meine Arbeit in        zurück. Mir wurde die Position der General­    Mittelschulen sowie im Amt für Hochschu­
St. Gallen unterbrach ich zweimal für mili­     sekretärin am Kantonsgericht angeboten.        len tätig. Später übernahm ich die Bereichs­
tärische Auslandseinsätze: 2002 leistete        Die Aussicht, selber ein Generalsekretariat    leitung für die Pädagogischen Hochschulen
ich als Kommandant-Stellvertreter einen         zu führen und in der alten Heimat zu leben,    im Amt für Hochschulen. Dank der Unter­
sechsmonatigen Swisscoy-Einsatz im              haben mir den Entscheid, eine gute Stel­       stützung meiner Vorgesetzten konnte ich
Kosovo und 2006/07 machte ich Dienst            le und viele tolle Mitarbeitende in St. Gal­   parallel dazu mein Zweitstudium an der Uni­
an der innerkoreanischen Grenze in der          len zu verlassen, etwas leichter gemacht.      versität Zürich erfolgreich beenden. Nach
Neutral-Nations-Supervisory-Commission                                                         sechs spannenden und lehrreichen Jah­
in Seoul und Umgebung. Nachdem ich                                                             ren im Bildungsdepartement reizten mich
2010 aus dem Staatsdienst ausgetreten                                                          eine neue Aufgabe mit mehr Verantwor­
war, leistete ich nochmals fast ein Jahr                                                       tung sowie ein neues Thema. Der Wech­
Dienst in Korea, bevor ich am 1. Januar                                                        sel in das Departement des Innern mit sei­
2012 Gemeindepräsident von Niederhel­                                                          nen gesellschaftlichen Themen lag für mich
fenschwil wurde. Rückblickend sehe ich                                                         als Soziologen nahe. Nachträglich sehe
die Zeit beim Kanton als eine eher unbe­                                                       ich meine Einschätzung bestätigt, dass
lastete Lebensphase mit vielen Aus- und                                                        ein Plan B nicht immer mit einer radikalen
Weiterbildungsmöglichkeiten. Der Kanton                                                        Veränderung einhergehen muss. Er kann
ist mir als grosszügiger und fairer Arbeitge­                                                  durchaus auch eine sehr spannende Ver­
ber in Erinnerung geblieben. Ich vermisse                                                      änderung im «Mikrokosmos Staatsverwal­
das Stadtleben schon ein wenig.                                                                tung» sein.

                                                                                                                                         9
Pfalzbrief Aufbruch und Ausbruch - Kanton St. Gallen - Amtsblatt Kanton St. Gallen
Maria Seelhofer                                                                                 Christine Koch

Ich habe von 2004 bis 2015 beim Amt für                                                         Nach drei Jahren als Verwaltungsjuristin
öffentlichen Verkehr gearbeitet. In diese                                                       beim Departement des Innern (und vorher
Zeit fällt auch mein Executive Master-Stu­                                                      bereits vier Jahren beim Kanton Appen­
dium an der Universität Bern im Bereich                                                         zell Ausserrhoden) war es für mich Zeit für
öffentliche Verwaltung. Dank diesem Stu­                                                        einen Wechsel ins Zivilrecht. Unweit meines
dium und meinem Fachwissen über die                                                             letzten Arbeitsortes bin ich im März 2014
Finanzierungsmechanismen im öV konn­                                                            beim Kantonsgericht im Familienrecht fün­
te ich zuletzt als Projektleiterin der neuen     Ueli Nef                                       dig geworden. So zügelte ich vom Ostflügel
öV-Gesetzgebung des Kantons mitwirken.                                                          in den Nordflügel des Regierungsgebäu­
Nach mehr als zehn Jahren war es Zeit                                                           des. Im Generalsekretariat des Departe­
für eine neue Herausforderung. Seit April      Nach rund fünfjähriger Tätigkeit im Sicher­      ments des Innern waren verschiedene
2015 bin ich Leiterin Finanzen der Spital­     heits- und Justizdepartement wechselte           Ämter beheimatet, dadurch entstand ein
region Fürstenland Toggenburg. Ein lieber      ich ins Gesundheitsdepartement. Seit zwei        bunter Mix von Mitarbeitenden. Beim Kan­
Geschäftspartner meinte, ich komme vom         Jahren leite ich nun den Rechtsdienst im         tonsgericht ist in der alltäglichen Arbeit von
Regen in die Traufe, da der Gesundheits­       Gesundheitsdepartement. Heute kenne ich          der Politik und Verwaltung wenig spürbar –
bereich nicht mehr Geld zur Verfügung hat      nicht nur die Thematiken beider Departe­         die Gewaltenteilung funktioniert!
als der öV. Er mag Recht gehabt haben,         mente, sondern auch deren Organisation
den Wechsel habe ich trotzdem bis heu­         und Funktionsweise. Gleichzeitig ermög­
te nicht bereut.                               lichte mir der Wechsel, viele weitere interes­
                                               sante Menschen kennenzulernen, die sich
                                               mit Engagement für den Kanton einsetzen.
                                               All dies hilft mir heute ganz entscheidend
                                               bei meiner täglichen Arbeit. Aufgrund mei­
                                               nes Berufswegs bin ich überzeugt, dass
                                               interdepartementale Wechsel sowohl für die
                                               Betroffenen als auch für die Kantonsverwal­
                                               tung besonders gewinnbringend sind. Ich
                                               meine, dass kantonale Personalentscheide
                                               vermehrt aus diesem Blickwickel getroffen
                                               werden sollten.

