QUEERZEIT - IDAHOBIT SEITE 32 - SOMMER 2020 - LSVD Sachsen-Anhalt
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QUEERZEIT DIE ZEITSCHRIFT DES LSVD SACHSEN-ANHALT SOMMER 2020 TITELTHEMA AKTION ZUM 9 772700 691307 SCHUTZ?! IDAHOBIT ISSN: 2700-6913 SEITE 32 SEITE 03 - 20
INHALTSVERZEICHNIS Editorial: Editorial: Stonewall nach Landtagsbeschluss – Aufstand 30 Jahren Kampf 03 Forderungen der CSD´s Selbstverständlich in Sachsen-Anhalt vielfältig? 06 CSDist Das 2018 in Halle noch & Magdeburg ein weiter Weg 08 GOQUEER Schutz vongewinnt LSBTTIQ* im internationalen Vergleich 13 12 Es war Einmal... Warum Vereintefür viele Geflüchtete das Schwulenbewegung Asylverfahren brachte eine hohe Hürde darstellt Unrechts-Paragraph 175 zu Fall 18 14 COME Es war IN Weekly Einmal: (AprilStandesamt Aktion - Juli) 18 22 Lambdas "Erstes Mal" 3 Jahre GOQUEER: Eine kurze Zeitreise 25 26 Andere Länder, Andere Queere Verbände: LSVD Veranstaltungen The Proud zum CSD Trust - Manchester, UKMD 2020 30 26 LSVDblog lsbti* Veranstaltungen 2018 27 Sommer 2020Mut… Endlich den 32 28 Banana Serienabend Weekly Jan-Mai 2020 29 46 Homosexualität und Islam 30 Terminübersicht 50 Fachtag zur Vorurteilskriminalität 31 Umgang mit sexueller Vielfalt in der sozialen Arbeit 32 Weihnachtscafé 33 Landesverfassung: LSVD legt Gesetzentwurf vor 34 GOQUEEER auf dem CSD Köln 37 Terminübersicht 39
LANDTAGSBESCHLUSS NACH 30 JAHREN KAMPF Sexuelle Minderheiten in Sachsen-Anhalt endlich durch Verfassung geschützt Im Zuge der Parlamentsreform am 28. Feb- LSVD-Talkrunde am 23.08.2018 ruar 2020 hat der Landtag von Sachsen-Anhalt im Magdeburger Familienhaus auch die Landesverfassung geändert. Nicht zum Thema „Sexuelle Vielfalt verfas- nur der Klimaschutz und der Tierschutz, son- sungsrechtlich schützen“ dern auch die Gleichwertigkeit der Lebensver- hältnisse und der Antifaschismus, sowie das FOTO: Podium v.l.n.r.: Verbot von rassistischen und antisemitischen Siegfried Borgwardt (CDU), Aktivitäten sind darin neu verankert worden. Ministerin Anne-Marie Keding (CDU), Gerade in Zeiten des Wiedererstarkens rech- Philipp Edlich (Vorsitzender der Liberalen ten und menschenfeindlichen Gedankenguts Schwulen- und Lesben Mitteldeutschland), ist dies richtungsweisend für unsere gesell- Cornelia Lüddemann (Grüne), schaftliche Entwicklung im 21. Jahrhundert. Henny Engels (LSVD Bundesvorstand), Eva von Angern (DIE LINKE), Fast unbemerkt wurde zugleich das Diskrimi- Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen (SPD), nierungsverbot aufgrund der sexuellen Identität Günther Dworek (LSVD Bundesvorstand) im Gleichbehandlungsartikel 7 Absatz 3 der QUEERZEIT | 03
Landesverfassung beschlossen. Im Gegen- einen tiefgehenden Beitrag zum Thema vom satz zu den Nachbarländern Brandenburg und Abgeordneten Sebastian Striegel, queerpoli- Thüringen war dies 1992 bei der Schaffung tischer Sprecher von BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der Verfassung für das Land Sachsen-Anhalt NEN: „Die deutsche Gesellschaft hat sich politisch nicht gewollt. deutlich liberalisiert und die rechtliche Situ- ation hat sich stark verbessert. Doch diese Der nun verfassungsrechtlich verbriefte Entwicklung ist nicht unumkehrbar und viele Schutz der Vielfalt sexueller und geschlecht- Menschen sehen sich wegen ihrer sexuellen licher Identitäten vor Ausgrenzung, Diskrimi- Identität auch heute tagtäglicher Diskriminie- nierung und Gewalt war überfällig. Ein fast rung ausgesetzt. Wahrhaft demokratisch kann 30-jähriger Kampf von Lesben und Schwulen eine Gesellschaft aber nur sein, wenn sie sich und Menschen mit anderen sexuellen und ge- schützend vor ihre Minderheiten stellt. An die- schlechtlichen Identitäten war seit der Wie- ser Stelle gehen wir nun einen längst überfäl- dervereinigung erforderlich, um die Politik in ligen Schritt.“ Sachsen-Anhalt von der dringenden Notwen- digkeit zu überzeugen. Nun gilt es weiter solidarisch zu sein und für Verfassungsänderungen in den anderen Erst im Frühjahr 2016, im Zuge der Bildung der Bundesländern sowie für eine Ergänzung des Landesregierung aus CDU, SPD und BÜND- Gleichbehandlungsartikels im Grundgesetz zu NIS 90/DIE GRÜNEN, kam wieder Bewegung kämpfen. Denn schon im Aufruf des Schwu- in die Debatte zur Änderung der Landesver- len Aktionsbündnisses 1990 hieß es: „Die Le- fassung. Auf Drängen der Bündnisgrünen in benssituation Schwuler und Lesben darf nicht der damaligen Arbeitsgruppe für die Themen von unberechenbaren Regierungsmehrheiten Justiz und Gleichstellung zur Formulierung abhängen.“ des schwarz-rot-grünen Koalitionsvertrages wurde die Ergänzung der Landesverfassung FRÜHE BLÜTE & LANGE um das Merkmal der sexuellen Identität un- DURSTSTRECKE – WERDEGANG missverständlich im Koalitionsvertrag der BIS ZUM VERFASSUNGSSCHUTZ Landesregierung verankert. Eduard Stapel, Von der Wiedervereinigung 1990 bis zur „sexu- Mitbegründer und Vorkämpfer des LSVD, ellen Identität“ in Sachsen-Anhalts Verfassung freute sich 2016 darüber, dass er diesen Au- 2020 genblick noch miterleben konnte. Der LSVD und die gesamte LSBTI*-Community Sach- Der Schwulenverband in Deutschland (SVD, sen-Anhalts erhöhten bis zuletzt den politi- später LSVD) beschloss schon bei seiner Grün- schen Druck. Mit den Stimmen von CDU, SPD, dung am 18. Februar 1990 in Leipzig im Forde- DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kam rungskatalog die „Ergänzung der Verfassung die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im Zuge der dahingehend, dass Gleichberechtigung auch beschlossenen Parlamentsreform letztend- unabhängig von der sexuellen Orientierung lich doch noch vor Ende der Legislaturperi- zugesichert und gewährleistet wird“ ode zustande. Der DDR-Bürgerrechtsbewegung gelang Im Rahmen der drei Lesungen zur Parla- es Anfang 1990 erstmals in der deutschen mentsreform und Änderung der Verfassung Rechtsgeschichte ein explizites Verbot von gab es im Landtag am 30.01.2020 lediglich 04 | QUEERZEIT
Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orien- tierung in zentralen Gesetzeswerken zu ver- ankern (Vereins-, Parteien- und Wahlgesetze). Dieser Antidiskriminierungsgedanke wurde aber in den nachfolgenden Gesetzgebungen im Zuge der Wiedervereinigung leider nicht mehr aufgegriffen. Das Kriterium „sexuelle Orientierung“ wurde 1990 in den Verfassungsentwurf des „Zent- ralen Runden Tisches“* aufgenommen. Der gesamte Entwurf wurde aber von der Volks- kammer nach der ersten freien Wahl in der DDR am 18.03.1990 auf massiven Druck der Bundesregierung wieder ad acta gelegt. Noch vor der Wiedervereinigung beschloss am Hintergrund: Im Runden Tisch trafen sich 11. Juli 1990 die Stadtverordnetenversamm- vom 7. Dezember 1989 bis zum 12. März lung von Ost-Berlin eine neue Verfassung für 1990 in 16 Sitzungen Abgeordnete der den Osten der Stadt, in der das Diskriminie- DDR-Regierung und Vertreter*innen der rungsverbot wegen sexueller Orientierung zum DDR-Oppositionsgruppen, um den Über- ersten Mal in der deutschen Geschichte Be- gang von der DDR-Diktatur zur Demokratie standteil einer rechtswirksamen Verfassung und zur ersten freien Wahl zu organisieren. wurde, wenn auch nur für eine kurze Dauer. Die Schwulen- und Lesbenbewegung war in der DDR fester und gleichberechtigter 1990/1991 erfolgte der erste gemeinsame Bestandteil der Oppositionsbewegung. Aufruf des Schwulen Aktionsbündnisses aus Berliner Schwulenverband (BSV), Schwulenver- band in Deutschland (SVD) und Verband von 1974 (VV’74) für die Verankerung der sexuel- der Landesverfassung an den Landtag mit len Identität/Orientierung in den neuen Ver- Forderung nach Aufnahme der „sexuellen Ori- fassungen der 5 neuen Bundesländer sowie entierung“ in den Gleichbehandlungsartikel für Gesamtberlin. In den Jahren 1992 bis 2019 war die Forderung Eingabe des Schwulenverbands in Deutschland zur Änderung der Landesverfassung immer (SVD) am 8. Mai 1991 an den Deutschen Bun- wieder Teil der CSD-Forderungen in Sach- destag zur Überarbeitung des Grundgesetzes mit sen-Anhalt, sowie der Gegenstand von LSVD- Forderung nach Aufnahme der „sexuellen Orientie- Wahlprüfsteinen bei den Landtagswahlen rung“ in den Gleichbehandlungsartikel – Eingaben auch des Landesverbandes Sachsen-Anhalt an Zum 60. Jahrestag des Grundgesetzes 2009 den Landtag intensiviert der LSVD die 3+ Kampagne Arti- keldrei für eine Ergänzung des Diskriminie- Am 7. Januar 1992 sendet der SVD Sach- rungsverbotes in der Verfassung sen-Anhalt eine Stellungnahme zum Entwurf QUEERZEIT | 05
gemeinsam zum Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität in der Verfas- sung des Landes Am 3. Januar 2019 startet der LSVD einen er- neuten Aufruf: „3+ - Gleichstellung im Grund- gesetz verankern“. In einem erweiterten Artikel 3 Absatz 3 GG soll es in Zukunft auch heißen: "Niemand darf wegen seiner sexuellen und geschlechtlichen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden." 28.02.2020: Änderung der Landesverfassung mit 63-Ja-Stimmen, 21-Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen im Landtag von Sachsen-Anhalt SEXUELLE MINDERHEITEN IN 6 BUNDESLÄNDERN VOR DER VERFASSUNG GESCHÜTZT Brandenburg: beschlossen am 14. April 1992 im Landtag und 14. Juni 1992 (Volksentscheid) Thüringen: beschlossen am 25. Oktober 1993 Berlin: beschlossen am 8. Juni 1995 im Abgeordnetenhaus und am Artikel aus Leipziger 22. Oktober 1995 (Volksentscheid) Volkszeitung 24.06.1991 Hansestadt Bremen: beschlossen am 4. September 2001 Saarland: beschlossen am 13. April 2011 2016 Aufnahme des Ziels zur Ergänzung der Sachsen-Anhalt: Landesverfassung um das Merkmal „sexuelle beschlossen am 28. Februar 2020 Identität im Koalitionsvertrag der schwarz-rot- grünen Landesregierung Mathias Fangohr Bei LSVD-Talkrunde des LSVD Sachsen-Anhalt Dipl. Soz. Päd. am 23.08.2018 bekannten sich erstmals alle LSBTI*-LKS Sachsen-Anhalt Nord Spitzenpolitiker*innen der Landtagsfraktio- nen aus CDU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Justiz- und Gleichstel- lungsministerin Anne-Marie Keding und FDP 06 | QUEERZEIT
Dienstag 20-22 Uhr Otto-von-Guericke-Str. 41 39104 Magdeburg Life Support DAS QUEERE ANTI-GEWALT- & ANTI-DISKRIMINIERUNGS-PROJEKT Projekt des LSVD Sachsen-Anhalt, gefördert vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt.
SELBSTVERSTÄNDLICH VIELFÄLTIG? DAS IST NOCH EIN WEITER WEG Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und interge- ten geschlechtsangleichenden Operationen an schlechtliche Menschen (LSBTI) haben sich viel intergeschlechtlich geborenen Kindern gibt es an persönlicher und gesellschaftlicher Freiheit bisher lediglich einen Referent*innen-Entwurf erkämpft. Aber auch nach der Ehe für alle und für ein mögliches Verbot. der Einführung des dritten positiven Geschlechts- eintrages gibt es noch immer gleichstellungspo- Die Zahlen von Übergriffen auf LSBTI steigen litische Leerstellen. deutlich an. Die Angst, Händchen haltend durch die Stadt oder durch das Dorf zu gehen oder we- So werden etwa Zwei-Mütter-Familien diskrimi- gen der eigenen Identität beleidigt oder angegrif- niert, indem man ihnen das Verfahren der Stief- fen zu werden ist leider immer noch ziemlich kindadoption aufzwingt, um die gemeinsame real. Allein im letzten Jahr hat das Bundesin- Elternschaft zu erreichen. Mehrelternfamilien nenministerium 564 politisch motivierte Straf- kennt unser Familienrecht ebenso wenig, wie die taten aufgrund der sexuellen Orientierung bzw. Co-Mutterschaft. Bei der rechtlichen Anerken- geschlechtlichen Identität gezählt. Das ist ein nung der geschlechtlichen Identität sieht es nicht Anstieg von 60 % im Vergleich zum Vorjahr. Bei viel besser aus. Zwar gab es die Entscheidung einer Dunkelziffer von 80 – 90 % sind die offizi- des Bundesverfassungsgerichts zu einem drit- ellen Zahlen nur die Spitze des Eisbergs. ten positiven Geschlechtseintrag, jedoch bewies Mit ihrer Ideologie der Abwertung nicht-hetero- der Bundesgerichtshof mit seiner verstörenden sexueller bzw. nicht-cisgeschlechtlicher Men- Entscheidung im April 2020, wie fragil die Frage schen wirken religiöse Fundamentalist*innen, der Anerkennung der geschlechtlichen Identität rechtspopulistische Parteien und Rechtsradikale für trans*- und intergeschlechtliche Menschen als Katalysator. Sie legitimieren und verstärken noch heute ist. Auch beim Verbot von sogenann- Homosexuellen- und Transfeindlichkeit. 08 | QUEERZEIT
LSBTI-Feindlichkeit entsteht jedoch nicht im luft- nommen wird. Um das Recht der sexuellen und leeren Raum. Häufig entwickeln sich feindliche geschlechtlichen Selbstbestimmung zu stärken, Haltungen bereits in frühen Jahren. Noch im- muss das Transsexuellengesetz abgeschafft mer ist es so, dass es „Schwule Sau“, „Lesbe“ und durch ein menschenrechtsorientiertes Ge- oder „Transe“ über die Schulhöfe tönt und als schlechtsidentitätsgesetz ersetzt werden. Än- Schimpfwort von vielen Lehrkräften unwider- derungen des Vornamens und des rechtlichen sprochen bleibt. Dies zeigte beispielsweise die Geschlechts müssen auf Antrag beim Standes- Umfrage "Lsbti* Jugendliche in Berlin". Nur 66 % amt möglich sein. der befragten Berliner Lehrkräfte gaben an, dass sie bei LSBTI-feindlichen Verhalten einschreiten FAMILIENVIELFALT ANERKENNEN würden - für 34 % scheint das nicht selbstver- Das Familien- und Abstammungsrecht muss ständlich zu sein. Was auf dem Schulhof trau- reformiert werden. Es ist nicht vermittelbar, rige Realität ist, findet sich leider auch in vielen weshalb Kinder und Eltern in Regenbogenfa- Schul- und Unterrichtsmaterialien wieder. milien noch immer als