Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung

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Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung
Praxisleitfaden zur Förderung
  klimafreundlicher Finanzierung
Der Weg zu einem zukunftsfähigen Finanzsektor in Deutschland

                      Ein Ergebnis der
             AG „Finanzbranche und Klimaschutz“
Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung
Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung       Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis ........................................................................ 3

Zum Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“ .............................. 4

Vorwort ............................................................................................. 5

1.       Einleitung .................................................................................. 6

2.       Regulatorische Entwicklungen zu Sustainable Finance .............. 12

3.       Modul 1: Bewertung von Klimarisiken ....................................... 20

4.       Modul 2: Berücksichtigung von Klimarisiken im
Investitionsprozess .......................................................................... 27

5.       Modul 3: Finanzierung klimafreundlicher Investitionen ............. 35

6.       Modul 4: Nachhaltigkeitsstrategie und Governance ................... 46

7.       Modul 5: Berichterstattung und Transparenz ............................ 52

Glossar ............................................................................................ 58

Impressum ...................................................................................... 61

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Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung
Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung            Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Übersicht über die im Aktionsplan angekündigten Maßnahmen und
Umsetzungsschritte ........................................................................................... 16

Abbildung 2: Chronologische Übersicht wesentlicher regulatorischer Initiativen ......... 19

Abbildung 3: Klimabezogene Risiken und Chancen und ihre Auswirkungen ............... 21

Abbildung 4: Möglicher Organisationsaufbau für einen Ausschuss für
Klimarisikoüberwachung (Climate Risk Oversight Committee) ................................. 49

Abbildung 5: TCFD-Empfehlungen ....................................................................... 53

Abbildung 6: Hauptmerkmale der TCFD-Empfehlungen – Verein für
Umweltmanagement und Nachhaltigkeit in Finanzinstituten e. V. ............................ 54

Abbildung 7: Klimaberichterstattung – Umsetzung der TCFD-Anforderungen bei DAX-
30-Unternehmen – EY Global Climate Barometer Report 2019 ................................ 55

Abbildung 8: Übersicht zur Integration klimabezogener Informationen in die
Lageberichterstattung........................................................................................ 56

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Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung
Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung            Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

Zum Dialogforum „Wirtschaft macht
Klimaschutz“
Effektiver und erfolgreicher Klimaschutz kann erst dann gelingen, wenn unterschiedliche
Unternehmen aller Wirtschaftsbereiche langfristig zusammenarbeiten. Aus diesem Grund startete
das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) im Juni 2017 das
Dialogforum       „Wirtschaft      macht       Klimaschutz“.   Der   Dialogprozess     resultiert    aus    dem
Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 der Bundesregierung. Ziel ist es, die deutsche Wirtschaft zum
Zweck des Klimaschutzes breit zu vernetzen und die beschleunigte Umsetzung konkreter
Maßnahmen zur Treibhausgasminderung in der Wirtschaft zu befördern Es sollten konkrete
Klimaschutzmaßnahmen in Unternehmen angestoßen werden, um so den Klimaschutz in der
deutschen Wirtschaft voranzutreiben und wichtige Beiträge zu den Klimaschutzzielen zu leisten.
Durch eine möglichst breite Beteiligung der Wirtschaft wurde hierbei eine Vielzahl von
Unternehmensperspektiven berücksichtigt und einbezogen. Über die gesamte Laufzeit waren ca.
100 deutsche Unternehmen und etwa 250 angemeldete TeilnehmerInnen im Dialogforum aktiv.
Ein weiteres Ziel war es, ein gemeinsames Verständnis davon zu erlangen, wo es Zielkonflikte gibt
und was nötig ist, um Klimaschutz konkret in Unternehmen umzusetzen. Zudem wurden effektive
Ansätze, die bereits zuvor in Unternehmen entstanden sind, weiter- bzw. kollaborative Ansätze
neu entwickelt.

Der wesentliche Unterschied zu anderen Formaten liegt vor allem darin, dass nicht die
Unternehmen oder Verbände unter sich blieben, sondern das BMU (das für Gesetzgebungen im
Bereich Klimaschutz zuständig ist) und dessen MitarbeiterInnen an dem Dialogforum teilnahmen
und damit in einen direkten Dialog mit den Unternehmen traten.

Zur Konzeption, zur inhaltlichen Begleitung und zur Durchführung des Forums hat das BMU EY
(vormals Ernst & Young), das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie und das Ecologic
Institut beauftragt. Begleitet wurde das Dialogforum von einem Steering Committee, das von
VertreterInnen aus Unternehmen, Politik und Wissenschaft repräsentiert wurde.

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Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung                Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

Vorwort
Die Hauptintention des Dialogforums „Wirtschaft macht Klimaschutz“ war es, ein gemeinsames
Verständnis         über       Zielkonflikte       und         Lösungsmöglichkeiten       zu     erlangen,        um
Klimaschutzmaßnahmen konkret in Unternehmen einzubetten. Für die AG „Finanzbranche und
Klimaschutz“ war die breite Beteiligung von Vorreiterunternehmen der deutschen Finanz- und
Realwirtschaft im Bereich Klimaschutz ausschlaggebend, um deren Erfahrungen im Dialog
zusammenzubringen, den wertvollen interdisziplinären Austausch zu fördern und somit die Brücke
zwischen beiden Wirtschaftsbereichen zu schlagen.

Die Arbeitsgruppe hat sich in den vergangenen 24 Monaten intensiv mit den aktuellen
Bewertungsmethoden klimafreundlicher Investitionen beschäftigt und sich mit der Bewertung von
Klimarisiken und den damit einhergehenden Geschäftschancen auseinandergesetzt.

Dem voran ging die Annahme, dass die Finanzbranche beim Klimaschutz einen gewichtigen Hebel
hat. Nicht selten wird gesagt, dass Finanzinstitute in der Rolle des Intermediärs – Beraters und
Kreditgebers – als Motor für klimaschonende Technologien und Innovation gelten. Umso wertvoller
war es, dass die AG „Finanzbranche und Klimaschutz“ als Schnittstelle zwischen Finanz- und
Realwirtschaft neue Perspektiven in den Dialog zu Nachhaltigkeit am Finanzmarkt gebracht hat.
Der vorliegende Praxisleitfaden zu klimafreundlicher Finanzierung ist das Ergebnis dieses Dialogs.
Er bietet Inspiration, wie die Transformation zu einer CO2-armen Wirtschaft gelingen kann, und
gibt konkrete Best-Practice-Beispiele aus der Finanz- und Realwirtschaft. Hierbei konsolidiert und
beschreibt der Leitfaden globale Nachhaltigkeitsherausforderungen, befasst sich mit der
Nachfrageseite von nachhaltigen Produkten und setzt sich mit den zunehmenden Anforderungen
von Regierungsbehörden auseinander. Das hauptsächliche Ziel der AG war es, Handlungsoptionen
für Unternehmen der Real- und Finanzwirtschaft zum Ausbau klimafreundlicher Investitionen
aufzuzeigen. Zusätzlich sollte der politische Dialog angestoßen werden. Die Kooperation und der
Wissensaustausch zwischen Real- und Finanzwirtschaft war hierbei ein wahrer Mehrwert und
essenziell.

Unterschiedliche Perspektiven einnehmen und Verständnisse schaffen bedeutet, den Blick für
künftige Herausforderungen rund um den Klimaschutz zu schärfen. Zugleich ist deutlich geworden,
dass der Kampf gegen den Klimawandel allein nicht gelöst werden kann und Dialogformate
ungemein wichtig sind, um neue Wege und Lösungen gemeinsam zu erarbeiten.

