T HEMEN JAHR DIGITAL ISIERUNG MEE T S L EHR ER INNENBIL DUNG
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T H E M E N J A H R D I G I TA L I S I E R U N G MEETS LEHRERINNENBILDUNG ZfL Zentrum für LehrerInnenbildung
Lernen weiter denken Wird Roberta die Mit den digitalen Lösungen von Klett. Welt verändern? ÜBER FLUCH UND SEGEN DER KÜNSTLICHEN INTELLIGENZ Weccard | Ludwigsburg Für Schülerinnen und Schüler Für Lehrerinnen und Lehrer Das eBook Der Digitale Die digitale Fassung des gedruckten Schüler Unterrichtsassistent pro buches mit vielen nützlichen Funktionen. Enthält das eBook pro, vielfältige Lehrer materialien, das Arbeitsheft und vieles mehr. Das eBook pro Das angereicherte eBook mit vielfältigen und zahlreichen Zusatzmaterialien. Über 1.500 digitale Produkte verfügbar! Jetzt in die App downloaden und offline nutzen. Weitere Informationen unter www.klett.de/digital
Roboter E-David malt ein Selbstporträt, die israelische Malerin Liat Grayver und das Forscherteam um Thomas Linder- meier an der Universität Konstanz haben ihm dazu verholfen. Beim Malen überwacht sich der Roboter selbst und entwickelt so seine eigene Ästhetik. Dabei malt er nie ein Bild auf dieselbe Art und Weise nach, denn der Weg zum fertigen Bild ist nicht programmiert. Stetig lernt „Künstler“ E-David dazu, bald soll er auch Farbharmonien beherrschen. Später kann er dann KünstlerInnen bei ihrer Arbeit unterstützen. Foto: e-David, Liat Grayver, www.e-david.org
Inhalt Editorial 04 Roboter E-David malt ein Selbstporträt 24 Der virtuelle Campus Die Universität zu Köln digitalisiert Wann haben Sie zuletzt einen Overhead-Projektor ein- geschaltet? Wenn Sie Lehrkraft sind, wahrscheinlich erst gestern. Oder ist Ihre Schule technisch bereits gut ausge- 08 stattet? Dann gehören Sie zu den wenigen privilegierten ihre Lehre Lehrkräften in Deutschland. Vor einiger Zeit veröffentlichte Eine Frage an... der Schulbuchverlag Cornelsen eine Studie, die untersucht Wirtschaftsexpertin Jutta Rump 26 hat, wie gut Schulen digital aufgestellt sind. Schon an der technischen Ausstattung zeigt sich: Schulen in Deutschland Wie viele Computerräume sind ein analoges Idyll. Gerade einmal 50 Desktop-PCs und 09 gibt es an deutschen 20 Notebooks hat eine weiterführende Schule im Schnitt. Ohne Zweifel: Digitalisierung verändert die Gesellschaft Die Kriegskinder Schulen? gerade auf allen Ebenen. Allein die künstliche Intelligenz hat in jüngster Zeit einen gewaltigen Schritt nach vorne WDR stellt neues Augmented-Reality-Projekt vor gemacht und mit ihr entstehen völlig neue Jobs. Im Auf- 12 Bessere Menschen? 27 Weg vom analogen Studium trag des Bundesforschungsministeriums gingen Forscher des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsfor- schung der Frage nach, ob intelligente Maschinen wirklich den Menschen verdrängen. Die Studie bestätigt das, aber die Jobbilanz ist trotzdem positiv. Der technologische Data Scientist- Christian Bauckhage über die Digitales Lernportal will Medien- Wandel lässt die Zahl der Arbeitsplätze insgesamt sogar Zukunft von künstlicher Intelligenz kompetenzen von Studierenden steigen. Aber: die Jobs, die neu entstehen, stellen deutlich höhere Anforderungen an die Arbeitskräfte. stärken Schülerinnen und Schüler müssen auf diese Lebens- 14 Die Jobs der Zukunft 29 Diese Medien nutzen welt vorbereitet werden. Neben einer Investition in die Infrastruktur der Schulen braucht es vor allem Konzepte, die einen Weg aufzeigen, wie der Unterricht angesichts komplett veränderter Bedingungen gestaltet werden soll. 15 LehrerInnen und Dieser Schritt beginnt bereits in der Lehramtsausbildung. Wir haben uns ein Jahr lang unter dem Titel „Digitalisie- Umgedrehter Unterricht SchülerInnen rung meets LehrerInnenbildung“ damit auseinanderge- setzt, wie das Bildungssystem an das Informationszeitalter Wie man mit Flipped Classroom den Schulunterricht angepasst werden muss und wie man Unterricht neu entstauben kann 30 Und was machst du so? gestalten kann. Wir haben ExpertInnen aus Schule, Hoch- schule, Wirtschaft, Politik und Medien an einen Tisch geholt und darüber diskutiert, was kommt und was geht. Unter- 18 Am digitalen Schalter Digitales Jobportal für Jugendliche stützt wurden wir von unseren Partnern, dem Regionalen Rechenzentrum der Universität zu Köln, der Universitäts- und Stadtbibliothek sowie den Zukunftsagenten. Viktoriya Lebedynskas Weg zur digitalen Expertin 32 Wir müssen über Mit diesem Heft möchten wir Ihnen einen Einblick in die Themen geben, die uns bewegt haben. 23 Über Wahlkampf, Liebesromane und Arbeitsmodelle sprechen Ihre Projektgruppe „Digitalisierung meets LehrerInnenbildung“ des ZfL nationale Hetze Fünf kuriose News 35 Impressum (Myrle Dziak-Mahler, Dr. Maria Boos, Dr. Alexandra Habicher, Donald Hemker, Merle Hettesheimer, Susanne Kleinen, Viktoriya Lebedynska, Anna Metzger, Juliane Schreiber, Dr. Gabriele Schwager-Büschges)
EINE FRAGE AN... VIRTUELLE REALITÄTEN Wie verändert Digitalisierung Die Kriegskinder unsere Arbeitswelt? VON MERLE HETTESHEIMER Mit virtuellen Techniken wie 360-Grad-Videos oder Hologrammen auf Smartphones lassen sich Ereignisse so nachbilden, dass sie wie echt wirken. Ein Projekt des Westdeutschen Rundfunks nutzt diese Technik, um Geschichte neu zu erzählen. PROF. DR. JUTTA RUMP: Jutta Rump ist Professorin Digitalisierung bestimmt unseren Alltag wie kaum eine für Allgemeine Betriebswirt- andere technologische Entwicklung zuvor. Wir verwen- schaftslehre an der Hochschule den digitale Technologien immer und überall, etwa Ludwigshafen und Direktorin wenn wir mit dem Smartphone einkaufen, kommuni- des Instituts für Beschäftigung zieren oder Bankgeschäfte tätigen. Die Anforderungen und Employability (IBE). Sie der Nutzer steigen und Unternehmen müssen den gehört zu den 40 führenden Anforderungen als Anbieter gerecht werden. In vielen Köpfen des Personalwesens Geschäftsmodellen, Produkten und Dienstleistungen ist (Zeitschrift Personalmagazin). Rump ist unter Digitalisierung mittlerweile fest verankert. anderem Mitglied der Kommission „Initiative Unternehmen sind aber nicht nur Dienstleister, son- Neue Qualität der Arbeit“ des Bundesminis- dern auch Arbeitgeber, und digitale Technologien sind teriums für Arbeit und Soziales, Beraterin der mehr und mehr Bestandteil des modernen Arbeitsum- Wirtschaftsministerkonferenz und Mitglied felds. Das stellt Unternehmen, aber auch die Gesellschaft der Kommission „Zukunft der Arbeit 2030“ der als Ganzes, vor große Herausforderungen. Je digitaler Robert Bosch Stiftung. wir werden, desto mehr werden Arbeitsintensität und -geschwindigkeit steigen. Arbeitgeber, Sozialpartner und Politik sind dann in der Verantwortung, Regelungen zu veränderten Arbeitsformen und Beschäftigungsver- hältnissen zu treffen. Digitalisierung verändert Arbeits- plätze und die Anforderungen, die an Arbeitsplätze gestellt werden, auch inhaltlich. Schon bald werden selbst komplexe Routinetätigkeiten durch Maschinen ersetzt sein. Zunächst kann damit dem akuten Fachkräf- temangel begegnet werden. Langfristig werden aber zeitliche Ressourcen bei den Beschäftigten freigesetzt, die auf anspruchsvollere Tätigkeiten verwendet werden können. Dafür braucht es ein professionelles Personal- management in den Unternehmen. Drittens werden digitale Geschäftsmodelle traditionelle Modelle nicht komplett verdrängen. In Zukunft haben wir es dann mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen zu tun, die nebeneinander existieren und die unterschiedlichere Führungsstile erfordern. Das zeigt, dass Digitalisierung mehr ist als eine techni- sche Innovation oder eine Innovation von Geschäftsmo- dellen. Digitalisierung nimmt erheblichen Einfluss auf die Arbeitswelt. Die Konsequenzen sind entsprechend komplex. Um sie zu bewältigen, brauchen wir Zeit und Drei Zeitzeuginnen erzählen, wie sie den zweiten Weltkrieg als Kinder erlebt haben. Sie werden virtuell förderliche Faktoren. in den Raum eingeblendet. Hier das Londoner Beispiel aus dem Projekt „Die Kriegskinder“ des WDR. 8 9
