Pfalzbrief Der Kanton St.Gallen wird digital - Kanton St.Gallen - Kanton St. Gallen
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Kanton St.Gallen Pfalzbrief Der Kanton St.Gallen wird digital Personalzeitschrift des Kantons St.Gallen Ausgabe 01/2018
Nachgefragt Was würden Sie gerne digitalisieren? Urim Omura, Lernender Informatik, Kantonspolizei: Ein spannendes Thema in der Digitalisierung ist für mich die Entwicklung der Zahlungsmethoden. Das Motto «Nur Bares ist Wahres» gilt schon lange nicht mehr. Neue Technologien erobern den Markt und sorgen dafür, dass Self-Check-Out-Automaten auf Hochtouren laufen. Ich könnte mir eine bargeldlose Welt gut vorstellen und würde mir sogar wünschen, dass irgendwann alle Verkaufsstellen diesem Abbild entsprechen. Elisa Egger, Lernende Kauffrau, Generalsekretariat, Gesundheitsdepar- tement: Die Schulmaterialien würde ich gerne digitalisieren. Mit einem Tablet Übun- gen zu bearbeiten, ist längst Realität. Ab Berufsschulniveau sollte es zumutbar sein, ein Tablet als Arbeitsgerät zu sehen. Stellte man die Unterrichtsmaterialien ausschliess- lich in digitaler Form zur Verfügung, gäbe es diverse Vorteile. So könnten Kopierkosten eingespart oder lästiges Schleppen von Büchern vermieden werden. Fiona Kühne, Lernende Informatik, Kantonsschule Wil, Bildungsdepar- tement: Gerne würde ich Quittungen digitalisieren. Heutzutage wird man nach jedem Einkauf gefragt, ob man die Quittung will. Oft wird diese standardmässig gedruckt. Sogar bei kleinen Beträgen von 5 Franken für Kaffee und Brötli werden Quittungen gedruckt und kurz darauf weggeworfen. Wieso nicht auf Kassenzettel verzichten und Belege per E-Mail verschicken oder über Bonuskarten abrechnen? Michael Hangartner, Lernender Informatik, Berufs- und Weiterbildungs- zentrum Rorschach-Rheintal BZR, Bildungsdepartement: Meiner Mei- nung nach sollte es ein einfaches und leicht zugängliches Onlineportal für den digita- len Austausch von Dokumenten und Anträgen zwischen den Bürgern und Behörden geben. Die Behörden würden das Portal zur Verfügung stellen, auf das die Bürger zugreifen können, um Dokumente auszutauschen oder mit ihnen zu kommunizieren. Durch diesen Austausch erspart man sich die Anfahrtswege und kann alles einfach von zuhause aus erledigen. Cédric Rickli, Lernender Informatik, Kantonsspital St.Gallen: Ein inte ressanter Bereich der Digitalisierung ist Virtual Reality. Was wäre, wenn man die gan- ze Welt in einer virtuellen Welt nachbilden könnte? Man könnte Polizeieinsätze oder ärztliche Eingriffe in einer virtuellen Welt planen und üben. Es gibt unendlich viele Ein- satzmöglichkeiten der Virtualisierung. Deshalb bin ich dafür, dass man diesen Bereich vorantreibt und nicht nur in der Gaming Industrie benutzt. 2
Liebe Leserinnen und Leser Im letzten Pfalzbrief haben wir Sie um Ihre Meinung gebeten. Wir sind von der Anzahl Rückmeldungen positiv überrascht: 901 Personen haben an der Umfrage teilgenommen – ein sehr hoher Wert. Vie- len Dank! Wir deuten dies als Zeichen, dass der Pfalzbrief bei den Mitarbeitenden gut verankert ist. Wie geht es nun weiter? Wir werden Ihre Aussagen und Urteile eingehend lesen, analysieren und aus- werten. Unser Ziel ist es schliesslich, dass wir bis zu den Sommerferien erste Aussagen treffen kön- nen, wohin die Reise mit dem Pfalzbrief geht. Die Gewinnerinnen und Gewinner der Umfrage finden Felix Stadler ist verantwortlich für die digitalen Angebote in der Sie in dieser Ausgabe auf Seite 23. Kantonsbibliothek. Der vorliegende Pfalzbrief widmet sich dem Schwerpunktthema Digitalisierung. Auch im Kanton Gastbeitrag von Dr. Labinot Demaj 4 St.Gallen wird digitalisiert: Bibliotheken, Patienten- Digitale Ordnung und Teamarbeit 6 dossiers oder die Erstellung von Statistiken sind nur drei Beispiele, über die Sie auf den folgenden Digitaler Service rund um die Uhr 8 Seiten mehr erfahren. Die digitale Bibliothek 10 Die elektronische Geschäftsverwaltung GEVER soll «Endstation Staatsarchiv» 12 die departementsübergreifende Zusammenarbeit verbessern. Die Einführung eines neuen Systems Ausgefragt mit Walter Frischknecht-Hyrenbach 14 erfordert gerade zu Beginn viel Zeit und Geduld. Das elektronische Patientendossier 16 Der Aufwand lohnt sich. Wir stellen Ihnen das Pro- Berufe im digitalen Wandel 17 jekt sowie das Team auf Seite 6 und 7 vor. Programmier- und Informatiklabor für Jugendliche 18 Mit E-Government bieten Kanton und Gemeinden ihren Bürgerinnen und Bürgern einen unkomplizier- Statistik auf Knopfdruck 20 ten und zeitunabhängigen Online-Zugang zu ihren Nachruf Thomas Hansjakob 21 Dienstleistungen an. Das Angebot wird laufend aus- Wechsel beim Personal 22 gebaut. Bald kann man sich auch den Behörden- gang beim Zügeln sparen. Weitere Informationen Der Mann aus Mexiko 24 zum digitalen Service der Verwaltung finden Sie auf Seite 8 und 9. Wir wünschen Ihnen gute Unterhaltung mit dem Herausgeberin Pfalzbrief. Staatskanzlei/Kommunikation Thomas Zuberbühler Layout und Druck Leiter Kommunikation Cavelti AG, medien. digital und gedruckt, 9201 Gossau Staatskanzlei Adresse der Redaktion Redaktion Pfalzbrief, Staatskanzlei, Regierungsgebäude, 9001 St. Gallen, Telefon 058 229 21 58, sabrina.rohner@sg.ch 3
Gastbeitrag von Dr. Labinot Demaj Wie verändert die Digitalisierung die Arbeit in der öffentlichen Verwaltung? Die neue Digitalisierung ist mehr als klassische Verwaltungstätigkeiten wie der Abgleich zwi- E-Government. Bei E-Government geht es schen behaupteten und tatsächlichen Eigentums- und primär darum, analoge Strukturen, Ver Identitätsverhältnissen – zum Beispiel mit Hilfe neuer fahren und Dokumente in die digitale Welt Technologien – stärker von der Digitalisierung betroffen zu überführen. Die neue Digitalisierungs- sein werden als die Leistungen der Polizei. welle stellt aber grundsätzlich die Art und Weise in Frage, wie wir öffentliche Leis Die Natur der Aufgaben im Arbeitsalltag tungen organisieren und bereitstellen. Wie stark die Mitarbeitenden persönlich von der neu- en Digitalisierung betroffen sein könnten, hängt davon Zwei Elemente sind kennzeichnend für die jetzige ab, welche Art von Aufgaben beziehungsweise Pro- technologische Entwicklung: Erstens werden klassi- blemen sie im Rahmen ihrer Funktion zu bewältigen sche Organisationen wie Banken oder Verwaltungen haben. Vereinfacht ausgedrückt können die vorhande- zusehends von digitalen Plattformen verdrängt und nen Probleme in gut strukturierbare bis schlecht oder zweitens sorgen sogenannte Bots und Systeme der nicht strukturierbare Probleme unterschieden werden. künstlichen Intelligenz dafür, dass immer mehr Aufga- Eine Aufgabe oder ein Problem ist gut struk- ben automatisiert und mit immer kleinerem mensch- turierbar, wenn wir von vornherein wissen, dass es lichen Zutun erledigt werden können. eine richtige Lösung gibt. Für gut strukturierte Prob- leme verfügen wir meist über eine Regel, die uns