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Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung                    Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

1. Einleitung
Schäden        durch     extreme     Wetterereignisse,          „stranded      assets“,    Reputationsrisiken:        Der
fortschreitende Klimawandel stellt die globale Wirtschaft vor große Herausforderungen – und ist
zugleich eine Chance für eine Investitions- und Innovationsoffensive. Zum einen muss bis Mitte
des Jahrhunderts die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft abgeschlossen sein, um
die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen zu können, zum anderen kommt es auch bei
einer globalen Erwärmung von 1,5–2 °C zu erheblichen Klimaveränderungen, an die sich die
Wirtschaft anpassen muss.

Die       Transformation zu einer resilienten und                    klimaneutralen Wirtschaft         wird    erhebliche
Investitionen erfordern, kann Unternehmen aber auch Chancen eröffnen, um mit neuen
Technologien und neuen Geschäftsmodellen an einem Zukunftsmarkt für klimafreundliche
Lösungen teilzuhaben. Der Finanzwirtschaft kommt eine Schlüsselrolle zu, um die nötigen
Finanzmittel für die Transformation zu mobilisieren und Finanzströme in die richtigen Bahnen zu
lenken: weg aus Investitionen in eine an fossile Brennstoffe gekoppelte Wirtschaft, hin zu
erneuerbaren           Energien,   Energieeffizienz        und       anderen       Technologien,    die       mit   einem
klimafreundlichen und resilienten Entwicklungspfad vereinbar sind. Hierzu gehören sowohl
öffentliche als auch private Finanzflüsse. Gleichzeitig muss der Umbau in der Realwirtschaft selbst
erfolgen:       Dort     entstehen      die    Innovationen           für   klimafreundliche       Technologien      und
Geschäftsmodelle, und dort werden die Investitionen getätigt, um klimafreundliche Innovationen
zur       Marktreife    zu   bringen.    Der    Umbau          der    Wirtschaft    erfordert   eine    entsprechende
Zahlungsbereitschaft beim Endkonsumenten für nachhaltige Produkte, da – insbesondere während
des Umbaus der Industrie – höhere Entstehungskosten von etablierten Produkten aus heutiger
Sicht wahrscheinlich sind.

Was bedeutet die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft für die
Finanzwirtschaft?

Die Transformation birgt neben Chancen jedoch auch Risiken. Gerade Klimarisiken werden
zunehmend mit finanziellen Risiken assoziiert und somit zu einem wichtigen Kriterium im
unternehmerischen Handeln und für Investitionsentscheidungen.

      •     Zu den Klimarisiken zählen zum einen die physischen Klimarisiken – drohende physische
            Schäden durch den fortschreitenden Klimawandel. Dies umfasst sowohl direkte Schäden
            an Anlagegütern, von Sturm- und Überschwemmungsschäden bis hin zu Ernteausfällen,
            als auch indirekte Schäden, etwa Einnahmeausfälle, wenn Lieferketten unterbrochen
            werden oder Kunden ausfallen.
      •     Zum anderen gibt es die sogenannten Transitionsrisiken, die aus der Transformation zur
            kohlenstoffarmen Wirtschaftsweise entstehen. Durch die Transformation selbst können
            sich Unternehmenswerte und Wertschöpfungsketten radikal verändern. Dies betrifft vor
            allem die (fossilen) Ressourcen selbst, aber auch die zugehörige Infrastruktur,
            Technologien, Know-how/Patente, Geschäftsmodelle etc., die in der ein oder anderen Form
            mit der Extraktion, Verarbeitung oder Verbrennung fossiler Rohstoffe verbunden sind. Ein

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Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung                 Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

          Aspekt       dieses      Transitionsrisikos          sind   Veränderungen        von      regulatorischen
          Rahmenbedingungen,            etwa     durch    steigende     CO 2-Preise.   Auch     diese    können       zu
          Wertverlusten führen und etablierte Technologien und Geschäftsmodelle infrage stellen.

Sind Klimarisiken derzeit vor allem noch eine Frage der Bewertung und Berichterstattung, so
werden sie zunehmend in die strategischen und planerischen Tätigkeiten von Unternehmen
integriert. Somit werden Klimarisiken für den Finanzsektor und das Versicherungswesen materiell.

Die Bewertung von Klimarisiken hat in der jüngeren Vergangenheit an Bedeutung gewonnen.
Angetrieben wurde dieser Prozess vor allem von der Task Force on Climate-related Financial
Disclosures (TCFD), einer privatwirtschaftlichen Initiative unter Leitung von Michael Bloomberg,
die ihre Wurzel im Financial Stability Board der G20 hat. Die Unternehmen, die in der TCFD
vertreten sind, legten im Juni 2017 ihre Empfehlungen vor, wie Klimarisiken in der finanziellen
Berichterstattung von Unternehmen zu bewerten seien. Mehr als 930 Unternehmen weltweit haben
sich seither zu den Empfehlungen der TCFD bekannt. Weitere Initiativen gibt es unter anderem
auf nationalstaatlicher Ebene. Hier wäre insbesondere Frankreich zu nennen, das mit dem
Artikel 173 des französischen Energiewendegesetzes Unternehmen verpflichtet hat, über ihre
Klimarisiken zu berichten. Auch andere EU-Länder unternehmen seit längerem Schritte, den
Finanzsektor       dazu     zu    bringen,     Klimarisiken       systematisch    zu    bewerten        und    in    die
Entscheidungsfindung einzubeziehen und den Finanzsektor so zum Treiber der Dekarbonisierung
zu machen.

Durch den Aktionsplan für nachhaltige Finanzen der EU-Kommission wurde die Diskussion über
politische Rahmenbedingungen für Nachhaltigkeit am Finanzmarkt auf europäischer Ebene
deutlich intensiviert und konkretisiert. Die Debatte über die Auswahl und Ausgestaltung der
Maßnahmen findet auf EU-, aber auch auf nationaler Ebene statt. Die Offenlegungspflichten für
Finanzinstitute         beispielsweise         zu        Klimarisiken      und      Stresstests         soll        auch
Investitionsentscheidungen beeinflussen. Weil die regulatorischen Prozesse noch im Gange sind,
ist es zu früh, um die direkte Materialität für die Finanzwirtschaft abschätzen zu können. Jedoch
werden mit der Taxonomie und den Low-Carbon Indices der EU und mit den ersten legislativen
Schritten zur Umsetzung der Offenlegungspflichten erste Weichen gestellt.1 In Deutschland soll
der Sustainable-Finance-Beirat, der im Juni 2019 erstmals zusammentrat, die Debatte zum EU-
Prozess auf nationaler Ebene spiegeln und die Umsetzung der dort beschlossenen Schritte
begleiten.2 Zudem veröffentlichte die BaFin ein Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken.3
Beides sind Anzeichen, dass auch in Deutschland das Thema Sustainable Finance von
regulatorischer Seite ergänzend zur geplanten EU-Regulierung angegangen wird.

1
   „Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulation (EU) 2016/1011 on low
carbon benchmarks and positive carbon impact benchmarks”, Europäische Kommission (Mai 2018),
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ALL/?uri=CELEX%3A52018PC0355, aufgerufen am 20.01.2020
2
  „Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung gibt sich umfangreiches Arbeitsprogramm“,
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Internationales_Finanzmarkt/Finanzmarktpol
itik/Arbeitsprogramm-Sustainable-Finance.html, aufgerufen am 20.01.2020
3
  „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken”, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Dezember 2019),
https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/dl_mb_Nachhaltigkeitsrisiken.pdf;jsessionid=3374A 3FB6D8BDF
99FB046AFC592DFD4B.2_cid372?__blob=publicationFile&v=9, aufgerufen am 28.01.2020

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Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung                     Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

Warum müssen Finanzströme umgelenkt werden?