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Bewegter Mittag beim Kanton
Sportangebote für die Mittagspause

Über Mittag aus dem Büro rein in die Sporthalle und Beweglichkeit, Ausdauer oder Entspannung schulen
– gemeinsam mit anderen Mitarbeitenden der Kantonsverwaltung. Das Bau- und das Bildungsdepartement
­sowie das Betriebliche Gesundheitsmanagement BGM bieten Angebote zum bewegten Mittag an.

Mittagssport im Baudepartement
POE organisiert während des Winterhalb­
jahrs am Montagmittag im Athletik Zen­
trum den Freizeitkurs «Fitness & Spiel».
Motiviert durch diesen Kurs haben Mit­
arbeitende vom Baudepartement in eige­
ner Regie eine Fortsetzung fürs Sommer­
halbjahr organisiert. Im Unterschied zum
POE Freizeitkurs beschränkt sich die­
se Aktivität auf die Sportarten Unihockey
und Fussball. Die Gruppe ist bunt durch­
mischt mit Teilnehmerinnen und Teilnehmer
aus dem Baudepartement, dem Bildungs-
und Sicherheits- und Justizdepartement.
Die sportliche Abwechslung am Mittag
wird sehr geschätzt, deshalb kam bereits
nach dem ersten Halbjahr der Freitagmit­
tag dazu. Beide Aktivitäten finden jeweils
von 12.15 Uhr bis 13.15 Uhr im Athletik        Voller Einsatz beim Mittagssport im Baudepartement.
Zentrum statt. Interessierte können sich
bei jeanluis.nardone@sg.ch melden. Es hat
noch Platz für zwei bis drei zusätzliche       Spielniveau reicht vom Prädikat Schildbür­                  Yoga hat auf viele Menschen eine
Teilnehmende.                                  ger bis FC Winkeln. Der Begriff Mittags­              beruhigende, ausgleichende Wirkung und
                                               sport ist insofern etwas hochgegriffen, als           kann den Folgeerscheinungen von Stress
Jean Luis Nardone                              es sich in Tat und Wahrheit um eine Grup­             entgegenwirken. Yoga lehrt, Körper und
                                               pe von Fussballbegeisterten handelt, die              Geist zu entspannen, aber auch Energie
Mittagssport im                                zusätzlich ein bisschen Unihockey spielt.             und Kraft für den Alltag zu schöpfen.
Bildungsdepartement                            Und ja, es sind auch Frauen dabei (frei­                    Es gibt kaum Einschränkungen und
Es ist ein halber Geheimtipp: der wöchent­     willig!). Überliefert sind zudem Spieleinsät­         gesundheitliche Vorbehalte, da auf die Teil­
liche Mittagssport am Mittwoch, organisiert    ze eines aktuellen Mitglieds der Regierung            nehmenden individuell eingegangen wird
vom Amt für Sport. Ein halber deshalb, weil    und eines Generalsekretärs.                           und die Gruppen eher klein sind. Auch
mittlerweile nicht nur BLD-ler, sondern auch                                                         Anfänger und Anfängerinnen sind will­
Mitarbeitende aus anderen Departemen­          Andrea Schmid                                         kommen und können jederzeit mit Yoga
ten und der GVA gemeinsam den Bällen                                                                 oder Tischtennis beginnen. Es sind noch
nachjagen. Auf eine aktive Bewerbung des       BGM: Tischtennis und Yoga im                          freie Plätze verfügbar. Der Kanton St. Gal­
Angebots möchte man trotzdem verzich­          Athletik Zentrum St. Gallen                           len beteiligt sich mit 50 Prozent an den
ten, um die Kapazität der Halle nicht über­    Der zweifache Seniorenweltmeister und                 Kurskosten. Es besteht kein Anspruch auf
zustrapazieren. Die Organisation ist unkom­    Olympiafünfte im Tischtennis weiht in die             Arbeitszeit. Anmeldungen für Yoga an Frau
pliziert, ohne An- oder Abmeldeprozedere,      Faszination des Tischtennis ein – das gibt’s          Hue Dao (huedao70@yhoo.com), für Tisch­
und die Atmosphäre entspannt. Aggressi­        nicht alle Tage! In diesem Sport werden vor           tennis an Herrn Ding Yi (info@ding­yitt.com).
ve Körpereinsätze aufgrund von überstei­       allem Reaktionsfähigkeit, Schnelligkeit und
gertem Ehrgeiz halten sich in Grenzen. Das     Kondition geschult.                                   Renato Aebi

                                                                                                                                               11
Hans Schmid, Hotelier
                     «Ich verwöhne Gäste»

Hans Schmid in der
Stüva der Chasa
­Bastiann.
                     Bis heute war ich nie in New York. Auch                  schaftsdepartement. Drei Jahre dynamisches Gestal­
                     ­lebe ich noch immer nicht in Südfrankreich.             ten als Leiter des Amtes für Kultur. Ermuntert, geprägt
                      Trotzdem wurde ich eingeladen, über                     und nur selten gebremst von zwei Chefinnen und
                      mein «auf und davon» zu berichten und den               einem Chef, denen ich allen dreien noch heute mit
                      ­Mitarbeitenden der St.Gallischen Kantons-              Freude und Respekt begegne. Wenn sie bei mir ein­
                       verwaltung ein paar flüchtige Ein­blicke               kehren hier oben. Rita Roos unterwegs ins Südtirol.
                       in das Schicksal eines Abtrünnigen zu ge-              Joe Keller auf dem Sprung ins Samnaun. Kathrin Hil­
                       währen. Ich mach’s mit Freude!                         ber kurz vor S-charl.

