Pöyry Post - Hanno Balzer INTERVIEW
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
PÖYRY MANAGEMENT CONSULTING Pöyry Post 03/2017 INTERVIEW Hanno Balzer BERICHTE BLOCKCHAIN EU-Winterpaket WÄRMEMARKT
PÖYRY POST 2 INHALT IMPRESSUM SHORTCUTS Meldungen aus der Energiebranche HERAUSGEBER Pöyry Management Consulting Rather Straße 110b 40476 Düsseldorf Phone +49 (211) 1752380 Fax +49 (211) 17523850 E-Mail roland.lorenz@poyry.com Besuchen Sie uns unter www.poyry.de MANAGEMENT CONSULTING BLOCKCHAIN: KETTEN-REAKTIONEN REDAKTION Veränderungspotenziale für die Energiewirtschaft Virgil Grymonprez AUTOREN Robert Schwarz, Dr. Eckart Lindwedel, Dr. Jan Wierzba, Virgil Grymonprez KONZEPT UND KREATION Filip & Grimm NACHWEISE Fotos (Shortcuts): Ehang Foto (Interview): Vattenfall Weitere: Adobe Stock Fotolia, iStock Pöyry Management Consulting ist mit 26 MANAGEMENT CONSULTING Niederlassungen und über 400 Consul- Überraschungspaket EU-Kommission zu Klimaschutz und Wirtschaftswachstum tants die weltweit führende Beratungs- gesellschaft für kapital- und ressourcen- intensive Unternehmen. Welche Ziele Sie auch verfolgen, bei uns arbeiten für Sie Experten mit Leidenschaft in den Berei- chen Energie, Forstwirtschaft, Papier und Zellstoff sowie Biovalue. Unsere umfas- sende Erfahrung, bewährten Fähigkeiten und unsere hoch qualifizierten Berater sind es, die unsere Kunden immer wieder aufs Neue überzeugen. Gemeinsam helfen wir Ihnen, sachkundigere Entscheidungen zu treffen, Potenziale zu erkennen sowie Werte zu generieren, um so langfristig den Erfolg Ihres Unternehmens zu sichern. MANAGEMENT CONSULTING http://www.poyry.de/dienstleistungen/ DAS W-WORT: WÄRME Novellierung des KWK-Gesetzes management-consulting
3 Editorial LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER, wie schnell sich der liebgewordene Konsens und gemeinhin akzeptierte Regeln ändern, ja sogar grundlegende Werte infrage gestellt werden können, wird uns in diesen Tagen besonders deutlich vor Augen geführt. Die Geschwindigkeit und Komplexität, mit der Veränderungen geschehen, nehmen rasant zu. Ihre Treiber zu identifizieren und Konsequenzen zu verstehen, wird eine immer größere Heraus- forderung. Als Beispiel sei eines unserer Hauptthemen in der aktuellen Ausgabe der Pöyry Post genannt, die Blockchain-Technologie. Seit gut vier Jahren hält sie den Finanzsektor in Atem. Spätestens seit im vergangenen Jahr Privatpersonen ohne Mittelsmann bzw. -unternehmen mithilfe der Technologie Strom handeln, hat sie die Energiewirtschaft erreicht. Blockchain hat das Potenzial, den Energiemarkt wie wir ihn bis dato kennen, grundlegend zu verändern. Doch viele grundlegende Fragen sind noch offen, sodass aktuell eine große Unsicherheit besteht, welche Chancen und Risiken fürs eigene Unternehmen bestehen. Auf Veränderungen im Sektor drängt auch der Gesetzgeber: Mit jährlichen Investi- tionen von 177 Milliarden Euro will die EU in den kommenden vier Jahren 900.000 neue Jobs im Energiesektor schaffen. Gleichzeitig sollen die Verbraucherkosten gesenkt werden. Viele Ansatzpunkte sind im „EU Winter Package“ zu finden, sodass INTERVIEW wir auf die Konsequenzen für Unternehmen der Branche in unserem Kurzbericht Hanno Balzer eingehen (S. 9). Geschäftsführer Solutions Operations Germany der Vattenfall Europe New Energy Services GmbH und Vorstand des Noch viel langfristiger, doch nicht weniger herausfordernd sind die Ziele der Industrieforums VHPready Wärmewende ausgelegt. Mit der Novellierung des KWK-Gesetzes besteht seit Anfang 2017 wieder Planungssicherheit für die Anlagenbetreiber in Deutschland. Im Interview zum Thema haben wir mit Hanno Balzer, Geschäftsführer Solutions Opera- tions Germany der Vattenfall Europe New Energy Services GmbH, gesprochen: Die Wärmeversorgung sei ihm eine Herzensangelegenheit, sagt Balzer über sich selbst. Mit ihrer Dezentralisierung, erklärt er weiter, müsse ein Faktor immer stärker in den Fokus rücken, ihre lokale Umsetzung. Dazu müssten Versorger in den Dialog mit den Akteuren vor Ort treten. Sie sehen, auch in dieses Jahr starten wir wieder mit einer vielschichtigen neuen Ausgabe der Pöyry Post. Themen, die uns in unser tagtäglichen Projektarbeit beschäftigen, von der Analyse über die Ableitung strategischer und operativer Konsequenzen bis hin zur Umsetzung in der Organisation und IT-Landschaft. Wir wünschen Ihnen eine interessante und anregende Lektüre und freuen uns auf den offenen Dialog, auch in 2017. Mit freundlichen Grüßen Roland Lorenz Vice President Head of Central and South Europe
PÖYRY POST 4 25 % Abgehoben? Ja und nein: Die staatliche Verkehrsbehörde des Emirats Dubai setzt auf ein vollkommen neues Fortbewegungsmittel für den öffentlichen Verkehr, nämlich Personen-Drohnen. Bis 2030 sollen 25 % des öffentlichen Nahverkehrs im Emirat über fahrerlose Drohnen geschehen. Den Auftakt macht die chinesische Drohne EHang 184. Diese elektrisch angetriebene Passagierdrohne hat bereits über 100 bemannte Testflüge erfolgreich absolviert und kann einzelne Personen über kurze Distanzen mit einer Geschwindigkeit von etwa100 km/h befördern. Abgehoben werden soll in Dubai bereits ab Juli 2017. 9.023 Bis zum 1. Januar 2017 sind 9.023 Anträge auf eine E-Auto-Kaufprämie gestellt worden. Das teilt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Eschborn mitteilte. Rund 5.100 Anträge für reine Elektroautos und knapp 3.900 für Plug-In-Hybride. +1,1 °C Das Jahr 2016 war das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen 1880. Es ist damit das dritte Jahr in Folge, das den globalen 8% Temperaturrekord gebrochen hat. Die weltweite Durchschnittstemperatur habe etwa 1,1 Grad über der der vorindustriellen Zeit gelegen, teilte die Weltwetterorganisation mit. Mit Home & Smart ist ein neues herstellerunabhängiges Verbraucherportal an den Start gegangen, das Verbrauchern Smart-Home-Lösungen näherbringen soll. Interessant daran: Der Stadtwerkeverbund Thüga AG hat sich mit acht Prozent eingekauft, ebenfalls Mitgesellschafter ist die Thüga-Tochter Badenova. Smart & Home solle sich als Basisportal etablieren, um Stadtwerken perspektivisch ein White-Label-Angebot zu unterbreiten, das diese in ihren Webauftritt integrieren und zur Kundenbindung verwenden können, so Thüga Vorstand Dr. Gerhard Holtmeier.
