Pflegeeltern eröffnen neue Perspektiven 2/2018 - KVJS
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
2/2018 Jugend Pflegeeltern eröffnen neue Perspektiven Seite 24 KVJS Soziales Integration Verbandsdirektor a. D. Deutscher Fürsorgetag Mit vereinten Roland Klinger im und Messe Kräften zum neuen Interview Pflege Plus in Stuttgart Arbeitsplatz Seite 4 Seite 8 Seite 14
Impressum KVJS aktuell April 2018 Herausgeber: Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg Öffentlichkeitsarbeit Lindenspürstraße 39 70176 Stuttgart www.kvjs.de Verantwortlich: Heide Trautwein Redaktion: Monika Kleusch Mit Beiträgen von: Gabriele Addow (add) Julia Holzwarth (hol) Monika Kleusch (mok) Titelfoto: © Uschi Hering/Fotolia Layout: Waltraud Gross Bestellungen und Adressänderungen: Petra Wagner Telefon 0711 6375-208 Petra.Wagner@kvjs.de Druck: Texdat-Service gGmbH, Weinheim Redaktioneller Hinweis: Wir bitten um Verständnis, dass aus Gründen der Lesbarkeit auf eine durch- gängige Nennung der weiblichen und männlichen Bezeichnungen verzichtet wird. Selbstverständlich beziehen sich die Texte in gleicher Weise auf Frauen und Männer. 2 KVJS aktuell
KVJS Inhaltsverzeichnis KVJS 4 Verbandsdirektor a. D. Prof. Roland Klinger im Interview 6 Kristin Schwarz folgt als Verbandsdirektorin auf Roland Klinger 7 Viel Bewegung im Kulturpark: Angebote locken Besucher nach Rappertshofen SOZIALES 8 Fachvorträge auf der Messe Stuttgart 10 Neue Untersuchungen in der GPV-Dokumentation 11 Medizinisch-Pädagogischer Dienst des KVJS erneut zertifiziert worden 12 Landkreis Göppingen schreibt Teilhabeplan fort INTEGRATION 14 Mit vereinten Kräften zu neuem Arbeitsplatz 15 Inklusionsfirma NintegrA übernimmt „Das Kaufhaus“ 16 Gelebte Inklusion bei IKEA Freiburg 18 Erneute Auszeichnung nach zehn Jahren 20 Neue Gabelstapler warnen mit Lichtsignal JUGEND 22 Wenn Worte fehlen sprechen Bilder 24 Pflegeeltern eröffnen neue Perspektiven FORSCHUNG 27 Positive Resonanz beim Fachtag zum Forschungsvorhaben KiTa-Planung FORTBILDUNG 28 Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe 30 Damoklesschwert Fachkräftemangel NEU ERSCHIENEN 31 Beim KVJS erschienen 2/2018 KVJS aktuell 3
KVJS „Die wichtigste Aufgabe ist gelungen“ Verbandsdirektor a. D. Prof. Roland Klinger im Interview Ende März ist Roland Klinger in den Ruhestand getreten. Er steuerte über 13 Jahre die Geschicke des KVJS. Davor leitete Roland Klinger über vier Jahre den Landeswohlfahrts- verband Württemberg-Hohenzollern. Herr Klinger, wenn Sie zurückblicken: Haben Sie erreicht, was Sie sich damals für den Ver- band vorgenommen haben? Ich habe vieles, aber nicht alles erreicht. Die wich- tigste Aufgabe ist aber gelungen – nämlich unter dem Dach des KVJS die beiden zu fusionierenden Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württem- berg-Hohenzollern zu einem landeseinheitlichen Verband zusammenzuführen. Er hat als Kompe- tenz- und Dienstleistungszentrum in der Zwi- schenzeit das Vertrauen und die Akzeptanz der 44 Stadt- und Landkreise als Pflichtmitglieder. Das freut mich sehr. Welche besonderen Herausforderungen galt es zu meistern? Die Sorge war am Anfang, dass sich der KVJS nicht Verbandsdirektor Prof. Roland Klinger tritt in den Ruhestand. Foto: KVJS aus seiner LWV-Rolle befreien und deshalb kein modernes Dienstleistungsangebot entwickeln kann. Das Gegenteil ist aber mit einer multidiszi- plinär aufgestellten und hochmotivierten Beleg- stattung in der Jugendhilfe, Pflege und Einglie- schaft eingetreten, wofür ich den Mitarbeitern derungshilfe und der Fortbildungsangebote zu und Mitarbeiterinnen sehr herzlich danke. gestalten und einen neuen Bereich der anwen- dungsbezogenen Forschung für die Praxis zu Was waren für Sie die Meilensteine während schaffen. Wichtig war auch die Eingliederung der Ihrer Zeit beim KVJS? LWV.Eingliederungshilfe GmbH mit 1.400 Mitar- beitern für 1.600 Menschen mit Behinderung in Die Meilensteine waren das Dienstleistungs- den KVJS. angebot für alle Kreise in Baden-Württemberg umfassend und in guter Qualität im Bereich der Der KVJS hat sich unter Ihrer Leitung als qua- Beratung und Unterstützung, der Planung, des lifizierter Fortbildungsanbieter in der Praxis Vergütungsrechts, der landesweiten Berichter- einen Namen gemacht. Was braucht es, damit 4 KVJS aktuell 2/2018
KVJS der Verband diese starke Position künftig nicht statt für behinderte Menschen durch das „Budget nur behalten, sondern weiter ausbauen kann? für Arbeit“ erleichtert werden. Die KVJS-Fortbildung hat jährlich circa 16.000 Teil- Die demografische Entwicklung lässt die Zahl der nehmer. Sie erwarten, dass aktuelle Themen und Pflegebedürftigen stetig ansteigen, während Pfle- veränderte Rahmenbedingungen rasch, fachlich gefachkräfte fehlen. Gleichzeitig wird die Pflege fundiert, qualitativ hochwertig und zielgruppeno- immer teurer, auch weil das Pflegepersonal besser rientiert in die Programme einfließen. Theorie und bezahlt werden muss. Die Sozialhilfe wird bei den Praxis sollen gut miteinander verknüpft werden. Pflegekosten immer mehr zum Ausfallbürgen wer- Gleichzeitig besteht der Anspruch neue Medien den, wenn nicht bald die gesetzliche Pflegeteilver- einzubeziehen – also „E-Learning“- oder „Blended- sicherung in eine Pflegevollversicherung umge- Learning“-Konzepte zu gewährleisten. Das ist der wandelt wird. Dauerauftrag für eine erfolgreiche Fortbildung. In der Jugendhilfe wird der weitere Ausbau der Wo steht die Forschung heute? Kinderbetreuungsangebote im Mittelpunkt ste- hen, um Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Die KVJS-Forschung ist anwenderorientiert und Daneben muss der Kinder- und Jugendschutz wei- geschieht im Dialog mit der Praxis. Daher greift sie ter ausgebaut und qualifiziert werden. aktuelle Fragen und Problemlagen auf. Seit 2011 wurden sechs Forschungsvorhaben abgeschlos- Bestimmt haben Sie schon persönliche Pläne sen, fünf weitere Projekte befinden sich aktuell in für die Zukunft geschmiedet? der Transferphase hinein in die Praxis der 44 Stadt- und Landkreise und in das landesweite KVJS-Fort- Ich werde die neue Freiheit zusammen mit meiner bildungsangebot. Weitere vier Projekte werden Familie genießen und freue mich, dass ich nicht derzeit durchgeführt in der Kindertagesbetreu- mehr täglich fremdbestimmt bin. Aber ich werde ung, der Schulsozialarbeit, der Eingliederungshilfe daneben die eine oder andere ehrenamtliche für behinderte Menschen. Dadurch werden effizi- Tätigkeit im sozialen Aufgabenfeld wahrnehmen ente Lösungsansätze zur praktikablen und finan- und mich im Übrigen auf neue Lebensperspekti- zierbaren Gestaltung kommunaler Sozialaufgaben ven einlassen. geschaffen. Das Interview führte Gabriele Addow Was glauben Sie: Was sind für den KVJS die großen Themen der kommenden Jahre? In den nächsten Jahren hat die Inklusion und die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes Priorität. Die Eingliederungshilfe für Menschen mit wesent- licher Behinderung – davon sind heute über 70.000 Menschen im System der Sozialhilfe hier im Land betroffen – muss neu strukturiert werden. INFO In der nächsten Ausgabe von „KVJS Losgelöst von der Wohnform soll mehr Teilhabe aktuell“ lesen Sie ein Interview mit in allen Lebensbereichen ermöglicht werden. Vor der neuen Verbandsdirektorin Kristin allem im Arbeitsleben soll der Einstieg in den all- Schwarz gemeinen Arbeitsmarkt als Alternative zur Werk- 2/2018 KVJS aktuell 5