                     unterwegs                                                Was ich konkret mache hier oben?
                     Vor zehn Jahren ins Engadin ausgewandert, bin ich        autonom
                     den meisten von euch unbekannt. Hans Schmid. Jahr­       Ich verwöhne Gäste. Als Gastgeber im Hotel und
                     gang 1964. Vater von vier wunderbaren Kindern. Mit       Restaurant Piz Linard am Dorfplatz von Lavin. Gast­
                     ihrer Mutter noch heute freundschaftlich verbunden.      freundschaft ist wechselseitig. Die Beziehung mit nicht
                     Mit meinem Freund seit fünf Jahren in tragend schö­      wenigen meiner Gäste ist eine Begegnung zwischen
                     ner Beziehung. Promovierter Jurist und patentierter      interessierten Menschen und seelenverwandten Natu­
                     Rechtsanwalt. Während elf Jahren im Dienste des          ren. Unsere Zimmer sind von Künstlerinnen und Künst­
                     mächtigsten der vernachlässigten Kantone. Acht Jah­      lern gestaltet. Unsere Küche ist Handwerk pur. Die
                     re intensives Lernen als Generalsekretär im Volkswirt­   Städter fragen nach dem Tschliner Bier. Der Stammtisch

12
will Calanda. Seit ich Gisep & Co. für die Ruhetage den     ner Werke in der hauseigenen Galerie baut Brücken
Schlüssel gegeben habe, pflegen sie den autonomen           zu mir selber, ins Dorf und zu den Gästen. Überhaupt
Stammtisch Lavin. Gewähren Durchreisenden Asyl,             lässt mich die Musse nicht los. Jazz im Arvensaal.
wenn sie durstig nach einer offenen Schenke suchen.         Lesungen in der Bibliothek. Pasolini mit Karl Geiser.

visiun                                                      Stadtweh
Ich sammle Geld. Im grossen Stil. Der kleine Palaz­         Ich bin Nomade. Das Pendel zwischen Nah und Fern,
zo mit seiner 150-jährigen Geschichte war unterhalts­       zwischen Berg und Stadt begleitet Lavin durch seine
technisch etwas im Rückstand, als die Witwe ihn zum         Geschichte. Nach dem Dorfbrand von 1869 waren es
Kauf anbot. Das Geld, das ich früher aus dem Lotte­         italienische Baumeister, die das Dorf neu gebaut haben.
riefonds zu verteilen geholfen habe, versuche ich nun       Nach dem Modell einer kleinen Stadt. Die Spendengel­
in umgekehrter Rolle bei Freunden und Mäzenen zu            der flossen reichlich von den Randulins. So heissen die
motivieren. Habe mich also nebenberuflich vertieft im       ausgewanderten Zuckerbäcker und Baumwollbarone
Fundraising. Wo wir mit dem Pioniervorhaben heute           von Florenz über Wien bis Alexandria. Stadtnähe und
zum zehnjährigen Jubiläum stehen, haben wir grad in         Weltoffenheit prägen das Dorf noch heute. Für mich
einem kleinen Heft notiert. Der Titel «visiun» deutet an,   selber ist die Stadt Quelle von Inspiration und Erholung.
dass wir noch immer mitten in der Aufgabe stecken.          In der Pause zur Wochenmitte in Zürich. In Gedan­
                                                            ken oft in Istanbul, wo der Inn ja schliesslich hinfliesst.
Passion
Ich forme Talente. Fast hätte ich uns gerühmt, mit          subversiv
acht bis zehn Vollzeitstellen der grösste Arbeitgeber       Ich politisiere poetisch. Als kleiner Unternehmer fühle
im 200-Seelen-Dorf zu sein. Geber sind wir nur dem          ich mich im Antlitz der nicht eben empathischen Touris­
Namen nach. Bei Lichte betrachtet sind wir ständig          muspolitik der Grossdestinationen und der Schneeka­
Suchende. Im berühmten Kampf um die Talente auf             nonen mithin angestachelt, nach beherzter Förderung
dem ausgetrockneten Arbeitsmarkt in alpiner Abge­           und Vernetzung der kleinen Perlen zu rufen. Einschliess­
schiedenheit verschärft durch die Sprachbarriere. Wir       lich die Überwindung von überholten ordnungspoliti­
haben aufgehört, unstete Arbeitskräfte zu rekrutieren.      schen Dogmen. Solche Fürbitte ist nicht ganz davor
Lieber verbinden wir uns mit leidenschaftlich engagier­     gefeit, leicht zynisch rüber zu kommen. So möchte ich
ten Profis und neugierig talentierten Laien, die mit uns    mich enthalten. Stattdessen will ich euch noch mein lieb
in ihre Aufgaben hineinwachsen. Die meisten von ihnen       gewonnenes Loblied auf die geschenkte Zeit hier oben
stammen aus anderen Ländern und Kulturkreisen. Von          singen. In herzlicher Vorfreude baldiger Begegnung!
Frankreich über Portugal bis nach Bulgarien, Tibet und
Eritrea. Das ist aufwendig schön und über die Arbeit        Stetig unterwegs. In Eile. Aus Langeweile. Geschäf-
hinaus wertvoll. Ich lerne viel von meinen Mitarbeiten­     tig. Zum Vergnügen. Auf der ewigen Suche nach dem
den. Übers Leben und fürs Leben.                            flüchtigen Glück. Da keimt der Wunsch, dem Alltag zu
                                                            entfliehen. Inne zu halten. Im Gasthaus am Platz fin-
Glücksteiche                                                det die rasende Seele Rast. Sie geniesst den Charme
Ich male Bilder. Was strukturpolitisch steile Geröllhal­    des Einfachen. Lauscht dem Rauschen des Baches.
den sind, wird aufgewogen durch die paradiesische           Atmet den Duft der Bergwiese. Wärmt sich im Licht der
Landschaft, das authentische Dorf, das warme Licht,         Septembersonne. Besinnt sich im Antlitz des Berges.
die greifbaren Sterne. So schreibe ich gerne in Bildern.    Und spürt am ganzen Leib, wie schön die geschenk-
Für mich und für unsere Gäste. Von splerin bis macun.       te Zeit hier oben ist.
Über Flurin und Janaiverin. Von der Minibar im Dorf­
brunnen. Über die Sehnsucht im Halbzeitkoffer. Auch         Hans Schmid
fliessen wieder ganz dicke Striche und ungelenk voll­
endete Formen aus dem Pinsel. Die Präsentation mei­         pizlinard.ch, bastiann.ch