5 83 % Greenpeace hat den US- Technologieriesen Apple, Facebook und Google gute Noten beim Einsatz erneuerbarer Energien bescheinigt. Mit 83 % genutztem Strom aus regenerativen Quellen belege Apple dabei das dritte Jahr in Folge den Spitzenplatz in der Rangliste, teilte die Umweltschutz-Organisation jetzt mit. 600 km Auf der NAIAS, der North American International Auto Show, hat der südkoreanische Technologiekonzern Samsung eine neue Schnellladebatterie für Elektroautos präsentiert. Der Akku soll Fahrzeugen eine Reichweite von bis zu 600 km ermöglichen und innerhalb von 20 Minuten zu 80 % aufgeladen sein. 576 MW Sandbank steht komplett: Wie Vattenfall jetzt mitteilt, sind alle 72 Windanlagen vor Sylt installiert. Bereits seit Juli 2016 speisen 65 der Anlagen Windstrom in das deutsche Stromnetz ein. Der Offshore-Windpark Sandbank ist ein Gemeinschaftsprojekt mit den Stadtwerken München (SWM) und wird mit einer installierten Leistung von 576 MW rechnerisch den Strombedarf von 400.000 deutschen Haushalten decken.
PÖYRY POST 6 Ketten– Reaktionen T Die Blockchain-Technologie hat das Potenzial, die Geschäftswelt, wie wir sie jetzt kennen, grundlegend zu verändern. Ganze Wertschöpfungs- ketten können von ihr umgekrempelt oder gar gekürzt werden, auch in der Energiewirtschaft. Wie Versorger auf das Phänomen reagieren und t wie sie sich vorbereiten können, analysieren die Berater von Pöyry. Berlin. Zumindest soviel vorweg: Allein die Bestandteilen eines jeden Blocks, die zu einer Geschichte der Blockchain-Technologie hat Kette zusammengefasst – der Blockchain das Potenzial zu einem oscarreifen Drehbuch. – die direkte und unmittelbare Peer-To-Peer- Wer dieser Storyline folgen möchte, dem Transaktion ermöglichen. Disruptives Poten- E seien die Suchbegriffe Satoshi Nakamoto und zial besitzt die Blockchain unter anderem Bitcoin ans Herz gelegt. Uns interessiert an also deshalb, weil sie in letzter Konsequenz dieser Stelle aber das disruptive Potenzial der jegliche Mittelsmänner bzw. -organisationen, Blockchain für die Energiewirtschaft – die sprich Intermediäre (z. B. Banken, Kreditin- Veränderungskraft dieser Technologie, über stitute, Energieversorger, Börsen, Distribu- die seit zwei Jahren mit schwelender Unruhe toren, Verlage, Plattenfirmen etc.) überflüssig und, je nach Standpunkt, mit wachsender machen könnte. N Hysterie oder Euphorie diskutiert wird. Dabei meinen die Gesprächspartner offensichtlich Warum und wie ist das möglich? ganz unterschiedliche Dinge, wenn sie über Von der Idee her basiert die Technologie auf d i e „Blockchain-Technologie“ sprechen. einem alternativen Ordnungsprinzip: Wenn Und das führt gerade beim Einstieg zu die eigene und die Identität anderer Entitäten Verwirrung. Versuchen wir also zunächst das (Personen, Objekte) nicht mehr infrage ges- Unmögliche: die Blockchain kurz gefasst! tellt werden und das Handeln untereinander nur innerhalb vorab reglementierter Rahmen- Zerschlag den gordischen Knoten bedingungen stattfinden kann, entstehen Si- Einige verstehen unter der „Blockchain- cherheit und Vertrauen. Mit anderen Worten: Technologie“ die Bitcoin Blockchain (Satoshi Nakamoto), andere die Ethereum Blockchain Transaktionen jeglicher Art brauchen nicht (Vitalik Buterin), wiederum andere virtuelle mehr zentral über Intermediäre organisiert Währungen oder gar smart contracts (Nick und abgesichert zu werden, sondern gesche- Szabo). Meistens geht es jedoch um die hen, da Integrität und Sicherheit über die sogenannten distributed ledgers, wörtlich Blockchain garantiert sind, Peer-To-Peer. übersetzt: die verteilten Register, die – dezentral gespeichert – Transaktionen von Was sich so einfach schreibt wie liest, hat Nutzer zu Nutzer (Peer-To-Peer) im digitalen das Potenzial, die Geschäftswelt, wie wir sie Zahlungs- und Geschäftsverkehr unveränder- bisher kennen, grundlegend zu verändern, bar aufzeichnen und, was viel entscheidender ökonomisch wie auch gesellschaftlich. Soweit ist, legitimieren und exekutieren – und das in zur Idee, die zugegeben revolutionär klingt. Echtzeit. Das ledger ist einer von mehreren
7 Blockchain – passiert da was? Kooperationen auszuloten. Ähnlich wie es die Konkretes über die Effizienz und vor allem die Für die Energiewirtschaft gewinnt die Block- über 70 Banken und Kreditinstitute mit ihrem Aussicht auf nachhaltige Geschäftsmodelle chain-Technologie Anfang 2016 mit einem Zusammenschluss R3 vormachten, könnten mit Blockchain. „So könnten Energieversorger Experiment im New Yorker Stadtteil Brooklyn auch Energieversorger über solche Commu- sich beispielsweise hin zu Applikations- an Relevanz (Brooklyn Microgrid, BMG), nity Chains, eine Art Konsortium, versuchen, oder Systemanbietern entwickeln – Enabler als Besitzer von PV-Anlagen ihren Strom in sich gemeinsam die Technologie zu eigenen eines dezentralen Versorgungssystems sein, der Nachbarschaft mithilfe der Ethereum zu machen und im Rennen zu bleiben. Dazu um über Lizenz- und Nutzungsgebühren Blockchain verkaufen, ohne Versorger. Eine noch ein Schulterblick in die Finanzbranche: Umsatzrückgänge im Energiegeschäft zu Reaktion auf dieses Ereignis: Kaum ein Die Deutsche Bank, die schweizerische UBS, kompensieren“, erklärt Robert Schwarz. halbes Jahr später verkündet Siemens seine die spanische Santander und das amerikanis- Geschäftsmodelle werden jedoch nicht auf Zusammenarbeit mit dem dort ansässigen che Geldhaus Bank of New York Mellon (BNY) klassische Weise ableitbar. Dr. Michael Merz, und verantwortlichen Start-up Lo3 Energy zur gehen sogar so weit, dass sie auf Basis der Geschäftsführer von Ponton, fasst diese Erforschung von Blockchain-Microgrids. Blockchain eigens eine neue digitale Währung reverse Entwicklung wie folgt zusammen: etablieren wollen, mit der unter anderem Wert- „Es ist noch viel zu früh, von einem Siegeszug papierkäufe und -verkäufe abgewickelt werden „Die Entwicklung Blockchain basierter zu sprechen, Blockchain muss sich