KVJS Abschied und Neubeginn Kristin Schwarz folgt als Verbandsdirektorin auf Roland Klinger Am 22. März 2018 wurde Verbandsdirektor Prof. Roland Klinger im Tagungszentrum Gültstein feierlich in den Ruhestand verabschiedet und seine Nachfolgerin Kristin Schwarz als neue Verbandsdirektorin vereidigt. Roland Klinger war Gründungsdirektor des 2005 im fahrtsverbände Baden und Württemberg-Hohenzol- Zuge der Verwaltungsreform entstandenen KVJS, in lern zusammengefasst wurden. Der Verbandsvorsit- dem Teile der seinerzeit aufgelösten Landeswohl- zende, Landrat a. D. Karl Röckinger, würdigte Klinger als landes- und bundesweit anerkannten Sozial- rechtsexperten. Im Bereich der sozialen Daseins- vorsorge habe Klinger den Dialog zwischen Wis- senschaft und Forschung nachhaltig angeregt und gefördert. Es sei ihm gelungen, den KVJS im Laufe der Jahre zu einem landesweit anerkannten Dienst- leistungs- und Kompetenzzentrum für die Stadt- und Landkreise zu entwickeln. Klingers Verdienste wurden zudem gewürdigt von Landrat Joachim Walter – Präsident des Landkreis- tages Baden-Württemberg, Prof. Dr. Wolf-Dietrich Hammann – Ministerialdirektor im Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg sowie von Oberkirchenrat Dieter Kaufmann – für die Liga der freien Wohlfahrtspflege. Der Verbandsvorsitzende Karl Röckinger übergab dem scheidenden Verbandsdirektor seine Entlas- sungsurkunde. Im Anschluss vereidigte er Kristin Schwarz als neue Verbandsdirektorin. Die Diplom- Verwaltungswirtin gilt landesweit als Expertin auf dem Gebiet des Sozialrechts. Nach beruflichen Stationen unter anderem beim Landessozialamt des ehemaligen Landeswohlfahrtsverbandes Württemberg-Hohenzollern und dem Landrat- samt Esslingen als Leiterin des Amtes für beson- dere Hilfen, führte Kristin Schwarz vier Jahre lang das Referat „Vergütungen, Entgelte, Vertragswe- sen“ des KVJS. Sie ist die erste Frau, die nun einen höheren baden-württembergischen Kommunal- (v.li.:) Verbandsvorsitzender Karl Röckinger, Verbandsdirektorin Kristin Schwarz, verband im sozialen Bereich leitet. Verbandsdirektor a. D. Prof. Roland Klinger Foto: Holzwarth mok 6 KVJS aktuell 2/2018
KVJS Viel Bewegung im Kulturpark Immer mehr Angebote locken Besucher nach Rappertshofen Der Kulturpark Reutlingen-Nord nimmt Fahrt auf. Kulturveranstaltungen, Saisongärten und das Café erweisen sich als die erhofften Besuchermagneten. Mit Juliane Stöffel hat der Kulturpark außerdem eine neue Leiterin. In Rappertshofen entwickelt sich etwas. Auf dem auch in der Fachwelt große Anerkennung als her- Gelände der Einrichtung für Menschen mit Behin- ausragendes Inklusionsprojekt. derung ist mit dem Kulturpark Reutlingen-Nord Stephan Gokeler ein Projekt ins Leben gerufen worden, das neue Wege bei der Erschließung des Sozialraums geht. Gerade deshalb fühlt sich Juliane Stöffel dort am richtigen Ort. „Ich bin gerne da, wo etwas Neues entsteht“, sagt die neue Leiterin des Kulturparks. Sie hat das Projekt von Anfang an begleitet. Im Kulturpark sieht Juliane Stöffel „eine große Chance für Menschen mit Behinderung, Anerkennung zu bekommen für das, was sie tun und können“. Gleichzeitig öffnet sich die Einrichtung für Be- sucher von außen und bietet sinnstiftende Uli Keuler sorgte für ein volles Haus. Foto: L.EH Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Resonanz auf die Angebote bestätigt das Kon- INFO Rappertshofen: Neue Heimat beim zept. Ein Auftritt des Kabarettisten Uli Keuler war KVJS restlos ausverkauft. Monatlich mindestens eine Kulturveranstaltung findet im Café statt. Zahlrei- Rappertshofen ist eine von vier che Parzellen, die zur gemeinschaftlichen Bewirt- Einrichtungen für Menschen mit schaftung als Saisongärten angeboten werden, Behinderungen der LWV.Eingliede- sind bereits vermietet. Sehr gefragt sind auch rungshilfe GmbH (L.EH). Seit Beginn die Räumlichkeiten, die regelmäßig für Taufen, des Jahres 2018 gehört die L.EH als Geburtstage oder Hochzeiten gebucht werden. Sondervermögen zum KVJS. Für den Zuwachs wurde beim KVJS ein neues Seit März gibt es einen erweiterten Cafébetrieb Gremium eingerichtet: Der Ausschuss mit einem Mittagstisch dienstags und donners- für Eingliederungshilfe- und Inte- tags. Und immer am letzten Sonntag im Monat grationsgesellschaften wird über den lädt das Café im Kulturpark ab 9:30 Uhr zum erwei- neuen Teilhaushalt 12 für das Sonder- terten Frühstück. Der einjährige Werkaufenthalt vermögen beschließen. Der Sitz der von jungen Künstlern im Rahmen eines Kunststi- LWV.Eingliederungshilfe bleibt Tübin- pendiums setzt zusätzliche Impulse für Menschen gen. mit Behinderung und deren Verbindung zum mok Sozialraum. Der Kulturpark findet mittlerweile 2/2018 KVJS aktuell 7
SOZIALES Expertise im Doppelpack Fachvorträge auf der Messe Stuttgart Der KVJS präsentiert sich mit einem Stand sowie einem Fachforum beim 81. Deutschen Fürsorgetag und lädt im Rahmen der Messe Pflege Plus zu einem Fachgespräch ein. Beide Veranstaltungen finden vom 15. bis 17. Mai parallel in der Messe Stuttgart statt. vielschichtige kreisspezifische und kreisverglei- chende Standortbestimmungen als Impulse zur Weiterentwicklung ihrer Hilfepraxis erschließen können“, fassen Christine Blankenfeld, Referats- leiterin „Sozialplanung, investive Förderung“ vom Dezernat Soziales und Dr. Ulrich Bürger von der Organisationseinheit „Jugendhilfeplanung und Der KVJS ist Unterstützer des Fürsorgetages und präsentiert sich vor Ort als Dienst- leistungs- und Kompetenzzentrum. -berichterstattung“ des Dezernats Jugend – Lan- desjugendamt zusammen. „Zusammenhalt stärken – Vielfalt gestalten“ Markt der Möglichkeiten … unter diesem Motto werden beim Deutschen Fürsorgetag in Stuttgart aktuelle Fragestellungen Darüber hinaus ist der KVJS während der drei und Herausforderungen