                                                                                                                          13
Ausgefragt mit Hildegard Jutz
     «Medienleute und Staatsdiener ticken völlig anders»

     Hildegard Jutz, Leiterin Kommunikation                        mir immer wieder zugutegekommen. Vermutlich liegt
     des Kantons St. Gallen, wird Ende April                       das Geheimnis darin, dass man so viel wie möglich
     nach fast 20 Jahren pensioniert. Vor ihrer                    mit Freude und einigermassen engagiert machen soll.
     Zeit beim Kanton war Hildegard Jutz
     als Redaktorin tätig sowie als Kommuni­                       Wenn Sie auf Ihre Zeit in der Staatskanzlei zurück-
     kationschefin von Caritas Schweiz.                            blicken: Was war der Höhepunkt?
                                                                   Es wäre nicht falsch, wenn ich den Kantonsauftritt an
     Wer hat Sie geprägt im Berufsleben?                           der Expo 02, den Festakt zum Kantonsjubiläum 2003
     Drei gescheite Männer. Sie haben mich je ein Stück            oder den Gastauftritt am Zürcher Sechseläuten 2013
     meines beruflichen Wegs begleitet. Radiomann Edu­             nennen würde. Und doch haben mir die unzähligen klei­
     ard Nacht hat mich zum Journalismus verführt,                 nen Glücksmomente in der wenig spektakulären, alltäg­
     «Rheintaler»-Reaktor Hans Müller hat mir ein wenig            lichen Medienarbeit mehr bedeutet. Vor allem auch die
     Schreiben beigebracht und Publizist und Theologe Odi­         guten, tragfähigen Beziehungen zu den Redaktionen.
     lo Noti ein bisschen analytisches Denken. Frauen als
     Vorbilder – Schande! – gab es leider keine. Ich gehö­         Wo und wann sind Sie an Grenzen gestossen?
     re vermutlich der letzten Generation an, in der man           Als mein Mitarbeiter erkrankte und viele Monate nicht
     als Frau sehr häufig Neuland betreten hat.                    arbeitsfähig war.

     Sie waren lange als Journalistin tätig. Welche Erfah-         Was fasziniert Sie an der Kommunikation?
     rungen daraus waren in der Verwaltung besonders               Kommunikation ist Übersetzungsarbeit: Wie sag’ ich’s
     nützlich?                                                     meinem Kinde? Wie mache ich eine komplexe Bot­
     Medienleute und Staatsdiener ticken völlig anders. Sie        schaft verständlich? Wie breche ich sie vom Spezia­
     haben andere Werte, andere Prioritäten. Den einen ist         listen-Latein in die Alltagssprache herunter? Wie sage
     Fachkompetenz, Korrektheit, Diskretion sehr wichtig,          ich bei einem heiklen Thema, was Sache ist, ohne die
     den andern Transparenz, Verständlichkeit und Aktuali­         Aufregung zu vergrössern? Wie wird man allen Sei­
     tät. Es ist nicht so, dass die eine Seite richtig liegt und   ten gerecht?
     die andere falsch. Denn schlussendlich dienen beide
     dem Gleichen: einer gut funktionierenden Gesellschaft.        Ein No-Go in der Kommunikation?
     Aber ihre Arbeitsweisen harmonieren nicht immer mitei­        Medienschelte.
     nander. Meine Funktion habe ich als eine Art Scharnier
     verstanden. Ich wollte beiden Welten Unterstützung            Beim Thema Kommunikation wissen stets alle, wie
     bieten, aber auch Verständnis für die jeweils andere          man es besser macht. Wie reagiert man darauf?
     Arbeitsweise wecken. Dafür waren meine vorhergehen­           Es gibt nicht das ultimative Patentrezept, wie man kom­
     den Jahre im praktischen Journalismus unerlässlich.           munizieren muss. Vielmehr geht es darum, dass man
                                                                   proaktiv informiert, bei der Wahrheit bleibt und auch
     Jüngere Generationen planen den beruflichen                   Kritik ernst nimmt. Wird das Vertrauensverhältnis zwi­
     Lebenslauf oft sehr systematisch. Was ist Ihr ­Rezept         schen (staatlichen) Akteuren und Medien beschädigt,
     für ein erfolgreiches und abwechslungsreiches                 bleibt als erstes die Glaubwürdigkeit auf der Strecke
     Berufsleben?                                                  – zum Schaden aller Beteiligten und vor allem zum
     Ich hatte nie vor, hier zu landen, wo ich nun fast 20         Schaden der Sache selbst.
     Jahre blieb. Aber ich finde meinen Job nach wie vor
     den tollsten, den es gibt. Gefühlsmässig meine ich, der       Wo können Sie abschalten und auftanken?
     Zufall habe in meinem Leben Regie geführt, aber wenn          Im Hätterenwald beim Joggen, im Theater, in der Ton­
     ich jetzt auf meinen beruflichen Werdegang zurück­            halle, im Kinok in der Lokremise beim Kulturgenuss
     blicke, so sieht er verblüffend gradlinig aus. Alles,         und in der Beiz zusammen mit vielen gut Gelaunten
     was ich je gelernt, studiert und gearbeitet habe, ist         bei einem Glas Wein.