noch sollen. Leidensdruck? Überlebenskampf? Anwendungen ist – neben der Technolo- weiterentwickeln. Aber die Technologie Eher eine schlicht notwendige Entwicklung! gie – auch hinsichtlich der Vorgehensweise besitzt das Potenzial, die Energiewirtschaft ungewöhnlich: Während sich eine Software- radikal zu verändern. Sie bietet die Chance Block für Block Implementierung „klassisch“ aus der auf neue oder effizientere Geschäftsmodelle, Dem momentanen Hype, der um die Techno- Anforderungsdefinition abgeleitet und die aber natürlich auch Risiken, etwa durch den logie gemacht wird, kann Blockchain jedoch erforderliche Zusammensetzung der Tools Markteintritt ganz neuer Unternehmen“, sagt kaum standhalten. entsprechend ergibt, lässt sich die Block- Robert Schwarz, Principal von Pöyry Manage- chain-Technologie nur schwer „bändigen“, ment Consulting. „Mit Co-Tricity, Consensys, „Blockchain ist kein Allheilmittel, sondern um beliebigen Anforderungen gerecht zu GridSingularity, OneUp, Ponton oder Slock.it, um sollte stattdessen mehr als eine von vielen werden. Vielmehr ist es sinnvoller, Geschäfts- nur einige zu nennen, zeigen sich viele neue Technologien angesehen werden, welche die modelle passend zur Blockchain zu finden, da Spieler am Markt, die z. T. vollkommen neue Grundlage für die nächste Generation einer nur auf diese Weise das Potenzial der Tech- Wertschöpfungsbereiche erschließen.“ Dienstleistungsinfrastruktur in der Ener- nologie wirklich ausgereizt werden kann. Dies giewirtschaft bilden kann“, erfordert jedoch Kenntnisse und Kreativität Schwarz verfolgt und analysiert mit einer auf allen Ebenen – bei der Findung des Ge- Gruppe von Pöyry-Beratern die Chancen erklärt Robert Schwarz. „Es sind heute be- schäftsmodells wie auch bei der Auswahl der und Risiken der jungen Technologie für reits viele digitale Dienstleistungen auch ohne richtigen Blockchain-Technologie. Entspre- die Branche – eine Art Technologie-Trend- Blockchains möglich.“ Aktuell würden jedoch chend kann sich der Wechsel dieser Ebenen Scouting von Pöyry Management Consult- „um die Technologie herum“ viele Ideen leicht zu einer wilden Achterbahnfahrt beim ing. „Im Markt arbeiten eine Vielzahl von entwickelt. „Eine klare Richtung, wo und mit Gesamtdesign einer Anwendung entwickeln.“ Start-ups und etablierte Versorger, wie etwa welchem wirtschaftlichen Nutzen Blockchain Innogy , Fortum und Vattenfall, fieberhaft basierte Anwendungen eingesetzt werden Es spricht vieles dafür, dass die Blockchain an der Erprobung von Blockchain“, sagt können, ist aber noch bei Weitem nicht er insbesondere in der Energiewirtschaft Fuß Robert Schwarz. Mögliche Plattformen sowie kennbar. Umgekehrt würden durch Forschung fassen wird – so würde eine dezentrale Ener- verteilte Datenbanksysteme (Ethereum, und Praxis die bestehenden Limitationen giewelt gerade über diese dezentralisierte Hyperledger, BigChain, Tendermint, u.v.a.) der Technologie deutlich, etwa hinsichtlich Technologie gut abzubilden sein, Blockchain rängen um Akzeptanz und Renommee, denn der begrenzten Anzahl an Transaktionen könne die unterschiedlichen Geschäfts- beides zähle, so Schwarz weiter, neben der pro Zeiteinheit, langer Rückantwort-Zeiten prozesse der Energiewelt darstellen und Programmierung der„Killer-App“ als Schlüs- zwischen den im Netzwerk verbundenen ausführen und wäre ein ideales Instrument sel zum Erfolg. „Peers“ oder dem stetig wachsenden Daten- für IoT Devices (Entitäten), um deren Trans- volumen – aktuell schlagen da 100 Gbyte aktionen zu managen. Ebenso ist Blockchain EventHorizon brachte im Februar in Wien als für eine vollständige Kopie der kompletten als vertrauensbildendes Element geeignet, erste internationale Konferenz zum Thema BitCoin Blockchain zu Buche. Bewegungsprotokolle für Energie zu liefern „Blockchain-Technologie im Energiesektor“ und Herkunftsnachweise zu automatisieren. weltweit Experten, Entscheidungsträger aus Im Dialog mit den Pionieren Ewald Hesse, CEO von GridSingularity, sieht der IT- und Energiewirtschaft sowie führende Auch der Diskurs mit Programmierern und aber eine noch fundamentalere Entwicklung Start-ups zusammen, auch um Chancen für Start-ups bringt mehr vage Aussagen, denn vorher:
PÖYRY POST 8 „TCP/IP hat mit dem Internet neue Frei- gibt es eine Empfehlung des Europäischen heitsgrade für disruptive Geschäftsmodelle Parlamentes an die EU-Kommission über geschaffen und zu einer Informationsrevolu- neue zivilrechtliche Regelungen für Robo- tion geführt. Blockchain mit ähnlichem fun- ter. Zudem könnte die Rolle des Prosumers damentalem Charakter zeigt viele Parallelen gestärkt werden. in der Entwicklung zu TCP/IP und gibt das Versprechen zu einer Revolution. Dennoch Ready. Steady. … ist das Thema Blockchain aktuell ,overhyped’, Robert Schwarz empfiehlt Energieversorgern, und wie bei jeder Technologie wird der sich in der aktuellen Situation aktiv mit Erwartungs-Hype kurzfristig wieder „ab- Blockchain zu beschäftigen. In Panik zu stürzen“. Das wird allerdings nicht das Ende verfallen, dazu bestehe kein Grund. „Die der Blockchain sein. Aktuell entwickeln wir Technologie ist für die Energiewirtschaft die nächste Generation der Blockchain für die noch recht jung“, so Schwarz. Aber sowohl Energiewirtschaft, welche die Privatsphäre die Chancen wie die Risiken sind erkennbar. schützt, die schnell genug ist und die die Sie sollten auf Basis der eigenen Position und üblichen Schnittstellen z. B. zu Kraftwerks Strategie untersucht werden, um strategische leitsystemen besitzt. Die „Kerntechnologie“ Handlungsoptionen abzuleiten. oder Plattform, auf der verschiedene Anwen- dungen angeboten werden können, wird frei „Wir sind bereit, erste Piloten mit unseren verfügbar sein und einer breiten Community Kunden zu entwickeln sowie Koopera- ermöglichen, Akzeptanz und Veränderung im tionen einzugehen und auch zu vermit- Energiemarkt zu erzielen. Die Technologie teln“, wird von einer gemeinnützigen Stiftung ver- sagt Robert Schwarz. Gerade für die waltet, der Energy Web Foundation, die vom Vielzahl der Unternehmen sei aber die ebenfalls gemeinnützigen Rocky-Mountain- Fast-Follower-Strategie zum jetzigen Institut geführt wird.