aus den Bereichen der Kongresstage mit einem Stand auf dem „Markt Kinder- und Jugendhilfe sowie der Behinderten- der Möglichkeiten“ vertreten und stellt Aufgaben und Altenhilfe beleuchtet. In den angebotenen und Dienstleistungen seiner Dezernate Soziales, Fachforen liegt der Fokus auf Entwicklungen und Jugend sowie Integration vor. Auswirkungen sozialer Veränderungen. Sozialplanung konkret INFO Deutscher Fürsorgetag im ICS Congresscenter der Messe Stuttgart Auch der KVJS beteiligt sich am 16. Mai von 16:00 bis 18:00 Uhr mit einem Fachforum zum Thema • Standnummer des KVJS auf dem „Sozialplanung konkret: Landesweite Berichterstat- „Markt der Möglichkeiten“: A41 tung des KVJS für die Kommunen in Baden-Würt- • KVJS-Fachvortrag: „Sozialplanung temberg“. Im Mittelpunkt stehen die landeswei- konkret: Landesweite Berichterstat- ten Berichterstattungen des KVJS als eine zentrale tung des KVJS für die Kommunen in Dienstleistung und Grundlage für die Planungen Baden-Württemberg“ der Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs. am 16.05.2018 „Wir stellen in diesem Forum fachplanerische Leit- 16:00 bis 18:00 Uhr linien und die Berichtsgegenstände aus den Aufga- benbereichen der Kinder- und Jugendhilfe sowie Mehr Informationen und Online- der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinde- Anmeldung: rung vor. Ein wichtiger Bestandteil sind dabei die www.deutscher-fuersorgetag.de KVJS-Transferangebote, mit denen sich die Kreise 8 KVJS aktuell 2/2018
SOZIALES Auf der Messe Pflege Plus treffen Fachbesucher auf Unternehmen, Branchenverbände und Experten des Pflegemarkts. Foto: Messe Stuttgart Pflege Plus: Betreute Wohnkonzepte INFO Fachmesse Pflege Plus in der Messe In der Messe Stuttgart findet parallel zum Deut- Stuttgart schen Fürsorgetag auch die Messe Pflege Plus statt. Der KVJS beteiligt sich im Rahmen des • KVJS-Fachveranstaltung: „Betreute Kongresses mit einer moderierten Veranstaltung Wohnkonzepte im Quartier“ zum Thema „Betreute Wohnkonzepte im Quar- am 16.05.2018 tier“. Ein Fachbeitrag von Ursula Kremer-Preiß 10:00 bis 12:30 Uhr vom Kuratorium Deutsche Altershilfe sowie eine Die Fachveranstaltung findet in den Podiumsdiskussion mit Praktikern vor Ort zeigen Räumlichkeiten des ICS statt. Möglichkeiten zur Weiterentwicklung betreuter Wohnanlagen und alternative Konzepte. Die Ver- Mehr Informationen und Online- anstaltung findet am 16. Mai von 10:00 bis 12:30 Anmeldung: Uhr statt. www.pflegeplus-kongress.de hol 2/2018 KVJS aktuell 9
SOZIALES Bewährtes bleibt erhalten – Neues wird erprobt Neue Untersuchungen in der GPV-Dokumentation Die aktuelle Dokumentation Gemeindepsychiatrischer Verbund (GPV) enthält neben bewährten Analysen zusätzlich neue Erhebungen, die die Versorgungssituation und Angebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen noch umfangreicher abbilden. In der aktuellen GPV-Dokumentation Baden- des- und Landesebene“, so Dorothee Haug-von Württemberg ist zum ersten Mal die sogenannte Schnakenburg vom Fachbereich „Steuerungsun- „geschlossene Unterbringung“ betrachtet worden. terstützung, Sozialplanung“ beim KVJS zur Beson- In dieser Sonderwohnform finden sich auch Perso- derheit der Ausgabe. nen, die an einer chronischen psychischen Erkran- kung leiden, in ihrem Bezug zur Realität gestört sind Die Analyse zeigt, dass die Anzahl der Wohnplätze und ihr Handeln nicht mehr kontrollieren können. in Baden-Württemberg stark variiert und nahezu die Hälfte der Kreise über Möglichkeiten der „Über diese zivilrechtliche Unterbringung nach geschlossenen Unterbringung verfügen. Insge- § 1906 Bürgerliches Gesetzbuch ist in der Vergan- samt gab es deutlich mehr belegte Plätze in Hei- genheit quantitativ kaum etwas bekannt gewe- men der psychiatrischen Pflege als in Heimen der sen, Studien zum Thema haben gefehlt. Die GPV- Eingliederungshilfe. Dokumentation hat diese Lücke gefüllt und schafft damit auch eine Grundlage für die Berücksich- Die GPV-Dokumentation enthält zusätzlich zwei tigung aktueller Forschungsinteressen auf Bun- Sondererhebungen zu Bereichen, die 2015 mit Inkrafttreten des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes (PsychKHG) relevant geworden sind und sukzes- sive in den Kreisen eingerichtet werden mussten: Die Etablierung von Informations-, Beratungs- und Beschwerdestellen sowie die Bestellung von Pati- entenfürsprechern. Die Erhebung zeigt, welche Kreise bereits aktiv geworden sind und nimmt strukturelle sowie personelle Aspekte in den Blick. Die Analyse wurde zudem für die vom Ministerium für Soziales und Integration vorgenommene Eva- luation des PsychKHG hinzugezogen. Die GPV-Dokumentation ist ein Gemeinschaftspro- jekt von Städtetag, Landkreistag und KVJS. Der KVJS bietet den Stadt- und Landkreisen Kreistrans- fers an, bei denen die Daten kreisbezogen inter- pretiert und vorgestellt werden. Die vollständige GPV-Dokumentation 2015/16 finden Sie hier: Das KVJS-Team bereitet schon die nächste Erhebung vor. (V. l.) Dr. Gerrit Grünes, www.kvjs.de/KVJS-5QTH Dorothee Haug-von Schnakenburg, Cora Rapp. Foto: Kleusch hol 10 KVJS aktuell 2/2018
SOZIALES Ausgezeichnete Qualität Medizinisch-Pädagogischer Dienst des KVJS erneut zertifiziert worden Der Medizinisch-Pädagogische Dienst (MPD) hat erfolgreich nachgewiesen, dass er ein wirksames System zur Sicherung der Qualität etabliert hat. Sein Qualitätsmanagement ist im Oktober 2017 extern nach der neuen DIN ISO 9001: 2015 zertifiziert worden. „Dieser Schritt war notwendig, da die bisher gel- dere auch wegen der dezentralen Organisations- tenden Zertifikate nach der alten Norm im Herbst struktur des MPD von Vorteil, da so der Wissens- dieses Jahres ihre Gültigkeit verlieren. Für den transfer wie auch die interne Qualitätssicherung MPD als Dienstleister für die 44 Stadt- und Land- aller Arbeitsabläufe sichergestellt wird. kreise in Baden-Württemberg ist es von zentraler hol Bedeutung, dass sich seine Arbeit an modernen Maßstäben eines Qualitätsmanagements orien- tiert“, sagt MPD-Leiterin Dr. Birgit Fuchs. Internationale Qualitätsstandards Die ISO 9001 ist eine international anerkannte Qualitätsmanagementrichtlinie. Im Fokus ste- hen neben der Kundenorientierung insbesondere die kontinuierliche Verbesserung der Arbeit und Weiterentwicklung des Qualitätsmanagementsys- tems, welches jährlich extern überprüft wird. Die erste Zertifizierung des MPD fand bereits im Jahr 2012 statt. Landesweit einheitliches Vorgehen Dem Qualitätsmanagement kommt beim MPD eine besondere Bedeutung zu, da der Fachdienst für die einheitliche Handhabung und Umsetzung der Hilfebedarfsfeststellung bei Menschen mit Behinderung im Bereich Wohnen (HMB-W-Verfah- ren) verantwortlich ist. „Die Mitarbeiter wurden fortlaufend geschult, die Inhalte protokolliert. Im Laufe der Jahre kamen neue Fragestellungen hinzu, für die dann jeweils die erforderlichen Abläufe und Inhalte festgelegt wurden. Damit wird landesweit ein gleichbleibend hoher Standard in der Bearbeitung der Aufträge Leiterin Dr. Birgit Fuchs freut sich über die erneute Zertifizierung des MPD. sichergestellt“, erläutert Fuchs. Dies ist insbeson- Foto: Holzwarth 2/2018 KVJS aktuell 11