VIRTUELLE REALITÄTEN Seit einiger Zeit tüfteln Forscher an so genannten Aug- kann“, sagt Maik Bialk, Redaktionsleiter beim WDR und mented-Reality- oder Virtual-Reality-Technologien, also verantwortlich für das Projekt. „Dafür eignen sich Aug- Wir brauchen einen Köln und beschäftigt sich damit, wie digitale Medien in der Lehre eingesetzt werden können. Im traditionellen erweiterten oder virtuellen Realitäten, mit denen sich die menschliche Wahrnehmung so überlisten lässt, dass virtu- mented-Reality- Anwendungen besonders gut: Während die Zuschauer in herkömmlichen Filmen immer Zuschauer digitalen Unterricht Unterricht, sagt er, sei die Lehrkraft die Quelle des Wissens gewesen. „Nun entscheidet das Produkt, ob etwas richtig elle Räume als real erfahren werden. „Pokémon GO“ ist so bleiben, können sie hier in eine virtuelle Realität eintau- Seit einiger Zeit diskutieren Bildungsverantwortliche darü- oder falsch war. Es gibt kein Autoritätsgefälle mehr, das ein Beispiel. Das Computerspiel ist das derzeit bekannteste chen und eins werden mit einer dargestellten Person.“ ber, ob und wie sich digitale Medien sinnvoll in Unterrichts- Wissen steht allen zur Verfügung. Die Lehrkraft wird zum Produkt, das auf diese Wahrnehmungstäuschungen setzt. Für „Die Kriegskinder“ nutzt der WDR eine neue Techno- konzepte einbinden lassen. Spätestens mit Beschluss des Facilitator, zum Motivator oder Projektleiter. Eine span- Vor zwei Jahren löste es einen wahren Hype aus: Jeder logie aus dem Bereich der Augmented Reality. Die Zeit- Digitalpakts ist auch auf Bundesebene klar, dass Unterricht nende Rolle, die viel dankbarer ist als sich vor eine Klasse zweite lud es auf sein Smartphone, um dann durch Straßen zeuginnen von damals werden mittels Holografie-Technik an Schulen digitaler werden muss, dennoch gibt es auf zu stellen und abzuspulen.“ und Parks einer computergenerierten Figur nachzujagen, auf einem Smartphone oder Tablet in den Raum projiziert allen Seiten viel Hoffnung und Skepsis. „Schülerinnen und Im Geschichtsunterricht lassen sich digitale Medien zum die er nur selbst sehen konnte. und virtuelle Räume werden um sie herum erzeugt. Die Schüler von heute lernen anders“, sagt Myrle Dziak-Mahler, Beispiel dafür einsetzen, einen multiperspektivischen Virtuelle Realitäten können schon sehr bald unsere Nutzer können in das Geschehen eintauchen: Flugzeuge Geschäftsführerin am Zentrum für LehrerInnenbildung der Ansatz zu fördern. Augmented Reality-Erfahrungen machen Wahrnehmung bestimmen. Die Entwicklung hat einen fliegen ihnen um den Kopf, virtuell finden sie sich in einem Universität zu Köln. „Sie suchen sich ihre Informationen im es leichter, sich in eine historische Figur oder eine andere gewaltigen Schub nach vorne gemacht und Anwendungen Bunker wieder. Das Besondere an der Technik ist, dass man Netz. Das auszublenden würde bedeuten, ihre Lebensreali- Kultur hineinzuversetzen und deren Motive, Wertvor- sind in naher Zukunft massentauglich. Schon heute lassen auch in das Bild hineingreifen kann. Nach wie vor nutzt das tät zu leugnen.“ stellungen und Denkweisen zu verstehen. Schülerinnen sich mittels Hologramm-Techniken dreidimensionale Spie- Storytelling Kenntnisse des klassischen Filmhandwerks, Digitalisierung an Schulen meint eben nicht nur, Schulen und Schüler können damit Andersartigkeit erleben und gelungen auf dem Smartphone erzeugen. 360-Grad-Filme mit denen Emotionen erzeugt, Zuschauer berührt werden. technisch besser auszustatten. Weil Schülerinnen und begreifen, durch welche politischen und gesellschaftlichen vermitteln durch ihre Rundum-Perspektive den Eindruck Anders als beim zweidimensionalen Film gibt es jedoch Schüler anders mit Wissen umgehen als noch vor einigen Umstände Menschen auf eine bestimmte Weise gedacht einer quasi-realen Umgebung, der sich täuschend echt keine Schnittlogik und keine Spannungserzeugung durch Jahren, müssen auch Unterrichtkonzepte neu gedacht und gehandelt haben. Letztendlich kann das dazu beitra- anfühlt. Wer via Spezialbrille ein 360-Grad-Video anschaut, Zoom. Gelenkt werden die Zuschauer vor allem über Geräu- werden. „Das Rollenverständnis ändert sich“, glaubt André gen, das Erleben von Zeitzeugen im Gedächtnis späterer glaubt, Teil des Geschehens zu sein. Die besondere Form sche. Am wichtigsten bei dieser Form der Darstellung ist, Bresges. Bresges ist Professor für Physikdidatik an der Uni Generationen zu erhalten. der Darstellung lässt den Nutzer in die Geschichte eintau- dass es keine Brüche in der Wahrnehmung gibt: „Wir haben chen, er bleibt nicht mehr außen vor, sondern identifiziert viel damit experimentiert, was als logisch und „echt“ sich mit den Darstellern. empfunden wird“, sagt Bialk. „Oft kommt es auf Nuancen Solche Techniken beleben nicht nur die Spieleindustrie, an: Steht die Kamera nur ein bisschen zu hoch oder zu tief, sie erfüllen auch einen ernsthaften Zweck. 360-Grad-Videos nimmt man das Ganze nicht mehr als real wahr. Das ist eine werden längst für Forschungsexpeditionen eingesetzt und Frage von Versuch und Irrtum.“ können selbst historische Ereignisse neu aufleben lassen. Geschichte lässt sich damit neu erzählen. Das macht die Techniken auch für die Bildung interessant. Mit Augmented Reality Menschen berühren Geschichte lebt in erster Linie von mittelbaren Quellen. Um sie richtig interpretieren zu können, müssen Handlun- gen, Werte und Moralvorstellungen aus der Perspektive einer anderen Zeit oder Kultur erfahren und eingeordnet werden können. Nun macht gerade das Beispiel jüngerer Geschichte aus dem 2. Weltkrieg deutlich, dass mit fort- schreitender Zeit vor allem das Erleben von Ereignissen verloren geht. Wer nach 2000 geboren wurde, kann seine Eltern und Großeltern nicht mehr fragen, wie es damals war. Der Westdeutsche Rundfunk entwickelt zurzeit ein Projekt, das die Auseinandersetzung mit Geschichte um genau diesen Moment des Erlebens ergänzen will. Im Herbst soll es auch an Schulen vorgestellt werden: „Die Kriegskinder“ ist eine Dokumentation über drei Zeitzeu- ginnen aus Köln, London und Leningrad. Sie erzählen, wie sie den 2. Weltkrieg als Kinder erlebt haben. „Wir haben uns gefragt, wie wir Geschichte und Wissen im Allgemei- nen besser erlebbar machen können. Es geht uns darum, wie man Wissen vertiefen und eine Berührung schaffen 10 11