zur Welche Funktion erfüllt eine richtigen Lösung führt («wenn A, dann B, damit C»). Verwaltungseinheit? In Idealform kommen solche Regeln in mathemati- Gemeinwesen sind im Kern Organisationen, die gemein- schen Gesetzen wie dem Satz von Pythagoras zum schaftliches Handeln ermöglichen sollen. Wir schliessen Ausdruck. In der Verwaltung zeigen sich solche gut uns zusammen, verabschieden Gesetze, zahlen Steuern strukturierbaren Probleme in gesetzlich klar geregel- und errichten öffentliche Institutionen, um Probleme zu ten Verfahren. In beiden Fällen kann eine produzier- lösen, die zu gross sind, als dass wir sie alleine bewäl- te Lösung eindeutig als korrekt oder falsch erkannt tigen könnten. Hierzu gehören beispielsweise die Auf- rechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Gesund- heit oder das Bereitstellen von Bildungsangeboten. Wie stark die einzelne Einheit von den neuen tech- nologischen Möglichkeiten betroffen ist, hängt davon Dr. Labinot Demaj ist Co-Gründer und Partner ab, wie stark sie als gesellschaftlicher Vermittler auftritt, der byerley AG, Lehrbeauftragter für Public der «lediglich» Angebot und Nachfrage nach einer Leis- Management der Universität St.Gallen und tung koordiniert. Als Beispiel klassische Taxi-Unterneh- Associate Fellow am Institut für Systemisches men und neue Anbieter wie Uber: Mit seiner digitalen Management und Public Governance der HSG. Plattform erfüllt Uber das gesellschaftliche Bedürfnis Zusammen mit Prof. Dr. Kuno Schedler ist er besser, weil es den Koordinationsaufwand zwischen Gründer und Praxispartner des Smart Govern- Fahrer und Fahrgästen drastisch senkt. Wo früher noch ment Labs. Sein Interesse gilt den Auswirkun- eine Taxi-Zentrale, fixe Taxistände und einheitliche Tari- gen intelligenter technologischer Systeme auf fe diesen Aufwand bewältigten, können dies Anbieter den Staat und die Verwaltung von morgen. Mit und Nachfrager von Gütern und Leistungen dank digi- der byerley AG lancierte er Anfang Januar den taler Plattformen immer häufiger selber tun. ersten Chat-Bot (ein «Roboter» oder Software- Man kann die Vermutung aufstellen, dass eine Code, der in Chatsystemen wie Whatsapp öffentliche Einheit umso stärker von der «Plattformi- existiert) der schweizerischen Verwaltungsland- sierung» betroffen sein könnte, je weniger stark bezie- schaft für die Sozialversicherungsanstalt des hungsweise direkt sie an der Erstellung der gesellschaft- Kantons St.Gallen. lich erforderlichen Leistung mitwirkt. Das bedeutet, dass 4
werden. Dadurch lässt sich deren Bearbeitung immer besser durch sogenannte Bots automatisieren. Bots sind Maschinen, die in diesen Fällen der reinen Regel- oder Verfahrensanwendung schneller und unermüdli- cher sind als der Mensch und weniger Fehler machen. Ein Problem ist dagegen schlecht strukturierbar, wenn wir uns nicht einmal darüber einig sind, welche Aspekte für die Lösung relevant sind. Wir wissen im Vornherein auch nicht, wie eine «gute» Lösung aus- zusehen hat und kennen damit auch keine eindeutige Lösungsregel. Dieser Sachverhalt ist zum Beispiel mit Suchtprävention, Wiedereingliederung von Langzeitar- beitslosen oder der Behandlung von Krebskranken zu vergleichen. Weil wir solche Probleme nicht eindeu- tig lösen können, können wir lediglich auf Basis unse- res Erfahrungsschatzes versuchen, sie besser oder schlechter zu handhaben. Hier befinden wir uns im Bereich der Ermessens ausübung – einem Gebiet, in dem der Mensch immer noch die Oberhand hat. Aber auch in diesem Bereich gelingt es immer besser, Systeme beziehungswei- se eine Art «künstliche Intelligenz» zu entwickeln, die vorhandene Erfahrungswerte in fast unbeschränktem Umfang aufnehmen können. Die öffentliche Verwaltung bleibt erhalten Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei gut strukturierten Aufgaben das Verhältnis zwi- schen Mensch und Maschine durch Konkurrenz und Verdrängung geprägt ist. Hingegen geht es bei der Handhabung von schlecht strukturierten Problemen mehr um ein sinnvolles Miteinander. Sind wir also den Entwicklungen um uns herum in der Regel hilflos ausgesetzt? Nein, denn als Indi- viduen gestalten und lenken wir diese durch gesell- schaftliche Aushandlungsprozesse mit. Keine öffent- liche Einheit wird durch eine digitale Plattform ersetzt Das Forschungs interesse von Dr. Demaj werden, wenn nicht der gesellschaftliche oder politi- Mission besser zu erfüllen und dadurch ihre Legitima- gilt der Digitalisierung sche Wille dafür vorhanden ist. Ebenso werden struk- tion gegenüber der Gesellschaft zu stärken. Allerdings der Verwaltung. turiertere Aufgaben nur dort von Bots erledigt werden, wird diese Entwicklung von einem zunehmenden Ein- wo sie einen substanziellen Mehrwert schaffen. Eine satz von «intelligenten» Maschinen geprägt sein. «Es-ist-technologisch-möglich-also-wird-es-gemacht- werden»-Haltung wäre in diesem Zusammenhang naiv. Dr. Labinot Demaj Die öffentliche Verwaltung wird sich nicht selber abschaffen. Wie bisher wird sie sich auch in Zukunft weiter professionalisieren und spezialisieren, um ihre 5
Digitale Ordnung und Teamarbeit Die Einführung von GEVER in der St.Galler Kantonsverwaltung Mit der Einführung von GEVER (elektronische Geschäftsverwaltung) werden unstrukturierte Daten geordnet und die departementsübergreifende Zusammenarbeit verbessert. Die Einführung des neuen Systems erfordert gerade zu Beginn Zeit und Geduld. Der Aufwand lohnt sich. GEVER ist in erster Linie ein Organisations-, ches das Ordnungssystem abbildet und kein Informatikprojekt. Deshalb beginnen das Kopieren von der Fileablage ins neue die Arbeiten zur Einführung von GEVER Ordnungssystem vereinfacht. Die eigent- damit, dass die einzelnen Organisationsein- liche Migration auf das GEVER-System heiten – üblicherweise ein Amt – ihre Auf- besteht dann nur noch darin, die auf die- gaben und Prozesse erfassen. Aufgrund sem Laufwerk geordneten Geschäfte und dieser Aufgaben und Prozesse baut die Dokumente ins GEVER-System zu über- Organisationseinheit ein eigenes Ordnungs- mitteln und auf einer Weboberfläche dar- system auf. Damit kantonsübergreifend ein zustellen. Ab diesem Zeitpunkt wird mit einheitlicher Aufbau erfolgt, steht ein Bau- GEVER gearbeitet. kasten zur Verfügung, in den die einzel- nen Aufgaben und Prozesse integriert wer- Neue Ordnung schafft Vorteile den können. Der Aufwand lohnt sich mehrfach: So kön- nen innerhalb des GEVER-Systems Aufga- Unterstützung aus der ben einfach erstellt und erledigt werden, es Staatskanzlei erfolgt eine automatische Versionierung der Mit dem Aufbau des Ordnungssystems Philipp Egger: Leiter Informatik einzelnen Dokumente und diese können alleine ist das Organisationsprojekt aller- und Organisation amtsübergreifend freigegeben und bear- dings noch nicht abgeschlossen. Hinzu Philipp Egger leitet das Modul beitet werden. In naher Zukunft wird aus- kommt die Definition der