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Wie lange halten Sie es ohne Computer, ­iPhone
und iPad aus?
Nicht lange! Zum Glück gibt’s heutzutage bis ins hin­
terste Zweisternhotel in Frankreich und anderswo
WLAN.

Ständig online sein – Lust oder Qual?
Weder noch. Es ist heute einfach so.

Wie beginnen Sie den Tag?
Indem ich meinen iPhone-Wecker abstelle, die Mails
checke und anschliessend im Bademantel die Zeitun­
gen aus dem Briefkasten hole.

Wo fühlen Sie sich zuhause?
In St. Gallen, in der Schweiz, in Europa, ganz klar.
Allerdings – eine meiner zwei Seelen haust in Afrika.
Ich bin in Zimbabwe (Rhodesien) aufgewachsen. Ein
wunderschönes Land mit einer überaus liebenswürdi­
gen Bevölkerung und einer 2000-jährigen Geschich­
te – davon 87 Jahre als britische Kolonie. Zurzeit lei­
det das Land allerdings unter einer noch schlimmeren
Heimsuchung: unter seinem despotischen Staatschef
Robert Mugabe. Zimbabwe ist heute in einer misera­
blen Verfassung. Das stimmt mich für meine zweite
Heimat traurig. Wer einmal in (Schwarz-)Afrika gelebt
hat, den lässt dieser faszinierende, die Sinne betören­
de Kontinent nie mehr los.

Welche Pläne schmieden Sie für Ihre Pensionierung?
Wenn ich meine Agenda anschaue, muss ich nicht
mehr gross Pläne schmieden. Ich bin noch in x Stif­       Worauf freuen Sie sich?
tungsräten, Vereinsvorständen und Gremien. Am             Den Wecker nicht mehr stellen zu müssen.
stärksten eingespannt bin ich bei der SRG Ostschweiz
und der SRG Deutschschweiz. Das macht mir gros­           Wovor haben Sie Respekt?
sen Spass, denn dort kann ich meine Fachkompe­            Vor dem alt werden.
tenz weiterhin einsetzen. Auch im Hinblick auf die No-
Billag-Abstimmung ist Engagement angesagt. Sehr           Was würden Sie gerne noch lernen?
gern mache ich mit im Stiftungsrat von «Swisshand»,       Schach spielen und Crawl schwimmen.
einem Hilfswerk, das Mikrokredite ausrichtet an initia­
tive Frauen in ärmsten Regionen Afrikas. Und diesen       Welches wäre Ihr bevorzugtes Auswanderungsziel?
Spätsommer geht’s «auf und davon» nach Alaska.            Wie ausgeführt, würde ich sehr gern – wenigstens tem­
Danach fällt bald schon der Christbaum vom Him­           porär – in Zimbabwe leben. Aber das ist heute gänz­
mel herab auf den Klosterplatz; da unterstütze ich die    lich unmöglich. Paris liebe ich sehr, und auch Rom.
Engel ein bisschen bei der Arbeit.                        Es müsste auf jeden Fall eine europäische Grossstadt
                                                          mit viel Kultur sein.

                                                                                                                  15
Katja Lendi, Huforthopädin
                          «Wie eine Haut, die zu eng geworden ist»

Katja Lendi bei der
­Arbeit mit dem Pferd
 Magic in A­ btwil. Als
 Barhufer kommt Magic     Katja Lendi war früher Sachbearbeiterin                   Ein Haus mit Pferdestall
 ohne Hufeisen aus,       bei der Regionalstelle Buchs des Kon-                     Schon damals hatte Katja Lendi einen Traum: Ihre Pfer­
 was eine umsichtige
 und ­professionelle
                          kursamtes. Heute ist sie als selbstständige               de in einem Haus mit Umschwung selber betreuen
 Pflege erfordert.        und erfolgreiche Huforthopädin tätig.                     zu können. Als sich diese Gelegenheit ergab, zöger­
                          ­Eine Geschichte über Zufälle und Rück-                   te die pferdeverliebte 40-Jährige nicht lange. «Wich­
                           schläge und wie Katja Lendi zu ihrem                     tige Entscheidungen kamen in meinem Leben oft von
                           Plan B und ihrem beruflichen Glück fand.                 aussen oder wurden mir von anderen abgenommen»,
                                                                                    lacht Lendi. Trotz familiärer «Vorbelastung» entschied
                          Katja Lendi hat beruflich schon einige Stationen hinter   sie sich gegen die Polizistenlaufbahn und für ein altes
                          sich. Geboren in einer Polizistenfamilie vom Walensee,    Haus mit zwölf Zimmern und einem Stall für die Pfer­
                          war für sie schon als Kind klar, dass sie später Poli­    de. Ihre Leidenschaft für Pferde entdeckte Katja Lendi­
                          zistin werden wollte. Die KV-Lehre sollte denn auch       bereits im Alter von sechs Jahren, als sie ihr erstes
                          nur ein vorbereitender Schritt in diese Richtung sein.    Pony erhielt. Eines ihrer heutigen Pferde, die Freiber­
                          Den Eignungstest für das Polizeikorps absolvierte sie     gerstute Luna, begleitet sie nun seit 25 Jahren. Am
                          noch, doch dann kam alles anders.                         neuen Wohnort in Frümsen führte ihr beruflicher Weg

