Pflege-Bahr als Vetriebsturbo?

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Pflege-Bahr als Vetriebsturbo?
VERSICHERUNGEN I Roundtable „Private Pflegevorsorge“

                                        Pflege-Bahr
                                    als Vetriebsturbo?
                Ist die neue staatliche Pflegeförderung ein Turbo für die Vorsorgespezialisten im Vertrieb?
              Beim finanzwelt-Roundtable zum Thema „Private Pflegevorsorge“ in Wiesbaden diskutierten
                  die Experten des Branchenverbandes und der Rating-Agenturen mit auf Familien- und
             Generationenschutz spezialisierten Versicherungsvorständen. Die staatliche „Ba(h)r-Förderung“
            wurde als Anreiz für Beratung und Verkauf von Vorsorgelösungen begrüßt. Die Erwartung und der
                         Bedarf sind hoch. Die Benchmark für den Erfolg als Einstiegsprodukt und
                                         Vertriebsturbo ist die „Riester-Förderung“.

        D
                 as Thema „Private Pflegevorsorge        Stephan Schinnenburg
                 und die neue Bahr-Pflegeförde-
                 rung“ diskutierten in einer Exper-
        tenrunde in Wiesbaden: Dr. Rainer Reitzler,
        Vorstandsvorsitzender Münchener Verein
        Versicherungsgruppe; Dr. Marc-Pierre Möll,
        PKV-Verband; Philipp J.N. Vogel, Vorstand
        Deutsche Familienversicherung; Stephan
        Schinnenburg, Geschäftsführer Morgen &
        Morgen GmbH; und Hendrik Scherer,
        Geschäftsführer Premium Circle Deutsch-
        land GmbH.

        finanzwelt: Ist die neue Bahr-Förderung
        für eine private Pflegeversicherung ab 2013
        ein guter Einstieg in die Vorsorgeberatung,
        wie seit 10 Jahren die Riester-Förderung?
        Schinnenburg ❭ Eine positive Verände-
        rung ist bei der neuen staatlichen Förderung
        im Vergleich zu Riester beobachtbar. Sie ist   Vogel ❭ Riester- und Bahrförderung sind           private Pflege auf eine sehr unterhaltende
        mit weniger Bürokratie verbunden als bei       gesetzliche Anreize, aber keinesfalls ausrei-     Weise behandelt. Der private Pfleger wird
        der Riester-Rente. Die neuen Versicherun-      chende Lösungen. Das jeweils geförderte           zum Freund des Pflegebedürftigen.
        gen werden die Qualität haben, die sie auch    Produkt allein reicht nicht aus. Die Vorsor-      Scherer ❭ Staatliche Förderprogramme
        haben sollen.                                  ge für Familien kann mit bedarfsgerechten         schärfen das Bewusstsein in der Bevölkerung
        Dr. Reitzler ❭ Staatliche Förderung für eine   Lösungen aus unserem bestens bewerteten           für die notwendige Vorsorge. Riester löst
        privatwirtschaftliche Lösung ist der Anreiz    Tarifangebot in einer ganzheitlichen Bera-        aber nicht das Problem. Die Riester-Rente
        für Vorsorgesparer und Versicherte, das        tung ergänzt werden. Eintritt von Pflege-         bringt nur einen Teil der Rente wieder, die
        Richtige zu tun. Riester oder auch die klei-   bedarf ist keine Altersfrage. Für alle in einer   zuvor den Menschen gekürzt wurde. Pflege
        ne Wohnungsbauprämie in den vermö-             Familie ist das eine wichtige Vorsorge.           wird das Problem der Zukunft sein. Die
        genswirksamen Leistungen kommen brei-          Dr. Möll ❭ Die Förderung soll helfen, Pro-        Menschen denken leichtfertig: „Wenn mit
        ten Schichten der Bevölkerung zugute. Bei      bleme zu lösen, die durch die demographi-         der Oma etwas ist, pflegen wir sie schon.“
        der neuen Bahr-Förderung ist abzuwarten,       sche Entwicklung entstehen. Aktuell gibt es       Keiner ahnt, welche physische und psy-
        wie groß der Kannibalisierungs-Effekt im       im Markt nur etwa 2 Millionen private Pfle-       chische Belastung für die Pflegebedürftigen
        Markt ist. Die Gefahr besteht, dass ein rei-   gepolicen, obwohl bereits jetzt feststeht, dass   und die Pflegenden entstehen.
        ner Türöffner, der ja nur zum Einstieg in      sich die Zahl der Pflegebedürftigen verdop-
        eine Vorsorgeberatung zum Pflegerisiko         peln wird. Die Kerze brennt also von zwei         finanzwelt: Aus dem Vertrieb sind auch
        dient, mit einer ausreichenden Lösung ver-     Seiten. In dem französischen Kinofilm             Vorbehalte zur Pflege als Vertriebsthema zu
        wechselt wird.                                 „Ziemliche beste Freunde“ wird das Thema          hören. Wie sehen Sie als Beobachter und