SOZIALES Zukunft mit Plan Landkreis Göppingen schreibt Teilhabeplan fort Der KVJS hat den Landkreis Göppingen bei der Fortschreibung des Teilhabeplans für Menschen mit chronischer psychischer Erkrankung und wesentlicher seelischer Behinde- rung unterstützt. Der Teilhabeplan soll am 4. Mai 2018 im Kreistag verabschiedet werden. Erstmals hat der Landkreis Göppingen im Jahr nen. Damit war es möglich, die Basis für eine ver- 2009 einen Teilhabeplan für Menschen mit lässliche und aktuelle Sozialplanung zu schaffen“, chronischer psychischer Erkrankung und wesent- resümiert Dorothee Haug-von Schnakenburg vom licher seelischer Behinderung verabschiedet. Ziele Fachbereich „Steuerungsunterstützung, Sozialpla- einer Teilhabeplanung sind es, für Verwaltung, nung“ beim KVJS. Politik und Leistungserbringer eine fundierte Pla- nungsgrundlage zu erhalten sowie die Öffentlich- Fundierte Datenbasis keit über die Situation von Menschen mit psy- chischer Erkrankung zu informieren und sie für Der aktualisierte Teilhabeplan berücksichtigt zum deren Belange zu sensibilisieren. So soll möglichst einen neue Rahmenbedingungen im Bereich der umfängliche gesellschaftliche Teilhabe erreicht Behindertenhilfe. Dazu zählt beispielsweise das werden. seit 2017 schrittweise in Kraft tretende Bundes- teilhabegesetz (BTHG) zur Stärkung und Selbstbe- Für den Landkreis Göppingen standen das mög- stimmung behinderter Menschen. Zum anderen lichst selbständige Wohnen und Arbeiten für Men- konnte die Entwicklung der letzten zehn Jahre schen mit einer psychischen Erkrankung im Fokus. anhand eines Vergleichs zwischen den quantitati- Dabei sollten auch wohnortnahe Unterstützungs- ven Daten des ersten Teilhabeplans und der aktu- angebote gestärkt werden. Zu diesen zählen unter ellen Datenlage aufgezeigt und bilanziert werden. anderem Tagesstätten oder ambulante psychiatri- sche Versorgungsmöglichkeiten. Um alle fachlichen Perspektiven zu berücksichti- gen, besuchte das Kreissozialamt gemeinsam mit Um die Planung an aktuelle Entwicklungen anzu- dem KVJS sämtliche Einrichtungen und Dienste für passen und neu zu bewerten, hat der KVJS den psychisch kranke Menschen im Landkreis Göppin- Landkreis Göppingen, unter Federführung des gen. Im Rahmen der Fachgespräche haben sich Landratsamtes, seit 2016 bei der Fortschreibung auch Menschen mit Behinderung als Experten in des Teilhabeplans unterstützt. Am Projekt betei- eigener Sache beteiligt und Vorschläge in diese ligt waren zudem Menschen mit Behinderung und qualitative Analyse eingebracht. deren Angehörige, die Träger der verschiedenen Unterstützungsangebote, Fraktionen des Kreistags Angebote ausbauen sowie Vertretungen der Städte und Gemeinden. Ausgehend von der Analyse der Situation im Land- „Dank der großen Bereitschaft aller Beteiligten kreis Göppingen, entwickelten die Projektbetei- an der neuen Erhebung mitzuwirken, konnte der ligten konkrete Handlungsempfehlungen zu den Kreis fundierte Daten und Informationen gewin- Bereichen „Wohnen“, „Arbeit und Beschäftigung“ 12 KVJS aktuell 2/2018
SOZIALES Dorothee Haug-von Schnakenburg vom KVJS stellt bei der abschließenden Arbeitskreissitzung in Göppingen die erarbeiteten Hand- lungsempfehlungen vor. Foto: Holzwarth sowie „Vor- und Umfeld der Eingliederungshilfe“. Daraus ist beispielsweise die Empfehlung entstan- den, das Angebot zum Wohntraining zu erweitern, um Menschen mit chronischer psychischer Erkran- INFO kung gezielt auf den Übergang in das ambulant Der KVJS unterstützt die Sozialpla- betreute Wohnen vorzubereiten und den Weg in nung der Stadt- und Landkreise bei die Selbständigkeit zu unterstützen. der Erstellung von Teilhabeplänen für Menschen mit Behinderung und Weiterer Handlungsbedarf wird unter anderem Kreisseniorenplänen. Je nach Bedarf auch bei jungen Erwachsenen mit psychischen können komplette Teilhabepläne oder Erkrankungen gesehen, die aus Altersgründen einzelne Teilbereiche durch den KVJS aus dem System der Jugendhilfe herausgefallen begleitet werden. sind und keine alternative Unterstützung anneh- men wollen. Um zu vermeiden, dass sich während Mehr Informationen zum Angebot des dieser Zeit der Gesundheitszustand verschlech- KVJS finden Sie im Internet unter tert und die Erkrankung chronisch wird, empfiehlt www.kvjs.de/soziales/sozialpla- die Projektgruppe, einen Jugendpsychiatrischen nung-teilhabeplaene Verbund (JPV) einzurichten, der Wohnangebote für die schwer zu erreichenden Jugendlichen prüft Ihre Ansprechpartnerin: und bei Bedarf Wohn- und Betreuungskonzepte Christine Blankenfeld entwickelt. Telefon 0711 6375-745 hol 2/2018 KVJS aktuell 13
INTEGRATION Mit vereinten Kräften KVJS-Integrationsamt und Reha-Träger statten neuen Arbeitsplatz aus Tevfik Dizman ist ein Kämpfer. Als 2015 eine Tumorerkrankung bei ihm eine Querschnitt- lähmung verursachte, wollte es so bald wie möglich zurück an die Arbeit im Progress Werk Oberkirch (PWO). In einer konzertierten Aktion mit dem KVJS-Integrationsamt und der Deutschen Rentenversicherung schuf PWO einen neuen Arbeitsplatz für ihn. „Bei mir kann es nicht schnell genug gehen“, sagt Dafür galt es bauliche Hindernisse zu identifizie- Tevfik Dizman. Bereits in der Klinik schmiedete er ren und mögliche Barrieren aus dem Weg zu räu- Pläne für seine Rückkehr in den Beruf. Dafür setzte men. Jetzt war der Technische Beratungsdienst er alle Hebel in Bewegung. Sein erster Ansprech- (TBD) des KVJS-Integrationsamtes gefragt. „Wir partner: Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hatten eine große Begehung der Wege quer durch als Reha-Träger. Die holte dann das KVJS-Integra PWO mit 17 Leuten“, erinnert sich Stephanie Paul, tionsamt mit ins Boot. die als Personalreferentin die Rückkehr von Tevfik Dizman tatkräftig unterstützte. Ebenfalls mit Tefik Dizman hat 1987 bei PWO, einem Automobil- dabei: Das betriebliche Integrationsteam, die zulieferer, der bekannt für Hightech-Metallteile und Deutsche Rentenversicherung, das KVJS-Integrati- Leichtbaukomponenten ist, seine Ausbildung zum onsamt, Tevfik Dizmans Vorgesetzter