Familienform zweiter Lebensrealitäten von LSBTI oder nicht-binäre Klasse behandelt werden sollen. Gesellschaft- Menschen tauchen in den wenigsten Materia- lich existiert schon heute eine Vielzahl von len auf. Noch immer hängt es stark von den je- Familienmodellen, die unser Recht jetzt auch weiligen Pädagog*innen ab, ob Vielfalt auch in endlich anerkennen muss. Kinder und Fami- der Schule als fächerübergreifendes Thema ver- lien in ihren unterschiedlichen Konstellationen standen wird oder eben auch nicht. haben das Recht darauf, gestärkt und unter- stützt zu werden. Der Gesetzgeber muss die- Die Regenbogenfahne über Deutschland ist also ses Recht auch absichern. allenfalls ein Flickenteppich, kein gleichstellungs- politisches Aushängeschild. Dass Deutschland RESPEKT UND VIELFALT IN damit in Europa alles andere ist als Spitze, zeigt die aktuelle Rainbow Map der europäischen SCHULE UND UNTERRICHT VERMITTELN LSBTI-feindlichen Einstellungen kann bereits Dachorganisation ILGA-Europe. Obwohl sich in der Schule begegnet werden. Mithilfe schu- Deutschland in dem europäischen Gleichstel- linterner Vereinbarungen zum gegenseitigen lungsindex mit 51 % um 4 Prozentpunkte verbes- Respekt von Schüler*innen und Lehrkräften sert hat, reicht es auch in diesem Jahr nicht für untereinander kann für Vielfalt und ein res- die Top 10, sondern lediglich für das Mittelfeld. pektvolles Miteinander geworben werden. Ver- Doch das könnte sich ändern, wenn es die Bun- bindliche Bildungspläne und Lehrmaterialien, desregierung und die Länder mit der Akzeptanz die vielfältige Lebensweisen und Identitäten von LSBTI ernst meinen. abbilden und thematisieren, tragen zusätzlich dazu bei, dass Kinder gegen Ideologien ge- DISKRIMINIERUNGSSCHUTZ AUSBAUEN – stärkt werden, die nicht-heterosexuelle Men- GESCHLECHTLICHE schen abwerten und cis-Geschlechtlichkeit SELBSTBESTIMMUNG STÄRKEN zur gesellschaftlichen Norm erklären. Dabei Rechtspolitisch muss der Schutz vor Diskriminie- ist es wichtig, die Regenbogenkompetenz von rung ausgebaut werden. Dazu gehört, dass die Pädagog*innen und Lehrkräften in Ausbildung Lücken im Allgemeinen Gleichbehandlungsge- und Weiterbildung zu erhöhen und ihnen im setz geschlossen werden und dass der Schutz Umgang mit LSBTI-Feindlichkeit Handlungs- der sexuellen Identität in Artikel 3 Absatz 3 aufge- sicherheit zu geben. QUEERZEIT | 09
HASS UND HETZE GEGEN Wenn die Mitte der Gesellschaft verstanden LSBTI ENTGEGENTRETEN hat, dass alle Menschen davon profitieren, Alle Bundesprogramme zur Demokratieförde- ohne Angst vor Anfeindungen an jedem Ort rung und zur Prävention von menschenfeindli- verschieden sein zu können, dann haben wir chen Ideologien wie Rechtsextremismus oder auch im Kampf gegen LSBTI-Feindlichkeit ei- Islamismus sollten die Bekämpfung von LSB- nen Meilenstein erreicht. Denn Homophobie TI-Feindlichkeit und das Empowerment von und Transfeindlichkeit kann alle treffen, unab- LSBTI ausdrücklich ausweisen. Zusätzlich hängig davon, ob die Person lesbisch, schwul, ist ein Bund-Länder-Programm gegen LSB- bisexuell, heterosexuell, trans*- oder cisge- TI-feindliche Gewalt mit Konzepten zu Prä- schlechtlich ist. Denn jeder Mensch, der für vention, zur Aus- und Fortbildung von Polizei einen anderen aus der Norm von Geschlecht und Justiz sowie zur ausreichenden Unterstüt- oder sexueller Orientierung fällt, kann betrof- zung von Opferhilfe-Einrichtungen notwendig. fen sein. Daher ist es für unsere Gesellschaft Die Landesregierungen müssen stärker in die wichtig, dass wir gemeinsam und solidarisch Pflicht genommen werden, die Arbeit von LSB- füreinander eintreten und uns unterstützen. TI-Anti-Gewalt-Projekten zu fördern. Um das LSBTI-Feindlichkeit ist kein Problem einer Min- Dunkelfeld bei LSBTI-feindlicher Hasskrimina- derheit, sondern eines, dass uns alle angeht. lität zu erhellen, sollten bei den entsprechen- den Bestimmungen LSBTI-feindliche Motive René Mertens explizit benannt werden. Bund-Länder-Koordination LSVD Bundesverband der queere Jugendtreff in Magdeburg Montags 17-21 Uhr Otto-von-Guericke-Str. 41, Magdeburg Projekt des LSVD Sachsen-Anhalt, gefördert vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt.
Queere Artikel fürs Ohr JEDEN DIENSTAG EINE NEUE FOLGE IM PODCAST FEED VON GOQUEER HÖREN & ABONNIEREN Projekt des LSVD Sachsen-Anhalt, gefördert vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt.
SCHUTZ VON LSBTTIQ* IM INTERNATIONALEN VERGLEICH
Mit der Allgemeinen Erklärung der Menschen- In Deutschland waren gleichstellungspoli- rechte von 1948 machten die Vereinten Na- tische Bestrebungen durch Homosexuelle, tionen unmissverständlich klar, dass alle nachdem die Frauenbewegung bereits einige Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen Erfolge (Frauenwahlrecht 1918) erzielt hatte, frei und gleich an Würde und Rechten geboren mit der Machtergreifung der Nazis schnell sind, und jeder Anspruch auf die in der Erklä- zerschlagen worden. Auch nach dem Ende rung formulierten Rechte und Freiheiten ohne des Nazi-Regimes waren Homosexuelle in irgendeinen Unterschied hat. Menschenrechte Deutschland weiterhin strafrechtlicher Ver- sind universell und unteilbar. folgung ausgesetzt. Aus heutiger Sicht ist absolut klar, dass dieses staatliche Agieren Das war in der Form neu. Doch nur allmählich eindeutig menschenrechtswidrig war, und bildeten sich in einzelnen Ländern Gesetzmä- auch die Tatsachen, dass queere* Menschen in ßigkeiten heraus, die nationale oder ethnische Deutschland bis zur Entkriminalisierung ihrer Minderheiten vor Diskriminierung schützten sexuellen Orientierung mitunter ihre Arbeits- und (zumindest juristisch-formale) Gleichstel- plätze, Wohnungen oder das Sorgerecht für lung herstellten. Meist mussten diese Gesetz- leibliche Kinder verloren. Nur zögerlich konnte mäßigkeiten erst mühevoll durch jahreslanges sich der Gesetzgeber vom § 175 StGB trennen. aktivistisches Engagement erwirkt werden, Es dauerte Jahrzehnte – bis 1994. oftmals unter Erbringung großer Opfer. YOGYAKARTA – MENSCHENRECHTE EIN MEILENSTEIN FÜR LSBTTIQ* ERKÄMPFEN TROTZ Um die Jahrtausendwende erlangten die Men- INTERNATIONALER GÜLTIGKEIT schenrechte zunehmend Bedeutung hinsicht- Herausragendes Beispiel ist der lange Weg, lich ihrer im Grunde als selbstverständlich zu den Afroamerikaner*innen in den USA ge- betrachtenden Gültigkeit auch in Bezug auf se- hen mussten, dem Land, das für Freiheit und xuelle Orientierung und Geschlechtsidentität. Selbstverwirklichung steht, wie kein anderes. Es dauerte Jahre, bis die schwarze Bürger- Am 26. März 2007 wurden im indonesischen rechtsbewegung ab Ende der 1960er Jahre Yogyakarta von international anerkannten schließlich zögerliche Verbesserungen errang. Menschenrechtsexpert*innen die „Yogya- Vorausgegangen waren Akte Jahrhunderte karta Principels“ verabschiedet. Darin finden dauernder Unterdrückung, Straßenschlach- die allgemeinen Menschenrechte der Verein- ten mit unzähligen Verletzten und Toten, po- ten Nationen erstmalig Anwendung in Bezug litische Morde an PoCs (Person of Colour) auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsi- wie Dr. Martin Luther King jr. oder Malcolm dentität. Jedes einzelne Recht wurde explizit X. Ähnlich erging es der Homosexuellenbe- auf seine Anwendung diesbezüglich überprüft wegung in den USA. Sie erreichte erst einige und enthält konkrete Anregungen zur recht- Jahre nach den Stonewallriots die Streichung lichen Umsetzung. Ziel der Yogyakarta Prin- von Homosexualität aus dem Krankheitska- zipien ist die Bekämpfung von Gewalt und talog der American Psychiatric Association. strafrechtlicher Verfolgung von LSBTTIQ*. Sie QUEERZEIT | 13