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zu einer Bank und später zu einem Treuhandbüro im            für Lendi zentral. Unterschiede zum Büro sieht Lendi
Fürstentum Liechtenstein.                                    neben der körperlichen Arbeit im achtsamen Umgang
                                                             mit ihren Gefühlen und ihrem Verhalten. «Ein Pferd spürt
Unglück führte zur Berufung                                  sofort, wenn man schlecht gelaunt oder gestresst ist.
Zur Huforthopädie kam Katja Lendi aufgrund einer             Dann verweigert das Tier die Zusammenarbeit und
schlechten Erfahrung mit einem Hufschmied. «Eines            es braucht mehr Kraft und Energie für eine saube­
meiner Pferde hatte massive Quetschungen an den              re Arbeit», erzählt Lendi. Auch der Umgang mit den
Hufen, verursacht durch die Arbeit des Hufschmieds.          Pferdebesitzerinnen und -besitzern ist anspruchsvoll,
Auch der Tierarzt wusste keinen Rat und konnte nur           denn für diese ist Katja Lendi eine Vertrauensperson,
starke Schmerzmittel verabreichen. Die Verletzungen          da es um das Wohl ihrer Pferde geht.
waren so schwer, dass wir uns überlegten, das Pferd                 Beim Kanton schätzte sie neben der sicheren
einzuschläfern», so Lendi. Hilfe fand sie schliesslich bei   Anstellung die zeitliche Flexibilität: «Ohne die Unter­
einem Huforthopäden. Durch diese Erfahrung kam die           stützung meines Vorgesetzten, der mir damals den
sechsfache Pferdebesitzerin zum Entschluss, sich zur         zeitlichen Spielraum für eine Weiterbildung als Pfer­
Huforthopädin auszubilden. «Nach dem ersten Ausbil­          dedentalpraktikerin in Berlin ermöglichte, wäre der
dungstag kam ich mit Herzklopfen nach Hause und              Übergang in die Selbstständigkeit nicht so einfach
wusste, das ist meine Berufung», erzählt Lendi.              verlaufen.» Zudem kennt die Unternehmerin dank ihrer
                                                             Erfahrung im Konkurswesen die grössten Stolperstei­
Anstrengendes «Doppelleben»                                  ne, an denen Unternehmen scheitern können.
Über Bekannte und ihre Reitlehrerin hatte Katja Lendi
innerhalb kurzer Zeit ohne Werbung 50 Kundenpfer­            «Alle sollten einen Plan B haben»
de in der Behandlung. Da Lendi damals noch im Treu­          Katja Lendi hat ihren Plan B verwirklicht und ihr beruf­
handbüro arbeitete, fiel die Arbeit mit den Pferden an       liches Glück gefunden. Sie schmiedet bereits den
den Abenden und Wochenenden an. Aufgrund eines               nächsten Plan: Ihr langfristiges Ziel ist ein Huf-Reha­
Stellenabbaus wurde sie bei der Treuhandfirma frei­          bilitations-Center, wo Pferde unter ständiger Kontrolle
gestellt und arbeitete danach in einem Teilzeitpensum        intensiv und interdisziplinär behandelt werden können.
bei der Regionalstelle Buchs des Konkursamtes. «Mit          «Jede und jeder sollte einen Plan B haben. Hätte ich
einem Haus und einer Hypothek war mir damals eine            gewusst, wie schön und befriedigend es ist, hätte ich
sichere Anstellung wichtig. Doch die Doppelbelastung         mich schon früher selbstständig gemacht», so Lendi.
wurde mir nach einigen Jahren zu viel. Und irgend­
wie fühlte sich das Büro wie eine Haut an, die zu eng        Chompel Balok
geworden ist. Das war der Hauptgrund, weshalb ich
beim Kanton gekündigt und mich als Huforthopädin
selbstständig gemacht habe», so Lendi.

Achtsamen Umgang pflegen
Als grössten Vorteil zur Bürotätigkeit nennt Lendi die
zeitliche Autonomie, die sie als Unternehmerin gewon­
nen hat: «Ich kann meine Zeit selbst einteilen. Das
kommt neben meinen Tieren auch meiner Persönlich­
keit entgegen. Dadurch bin ich insgesamt zufriedener.
Das merke ich hauptsächlich daran, dass körperliche
Beschwerden wie Migräne oder Schlafstörungen, unter
denen ich früher litt, seit meiner Selbstständigkeit fast
nicht mehr auftreten.» Einen Beitrag zur Gesundheit
der Pferde zu leisten gibt ihrer Arbeit Sinn – das ist

                                                                                                                        17
Nicolo Paganini, Olma-Direktor
     «Ich bin kein Aussteigertyp»

     Vom KMU Rutishauser Weinkellerei zur                       Leute strahlen.» Nebst der Herbstmesse organisiert die
     selbständigen Anwaltstätigkeit, dann Wech-                 Olma Genossenschaft jährlich rund 130 verschiedene
     sel in die Staatsverwaltung, von dort in die               Anlässe und Messen – darunter die Immomesse, die
     Privatwirtschaft und aktuell Olma-Direktor:                Automesse oder die Hochzeitsmesse – und betreut
     Nicolo Paganini mag die Abwechslung und                    Kunden wie Banken, das Bildungsdepartement oder
     hat in seiner Karriere ganz unterschied­                   die IHK. Zudem sei die Grösse des Unternehmens mit
     liche Unternehmen und Kulturen kennen­                     85 Mitarbeitenden überschaubar und man kennt die
     gelernt. Von 2002 bis 2007 leitete er das                  Mitarbeitenden mit Namen. Natürlich werde er auch
     ­damalige Amt für Wirtschaft des Kantons                   auf der Strasse erkannt, als Gesicht der Olma: «Mich
      St. Gallen. Seit 2011 führt der gebürtige                 stört das nicht, aber meine Frau hätte mich manch­
      Thurgauer die Olma Genossenschaft.                        mal schon gerne mehr für sich», lacht er.