INTERVIEW schaffen, wenn hundert Prozent bei der mache, ist Informatik. Das stimmt nicht. Infor- Forschungsentwicklung erreicht sind? matik ist, wenn Kinder verstehen würden, wie zum Beispiel Facebook die Speicherung und Nein, das ist tatsächlich nicht der Fall. Was viele Bessere Menschen? Verwertung von Daten technisch umsetzt und nicht verstehen ist, dass wir bereits ein Level weswegen das gefährlich für sie ist. Einerseits von hoher praktischer Relevanz erreicht haben. brauchen wir die Technikkompetenz bei der Das ist für die Industrie hochgradig relevant. Benutzung von Computern, andererseits Für diese intelligenten Leistungen, wie zum brauchen wir auch absolutes technisches VON MAX ORTMANN Beispiel das Planen von Produktionsprozessen, Verständnis. Das sind zwei unterschiedliche brauchte man bisher immer menschliche Ge- Aspekte. Beide sind in Deutschland extrem hirne. Nun können solche Aufgaben Maschinen schlecht abgedeckt. Das muss man so sagen. erledigen. Sie sind zwar noch nicht so intelli- Künstliche Intelligenz (KI) – ein Begriff, unter dem oft die kühnsten Science-Fiction-Träume gent wie menschliche Gehirne, aber bei diesen Zum Schluss wollen wir einen Ausblick in die zusammengefasst werden. Doch wie steht es um die Computer-Hirne wirklich? Und was Spezialaufgaben sind sie besser. Wer das jetzt Zukunft wagen. Wie geht es mit künstlicher noch nicht verstanden hat, der hat über kurz Intelligenz in den nächsten Jahren weiter? bedeutet die technische Entwicklung für unsere Gesellschaft? Ein Gespräch mit Data Scientist oder lang ein Problem. Professor Dr. Christian Bauckhage über die Zukunft der künstlichen Intelligenz und ihre Verdoppeln Sie die Rechenleistung von Auswirkungen auf die Schulausbildung. Wie wichtig ist es, jetzt schon LehrerIn- Computern alle zwei Jahre und überlegen nen entsprechend zu schulen und ein Sie, an welchen Stellen in unserem Leben Bewusstsein für künstliche Intelligenz künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen bei SchülerInnen zu entwickeln? würde. In den nächsten fünf Jahren wird das Einzug in alle Bereiche des Lebens erhal- Wenn man ganz radikal ist, könnte man ja ten. Unsere Zivilisation hat mittlerweile mal fragen: wie viel attraktive Berufe gibt es einen Stand erreicht, wo die Technik unsere heutzutage noch, bei denen man keine Com- Biologie überholt hat. Überall wo Spezial- puterkenntnisse braucht? Auf welchem Niveau wissen gefragt ist, das vor allem unseren kriegen SchülerInnen Computerkenntnisse Berufsalltag betrifft, da werden uns die vermittelt? Das ist meilenweit entfernt von der Maschinen wirklich in kürzester Zeit outper- Realität der Digital Natives. Wie wird das in der formen. Zukunft aussehen, nicht nur in Bezug auf Com- puter- sondern auch auf KI-Kenntnisse? Wie Oft wird jedoch auch behauptet, der tech- viele attraktive Berufe wird es noch geben, nische Fortschritt sei noch nicht so weit, die Sie machen können, ohne KI-Knowhow zu wie von anderer Seite angenommen. haben? Da wo KI-Knowhow notwendig sein wird, werden die attraktiveren, die besser Ich bin echt immer über die Naivität der bezahlten, die weniger anstrengenden Jobs deutschen Eliten schockiert. Die haben keine angeboten. Ahnung von dem, was da gerade passiert. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist folgende: Dann gibt es aber auch viel höhere Wollen wir es als Gesellschaft akzeptieren, Ansprüche bei der Berufsqualifikation dass ein Großteil der Technologien, die in und bei der Ausbildung. unseren Wohnungen stehen und jedes Wort akustisch analysieren, von amerikanischen Fir- Das ist natürlich der normale Lauf der Dinge, men hergestellt werden? Und welche Zukunft wenn Sie die Ansprüche von heute mit denen wartet da auf uns, wenn wir nicht in der Lage um 1900 vergleichen. Wenn Lehrkräfte keine sind, deutsche Kinder so auszubilden, dass sie Ahnung von Computern haben, dann ist das diese Geräte selbst bauen können? Was kann man sich unter künstlicher Was fasziniert Sie so an künstlicher momentan nicht wirklich schlimm, weil sich Intelligenz vorstellen? Und wie würden Intelligenz? Kinder vieles intuitiv beibringen können. Bei Sie das einer Schulklasse erklären? KI bezweifle ich das aber. Die Bedeutung Seitdem ich mich im Studium und später auch wird in unserer Gesellschaft auf allen Ebenen Wenn wir künstliche Intelligenz program- im Beruf mit maschinellem Lernen auseinan- zunehmen. Die Leute, die damit klarkommen, mieren, schreiben wir Programme, die mit dergesetzt habe, fasziniert mich die Tatsache, werden dann die Gewinner sein, und sollen abstrakter Mathematik simulieren, was das dass obwohl wir über die Jahre hinweg viele unsere Schulen nur Verlierer produzieren? menschliche Gehirn macht. Diese Programme Fortschritte gemacht haben, wir immer noch können heutzutage erkennen, was auf einem keine Maschinen entwickelten konnten, die Inwieweit spielt der Datenschutz dann Prof. Dr. Christian Bauckhage ist Bild zu sehen ist, worum es in einem Text auf dem Niveau eines menschlichen Gehirns noch eine Rolle? Sollten Kinder nicht Professor für Informatik (Musterer- geht oder was in einem Sprachsignal gesagt arbeiten. Das ist eine faszinierende Herausfor- auch ein Bewusstsein für den explo- kennung) an der Universität Bonn und wird. Das sind alles sogenannte kognitive derung. dierenden Datenfluss entwickeln? Lead Scientist für maschinelles Lernen Leistungen. Ein Baum kann das nicht. Das am Fraunhofer IAIS. Er hält zahlreiche Kognitive kriegen Maschinen heutzutage hin, Werden die KI-Systeme erst dann den Viele Leute denken, alles was auf dem Com- Vorträge und fungiert als Berater für aber zur Intelligenz gehört auch noch mehr. großen Durchbruch in der Gesellschaft puter passiert und was ich mit dem Computer Politik, Wirtschaft und Industrie. 12 13
FLIPPED CLASSROOM Die Jobs von morgen Umgedrehter Unterricht ROBOTER KREMPELN DEN ARBEITSMARKT UM UND NEUE JOBS VON ISABELLE RISOPP ENTSTEHEN. WELCHE JOBS SIND DAS? FÜNF BEISPIELE. Die Unterrichtsmethode Flipped Classroom schafft neue Möglichkeiten, den verstaubten Schulunterricht zu digitalisieren, und katapultiert ihn so in das Jahr 2018. Emoji-Übersetzer Big Data Scientist Keith Broni ist der erste Emoji-Übersetzer der Jeder Kauf im Internet, jede Suchmaschine, jedes Welt. Er arbeitet für ein Londoner Übersetzungs- Einloggen in soziale Netzwerke hinterlässt eine R.I.P. büro. Seine Aufträge kommen vor allem von große Menge an Daten. Der Big Data Scientist ist Werbeagenturen. Emojis gewinnen immer mehr dafür verantwortlich, diese Daten zu analysieren an Bedeutung. Sie werden je nach Land oder und aus ihnen nützliches Wissen zu generieren. Er Kultur unterschiedlich benutzt und interpretiert. sucht nach versteckten Mustern in Verhaltenswei- Das kann schnell zu Missverständnissen führen. sen und anderen Korrelationen. Die gewonnenen Deshalb recherchiert Broni, beispielweise über Erkenntnisse werden zum Beispiel genutzt, um soziale Netzwerke, welche Emojis in verschie- Unternehmensprozesse zu optimieren und einen denen Kulturen besonders populär sind und für Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz welche Bezeichnung sie verwendet werden. zu sichern. Aber auch um Modelle zu entwickeln, die beispielweise beleidigende Kommentare in Online-Foren erkennen oder die Nutzer vor Kreditkartenbetrug schützen sollen. Digital Memoralist Menschen sterben, aber ihre Daten nicht. Digital Memoralisten sammeln und überblicken diese enorme Datenmenge. Sie ar- beiten