stellen einen guten Gradmesser dar, wie weit walt, Vergewaltigung oder Mord. In vielen Staa- der Abbau von Diskriminierung in einzelnen ten sind diese Diskriminierungen von LSBTTIQ* Ländern vorangeschritten ist. aktuell und an der Tagesordnung. Im April 2020 kam es gegenüber Homosexuellen nach einer ENTKRIMINIALISIERUNG - Aufforderung einer Trans-Influencerin, schwule DER ERSTE SCHRITT ZUR Männer in Marokko über eine Dating-Plattform GLEICHSTELLUNG zu outen, zu Gewalt, Morddrohungen und Ver- Noch heute - 13 Jahre nach den Yogyakar- lust der gesellschaftlichen Teilhabe. Viele ver- ta-Prinzipien, 72 Jahre nach der Allgemeinen loren ihre Arbeit und die Wohnung. Ein herber Erklärung der Menschenrechte – werden Men- Rückschlag für die Emanzipationsbewegung. schen in über 70 Ländern der Erde auf Grund Aus dem Iran werden regelmäßig staatlich orga- ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlecht- nisierte Hinrichtungen Homosexueller gemel- sidentität kriminalisiert. Ihnen droht strafrecht- det. In Tschetschenien wurden 2017 und 2019 liche, also staatliche Verfolgung, in einigen LSBTTIQ* festgenommen, in Lager verbracht Ländern sogar die Todesstrafe. Im Dezem- und gefoltert, einige haben dies nicht überlebt. ber 2019 waren dies Iran, Saudi Arabien, So- malia, Sudan, Jemen und der nördliche Teil Die Entkriminalisierung ist der erste Schritt zur von Nigeria. Staatliche Behörden unterdrücken Gleichstellung von LSBTTIQ* in einer Gesell- LSBTIQ* strukturell und verwehren Schutz den schaft. Dieser muss die aktive Gleichstellung Schutz vor Gewalt, oftmals einhergehend mit durch Implementierung schützender Gesetz- dem Schüren von Hass gegen sexuelle Min- gebung folgen. Häufig besteht diese staatliche derheiten. Dies führt zu gesellschaftlicher Un- Anerkennung von LSBTTIQ* in der Zulassung sichtbarkeit, Ausgrenzung – oft auch durch die gleichgeschlechtlicher Ehen oder eingetragener eigene Familie – in schlimmsten Fällen zu Ge- Lebenspartnerschaften. Diese sind Zeichen in ALTE AUSGABEN NOCHMAL NACHLESEN HALT DIE ZEITSCHRIFT DES LSVD SACHSEN-AN DIE ZEITSCHRIFT DES LSVD SACHSE SOMMER 2019 N-ANHALT DEZEMBER 2018 WWW.QUEERZEIT.NET QUEERZEIT SPEZIAL QUEERZEIT SPEZIAL Editorial LEsbische [ ]SBTTIQ*? Drittes Editorial Die 3. Option – SICHTBARK EIT Geschlecht ÜBER DIE ROLLE VON LESBEN mehr als ein IN DER COMMUNITY AUF DEN SEITEN 03 BIS 17 „Drittes Geschlec SEITEN 02 BIS 17 AUF DEN ht“ 19-01_Queerzeit-Dominic s iMac.indd 1 13.07.19 09:39
die jeweilige Gesellschaft hinein, dass Diskri- Menschen mit Merkmalen, denen gegenüber minierung staatlicherseits nicht mehr geduldet gruppenbezogene Vorurteile in Gesellschaften wird, zumal oft viele weitere Rechtsfelder damit verankert sind, bspw. Geschlecht, Hautfarbe, verbunden sind, wie bspw. Erbrecht, Adoptions- Herkunft) sind immer auch Ausdruck von ge- recht, Namens-, Aufenthalts- oder Steuerrecht. sellschaftlicher (Nicht-)Akzeptanz, auch wenn Umfassenden Schutz vor staatlicher Diskrimi- diese nur von Teilen der Bevölkerung herrührt. nierung kann aber letztlich nur die verfassungs- Vielerorts – auch in fortschrittlichen und LSBT- mäßige Verankerung von LSBTTIQ*-Rechten TIQ*-freundlichen Regionen wie Nordamerika gewährleisten. Diesen Schutz mit Verfassungs- oder Westeuropa - versuchen ultrakonserva- rang gewähren derzeit bereits Mexiko, Bolivien, tive und fundamentalreligiöse Kräfte, gegen Ecuador, Schweden, Portugal, Südafrika, Nepal, LSBTTIQ* Stimmung zu machen. Während Malta und Kosovo. man in unseren Breiten darüber lächeln und recht entspannt händchenhaltend den ört- KOSOVO – lichen CSD besuchen kann, mündet dieses SCHUTZ VON LSBTTIQ* Hassschüren andernorts in bisweilen skurrile GENIESST VERFASSUNGSRANG Ergebnisse. Anfang dieses Jahres machte Polen mit „LSBTTIQ*-freien Zonen“ Schlag- Insbesondere Kosovo in dieser Liste zu finden zeilen, viele deutsche Partnerstädte zeigten ist erstaunlich. Der Kosovo ist ein Paradebeispiel sich irritiert und intervenierten. In Osteuropa dafür, wie gegensätzlich sich die grundlegend wird zunehmend sichtbar diskriminiert. Un- positiv zu bewertende Rechtslage für LSBTTIQ* garn verabschiedete im Mai 2020 ein Gesetz, und im Gegensatz dazu der gelebte Alltag mit welches die Recht von Trans* und Inter* wei- Unsichtbarkeit und weitgehend im Verborgenen ter einschränkt. stattfindenden Sexualität gestalten. Dies führt ein weiteres Problem auf. Denn die Entkrimina- WAS FEHLT? lisierung von LSBTTIQ* und die Gewährung von Umso wichtiger ist die Begleitung der ge- Schutz vor Diskriminierung auf Verfassungsrang setzlichen Regelungen durch massive Auf- nebst begleitender schutzbietender Gesetzge- klärungskampagnen zur flächendeckenden bung sind nicht automatisch Garanten für ein Akzeptanzsteigerung in Gesellschaft und staat- diskriminierungsfreies Leben. So ist beispiels- lichen Strukturen. Die Staaten müssen dorthin weise die Mordrate an Trans*frauen in den USA, kommen, LSBTTIQ* aktiven Schutz zu garan- Brasilien und Mexiko besonders hoch, obwohl tieren und dafür zu sorgen, dass für Hass und Brasilien und die USA einen weitgehenden ge- Hetze kein Raum bleibt. Der Kampf um Gleich- setzlichen Schutz vor Diskriminierung auf Grund berechtigung und für Beendigung von Diskri- der sexuellen Orientierung garantieren und Me- minierung ist nicht zu Ende. Es geht weiter. xiko diesen sogar verfassungsmäßig verankert hat. Möglicherweise spielen hier zusätzliche, in- tersektionale Aspekte wie Frauenfeindlichkeit Maggie Gruber (Mysogynie) oder Rassismus eine Rolle. Gewalttaten an LSBTTIQ* (ebenso wie an QUEERZEIT | 15