und natürlich Werkzeugmechaniker begonnen. Zuletzt arbeitet er selbst. er als hoch qualifizierter Einrichter für verschiedene Pressen im Oberkircher Werk. Der TBD machte unter anderem folgende Vor- schläge: Gehwegabsenkungen auf den Wegen, die Als der Mechaniker erkrankt, ist PWO von Anfang Tevfik Dizman benutzen muss, Erweiterung der an daran gelegen, ihn in dieser schweren Zeit Gehwegmarkierungen und Einsatz eines Rundum- zu unterstützen. Auch als klar wird, dass er nicht spiegels in der Pressehalle, um den Staplerverkehr mehr an seinen alten Arbeitsplatz, an dem er besser einsehen zu können. Für den Mechaniker stehen und gehen musste, würde zurückkehren selbst empfahl der TBD-Fachmann einen Aufricht- können. „Ich musste mir nicht eine Minute Gedan- rollstuhl mit Antriebsunterstützung am Arbeits- ken machen, ob mein Arbeitgeber mich wieder platz, denn für Besprechungen an Produktions- nimmt“, lobt der Mechaniker. pressen und Produktionswerkzeugen ist oft eine stehende Körperhaltung nötig. Der Büroarbeits- Arbeitgeber, Rentenversicherung und KVJS-Inte platz sollte mit einem elektromotorisch höhenver- grationsamts schlossen sich zusammen, um Tevfik stellbaren Schreibtisch und einer PC-Ausstattung Dizman eine neue berufliche Perspektive zu eröff- mit der erforderlichen Software ausgerüstet wer- nen. PWO konnte sich für ihn eine neue Tätig- den. keit als technischer Prozessbetreuer vorstellen. Er sollte seine langjährige Erfahrung bei der Einfüh- Bei einem neu geschaffenen Arbeitsplatz für einen rung neuer Produktionsprozesse einbringen und schwerbehinderten Mitarbeiter bezuschusst das die Schichtführer unterstützen. Zudem waren KVJS-Integrationsamt die übliche Arbeitsplatzaus- administrative Tätigkeiten am PC in der Überle- stattung, der Reha-Träger, hier die DRV, die behin- gung. derungsbedingt nötigen Geräte und Anpassungen. Beide Organisationen arbeiteten Hand in Hand. Und 14 KVJS aktuell 2/2018
INTEGRATION PWO unternahm alles, um seinem erfahrenen Mitar- weit: Tevfik Dizman konnte seine neue Arbeit beiter den Weg zurück ins Arbeitsleben zu ebnen. aufnehmen.“ Wenn ich am Wochenende Schmer- zen habe, sind die am Montag weg“, sagt er. „Die Eigentlich hätte Tevfik Dizman dann auch gleich Firma ist meine Medizin.“ Fünf Stunden pro Tag ist wieder loslegen können, wäre da nicht das Prob- er wieder im Einsatz. Endlich. „Nun kann er sein lem mit seinem Auto gewesen: Die DRV bezahlt Wissen weitergeben“, freut sich Personalreferentin zwar die behinderungsgerechte Anpassung des Paul. „Wir sind superfroh, dass wir ihn wiederha- Privatwagens, doch ein passender Wagen musste ben.“ erst noch gefunden werden. Endlich war es so mok Inklusives Einkaufen in Bad Cannstatt Inklusionsfirma NintegrA übernimmt „Das Kaufhaus“ „Gut für alle“ lautet der Werbespruch des neuen Sozialkaufhauses in Stuttgart-Bad Cannstatt. Dort findet man Neues und Gebrauchtes für den kleinen Geldbeutel. Kurz nach der Eröffnung waren bereits die ers- „Mit unserer Förderung werden sechs beson- ten blauen Einkaufstüten mit der Aufschrift „Das ders betroffene schwerbehinderte Menschen hier Kaufhaus“ in der Kreuznacher Straße zu sehen. Die einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz Kundschaft hatte schon auf die (Wieder)Eröffnung finden“, erklärte Ralf Schmid vom KVJS-Integra- gewartet. Das ehemalige Sozialkaufhaus wagte tionsamt bei der Eröffnung. NintegrA ist mit rund einen Neustart mit einem neuen Konzept: Nicht 180 Mitarbeitern eines der größten Inklusionsun- nur gebrauchte Ware ist im Sortiment, sondern ternehmen Baden-Württembergs. Über 80 Mitar- auch neuwertige aus Ausschüssen, Aktionsware beiter sind schwerbehindert. Träger ist das Sozial- oder Restposten. Und Neustart als Inklusionsun- unternehmen Neue Arbeit. ternehmen mit behinderten Beschäftigten. mok Ralf Schmid, KVJS-Integrationsamt (li.) und Ralf Ehring, Sozialunternehmen Der Verkaufsraum erstrahlt in neuem Glanz. Fotos: Neue Arbeit Neue Arbeit. 2/2018 KVJS aktuell 15
INTEGRATION v. li.: Guido Bertram (Verwaltungschef ), Heike Leucht (Personalchefin), Christopher Diener (Einrichtungshauschef ), Christina Brücher (Teamleiterin Personal), Karl-Friedrich Ernst (Leiter KVJS-Integrationsamt, im Hintergrund), Mathias Schmid-Oschwald (Integrations- fachdienst Freiburg), Thomas Zimmermann (Betreuer Caritas WfbM-Außengruppe). Foto: Oliver Stege, IKEA Serie Ausgezeichnet! Engagement für Vielfalt Gelebte Inklusion im Schmuckkästchen IKEA in Freiburg ist eine der kleinsten deutschen Filialen des schwedischen Möbelkon- zerns. Interner Spitzname: „Unser Schmuckkästchen“. Aber als sozial engagiertes Unter- nehmen kommt es ganz groß raus. Terry Jungbauer schwingt sich auf die knallrote dertenvertretung neue, passgenaue Lösungen für Kehrmaschine. Jungbauer, burschikoser Kurz- Mitarbeiter findet, die sich behinderungsbedingt haarschnitt, wache Augen, breites Lächeln, thront mit ihrer Aufgabe schwer tun“, erklärt Dezernent oben auf dem neuen Arbeitsgerät: „Ich bin echt Karl-Friedrich Ernst, Leiter des KVJS-Integrations- froh, dass ihr die Maschine gefördert habt“, sagt amtes. Dabei kann IKEA Freiburg auf die Unter- sie. „Danke für die Unterstützung!“ Die Frau mit stützung des KVJS-Integrationsamtes und des von dem Händchen für´s Praktische ist eine von 17 ihm beauftragten Integrationsfachdienstes zählen. Beschäftigten mit Behinderung. Macht eine Be- schäftigungsquote von 6,37 Prozent. Eine Kundenberaterin mit Hörbehinderung hatte beispielsweise Probleme, bei dem üblichen „Es ist vorbildlich, wie das Unternehmen gemein- Geräuschpegel im Möbelhaus ihre Kunden richtig sam mit seinem Betriebsrat und der Schwerbehin- zu verstehen. Für sie wurde eine Beratungskoje 16 KVJS aktuell 2/2018