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Pflege-Bahr als Vetriebsturbo?
Die Expertenrunde des Roundtable (v. li. nach re.): Philipp J.N.Vogel, Vorstand Deutsche Familienversicherung; Hendrik Scherer, Geschäftsführer Premium Circle Deutschland
GmbH; Dr. Marc-Pierre Möll, PKV-Verband; Dr. Rainer Reitzler, Vorstandsvorsitzender Münchener Verein Versicherungsgruppe; Stephan Schinnenburg, Geschäftsführer Morgen &
Morgen GmbH; Dietmar Braun und Dorothee Schöneich

Experten im Markt die zukünftige Chance,                  Scherer ❭ Wie werden die Bedingungen für                   vatwirtschaftlichen Versicherer gestellt
mit Hilfe der Ba(h)r-Förderung private Pflege-            die geförderte Pflegeversicherung aussehen?                wurde.
vorsorge populär zu machen?                               Einheitliche Bedingungen, was heißt denn                   Vogel ❭ Der Pflege-Bahr muss eine „Tür-
Schinnenburg ❭ Die Branche hat die Ver-                   das? Es ist zu erwarten, dass es eine Orien-               öffner“-Lösung bleiben, der Rest eine klas-
pflichtung, deutlich zu machen, was Vor-                  tierung an der gesetzlichen Pflegeversiche-                sische Aufgabe für das Vorsorgeangebot der
sorge ist und warum auch das Pflegerisiko                 rung geben wird.                                           Versicherer. Ein Basisschutz ist besser als
dazu gehört. Kritisch ist bei den Förder-                 Schinnenburg ❭ Wir machen bereits                          gar kein Schutz. Er ist die dritte Säule in der
produkten wie Riester, dass der Kostenan-                 Ratings zu Pflegetagegeld-Tarifen. Die                     privaten Pflegeversicherung mit Kontra-
teil bei fast 25 % liegt und einige Anbieter              Untersuchung, was für Leistungen gegen                     hierungszwang für Menschen, die sich ver-
Schwierigkeiten haben, die eingezahlten                   fünf Euro Monatsbeitrag erhältlich sind,                   sichern wollen und es bisher nicht konnten.
Beiträge als Leistungen zu generieren. Bei                wäre kaum sinnvoll. Besser wäre es, Kom-                   Der Bereich Pflege könnte damit eine Blau-
den Bahr-Pflegelösungen muss man abwar-                   binationsangebote oder Bündelprodukte als                  pause für ein zukünftiges Gesundheitssys-
ten, wie diese ausfallen.                                 Lösungen zu finden.                                        tem sein – mit einem obligatorischen
Dr. Möll ❭ Fünf Euro Förderung im Monat                   Dr. Reitzler ❭ Die Verwaltungskosten in                    Grundschutz, privater Vorsorge, ergänzt
oder 60 Euro im Jahr sind wenig. Hier soll-               den geförderten Bahr-Pflegetarifen sind im                 durch subventionierte Ergänzungslösungen
te über eine dynamische Erhöhung der                      Vergleich zu Riester etwas einfacher gestalt-              mit Kontrahierungszwang.
Vorsorge-Pflichtversicherung nachgedacht                  bar. Wichtig ist, dass die Kalkulation der
werden.                                                   Kosten und Tarife unter die Hoheit der pri-                finanzwelt: Wer verkauft die neuen Pro-
                                                                                                                     dukte und sind die Provisionen und Cour-
                                                                                                                     tagen auch ausreichend, so dass diese Vor-
                                                                                                                     sorgespezialisten von Beratung und Service
 Dr. Rainer Reitzler                                                                                                 auch leben können?
                                                                                                                     Scherer ❭ Früher konnte fast jeder ver-
                                                                                                                     mitteln, heute ist das aufgrund der Ver-
                                                                                                                     mittlerrichtlinie so nicht mehr möglich. Das
                                                                                                                     Fachwissen und die Qualifikation eines Ver-
                                                                                                                     mittlers sind wesentliche Merkmale für die
                                                                                                                     Auswahl eines geeigneten Beraters. Der Ver-
                                                                                                                     mittlungsunternehmer von heute ist mit
                                                                                                                     dem Arztberuf vergleichbar, passende Vor-
                                                                                                                     sorge bedarf einer richtigen Diagnose und
                                                                                                                     einer richtigen Wahl in der Priorität von
                                                                                                                     Therapie und Lösung.
                                                                                                                     Schinnenburg ❭ Jeder Vermittler hat sein
                                                                                                                     eigenes Berufsethos. Meist stehen die Unter-
                                                                                                                     schiede in der Kalkulation des Produktes im
                                                                                                                     Fokus und nicht die Qualität des Produk-
                                                                                                                     tes. Was die Inhalte und Nachhaltigkeit der