Organisations- Informatik und Organisation – kurz serdem ein Vorlagenmanagementsystem in vorschriften. In diesen Vorschriften legt die MIO – und ist in dieser Funktion das GEVER-System integriert. Im Rahmen Organisationseinheit fest, welche Geschäf- auch für GEVER verantwortlich. der Ablösung des Ratsinformationssystems te in welchen Positionen des Ordnungs- Neben der Leitung der E-Govern- (RIS) stehen mit den neuen GEVER-Modu- systems angelegt werden und wer Zugriff ment-Projekte der Staatskanzlei len RIS ein modernes Sitzungsmanage- darauf hat. Mitarbeitende der Staatskanz- koordiniert er bei der Einführung ment sowie Erweiterungen im Prozess- lei unterstützen die Dienststellen sowohl von GEVER die Projekte, die tech- management und bei der Zusammenarbeit bei der Ausarbeitung des Ordnungs- nische und organisatorische zur Verfügung. systems als auch bei der Definition der Schnittstellen zu GEVER aufweisen. Organisationsvorschriften. Die Herausforderung, den Mitarbei- Philipp Egger, Leiter Informatik und tenden der Verwaltung mit moder- Organisation, Staatskanzlei Die Daten ziehen um ner Technik und effizienter Organi- Sobald die oben beschriebenen Teile des sation die Arbeit zu erleichtern, Organisationsprojekts abgeschlossen spornt den Leiter MIO an. Philipp sind, erfolgt die Knochenarbeit. Die ein- Egger hat an der Universität St.Gal- zelnen Geschäfte und Dokumente müs- len International Affairs and Gover- sen aus der bestehenden Datenablage nance studiert. Wenn er nicht gera- auf dem Fileserver in das neue Ordnungs- de Projekte leitet und koordiniert, system überführt werden. Zwei Massnah- ist er auf der Suche nach den men erleichtern diese Aufgabe. Einerseits schönsten Tauchplätzen in Latein- stehen den Mitarbeitenden für die Arbeit amerika und Asien oder kreiert mehrere Monate zur Verfügung, anderer- neue Rezepte für seine Cocktailbar. seits wird ein Laufwerk eingesetzt, wel- 6
Das GEVER-Team Erich Gollino: Projektleiter sche Dienstleistungen. Die Wirtschaftsinfor- GEVER, Ausbreitung matikerin hat ursprünglich Konstrukteurin und Fachverantwortung gelernt und war rund 16 Jahre bei Stad- Der studierte Historiker und Informatiker ler Rail tätig. An der jetzigen Stelle schätzt Erich Gollino behält auch in schwierigen Ramona Thurnherr neben der technischen Situationen den Überblick. Er ist für die Arbeit den Kontakt mit den Menschen. In Einführung und Organisation der elektro- der Freizeit geniesst sie die Natur, zum Bei- nischen Aktenführung verantwortlich. Die spiel an ihrem Wohnort Widnau am Rhein, grösste Herausforderung sieht er darin, oder sie reist in unbekannte Gefilde. Ihr letz- in der heterogenen Verwaltung alle Mitar- tes Reiseziel war Uganda, wo sie Berggo- beitenden auf den gleichen Wissens- und Wesentliche zu richten. Der gelernte Inge- rillas auf der Spur war. Könnensstand zu bringen. GEVER erfordert nieur mit Weiterbildungen im Bereich Infor- erst einmal einen organisatorischen Auf- matik ist für die technischen Grundlagen Jared Hevi: Ablösung wand und erst in einem zweiten Schritt wird und die Infrastruktur von GEVER zustän- Ratsinformationssystem der Nutzen sichtbar. Erich Gollino begleitet dig. Im Team sieht er sich als ruhenden (RIS) und Ausarbeitung und berät die Projektleiterinnen und Pro- Pol, der im Hintergrund die IT-Fäden in der Ordnungssysteme GEVER jektleiter in den Ämtern und trägt die fachli- Hand hält. Thomas Schönenberger arbei- Jared Hevi arbeitet im Staatsarchiv im che Verantwortung für das GEVER-System. tet seit 16 Jahren beim Kanton St.Gallen. Bereich Aktenführung und digitale Archi- Lange war er im Dienst für Informatikpla- vierung. Sein Aufgabenfeld umfasst unter nung (DIP) tätig. Sowohl im Beruf als auch anderem die Beratung der Dienststellen im Privaten gilt für ihn: immer wieder etwas bei der Organisation der Aktenführung. Er Neues beginnen. Davon zeugt sein aktu- arbeitet zudem in der Staatskanzlei bei elles Hobby. Mit seinen zwei Hunden trai- der Ablösung des Ratsinformationssys- niert er Hundeschlittenrennen. tems und bei der Einführung von GEVER mit. Zusammen mit den Ämtern erarbeitet Ramona Thurnherr: Vorlagenmanagement und Ablösung Ratsinformations Vor der Staatskanzlei war er im Staatsar- system (RIS) chiv im Bereich Archivierung und Aktenfüh- Ramona Thurnherr ist für die Einführung rung tätig, wo er auch GEVER eingeführt des neuen Vorlagenmanagementsystems hat. Bevor er zum Kanton stiess, arbeitete und die Ablösung des Ratsinformations- er als Projektleiter bei Raiffeisen Schweiz. In systems durch GEVER-Module verant- seiner Freizeit spielt Erich Gollino Klarinette wortlich. Sie berät die Mitarbeitenden und in der Musikgesellschaft Harmonie Appen- ist Schnittstelle zwischen der Verwaltung zell – ein musischer Ausgleich zu GEVER. und den externen Lieferanten für techni- er die Ordnungssysteme. Diese sind neu nach Prozessen und Aufgaben gegliedert. Thomas Schönenberger: Der studierte Historiker und Archäologe hat Projektleiter GEVER, Betrieb Weiterbildungen in Informatik und Informa- und Technik tionswissenschaften absolviert. Vor seiner «Manchmal wirft man mir zu viel Pragma- Anstellung in St.Gallen arbeitete Jared Hevi tismus vor», sagt Thomas Schönenberger unter anderem für die Kantone Aargau und schmunzelnd. Zusammen mit Erich Gol- Zug sowie die Universität Basel. lino ist er für die Einführung von GEVER verantwortlich. Ihm gehe es stets darum, Porträts: Sabrina Rohner, Mitarbeiterin vorwärtszukommen und den Fokus aufs Kommunikation, Staatskanzlei 7
Digitaler Service rund um die Uhr Kanton und Gemeinden treiben ihr elektronisches Dienstleistungsangebot voran Mit E-Government bieten Kanton und Ge- meinden ihren Bürgerinnen und Bürgern einen unkomplizierten und zeitunabhängi- gen Onlinezugang zu ihren Dienstleistun- gen an. Das Angebot wird laufend ausge- baut. Bald kann man sich auch den Behör- dengang beim Zügeln sparen. Die Steuererklärung ausfüllen oder einen Grund- buchauszug bestellen, nach verloren gegangenen Gegenständen suchen oder einen Termin im Pass- büro vereinbaren: Bereits heute bieten der Kanton und die Gemeinden viele ihrer Dienstleistungen und Informationen elektronisch an. Und die Bürgerin- nen und Bürger nutzen das Angebot, wie das Bei- spiel der Steuererklärung zeigt. Über 54 Prozent aller Steuerpflichtigen im Kanton füllen ihre Steuererklä- rung mittlerweile elektronisch aus und reichen sie per Mausklick ein. Ein Pionierkanton Seit mehreren Jahren setzen Kanton und Gemein- den auf den elektronischen Service, das sogenann- te E-Government. «Im schweizweiten Vergleich sind wir ein Pionierkanton, wenn es um die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse geht», sagt Ivo Toman, der seit gut fünfeinhalb Jahren den Geschäftsbereich E-Government führt. «Der Bund hat viele Organi- sationsformen und Regelwerke von uns übernom- men und entsprechend angepasst.» Dabei geht es aber nicht nur um die