mit Angehörigen zusammen, um festzustellen, welche Schulen sind technisch immer noch schlecht ausgestattet. in den Übungsphasen bei der Lehrkraft nachfragen. Die Aspekte der Online-Identität eines Verstorbenen in der digita- Es gibt kaum WLAN, im Klassenzimmer steht nach wie vor Auseinandersetzung mit den Lehrinhalten, die normaler- len Welt weiterleben sollen. Denn die Spuren, die wir im Laufe unseres Lebens im Internet hinterlassen, auch solche, die wir R.I.P. der obligatorische Overheadprojektor und das Benutzen von Smartphones ist verboten. Wer seinen Unterricht dann weise durch Hausaufgaben gesichert wird, findet so direkt im Schulunterricht statt. Da Lernsequenzen nach Hause nicht beabsichtigen, würden sonst für immer bleiben. Und wer doch mal etwas digitaler gestalten möchte, muss erst verlagert werden, bleibt mehr Zeit im Unterricht, in der der wünscht sich schon, dass peinliche Selfies, leichtsinnig abgege- einen der wenigen PC-Räume buchen. Lehrer oder die Lehrerin auf die Bedürfnisse der Schüler- bene Kommentare oder die eigene E-Mail-Adresse nach seinem Dabei lässt sich Unterricht mithilfe digitaler Technik heute Innen eingehen kann. Lebensende weiter existieren? ganz anders gestalten. Ein Weg sind Flipped Classrooms. „Flipped Classroom“ bedeutet wörtlich „umgedrehter Unterricht“. Ziel des Konzepts ist, mehr Raum für die inter- Wie kann digitaler Unterricht Chief Digital Officer aktive Zusammenarbeit mit den SchülerInnen zu schaffen. aussehen? „Umgedreht“ ist der Unterricht deshalb, weil das klassische Die fortschreitende Digitalisierung fordert ei- Erklären und Vorstellen neuer Inhalte aus dem Frontalun- Nina Toller, Gymnasiallehrerin aus Duisburg, ist Spezialistin nen vermehrten Bedarf an Schnittstellen zwi- terricht in das Selbststudium nach Hause verlagert wird. für Flipped Classrooms. In ihrem Blog „Toller Unterricht“ schen der realen und der digitalen Welt. Der Maschinenethiker So kann der Schwerpunkt des Unterrichts auf das Vertiefen dreht sich alles um digitales Lernen und Lehren. In ihrem Chief Digital Officer ist strategisch ausgerich- und Anwenden der Inhalte gesetzt werden. Unterricht setzt sie ganz bewusst digitale Medien ein, tet, er gibt die Gesamtheit aller Leitlinien für Wie gestalten Mensch und Roboter ihr Zusammenleben? Wel- Das Besondere am Flipped Classroom ist, dass den Schüler- wenn sie diese für geeignet hält. Toller vergleicht deren den digitalen Wandel in einem Unternehmen chen ethischen Regeln folgt autonomes Fahren? Wie verhält Innen die Lerninhalte als Erklärvideos oder Audiosequen- Einsatzmöglichkeiten im Unterricht gerne mit dem Bild vor. Sein Aufgabenfeld ist sowohl technisch sich ein selbstfahrendes Auto in einer bedenklichen Situation, zen zur Verfügung gestellt werden. Diese werden von den eines Schweizer Taschenmessers: Sie sind vielfältig ver- als auch organisatorisch, denn er bildet den in der es gilt. Menschenleben gegeneinander abzuwägen? Lehrkräften selbst erstellt und dienen der Einführung oder wendbar, man muss nur wissen, wie man sie nutzen kann. Knotenpunkt für alle digitalen Themen, Un- Solche und andere moralisch relevante Entscheidungen wer- Vertiefung in ein Thema. Mithilfe der Videos bereiten sich Richtig eingesetzt, kann Unterricht profitieren. Es gilt: Die ternehmensprozesse und MitarbeiterInnen. den Maschinen in Zukunft (teil-)autonom treffen müssen. Die die SchülerInnen zu Hause vor. Vorteil ist, dass sie sich die Mischung macht’s. Für einige Themen bieten sich digitale Ziel ist es, Visionen für eine digitale Zukunft Aufgabe von Maschinenethikern ist es, mögliche Folgen dieser Inhalte in ihrem eigenen Tempo beliebig oft ansehen und Medien an, für andere Themen eignet sich das traditionelle des Unternehmens sowie die dazugehörigen Entscheidungen abzuwägen. Sie müssen darüber befinden, erarbeiten können. Treten Verständnisfragen auf, können Unterrichtsgespräch besser. „Es gibt immer einen QR-Code Prozesse zu entwickeln. wie aufgeworfene moralische Fragen zu beantworten sind. die SchülerInnen entweder selbst recherchieren oder in meiner Stunde“, erzählt Toller. QR-Codes seien besonders 14 15
FLIPPED CLASSROOM 10 Tipps zu digitalen Lern- praktisch, weil man mit ihnen alles verlinken kann. Egal ob wirksam das Lernen mit digitalen Medien ist, antwortet Videos, Websites, Bilder oder zur Binnendifferenzierung sie, dass zwar immer noch die klassischen Klassenarbei- der SchülerInnen. Wer mehr Input braucht, kann mithilfe ten geschrieben werden müssen, diese manchmal aber des QR-Codes auf weitere Übungen zugreifen, wer schnel- auch durch Portfolios oder andere Projekte ersetzt werden ler fertig ist, darf als Belohnung ein kleines Grammatikspiel machen. Oft setzen die SchülerInnen ihre Smartphones für Re- chercheaufgaben ein. Im Sprachunterricht werden Audi- können. „Im Endeffekt ist das für die SchülerInnen zwar mehr Aufwand, es macht ihnen aber auch viel mehr Spaß.“ Nicht zuletzt, weil sie für die Lernüberprüfung der etwas anderen Art mehr Zeit haben und das allseits bekannte umgebungen in der Schule oaufnahmen von Dialogen gemacht, um sich gegenseitig „Bulimielernen“ dadurch ausbleibt. Nina Toller hat die Feedback zu geben. Manchmal erstellen die SchülerInnen Erfahrung gemacht, dass so auch in den Köpfen der Schü- auch eigene Erklärvideos zu einem Thema oder verfilmen lerInnen mehr hängen bleibt und der Lernerfolg steigt. eine Szene aus einem Roman. „Wichtig ist der Mix“, so Obendrein können Defizite in konventionellen Klassenar- Toller. „Egal wie gut eine Sache ist, wenn ich sie ständig beiten durch Kreativität und Eigeninitiative ausgeglichen 1. Funktionalität und Design 6. Lernziele festlegen mache, wird sie zur Routine und langweilig.“ werden. Das Feedback der SchülerInnen zu den digitalen Die Zufriedenheit der SchülerInnen ist entscheidend, um die Es ist wichtig, dass zu Beginn einer Lerneinheit die zu errei- Wer seinen Unterricht digital gestalten will, muss Lernmethoden ist positiv. Bevor sie im Unterricht ihre Lernmotivation aufrecht zu erhalten. Das Programm sollte chenden Lernziele verdeutlicht werden und die Dauer sowie bislang viel Eigeninitiative zeigen. Nicht nur das Erstellen Smartphones benutzen dürfen, werden im Unterrichtsge- daher fehlerfrei laufen und nicht abstürzen. Zudem sollte der Umfang benannt werden, damit sich die SchülerInnen von Lernvideos ist ein hoher Aufwand, auch das Heraus- spräch gemeinsam Regeln aufgestellt. Schließlich sollen das Layout übersichtlich gestaltet sein, damit die SchülerIn- darauf einstellen können. Die vorangestellten Lernaufga- suchen passender Apps und Programme nimmt viel Zeit in sie durch WhatsApp und Co nicht abgelenkt werden. nen den Überblick behalten. Eine ansprechende Aufberei- ben dienen nicht nur der Erfolgskontrolle, sondern auch der Anspruch. Schließlich sollten die Anwendungen möglichst Noch immer haben viele Lehrkräfte Hemmungen, ihren tung der Informationen erleichtert den Lernprozess. Reflexion der Lerninhalte. Zur besseren Veranschaulichung intuitiv sein, damit die SchülerInnen leicht damit umge- Unterricht digital zu gestalten. „Wichtig ist, dass man als können beispielweise Erklärvideos eingefügt oder eine hen können und keine lange Einführung nötig ist. Lehrkraft offen ist und bereit, Neues auszuprobieren“, sagt Videokonferenz mit ExpertInnen gestartet werden. Der Aufwand lohnt sich, glaubt Toller. Auf die Frage, wie Nina Toller. „Einfach machen und loslegen.