INTEGRATION geschaffen, die so gut ankam, dass solche Kojen Das Gesamtpaket aus guter Kooperation nach nun auch für Kollegen ohne Hörprobleme verwen- innen und außen und das vielfältige Arbeitsan- det werden. gebot für Menschen mit Behinderungen war so überzeugend, dass IKEA Freiburg nun vom KVJS Auch Terry Jungbauer weiß sich gut aufgehoben. als einer von fünf beispielhaft behindertenfreund- Die gelernte Schreinerin hat eine seelische Behin- lichen Arbeitgebern ausgezeichnet wurde. Im derung. Ursprünglich gehörte sie zu dem Team, Februar überreichte Dezernent Karl-Friedrich Ernst das die Ausstellung in den Verkaufsräumen zur die Ehrungsurkunde – ein kleines Juwel für das Präsentation der Möbel bei IKEA baut. Dann wurde Schmuckkästchen. diese Aufgabe an einen Dienstleister vergeben. mok Die Handwerkerin probierte sich in verschiedenen Bereichen des Hauses aus, bis sie bei der Haus- technik-Gruppe eine Arbeit fand, die zu ihr passt und bei der sie sich wohl fühlt: „Ich habe erlebt, dass man aufeinander Rücksicht nimmt“, lobt sie Arbeitgeber und Kollegen. Neben den bei IKEA angestellten Mitarbeitern mit Behinderungen gibt es zusätzlich Außenarbeits- plätze der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) der Freiburger Caritas. Ihre sieben Mit- arbeiter und bis zu sechs Springer reinigen und falten die großen gelben Einkaufstaschen und sorgen dafür, dass den Kunden genug davon zur Verfügung stehen. Sie packen beim Möbelaufbau mit an, wobei gleich getestet wird, ob die berühm- ten IKEA-Bauanleitungen auch wirklich verständ- lich sind. Terry Jungbauer mag ihre neue Kehrma- Frische Taschen für die Kundschaft. schine. Die Caritas-Truppe ist auch zuständig für die „Schrabbelware“: Restposten und leicht beschä- digte Stücke, die in einem Sonderbereich zu redu- zierten Preisen angeboten werden. Die WfbM-Kolle- gen sind voll integriert und ein selbstverständlicher Teil der sozialen Unternehmenskultur in Freiburg. Stolz tragen sie ähnliche blaue Shirts wie die IKEA- Beschäftigten, nur mit dem Caritas-Logo. Personalchefin Heike Leucht bringt es auf den Punkt, wenn sie sagt: „Die Kunden bekommen es mit, dass wir ein diverses Team aus 30 Nationen und Menschen mit und ohne Behinderung sind – und das ist auch gut so.“ Leucht weiß, dass sie sich im Zweifel auf die Hilfsbereitschaft ihrer Mitarbei- ter verlassen kann. Alles im Griff auf dem Außengelände. Fotos: Kleusch 2/2018 KVJS aktuell 17
INTEGRATION Erneute Auszeichnung nach zehn Jahren Nachhaltig behindertenfreundlich Seit ihrer Auszeichnung als „beispielhaft behindertenfreundliche Arbeitgeber“ haben drei von fünf Preisträgern an ihrer sozialen Unternehmenskultur festgehalten und in vorbildlicher Weise Menschen mit Behinderungen beschäftigt. Sie wurden nun mit dem Nachhaltigkeitspreis des KVJS geehrt. v.li.: Armin Elbl, Bürgermeister Wernau; Firmeninhaber Jürgen Prakesch, sein Geschäftsführer Axel Egerer; Reinhard Hackl, Kreisbehin- dertenbeauftragter Böblingen; Roland Bernhard, Landrat Böblingen; Prof. Roland Klinger, Verbandsdirektor, Sylvia Knöpfle, Firmenin- haber Arno Knöpfle. Foto: Kleusch „Sie beweisen, dass eine soziale Unternehmens- arbeiter zu beschäftigen. Davon kommen 12.228 kultur auch ein Erfolgsfaktor sein kann“, würdigte Unternehmen ihrer Pflicht nicht oder nur unzu- Senator e. h. Prof. Roland Klinger als Verbands- reichend nach. Allen Preisträgern ist gemeinsam, direktor des KVJS am 1. Februar 2018 die neuen dass sie mehr Menschen mit Handicap beschäf- alten Preisträger. In Baden-Württemberg gibt es tigen, als gesetzlich vorgeschrieben und dass sie 21.858 Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitsplät- jungen Menschen als Praktikanten eine Chance zen, die verpflichtet sind schwerbehinderte Mit- geben. 18 KVJS aktuell 2/2018
INTEGRATION Das Landratsamt Böblingen Das Unternehmen beschäftigt über 60 Mitarbei- ter an fünf Standorten. Vier von ihnen haben einen Schwerbehindertenausweis. Das entspricht einer vorbildlichen Beschäftigungsquote von 6,4 Prozent. Das Unternehmen ermöglicht immer wieder jungen Menschen als Praktikanten die Arbeitswelt kennen zu lernen. Dazu zählen auch Schüler mit geistiger Behinderung oder sozialen Auffälligkeiten. Das Unternehmen pflegt eine sehr gute und enge Zusammenarbeit mit dem Integrationsfachdienst, dem KVJS-Integrationsamt und dem Technischen Beratungsdienst. Mit deren fachlicher Unterstüt- Ein Qualitätsmerkmal bei der Beschäftigung von zung sind die Arbeitsplätze der Menschen mit Menschen mit Behinderungen ist die gute Zusam- Behinderungen auch langfristig gesichert. menarbeit des Landratsamtes mit dem Integra- tionsfachdienst (IFD), der im Auftrag des KVJS Knöpfle Design aus Titisee-Neustadt arbeitet. Das Landratsamt Böblingen bietet mit Beteiligung des IFD seit 2015 im strukturierten Stil Praktikumsplätze für Schüler an. Daraus ergaben sich vier neue Stellen für wesentlich behinderte Menschen. In jüngster Zeit wurden drei Arbeitsplätze für blinde und sehbehinderte Mitarbeiter den tech- nischen Neuerungen angepasst. Insgesamt liegt die Beschäftigungsquote von schwerbehinderten Menschen bei 6,45 Prozent. Das ist höher als vor zehn Jahren, als sie bei gut 5,82 Prozent lag. Die Firma ist ein Spezialist für Fahrzeuglackierung Die Jürgen Prakesch Zerspanungstechnik und Beschriftung, Sonder- und Industrielackie- GmbH aus Wernau rung und Karosseriearbeiten. Als Kleinunterneh- men mit sieben Mitarbeitern müsste die Firma keine schwerbehinderten Menschen beschäftigen und doch sind es drei – seit vielen Jahren. Als bei einem von ihnen die gesundheitlichen Ein- schränkungen zunahmen, wurde in Zusammenar- beit mit dem KVJS-Integrationsamt eigens für ihn das Geschäftsfeld der Fahrzeugaufbereitung neu geschaffen. Die Firma stellt als sozial engagiertes Unternehmen auch immer wieder Praktikums- plätze für benachteiligte Jugendliche bereit. mok 2/2018 KVJS aktuell 19
INTEGRATION Bei Rotlicht stehen Neue Gabelstapler warnen mit Lichtsignal In der riesigen Lagerhalle der Mannheimer Inklusionsfirma ad laborem stapeln sich rund 16.000 verschiedene Ersatzteile teils bis zur Decke. Gabelstapler kurven umher wie emsige Ameisen. Jetzt sind mit finanzieller Unterstützung des KVJS vier neue hinzuge- kommen, die mit einem roten Signallicht hörbehinderte Mitarbeiter auf sich aufmerk- sam machen. Ad laborem ist ein Inklusionsunternehmen des Mannheimer Caritasverbandes. Der Verpackungs- und Logistikdienstleister bietet Lagerung, Kom- missionierung, Verpackung und Just-in-Time-Ver- sand für das global aufgestellte Großunternehmen Daimler wie für mittelständische Unternehmen aus der Region an. Von seinen 80 Mitarbeitern sind 35 schwerbehindert, von ihnen wiederum hat die Hälfte eine Hörbehinderung. Das kurze Hupen, mit denen sich die Staplerfahrer üblicherweise den Weg frei machen, können sie nicht wahrneh- men. Die Lösung dieses Arbeitssicherheits-Pro- blems: Gabelstapler mit Lichtsignal. Viele hörbehinderte Mitarbeiter Betriebsleiter Klaus Litwinschuh gerät fast ins Schwärmen über die neuen Stapler: „Das sind ganz tolle Geräte.“ Ergonomische, individuell einstellbare Sitze, leichte Lenkung per Joystick, geringerer Stromverbrauch und höhere Leistungs- fähigkeit zeichnen die neuen Stapler aus. Die eingebaute Temporegulierung sorgt dafür, dass ein vollbeladener Gabelstapler nicht etwa bei zu hohem Tempo in der Kurve umkippt. Und natür- lich die Safety Light-Scheinwerfer, die sowohl vorwärts wie rückwärts einen roten Fleck auf den Boden projizieren. Ein bewegliches Haltesignal sozusagen. Das KVJS-Integrationsamt unterstützte die Anschaffung der vier neuen Gabelstapler und v.li.: Geschäftsführer Volker Hemmerich, Frank Gesche vom KVJS-Integrationsamt eines Flurförderfahrzeugs mit einer großzügigen und Betriebsleiter Klaus Litwinschuh bewundern das Lichtsignal. Fotos: Kleusch 20 KVJS aktuell 2/2018