“ Zeitpunkt die geeignetste Strategie. Und wie hoch ist der Beratungs- Schöne neue Block-Welt bedarf in der Branche aktuell? „Die Der Blick nach vorne verheißt eine voll Nachfrage ist hoch. Auf Grund automatisierte Zukunft. Mit den dezentral unseres dezidierten Technologie- autonomen Organisationen kurz DAO in und Branchenverständnisses Verbindung mit Artificial Intelligence (AI) wird sind wir derzeit ein gefragter jegliche Transaktion zwischen Maschinen Berater, da wir die wichtige vollziehbar, einschließlich der Rollen Asset strategische Frage nach dem Management und Eigentum. Die Optimierung Was, Wann, Wo, Wie, Wer der Transaktionslayer für dezentrale Systeme adäquat adressieren.“ und deren angeschlossene Infrastrukturen stehen bei dieser Entwicklung im Vorder grund der Bemühungen der Entwickler – „AI`s Ansprechpartner become AI DAO`s, everywhere, AI`s now own stuff, you can’t turn them off and you’ve just Pöyry Management Consulting given them control of all your resources“, Phone +49 (211) 17 52 38 0 prophezeite Trent McConaghy, Gründer und Robert Schwarz CTO von BigchainDB im letzten Jahr. E-Mail: robert.schwarz@poyry.com Jedoch sind regulatorische Hürden zu überwinden. Anforderungen im regulierten Energiemarkt stellen aktuell Hemmnisse für Blockchain basierte Geschäftsmodelle, sodass sich das Nutzenversprechen der Technologie heute nicht voll entfalten kann. Dennoch stehen Themen der Digitalisierung und Robotik auf der Agenda der EU – hier er- warten Rechtsexperten bereits in diesem Jahr erste richtungsweisende Entscheidungen, so
9 Überraschungspaket Auf rund 1.000 Seiten stellt die EU-Kommission in ihrem Winterpaket vor, wie sie zukünftig das Klima schützen und die Wirtschaft ankurbeln will. Jährlich sollen dafür 177 Milliarden Euro bis 2021 investiert, 900.000 neue Jobs geschaffen und die Verbraucherkosten für Energie gesenkt werden. Für Unternehmen ergeben sich daraus sowohl Chancen als auch Risiken. Ein Überblick von Dr. Eckart Lindwedel. Brüssel/Düsseldorf. Rechtzeitig zum Winter installiert als fossile. „Die EU ist gut positio- erzeugter Energie hat die Europäische Kommission bereits niert, die europäische Politik in den Berei- • Betrieb von Gas- und Stromspeichern / Ende November 2016 ihr EU-Winterpaket chen Forschung, Entwicklung und Innovation Batterien durch VNB nur in Ausnahmefällen vorgestellt. Ziel des rund 1.000 Seiten so zu nutzen, dass der Übergang in konkrete • Betrieb der Ladeinfrastruktur für starken Konvoluts ist es, die Wettbewerbs- wirtschaftliche Chancen umgewandelt wird“, Elektrofahrzeuge durch VNB nur unter fähigkeit der Europäischen Union angesichts sagt Dr. Eckart Lindwedel, Senior Principal bestimmten Voraussetzungen des Übergangs zu einer klimafreundlichen bei Pöyry Management Consulting. Durch die • Diskriminierungsfreier Zugang zu Energieversorgung und den daraus resultier- Mobilisierung von bis zu 177 Mrd. EUR an Fernwärmenetzen enden Veränderungen zu erhalten sowie die öffentlichen und privaten Investitionen pro Schaffung eines einheitlichen Energiemarkt- Jahr bis 2022, hebt Lindwedel hervor, könne Chancen und Risiken ergeben sich aber auch designs in der EU voranzutreiben. durch das Paket ein BIP-Anstieg von bis zu durch direkte Auswirkungen und Veränderun- Die Kommission strebt an, dass die EU bei einem Prozent jährlich erreicht werden. Ziel gen im regulierten Geschäftsfeld: der Transformation zu einem nachhaltigen der EU ist es, dadurch mehr als 900.000 Energiesystem eine Vorreiterrolle über- neue Arbeitsplätze zu schaffen. • Definition und Entwicklung der Produkte nimmt und die europaweite Energiewende und eines Marktes für Systemdienst- als Chance nutzt, anstatt nur mit notwen- Durch die Versorgerbrille leistungen bzw. sogenannter digen Anpassungen zu reagieren. Aus diesem Für Branchenplayer ergeben sich bei Ausrich- netzdienlicher Leistungen Grund hatte sich die EU bereits zwei Jahre tung ihres Geschäftsmodells an den EU- • Klare Definition der VNB-ÜNB- zuvor dazu verpflichtet, die CO2-Emissionen Zielen und deren Verinnerlichung individuelle Zusammenarbeit durch straffe Prozesse, bis 2030 um mindestens 40 % (gegenüber Chancen. Die EU-Ziele sind: klare Strukturen und den Einsatz neuester 1990) bei gleichzeitiger Modernisierung Technologien für den Informations- und der EU-Wirtschaft und der Förderung von • Energieeffizienz als oberste Priorität Datenaustausch für den Systembetrieb und Beschäftigung und Wachstum für alle europä- • Weltweite Führung bei erneuerbaren auch für die Planung der Netze ischen Bürgerinnen und Bürger - zu redu- Energien für Europa • Verpflichtende Netzplanung: Erstellung zieren. Darüber hinaus soll die Energieeffi- • Faire Angebote für den Verbraucher abgestimmter, transparenter, verbindlicher zienz um mindestens 27 % und der EE-Anteil und regelmäßiger Verteilnetzpläne am Energieverbrauch ebenfalls auf min- Pöyry hat für europäische Energieunter- • Netztarife, die transparent und destens 27 % erhöht werden. nehmen ein dreistufiges Beratungsprodukt diskrimierungsfrei sind, zwischen ÜNB entwickelt, das hilft, diese drei wichtigsten und VNB konvergieren, die tatsächlichen Über die Gesetzesvorschläge zum Thema Ziele des Winterpakets zu erreichen. Kosten widerspiegeln, Effizienzpotenziale „Saubere Energie für alle Europäer“ (Energie- Es besteht aus: und F&E Aktivitäten fördern effizienz, erneuerbare Energien, Gestaltung • Diagnose und Priorisierung des Strommarktes, Sicherheit der Stromver- • Kommerzielle und technische Auch wenn die von der EU vorgeschlagenen sorgung und Steuerung der Energieunion) Modellierung Maßnahmen derzeit noch keine Gesetzeskraft hinaus schlägt die Kommission neue Möglich- • Maßnahmenidentifikation und haben, gibt