Über alle Sektoren hinweg stellt sich die Herausforderung, die Wirtschaft – einschließlich der
bestehenden Infrastruktur – im Laufe der nächsten drei Jahrzehnte auf treibhausgasneutralen
Betrieb     umzustellen.       In   der    Energiewirtschaft           ist   dieser   Prozess    mit    am     weitesten
vorangeschritten. Hier sind die technischen Lösungen – die Umstellung auf erneuerbare Energien,
die Einsparung von Energie und der Ausstieg aus fossilen Energieträgern – weitgehend bekannt
und akzeptiert. Aber auch der Verkehrssektor muss sich grundlegend ändern, um klimafreundliche
Mobilität zu gewährleisten. In der Industrie gilt es, sämtliche Potenziale durch Energieeffizienz,
Umstellung auf erneuerbare Energien, Elektrifizierung und Kreislaufwirtschaft zu nutzen – in vielen
Fällen beinhaltet dies auch eine Änderung der Produktionsabläufe. Schließlich betrifft die
Transformation auch den Gebäudesektor (in erster Linie durch eine drastische Senkung des
Energieverbrauchs und durch erneuerbare Wärme) und die Landwirtschaft.

Der Umbau der Wirtschaft zu einer treibhausgasneutralen Wirtschaftsweise erfordert erhebliche
Investitionen. Der Finanzmarkt ist grundsätzlich bereit und in der Lage, das Kapital für die
Transformation zu mobilisieren. Allerdings stockt, wie oft in Transformationsprozessen, die
Vermittlung von Angebot und Nachfrage: Aufgrund vielfältiger Risiken auf Unternehmerseite
(technologisch, regulatorisch, gesellschaftlich) korreliert das Risiko- und Renditeprofil der nötigen
Klimaschutzinvestitionen nicht mit der Risikobereitschaft des Finanzmarktes. Daher bedarf es nicht
zuletzt    mehr      Initiative     der   Politik    und       eines    klaren    Regulierungsrahmens,          um     die
Klimafinanzierungslücke zu schließen und Investitionen in Klimaschutz im notwendigen Umfang zu
mobilisieren.

Wie wurde der Leitfaden erstellt?

Die Arbeitsgruppe „Finanzbranche und Klimaschutz“ des Projekts „Wirtschaft macht Klimaschutz“
hat diesen Leitfaden in sieben Sitzungen entwickelt. Die ersten Sitzungen dienten dem
Ideenaustausch der Mitglieder, die weiteren Sitzungen der Entwicklung des Leitfadens. Einige
Mitglieder der Arbeitsgruppe haben einzelne Module verfasst und lieferten zudem konkrete Best-
Practice-Beispiele und Erfahrungsberichte.

Dieser Leitfaden stellt in sechs Modulen dar, wie sowohl Finanzdienstleister als auch Unternehmen
der Realwirtschaft Klimaschutzaspekte in ihre Finanzierung integrieren können. Jedes der Module
kann einzeln im Unternehmen als Ideengeber und Umsetzungsratgeber verwendet werden, wobei
das Modul 1 („Bewertung von Klimarisiken“) Grundlage für alle weiteren Module ist.

Wie ist der Leitfaden strukturiert?

Die Module des Leitfadens betrachten einzelne Aspekte im Bereich klimafreundliches Finanzwesen.
Für einige dieser Aspekte gibt es schon eine Vielzahl von Konzepten und Initiativen, die hier
aufgegriffen werden und als Grundlage für ein verstärktes Engagement der Finanz- und
Realwirtschaft dienen.

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Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung                Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

Die einzelnen Module sind anhand der folgenden Leitfragen strukturiert:

    •     Was ist die Herausforderung?
         Jedes Modul wurde ausgewählt, weil es aus Sicht der AG-TeilnehmerInnen eine relevante
         Herausforderung aufgreift, vor denen Unternehmen der Finanz- und Realwirtschaft stehen.
         Dies     können      äußere     Veränderungen         und   Einflüsse   sein   wie   beispielsweise      die
         Auswirkungen des Klimawandels oder regulatorische Veränderungen, aber auch interne
         Herausforderungen wie die Umstellung von Produktionsprozessen. Die Herausforderungen
         variieren in ihrem Ausmaß je nach Sektor und Branche.

    •     Warum ist das Modul für mein Unternehmen wichtig?
         Für jedes Unternehmen ist es wichtig, Klimaaspekte zu integrieren. Je nachdem, in
         welchem Sektor oder in welcher Branche das Unternehmen tätig ist, kann sich auch die
         Relevanz verändern. Jedoch sind alle Module so aufbereitet, dass sie für alle Sektoren und
         Branchen anwendbar sind. Die Praxisbeispiele illustrieren dies noch vertieft.

    •     Welche Ansätze gibt es bereits?
         Dieser Leitfaden baut auf der Arbeit anderer Initiativen und Organisationen auf. Deshalb
         wird in jedem Modul auf weitere Literatur und bereits existierende Ansätze verwiesen.
         Standardisierung ist ein oft diskutiertes Thema, daher ist der Leitfaden kein neuer Ansatz,
         sondern baut auf bereits existierenden Ansätzen auf und konkretisiert die Umsetzung im
         deutschen Kontext.

    •     Wie kann ich den richtigen Ansatz für mein Unternehmen wählen?
         Jedes Modul beschreibt, wie man Umsetzungsmaßnahmen im eigenen Unternehmen
         starten kann. Dies wird durch Praxisbeispiele unterstützt.

    •     Praxisbeispiele von Mitgliedern der Arbeitsgruppe
         Die Praxisbeispiele sind von Mitgliedern der Arbeitsgruppe und aus einem weiteren Kreis
         engagierter Unternehmen zusammengetragen worden. Sie illustrieren die Umsetzung des
         jeweiligen Moduls in einem spezifischen Sektorenkontext und veranschaulichen so, wie die
         generellen Anleitungen im Leitfaden angewandt werden können.

Was soll mit den Modulen erreicht werden?

Die Module dienen mehreren Zielsetzungen. Zunächst soll in den Unternehmen der Realwirtschaft
und der Finanzbranche eine Sensibilisierung bezüglich der Thematik „Nachhaltigkeit im
Finanzwesen“ vermittelt werden. In Deutschland sind „grüne“ Finanzprodukte noch eine Nische,
die weniger als 3 % des gesamten Finanzmarktes ausmacht.4 Für eine Transformation muss das
Thema aus der Nische in den Mainstream wachsen. Auch stehen mit dem Vorstoß der EU und dem
Aktionsplan „Sustainable Finance“ neue Regulierungen an. Einige deutsche Unternehmen bringen
sich bereits aktiv in den Prozess ein, insgesamt benötigen viele Unternehmen jedoch weiteres
Hintergrundwissen. Der Leitfaden gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der verschiedenen

4
  „Der Markt für nachhaltige Finanzanlagen: eine Bestandsaufnahme“, Deutsche Bundesbank (Oktober 2019),
https://www.bundesbank.de/resource/blob/811956/d85bc0de1703eacffcfddd4794e6e3e0/mL/2019-10-nachhaltige-
finanzanlage-data.pdf, aufgerufen am 29.01.2020

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Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung                    Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

Prozesse und bietet die Möglichkeit, diese in den Unternehmen zu antizipieren und sich auf
anstehende Veränderungen einzustellen.