INTEGRATION finanziellen Zuwendung aus dem Bundesförder- programm für Inklusionsfirmen „Alle Im Betrieb“. Dazu der ehrenamtliche Geschäftsführer Volker Hemmerich: „Der KVJS ist seit dem ersten Tag ein verlässlicher Partner für uns.“ Immerhin wurden zugleich drei neue Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen geschaffen. Denn bei ad laborem gibt es viel zu tun. Systempartner von Daimler „Wir sind Systempartner von Daimler“, erklärt Klaus Litwinschuh. Damit ist das Mannheimer Inklusions- unternehmen eng in die Organisation des Stutt- garter Autobauers eingebunden. Es lastet ad labo- rem zu 70 Prozent mit seinen Aufträgen aus. Als Auch Großteile wie Autotüren müssen verpackt werden. offizielles Außenlager für Ersatzteile wird hier täg- lich die Ladung von 20 bis 30 LKW umgeschlagen. Die LKW bringen Teile, die kontrolliert, kommissio- INFO niert, konfektioniert und verpackt werden müssen. Förderprogramm Alle im Betrieb Vorbereitete, fertig verpackte Lieferungen wer- den eingeladen und zum nächsten Global Logistic Im Rahmen des Bundesprogramms Center gebracht. Von dort werden die Teile an die „Alle im Betrieb“ können Leistungen Autowerkstätten geliefert. für den Aufbau, die Erweiterung, Modernisierung und Ausstattung von Streng nach Plan Integrationsfirmen beantragt wer- den. Dazu zählen zum Beispiel eine Zu jedem Artikel gibt es einen Arbeitsplan mit betriebswirtschaftliche Beratung sowie Vorgaben zur Verpackung. Die Spannbreite reicht Zuschüsse bei besonderem Aufwand von Schrauben und anderen Kleinteilen über mit- und bei außergewöhnlichen Belastun- telgroße Teile bis hin zu sperrigen Großteilen wie gen für den Arbeitgeber. Vorausset- Autotüren oder Windabweisern für LKW. Kleinteile zung dafür ist, dass neue Arbeits- oder können abgewogen werden: „Wir haben eine rech- Ausbildungsplätze für Menschen mit nende Wage, so dass der Mitarbeiter nicht mitzäh- Behinderungen geschaffen werden. len muss“, erklärt Klaus Litwinschuh. Gewicht und Anzahl der Teile wie zum Beispiel Schrauben wer- Dem KVJS-Integrationsamt stehen aus den bei der Wage einprogrammiert und schon muss dem Programm knapp 20 Millionen nur noch der Verpackungsbehälter befüllt werden, Euro zur Verfügung. Was gefördert bis die Waage die richtige Anzahl signalisiert. werden kann und was dabei zu beach- ten ist, steht in den neuen Richtlinien Dank der ausgefeilten Logistik des Inklusionsun- des Integrationsamtes. Im Internet zu ternehmens greifen am Ende alle Hände so inein- finden unter: www.kvjs.de/KVJS-TJ95 ander, dass jede Ladung pünktlich und wohlver- (Infomaterial in rechter Randspalte). packt ihre Reise zum Kunden antreten kann. mok 2/2018 KVJS aktuell 21
JUGEND Wenn Worte fehlen sprechen Bilder Grundschulkinder profitieren in Nürtingen von kreativer Schulsozialarbeit Verhaltensauffällige Kinder sind auch in der Grundschule keine Seltenheit mehr. Fehl- entwicklungen frühzeitig entgegenzusteuern, hat sich die Braikeschule in Nürtingen auf die Fahnen geschrieben. Dort profitieren die Kinder von einer besonders kreativen Methode: Kunsttherapeutische Elemente ergänzen die klassische Schulsozialarbeit. Ihr Domizil ist nicht im Schulgebäude, sondern Noch lebhaft in Erinnerung hat Anita Gremmel- befindet sich auf der grünen Wiese. Dort auf dem spacher in diesem Zusammenhang einen Vorfall, Schulgelände steht ein ehemaliger Zirkuswagen, bei dem ein Junge auf dem Schulhof einen Mit- der Anita Gremmelspacher gleichzeitig als Kinder- schüler mit der Schere attackierte – geballte Wut, büro und Malatelier dient. Seit Januar 2015 ist die die sich über Monate hinweg angestaut hatte. „Er Kunsttherapeutin und Fachberaterin für Traumato- hat anschließend bei mir eine Stunde lang zehn logie und Traumpädagogik als Schulsozialarbeite- Kilogramm Ton bearbeitet. Kein Gespräch wäre in rin an der Braike-Grundschule in Nürtingen tätig. der Lage gewesen, diese enorme destruktive Ener- gie auf solch eine konstruktive Art zu entladen“. Die Schulintegrierte Kunsttherapie ist ein vernetz- tes Angebot, an dem verschiedene Fachdiszipli- Frühzeitig zu intervenieren, bevor sich Verhalten- nen und Akteure beteiligt sind. Sie orientiert sich sauffälligkeiten manifestieren und dabei auf die am Konzept der klassischen Schulsozialarbeit mit Stärken des einzelnen Kindes zu setzen, ist ein ihren vier Kernaufgaben – sozialpädagogische Einzelhilfe und Gruppenarbeit, Gemeinwesen- arbeit sowie Offene Angebote – und bereichert diese um kunsttherapeutische Methoden, Kompe- tenzen und Sichtweisen. Beim Malen oder Model- INFO Die Stadt Nürtingen hat als eine lieren mit Ton oder Gips entwickeln Schüler die der ersten Kommunen im Land alle Fähigkeit, eigene Ideen und Vorstellungen durch Schulen mit Fachkräften der Schul- bestimmte Materialien, Formen und Farben darzu- sozialarbeit ausgestattet und damit stellen und Gefühle bildhaft auszudrücken. den Ausbau der Jugendhilfe an den Bildungseinrichtungen entscheidend Gute Ergänzung vorangetrieben. Vom 24. April bis zum 4. Mai 2017 war im Bürgersaal des Kunsttherapie und Schulsozialarbeit ergänzen sich Rathauses eine interaktive Ausstellung hervorragend: „Beide Fachbereiche arbeiten als zu sehen, die das breite Tätigkeitsspek- Tandem Hand in Hand“, betont Anita Gremmelspa- trum der Schulsozialarbeit abbildet. cher. Gerade in Krisensituationen, etwa bei sich Begleitet wurde die Ausstellung von selbstverletzenden und traumatisierten Kindern, verschiedenen Vorträgen. Mit von der stößt Schulsozialarbeit oftmals an ihre Handlungs- Partie war Anita Gremmelspacher, die grenzen. Hier kann Kunsttherapie direkt ansetzen zum Thema „Resilienz – Die inneren und damit auch der Schulsozialarbeit den Raum Stärken von Kindern und wie man sie zur Organisation und Vermittlung weitergehender weckt!“ referierte. Hilfen öffnen. 22 KVJS aktuell 2/2018