                                                                           finanzwelt 05/2012
                                                                                                                                                                             109
Pflege-Bahr als Vetriebsturbo?
VERSICHERUNGEN I Roundtable „Private Pflegevorsorge“

        Lösungen betrifft, kam erst in den letzten 24
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        Monaten mehr Bewegung in den Markt. Ein-
        kommen wird auch dadurch bestimmt, ob es
        passende Annex-Produkte gibt. Ein Problem
        wird auch zukünftig sein, dass ein Kunde
        mindestens 100 statt 50 Euro im Monat anle-
        gen müsste, um richtig vorzusorgen, aber das
        will er oder kann er nicht.
        Dr. Möll ❭ Der Vertrieb und die Vermitt-
        lung ist eine wichtige Aufgabe der Versi-
        cherer und der Dienstleistungsunterneh-
        men für Vermittler. Die Branche muss sich
        vor allem über Qualität in Beratung und Ser-
        vice definieren.
        Dr. Reitzler ❭ Der Vertrieb ist, wie er ist. In
        der Mitgestaltung des Marktes hat auch der
        Vertrieb eine wichtige Funktion, er wirkt
        entscheidend mit, ob eine private Versor-
        gung auch bedarfsgerecht verkauft wird.
        Reicht eine Art „Teilkasko-Lösung“ oder ist
        ein umfassender „Vollkaskoschutz“ erfor-          Schinnenburg ❭ Die Branche hat die exis-       und mehr Aufmerksamkeit für das Thema
        derlich? 1,9 Millionen Pflegetagegeldverträ-      tenzielle Risiken absichernde Berufsunfä-      Vorsorge sorgen. Die Pflichtvorsorge für
        ge in der Vergangenheit sind als Ergebnis         higkeits-Lösung nicht geschafft. Ich be-       Pflege und die Pflegeförderung decken nicht
        wenig. Die Frage ist, wie kriege ich die PS auf   zweifle, ob die Branche das dann umfassend     den tatsächlichen Versorgungsbedarf.
        die Straße? Fünf Euro als Turbolader ist ein      in der Pflege hinbekommt. 400 Euro als         Dr. Möll ❭ 100 Millionen Euro in der För-
        Antrieb, dass mehr Verträge als bisher abge-      durchschnittliche Zusatzabsicherung wären      derung sind ein guter Anfang. Das Ziel
        schlossen werden. 11 Millionen Riester-           eine erste Lösung.                             müsste die Verdopplung der bisher beste-
        Verträge sind gut – das ist doch eine Bench-      Scherer ❭ Die Branche käme schon wei-          henden Verträge auf 4 Millionen sein. Viele
        mark für den Pflege-Bahr! Wir bewegen uns         ter, wenn nicht die Kraftfahrtversicherung     den Vertrieb und Verkauf unterstützende
        in einem Verkäufermarkt, und das ist die          der Türöffner wäre und sich das Pflege-        Argumente sind bisher kaum bekannt, wie
        Herausforderung, wie Versicherer attraktive       thema als Türöffner für neue Kunden            die Stiftung Qualität in der Pflege oder die
        Pakete für den Vertrieb gestalten können.         durchsetzen könnte. Die gesetzlichen Pflege-   Studiendatenbank des Zentrums für Qua-
                                                          pflichtlösungen sind eine „Teilkaskover-       lität in der Pflege (ZQP). Das Thema Pfle-
        finanzwelt: Wird die Pflegeförderung den          sicherung mit einer Mindestdeckung. Der        ge ist in der Gesellschaft angekommen, aber
        Vorsorgemarkt stärken oder bremsen?               „Pflege-Bahr“ kann für einen „Aha!-Effekt“     wie Pflegevorsorge praktisch erfolgen soll,
                                                                                                         noch nicht. Die nachhaltige Lösung ist da
                                                                                                         unabhängig von den Pflichtprodukten zu
         Hendrik Scherer                                                                                 suchen.
                                                                                                         Schinnenburg ❭ Das Thema Pflege und
                                                                                                         private Vorsorge hat auch viel mit gelebten
                                                                                                         Werten zu tun. Was verstehe ich unter Frei-
                                                                                                         heit? Eigene Verfügungsrechte? Oder was ist
                                                                                                         eher eine zunehmende Bevormundung
                                                                                                         durch Dritte? Je älter ein Mensch wird, desto
                                                                                                         aktueller werden solche Fragen und Werte.
                                                                                                         Vogel ❭ Jeder braucht eine ausreichende
                                                                                                         private Vorsorge, dazu gehört auch die Vor-
                                                                                                         sorge für den Pflegefall. Nur für bereits ein-
                                                                                                         getretene Pflegefälle kann der Vertrieb
                                                                                                         nichts mehr tun, sonst steht für alle eine
                                                                                                         nachhaltige private Lösung für den Pflege-
                                                                                                         fall zur Verfügung – ohne eine Gesund-
                                                                                                         heitsprüfung und unter Einhaltung der
                                                                                                         Wartezeit von fünf Jahren.
                                                                                                         Dr. Reitzler ❭ Auf dem Thema liegt auch
                                                                                                         viel medialer Druck. In der Zielgruppe Ver-
                                                                                                         mittler sollte das Feindbild Pflegefall und
                                                                                                         Pflege zum Vorbild gewandelt werden. Seit
                                                                                                         sechs Jahren bringen wir das Thema Pflege
                                                                                                         im Vertrieb voran. Als Generationenversi-