     Nicolo Paganinis Lebenslaufs ist eine abwechslungsrei­     Die Ostschweiz vertreten
     che Abfolge von verschiedenen Wirkstätten. «Geplant        Angesprochen auf seine politischen Ambitionen meint
     habe ich meine Karriere nicht», sagt Nicolo Pagani­        Paganini, dass er nicht verbissen an einem Ziel fest­
     ni. «Es hat sich immer alles ergeben und nach eini­        halte, sondern schaue, was sich ergibt. Nachdem es
     gen Jahren reizte mich wieder eine neue Herausfor­         2015 mit der Wahl in den Nationalrat nicht klappte, ist
     derung. Die Zeit zu Beginn einer Arbeitsstelle, bei der    Paganini nun auf dem ersten Ersatzplatz. Bis er seine
     man Neues lernt, finde ich am Spannendsten.»               Heimat allenfalls in Bern vertreten kann, setzt er sich
                                                                hier für die Positionierung der Ostschweiz ein, so zum
     Den Rucksack füllen                                        Beispiel als Vorstandsmitglied von St. Gallen-Boden­
     Die Unternehmenskulturen in Verwaltung, der Privat­        see Tourismus. «Meiner Meinung nach fehlt der Ost­
     wirtschaft und bei der Olma seien ganz unterschiedlich.    schweiz eine gemeinsame Identität. Es wäre wichtig,
     Den Kanton hat Paganini am komplexesten wahrge­            die unterschiedlichen Interessen und Ressourcen zu
     nommen, da politische Vorgänge die Arbeit beeinflus­       bündeln», so der Olma-Direktor. Zur Expo meint Paga­
     sen. Seine Zeit beim Amt für Wirtschaft ist ihm in posi­   nini, dieses «Jahrhundertprojekt» wäre eine Riesen­
     tiver Erinnerung geblieben. «Ich hatte mit Joe Keller      chance gewesen. Doch der Zeitgest sei wohl gegen
     einen tollen Chef, der mir von Anfang an Vetrauen ent­     Grossanlässe, die viel Geld schlucken.
     gegenbrachte. Als Amtsleiter genoss ich einen gros­
     sen Gestaltungsspielraum.» Trotzdem reizte den jun­        Saisonal auswandern
     gen Amtsleiter nach fünf Jahren in der Verwaltung die      Wenn er nicht am Arbeiten oder am Netzwerken ist,
     Herausforderung: «Bin ich noch fit für die Privatwirt­     entspannt sich Paganini im Winter beim Skifahren und
     schaft?» Er schaffte als Projektleiter den Einstieg bei    in der Sauna, im Sommer ist Wandern und Fischen
     der St. Galler Kantonalbank, meisterte dann die Her­       angesagt. Letzteres sei sehr entspannend. Überhaupt
     ausforderungen als Leiter Bereichssteuerung im Priva­      gilt sein Interesse der Kulinarik: Er kocht und backt
     te Banking und blieb knapp vier Jahre bei der Bank,        leidenschaftlich gern und kennt sich als ausgebilde­
     bis seine Traumstelle ausgeschrieben war: Direktor         ter Bier-Sommelier auch mit dem Hopfen- und Malz­
     der OIma Genossenschaft. Dieser Arbeitsplatz ver­          saft aus.
     band seine Interessen und Erfahrungen in Politik und              Mehrmals im Jahr besucht er Schwingfeste, die
     Wirtschaft – insbesondere im Marketing und in der          für ihn erholsame «Miniferien» sind. Neben der aktiven
     Standortförderung.                                         Erholung beherrscht Nicolo Paganini auch die Kunst
                                                                des Nichtstuns. In den Ferien fährt Paganini gerne
     Olma überzeugt mit Vielfalt und Emotionen                  weg. Ganz aus der Ostschweiz wegzuziehen kann er
     Bei der Olma Genossenschaft fühlt sich der 50-jähri­       sich allerdings nicht vorstellen. «Ich bin nicht der Aus­
     ge Paganini zuhause: «Hier bekomme ich unmittelbar         steigertyp, der hier alle Zelte abbricht. Saisonal aus­
     mit, was den Kunden gefallen hat. Ich sehe, wie die        wandern wäre aber eine schöne Option.» Traumziel im

18
Olma-Direktor Nicolo
                                                                                                                   Paganini begrüsst das
                                                                                                                   Publikum an der Vier-­
Frühling und Herbst wäre der Mittelmeerraum. An die­      der Stadtmusik Bischofzell. Jetzt beschränke sich sei­   Rassen-Eliteschau der
sem gefallen ihm das Klima, die Menschen, die Leich­      ne Musikalität aufs passive Musikhören.                  Kühe.