Interaktion zwischen Behör- de und Bürger respektive Wirtschaft, sondern auch um jene innerhalb der Behörden. So betrifft es nebst Services, die von Bürgern oder Unternehmen direkt Ivo Toman leitet den Bereich E-Government beim Dienst für wahrgenommen werden, auch rein verwaltungsin- Informatikplanung. terne Dienste wie beispielsweise eine generelle Ver- fügbarkeit der Einwohnerdaten für berechtigte kan- tonale Stellen oder den Zugriff der Gemeinden auf schaft werden noch mehr Dienstleistungen und Trans- bestimmte kantonale Daten. aktionen rund um die Uhr zugänglich sein. Unkom- pliziert, ortsunabhängig und ohne grossen Aufwand. Unabhängig von Ort und Zeit «Zum einen schafft das Transparenz für die Bevölke- Als Grundlage für diese Arbeiten wollen der Kan- rung, zum anderen werden dadurch die Prozesse in ton und die Gemeinden ihre bisherige gemeinsame den Verwaltungen vereinfacht und automatisiert», sagt E-Government-Strategie weiterverfolgen. Sie soll ver- Ivo Toman. Doch was bedeutet das für die Mitarbei- bindlich geregelt werden und ab Januar 2019 in Kraft tenden der Verwaltung? «Sie müssen ihre Sichtwei- treten. Das heisst auch: Für die Bürger und die Wirt- se ändern und den Bürger mit in den Prozess ein- 8
beziehen, ihn mitarbeiten lassen», sagt Ivo Toman. mer Zeit als E-Paper. Damit die elektronische Ausga- In Bereichen mit Kundenkontakt beispielsweise wer- be aber als rechtlich massgebliche Fassung gelten de dadurch künftig weniger Personal benötigt. «Aber kann, ist eine Gesetzesanpassung erforderlich. Eine es wird neue Arbeitsmöglichkeiten und Arbeitsmodel- entsprechende Vorlage wurde dem Kantonsrat auf le geben», ist sich Ivo Toman sicher. Damit die Mitar- die Februarsession 2018 zugeleitet. beitenden die digitalen Dienstleistungen auch anbieten Dennoch kommt in regelmässigen Abstän- können, sollen sie geschult werden. «IT-Kompetenzen den immer wieder eine neue Dienstleistung ins Netz. sind in Zukunft unabdingbar.» «Momentan sind wir daran, die Stipendienprozesse und den Bereich Berufsbildung/Lehrlingswesen zu Der eUmzug kommt digitalisieren», sagt Ivo Toman. Diese beiden Berei- Noch sind nicht alle Ämter gleich weit fortgeschritten che sind für die Öffentlichkeit in Kürze verfügbar. Fest mit der digitalen Transformation. «Doch ich spüre eine steht auch, dass in diesem Jahr der eUmzug kommt. gewisse Aufbruchstimmung», so Ivo Toman. Sein Ziel Das heisst, dass die St.Gallerinnen und St.Galler ihren ist es, dass in naher Zukunft alle Services von Kan- gesamten administrativen Zügelprozess elektronisch ton und Gemeinden an einem einzigen Ort, dem ePor- abwickeln können. Ausserdem wird in den nächsten tal stattfinden. Doch bis es soweit ist, dürfte es noch Jahren das im Kanton momentan wohl meist genutzte etwas dauern. «Die Bevölkerung passt sich der digi- Tool optimiert: die eServices der Steuern, unter ande- talen Transformation schnell an. Die Verwaltung hin- rem die elektronische Steuererklärung. gegen benötigt oft etwas mehr Zeit, weil neben den technischen Anpassungen oft auch gesetzliche Grund- Marion Loher, Journalistin lagen für digitale Dienstleistungen zu schaffen sind.» Als Beispiel nennt der Geschäftsführer E-Government das Amtsblatt. Zwar gibt es dieses schon seit gerau- Schneller am Ziel mit der elektronischen Steuererklärung Auch Spitzensportler «klicken und schicken». Im Video auf der Website des kantonalen Steueramts lässt sich die erfolgreiche St.Galler Leichtathletin Selina Büchel überzeugen, dass die elektronisch Selina Büchel ist überzeugt von der elektronischen Steuererklärung. ausgefüllte Steuererklärung und die elektronische Übermittlung zeitsparend und einfach sind. Die Veranlagungsdaten werden dabei verschlüsselt und über eine sichere Verbindung übermittelt. Der Kanton St.Gallen setzt stark auf elektronische Services, mit denen Bürgerinnen und Bürger ihre Geschäfte an sieben Tagen während 24 Stunden erledigen können. Hier geht’s zum Video zur elektronischen Steuer erklärung: www.steuern.sg.ch/home/sachthemen/eservices/ ereigniss 9
Die digitale Bibliothek Hand-Werk mit Felix Stadler, Verantwortlicher Digitale Angebote in der Kantonsbibliothek Die Vielfalt meiner Arbeit schätze ich sich verständlicherweise nur mit der unmit- sehr. Ich habe mit ganz unterschiedlichen telbaren Genesung zufrieden. Ein gewisser Leuten und Organisationen zu tun. Jeder Druck besteht, den «Patienten» sofort hel- Kontakt ist anders. Das finde ich span- fen zu müssen. Ein paar Teilnehmer und nend. Das digitale Angebot der Kantons- Teilnehmerinnen der Veranstaltungen wol- bibliothek ist reichhaltig. Es umfasst Belle- len auch bloss von einem Menschen erklärt tristik, Sach- und Fachbücher, Hörbücher, und gezeigt bekommen, was sie wie nut- Zeitungen, Zeitschriften, Nachschlagewer- zen können. ke und Lexika, Musik und Videos. Bei digitalen Angeboten von Biblio- Ursprünglich absolvierte ich eine Leh- theken gibt es mehr Geschäftsbeziehun- re als Buchhändler. Anschliessend studierte gen als bei den herkömmlichen Medien, ich an der Hochschule für Technik (HTW) weil man zum Beispiel direkt mit den Verla- Meine Aufgaben sind so abwechslungs- in Chur Informationswissenschaft. Wäh- reich wie das digitale Angebot der Kantons- rend des Studiums arbeitete ich weiterhin bibliothek. Ich habe mit meinen Kollegin- in der Buchhandlung und sammelte an der Informationen zum digitalen Ange- nen und Kollegen von der «Bibliotheksfront» Pädagogischen Hochschule St.Gallen ers- bot der Kantonsbibliothek finden zu tun, mit Verlagen und Anbietern, mit te berufliche Erfahrungen in der Bibliothek. sich unter kanton.sg/digitaleange- IT-Dienstleistern, mit Benutzerinnen und Ich führe regelmässig Informations- bote. Das Angebot nutzen können Benutzern sowie anderen Bibliotheken. Bei veranstaltungen und Sprechstunden zu Personen aus dem Kanton St.Gal- der Digitalen Bibliothek Ostschweiz, einem digitalen Angeboten durch. Diese Sprech- len, die bei der Bibliothek Haupt- Verbund mit rund 200 Bibliotheken, füh- stunden bergen einige Herausforderun- post (Kantons- und Stadtbibliothek) re ich die Geschäftsstelle: Ich koordiniere, gen. Meine «Patienten», also die Besu- als Benutzer oder Benutzerin ein- organisiere, protokolliere oder erledige das cher der Bibliothek, interessiert es kaum, geschrieben sind. Rechnungswesen. was für eine Krankheit vorliegt, sie geben 10