110                                                                      finanzwelt 05/2012
Pflege-Bahr als Vetriebsturbo?
cherer nutzen wir die Chance, dem Vertrieb     Wirtschaft auch genügend Menschen ab?            sche Entwicklung wird eine dauerhafte Bei-
exzellente Heime und Einrichtungen zu          Die Subsidiarität, bestehend aus freier          behaltung des heutigen Leistungsniveaus aus
zeigen, wie die unseres Partners Phönix-       Selbstbestimmung und Eigenverantwor-             schwierig machen; weshalb ich gute Perspek-
Seniorenzentren. Bei einem Besuch im           tung, nimmt stetig ab. Weniger private Wirt-     tiven für die Zusatzversicherungen sehe.
Pflegeheim kann sich sehr schnell zeigen, ob   schaft und weniger Wettbewerb lösen die          Dr. Möll ❭ Der Verband konnte bei der
ein Vermittler für die Vermittlung von Vor-    Herausforderungen der demographischen            Begrenzung der Provisionen aus kartell-
sorgelösungen geeignet ist. Wir setzen auch    Entwicklung auch nicht besser.                   rechtlichen Gründen nicht tätig werden.
Pflegebedürftige als Referenten für den Ver-   Dr. Möll ❭ Es läuft eine von Teilen der Poli-    Billigtarife unter dem Niveau der gesetzli-
trieb ein, Verständnis des Bedarfs aus der     tik geförderte, unerfreuliche Diskussion um      chen Kassen sind als Thema vom Tisch. Die
Sicht der Betroffenen ist auch eine Form von   und gegen die private Krankenversicherung.       neuen Unisex-Tarife könnten aber wieder zu
Verkaufsmotivation.                            Die ganze Kampagne zielt auf die „Mitte“ der     mehr Mindestdeckungen im Tarifangebot
                                               Wählerschaft und die „Mittelschicht“ der         führen.
finanzwelt: Wird der Staat als „Überfamilie“   Gesellschaft. Diese umworbene „Mittel-           Schinnenburg ❭ Es gibt mehr zufriedene
durch Wettbewerb im dualen System ent-         schicht“ besteht immer noch überwiegend          PKV-Kunden. Das liegt daran, dass im
lastet oder wird eher die „Bürgerversiche-     aus den Bediensteten im öffentlichen Dienst,     Durchschnitt die Anpassungen der Beiträge
rung als Zwangs- oder Einheitskasse“           den Selbständigen und den besser verdie-         moderat ausfielen. Die nächsten fünf Jahre
gewählt?                                       nenden Angestellten, alles Bevölkerungs-         entscheiden über das Schicksal der Bran-
Scherer ❭ Das wird davon abhängen, ob es       gruppen, die überwiegend privat versichert       che. Die Bahr-Förderung ist auch eine
der Branche selbst gelingt, die Mehrheit der   sind. Ein gutes Argument für das duale Sys-      Chance für die Branche, ein verantwor-
Deutschen davon zu überzeugen, dass der        tem und den Wettbewerb sind die Beiträge         tungsvolles Handeln zu zeigen.
Staat nicht mehr für alles sorgen und alles    der gesetzlichen und privaten Pflegekran-        Dr. Reitzler ❭ Das Pflegethema ist eine his-
finanzieren kann. Die „Zwangskasse“ würde      kenversicherung, die privatwirtschaftlich kal-   torische Chance auch für private Versiche-
den Wettbewerb, wie wir ihn heute kennen,      kulierten Beiträge sind günstiger.               rer, die mit gesetzlichen Kassen kooperieren.
erheblich einschränken.                        Vogel ❭ Im Ergebnis wird es auch weiter          40 Prozent unseres Umsatzes in der priva-
Schinnenburg ❭ Was macht der Staat und         eine Mischung aus staatlicher Fürsorge und       ten Krankenversicherung ist bereits Pflege.
was machen die Bürger? Sichert die private     privater Vorsorge geben. Die demographi-         Die Wohnungsbauprämie war anfangs auch
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Pflege-Bahr als Vetriebsturbo?
VERSICHERUNGEN I Roundtable „Private Pflegevorsorge“