Auf internationaler Ebene gibt es allgemeinen Handlungsbedarf. Nicht nur der EU-Aktionsplan,
sondern auch eine Initiative von Zentralbanken, das Network for Greening the Financial System
(NGFS)5, und seit 2019 auch die BaFin6, beschäftigen sich mit der Einbindung klimabedingter
Risiken in den Finanzmarkt. Vorhergehende Initiativen wie die TCFD und der Artikel 173 des
französischen Energiewendegesetzes oder die Forderung der Prudential Regulatory Authority in
Großbritannien zur Transparenz im Hinblick auf das Klimarisikomanagement bei Banken bilden
neue Maßstäbe. Dieser Leitfaden zeigt nicht nur den Handlungsbedarf auf, sondern demonstriert
auch konkrete Handlungsoptionen, die sich für Unternehmen der Finanz- und Realwirtschaft
ergeben, und zeigt anhand von Beispielen, wie dies in Unternehmen ausgestaltet werden kann.
Aber der Leitfaden lässt auch genügend Handlungsspielraum für jedes Unternehmen, den
passenden Ansatz zu finden, ohne zu starre Vorgaben festzulegen.

Neben den beschriebenen unmittelbaren Zielen sollte der Leitfaden auch dazu beitragen,
gemeinsame        Regeln,      Verfahren und         Bewertungsmaßstäbe             zu etablieren,        auch um die
Kompatibilität der Ansätze zu erhalten.

An wen richtet sich der Leitfaden?

Der Leitfaden richtet sich an deutsche Unternehmen der Finanz- und Realwirtschaft. Beide
Unternehmensgruppen, Finanz- und Realwirtschaft, wirken zusammen an der Transformation des
Finanzsektors,       beispielsweise      um Angebot und              Nachfrage      für neue        Technologien oder
Infrastrukturinvestitionen zusammenzubringen.

Akteure der Finanzwirtschaft

Die Finanzwirtschaft wird mit dem Leitfaden angesprochen und zum Handeln aufgefordert.
Wichtige Themengebiete für die Finanzwirtschaft sind u. a. die Bewertung von Klimarisiken,
Prozesse der Investitionsentscheidungen und Finanzprodukte.

     •    Asset-Manager und Asset-Owner
Die Anlagestrategien von Asset-Managern und Asset-Ownern sind meist nicht explizit auf
klimafreundliche       Investitionen ausgelegt.           Zwar werden im             Risikomanagement zum                Teil
verschiedene Faktoren integriert, für eine umfassendere Bewertung und Integration von
Klimarisiken fehlen in den Organisationen jedoch oft noch das Know-how und die Prozesse. Dieser
Leitfaden     soll    Handlungsoptionen          aufzeigen,       Klimarisiken      zu    bewerten       und     diese     in
Investitionsentscheidungen zu berücksichtigen.

5
  „A call for action – Climate Change as a source of financial risk”, Network for Greening the Financial System (April 2019),
https://www.banque-france.fr/sites/default/files/media/2019/04/17/ngfs_first_comprehensive_report_-_17042019_0.pdf,
aufgerufen am 29.01.2020
6
  „Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung gibt sich umfangreiches Arbeitsprogramm“, Bundesministerium der
Finanzen (Juni 2019),
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Internationales_Finanzmarkt/Finanzmarktpol
itik/Arbeitsprogramm-Sustainable-Finance.html, aufgerufen am 29.01.2020

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Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung                  Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

     •    Banken
Banken haben eine doppelte Rolle, zum einen als Anleger von Fremdkapital (beispielsweise als
Asset-Manager),         zum      anderen       als    Kapitalgeber       (beispielsweise      durch     Kredite    und
Projektfinanzierung). Auch hier spielen Klimarisiken bisher nur selten eine Rolle. Zwar gibt es
einige Banken, die in bestimmten Geschäftsbereichen klimafreundliche Investitionen tätigen oder
auch strategische Entscheidungen treffen (beispielsweise die Beendigung der Finanzierung neuer
Kohleenergieprojekte), eine konzernübergreifende Berücksichtigung von Klimarisiken kann jedoch
meist nicht verzeichnet werden.

     •    Versicherungen
Versicherungen haben im Gegensatz zu anderen Finanzmarktakteuren oft eine deutlich
langfristigere Ausrichtung, insbesondere Rückversicherungen. In den verschiedenen Bereichen, in
denen Versicherungen tätig sind, müssen Klimarisiken berücksichtigt werden, um langfristig
planen zu können. Dies gilt sowohl für die Festlegung von Prämien als auch in der Versicherung
von Projekten. Klimafolgen und Transitionsrisiken können gravierende Auswirkungen auf die
Produktpalette von Versicherungen haben.

Akteure der Realwirtschaft

Alle Unternehmen in Deutschland müssen sich an den Klimawandel und den daraus folgenden
Auswirkungen        anpassen.       Das     bedeutet,      dass    Unternehmen       Produktion,        Gebäude    und
Energieversorgung             zukunftsfähig          gestalten          müssen.       Dafür        brauchen         sie
Finanzierungsmöglichkeiten. Daher beschränkt sich dieser Leitfaden nicht nur auf die Sicht der
Finanzbranche,         sondern    auch     auf    die   Sicht     der   Realwirtschaft,    um     die    Finanzierung
klimafreundlicher Investitionen voranzutreiben.

Mit dem Leitfaden werden Unternehmen aus allen Sektoren angesprochen: produzierendes
Gewerbe, Gebäudewirtschaft, Energiewirtschaft, Konzerne, Mittelstand und Start-ups. Vor allem
die Themen Berichterstattung und Transparenz sind für die Realwirtschaft wichtig.

MitarbeiterInnen in Unternehmen der Finanz- und Realwirtschaft

Ein wichtiger Schritt bei der Umsetzung der Module des Leitfadens ist die Sensibilisierung und
Motivation der MitarbeiterInnen. Dies fördert die Akzeptanz im Unternehmen. Alle Abteilungen im
Unternehmen können in diesen Prozess einbezogen werden. Natürlich liegt der Fokus auf der
Strategie-       und      der     Finanzabteilung          wie     auch     auf     dem       Risiko-     und     dem
Nachhaltigkeitsmanagement, aber je nach Sektor und Branche spielen auch die Produktion,
Vertrieb und F&E eine äußerst wichtige Rolle.

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Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung                Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

2. Regulatorische Entwicklungen zu
   Sustainable Finance
Das Potenzial des Finanzmarktes, die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft
voranzutreiben, ist in den letzten Jahren immer stärker erkannt worden. In Folge hat sich der
regulatorische Druck auf den Sektor in Richtung Klimaschutz und Nachhaltigkeit stetig erhöht,
auch durch eine Vielzahl von Initiativen auf EU- und nationaler Ebene. Der folgende Abschnitt fasst
einige wesentliche regulatorische Entwicklungen zusammen.