gen oder Agenturen in Kontakt steht. Dazu tan ein gedrucktes Buch. Auf Reisen sind kann. Man kann sich verpflegen, helfen kommt, dass es verschiedene Spannungs- E-Books – zum Beispiel Romane und Rei- und beraten lassen oder andere Leute tref- felder gibt, etwa im Bereich des Urhe- seführer auf meinem Tablet – sehr prak- fen. In der Bibliothek hat es Leute, die bei berrechts. Verlage oder Autorinnen und tisch. Als «Digital Native» verstehe ich mich allem helfen, was mit den Angeboten der Autoren haben generell Angst vor Urhe- mit Jahrgang 1980 nicht. Als Kind und Bibliothek zu tun hat, aber auch bei alltäg- berrechtsverletzungen, speziell bei digita- Jugendlicher hatte ich wenig Berührung lichen Dingen. len Medien, und befürchten Ertragseinbus- mit Computerprogrammen oder -spielen. Bibliotheken als Treffpunkt und Aus- sen. Teilweise wird dann die Nutzung von Als wir Mitte der 1990er-Jahre an der Ober- tauschort, wie ich sie hier beschreibe, gibt E-Books über Bibliotheken für eine gewisse stufe am Computer das Zehnfingersys- es andernorts bereits. Hierzulande dauert Zeit oder sogar gänzlich gesperrt. Für Bib- tem lernen sollten, verstand ich nicht mal es aber wohl noch einige Zeit, bis es so weit liotheken und vor allem für ihre Nutzerin- das entsprechende Programm, wofür ich ist, aber hoffentlich nicht ganze 20 Jahre. nen und Nutzer ist das ärgerlich. Die Betei- mich schämte. ligten haben unterschiedliche Interessen. Wie eine Bibliothek meiner Meinung Felix Stadler, Mitarbeiter Digitale Eine Bibliothek wie die Bibliothek nach in 20 Jahren aussieht? Bibliotheken Angebote, Kantonsbibliothek Vadiana Hauptpost kann ich mir ohne Bücher nicht sind etabliert. Sie gehören zu den bekann- vorstellen. Digitale Medien sind aber eine testen und beliebtesten Orten einer Stadt gute Ergänzung. Zur Multioptionsgesell- oder eines Dorfes. In Bibliotheken vergisst schaft, in der wir leben, gehört das meines man die Zeit, weil man konzentriert arbei- Erachtens dazu. Ich selber lese momen- ten, viel lernen und auch einiges erleben Der E-Book-Doktor: Felix Stadler führt regelmässig Sprechstunden durch und hilft seinen «Patienten» im Umgang mit digitalen Angeboten. 11
«Endstation Staatsarchiv» Wie das Staatsarchiv die digitale Archivierung meistert Im Staatsarchiv hat die digitale Zukunft vor noch nicht langer Zeit täglich benutzt haben, sind längst begonnen. Obwohl jährlich über bereits verschwunden. Geräte, die diese Datenträ- 100 Meter Papierakten ihren Weg in die ger lesbar machen, existieren kaum noch. Will man Magazine finden, beschäftigt sich das «Ge- die vergänglichen Informationen bewahren, muss das dächtnis des Kantons» mit der langfristigen Staatsarchiv nebst den eigentlichen Daten möglichst Haltbarkeit von digitalen Daten. viel über das Entstehungsumfeld – zum Beispiel ver- wendete Software, Hardware, Herkunft – erfahren und Seit 1803 kümmert sich das Staatsarchiv um die Siche- diese zusätzlichen Informationen mitarchivieren. Die- rung der wichtigsten kantonalen Informationen. Akten, ser Arbeitsschritt erfordert eine enge Zusammenarbeit Register, Urkunden, Pläne, Fotos und vieles mehr wer- zwischen dem Staatsarchiv und der Dienststelle, von den gesichert, dauerhaft aufbewahrt und erhalten. der die Daten stammen. Nur so ist garantiert, dass die Dabei geht es nicht nur um historische Motive. Ver- Informationen in Zukunft richtig dargestellt und gele- lässliches Archivgut ist unverzichtbar für die Rechts- sen werden können. Eine zentrale Rolle bei der Halt- sicherheit und um behördliches Handeln nachvollzie- barkeit digitaler Informationen spielen die Formate. Oft hen zu können. Aktuell werden so viele Informationen sind sie herstellerspezifisch, können also meistens nur vergänglichen Datenträgern anvertraut wie noch nie in durch spezielle und lizenzpflichtige Software gelesen der Geschichte des Kantons. Das stellt den Kanton und dargestellt werden. Das Staatsarchiv reagiert auf und besonders das Staatsarchiv vor grosse technische diesen Umstand so, nur offen dokumentierte und weit und vor allem organisatorische Herausforderungen. verbreitete Formate zu archivieren. Daten und Datenträger lesbar halten Daten langfristig erhalten Während ein 150-jähriges Buch gelesen werden kann, Papier ist geduldig – Daten eher nicht. Sie können nach Das Team Akten gibt eine 25-jährige 3,5-Zoll-Diskette ihr «Geheimnis» ihrer Archivierung nicht sich selbst überlassen werden. führung und digitale nicht so einfach preis. Digitale Daten sind für den Men- Die rasante technologische Entwicklung erfordert Stra- Archivierung überprüft die Daten. schen nicht direkt erfassbar. Viele Datenträger, die wir tegien, die sicherstellen, dass Daten über Generatio- nen hinweg erhalten bleiben. Die Migration, also die Überführung eines For- mats in ein Nachfolgeformat und das Kopieren von Daten von einem Datenträger auf den nächsten, ist Basis der Erhaltungsstrategie im Staatsarchiv. Wird der richtige Zeitpunkt für die Migration verpasst, kommt es zu Verlusten. Deshalb müssen die Systeme ständig überwacht und der Technologiewandel berücksichtigt werden. Nur so besteht die Gewissheit, dass Daten migriert werden, solange sie lesbar sind. Speichersysteme, die an unterschiedlichen Orten stehen, restriktive Zugriffsrechte und ein Verzeichnis, das jede Handlung dokumentiert, gewährleisten die Sicherheit des Archivguts im digitalen Magazin. Digitales Staatsarchiv wächst Die Übernahme und Aufbereitung der gelieferten Datei- en erfordern Kreativität. Die Vielfalt der Formate und der Systeme kennt kaum Grenzen. Auch die Art der Übermittlung ist meist abenteuerlich und das Staats- archiv sieht sich mit den verschiedensten Datenträ- 12
gern konfrontiert. Hinzu kommt, dass vor allem ältere Daten selten strukturiert vorliegen. Die Dateien müssen von den ursprünglichen Trägern kopiert und in einem gesonderten Bereich bearbeitet werden, bevor das Staatsarchiv sie «für die Ewigkeit» sichert. Die Eingangsprüfung sieht so aus: Sind die rich- tigen Daten abgegeben worden? Stimmen die mitge- lieferten Metadaten? Ein Virencheck stellt sicher, dass das Staatsarchiv im weiteren Verlauf der Arbeit die Dateien sicher überprüfen kann. Anschliessend wer- den die Informationen in archivtaugliche Formate kon- vertiert, mit einem internationalen technischen Regis- ter für Formate abgeglichen, mit einer Kennnummer versehen und mit zusätzlichen Informationen angerei- chert. Am Ende des Bearbeitungsvorgangs steht das sogenannte Archivinformationspaket. Es verbindet bei- spielsweise ein Sitzungsprotokoll im PDF-Format mit Einige Datenträger, Informationen, die es für die künftige Interpretation der Vom digitalen Magazin zum digitalen die 2017 im Staats archiv abgeliefert Datei braucht. Ebenso ist eine Beschreibung der vom Lesesaal wurden. Staatsarchiv unternommenen Arbeitsschritte hinterlegt. Digitale Archivalien haben den Vorteil, dass sie zeit- Derzeit befinden sich sechs Terrabyte Daten im und ortsunabhängig konsultiert werden können. Das Langzeitarchiv. Die jährliche Zunahme liegt zwischen Projekt «digital access to archives» – zu Deutsch digi- eins und zwei Terrabyte. Aber schon jetzt ist das taler Lesesaal – beabsichtigt, im Jahr 2019 Kundinnen Staatsarchiv einer der grössten Datenhalter der kan- und Kunden einen zeitgemässen Zugang zu analogem tonalen Verwaltung. und digitalem Archivgut zu ermöglichen. Das Staats- archiv möchte damit für öffentliche Organe und vor allem für jede Bürgerin und jeden Bürger einen mög- Digitalisierung des analogen Archivguts? lichst barrierefreien Zugang zum Archivgut etablieren. Das Staatsarchiv arbeitet daran, häufig nach- gefragte analoge Archivalien zu digitalisieren Vedat Akgül, Jared Hevi, Martin Lüthi: Team und so einem grösseren Benutzerkreis zugäng- Aktenführung und digitale Archivierung, Staatsarchiv, lich zu machen. Departement des Innern Aktuell geschieht das mit den für die Familien- forschung zentralen Kirchenbüchern. Eine halbe Million Einzelseiten werden digitalisiert, konver- tiert und mit zusätzlichen Informationen ange- reichert, bevor sie über die Nutzungsplattform allgemein zugänglich gemacht werden. Kein Thema ist hingegen die integrale Digitalisierung der Archivbestände. Die Kosten dafür würden Hunderte Millionen Franken betragen. Die Nutzungsplattform ist über den Online- Katalog zugänglich: scope.staatsarchiv.sg.ch/suchinfo 13