                                                                                                        finanzwelt: Ist „Vorsorge“ als Thema im
                                                                                                        Aufwind, bringt Pflegevorsorge als Türöff-
                                                                                                        ner noch mehr Schwung oder ist die Brems-
                                                                                                        wirkung von Zinsen und Euro zu groß? Was
                                                                                                        ist Ihr Fazit?
                                                                                                        Vogel ❭ Der Marktzins bleibt für die Branche
                                                                                                        wohl noch länger eine echte Herausfor-
                                                                                                        derung, weshalb wir im Sinne einer grö-
                                                                                                        ßeren Nachhaltigkeit als einziger PKV-
                                                                                                        Anbieter im Markt mit einem Garantiezins
                                                                                                        von drei Prozent kalkulieren. Wir sind über-
                                                                                                        zeugt, dass das Thema Pflege und Vorsorge
                                                                                                        über Wettbewerb unter den Anbietern
                                                                                                        gefördert wird, und positionieren uns im
                                                                                                        Markt über die Produktqualität. Bei hohem
                                                                                                        Eintrittsalter werden sich die Ältesten, trotz
                                                                                                        Bedarf, Pflege nicht leisten können. Pflege
                                                                                                        ist auf der anderen Seite keine Frage des
                                                                                                        Alters, Pflegefall kann jeder werden. Es kann
                                                                                                        gelingen, in eine neue jüngere Zielgruppe
                                                                                                        vorzustoßen.
                                                                                                        Dr. Reitzler ❭ Zinsen unter drei Prozent
          Dr. Marc-Pierre Möll
                                                                                                        können langfristig von der Assekuranz nicht
                                                                                                        akzeptiert werden. In der Kapitalanlage
                                                                                                        muss sich die Branche umsehen, welche
        nur so ein kleiner Schnipsel an Förderung       von Qualität und Transparenz. Qualität          Alternativen in der Zukunft möglich sind.
        und es entstanden daraus Eigenheime –           und Inhalte sind wichtiger als die für das      Bei Ratings von Vorsorgeprodukten sollte
        warum soll das nicht mit der kleinen Bahr-      Produkt zu zahlende Prämie.                     vor allem der Nutzen für die Menschen
        Förderung genauso laufen? Da werden aus         Scherer ❭ Wir vergleichen und analysieren       besonders hoch bewertet werden. Mehr als
        kleinen Schnipseln eben Pflegeheime.            Versicherungsbedingungen und nicht Prä-         sechs Prozent Marktanteil mit unserer Deut-