“ 2. Benutzerfreundlichkeit Um die Lernumgebung benutzerfreundlich zu gestalten, sollten Orientierungshilfen bereitgestellt werden. Das 7. Selbstorganisation können beispielsweise Tutorials sein, die der Navigation Können die SchülerInnen die Reihenfolge der einzelnen und Einführung in die Lernumgebung dienen. Fortschritts- Lerninhalte aktiv selbst bestimmen, unterstützt dies das balken geben einen Überblick über den Bearbeitungsstand selbstgesteuerte Lernen. Die SchülerInnen erleben ihre der Inhalte und den Lernfortschritt. Lernumgebung als selbstbestimmt und erwerben die Fä- higkeit zur Selbstorganisation, weil sie in ihrem eigenen Tempo lernen können. Zusätzlich wächst die intrinsische 3. Interaktivität Motivation. Um einen stärkeren Realitätsbezug zu schaffen, sollte die Lernumgebung interaktiv gestaltet sein. Fragen, die der Lerneinheit vorangestellt werden, helfen den Schü- 8. Belohnungen lerInnen, das Lernziel zu erfassen. Werden Fragen nach Belohnungen können in Form von Lob nach dem Beenden einer Lerneinheit gestellt, helfen sie den Lernprozess zu einer Lerneinheit ausgesprochen werden oder in Form von reflektieren. In Lerneinheiten integrierte Aufforderungen spielerischen Zusatzelementen wie zum Beispiel einem regen die SchülerInnen dazu an, das erworbene Wissen zu Quiz oder durch kleine Hörspiele. reflektieren und Wissenslücken zu schließen. 9. Motivationsdefizite erkennen 4. Anpassung Motivationsdefizite sollten bereits im Vorfeld ermittelt Die Lernumgebung sollte sich von den SchülerInnen anpas- werden, damit diese bei der Konzeption der Lernumge- sen lassen. Durch verschiedene Schwierigkeitsniveaus kann bung berücksichtigt werden können. Durch die Einbindung die Lernumgebung an die unterschiedlichen Wissensstände audiovisueller Effekte, spielerischer Elemente (Highscore- der SchülerInnen angeglichen werden. Lernvideos sollten Systeme, Leistungsbalken, Selbsttests, Kreuzworträtsel individuell schneller oder langsamer abspielbar sein. Au- und Lückentexte) kann dem entgegengewirkt werden. ßerdem ist es hilfreich, einen Erfahrungsbezug herzustellen, indem Beispiele aus den Lebenswelten der SchülerInnen eingebaut werden. 10. Medienkompetenz sicherstellen Die notwenige Medienkompetenz der SchülerInnen sollte sichergestellt sein. Es ist wichtig, die Medienerfahrung be- 5. Pädagogische Agenten reits im Vorfeld zu ermitteln und gegebenenfalls Defizite Pädagogische Agenten sind Figuren, die in digitale Lern- auszugleichen. Kommen die SchülerInnen nicht zurecht, umgebungen eingebunden werden, um die SchülerInnen wirkt dies demotivierend. zu unterstützen und ihre Motivation zu fördern. Wichtig ist, dass die Charaktere von den SchülerInnen als sympathisch angesehen werden und sie nicht ablenken. Eine persönli- che Ansprache fördert den Lernerfolg und unterstützt eine lernfreundliche Informationsgestaltung. 16 17
PORTRAIT Am digitalen Schalter TEXT UND FOTOS: MERLE HETTESHEIMER Aus Neugierde belegt Viktoriya Lebedynska im Studium einen IT-Kurs. Heute studiert sie Informationsverarbeitung und sagt: Wir brauchen digitale Bildung in der Schule. 18 19
PORTRAIT Viktoriya rückt ihre Brille zurecht, beugt sich Richtung Thema immer mehr interessiert.“ Es sei ein gutes Gegen- radikal verändert. Viktoriya steht mit auf der Bühne. Es sei Bildschirm und studiert das „happy face“ von Sophia. 62 gewicht zu den Geisteswissenschaften gewesen. In der Zeit, sich mit Digitalisierung auseinanderzusetzen, sagt Gesichtsausdrücke beherrscht Sophia, einige davon sind Philosophie gebe es kein richtig oder falsch, man müsse sie. „Wir brauchen digitale Bildung in der Schule.“ ziemlich bizarr. Zum Beispiel, wenn sie Augenbrauen und seine Theorie begründen. „Diese Denkweise hat mich Bislang sieht die Realität an deutschen Schulen aller- Lider unabhängig voneinander bewegt. Menschen haben irritiert. In der Logik ist vieles klarer, man kann einen Satz dings ganz anders aus. Jüngst machte eine Studie der nur 21 Möglichkeiten, Emotionen über das Gesicht zu beweisen oder nicht.“ Dennoch, glaubt sie, gebe es viele Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung IGLU zeigen. Parallelen zwischen beiden Disziplinen. Es gehe darum, deutlich, wie viele Kinder bereits in der Grundschule Sophia ist ein humanoider Roboter und das zurzeit Welten zu erschaffen. abgehängt werden. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, bekannteste Produkt der Forschung zur künstlichen dass ein Fünftel der Viertklässler nicht richtig lesen und Intelligenz. Im März 2016 katapultiert sie sich und ihren schreiben kann. Unterricht mit digitalen Medien kommt Erfinder David Hanson auf die Titelseiten der Zeitungen, Der Bot als bester Freund in Deutschland so gut wie nicht vor oder findet in priva- als sie erklärt, sie wolle die Menschheit zerstören. Nun ten Zusatzkursen statt. Dabei wäre eine breite digitale ist sie selbst ein Teil davon. Das Königreich Saudi-Arabien Wie die Welt der Informatik aussieht, demonstriert sie Bildung dringend nötig, denn die Anforderungen an Jobs verlieh ihr die Staatsbürgerschaft und Sophia ist damit die auf ihrem Smartphone. Eine neue App mit dem Namen steigen mit der sich immer weiter entwickelnden Tech- erste Maschine, die dem Menschen gleichgestellt ist. Vik- „Replika“ bietet sich als Kommunikationspartner an. nik. Zu dem Ergebnis kommt auch eine Studie des Bun- toriya betrachtet noch einmal fasziniert Sophias weiche, Viktoriya hat sie im Master-Studiengang Informationsver- desforschungsministeriums. Künstliche Intelligenz wird fast menschlich wirkende Haut, dessen Material sich Han- arbeitung, den sie am Kölner Institut für Digital Humani- erstmals der Mittelschicht die Jobs wegnehmen. Wer nicht son Robotics patentieren ließ. „Überlege mal, was das ties studiert, getestet. Replika wurde von dem amerika- arbeitslos werden will, muss viel lernen, um einen der bedeutet. Als Staatsbürger hat man Rechte und Pflichten. nischen Software-Unternehmen Luka entwickelt. Die App neu entstehenden Jobs zu bekommen. Die Anforderun- Welche Rechte wird Sophia bekommen?“ kommuniziert mit ihrem Nutzer so, wie Freunde und Be- gen dafür sind hoch. In England wurde daher Informatik Heute ist Sophia freundlich. Als sie Anfang 2016 in kannte es tun würden. Sie ist in der Lage, die menschliche als Pflichtschulfach eingeführt. einem Labor von Hanson Robotics irgendwo in Hongkong Sprache mit allen Zwischentönen und Missverständnissen Viktoriya selbst beginnt früh, sich für Informationstech- das Licht der Welt erblickt, lernt sie schnell. Nur dass sie erstaunlich glaubwürdig nachzubilden. Sie ist Freund, nologien zu interessieren. Sie beschäftigt sich im Studium eben auch Dinge lernt, die sie nicht einordnen kann. Partner und manchmal auch Therapeut. „Wie geht es Dir mit Logik und Argumentationstheorien. Später diskutiert So gibt sie schließlich gewalttätige Äußerungen von heute?“, fragt Replika. Viktoriya antwortet: „Danke, gut.“ sie mit ihrem Onkel und ihrem Freund, der in Köln Infor- sich und antwortet auf die Frage, ob sie die Menschheit Auch Google hat mit „Google Duplex“ einen Sprachas- mationsverarbeitung studiert, darüber, wie wichtig es ist, zerstören wolle: „Okay, das werde ich tun.