Ausgefragt mit Walter Frischknecht-Hyrenbach «Meine E-Mails checke ich auf dem Smartphone» Walter Frischknecht-Hyrenbach arbeitete Welches waren die Schattenseiten Ihres Berufs? von 1981 bis 2006 für das kantonale Steu- Natürlich war man bei denjenigen, die etwas zu ver- eramt, erst in der Funktion als Steuerkom- stecken hatten, gefürchtet. Diese Leute musste man missär für natürliche und juristische Perso- dann auch büssen, man hatte also tatsächlich ein nen, dann als Leiter Administration. Der wenig die Funktion eines Polizisten. Die Strafanzeigen 76-jährige St.Galler blickt auf seine Karrie- waren das Belastende an meinem Beruf. Es gab auch re beim Kanton zurück und erzählt, wie er immer wieder Personen, die ausgerastet sind. Damals den digitalen Wandel meistert. gab es noch keine erhöhten Sicherheitsmassnahmen. Besitzen Sie ein Smartphone? Wie haben Sie früher gearbeitet? Ja! (zeigt stolz sein Smartphone) Früher haben wir die Steuerberechnungen von Hand vorgenommen. Sekretärinnen tippten die Zahlen dann Wie bleiben Sie auf dem neuesten Stand? in die Schreibmaschine. Vor der Einführung des Com- Dank meinen sechs Enkelkindern zwischen 18 und 23 puters arbeiteten wir mit sogenannten Schreibsyste- Jahren. «Opa, das kannst du einfacher machen», krie- men. Die Berechnungen für die Steuererklärungen ge ich oft zu hören, wenn sie mir die neuesten Kom- mussten wir separat mit dem Rechner erledigen. Erst munikationsfunktionen zeigen. Ausserdem b esuche ich mit der Einführung des Computers hat sich dann rasant bald einen Kurs von Pro Senectute, damit ich künf- vieles verändert und auch vereinfacht. Zu Beginn waren tig auch meine SBB-Billette mit meinem Smartphone die Speicherkapazitäten des Computers jedoch sehr kaufen kann. beschränkt und man konnte jeweils nur vorgegebe- ne Felder ausfüllen. Word gab es damals noch nicht. Besitzen Sie ein Facebook-Konto? Nein, das nicht. Alles muss man nicht mitmachen. Vor der Kantonsverwaltung waren Sie in der Privat- wirtschaft tätig. Welche Vorteile bringt der Seiten- Kommunizieren Sie lieber digital oder persönlich? wechsel mit sich? Wenn möglich kommuniziere ich persönlich. Sonst nut- Der wirtschaftliche Hintergrund war sicher förderlich für ze ich gerne die digitalen Möglichkeiten und schreibe meine Tätigkeit beim Steueramt. Ich hatte Verständ- E-Mails und mit meinen Enkeln auch WhatsApp-Nach- nis für die Situation unserer Kunden und kannte aber richten. Einer meiner Enkel fährt Skirennen. Auf mei- auch Tricks, welche die Steuerpflichtigen anwenden nem Smartphone schaue ich die Rennen live via App wollten – und die man vielleicht selber mal angewen- der FIS (Fédération Internationale de Ski). Mir gefällt, det hat. (schmunzelt) dass die Kommunikation durch die Digitalisierung viel schneller geworden ist. Sie sind nun seit dreizehn Jahren pensioniert. Was machen Sie in Ihrer freien Zeit? Sie waren lange als Steuerkommissär im Aussen- Ich geniesse es, meine Tage nun selber planen zu kön- dienst für juristische Personen – also in erster Linie nen. Ich gehe wandern, fotografiere und seit kurzem Unternehmen – tätig. Was hat Ihnen an Ihrer Arbeit spiele ich wieder Volleyball. Ausserdem gehe ich ger- gefallen? ne ins Theater oder an Konzerte. Das meiste unter- Es war eine spannende Aufgabe, bei der man Einblick nehmen meine Frau und ich zusammen. Seit mei- in wirtschaftliche Vorgänge erhielt. Ich lernte interes- ner Pensionierung koche ich jede zweite Woche und sante Personen und Betriebe kennen. Und es war wechsle mich mit meiner Frau ab. Wenn wir verreisen, üblich, dass man zum Mittagessen eingeladen wur- schätze ich es heute, wenn die Reisen organisiert sind. de – Bestechungsversuche gab es jedoch nicht. An Früher habe ich gerne alles selber geplant. Am liebs- einen Fall erinnere ich mich noch gut, denn der Buch- ten unternehmen wir Flussreisen mit Hotelschiffen in halter einer Firma rief jedes Jahr an und wollte mit mir die Nachbarländer Frankreich, Italien, Österreich oder Mittag essen: «Sie müend uf Revision cho!» Deutschland. Die Fotos für die Fotoalben von unseren 14
Welche Pläne hatten Sie für die Zeit nach der Pensionierung? Ursprünglich plante ich, den Jakobsweg zu gehen. Doch dann bin ich kurz vor der Pensionierung schwer erkrankt und die Genesung stand im Zentrum. Nun unternehme ich jeden Tag Spaziergänge und habe zumindest einen Teil des Jakobswegs in der Schweiz zurückgelegt. Sie leisten in Ihrer Freizeit Freiwilligenarbeit für Pro Senectute und übernehmen administrative Arbeiten für ältere Menschen. Was hat Sie dazu bewogen und was machen Sie da genau? Solange ich gesund bin, möchte ich auch etwas wei- tergeben und Menschen unterstützen, die mit der Bewältigung des Alltags Mühe haben. Ich unterstüt- ze die Betroffenen beim Umgang mit ihren Finanzen. Das ist sehr vielseitig: Ergänzungsleistungen einfor- dern, Krankenkosten verwalten, Umzug ins Pflegeheim regeln und natürlich übernehme ich auch das Aus- füllen der Steuererklärung. Das Schöne ist, dass bei dieser Freiwilligenarbeit auch viele persönliche Bezie- hungen entstehen. Reichen Sie Ihre Steuererklärung elektronisch oder auf Papier ein? Elektronisch! Ich finde es toll, dass nun alles online verfügbar ist. Was verbindet Sie noch mit der St.Galler Kantons- verwaltung? Mich interessiert immer noch, was beim Kanton läuft. Beim Steueramt selber habe ich nur noch mit den E-Mails schreiben und Skirennen schauen: Walter Frischknecht pensionierten Mitarbeitenden zu tun. Es finden regel- hat sein Smartphone immer dabei. mässig Anlässe statt, die das Finanzdepartement, die Personalverbände oder unsere ehemalige Abtei- Reisen drucke ich immer noch aus und klebe sie ein. lung organisieren. Die Alben sind auch unsere Tagebücher. Welchen Traum wollen Sie sich noch erfüllen? Haben Sie sich auf die Pensionierung gefreut oder Gesund bleiben – das ist der grösste Wunsch. bedeutete die Umstellung eine Herausforderung? Ich habe immer gerne gearbeitet, aber altersmäs- Das Gespräch führte Sabrina Rohner, Mitarbeiterin sig kam ich vor der Pensionierung schon an meine Kommunikation, Staatskanzlei. Grenzen, da das Arbeitstempo stets zunimmt. Wich- tig ist, dass der Tag strukturiert ist, wenn man nicht mehr arbeitet. 15