das EU-Winterpaket doch eine keiten für das Ökodesign und eine Strategie Umsetzungsplanung wichtige Orientierung, wie künftige europäi- für vernetzte und automatisierte Mobilität vor. sche sowie nationale Gesetze, Verordnungen Das Paket umfasst auch Maßnahmen zur Chancen und Risiken für und Richtlinien gestaltet sein werden, um die Beschleunigung von Innovationen im Bereich Netzbetreiber energiepolitischen Ziele zu erreichen. der klimafreundlichen Energie sowie zur Ge- Insbesondere die Übertragungs(ÜNB)- und Als Berater der Energieunternehmen sowie bäuderenovierung. Außerdem soll es öffentli- Verteilnetzbetreiber(VNB), die gewisser- von Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern che und private Investitionen anregen und die maßen das Rückgrat der Energiewende in ganz Europa unterstützen wir unsere Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in der EU bilden, werden sich aufgrund der im EU- Kunden bei der Identifikation und Ableitung fördern. Ferner wird erforscht, wie die EU ihre Winterpaket vorgesehenen Maßnahmen einer von geeigneten Maßnahmen, damit diese in Führungsrolle bei umweltschonenden Ener- Vielzahl an Herausforderungen gegenüber- der Lage sind, sich abzeichnende Entwick- gietechnologien und -dienstleistungen weiter sehen. Diese liegen vor allem in neuen lungen rechtzeitig zu antizipieren und ihre ausbauen kann, um Drittländern zu helfen, Anforderungen an den Verteilnetzbetreiber anspruchsvollen Ziele auch tatsächlich zu ihre energiepolitischen Ziele zu erreichen. durch folgende Veränderungen des nicht- erreichen. regulierten Energiemarktes: Diese Vorschläge der Kommission zeigen, dass der Übergang zu klimafreundlicher • Stärkere Rolle der Aggregatoren und Energie der Wachstumssektor der Zukunft Teilnahme aller Stromkunden am Ansprechpartner ist – der Sektor der „Smarten Investitionen“. Energiemarkt Pöyry Management Consulting Die sauberen Energien zogen im Jahr 2015 • Vereinfachung des Anschlusses von globale Investitionen von mehr als 300 Mrd. Phone +49 (211) 17 52 38 74 dezentralen Energieerzeugungsein- EUR an. Erstmals in der Geschichte wurden richtungen und gestärkte Rolle der Dr. Eckart Lindwedel 2016 weltweit mehr erneuerbare Kapazitäten Eigenverbraucher von dezentral E-Mail: eckart.lindwedel@poyry.com
PÖYRY POST 10 Das W-Wort: Wärme Dem Wärmesektor fällt bei der Realisierung der Energie- wendeziele eine hohe Bedeutung zu. Mit der jetzt in Kraft tretenden Novellierung des KWK-Gesetzes sind endlich die Förderbedingungen wieder vorhersehbar geworden. Doch so hoch die CO2-Einspar-Potenziale auch sind, die Wärmewende umzusetzen, bleibt schwierig. Insbesondere Energieversorger müssen sich überdies einem wachsenden Wettbewerb sowie den Auswirkungen der Megatrends Digitalisierung und Urbanisierung auf ihr Geschäftsmodell stellen.
11 Berlin. Im Dauerfeuer der Diskussionen um die Stromwende, sei es die Förderung der Erneuerbaren, die Abkehr von den Konventionellen oder dem Netzausbau, ist das Ringen um die Umsetzung der Wärmewende kontinuierlich unterhalb des Radars der öffentlichen Debatten geblieben. Dabei bleibt ein Kurswechsel in der Wärmever- sorgung für die Umsetzung der Klimaziele der Bundesrepublik eine conditio sine qua non, die mit dem immer lauter geforderten Energiewende-Mantra der Sek- torenkopplung zunehmend ins öffentliche Interesse rückt. Mit den Forderungen nach ihrer Umsetzung steigt auch der öffentliche Druck auf die EVU, die auf ihrer Hatz in der Transformation, getrieben durch Digitalisierung, Dezentralisierung und Klimaschutz, noch höheres Tempo gehen müssen. Zumindest verspricht das jetzt verabschiedete KWK-Änderungsgesetz (KWKG) etwas bessere Aussichten. Aus neu mach neuer Was lange währt ist seit dem 1. Januar 2017 rechtskräftig geworden, das neue KWKG ist in Kraft getreten. „Die ,Hängepartie’, die im Rahmen der europarechtlichen Prüfung entstand, belastete alle Beteiligten, vor allem aber die Anlagenbetreiber. Das Gesetz ist nun seit dem 1. Januar 2017 in europarechtskonformer Fassung in Kraft und die Förderbedingungen nunmehr vorhersehbar“, sagt Hanno Balzer, Geschäftsführer Solutions Operations Germany der Vattenfall Europe New Energy Services GmbH, im Pöyry-Post-Interview. Damit besteht für Investitionen in Kraft-Wärme- Kopplungsanlagen endlich wieder Planungssicherheit. Zukünftig werden nur noch Betreiber von gasgefeuerten KWK-Anlagen nach dem neuen KWKG für den ins öffentliche Netz eingespeisten Strom fest entlohnt. Neu ist, dass mit Ausnahmen für sehr kleine Anlagen sowie für stromkosten- intensive Unternehmen kein eigenverbrauchter Strom mehr bezuschusst wird. Die bisher mögliche „Doppelförderung“ aus KWK-Förderung und Einsparungen bei der EEG-Umlage wird so weitgehend abge- schafft. Die Fördersätze wurden in Anbetracht der geringen Strommarktpreise gegenüber dem KWKG2012 deutlich erhöht, und für Anlagen bis zu 50 kW (elektr.) wird der Zuschlag nun für 60.000 Vollbenutzungsstunden gezahlt, für höhere Leistungen gelten weiterhin 30.000 Stunden. Größere Anwendungsfälle in der Industrie- und Objektversorgung sind so weniger at- traktiv, für kleine Anwendungen sowie die großtechnische öffentliche Strom- und Wärmeversorgung verbessert sich die Wirtschaftlichkeit. Einen erhöhten Fördersatz erhalten Betreiber, die bestehende Kohle-KWK-Anlagen durch gasbe- feuerte Anlagen ersetzen. Neben diesem Anreiz zum „KWK- Kohleausstieg“ wird auch ein Anreiz zur flexiblen Einsatz- weise gesetzt – es erfolgt keine Förderung in Stunden, in denen die Strompreise negativ bzw. gleich null sind. § 24 (EEG)?! Da war doch was! Die gute Nachricht vorweg: Unverändert bleiben die bereits im KWKG2016 festgeschriebenen Förderungen für Anlagen mit einer installierten Kapazität von mehr als 50 MW. Für alle Übrigen steigt der Wettbewerbs- druck. Ähnlich wie in der EEG-Novelle vergangenes Jahr wird für Betreiber neuer wie auch modernisier- ter KWK-Anlagen mit Leistungen zwischen 1 und 50 MW nach 2017 ein Ausschreibungsverfahren, in dem sich mehrere Anbieter bewerben, zur Voraus- setzung für die Förderung. Wie die Ausschreibun- gen konkret ablaufen, soll eine Verordnung