SEXUAL ORIENTATION LAW From criminalisation of consensual same-sex sexual acts between ad Greenland Iceland F Norway Sweden Canada Denmark Lith Ireland UK Netherlands Germany Poland Belgium Czechia Lux. Slovakia Liecht. Austria France Swit. Hungary Slovenia Croatia R S. Marino Serbia B&H Andorra Italy Monaco M K Spain Vatican NM Portugal A United States of America Gr Tunisia Malta Morocco Algeria Libya Bahamas Western Mexico Sahara Cuba Mauritania Dominican Republic Haiti Puerto Rico (P) Mali Antigua and Barbuda Niger Belize Jamaica Cape Verde St. Kitts and Nevis Dominica Chad Senegal Guatemala Honduras St. Vincent and Grenadines St. Lucia Gambia El Salvador Nicaragua Grenada Barbados Burkina Guinea Bissau Faso (E) Guinea Benin Costa Rica Panama Trinidad and Tobago Nigeria Sierra Leone Togo Venezuela Côte d'Ivoire Cent Guyana Liberia Ghana African R Cameroon Colombia Sur. Fr. Guy. Equatorial Guinea Ecuador São Tomé Gabon De and Príncipe Re Congo th Peru Brazil Angola Bolivia Namibia Chile Paraguay Sout Uruguay Argentina Protection against discrimination based on sexual orientation Constitutional Broad Employment Limited/U 11 55 75 TM Protection Protection Protection Protectio Legal recognition of families The data presented in this map is based on State-Sponsored Homophobia, an ILGA report Marriage or other forms of legal union Adoption open to same-sex couple by Lucas Ramón Mendos. This map can be reproduced and printed without permission for same-sex couples (either jointly or via second parent as long as ILGA is properly credited and the content is not altered. ilga.org
WS IN THE WORLD - 2019 dults to protection against discrimination based on sexual orientation Finland Russian Federation Estonia Latvia huania Belarus Ukraine Kazakhstan Mol. Romania Mongolia a Bulgaria Georgia Uzbekistan Kyrgyzstan M Armenia Azerbaijan reece Turkey Turkmenistan Tajikistan North Korea South Korea Cyprus Syria China Japan Lebanon Iran Afghanistan Iraq (E) (P) Israel Palestine Jord. Kuwait Pakistan (P) Nepal Egypt Bhutan Bahrain Qatar (P) Saudi Bangladesh Taiwan (China) Arabia UAE India (P) (E) Oman Hong Kong Myanmar Macau Laos Sudan Marshall Islands (E) Eritrea Yemen Thailand (E) Vietnam Philippines Federated States Cambodia of Micronesia Kiribati Djibouti Somalia Ethiopia South Sri Lanka tral Sudan (E) Brunei Palau Nauru Republic Maldives Malaysia (P) Uganda Kenya Singapore emocratic epublic of Rwanda Solomon Islands he Congo Burundi Indonesia Samoa Tanzania Seychelles Papua New Guinea Tuvalu Comoros Timor Leste Malawi Cook Islands Zambia Vanuatu Mozambique Mauritius Zimbabwe Madagascar Fiji Botswana Australia Tonga Eswatini Lesotho th Africa New Zealand Criminalisation of consensual same-sex sexual acts between adults Uneven No Prot. / De Facto Up to 8 Years 10 Years to Death 6 (E) Effective 8 55 2 30 26 on No Crim. Criminalisation Imprisonment Life in Prison Penalty 6 (P) Possible Legal barriers to the exercise of rights DECEMBER 2019 es Legal barriers to freedom of expression Legal barriers to the registration or operation adoption) on SOGIESC issues of sexual orientation related CSOs
WARUM FÜR VIELE GEFLÜCHTETE DAS ASYLVERFAHREN EINE HOHE HÜRDE DARSTELLT © stock.adobe.com / bettysphotos Lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und in- erfolgen Mobbing, Vergewaltigung, Prügel tergeschlechtliche (LSBTI) Geflüchtete ver- oder Todesdrohungen. Ein Coming-out würde lassen ihr Heimatland wie andere Geflüchtete in vielen Ländern der Welt einem Todesurteil auch aus Gründen wie Krieg, politische Verfol- gleichkommen. Schutz von den jeweiligen gung oder Gewalt. Wegen ihrer sexuellen oder Staaten dürfen verfolgte LSBTI nicht erwar- geschlechtlichen Identität haben sie überdies ten, eher im Gegenteil. Sie laufen Gefahr ih- meistens schon in ihrem Herkunftsland Ver- ren Arbeitsplatz zu verlieren, zwangsgeoutet folgung in unterschiedlichsten Ausprägungen oder erpresst zu werden und Gewalt von der erfahren. Aufgrund familiärer Strukturen so- Polizei zu erfahren. wie institutioneller wie gesellschaftlich ver- Aus diesen Erfahrungen heraus ist es für ankerter Homo,- Trans-, Inter- und Biphobie asylsuchende LSBTI-Personen sehr schwie- 18 | QUEERZEIT
rig, sich Fremden anzuvertrauen und die aufgrund ihrer LSBTI-Zugehörigkeit droht – Angst ist groß, hier ähnliche Erfahrungen einen internationalen Schutzstatus erhalten. zu machen. Gerade für LSBTI-Personen, die Die Antragsteller*innen sind jedoch selbst noch nie in ihren Leben offen über ihre sexu- dafür verantwortlich, in den sehr detaillier- elle oder geschlechtliche Identität gespro- ten Anhörungen den BAMF-Mitarbeitenden chen haben, stellt der Asylantrag wegen der glaubhaft darzulegen, dass sie zur Gruppe Verfolgung vor dem Hintergrund der sexu- der LSBTI gehören und dass ihnen in ihren ellen oder geschlechtlichen Identität eine Herkunftsländern Verfolgung droht. Zwar große Hürde dar. Diese Gruppe der Geflüch- verfügt das BAMF wie auch der Lesben- teten wird in Deutschland – wie beispiels- und Schwulenverband (LSVD) detaillierte weise auch Frauen und Kinder, als vulnerabel Kenntnis der Gesetze und Gefährdungsla- erachtet. Das heißt, dass sie eines beson- gen. Dennoch muss in teilweisen stunden- deren Schutzes bedürfen. langen und sehr detaillierten Anhörungen die persönliche Geschichte dargelegt werden. Gemäß der EU-Aufnahmerichtlinie müs- Mittlerweile gibt es im BAMF viele spezi- sen Bund, Länder und Kommunen beson- ell ausgebildete „Sonderbeauftragte für ge- dere Maßnahmen ergreifen, um besonders schlechtsspezifische Verfolgung“, die von schutzbedürftige Gruppen vor Gewalt in Ge- den Geflüchteten angefordert werden kön- flüchtetenunterkünften zu schützen. Außer- nen. Zur Aufklärung im Vorfeld der Anhö- dem gelten für LSBTI-Geflüchtete gemäß rung tragen auch Asylverfahrensberatende EU-Verfahrensrichtlinie besondere Verfah- des BAMF bei. In den ersten Tagen in der rensgarantien, damit sie während des Asyl- Erstaufnahme informieren sie über die recht- verfahrens ihre Rechte wahrnehmen und lichen Optionen, auch gerade mit Blick auf ihre Pflichten erfüllen können. Wie eingangs vulnerable Geflüchtete. Diese Maßnahmen beschrieben, ergeben sich jedoch durch die gehören ebenfalls zu den besonderen Ver- Vorgeschichte große Probleme beim Gewalt- fahrensgarantien, zu denen sich Deutsch- schutz und im Asylverfahren. Durch Trau- land verpflichtet hat. matisierung, der Angst sich zu offenbaren und Scham gibt sich die Mehrzahl der LSB- Trotzdem stellt die Identifizierung von LSB- TI-Geflüchteten nicht als solche zu erkennen. TI-Geflüchteten weiterhin ein großes Pro- Zwar sind einige der LSBTI-Geflüchteten sehr blem dar. Je mehr Offenheit zum Thema gut vernetzt und wissen, dass ihre sexuelle LSBTI gezeigt wird, desto einfacher wird Orientierung bzw. geschlechtliche Identität es für viele, sich zu offenbaren. Leider gibt von entscheidender Bedeutung für ihr Asyl- es immer wieder negative Berichte zur den verfahren oder für ihre Unterbringung sein Sprachmittelnden, die während der Anhö- kann – der Großteil hat jedoch dieses Wis- rung übersetzen. In der Regel stammen sen leider nicht. diese aus den Herkunftsländern der Ge- flüchteten. Manche haben dabei selbst die LSBTI-Geflüchtete können – wenn ihnen bei Vorurteile, die in diesen Gesellschaften ge- Rückkehr in ihr Herkunftsland Verfolgung genüber LSBTI vorherrschen, oder sind gar QUEERZEIT | 19