Das elektronische Patientendossier Gesundheitsinformationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort Das Internet und Smartphones haben unseren Alltag grundlegend verändert. Bald sollen auch Gesundheits- informationen elektronisch geführt werden, damit sie überall und jederzeit verfügbar sind. Mit elektroni- schen Patientendossiers (EPD) soll die Ablage von Patienteninformationen dem aktuellen Stand der Technik angepasst werden. Patientinnen und Patienten werden mit hoch- Einsatz spätestens im moderner Medizin behandelt, die Informa Frühjahr 2020 Das EPD – eine gute Idee … tionen werden jedoch häufig noch per Brief, Das EPD ist für alle Patientinnen und Pati- … aber da sind noch Fragen Fax oder als handgeschriebene Rezepte enten freiwillig. Sie alleine bestimmen, wel- zu: ausgetauscht. Wichtige Daten sind teilwei- che Gesundheitsfachperson welche Doku- • Strukturierung und Suchalgorith- se nicht verfügbar oder unvollständig. Das mente lesen darf. Mit dem EPD haben men: Wie werden im riesigen Bundesgesetz über das elektronische Pati- die Inhaber stets den Überblick über Datentresor rasch die gefragten entendossier (EPDG) definiert das elekt- ihre Dokumente und können ihre aktu- Informationen gefunden? ronische Patientendossier als Instrument, ellen Gesundheitsinformationen weiteren • Kompatibilität: Wie wird für um die Qualität der medizinischen Behand- Behandelnden zur Verfügung stellen. Jede alle Beteiligten eine einheitliche lung und deren Prozesse zu verbessern, die Änderung im EPD und jeder Zugriff wird les- und beschreibbare Form Patientensicherheit zu erhöhen und die Effi- automatisch protokolliert. So können die des EPD gebaut? zienz des Gesundheitssystems zu steigern. Patientinnen und Patienten immer nach- • Berechtigungen: Wie werden Das EPD ist eine elektronische Samm- vollziehen, was sich im Dossier verändert die EPD-Besitzenden entschei- lung von Dokumenten rund um die persön- hat. Das Bundesgesetz schreibt vor, wie den können, wer w elche Daten liche Gesundheit. Die Gesundheitsfachper- das EPD organisiert und abgesichert sein einsehen darf? sonen legen die Dokumente im EPD ab. muss. Jeder EPD-Anbieter wird umfassend • Ressourcen: Wer nimmt woher Das Dossier enthält zum Beispiel Röntgen- geprüft und zertifiziert, damit die Dokumen- die Zeit, das EPD immer kom bilder, Impfausweise oder Rezepte für die te im EPD geschützt sind. Das EPD wird petent à jour zu h alten? Und wer Apotheke. Die Patientin oder der Patient in der Schweiz schrittweise eingeführt. Bis soll das bezahlen? kann ebenfalls Dokumente wie Brillenrezepte spätestens im Frühjahr 2020 wird es in • Datenschutz: Wie wird die oder Blutdruckwerte im EPD speichern. Alle den Spitälern verfügbar sein. Auf der Web- Integrität und Vertraulichkeit der medizinischen Informationen sowie das EPD site www.patientendossier.ch kann man Daten geschützt? gehören den Patientinnen und Patienten. Mit sich laufend über den Stand des Projekts dem EPD sind die wichtigsten Gesundheits- informieren. Die Antworten darauf zu finden, informationen immer griffbereit, ob auf dem braucht Zeit – sicher bis 2020. Da- Computer oder dem Smartphone, ob zu Hansjörg Looser, Leiter E-Health, von hängen der Gebrauchswert Hause oder unterwegs, aber auch im Notfall. Gesundheitsdepartement und schliesslich der ganze Nutzen des EPD ab. Diese Zeitinvestition wird sich lohnen! Dr. med. Erich Honegger, Allg. Medizin FMH, St.Gallen 16
Berufe im digitalen Wandel «Der digitale Bestatter ist denkbar» Bruno Müller leitet seit dem 1. September 2017 das Amt für Berufsbildung. Der studierte Elektroingenieur war zuletzt bei Swisscom tätig. Heute beschäftigt ihn der digitale Wandel aus der Beratersicht. Er und sein Team unterstützen Jugendliche bei der Berufswahl. Inwiefern ist der digitale Wandel bei den Beratungsgesprächen ein Thema? In den Beratungsgesprächen mit den 14- bis 15-Jährigen zur ersten Berufs- und Schulwahl ist das Thema Digitalisierung nicht so zentral. Der Berufswahlprozess ist für viele Schülerinnen und Schüler an sich schon sehr anspruchsvoll. Viel mehr kom- men Fragen, die indirekt mit der Digitalisie- rung zu tun haben, zum Beispiel: Hat der Beruf eine Zukunft? Habe ich später Auf- stiegs- oder Entwicklungsmöglichkeiten? Was sagen Sie den Jugendlichen? Die Frage nach der Zukunft lässt sich sehr schwer beantworten. Es gibt viele Studi- en zur Auswirkung der Digitalisierung auf die Arbeitswelt. Die Forschungsergebnis- Welche neuen Berufe könnten aufgrund oft wie möglich in den Lehrbetrieben. Das- se sind jedoch nicht eindeutig. Während der Digitalisierung entstehen? selbe gilt für Berufs- und Studienberatungs- die einen schätzen, dass die Hälfte der Zum einen spezialisierte Berufe, die sich personen. Sie haben regelmässigen Kon- Jobs verschwinden wird, kommen ande- stärker auf die Anwendungsfelder der Digi- takt zu anderen Ausbildungseinrichtungen re nur auf 10 bis 20 Prozent. Unklar ist talisierung beziehen, also Automatisierung, und Betrieben. Wir sichern uns das Wissen auch, ob die Berufe, die wegfallen, durch Vernetzung, Virtualisierung. Der 3D-Druck aus vielen Zukunftstagungen und -semina- neue ersetzt werden oder ob sich nur ein- von künstlichen Organen ist zum Beispiel ren und lesen die Studien dazu. Und natür- zelne Aufgaben innerhalb der Berufsbil- ein neues Berufsfeld. Computergesteuer- lich unternehmen wir Schritte, um unsere der ändern. te Maschinen müssen zudem entwickelt, eigene Arbeit und die unserer Berufsfach- gebaut und bedient werden. Es könnten schulen fit für die digitalen Herausforderun- Welche Aufgaben innerhalb eines Berufs- auch Dienstleistungsberufe entstehen, die gen zu machen. feldes sind denn zukunftsträchtig? Menschen in der digitalen Welt unterstüt- Wir sprechen von einer Art Faustregel, aber zen, beispielsweise bei ihrem Auftritt in den Also zum Beispiel eine digitale Beratung auch die ist nicht universell gültig. Sie lautet: sozialen Medien. So ist auch der Beruf via Webchat? Je komplexer eine Aufgabe ist und je mehr des digitalen Bestatters denkbar, der sich Die digitale Beratung via Webchat ist seit menschliche Eigenschaften wie Sozialkom- um die digitale Hinterlassenschaft im Netz langem geplant. Die Berufsberatung feiert petenz, Kreativität, Urteilsvermögen, Men- kümmert. dieses Jahr ihr 100-Jahr-Jubiläum. Es wäre schenkenntnis, Verhandlungsgeschick oder ein schönes Geschenk, wenn wir den Web- Emotionen gefragt sind, desto weniger wird Wie gehen Sie mit Ihrem Amt die chat auf der neuen Website des Kantons diese Aufgabe durch einen Roboter ersetz- digitalen Veränderungen an? Wie bilden umsetzen könnten. Eine weitere Idee ist die bar sein. Aber vieles kann man nicht allein Sie sich weiter? Beratung über Internettelefonie. in der Grundbildung lernen. Die erste Aus- Wie bei jedem Beruf oder sich ändernden bildung ist nur das Sprungbrett. Weiterbil- Berufsfeldern suchen wir die Nähe zur Wirt- Das Gespräch führte Thomas Zuberbühler, dung und lebenslanges Lernen sind zentral. schaft. Unsere Ausbildungsberater sind so Leiter Kommunikation, Staatskanzlei. 17