PÖYRY POST 12 noch in diesem Jahr klären. Definiert sind fundierten energiewirtschaftlichen Analyse tionen Bedürfnisse zu wecken. Andererseits allerdings schon die Fördervolumina: Diese treffen, die Erlösströme spezifisch beurteilt “, wird die Plattform Energieversorgern und liegen für 2017 bei einer Bruttoleistung von so Dr. Wierzba. „Zwar ist Wärme nach wie vor Stadtwerken als White-Lable-Lösung zur Im- 100 MW (elektr.) und für die Jahre 2018 bis ein langfristiges Geschäft, dennoch sind Ver- plementierung auf deren Internetseite ange- 2021 bei jeweils 200 MW (elektr.) und gelten sorger gut damit beraten, sich rechtzeitig mit boten, damit diese im Digitalisierungsrennen nur für KWK-Anlagen, die auch ins öffentliche drängenden Themen auseinanderzusetzen, nicht auf der Strecke bleiben – übrigens auch Stromnetz einspeisen. Wärmeversorger, die da der Markt gerade in den Ballungsgebieten ein Geschäftsmodell, das aus einem Start-up in unterschiedlichsten Umfeldern wirtschaf- immer komplexer wird.“ hervorgegangen ist. ten, konkurrieren nun um die Förderbeträge. Für die meisten dürfte es bei erfolgloser Start-Ziel-Sieg Bottom-up-Strategie im Quartier Auktionsteilnahme keine Option sein, nicht zu Der Trend des immer stärkeren Zuzugs in die investieren, schließlich wollen die Kunden mit „Die Energiewende wird nur mit der Stadt hat sich seit Jahren zum Megatrend Wärme versorgt werden. Wärmewende erfolgreich sein. Und die findet Urbanisierung entwickelt – mit Folgen für die lokal statt“, Energiewirtschaft. Die urbane Transformation Mit dem steigenden Risiko bei den Inves- – mit neuem Wohnungsbau und dem Zubau titionen steigt der Bedarf an individuellen sagt Hanno Balzer und benennt damit von Gewerbeflächen – führt zu einer Verdi- und kosteneffizienten Lösungen. „Hier sind einen weiteren Eckstein zur Vollendung des chtung der Innenstädte, welche wiederum ein profundes Marktverständnis sowie die Energiewende-Puzzles. Denn der Erfolg der neue Wärmesenken begünstigt. Sehr viel Analyse von Investment und bestehender Wärmewende ist abhängig von der aktiven Wert lege etwa Vattenfall daher darauf, so Portfoliostruktur unabdingbare Vorausset- Beteiligung großer Teile der Bevölkerung, den Hanno Balzer, Wärmelösungen gemeinsam zungen“, Besitzern von Ein- und Zweifamilienhäusern, mit den lokalen Akteuren im Quartier, der und die erreicht man nur direkt. Sie zu adres- Wirtschaft und der Wissenschaft zu finden. sagt Dr. Jan Wierzba, Senior Principal von sieren und sie sowohl für Lösungen vor Ort im „Unser aller Blick durch viele Brillen macht Pöyry Management Consulting. „Auf Basis Dialog zu gewinnen als auch für Energieef- den Kiez der Zu-kunft aus, einen Raum mit von detaillierten Wärmemarktmodellen einzel- fizienz, Smart-Home-Anwendungen sowie städtebaulichem, sozialem und ökologischem ner Städte oder Regionen, die wir mit unseren Steuerungstechniken zu begeistern, gehört zu Bezugssystem“, sagt Balzer. Kunden gemeinsam bestimmen, können wir den neuen Aufgaben moderner Versorger. Bedarfe definieren, unsere Kunden zu ihrem Viele Start-ups haben in diesem Bereich Doch auch die Urbanisierung ist keine Portfolio bis hin zu einzelnen Assets beraten, bereits Geschäftsmodelle am Markt etabliert einseitige Entwicklung, denn in Regionen in um Risiken zu identifizieren und diese zu und auch disruptive Player, wie Nest und der Städte wachsen, schrumpfen andernorts minimieren.“ Tado, drängen auf den Markt. Aber auch ganze Landstriche. Diese Heterogenität stellt etablierte Player gehen diesbezüglich neue die EVUs vor neue Herausforderungen und KWKG goes EEG Wege. Innogy etwa vertreibt Smart-Home- verlangt nach sehr individuellen Lösungen. Ebenfalls analog zum EEG ist im KWKG eine Produkte mittlerweile auch im Mediamarkt Wichtig sei es, sehr genau zu verstehen, Clearingstelle vorgesehen, die zusammen oder berät die bereits vorhandenen Prosumer wie sich Wärmebedarfe in den mittleren mit der Bundesnetzagentur das Bundesamt über das im hauseigenen Innovation Hub und großen Städten in den nächsten 10–20 für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), gezogene Start-up shine. „Versorger sollten Jahren entwickeln, so Dr. Jan Wierzba. „Wir als bislang einzig zuständige Behörde, im in diesem Sinne ganzheitlich an ihre Kunden unterstützen Versorger dabei, zu antizipieren, Bereich der KWKG-Umlage sowie bei den herantreten und ihnen individuelle Komplett- welche Technologien für welche Kunden- Ausschreibungen entlasten soll. Die Clear- lösungen anbieten können“, sagt Dr. Jan gruppe in diesem Zeitraum relevant sind ingstelle wird insbesondere für Fragen bei Wierzba. und mit welchen politisch-regulatorischen der Anschluss- und Abnahmepflicht, bei Anforderungen seitens der EU und der Direktvermarktung, der Messung von Einen anderen, aber nicht weniger innova- des Bundes zu rechnen ist.“ KWK-Strom und Nutzwärme sowie bei tiven Weg geht die Thüga, die sich mit acht Fragestellungen rund um die Mitteilungs- und Prozent an dem Portal homeandsmart.de Vorlagenpflichten zuständig sein. beteiligt hat, mit der Option, das Portal ganz zu übernehmen. Einerseits bewirbt, testet Eine weitere Förderkappung erinnert an den und vertreibt homeandsmart Smart-Home- Wegfall des Repowering-Bonus der EEG- Produkte mit dem offensichtli- Novelle: So werden Modernisierungen von chen Hintergrund, bei der KWK-Anlagen im Leistungsbereich von 1 Zielgruppe über die bis 50 MW nur dann gefördert, wenn die Produktinfor- Modernisierung mindestens 50 Prozent der ma- Kosten einer entsprechenden Neuanschaf- fung betragen. „Versorger sollten ihre Investitionsbewertung unbedingt auf Basis einer individuell angefertigten,