feindlich gegenüber LSBTI eingestellt. Es Deutschland", in der Trägerschaft des LSVD kommt vor, dass Sprachmittlungen in der und gefördert von der Beauftragten der Bun- Anhörung falsch übersetzen oder die ge- desregierung für Migration, Flüchtlinge und flüchtete Person zum Schweigen auffor- Integration auf vielen Wegen. Es sensibili- dern, sobald das Thema sexuelle Identität siert mehrmals im Jahr die Asylverfahrens- aufkommt. Hier haben die Antragstellenden beratenden direkt beim BAMF in Nürnberg im Falle eines ablehnenden Bescheides die und stellt auch Infomaterialien als Hilfestel- Möglichkeit gegen den Bescheid des BAMF lung für Unterkünften und Beratungsstel- zu klagen. Auch wenn sie sich aus Furcht len zur Verfügung. Für alle Gewerke die in bei der Anhörung nicht über ihre sexuelle den Unterkünften arbeiten, aber auch alle Identität gesprochen haben, können sie ein Vereine, Institutionen und Behörden die mit Folgeverfahren beantragen. dieser vulnerablen Zielgruppe zu tun haben, finden von den Projektmitarbeiterinnen sen- Für viele LSBTI-Geflüchteten kommt erschwe- sibilisierende Schulungen statt. rend dazu, dass sie traumatisiert sind und trotzdem innerhalb von nur ein paar Tagen Mehrsprachige Flyer in elf Sprachen erklären über ihre Erlebnisse reden und sich vor voll- die Rechte und die Abläufe im Asylverfahren. kommen Fremden outen müssen. Selbst für Buttons mit Regenbogenfarben, Aufkleber in Deutschland sozialisierte LSBTI ist es oft und Plakate in mehreren Sprachen stärken ein jahrelanger Prozess, frei und ohne Scham ebenfalls das Vertrauen der Geflüchteten, über die sexuelle oder geschlechtliche Iden- damit sie sich öffnen und ihre Bedarfe zur tität zu sprechen. Durch die immer schnel- Sprache bringen. Das Projekt verweist hil- leren Asylverfahren fehlt leider oft die Zeit, fesuchende Geflüchtete an 91 Fachbera- erlernte Tabus in der Sprache zu überwinden tungsstellen oder Treffpunkte, sichere Orte und geordnet das Erlebte im entscheidenden in ihrer Nähe und vernetzt deutschlandweit. Moment der Anhörung darzulegen. Hier finden sich spezialisierte Gruppen- und Damit sich diejenigen Geflüchteten, die Beratungsangebote für LSBTI-Geflüchtete LSBTI sind, als solche in der Beratung zu unter: www.queer-refugees.de/anlaufstellen erkennen geben, ist es wichtig, dass Behör- den, Unterkünfte und Beratungsstellen al- Ina Wolf len Geflüchteten gegenüber ihrer Offenheit Projektmitarbeiterin für LSBTI-Themen vermitteln. Daher sollten LSVD-Projekt Queer Refugees Deutschland alle Beratenden, egal ob in der Erstberatung durch das BAMF oder durch unabhängige Träger kultursensibel und detailliert in jedem Erstgespräch über die Bedeutung der se- xuellen Orientierung bzw. geschlechtlichen Identität für das Asylverfahren informieren. Hier unterstützt das Projekt "Queer Refugees 20 | QUEERZEIT
Landeskoordinierungsstelle Sachsen-Anhalt Nord Kontaktstelle für Fragen zur geschlechtlichen & sexuellen Vielfalt! Bürozeiten: Mo: 10 bis 18 Uhr Ha c Di: 17 bis 19 Uhr s aße Änderungen bei Auswärtsterminen vorbehalten. Sprechzeiten außerhalb aße Beh g raß dieser Zeiten sind nach Vereinbarung e-St e möglich. ur Kep Ansprechpartner: s n-G a ße Mathias Fangohr Oto- Weg Adresse: Ein Otto-von-Guericke-Str. 41 n Bre S t a 39104 Magdeburg ße Bahfraße PHONE 0391 / 40 03 51 33 lsbti-lks@lsvd-lsa.de www.lsvd-lsa.de/lsbti-lks b e aß pa Has z s taße Leb S c Hal Ein Projekt des LSVD Sachsen-Anhalt e.V., gefördert durch das Ministerium für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt
ganz andere Probleme plagten als solche, die es war sich auf das Sexualstrafrecht bezogen. So beklagten sich etwa gemischtnationale Paare darüber, dass der ausländische Part- EINMAL ner keine Aufenthaltserlaubnis erhielt. Andere Paare hatten Mühe beim Kauf von gemeinsa- men Wohnungen oder Häusern. Wieder andere fürchteten die Überschuldung durch die hohe TEIL 2 Erbschaftsteuer im Falle des Ablebens eines Partners. All diese Probleme fanden in der breiten Öffentlichkeit keinen Anklang. Ursa- che dafür war, dass die Lesben- und Schwu- lenverbände ihre Arbeit in diese Richtung lange AKTION vernachlässigten. STANDESAMT Im Kontrast dazu fand in der Politik sehr wohl eine Diskussion statt, ob man homosexuellen LESBEN UND Paaren eine der Ehe ähnliche Gemeinschaft ermöglichen solle. Im Parlament stieß diese SCHWULE SETZTEN Idee jedoch eher auf Ablehnung. ZUM STURM AN Durch die SPD initiiert fand am 23. August zur Ehe für alle in Bonn erstmal eine Anhörung Der Weg von ersten politischen Aktionen der statt. Besonders Vertreter der Kirche wehrten Schwulenverbände in Deutschland bis zur groß- sich dabei jedoch gegen eine eheähnliche Le- angelegten Aktion Standesamt war ein langer. bensgemeinschaft für homosexuelle Paare. Die Bereits seit den achtziger Jahren kämpften di- Anhörung endete ohne konkrete Ergebnisse. verse Verbände auf politischer Ebene gegen die Diskriminierung der Homosexuellen. Allerdings 1988 kam es auch am Juristentag in Mainz konzentrierte sich ihr Kampf für lange Zeit auf zu Diskussionen. Dort empfahlen die Juristen, das Sexualstrafrecht. das Gesetz soweit anzupassen, dass auch ho- mosexuellen Paare eine Ehe ermöglich wer- Erst als die AIDS Erkrankung aufkam, änderte den könne. Diese Empfehlung wurde dann sich dies. Schwulenverbände konnten den Deut- aber nicht weiterverfolgt, weil andere Prob- schen Bundestag davon überzeugen, dass Prä- leme als wichtiger erschienen. ventionserfolge vor allem davon abhängen, wie sehr die sexuellen Gewohnheiten homosexu- Ebenfalls im Jahr 1988 formulierten Volker eller Männer von der Gesellschaft akzeptiert Beck, Schwulenreferent der Partei die Grünen werden. Außerdem ergaben Befragungen von sowie Manfred Bruns und Günter Dworek, Schwulen durch den Bundesverband für Ho- beide Mitglieder des Beirats der BVH, erste mosexualität (BHV), dass die Homosexuellen 22 | QUEERZEIT