                                                        mien. Was die Menschen kaufen, sind die         schen Privatpflege im Neugeschäft bei
        finanzwelt: Läuft die PKV Gefahr, von der       in den Bedingungen garantierten Leistun-        Pflegeprodukten stimmen uns als Versiche-
        Politik „schlechtgeredet“ und von Experten      gen, denn nur darauf haben sie im Ernst-        rer mit dem Schwerpunkt Vorsorge opti-
        in den Ratings „schlecht gerated“ zu werden?    fall einen einklagbaren Rechtsanspruch. Wir     mistisch.
        Wird da der Erfolg des PKV-Verbandes im         geben Kunden und dem Vertrieb die Chan-         Schinnenburg ❭ Der Wettbewerb im Markt
        Thema Pflege helfen, das Vertrauen in die       ce zu erkennen, was in Versicherungsbe-         für Pflegevorsorge ist noch überschaubar.
        PKV-Branche zu stärken?                         dingungen wirklich enthalten ist.               Die 70 Millionen Beiträge im Pflegetagegeld
        Dr. Möll ❭ Der Verband hat in der Tat sehr      Dr. Reitzler ❭ Was der PKV-Verband              können bei mehr Wettbewerb schnell auf
        viel mehr sachliches Gehör in der Politik       bescheiden als „Gehör gefunden“ bezeich-        eine halbe Milliarde Euro anwachsen. Die
        erhalten. Das gilt auch bei der Thematik,       net, ist eine Meisterleistung. Es ist alles     neuen Impulse können da schon etwas
        dass eine Altersrückstellung bei öffentli-      andere als einfach, komplexe Themen wie         Bewegung schaffen. Der Verkäufer kann zu
        chen Körperschaften nicht möglich ist. Es       Pflege und Gesundheit so verständlich dar-      den Menschen gehen und sagen: „Wir
        geht auch in aktuellen Diskussionen nicht       zustellen, dass Politiker solche nachhaltigen   haben da etwas Neues.“
        um ökonomische Interessen, sondern allein       Entscheidungen wie im Thema Pflege tref-        Scherer ❭ Die Bahr-Förderung ist eine
        um die Frage von Qualität über Erhalt des       fen. Ratings und Produkte, da lebt jeder in     echte Chance. Es wird aber schwierig, wenn
        Wettbewerbs. Qualität entsteht nicht über       seinem Geschäftsmodell, bei der Bewertung       die Mehrzahl der Ratings zu dem Ergebnis
        einen Zwang zur Einheitskasse, sondern          von Einzelleistungen sei empfohlen zu           kommt, dass alle Anbieter vermeintlich
        nur über Wettbewerb zwischen gesetzlicher       bedenken, dass nicht jeder Kunde alles          nahezu das Gleiche im Angebot haben.
        Fürsorge und privater Vorsorge.                 wünscht, sondern gerne selbst auswählt,         Wenn die Produkte transparent sind, wird
        Schinnenburg ❭ Keiner sagt, die private         was für ihn weniger oder viel wichtiger ist.    der Vertrieb das Thema aufnehmen.
        Pflegelösung oder private Krankenversi-         Und hier spielt insbesondere der Vermitt-       Dr. Möll ❭ Wenn die Bedingungen vorlie-
        cherung sei schlecht. Ratings sind nicht dazu   ler eine entscheidende Rolle.                   gen und diese gut sind, wird das auch ein
        da, etwas kaputt zu reden. Wir wollen Qua-      Vogel ❭ Nach Provisionsexzessen in der          Erfolg. Nicht nur für die privaten Kran-
        lität zeigen und fördern. Unser Ziel ist        privaten Krankenversicherung, Billigtari-       kenversicherer wird 2013 ein wichtiges Jahr,
        Transparenz. Keine Ratings verbieten dem        fen und einer teilweise weit verbreitenden      ein Zwang in eine Einheitskasse ist die
        Vertrieb und den Kunden eigenständig zu         schlechten Beratung kann die Frage schon        Abschaffung von Wettbewerb, Qualität und
        denken, was sie wollen und welche Lösung        kritisch aufgeworfen werden, ob die priva-      Auswahl.
        die individuell beste ist. Ratings sind der     te Vollversicherung das Vertrauen im Ange-
        natürliche Feind der Produktentwickler, das     bot von substitutiven Lösungen nicht ver-
        ist ein Teil des Wettbewerbs und im Sinne       spielt hat.                                                                   Dietmar Braun

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Pflege-Bahr als Vetriebsturbo?
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