13 Unter dem Radar war gestern avancieren lassen. Realisiert werden soll das Ganz im Sinne des Energiewendeplans Projekt von der Projektgesellschaft Fern- Services von Pöyry Management Consulting sowie der hohen CO2-Einsparpotenziale und wärmeschiene Rhein-Ruhr bestehend aus • Gemeinsame Erstellung detaillierter geringen CO2-Vermeidungskosten wachsen der Steag Fernwärme (56,6 %), der Fern- Wärmemarktmodelle Ihrer Stadt bzw. der KWK- und der Wärmemarkt: In einem wärmeversorgung Niederrhein (25,1 %) und Region Interview mit Energie & Management gaben der Energieversorgung Oberhausen (18,3 %). • Ermittlung und Analyse der Wärmebedarfe jetzt die Vorstände der Stadtwerke Düsseldorf Für alle Fernwärmeversorger gilt, dass sie die in Ihrer Zielregion und Stadtwerke Köln, Dr. Udo Brockmeier Dekarbonisierung und Effizienzsteigerung • Entwicklung von Szenarien für und Dr. Dieter Steinkamp, bekannt, dass sie ihrer Versorgungsstrukturen im Blick be- Technologien, Politik und Märkte im konkretes Interesse am Bau einer Fernwärme- halten müssen, da die Maßnahmen von heute Dialog mit Ihnen schiene zwischen den beiden Rheinmetro- bis über 2050 hinaus Einfluss haben können. • Einsatz quantitativer Modelle zur polen haben. „Dies sei gelebter Klimaschutz Während einige Versorger noch von Dampf- Bewertung Ihrer Assets und Investitionen und praktizierte Sektorkopplung“, so auf Heißwassernetze umstellen, wird schon • Unterstützung bei der Entwicklung von Dr. Dieter Steinkamp. Die Trasse solle rechts- an LowEx-Fernwärmenetzen gearbeitet, Produkten und Analyse von rheinisch verlaufen, mehrere Kommunen welche auch im Zusammenspiel mit Wärme- Kundenbedürfnissen mitversorgen können und vor allem von pumpen, Solarwärme und Saisonwärme- der Abwärme der flankierenden Bayer- und speichern funktionieren und einen effektiven Ansprechpartner Henkel-Werke profitieren. Mit dem Bau, Beitrag zur Wärmewende liefern können. Pöyry Management Consulting so beide Vorstände, könnte frühestens in Phone +49 (211) 17 52 38 0 5 Jahren begonnen werden. Dr. Jan Wierzba Bis 2020 soll in Nordrhein-Westfalen der E-Mail: jan.wierzba@poyry.com Anteil des Stroms, der mit KWK-Anlagen er- zeugt wird, auf mindestens 25 Prozent erhöht werden. Vorreiter für den Fernwärmenetz- ausbau ist allerdings nicht das Rheinland, sondern das Ruhrgebiet. Mit der jetzt durch die EU bewilligte Förderung von 152 Mio. Euro kann mit der Realisierung der Fernwär- meschiene Rhein-Ruhr begonnen werden. Sie soll zum größten Fernwärmeverbundnetz Europas führen und das Ruhrgebiet als drittgrößten Ballungsraum des Kontinents zu einem der führenden Kli- maräume
PÖYRY POST 14 Interview Hanno Balzer, Geschäftsführer Solutions Operations Germany der Vattenfall Europe New Energy Services GmbH und Vorstand des Industrieforums VHPready Dicke Bretter bohren Über die Bedeutung von Wärme- und dezentraler Energieversorgung im Rahmen der Energiewende Bei all den Fragen um Ausbauziele und Schauen Sie sich unsere dezentralen Anlagen Damit bildet er die Grundlage für flexible Ag- Förderbedingungen von Erneuerbaren sowie an: Wir optimieren ständig die Betriebsweise gregationen dezentraler Energieanlagen zu den Netzausbau steht im Spannungsfeld der unserer Blockheizkraftwerke (BHKW) für virtuellen Kraftwerken. Energiewende ein wesentliches Thema etwas einen möglichst effizienten Betrieb. Angefan- im Abseits, die Wärmeversorgung. Über die gen hat es mit einer Beistellung des BHKW Pöyry: Als Ende der 90er in der Unterhal- Ursachen dafür und Möglichkeiten zur Neu- neben der Kesselanlage. Dabei wurden die tungselektronik der Bluetooth-Standard fokussierung sprechen wir mit Hanno Balzer BHKW ausschließlich nach der Wärmegrund- eingeführt wurde, war vielen Verbrauchern, von Vattenfall. last betrieben. aber auch Unternehmen ihr Potenzial nicht klar. Glauben Sie, dass VHPready ein ähnli- Pöyry: Wie erklären Sie sich, dass die Heute sind wir in der Lage, mit unseren ches Potenzial hat? Wärme- und dezentrale Energieversorgung BHKW auch auf die Strommarktsituation im Rahmen der Energiewende in der einzugehen oder die Hausbewohner mit dem Balzer: Ja und nein. In der öffentlichen öffentlichen Diskussion vergleichsweise ein BHWK-Strom zu beliefern. Damit entlasten Wahrnehmung wird der Standard sicherlich Nischendasein fristen? wir die Verteilnetze. Darüber hinaus werden niemals den Stellenwert von Bluetooth er- wir BHKW mit Wärmepumpen kombinieren. reichen. Balzer: In der öffentlichen und politischen Wahrnehmung übernahm die Stromver- Das hat zum einen den Vorteil, dass wir die Auf der anderen Seite kann die Ener- sorgung über viele Jahrzehnte eine Art Vor- Wärmepumpen mit dem ökologischen BHKW- giewende nur gelingen, wenn alle relevanten reiterrolle. CO2-Einsparungen konnten relativ Strom betreiben können und zum anderen Erzeuger und Verbraucher eine Sprache kostengünstig durch den einfachen Zubau Wärme für Raumheizung und Brauchwarm- sprechen – hier kann VHPready den ent- insbesondere von Windkraftanlagen erreicht wasser effizient auf dem jeweils notwendi- scheidenden Beitrag leisten. werden. In Deutschland werden jedoch nur gen unterschiedlichen Temperaturniveau 18 % der eingesetzten Primärenergie für die produzieren. Und das nicht nur in Deutschland, sondern Stromerzeugung eingesetzt und 50 % für in allen Ländern, in denen die dezentrale die Wärmeerzeugung. Daher ist der Ener- Pöyry: Sie sind auch Vorstand des Indus- Versorgung auf dem Vormarsch ist. gieaufwand für die Wärmeerzeugung relevant trieforums VHPready. Welchen Stellenwert und bedarf nicht nur einer öffentlichen hat dieser Standard für den Fortschritt Pöyry: Die Hängepartie um das KWK- Diskussion, sondern vielmehr eines schnel- dezentraler Wärme- uns Energieversorgung Gesetz ist eine scheinbar unendliche len und nachhaltigen Handelns. Dieses muss und wieso befürworten Sie seine Weiterent- Geschichte. Wann erwarten Sie mehr sich – ebenso wie beim Strom – sowohl auf wicklung? Klarheit hinsichtlich der Förderbedingungen die Bedarfsseite, also Gebäudesanierung und und wie wesentlich ist das Gesetz