JUGEND „Muss“ für die Schulsozialarbeit an der Braike- schule. Das kunsttherapeutische Präventionspro- gramm zieht sich über die gesamte Grundschul- zeit und ist mit einzelnen festen Bausteinen in der jeweiligen Klasse verankert. Es wird in Zusammen- arbeit mit dem Grundschulteam der Schulsozialar- beit Nürtingen, der Kunsttherapie und den Lehr- kräften durchgeführt. Klassenlehrer wichtig Die Grundlagen bilden dabei Beziehungsarbeit, Gleichberechtigung und Freiwilligkeit. Gewähr- leistet wird dies durch das aktive Einbeziehen der jeweiligen Klassenlehrer, die sich aktiv am Präven- tionsprogramm beteiligen und immer mit einem selbst ausgearbeiteten Modul dabei sind. „So pro- fitieren alle Kinder von diesem Programm und der Kontakt zu uns wird nicht erst aufgebaut, wenn es um Schwierigkeiten der Kinder geht“, sagt Anita Gremmelspacher. Dieses Mal wurde das Präventionsprogramm außerdem von einer empirischen Forschungsar- Anita Gremmelspacher und die Kinder gestalten den Gefühlsstern. Foto: Addow beit durch eine Studentin der Hochschule für Wirt- schaft und Umwelt (HsWU) in Nürtingen begleitet, die die Wirksamkeit von Kunsttherapie an Schulen im Fokus hat. INFO Zur kunsttherapeutischen Arbeit von Anita Gremmelspacher an der Brai- Mit dem Thema „Gefühle“ beschäftigten sich im keschule hat der KVJS einen Video- vergangenen Jahr die Zweitklässler. Über einen clip veröffentlicht. Schauen Sie ihn Zeitraum von vier Monaten hinweg drückten sich an unter www.youtube.com/ sie ihre Gefühle in Farben aus. So entstand ein watch?v=S9QXPa-GIsU Gefühlsstern mit 25 Zacken, der exakt der Anzahl Über die Schulsozialarbeit in Baden- der teilnehmenden Kinder entsprach. Klassen- Württemberg berichtet das neue „KVJS lehrerin Renate Lechens kann den Stern nun als spezial“. Das Heft zeigt Entwicklungen Methode in ihrem Unterricht einsetzen. Indem der Jugendsozialarbeit an Schulen auf jedes Kind einen Knopf dorthin legt, wie es sich und stellt Zahlen und Erfahrungen des gerade fühlt, etwa traurig, wütend, fröhlich, stolz KVJS-Landesjugendamts vor. Sie kön- oder eifersüchtig, erfasst die Pädagogin sofort die nen die Broschüre im Internet unter Stimmung in der Klasse, um dementsprechend gut www.kvjs.de/der-kvjs/service/publi- gerüstet in den Schulalltag zu starten. kationen, Stichwort „Spezial“, herun- add terladen oder als gedruckte Ausgabe bestellen. 2/2018 KVJS aktuell 23
JUGEND Pflegekinder zu betreuen ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Foto: © Uschi Hering/Fotolia Familienmitglied auf Zeit Pflegeeltern eröffnen neue Perspektiven Wenn Kinder nicht bei ihren Eltern leben können, finden sie als Alternative zur Betreu- ung im Heim bei Pflegefamilien möglicherweise ein neues Zuhause. Hierzu ein Gespräch mit Annegret Graul und Eva Rieder. Die beiden Jugendhilfeexpertinnen sind beim KVJS zuständig für die Pflegekinderhilfe. Wieviel Pflegefamilien leben denn aktuell in Reicht das aus oder werden Pflegeeltern viel- Baden-Württemberg? mehr händeringend gesucht? Graul: Im Jahr 2016 waren in Baden-Württemberg Graul: Nun, Not herrscht hier vor allem in Ballungs- etwa 8300 Kinder in Vollzeitpflege untergebracht. räumen. Zudem ist knapp die Hälfte aller Kinder, Die Zahl der Pflegefamilien wird statistisch nicht die in Pflegefamilien untergebracht sind, unter erfasst. Manche Familien nehmen mehr als ein sechs Jahre alt. Für ältere Mädchen und Jungen Pflegekind auf, andere haben zu bestimmten Zei- hingegen stehen Pflegefamilien schon seit Jahr- ten gerade kein Kind in Obhut. zehnten nicht in ausreichender Anzahl zur Verfü- 24 KVJS aktuell 2/2018
JUGEND gung. Hinzu kommt, dass Pflegefamilien nicht, wie Identitätsentwicklung des jungen Menschen. Sie zum Beispiel manche stationäre Einrichtungen in ist deshalb auch gesetzlich verpflichtend geregelt. der Kinder- und Jugendhilfe, über viele Jahre hin- Pflegekinder stehen zwischen dem Wunsch nach weg zur Verfügung stehen. Geborgenheit, die ihnen, wenn die Herkunfts- familie ausfällt, auch eine Pflegefamilie vermit- Ein Kind zur Pflege bei sich aufzunehmen, ist teln kann und dem Wunsch, die leiblichen Eltern eine verantwortungsvolle Aufgabe. Wie werden zu kennen und mit ihnen Umgang zu haben. Die potenzielle Pflegeeltern darauf vorbereitet? Fachkräfte sollen auf eine solche Zusammenar- beit hinwirken und alle Beteiligten dabei unter- Rieder: Die zuständigen Fachkräfte informieren stützen. Ein wichtiges Thema sind zum Beispiel und beraten interessierte Pflegeeltern von Anfang auch Besuchskontakte. Je nach Einschätzung von an. Meist finden dazu mehrmals pro Jahr Informa- Pflegeverhältnis und Herkunftseltern sollten sol- tionsveranstaltungen statt. Da geht es um Themen che Besuchskontakte von Fachpersonen begleitet wie rechtliche Rahmenbedingungen, Kriterien für werden, die dann Kontakte mit Pflegeeltern und die Eignungsprüfung, Ablauf zur Vermittlung eines Herkunftseltern auch vor- und nachbereiten kön- Pflegekindes, Zuständigkeiten und Durchführung nen. von Vorbereitungsseminaren. Rieder: In bestimmten Abständen finden Hilfeplan- Graul: Für Bewerber findet anschließend ein qua- gespräche statt, bei denen alle Beteiligten einbe- lifizierendes Einführungsseminar statt. Mögliche zogen sind. Hier werden konkrete Ziele, etwa zur Inhalte sind etwa die Motivation, ein fremdes weiteren Entwicklung des Pflegekindes und zur Kind aufzunehmen, Veränderungen in der Familie Lebenssituation der Herkunftseltern, besprochen durch die Aufnahme eines Pflegekindes, Erkennt- und festgeschrieben. Hier kann den Herkunftsel- nisse aus der Bindungstheorie und die Bedeutung tern bei Bedarf auch weitere Unterstützung ange- der Herkunftsfamilie. Es bietet sich hier auch an, boten werden. Erfahrungsberichte von Pflegeeltern einfließen zu lassen und den Austausch mit bereits tätigen Was geschieht eigentlich mit Pflegekindern, Pflegepersonen zu ermöglichen. Ziel ist es, dass wenn sie volljährig sind? die potenziellen Pflegeeltern ihre Entscheidung für oder gegen ein Pflegeverhältnis für sich und Rieder: Viele Pflegekinder verbleiben auch nach eventuell auch für ihre Familie gut überlegt treffen Erreichung der Volljährigkeit in ihren Pflege- können. Die grundsätzliche Eignung von poten- ziellen Pflegeeltern wird nach fachlichen Kriterien von den Pflegekinderdiensten überprüft. INFO Das KVJS-Landesjugendamt Nicht nur Pflegemütter und Pflegeväter, auch berät die Pflegekinderdienste der die Herkunftsfamilien brauchen Unterstützung. Jugendämter und die Träger der freien Welche Angebote gibt es? Kinder- und Jugendhilfe, entwickelt Empfehlungen und organisiert Ver- Graul: Vollzeitpflege ist als Hilfe zur Erziehung anstaltungen zu Themen der Pflege- in erster Linie auch eine Hilfe zur Stärkung der kinderhilfe. Weitere Infos unter elterlichen Erziehungsverantwortung. Die Zusam- www.kvjs.de/jugend/hilfen-zur- menarbeit von Pflegefamilie und Herkunftsfami- erziehung/pflegekinderhilfe/ lie ist eine wesentliche Rahmenbedingung für die 2/2018 KVJS aktuell 25
Sie können auch lesen