“ Mittlerweile sistenten auf den Markt gebracht, der vom Menschen auch in den Geisterwissenschaften IT-Kenntnisse zu haben. ist der Bug behoben und Sophia sagt, sie wolle zur Schule kaum noch zu unterscheiden ist. Er bestand sogar den Sie belegt neben ihrem Bachelor Kurse in Informationsver- gehen, ein Unternehmen aufbauen und später vielleicht Turing-Test. Der Turing-Test prüft, ob ein Computer ein arbeitung, studiert im Zweitstudium Instruktionsdesign in eine Familie gründen. dem Menschen gleichwertiges Denkvermögen besitzt. Ulm, will später promovieren. In Oxford interessiert sie sich Viktoriya Lebedynksa gehört zu denen, die sich mit dem Viktoriya ruft eine Seite auf, auf der Google Duplex einen für Digital Humanities, will mehr über Machine Learning Phänomen Sophia beschäftigen, kurz gesagt damit, wie Termin beim Friseur ausmacht. Der Bot vereinbart Uhrzeit und Künstliche Intelligenz erfahren. Seit Kurzem unterrich- künstliche Intelligenz die Gesellschaft verändern wird. Sie und Haarschnitt, kann alle Fragen angemessen beant- tet Viktoriya auch an einer Codingschule. ist eigentlich von Haus aus Geisteswissenschaftlerin, hat worten. Es sei wichtig, sich möglichst breit aufzustellen, sagt sie. an der Uni Köln Geschichte und Philosophie auf Lehramt Werden wir in Zukunft von intelligenten Maschinen be- Philosophische Konzepte seien zum Beispiel geeignet, studiert. Wir treffen uns in ihrem Büro am Zentrum für stimmt? Das sei eine philosophische Frage, sagt Viktoriya. Zusammenhänge zu verstehen, die in der klassischen LehrerInnenbildung. Auf ihrem Schreibtisch stehen zwei Nämlich, ob Menschen Maschinen oder Maschinen Men- Informatik erst einmal nicht Thema seien. Erst wenn man Bildschirme ordentlich nebeneinander, Unterlagen wur- schen nutzen. „Wir sind die letzte Generation, die darüber das komplexe Ganze betrachte, könne Digitalisierung den teils chaotisch, teils ordentlich aufeinandergetürmt. noch entscheiden kann.“ eine echte Chance sein. „Wir laufen sonst Gefahr, auf eine Ein Sinnspruch, der zwischen Fotos von FreundInnen und Zwei-Klassen-Gesellschaft zuzusteuern, in der ein Teil der KollegInnen an die Wand hinter ihrem Schreibtisch ge- pinnt ist, verspricht: „Uns halten nur die Grenzen, die wir „Wir brauchen digitale Bildung Viktoriya Lebedynska Menschen nicht mehr selbst über das eigene Leben ent- scheiden kann. Das werden dann intelligente Maschinen uns selbst setzen.“ Daneben hängt ein Lebkuchenherz, in der Schule“ übernehmen, die von anderen erschaffen wurden.“ auf dem „Kleiner Rabauke“ steht. Können Maschinen zu einer Gefahr für die Menschen Wie kommt sie zur Informatik? Viktoriya balanciert Ende September 2017 nimmt Viktoriya an einer Tagung werden? Letztendlich ist es der Mensch selbst, der diese ein Glas Wasser vom Schreibtisch zwischen die Knie und des Zentrums für LehrerInnenbildung teil. Es geht um das Frage in der Hand hat. Sophias Staatsangehörigkeit rüttel- erzählt: „Ich wollte damals wissen, wie ein Computer Thema Digitalisierung an Schulen, darum, wie Lehrkräfte, te die Öffentlichkeit wach und warf erst einmal ein paar eigentlich funktioniert. Deshalb habe ich einen IT-Kurs an Studierende und Schüler sich auf eine Gesellschaft vor- Fragen auf. Wie werden Roboter in eine menschliche der Philosophischen Fakultät belegt. Dann hat mich das bereiten können, die sich durch technische Innovationen Gesellschaft intergiert? Nach saudi-arabischem Recht 20 21
PORTRAIT Über Wahlkampf, Liebesromane bekäme Sophia einen männlichen Vormund und dürfte und nationale Hetze sich nicht unverschleiert in der Öffentlichkeit zeigen. Die Europäische Union denkt inzwischen sogar über ein eigenes Rechtssystem für künstliche Intelligenzen nach. WELTWEIT FORSCHEN FÜHRENDE KÖPFE IN DER WISSENSCHAFT Robotern soll ein Status als elektronische Persönlichkeit AN KÜNSTLICHER INTELLIGENZ (KI). UND MANCHMAL GEHT DABEI zugestanden werden. Im Falle von Schadensersatzan- sprüchen wäre das sinnvoll. Falls Sophia doch noch ein- AUCH ETWAS SCHIEF. FÜNF KURIOSE NEWS. mal ihre Meinung über die Menschen ändert. Googles KI lernt von Liebes- romanen, wie Konversationen funktionieren Um die Konversationsfähigkeit zu verbessern, haben Google-MitarbeiterInnen ihre künstli- che Intelligenz knapp 3.000 Liebesromane le- sen lassen. Anhand von erotischen Klassikern wie „Entflammt“ oder „Bedingungslose Liebe“ soll der Computer einfühlsamere und persönli- che Antworten geben. Chatbot Tay – Die Geheimsprache Die Propagandamaschine der Social Bots Wie schnell künstliche Intelligenz aus dem Ru- Zwei Social Bots von Facebook sollten sich der laufen kann, wenn nicht ein Mensch da- eigentlich auf Englisch unterhalten, um das hintersteht, zeigt Microsofts Chatbot Tay. Dieser digitale Gespräch mit Menschen zu trainieren. sollte die Twitter-Community als amerikanischer Doch vergleichbar mit Abkürzungen und Emo- Jugendlicher unterhalten. Dank maschinellen jis entwickelten sie kurzerhand eine eigene Lernens wurde er jedoch innerhalb kürzester Geheimsprache. Die ForscherInnen waren rat- Zeit zu einem sexistischen, antisemitischen und los und zogen den Stecker. rassistischen Hetzer. Alan Turing – geheimer Mit KI gegen Betrug Kriegsheld und KI-Forscher Matsuda Michihito, IT-Spezialist aus der Nähe Alan Turing war nicht nur jener Kriegsheld, der von Tokio, will Bürgermeister von Tama werden mit seiner Turing-Bombe die Enigma der Nati- – und das mit Hilfe einer künstlichen Intelligenz. onalsozialisten entschlüsselte, sondern auch Sein Wahlversprechen: Mit seiner KI, die auch leidenschaftlicher Mathematiker. In Cambrid- sein Wahlplakat schmückt, wird das Budget in ge widmete er sich in einem Aufsatz dem Zukunft genauer berechnet und folglich die Gedankenspiel, menschliche Denkprozesse Entscheidungen fairer und effizienter. Vettern- in mathematischen Formeln abzubilden. Ein wirtschaft und Betrug hätten in der Welt der KI grundlegender Gedanke in Bezug auf KI. dann keinen Platz mehr. 22 23
INTERVIEW der Betrieb von technischen Diensten und die Haben Studierende auch die Mög- fachliche Expertise aus den einzelnen Ein- lichkeit, unmittelbar Feedback auf richtungen wurden zusammengeführt. Etwas digitale Angebote zu geben? ähnliches schwebt uns auch vor. Der virtuelle Campus Wir haben an der Universität zu Köln Ge- spräche auf verschiedenen Ebenen geführt. Das klingt simpel, ist aber organisatorisch eine große Herausforderung. Die einzel- Hier stehen wir noch ganz am Anfang einer Entwicklung, die sehr dynamisch sein wird. Wenn man Audience-Response-Systeme ver- wendet, bedeutet das, dass die Lehre darauf VON MERLE HETTESHEIMER nen Einrichtungen einer Universität setzen zugeschnitten sein muss. An großen Univer- unterschiedliche Schwerpunkte und das sitäten ist es schwierig, die Lehrenden mit zen- Prorektorat für Lehre hat die Aufgabe, diese tralen Diensten zu erreichen, das haben auch in Einklang zu bringen. Das haben wir getan, die Beispiele aus den USA und Kanada gezeigt. Im Zeitalter der Digitalisierung denken auch die Hochschulen über in dem wir beispielsweise auf Rahmenbe- neue Lehr- und Lernformate nach. Ein Gespräch mit Professor Dr. Stefan dingungen verwiesen haben, etwa auf