für die -errichtung, als auch auf die Erzeugungsseite Balzer: Das Industrieforum VHPready e.V. weitere Entwicklung des Wärmemarkts in ausdehnen. setzt sich für die Realisierung der Ener- Deutschland? giewende durch die standardisierte Vernet- Pöyry: Seit gut fünf Jahren betonen Sie zung dezentraler Energieanlagen ein. Balzer: Zunächst ist festzuhalten, dass das die Bedeutung einer Optimierung in der KWKG seit dem Jahr 2002 eines der wenigen Wärmeversorgung für eine erfolgreiche Um- Wir leisten einen Beitrag zur Integration Gesetze ist, die ziemlich reibungslos funktio- setzung der Energiewende. Wieso verläuft erneuerbarer Energien in den Energiemarkt nieren und mit vergleichsweise sehr über- die Entwicklung so schleppend? und ermöglichen den Ausgleich von Vola- schaubarem volkswirtschaftlichem Aufwand tilitäten durch das orchestrierte Zusam- sehr viel volkswirtschaftlichen Nutzen stiftet. Balzer: Ich würde nicht sagen, dass die menwirken dezentraler Energieanlagen. Der Die regelmäßige Überprüfung und Anpassung Ent-wicklung schleppend verläuft. Es hat in Standard VHPready und seine Zertifizierung des Gesetzes ist eine sinnvolle Angelegenheit. den letzten Jahren ein spürbares Umdenken gewährleisten ein nahtloses, sicheres und stattgefunden. Dennoch haben wir das Ziel wirtschaftliches Zusammenwirken aller Die „Hängepartie“, die im Rahmen der euro- bei Weitem noch nicht erreicht und müssen steuerbaren Komponenten und deren Kom- parechtlichen Prüfung entstand, belastete weiter an der Umsetzung und anderen innova- patibilität. alle Beteiligten, vor allem aber die Anlagen- tiven Lösungen arbeiten. betreiber. Das Gesetz ist nun seit dem
15 Hanno Balzer Dezentrale Wärme- versorgung ist ihm eine Herzensangelegenheit, weil Hanno Balzer damit zur Energiewende beitragen kann. Sein Berufsweg begann in den stürmischen Zeiten der Liberalisierung der Energiemärkte: Nach dem Volkswirtschaftslehre- Studium sammelte er erste Berufserfahrung bei VEAG und E.ON Edis. Anschließend war er bei Vattenfall für Regional-EVU verantwortlich. Nach Stationen im Produktmanagement und in der Wärme-Geschäftsentwicklung leitet er seit 2010 das Geschäft für dezentrale Wärmeversorgung in Berlin und Hamburg. 1. Januar 2017 in europarechtskonformer Fassung in Kraft und die Förderbedingungen In die Energiesysteme der Zukunft inves- Balzer: nunmehr vorhersehbar. Das KWKG sollte auf tieren wir zur Steigerung der Energieeffizienz, Wir legen sehr viel Wert darauf, unsere dieser Grundlage weiterentwickelt werden. Modernisierung und Pflege der Wärmenetze. Wärmelösungen auf die jeweiligen Bedürf- Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist dabei eine nisse der Bewohner und Gebäude anzupas- KWK, gleich welcher Größe, Wärmespeicher, wichtige Säule der Wärmewende in Ballungs- sen. Denn auf dem Weg zur klimaneutralen Wärmenetze sind die Voraussetzungen, um räumen wie Berlin und Hamburg. Die Vat- Metropole wird die gemeinsame Lösungs- zusammen mit integrierten Konzepten und tenfall Wärme Berlin beispielsweise erzeugt findung mit lokalen Akteuren, Wirtschaft Power to Heat die Wärmeversorgung v. a. rund 90 Prozent ihrer Wärme in KWK. Kleine und Wissenschaft in den Quartieren immer des Gebäudebestandes in Ballungsgebieten und große KWK-Anlagen – von 100 Kilowatt wichtiger. und darüber hinaus nachhaltig, effizient und bis 750 Megawatt – bilden das Fundament erneuerbar zu gestalten. Das Gesetz spielt unserer Wärmeversorgung. Für die Energie- Sehr hilfreich sind dabei Quartier-Workshops. hierbei eine wichtige Rolle. Diskussionen, wie Erzeugung setzen wir auch Biomasse in Form Gemeinsam mit der TU Berlin, anderen etwa über die Abschaffung der Vergütung von Holzhackschnitzeln ein. Sie stammt Infrastruktur-Unternehmen und lokalen für dezentrale Einspeisung („vermiedene hauptsächlich aus unseren eigenen regio- Akteuren setzen sich alle gemeinsam an einen Netzentgelte“) oder die Fernwärme eher nalen Kurzumtriebsplantagen, aus Land- Tisch und spielen verschiedene Szenarien benachteiligende Regelungen in der schaftspflegematerial und Waldresthölzern künftigen Kiezlebens durch. Wo brauchen die Gebäuderegulierung, sind für eine positive aus der Region. An verschiedenen Standorten Bewohner wieviel Energie? Was für Entwicklung im Wärmemarkt nicht förder- nutzen wir außerdem die Abwärme Dritter Bedürfnisse haben die Gewerbetreibenden? lich. Fernwärme und KWK ermöglichen die für unsere effiziente Wärmeproduktion. Und Und wie wollen wir uns im Quartier fortbewe- Wärmewende, sie behindern sie nicht! zur optimalen Strom- und Wärme-Erzeugung gen? Die Vattenfall Wärme Berlin hat im kombinieren wir künftig KWK-Anlagen mit Jahr 2016 einen solchen Workshop in Pöyry: Der Transformationsprozess in der Power to Heat. So können wir bei Verfüg- Schöneweide unterstützt. In Charlottenburg Wärmeversorgung hängt maßgeblich von barkeit Wind- und Sonnenstromüberschüsse sind wir Teil der partizipativen Werkbund- sozio-technologischen Rahmenbedingungen zur Fernwärme-Erzeugung nutzen. Wärme- Stadt-Berlin-Workshops. Und Anfang 2017 ab. Für Vattenfall fokussieren Sie seit 2011 speicher ergänzen die smarte Kombination. unterstützen wir einen Quartierworkshop in die Märkte Berlin und Hamburg. Welche Berlin-Buch. Denn unser aller Blick durch Erkenntnisse ziehen Sie aus den vergan- Pöyry: Den Erfolg der Wärmewende machen viele Brillen macht den Kiez der Zukunft aus, genen sechs Jahren und welches Potenzial Sie von der Entwicklung aus dem Kern, also einen Raum mit städtebaulichem, sozialem sehen Sie für neue Geschäftsmodelle in der etwa dem Stadtquartier heraus abhängig. und ökologischem Bezugssystem. Kraft-Wärme-Kopplung? Wie interpretieren Sie das ideale Zusam- menspiel aus Kommune, Bürgern und Balzer: Wir unterstützen Berlin und Hamburg Versorgern? dabei, ihre Klimaziele zu erreichen. Denn die Energiewende wird nur mit der Wärmewende erfolgreich sein. Und die findet lokal statt.
www.poyry.com
Sie können auch lesen