Der EU-Aktionsplan „Financing Sustainable Growth“

Die Europäische Union steht vor enormen Herausforderungen, um die Verpflichtungen, die sich
aus dem Pariser Klimaabkommen ergeben, zu erfüllen. Hierzu bedarf es unter anderem erheblicher
zusätzlicher Investitionen der Realwirtschaft in Energieeffizienz und Klimaschutz. Die Europäische
Kommission schätzt, dass hierfür jährlich etwa 180 Mrd. Euro zusätzlicher Investitionen benötigt
werden. Um diese Lücke zu schließen, hat sie daher im März 2018 ihren Aktionsplan für
nachhaltiges Wachstum veröffentlicht. Der Aktionsplan verfolgt drei Ziele:

     1. Neuorientierung der Kapitalflüsse in Richtung nachhaltiger Investitionen, um ein
          nachhaltiges und integratives Wachstum zu erreichen
     2. Bewältigung der finanziellen Risiken, die sich aus Klimawandel, Umweltzerstörung und
          sozialen Problemen ergeben
     3. Förderung der Transparenz und Langfristigkeit in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit

Zur Unterstützung der EU-Kommission bei der Umsetzung des zehn Maßnahmen umfassenden
Aktionsplans wurde die sogenannte Technical Expert Group on Sustainable Finance (TEG)
bestehend aus VertreterInnen der Finanz- und Realwirtschaft, der Wissenschaft, öffentlicher
Institutionen und der Zivilgesellschaft eingerichtet.                 Diese sollen Empfehlungen für die
Kernbereiche des Aktionsplans wie die EU-Taxonomie7, Standards für Green Bonds und
nachhaltige Referenzwerte (Low Carbon Benchmarks)8 und die Transparenzanforderungen
detaillierter ausarbeiten.9 Im Folgenden ist der aktuelle Stand dieser Bestandteile des Aktionsplans
zusammengefasst:

     a) EU-Taxonomie

Die Taxonomie soll dem Finanzsektor ein einheitliches Klassifikationssystem zu „nachhaltigen“
bzw. „grünen“ Aktivitäten liefern, die den Anlegern eine klare Differenzierung von Finanzprodukten
ermöglicht. Gemäß der Taxonomie kann eine Wirtschaftstätigkeit dann als „nachhaltig“ betrachtet

7
  „Taxonomy Technical Report”, EU Technical Expert Group on Sustainable Finance (Juni 2019),
https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_finance/documents/190618-sustainable-
finance-teg-report-taxonomy_en.pdf, aufgerufen am 16.12.2019
8
  „Report on Benchmarks”, EU Technical Expert Group on Sustainable Finance (Juni 2019),
https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_finance/documents/190618-sustainable-
finance-teg-report-climate-benchmarks-and-disclosures_en.pdf, aufgerufen am 16.12.2019
9
  „Green Finance”, Europäische Kommission, https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/banking-and-
finance/sustainable-finance_en, aufgerufen am 18.12.2019

12
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werden, wenn sie wesentlich zur Verwirklichung eines oder mehrerer der folgenden sechs
Umweltziele beiträgt:

     •    Klimaschutz
     •    Anpassung an den Klimawandel
     •    nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
     •    Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling
     •    Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
     •    Schutz gesunder Ökosysteme

Darüber hinaus darf die Wirtschaftstätigkeit keines der anderen Umweltziele erheblich
beeinträchtigen oder gegen soziale Mindeststandards verstoßen („Do no significant harm“-Prinzip).

Der Geltungsbereich der Taxonomie umfasst eine Bandbreite an gängigen Finanzprodukten,10 die
in der EU gehandelt werden, und betrifft Asset-Manager und Anleger sowie Versicherungen und
Banken. Nach Angaben der TEG soll die Taxonomie mit der Verordnung über die Offenlegung von
Informationen über nachhaltige Investitionen und Nachhaltigkeitsrisiken sowie der Änderung der
Richtlinie (EU) 2016/2341 in Einklang gebracht werden. Somit hätte die Taxonomie auch direkte
Auswirkungen auf Berichtsanforderungen von Unternehmen in der Realwirtschaft.

Auf dem Weg zu einem ganzheitlichen ESG-Klassifikationssystems hat die TEG im ersten Schritt
im Juni 2019 einen umfassenden Taxonomie-Bericht vorgelegt, der sektorenspezifische Kriterien
für „grüne Aktivitäten“ enthält.11 Im Dezember 2019 wurden die Trilog-Verhandlungen zwischen
Europäischem Parlament, Europarat und Europäischer Kommission zum Verordnungsentwurf zur
Taxonomie abgeschlossen. Der finale Report soll im März 2020 veröffentlicht werden. Im ersten
Halbjahr 2020 sind Konsultationen zu künftigen delegierten Rechtsakten geplant, die z. B. die
technischen Screening-Kriterien spezifizieren sollen. Wann die Taxonomie tatsächlich zur
Anwendung kommt, ist noch offen. Die oben genannten Umweltbereiche sollen Schritt für Schritt
ausgearbeitet werden.12 Der delegierte Rechtsakt zu den ersten beiden Bereichen („Klimaschutz“
und „Anpassung an den Klimawandel“) wird von der Kommission voraussichtlich am 31. Dezember
2020 angenommen und soll ab 31. Dezember 2021 in Kraft treten. Die übrigen vier
Umweltbereiche sollen dann am 31. Dezember 2021 verabschiedet werden und ein Jahr später,
am 31. Dezember 2022, zur Anwendung kommen. Noch ist nicht endgültig entschieden, inwiefern
die Einhaltung der taxonomiebezogenen Angaben auf europäischer oder nationaler Ebene
überwacht werden soll und welche Instanzen dafür zuständig sein sollen.

10
   Darunter fallen UCITS-Fonds, AIFs, Portfolio-Management und versicherungsbasierte Investmentprodukte
11
   „Taxonomy Technical Report”, EU Technical Expert Group on Sustainable Finance (Juni 2019),
https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_finance/documents/190618-sustainable-
finance-teg-report-taxonomy_en.pdf, aufgerufen am 16.12.2019
12
   Wann die Taxonomie um soziale und governancebezogene Aspekte erweitert wird, steht bislang nicht fest.

13
Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung                     Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

     b) Nachhaltige Referenzwerte (Low Carbon Benchmarks)

Ein weiterer Kernbestandteil des Aktionsplans betrifft die Definition einer Methodik zum Erstellen
nachhaltiger Referenzwerte, sog. Low Carbon Benchmarks. Diese sollen die Vergleichbarkeit von
Finanzprodukten im Hinblick auf ihre Klimawirkungen ermöglichen und einem möglichen
Greenwashing von Produkten vorbeugen. Die TEG hat zwei Typen von Benchmarks vorgeschlagen:

     •    EU Climate Transition Benchmark (EU CTB): Die EU CTB ist für einen breiten
          Anwendermarkt gedacht, d. h. für institutionelle Anleger wie Pensionsfonds, (Rück-)
          Versicherungen und Unternehmen, die einen wesentlichen Teil ihres Vermögens gegen
          verschiedene        Übergangsrisiken        („transition     risks“)     im   Zusammenhang           mit    dem
          Klimawandel und dem Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft schützen wollen.
     •    EU Paris-Aligned Benchmark (EU PAB): Hauptanwender der EU PAB sind institutionelle
          Investoren, die dem Klimawandel mehr Dringlichkeit zumessen als CTB-Investoren und
          die ihre Investitionen so ausrichten wollen, dass sie mit einem ambitionierteren
Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung                  Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

     •    auf Produktebene: Angaben, wie das Ziel einer nachhaltigen Investition sichergestellt
          wird,    Beschreibung        der    Wirkungen        von   Investitionen      anhand       aussagekräftiger
          Nachhaltigkeitsindikatoren

Hinsichtlich der Definition des Begriffs „Nachhaltigkeit“ bestehen Unterschiede zwischen der
Taxonomie und der Offenlegungsverordnung. Während die Taxonomie sich (bislang) stark auf den
ökologischen Bereich beschränkt und dafür detaillierte Indikatoren und Schwellenwerte definiert,
werden in der Offenlegungsverordnung alle ESG-Aspekte gleichwertig genannt, ohne spezifische
Indikatoren näher zu bestimmen. Als „nachhaltige Investitionen“ werden folgende Arten von
Investitionen definiert:

     •    ökologisch nachhaltige Investitionen im Sinne der oben genannten Taxonomie-Verordnung
     •    Investitionen zur Erreichung eines sozialen Ziels
     •    Investitionen in Unternehmen mit guten Governance-Praktiken

Die Offenlegungsverordnung (EU 2019/2088) wurde im Dezember 2019 verabschiedet und im
Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.15 Sämtliche Offenlegungspflichten werden noch
im Hinblick auf delegierte Verordnungen präzisiert und voraussichtlich im März 2021 zur
Anwendung kommen.