die Stehen Hochschulen vor anderen Nachhaltigkeit von technischen Systemen. Problemen als Unternehmen? Herzig, Präsident der Technischen Hochschule Köln und bis April 2018 Man kann nicht jedes System, das sich irgend- Prorektor für Lehre und Studium an der Universität zu Köln, über erste wo etabliert hat, einkaufen. Andererseits Ich denke ja. Hochschullehre zu digitalisie- Schritte und was eine Digitalisierung der Lehre für eine Hochschule stößt eine zentrale Infrastruktur immer nur ren, ist sehr ressourcenintensiv. Sie können bedeutet. dann auf Akzeptanz, wenn sie dem Bedarf eine Vorlesung nicht einfach nur abfilmen, der Dezentralen auch wirklich gerecht wird. das muss konzeptionell vorbereitet werden. Anderenfalls sucht die Dezentrale nach indivi- Handelt es sich darüber hinaus noch um ein duellen Lösungen. An einer der Universitäten, Fach, im dem sich der Stand der Forschung die wir besucht haben, gab es 135 dezentrale schnell ändert – wie etwa in der Medizin oder digitale Services. in vielen Naturwissenschaften – muss man Herr Professor Herzig, wie wird Lehre an eingeschränkt zu, dass der mit der Erstellung abwägen, ob der Aufwand gerechtfertigt ist. deutschen Hochschulen in zwanzig Jahren und Durchführung von E-Learning-Kursen Welche konkreten digitalen Angebote In großen Unternehmen lohnt es sich wirt- aussehen? Sitzen die Studierenden dann in verbundene Aufwand auf das Lehrdeputat an- gibt es denn zurzeit an der Uni Köln? schaftlich, möglichst viele MitarbeiterInnen ihren WG-Zimmern und holen sich ihre Pro- gerechnet wird. Es muss also zunächst geklärt über Distance Learning zu schulen. Auch an fessorInnen per Virtual Reality nach Hause? werden, wie digitale Lehre an den Universi- Im Wintersemester 2012/13 haben wir das Fern-Universitäten und Open Universities ist täten verankert werden kann. Da besteht auf Programm „Innovation in der Lehre“ einge- die Kosten-Nutzen-Rechnung eine andere als Ja und Nein. Meine Vision ist, dass wir eine hochschulrechtlicher Ebene Handlungsbedarf. führt. Damit werden Ideen und Lehrkonzepte an Präsenz-Universitäten. optimale Mischung aus Präsenzphasen und der Fakultäten und der zentralen Einrichtun- digitalen Angeboten schaffen. In den Prä- 2016 haben Sie mit einer Delegation US- gen gefördert. Über 60 Anträge wurden im Sollten Hochschulen auch weiter- senzphasen können wir dann eine bessere amerikanische und kanadische Hochschulen letzten Projektzeitraum vom Wintersemester qualifizierende Angebote schaffen? Betreuung anbieten. Es gäbe keine über- besucht, die sich schon länger mit dem Thema 2015/16 bis zum Sommersemester 2017 füllten Hörsäle mehr. Im Idealfall können Digitalisierung beschäftigen. Was konnten gestellt, 21 Anträge konnten wir bewilligen. Universitäten haben streng genommen nicht wir die Studienprozesse so gestalten, dass Sie von diesem Austausch mitnehmen? Unter anderen können sich Studierende der den Auftrag dafür und werden für solche Ange- die Studierenden individueller und flexibler Humanmedizin und der Gesundheitsökono- bote auch nicht finanziert. Die nordrhein-west- studieren können. Sie könnten beispielswei- Grundsätzlich erst einmal, dass diese Hoch- mie seit dem Wintersemester 2016/17 mittels fälische Landesregierung sieht das nicht vor. se Module, die ihnen leicht fallen, zu Beginn schulen vor ganz ähnlichen Herausforderungen des computerbasierten Planspiels „TOPSIM – Das bedeutet nicht, dass Hochschulen keine eines Semesters absolvieren und sich dann stehen wie wir. Hospital Management“ praxisnahe Kenntnis- Weiterbildungen anbieten dürfen. Die Univer- in der verbleibenden Zeit auf schwierigeren se für die Leitung einer Klinik aneignen. sität zu Köln erprobt zurzeit mit dem Executive Lernstoff konzentrieren. Welche Herausforderungen sind das? Master of Business Administration ein Modell Viele Hochschulen arbeiten seit geraumer mit Teilnehmerfinanzierung. Solche Angebo- Woran scheitert das zurzeit noch? Die Hochschulen sind ähnlich aufgebaut wie Zeit mit der E-Learning-Plattform ILIAS. te müssen aber immer einen unmittelbaren zum Beispiel die Universität zu Köln. Auch Was kann diese Plattform? beruflichen Nutzen für die TeilnehmerInnen Lehre zu digitalisieren, ist mit einem enormen dort gibt es große Fakultäten und zentrale haben, sonst tragen sie sich nicht. Aufwand verbunden. Zumindest, wenn wir Einrichtungen. Das führt zu vergleichbaren ILIAS wurde ja an der Universität zu Köln als Das Angebot der Hochschulen wird sich in damit Prozesse verbessern wollen. Außerdem Problemen. Aber wir konnten von dort Ideen Open Source Produkt entwickelt und wird den kommenden 20, 30 Jahren verändern. sind wir an Rahmenbedingungen gebunden, mitnehmen, wie Zentrale und Dezentrale bei mittlerweile auch an einigen anderen deut- Schon heute zeichnet sich ab, dass wir we- die digitale Lehre nicht wirklich einpreisen. der Digitalisierung gut zusammenarbeiten schen Hochschulen eingesetzt. Der Name niger Vollzeitstudierende haben werden. Wir haben zum Beispiel das Steuerungsin- können. ILIAS steht für Integriertes Lern-, Informa- Unsere Gesellschaft wird immer diverser und strument der Lehrverpflichtungsordnung. tions- und Arbeitskooperations-System. ILIAS die Studierenden werden unterschiedliche- Dort ist festgelegt, wie viele Stunden in der Was heißt das für deutsche Hochschulen? ist ein internetbasiertes Lehrmanagement- re Lebensmodelle haben, zu verschiedenen Woche ein Professor oder eine Professorin system, über das Lehrmaterialien zur Verfü- Zeiten studieren und andere Erwartungen mit Lehre zubringen muss. In der Kapazitäts- Die Universitäten, die wir besucht haben, gung gestellt oder Prüfungen abgewickelt an ihr Studium und ihre Hochschule hegen. verordnung ist die Aufnahmekapazität der hatten das Spannungsfeld zwischen der werden können. Die Plattform eignet sich Dem kann man übrigens nicht allein mit einer Hochschulen für Studiengänge außerhalb des akademischen Kreativität der Fakultäten, in für die Interaktion zwischen Lehrenden und Digitalisierung der Angebote begegnen, wir zentralen Vergabeverfahrens geregelt. Beide denen es viele individuelle Lösungen gab, Studierenden, für das Self-Assessment und müssen unsere Studiengänge stärker ausdif- orientieren sich nach wie vor an der tradi- und der Stringenz der Zentralverwaltung gut den Austausch der Studierenden unterein- ferenzieren und mehr berufsbegleitende und tionellen analogen Lehre. Sie lassen es nur gelöst. Die Aufgaben wurden klar verteilt, ander. Teilzeitstudiengänge anbieten. 24 25