Das Programmier- und Informatiklabor für Jugendliche «code-camp» an der Kantonsschule Wattwil Die Kantonsschule Wattwil bietet seinen Schülerinnen und Schülern seit 2015 die Möglichkeit, sich in ihrer Freizeit mit Informatik und Programmieren zu beschäftigen. Sie werden bei ihren Projekten von einem Lehrer und mehreren Informatikstudenten begleitet und unterstützt. Jede Woche treffen sich rund zehn Schü- Zwei Schüler sind derzeit Anwärter auf wil unterstützt. Da es sich dabei meist um lerinnen und Schüler unter der Leitung einen Preis beim Wettbewerb «Schwei- Informatikstudierende handelt, erhalten von Mathematik- und Informatiklehrer Emil zer Jugend forscht»: ein Schüler mit einer die «code-camp»-Teilnehmenden neben- Müller für zwei Stunden im sogenannten Rakete und der andere mit einem Pro- bei auch einen authentischen Einblick in «code-camp». Das Programmier- und Infor- gramm, das 3D-Objekte so zerlegt, dass das Informatikstudium, aktuelle Fragestel- matiklabor an der Kanti Wattwil wurde für sie mit einem 3D-Drucker gedruckt wer- lungen in der Forschung sowie die neues- Jugendliche eingerichtet, die sich in ihrer den können. Die Gruppe plant und setzt ten Entwicklungen in der Industrie. Freizeit mit Computern und Programmie- auch externe Projektaufträge um. Es wur- ren beschäftigen möchten. Emil Müller gibt den bereits erste Kontakte zu interessier- Wunsch nach einem während dieser Zeit jedoch keinen regulä- ten Kunden geknüpft. Informatiklabor ren Unterricht, sondern hilft den Jugendli- Das «code-camp» befindet sich derzeit chen bei ihren eigenen Projekten. «Hätte es Ein Wochenende lang nur noch im Aufbau und hat seine definitive einen solchen Rahmen in meiner Jugend programmieren Form und Arbeitsweise noch nicht gefun- gegeben, wäre mein Leben anders verlau- Ein Höhepunkt für das «code-camp» ist den. Es werden auch regelmässig neue fen», ist sich Emil Müller sicher. Bei diesen das jährliche Coding-Wochenende, an dem Interessierte angeworben, die zuerst ein- Treffen starten die Jugendlichen nämlich rund um die Uhr an Projekten getüftelt mal schnuppern dürfen. Der langfristige ihre eigenen Projekte, planen diese und wird. «Das Programmieren ist wie ein Dro- Wunsch der Projektgruppe ist ein richtiges setzen sie wenn möglich um. gentrip – es macht süchtig», so Emil Mül- Informatiklabor an der Kanti Wattwil, das ler. Gelegentlich steht auch eine Exkur- nicht nur über schnelles und offenes Inter- Ein eigenes Spiel entwerfen sion in eine Informatik-Firma wie Google net, sondern auch über 3D-Drucker oder Unter den zahlreichen Projektideen ist das oder der Besuch eines Vortrags zu einem Roboter verfügt. Damit könnten neue Expe- Programmieren eines eigenen Spiels äus- spannenden Informatikthema auf dem Pro- rimente gemacht und neue Welten erkun- serst beliebt. Aber auch das Lösen von gramm. Aufgrund der oft komplexen und det werden. anspruchsvollen algorithmischen Proble- zeitaufwendigen Problemstellungen der men oder das Vorbereiten auf die Infor- Programmierenthusiasten wird Emil Müller Anina Hegi, Stabsmitarbeiterin matikolympiade sind spannende Themen. von ehemaligen Schülern der Kanti Watt- Bildungsdepartement Das «code-camp» findet wöchentlich an der Kanti Wattwil statt. 18
«code-camp» an der Kanti Wattwil Teilnehmende berichten die Rakete 600 Meter hoch. Zurzeit ent- wickle ich selber einen Boardcomputer. Mein Ziel ist es, alle Boardcomputer selber zu entwickeln und vielleicht eine Teilnahme im Weltraumlager in Norwegen zu gewin- nen. Später möchte ich in Neuseeland in einem Raumfahrtlabor arbeiten.» Céline Vetsch, 18, Lichtensteig diszipliniert zu arbeiten. Mich fasziniert vor «Ich möchte eine App oder ein Spiel nicht allem die künstliche Intelligenz als neues nur nutzen, sondern mich interessiert vor Themengebiet, bei dem es noch viel zu allem, was dahintersteckt. Mein erstes Pro- entdecken gibt. Bei einem Besuch bei jekt war das Programmieren eines Spiels. Google erhielten wir einen ersten Einblick Aus dem Nachprogrammieren von Tetris in den intelligenten Assistenten.» hat sich dann ein Spiel entwickelt, mit dem man Musiknoten lernen kann. Für meine Musikgruppe habe ich ausserdem die Web- Timon Meyer, 15, Rapperswil site aufgesetzt und verwalte sie nun. Nach «Mit zehn Jahren habe ich zuhause das der Matura möchte ich an der ETH Biolo- erste Mal etwas Kleineres programmiert. gie studieren.» Jetzt im »code-camp« sind es Projekte, um beispielsweise Matheaufgaben zu erleich- tern. Die Mechanik hinter dem Program- Dominik Aschmann, 18, mieren fasziniert mich sehr. Später möch- Rapperswil te ich Applikationsentwicklung, Physik oder «Ich habe durch diese Gruppe gelernt, wie Mathematik studieren.» man programmiert. Momentan arbeite ich daran, Wetterdaten abhören zu können. Mit einer Antenne muss man das Signal Dante Suwanda, 18, Uznach auffangen und die Daten dann mit einem «Wir haben als Maturaarbeit zu zweit das Empfänger decodieren. Mein Ziel ist es, strategische Kartenspiel ‹War of ratio› ent- mittels Luftaufnahme von meinem Stand- wickelt, für das ich sogar die Karten selber ort ein Selfie zu schiessen. Später möch- gezeichnet habe. Momentan programmie- te ich Elektrotechnik an der ETH studieren. ren wir in einer Vierergruppe ein Kampfspiel. Die Mischung aus Handwerk und Informa- Luke Stampfli, 18, Nesslau Die Herausforderung dabei ist, dass meh- tik finde ich sehr spannend.» «Meine Arbeit läuft im Hintergrund ab, zum rere Spieler gleichzeitig dieses Spiel spie- Beispiel ermöglicht sie, dass Computer mit- len können. Das Coole am Programmieren einander kommunizieren. Das erste Mal ist, dass man bei jedem Spiel das rausneh- habe ich mit sieben Jahren zusammen mit men kann, was einem gefällt und dann die meinem Vater einen Taschenrechner pro- verschiedenen Komponenten zusammen- grammiert. Jetzt bin ich mit meinem Pro- setzen kann.» jekt bei »Schweizer Jugend forscht« dabei. Ich habe eine 3D-Druck-Software für For- Alessandro Biella, 18, Rapperswil men programmiert, die als Ganzes nicht «Früher habe ich von meinem Vater das Lukas Hauser, 18, Kaltbrunn druckbar wären. Die Software zerlegt eine Programmieren gelernt, dann hat Emil Mül- «Mit meiner Rakete bin ich momentan bei Form in einzelne Teile, die danach zusam- ler Werbung für das »code-camp« gemacht. »Schweizer Jugend forscht« im Rennen. mengeklebt werden.» Hier in diesem Rahmen ist es einfacher, Beim Pilotversuch für die Maturaarbeit flog 19
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