Programmpapiere, um die politische Arbeit schen Rundfunk. Noch weiter in die Schlag- der Schwulengruppierungen voranzutreiben. zeilen geriet das Thema, als Moderatorin, Mehrere dieser Papiere wurden an Arbeits- Synchronsprecherin und Schauspielerin gemeinschaften des Bundes weitergereicht. Hella von Sinnen und Schriftstellerin Cor- Die Papiere entzündeten flammenden Dis- nelia Scheel 1991 bekanntgaben, sie wol- kussionen. Dabei ging es aber nicht etwa um len heiraten. Sie bekräftigen, ihr Recht im langfristige Ziele der Schwulenbewegung, schlimmsten Fall auch vor dem Bundesver- wie das Installieren eines Antidiskriminie- fassungsgericht verteidigen zu wollen. rungsgesetzes für Schwule und Lesben, son- dern um Rechte im Bereich des Steuer- und Ebenfalls für Aufruhr sorgten die Berichte, Sozialrechts, die bisher heterosexuellen Ehe- dass ein falscher Pfarrer ein schwules Paar paaren vorbehalten waren. Eines der Haupt- vermählt haben soll. Zur gleichen Zeit ließ argumente der Gegenseite war es, dass eine sich Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Süss- Öffnung der Ehe für Homosexuelle kontra- muth mit unmissverständlichen Aussagen produktiv sei und zum Ruf der Schwulen als zitieren. Sie sei gegen eine Ehe für homose- »AIDS-Schleudern« beitragen würde. xuelle Paare. Sehe aber ein, dass der Staat Änderungen beim Hinterbliebenenrecht, der In der Folge dieser Diskussionen kam es zu Rente und der Besteuerung von gleichge- einer Spaltung innerhalb des BVH. Neue Ver- schlechtlichen Paaren vornehmen müsse. bände wie der Schwulenverband Deutsch- In der Folge beteiligte sich der Schwulenver- land, kurz SVD, entstanden. band Deutschland und der Verband Schwuler Juristen an zahlreichen öffentlichen Diskus- Der SVD entsprang ursprünglich einer Bür- sionen und Presseerklärungen. gerrechtsbewegung der DDR und verstand es als selbstverständlich, den Standpunkt einer »Schwulen Ehe« mit Nachdruck zu vertreten. DABEI MACHTEN Ein Jahr später war Dänemark das erste Land, SIE FOLGENDE ERFAHRUNGEN: dass 1989 eine besondere Reglung für ho- • Das Schlagwort »Homo-Ehe« löst meist mosexuelle Paare einführte. Die dänische heftigen Widerspruch aus. Es ist sinnvoller, Regierung ermöglichte eine eingetragene auf neutrale Ankündigungen wie »Rechtli- Partnerschaft, die grundsätzlich zu denselben che Absicherung lesbischer und Schwuler Rechten wie das Eingehen einer Ehe führte. Partnerschaften« zurückzugreifen. • Ehe und Familie wird von der breiten Masse In der breiten Öffentlichkeit kam es erst zusammengedacht und ist einer der Haupt- zu Reaktionen, als erste Bilder von gleich- gründe, warum viele die Homo-Ehe ablehnen. geschlechtlichen Paaren aus Dänemark in • Ein zweites Hauptargument ist der religiöse den Zeitungen abgedruckt wurden, die sich Bestandteil, der mit zwei gleichgeschlecht- küssten. Es kam dadurch sogar zu ersten lichen Partnern im Konflikt steht. Diskussionssendungen im öffentlichen deut- • In der Bevölkerung herrscht eine regel- 24 | QUEERZEIT
rechte Furcht davor, dass sich Kinder, die verschiedenheit sei ein prägendes Merkmal von gleichgeschlechtlichen Paaren adop- der Ehe und wies den Antrag ab. tiert werden, »falsch« entwickeln. • Gegen eine eingetragene Partnerschaft hat ein Die Aktion warf in der Öffentlichkeit hohe Großteil der Bevölkerung nichts einzuwenden. Wellen. Politik und Gesellschaft führten • Steuerliche und finanzielle Nachteile dar- hitzige Debatten. Fast alle Politiker waren zulegen, erweist sich in der Diskussion als der Meinung, dass Probleme bezüglich der schwaches Argument. gleichgeschlechtlichen Partnerschaft gelöst werden müssen. Aber keiner traute sich, An- Es kam schließlich zum berüchtigten träge im Parlament unterzubringen, in der 19. August 1992. 250 lesbische und schwule Angst, man könnte damit mehr Wähler ver- Paare beantragten in hunderten deutschen grämen als dazugewinnen. Gemeinden das Aufgebot beim Standes- amt. Die Aktion koordinierten der dama- Es sollte noch bis zum 1. Oktober 2017 dau- lige Schwulenverband in Deutschland, kurz ern, bis ein Gesetz für die Eheschließung SVD, und die Bundesarbeitsgemeinschaft für alle in Deutschland in Kraft trat. Etwas schwuler Juristen, kurz BASJ. Ihr Ziel war früher, nämlich 2001, führte die deutsche es, die Rechte von Lesben und Schwulen Regierung die eingetragene Partnerschaft in Deutschland zu stärken. Zu den Teilneh- für gleichgeschlechtliche Paare ein. Neben mern gehörten auch die bereits erwähnten Unterschieden in der Begrifflichkeit unter- Hella von Sinnen und Cornelia Scheel. Im scheidet sich die eingetragene Partnerschaft ersten Anlauf blieb die Aktion ohne Erfolg: nach mehreren Reformen am Ende vor allem Alle Standesämter verweigerten die Anträge. dadurch von der Ehe, dass sie keine Adop- Ungefähr hundert Paare entschieden sich tion von fremden Kindern erlaubt. dafür, vor Gericht zu gehen. Die allermeis- ten Anträge wurden erneut abgewiesen. Nur Lewin Dietrich vor dem Amtsgericht in Frankfurt hatten ei- nige Paare Erfolg. Die Richter kamen zum Entschluss, dass die gesetzliche Definition des Begriffs Ehe einer gleichgeschlechtli- chen Ehe nicht im Wege stehe. Der Entscheid wurde auf eine nächste Instanz verlagert, wo die Paare dann vor dem Landesgericht doch noch abblitzten. Ein Paar aus Nürnberg zog den Entscheid bis vors Bundesverfassungs- gericht. Es argumentierte, ihre Freiheit zur Eheschließung sei gemäß Artikel sechs des Grundgesetzes verletzt worden. Das Gericht war allerdings der Meinung, die Geschlechts- QUEERZEIT | 25
EINE KURZE ZEITREISE durch die Geschichte der queeren Sendung aus Magdeburg Vor drei Jahren, im Juni 2017, hieß es zum ungefähr fünf bis sechs Leute beteiligt, die da- ersten Mal "Hallo und herzlich Willkommen für sorgen, dass das Studioset steht, die Infos zur GOQUEER ON FOCUS". Dies war der Start in den News recherchiert sind und die Technik eines neuen queeren Sendungsformates im und Abläufe reibungslos funktionieren. Diese Offenen Kanal Magdeburg. Seit dem Start ist Personen verbringen pro Sendung etwa fünf einiges passiert! In dieser kleinen Zeitreise Stunden für Auf- und Abbau und die Aufzeich- möchte ich euch ein wenig hinter die Kulissen nung im Studio. Ungefähr die gleiche Zeit sitze der Sendung führen und euch einige Funfacts ich als Projektleiter dann auch am Schnitt. Die zur Sendung liefern. Zeit, die für die Vorbereitung, die Bewerbung sowie die Verteilung an die einzelnen Koope- ZU BEGINN ERSTMAL rationssender und alle weiteren Formalitäten EINIGE ZAHLEN RUND benötig wird, ist hier noch nicht berücksichtigt. UM DIE SENDUNG: In den drei Jahren haben wir insgesamt 25 re- Seit dem Anfang, im Jahr 2017, hat sich das guläre Folgen gedreht. Wenn man es genau Format immer wieder neu erfunden. Ursprüng- nimmt sind es nur 24 Folgen und eine Folge in lich sollte die Sendung eigentlich „GOQUEER Podcastform, bedingt durch eine Coronapause Late-Night“ heißen. Kurz nach der Probesen- im Studio – aber wollen wir zum Geburtstag mal dung im Studio musste ein neuer Name her, nicht zu kleinlich sein. Würde man alle Folgen da im geplanten Set Fenster mit Tageslicht- am Stück schauen, wäre man ca. elf Stunden einstrahlung waren, die bei der Aufzeichnung damit beschäftigt. An einer heutigen Folge sind nicht abgedunkelt werden konnten. Late-Night 26 | QUEERZEIT