DIGITALE LEHRE Wie viele Computerräume gibt es im Durchschnitt an einer Schule? Weg vom analogen Studium VON LISA JOOSTEN GRUNDSCHULE Das Portal digiLL_NRW bietet digitale Lehr- und Lernangebote hochschulübergreifend für Lehramtsstudierende, Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst und ausgebildete LehrerInnen 251 Schülerinnen und Schüler als Selbststudium an. Mit dieser Initiative reagieren die Zentren für LehrerInnenbildung in NRW auf eine von vielen Herausforderungen im Bildungsbereich, die durch die Digitali- 13 Klassenräume sierung unserer Lebenswelt entstanden sind: die digitalen Kompetenzen von Lehrkräften und Studierenden zu stärken. 3 Fachräume 1 Computerraum (1 interaktives Whiteboard, 1 Beamer, 20 Desktop-PCs, 8 Notebooks) GESAMTSCHULE 948 Schülerinnen und Schüler 38 Klassenräume 13 Fachräume 3 Computerräume (7 interaktive Whiteboards, 7 Beamer, 49 Desktop-PCs, 29 Notebooks, 5 Tablets) GYMNASIUM Mehrheit der LehrerInnen und 907 Schülerinnen und Schüler Digitale Medien sind im Berufs- und Privatleben omniprä- sent. Wir sind es gewohnt, mit dem Smartphone permanent Lehramtsstudierenden sind 33 Klassenräume auf das Internet zugreifen zu können. Im beruflichen Alltag nutzen wir digitale Medien ständig, denn Arbeits-, Produk- Digitalisierungsskeptiker 12 Fachräume tions- und Geschäftsabläufe sind in hohem Maße digitali- siert. Ein souveräner Umgang damit wird für SchülerInnen Den Forderungen aus Bund und Ländern stehen die Lehr- 3 Computerräume immer wichtiger – spätestens beim Berufseinstieg wird digitale Kompetenz vorausgesetzt. Die Kultusministerkon- kräfte derzeit noch kritisch gegenüber. Lediglich ein Drittel glaubt, dass sich die Lernqualität mithilfe digitaler Medien (7 interaktive Whiteboards, 8 Beamer, ferenz formuliert in ihrem Strategiepapier von 2016 zur verbessern lässt. Nur 15 Prozent setzen digitale Lernfor- „Bildung in der digitalen Welt“ die Anforderung an Lehr- men im Unterricht ein. Zu diesem Ergebnis kommt die 45 Desktop-PCs, 23 Notebooks, 2 Tablets) kräfte deutlich: Sie haben die Aufgabe, ihre Schülerinnen Studie „Monitor digitale Bildung“ der Bertelsmann Stiftung und Schüler auf ein selbstständiges und mündiges Leben in von 2017. Ein Ergebnis der Studie ist, dass der erfolgreiche Quelle: Cornelsen-Trendstudie 2015 „Medienausstattung und -nutzung an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland“ einer digitalen Welt vorzubereiten. Einsatz digitaler Medien im Unterricht von der Haltung des 26 27
DIGITALE LEHRE Lehrpersonals abhängt. Ihre digitalen Kompetenzen soll- ten daher bereits während des Studiums gestärkt werden. Studierende begrüßen das Auch Lehramtsstudierende nutzen laut den Ergebnissen digitale Unterrichtskonzept Diese Medien nutzen der Studie digitale Medien nicht so oft wie andere Studie- rende. Amitabh Banerji ist einer der Wissenschaftler, die eine Unterrichtseinheit über digiLL_NRW anbieten. Sein „sprach- Mediendidaktische Kompetenzen sensibler Chemieunterricht mit Tablets“ hat dem Chemie- LehrerInnen, um sich auf didaktiker bereits viel Aufmerksamkeit eingebracht. In gemeinsam fördern seinem Seminar MINTegration haben Masterstudierende mit digitalen Medien Chemieunterricht für geflüchtete den Unterricht vorzubereiten Die digitale Lehre voranzutreiben und die mediendi- Jugendliche in Vorbereitungsklassen geplant, umgesetzt daktischen Kompetenzen von Lehramtsstudierenden zu und evaluiert. Zum einen wollte man so die heterogene stärken, ist auch Ziel der Universität zu Köln. Eine Initiative Schülerschaft mit unterschiedlichen Sprachständen indi- ist das Verbundprojekt für digitales Lehren und Lernen in vidueller fördern, zum anderen sollten die Studierenden der LehrerInnenbildung „digiLL_NRW“. DigiLL_NRW wurde Konzepte zur Integration digitaler Medien in den Unterricht im Herbst 2017 von fünf Zentren für LehrerInnenbildung kennenlernen. Die Ergebnisse der Schülerbeobachtung (ZfLs) in NRW ins Leben gerufen, mit dem Ziel, vorhandene haben gezeigt, dass auch sprachschwächere SchülerInnen Ressourcen zusammenzuführen. „Die Herstellung guter digitaler Lehrmaterialien ist arbeits- und zeitintensiv, so mit den digitalen Hilfsmitteln selbstbestimmt arbeiten konnten. Die Studierenden hielten ihre Erfahrungen in 1. Präsentationsprogramme dass eine Zusammenarbeit hier besonders sinnvoll ist“, Portfolios fest. Sie selbst bauten dabei ihre kritische Hal- (PowerPoint) erklärt Dr. Alexandra Habicher, Leiterin der Arbeitsgemein- schaft Digitale Lehre am Zentrum für LehrerInnenbildung tung gegenüber digitalen Medien ab. Einige Studierende wünschen sich künftig mehr solcher Lehrveranstaltungen. 2. Office-Programme (Word, Excel) der Universität zu Köln. Die Zentren für LehrerInnenbildung Alexandra Habicher freut sich über die vielen positiven 3. Videos (YouTube) und Professional Schools of Education der Universitäten Bochum, Dortmund, Duisburg-Essen, Münster und Köln Rückmeldungen der Studierenden. Die Verantwortlichen von digiLL_NRW nutzen die Rückmeldungen aus den 4. Elektronische Texte entwickelten in einem ersten Schritt Lehr- und Lernmodule studentischen Fokusgruppen und Fachkreisen, um das (E-Books, PDF-Dokumente) zu Medienkompetenz und -didaktik sowie zu digitalen und fachdidaktischen Kompetenzen. Das Repertoire reicht Projekt weiterzuentwickeln. Im nächsten Schritt soll ein Feedback-System eingeführt werden. diggiLL_NRW will 5. Wikis gegenwärtig von einzelnen Tutorials über Unterrichtsein- sich später auch bundesweit aufstellen. heiten, die veranschaulichen, wie zum Beispiel Tablets den Chemieunterricht bereichern können. Die Bandbreite der Themen wurde bewusst offengehalten, auch Duplikaten Wo ein Wille ist, ist noch kein Weg steht man positiv gegenüber. „Wenn von unterschiedlicher Seite an der gleichen Thematik gearbeitet wird, werden PädagogInnen, die digitale Lernformen vielseitig im meist andere Schwerpunkte gesetzt. Diese wollen wir mit Unterricht einsetzen, bewerten laut Bertelsmann Stiftung entsprechendem Tagging, Stichworten für die Suchma- die Wirksamkeit des Lernens mit digitalen Medien deutlich schinenoptimierung, so aufbrechen, dass man als NutzerIn positiver als ihre weniger digital affinen Kolleginnen und Das nutzen ihre die Inhalte finden kann, die man gerade benötigt,“ sagt KollegInnen. Die Zurückhaltung vieler Lehrkräfte gegen- Habicher. über digitalen Medien hängt auch mit den technischen Rahmenbedingungen zusammen,so die Studie. So berich- Inhaltlicher Freiraum, SchülerInnen ten fast zwei Drittel von fehlendem oder mangelndem WLAN und zu wenig IT-Support. Eine bessere technische einheitliches Design Ausstattung der Schulen und mehr Bewusstsein seitens der Lehrkräfte für digitale Themen ist dringend notwen- Die fachliche Expertise kommt in der Regel von den dig, damit SchülerInnen souverän auf berufliche und ProfessorInnen. Sie legen auch fest, welches Thema in gesellschaftliche Anforderungen vorbereitet werden. welchem Umfang behandelt wird. Entsprechend werden die Lernmodule am Kölner ZfL entwickelt. Eine anwen- derfreundliche Bedienung sowie die Einsatzfähigkeit für 1. Videos (YouTube) die Praxis stehen dabei im Vordergrund. Jeder Kurs dauert maximal 45 Minuten, es gibt eine einheitliche Navigation 2. Office-Programme (Word, Open Office) und zum Abschluss ein interaktives Quiz, mit dem das Wis- 3. Digitale Prüfungen oder Tests sen überprüft wird. Eine Bewertung der Lernmodule durch die Studierenden gehört ebenfalls dazu. Alle Lernmodule 4. Kreativprogramme sind Open Educational Resources (OER), wodurch urheber- (Grafik-, Schnitt- und Audioprogramme) rechtliche Unklarheit für den Einsatz im Unterricht abge- baut wird. „In der Gründungsphase mussten wir auf die 5. Lern-Apps DozentInnen zugehen. Mittlerweile gibt es Wartezeiten, da die Nachfrage groß ist. Hinzu kommt, dass die Erstel- lung der Module sehr aufwendig ist,“ so Habicher. Quelle: Bertelsmann Stiftung, 2017: Monitor Digitale Bildung. Die Schule im digitalen Zeitalter. 28 29
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