Aus den verstärkten Transparenzanforderungen der Finanzwirtschaft ergibt sich ein höherer Bedarf
an klimarelevanten Daten und Indikatoren der Realwirtschaft, den diese erfüllen muss. Die
Anpassungen der Offenlegungsverordnung stehen damit auch im Zusammenhang mit allgemeinen
Transparenzanforderungen im Rahmen der EU Non-Financial Reporting Directive. Die EU-
Kommission hat im Juni 2019 neue Leitlinien für die Angabe klimabezogener Informationen
veröffentlicht     („Non-binding       guidelines      on non-financial       reporting“16).     Sie    ergänzen die
bestehenden Richtlinien zur nichtfinanziellen Berichterstattung im Zusammenhang mit der CSR-
Richtlinie, vor allem in Bezug auf die Umsetzungen der Empfehlungen der TCFD.

Weitere regulatorische Initiativen im Bereich Finanzmarktregulierung und
-aufsicht

Zusätzlich zum EU-Aktionsplan wird auf EU-Ebene eine Reihe regulatorischer Initiativen entwickelt,
mit dem Ziel, den Finanzmarkt in Richtung Nachhaltigkeit umzugestalten:

     a) Aktionsplan nachhaltige Finanzen der EBA

Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) veröffentlichte im Dezember 2019 ihren
Aktionsplan für nachhaltige Finanzen.17 Dieser sieht im ersten Schritt eine Verankerung von ESG-
Kriterien in der Strategie und im Risikomanagement der Banken vor. Darüber hinaus umfasst er

15
   „Verordnung (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor“,
Europäische Union (Dezember 2019), https://eur-lex.europa.eu/legal-
content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019R2088&from=DE, aufgerufen am 29.01.2020
16
   „Leitlinien für die Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen (Methode zur Berichterstattung über
nichtfinanzielle Informationen) (2017/C 215/01)”, Europäische Kommission (Juni 2019), https://eur-lex.europa.eu/legal-
content/EN/TXT/?uri=CELEX:52017XC0705(01), aufgerufen am 28.01.2020
17
   „EBA Action Plan on Sustainable Finance”, European Banking Authority (Dezember 2019), https://eba.europa.eu/eba-
pushes-early-action-sustainable-finance, aufgerufen am 29.01.2020

15
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die                  Aufnahme                nachhaltiger                 Aspekte             in        aufsichtsrechtlichen                    Überprüfungs-                  und
Bewertungsprozesse (SREP) sowie Klimastresstests.

              b) Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 (MiFID II) sowie der
                        Delegierten Verordnung (EU) 2017/2359 (IDD)

Durch die Änderung der delegierten Verordnungen sollen Wertpapierfirmen, Wertpapiervermittler
und                Versicherungsvermittler                       verpflichtet             werden,             bei    der         Anlageberatung               ESG-Faktoren
einzubeziehen. Die finalen Entwürfe wurden bereits von der EU-Kommission veröffentlicht. Die
Annahme der delegierten Rechtsakte ist hier jedoch von der Verabschiedung der neuen
Regelungen über die Verordnung zur Offenlegung abhängig.

Folgende weitere Initiativen sind zu erwarten:

              •         Vorschlag zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken in Basel IV
              •         Berücksichtigung                 der      Rolle         der europäischen Aufsichtsbehörden                                       (ESAs)        bei     der
                        Untersuchung und Entwicklung von Standards für die Bewertung von CO 2- und anderen
                        umweltbezogenen Risiken sowie deren Offenlegung und Einbeziehung in den bankinternen
                        Risikobewertungsprozess; diese Standards sollen bei der bevorstehenden Überarbeitung
                        der Verordnungen zur Einrichtung der europäischen Aufsichtsbehörden berücksichtigt
                        werden
              •         bevorzugte Behandlung öffentlicher Investitionen im Zusammenhang mit ESG-Zielen
              •         Vorschlag zur Förderung und Vermarktung einer europäischen öffentlichen Emission von
                        Green Bonds durch europäische Institutionen wie die EIB
              •         Vorschlag zur Überarbeitung der Bestimmungen über Ratingagenturen

                                     Abbildung und Verknüpfung der EU Aktionsplan Ziele (blau = in der Umsetzung)
 Adressaten

                                                   Dienstleistungs-                                      Institutionelle
                          Unternehmen              anbieter (Rating                                      Investoren,                     Investitions-
                          & Projekte                                              Banken                                                                           Haushalte
                                                   Agenturen,                                            Anlagenverwalter,               berater
                                                   Datenanbieter)                                        Versicherungen

              1                                      9                                                  6                                                  2 Erstellung von
                   EU Nachhaltige                        Nachhaltigkeit in der Offenlegung                  ESG in Ratings und
                                                                                                                                                             Standards und
                   Taxonomie                             und Rechnungslegung                                Marktforschung
                                                                                                                                                             Labels

              3                                                                                 5
 Maßnahmen

                   Investitionen in                                                                  Nachhaltige
                   nachhaltige Projekte                                                              Benchmarks
                                                                                                                                  4
                                                                                                                                      Integration von Nachhaltigkeit in die
                    8                                                 7                                                               Anlageberatung
                        Nachhaltigkeit in aufsichtsrechtlichen            Pflichten
                        Anforderungen                                     institutioneller Anleger

              10
                  Förderung von nachhaltiger Unternehmensführung

              1                                                           2                                                       3
 Ziele

                             Neuausrichtung der                                       Nachhaltigkeit in das                                   Förderung von
                             Kapitalflüsse hin zu                                     Risikomanagement                                        Transparenz und
                             nachhaltigen Investitionen                               einfließen lassen                                       Langfristigkeit

Abbildung 1: Übersicht über die im Aktionsplan angekündigten Maßnahmen und
Umsetzungsschritte

16
Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung                Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

Aktuelle regulatorische Entwicklungen in Deutschland

Der Impuls durch den EU-Aktionsplan hat auch in Deutschland die regulatorische Dynamik zum
Thema Sustainable Finance beschleunigt, auf ministerieller Ebene wie                             auch durch die
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin):

     a) BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken

Die BaFin hat im Dezember 2019 ein Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken18
veröffentlicht.

Ziel: Ziel des Merkblattes ist es, der Finanzindustrie eine praxisnahe Orientierung (Good-Practice-
Ansätze)       anzubieten,        wie     sie     Nachhaltigkeitsrisiken      unter      Berücksichtigung        des
Proportionalitätsprinzips unternehmensindividuell berücksichtigen kann. Mit dem Merkblatt
unterstützt die BaFin darüber hinaus das grundsätzliche Bestreben der Europäischen Kommission,
den Markt für nachhaltige Geldanlagen zu fördern.

Adressaten: Der Adressatenkreis erstreckt sich auf alle von der BaFin beaufsichtigten
Unternehmen, vor allem auf Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds,
Kapitalverwaltungsgesellschaften und Finanzdienstleistungsinstitute, jeweils mit Sitz im Inland,
einschließlich ihrer Zweigniederlassungen im Ausland.

Regulatorischer Charakter: Laut BaFin sollen das Merkblatt verbindliche gesetzliche oder
aufsichtliche Vorgaben im Hinblick auf Nachhaltigkeitsrisiken weder abschwächen noch erweitern.
Es handelt sich insofern um eine Handreichung zur Erläuterung bestehender Regulierung, nicht
um eine eigenständige regulatorische Vorgabe.