tigkeit sowie die Landschaft mit Oliven- und Mandel­            Und was kommt nach der Zeit bei der Olma?
bäumen, Oleandern und den satten Farben. Nicht zu         «Momentan geniesse ich meine abwechslungsreiche
vergessen die kulinarischen Spezialitäten. Im Winter      Stelle als Olma-Direktor. Ich kann mir jedoch vorstel­
würde er im Engadin leben, wo er auch eine Ferien­        len, einige Jahre vor der Pensionierung eine Berater­
wohnung besitzt.                                          funktion oder ein VR-Mandat zu übernehmen.» Auch
                                                          hier gilt: Nicolo Paganini lässt es auf sich zukommen
Berühmter Namensvetter                                    und wird die Gelegenheit für einen spannenden Wech­
Nicolo Paganini ist in Bischofszell aufgewachsen,         sel ergreifen, wenn sie vor ihm steht.
sein Vater stammt aus dem Val Poschiavo. Mit dem
berühmten Namensvetter, dem Genueser Musiker, sei         Sabrina Rohner
er wissentlich nicht verwandt. «Meine Eltern haben sich
für einem Vornamen entschieden, der zum Nachna­
men passt – die Kombination ist wohlklingender als
beispielsweise Fritz Paganini», meint er lachend. Apro­
pos klingend: Wie steht es denn um seine musikali­
sche Ader? Er habe früher mal Saxophon gespielt in

                                                                                                                                      19
Peter Jenni, Aussteiger
                        «Etwas zu lachen gibt es immer»

                        Eine Krebsoperation an der Zunge und                               Damals war der Gedanke, einmal in Vietnam zu
                        die anschliessende Bestrahlungstherapie                     leben, vage im Hinterkopf vorhanden. Je näher ich
                        hätten fast einen Strich durch die Rech-                    Ho Chi Minh City (ehemals Saigon) kam, umso stär­
                        nung Auswandern gemacht. Doch dies                          ker wurde dieser Wunsch. Auch in dieser Millionen­
                        liess ich nicht zu. Heute lebe ich in einer                 stadt fand ich, da ich mich ausserhalb einquartiert hat­
                        Art Vorruhestand: Arbeit, Sport und viel                    te, schnell Aufnahme und Freundschaften.
                        Zeit für Nichtstun und Lachen.                                     Geschwind legte ich meinen ehemaligen Rück­
                                                                                    reiseplan ad acta. Ich blieb in Ho Chi Minh City und
                        Dank einer viermonatigen Auszeit als Kommunikations­        begann, ein neues Leben zu planen. Die letzten zwei
                        mitarbeiter beim Amt für Verbraucherschutz und Vete­        Monate plante und organisierte ich meine Zukunft. Je
                        rinärwesen (AVSV) des Kantons St. Gallen bereiste ich       tiefer ich mich in das Projekt «Leben in Vietnam» hin­
                        vor gut einem Jahr Vietnam mit dem Velo. Geplant war,       eingrub, umso klarer wurde mir, dass ich nicht bis zur
                        vom Norden in den Süden und über Laos und Kam­              Pension warten, sondern auch die letzten Arbeitsjah­
                        bodscha zurück in den Norden zu pedalen.                    re hier verbringen werde.
                              Schon die ersten Tage offenbarten mir Land und
                        Leute, die ich sofort in mein Herz schloss. Auf dem            Schwer ums Herz geworden
                        Weg südwärts, in unzählig langen und heissen Stun­             Anfangs Februar nahm ich meine Arbeit im AVSV wie­
                        den auf dem Bike, kam nach etwa 2000 Kilometer das             der auf. Aber mein Entschluss stand fest: Ende 2016
                        Gefühl auf, dass ich hier bleiben möchte. Ich war in           wandere ich aus. Als Kommunikationsfachmann ver­
                        Nha Trang gelandet, einer Touristenstadt am Meer, und          trete ich die Devise, offensiv zu informieren, und so
                        beschloss, hier ein paar Tage auszuspannen.                    handelte ich auch. Ich stiess in der Geschäftsleitung
                              Die Südvietnamesen sind ein sehr lebensfro­              auf viel Verständnis. Ende März kündigte ich auf Ende
                        hes Volk. Essen und Trinken, Zusammensitzen und                Dezember und mir wurde schwer ums Herz. Nicht
                        Quatschen, Freunde treffen und Lachen gehören                  wegen meinem Auswanderungsentscheid, sondern
                        einfach zum Leben. Schnell schloss ich Freund­                 weil ich nun wusste, nach 17 Jahren verlässt du einen
                        schaften und beim Abschied sagte ich: «Ich kom­                hervorragenden Arbeitgeber, Arbeitskollegen, die zu
                        me sicher wieder!»                                             Freunden geworden sind, und ein Arbeitsumfeld, das
                                                                                                              mich forderte, aber auch viel
                                                                                                              Freiheiten liess.
Auf einem schwimmenden Haus einer ­Fischfarm auf dem Ho Krong Buk Ha See, rund 20 km nördlich                       Dann kam der Hammer:
von Phouc An (Dak Lak): Familienfest zum vietnamesischen Neujahr.                                             Zungenkrebs! Eine aufwendige
                                                                                                              Operation, Reha und Bestrah­
                                                                                                              lungstherapie folgten. Doch ich
                                                                                                              liess nicht zu, dass die Krank­
                                                                                                              heit meine Pläne durchkreuz­
                                                                                                              te. Vor der Operation sagte ich
                                                                                                              dem Arzt: «Vergessen Sie nicht,
                                                                                                              am 21. Dezember wandere ich
                                                                                                              aus!» Das Flugticket hatte ich
                                                                                                              schon. Überall, wo ich hinkam,
                                                                                                              sagte ich den Ärzten immer nur
                                                                                                              eins: «Sie können machen, was
                                                                                                              Sie wollen, aber am 21. Dezem­
                                                                                                              ber wandere ich aus!»
                                                                                                                    Und so kam es denn
                                                                                                              auch. Mit viel Schmerzmitteln

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