Anwendungsbereich/Inhalte: Nachhaltigkeitsrisiken im Sinne des Merkblattes umfassen
Ereignisse aus den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung (ESG), deren Eintreten
tatsächlich oder potenziell erhebliche negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und
Ertragslage sowie auf die Reputation eines Unternehmens haben kann. Die BaFin betont dabei,
dass so verstandene „Nachhaltigkeitsrisiken“ keine separate Risikoart darstellen, sondern als
Teilaspekt bereits bestehender Risikoarten gesehen werden sollten.

Für die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken ist ein ganzheitlicher Ansatz notwendig. Dieser muss
die Anpassung der Geschäfts- und Risikostrategie, die Einbettung in die Geschäftsorganisation und
das eigentliche Risikomanagement umfassen und reicht von organisatorischen und personellen
Maßnahmen (z. B. Qualifikation und Bereitstellung von Ressourcen mit Know-how im Bereich
Nachhaltigkeit) bis hin zu prozessualen und methodischen Anpassungen (z. B. Aufnahme von
Nachhaltigkeitsaspekten in die Risikobewertungsprozesse). Dazu gibt die BaFin konkrete Beispiele,
wie ESG-Risiken in bestehenden Risikoklassen auftreten und welche Tools den entsprechenden
Risikomanagementprozess unterstützen können.

18
  „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken”, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Dezember 2019),
https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/dl_mb_Nachhaltigkeitsrisiken.pdf;jsessionid=3374A3FB6D8BDF
99FB046AFC592DFD4B.2_cid372?__blob=publicationFile&v=9, aufgerufen am 28.01.2020

17
Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung                  Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

Ausblick: Nachhaltigkeitsrisiken lassen sich nicht ausreichend über herkömmliche Risikomodelle
abbilden,     da   beispielsweise       historische     Daten fehlen.       Der mehrfache         Verweis     auf die
Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) zeigt, dass es sich bei dem Merkblatt
nicht um ein unverbindliches Dokument handelt. Die BaFin unterstreicht vielmehr ihre Absicht,
Nachhaltigkeit in der Finanzbranche zu einem aufsichtsrechtlichen Schwerpunktthema zu machen.
Dies zeigt sich auch in ihrer Veröffentlichung zu Aufsichtsschwerpunkten, in der sie das Thema
Nachhaltigkeitsrisiken als Schwerpunkt im Jahr 2020 aufgeführt hat.19

     b) Sustainable-Finance-Strategie der Bundesregierung

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) entwickelt gemeinsam mit dem Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und dem Bundesministerium für
Wirtschaft und Energie (BMWi) eine Sustainable-Finance-Strategie für Deutschland. Zur
Erarbeitung der Strategie wurde der Sustainable-Finance-Beirat mit 38 VertreterInnen aus
Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft eingesetzt.

Wichtigstes Ziel des Beirats ist es, die Bundesregierung bei der Erarbeitung einer nationalen
Sustainable-Finance-Strategie zu beraten und konkrete Handlungsempfehlungen für den nötigen
Transformationsprozess in Real- und Finanzwirtschaft zu entwickeln, um Deutschland zum
führenden Standort für Sustainable Finance zu machen.

Im Oktober 2019 fand hierzu der dritte Sustainable-Finance-Gipfel in Deutschland statt, in dem
erste Entwürfe für eine Strategie in Form eines Thesenpapiers veröffentlicht wurden.20 Vier
Arbeitsgruppen         erarbeiteten       einzelne      Thesen     und      Umsetzungsfelder          zu    folgenden
Themengebieten:

     •    Sustainable-Finance-Strategie und Kommunikation
     •    Finanzmarktstabilität und Risikomanagement
     •    Offenlegung und Transparenz
     •    Endkunden (Retail und institutionell)

Generell ist festzuhalten, dass Investoren auf EU-, aber auch auf nationaler Ebene zunehmend
verpflichtet werden, klimabezogene Informationen zu veröffentlichen. Damit steigen, sowohl
mittelbar als auch unmittelbar, die Anforderungen für Unternehmen der Realwirtschaft, diese
Informationen bereitstellen zu können.

19
   „Aufsichtsschwerpunkte 2020“, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht,
https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschuere/dl_Aufsichtsschwerpunkte2020.pdf?__blob=publicationFile&v
=3, aufgerufen am 29.01.2020
20
   „Der Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung – Selbstverständnis, Ambition und Zielsetzung”, Bundesministerium
der Finanzen (Oktober 2019), https://gsfc-germany.com/wp-content/uploads/2019/10/Sustainable-Finance-
Beirat_Thesen_final_DE.pdf, aufgerufen am 19.12.2019

18
Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung                                  Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

Übersicht zum Zeitplan und Stand der verschiedenen regulatorischen Initiativen

                                                           Q2 2019          September                     Dezember 2019
                                               Implementierung der                 2019                   Verordnung zur
                                                       Elemente des               EIOPA                   EU Taxonomie
                                              Aktionsplans basierend       veröffentlicht                                     2021 und 2022
   2015 C OP 21                                      auf TEG-Report
   Klimaabkommen                                                         Stellungnahme                                        Vollständige
                    März 2018      Juli 2018                           zu Nachhaltigkeit                    Dezember          Umsetzung des
   Paris            EU Aktionsplan TEG nimmt ihre                       im Rahmen von                       2019              Aktionsplans
                                   Arbeit auf                               Solvency II                     BaFin Merkblatt

                                                                       Juli 2019                                                 Schrittweise
      Jan 2018            Mai 2018                                     Leitlinien zur       Q3 2019        Dezember              Ausweitung des
 Abschlussbericht         Gesetzesvorschlag           Mai 2019         Veröffentlichung     EU-Ecolabel    2019                  Aktionsplans auf
       der HLEG           EU Aktionsplan                  ESMA         klimarelevanter                     EBA Aktionsplan       die Kriterien
                                                   veröffentlicht      Informationen                       nachhaltige           “Soziales” und
                                                     Technische        (NFRD Direktive                     Finanzen              “Governance”
                                                Empfehlungen zu        2016/2341)
                                                  nachhaltigem
                                                   Finanzwesen

Abbildung 2: Chronologische Übersicht wesentlicher regulatorischer Initiativen

 Regulatorische              Regulatorische Initiative                   Stand
 Ebene

 EU Action Plan              Taxonomieverordnung                         Trilog-Einigung;
                                                                         Anwendbarkeit: voraussichtlich 2020–2022
                             Referenzwerteverordnung                     Trilog-Einigung;
                             (Low Carbon Benchmarks)                     Veröffentlichung im Amtsblatt anstehend;
                                                                         Anwendbarkeit: ab 30. April 2020 für
                                                                         Benchmark-Administratoren
                             Offenlegungsverordnung                      Trilog-Einigung;
                                                                         Anwendbarkeit: voraussichtlich ab März
                                                                         2021
                             Green-Bond-Standard                         Green-Bond-Standard Bericht im Juni 2019
                             (GBS)                                       veröffentlicht; nächste Schritte liegen in der
                                                                         Verknüpfung des GBS mit der Taxonomie
 Weitere                     ESMA (MiFID II, UCITS,                      Bestreben, die ESMA-Nachhaltigkeitsrisiken
 regulatorische              AIFMD etc.)                                 und -faktoren in die einzelnen Richtlinien zu
 EU-Initiativen                                                          integrieren; die finalen Entwürfe dazu
                                                                         wurden von der EU-Kommission bereits
                                                                         veröffentlicht
                             EIOPA (Solvency II, IDD,                    Stellungnahmen zur Integration von
                             IORP2)                                      Nachhaltigkeit in Solvency II wurden von
                                                                         der EIOPA 2019 eingereicht; als wesentliche
                                                                         zusätzliche Maßnahme, um Nachhaltigkeit
                                                                         angemessener zu integrieren, sieht die
                                                                         EIOPA vor allem die Durchführung
                                                                         entsprechender Stresstests und
                                                                         Szenarioanalysen
                             EBA (Sustainable Finance                    Ziel für 2020 ist die Verfassung eines
                             Plan)                                       Diskussionspapiers zur Einbeziehung der
                                                                         ESG-Faktoren in das Risikomanagement und
                                                                         die Risikoüberwachung
 Deutschland                 BaFin-Merkblatt                             Merkblatt zum Umgang mit
                                                                         Nachhaltigkeitsrisiken, im Dezember 2019
                                                                         veröffentlicht
                             Sustainable-Finance-                        Thesenpapier veröffentlicht; der Beirat soll
                             Strategie                                   bis zum Ende der laufenden Legislatur
                                                                         arbeiten, die planmäßig im Oktober 2021
                                                                         abläuft; Veröffentlichung des
                                                                         Zwischenberichts voraussichtlich im März
                                                                         2020

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Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung                   Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

3. Modul 1: Bewertung von Klimarisiken
Der Klimawandel birgt signifikante Risiken für den deutschen, europäischen und globalen
Finanzmarkt.       Daher      müssen        Finanzunternehmen          Klimarisiken     erkennen      und    in    ihren
Investitionsentscheidungen           berücksichtigen.          Die   Transformation     zu    einer    klimaneutralen
Wirtschaft verändert Gewinnerwartungen für die Realwirtschaft. Dies erhöht die Unsicherheiten im
Finanzsektor und erfordert Anpassungen von Bewertungsmodellen, eröffnet aber auch neue
Chancen. Es ist daher unternehmerisch geboten, Klimarisiken in das Risikomanagement von
Finanzakteuren zu integrieren.

Die Diskussion zur Bedeutung von Klimarisiken für die Finanzwirtschaft hat in den letzten Jahren
weltweit     erheblich     an     Bedeutung       gewonnen,          sowohl    auf   Regulierungsseite       als     auch
investorenseitig. Einen großen Anteil daran hatte die Task Force on Climate-related Financial
Disclosure (TCFD). Die Bedeutung des Klimawandels für die Stabilität des Wirtschafts- und
Finanzsystems hat bereits im Jahr 2015 den Vorsitzenden des Financial Stability Board (FSB) und
des Gouverneurs der Bank of England, Mark Carney, dazu bewogen, eine Task Force aus
VertreterInnen der Wirtschaft einzusetzen, um Empfehlungen für die Berücksichtigung von
Klimarisiken      und    Chancen       im    Offenlegungsrahmen           zu    erarbeiten.    Die    TCFD     ist    ein
Zusammenschluss von Akteuren aus der Finanzbranche, der Handlungsempfehlungen für die
Identifizierung und Bewertung von Klimarisiken entwickelt hat. Im Vordergrund steht die
Berichterstattung von Unternehmen. Unternehmen sollen die unternehmensinterne Steuerung, die
Strategie, die       Risiken sowie Daten und               Ziele in Bezug auf Klimawandelresilienz                   und
Emissionsreduktionen veröffentlichen. Ziel ist eine globale, einheitliche Berichterstattung zu
Klimarisiken.

Was ist die Herausforderung?

Welche Klimarisiken gibt es? Gemäß der TCFD lassen sich drei Arten von Klimarisiken
unterscheiden.

     1. Physische Risiken entstehen durch veränderte und extremere Wetterbedingungen wie
          Dürren und Überflutungen und durch Folgen langfristiger Veränderungen des Klimas wie
          den Meeresspiegelanstieg.
     2. Transitionsrisiken sind die Risiken, die durch den Umbau zu einer klimaneutralen
          Wirtschaft entstehen, also durch Veränderungen in der Regulierung, von Technologien,
          Geschäftsmodellen und Markt- und Wettbewerbsstrukturen, sowie Reputationsverluste
          des Unternehmens.
     3. Haftungsrisiken können durch Erwartungen und Forderungen von Stakeholdern entstehen.

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Praxisleitfaden zur Förderung klimafreundlicher Finanzierung                 Dialogforum „Wirtschaft macht Klimaschutz“

 Transitionsrisiken                                                                        Chancen
     Politisch und rechtlich                                                                Ressourceneffizienz
                                         Risiken                        Chancen
     Technologie                                                                            Energieeffizienz

     Markt                                                                                  Produkte / DL

     Reputation                                    Strategische Planung                     Märkte
                                                    Risiko Management
 Physische Risiken                                                                          Resilienz
     Akut

     Chronisch
                                               Finanzielle Auswirkungen

        Umsätze                                                                                         Assets, liabilities
                                  GuV                   Cashflow-                 Bilanz
                                                        Rechnung
       Ausgaben                                                                                       Capital, financing

Abbildung 3: Klimabezogene Risiken und Chancen und ihre Auswirkungen21

Komplexität der Klimarisiken: Viele Klimarisiken sind branchenübergreifend und können sich
auf weitere Bereiche des Unternehmens auswirken: Upstream- und Downstream-Lieferketten,
Infrastruktur, Regulierung, gesellschaftliche Reputation, Akzeptanz und viele weitere Bereiche.
Zudem gibt es konkrete branchenspezifische Risiken. Daher ist es nötig, zunächst die wichtigsten
Risiken in der jeweiligen Branche, auch in Verbindung mit anderen Branchen, zu erkennen, und in
der Folge diese Risiken sowie die Verkettung verschiedener Klimarisiken abzuschätzen.

Unklarheit über Transitionspfade: Welcher Pfad beim Umbau zu einer klimaneutralen
Wirtschaft beschritten wird, wirkt sich auf die Marktentwicklung und somit auch auf die Bewertung
von Unternehmen und Ressourcen aus. Jedoch herrschen in vielen Ländern noch erhebliche
Unklarheiten über die einzuschlagende Richtung, die Geschwindigkeit der Transformation in den
verschiedenen Branchen und die Technologien, die dabei zur Anwendung kommen sollen. 22 Dies
erhöht die Transitionsrisiken für Unternehmen der Finanz- und Realwirtschaft, da ihre
Investitionen        als   sog.   „stranded     assets“        enden   können,    wenn     die   Unternehmen            die
Transformationsdynamik falsch einschätzen.

Methoden zu Risikobewertung: Risikomanagement ist Teil des unternehmerischen Handelns,
jedoch gibt es keinen allgemeingültigen Standard. Die Methodik der Risikobewertung ist oft
spezifisch auf das Unternehmen zugeschnitten. Klimafolgen spielen dabei bislang selten eine
prominente Rolle. Zwar geben Unternehmen an, dass Naturkatastrophen und das Klima zu den
wichtigsten Risiken für sie zählen, jedoch haben nur wenige Unternehmen der Finanz- und
Realwirtschaft strukturierte Prozesse, um Klimarisiken zu identifizieren, zu bewerten und in das

21
   „Recommendations of the Task Force on Climate-related Financial Disclosures”, Task Force on Climate-related Financial
Disclosures (Juni 2017), www.bit.ly/TCFDRecommendations, aufgerufen am 03.02.2020, eigene Darstellung
22
   „Klimapfade für Deutschland“, Deutsche Energieagentur: dena-Leitstudie Integrierte Energiewende (Juli 2018),
https://www.dena.de/fileadmin/dena/Dokumente/Pdf/9261_dena-Leitstudie_Integrierte_Energiewende_lang.pdf, aufgerufen
am 27.11.2019

21
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