in Kombination mit Tageslicht erschien uns das Material der Veranstaltung zu zeigen. Ich dann doch ein wenig unpassend. Wir schau- dachte mir aber, "Versuchen kann man es mal.“ ten uns also nach einem neuen Namen um. Nach ein paar Mails zwischen einem Vertre- Wenn ich mich richtig erinnere kam dann von ter der EBU und mir hatten wir eine Erlaubnis. Robert (Sidekick & DJ seit der ersten Folge) Ursprünglich sollte das Material nur zur Bebil- der Vorschlag die Sendung „GOQUEER ON FO- derung einer News in der Sendung dienen. Der CUS“ zu nennen. Großteil meiner Familie wohnt in der nähe von Köln und meistens, wenn ich dort bin, besuche Obwohl der Name „Late-Night“ aus der Sen- ich das queere Jugendzentrum anyway bzw. dung gestrichen wurde war das Konzept der deren Medienprojekt anyway.tv. ersten Sendungen an eine Late-Night-Show angelehnt. Also Gäste, Stand-Up, ein Sidekick Im Laufe des Abends erzählte Max einem Ak- und Musik. Statt eines Stand-Up-Parts haben teur bei anyway.tv von dem Deal mit den ESC wir von Nachrichten aus der bunten queeren Bildern. Im Gespräch stellte sich heraus, dass Welt berichtet. Max ein großer Fan bzw. Kenner des ESC ist. Uns kam die Idee, dass wir aus der einfachen Nach und nach haben wir uns an verschiede- Meldung im News-Part einen Beitrag mit Max nen Rubriken versucht, um die Sendung mög- als Sprecher machen. So wurde aus einer ge- lichst abwechslungsreich zu gestalten. Hier planten News ein ganzer Beitrag. In kürzester kann man zum Beispiel unsere Challenge in der Zeit, noch am selben Abend, schrieb Max ei- zweiten Sendung nennen. Bei dieser Challenge nen Beitrag zu dem Thema. Parallel suchte ich wurden Johannes und Andrei in einem kleinen mir Aufnahmetechnik und einen ruhigen Raum Ort bei Magdeburg ausgesetzt und mussten, zum Aufzeichnen, was gar nicht so einfach ohne technische Hilfsmittel, einen Weg zurück war, da noch der übliche Verkehr im anyway in unsere damaligen Vereinsräume finden. Eine herrschte. Was unter normalen Bedingungen Aktion, die ich freiwillig nicht nochmal wieder- natürlich super ist, aber nicht, wenn man einen holen würde. Es war ein anstrengender warmer Beitrag einsprechen will. Die Suche nach einem Sommertag mit viel Umhergeirre und wurde Raum verlief am Ende erfolgreich. Es war zwar am Ende des Tages durch einige Blasen an keine professionelle Sprecherkammer, sondern den Füßen noch ungemütlicher. Das Konzept ein kleiner Lagerraum im Keller des anyways. der ganzen Aktion hatte sich in meinem Kopf Dieser hatte aber den Vorteil, dass uns keiner weniger anstrengend angehört, als sie es mit bei den Aufnahmen störte und die Akustik war zwei mittelschweren Kameras und weiterer auch zufriedenstellend. Technik im Gepäck im Endeffekt war. Dann gab es noch verschiedene weitere Beiträge. Wenn wir gerade schon thematisch in Köln sind: Zum Beispiel einen Beitrag über den Eurovision Mit dieser Stadt verbindet GOQUEER nicht nur Song Contest 2018 mit offiziellem Videoma- das Einsprechen von Beiträgen im Keller so- terial. Anfangs hätte ich nie gedacht, dass die wie eine Sendung, die wir im gerade neueröff- EBU, die die Rechte rundum den ESC verwal- neten Café des anyway produzieren durften, tet, uns die Erlaubnis erteilt in unserer Sendung sondern auch zwei Aktionen zu den CSDs 2017 QUEERZEIT | 27
und 2018, die wir in Zusammenarbeit mit dem Mit diesem Studioset sind wir dann die ersten Medienprojekt queerblick durchgeführt haben. Male auf Sendung gegangen. In der zweiten Zum CSD 2017 in Köln sind wir, mit einer Ka- Hälfte des Jahres 2017 holten wir uns dann mera gewappnet, über das CSD-Gelände gegan- mit dem Film „Beloved Sam“ den zweiten Platz gen und haben Leute nach Küssen gefragt. Wir beim Jugendvideopreis, mit dem auch ein Preis- haben uns dann noch mit den Menschen über geld verbunden war. Mit dem Gewinn schloss Bodyshaming unterhalten und gefragt, ob sie sich ein Kreis. Erst durch den Kurzfilmworkshop schon Erfahrungen oder Berührungspunkte mit zum Film haben sich Menschen gefunden, die dem Thema hatten. Im darauffolgen Jahr ha- sich dann im Medienprojekt GOQUEER organi- ben Leon und unsere Moderatorin Tessa sich sierten, das die gleichnamige Sendung produ- damit befasst wie der Aufklärungsstand von ziert. Der zweite Platz verhalf dazu, dass mehr schwulen Männern im Hinblick auf den Aufbau Geld in der Kasse des Medienprojekts war, was einer Vulva ist. Hierzu nutzen sie ein Modell, an nur darauf wartete für neue Studiodekoration dem die Testpersonen ihren Kenntnisstand un- ausgegeben zu werden. Es ging zum Shoppen ter Beweis stellen konnten. ins allseits bekannte schwedische Möbelhaus. Dort wurden ein neuer, größerer Schreibtisch Zurück zur Sendung im Studio bzw. dem Studio- und ein neues Regal für das Set eingekauft. set. Auch dieses hat sich optisch seit der ersten Genauso wie bei den ersten Möbeln wurden Sendung stetig verändert bzw. verbessert. An- auch diese Möbel modifiziert und individuali- fangs konnten wir nur einen kleinen schwarzen siert. Der neue Schreibtisch sowie das Regal Schreibtisch, sowie ein Regal unser Eigen nen- wurden mit Plexiglas verkleidet, sodass man sie nen. Den Schreibtisch haben wir gebraucht und von hinten bunt beleuchten konnte. Das sorgte relativ günstig über eine Kleinanzeige erworben. für einen vorher nicht dagewesenen Eyecatcher Das Regal war hingegen ein Zufallsfund. Dies und wertete das Ambiente ungemein auf. Spä- geschah als wir den Schreibtisch vom Verkäufer ter folgten dann weitere Modifikation am Stu- abgeholt hatten und ihn zur Zwischenlagerung dioaufbau in Form von Fadenvorhängen und erstmal in unsere Vereinsräume bringen woll- anderen neuen Dekoartikeln. ten. Als wir dort ankamen, waren die Nachbarn gerade dabei Möbel für den Sperrmüll an die Nachdem wir uns nach ca. einem Jahr eine Straße zu stellen – darunter auch unser späte- gewisse Bekanntheit aufgebaut hatten, vor al- res Regal. Da wir außer dem Schreibtisch keine lem durch die Ausstrahlung über den YouTube weiteren Möbel hatten, wanderte das aussor- Kanal von queerblick, wurde auch nochmal am tierte Badezimmerregal aus der Nachbarschaft Namen geschraubt. Wir haben von Falk Stein- ebenfalls in unser Zwischenlager. Beide Mö- born, der uns bei der Sendung hin und wieder belstücke wurden dann für die erste Sendung berät, den Tipp bekommen, der Sendung den noch ein wenig aufbereitet, schwarz angesprüht gleichen Namen wie dem Medienprojekt zu ver- und mit Holznieten beklebt – diese hielten lei- passen, um einen prägnanteren Namen für die der nicht allzu lange. Vor der ersten Sendung Sendung zu haben. Die meisten Leute hatten wurden dann noch schnell einige Dekoartikel sowieso immer das Problem das Medienpro- besorgt und fertig war unser erstes Studioset! jekt GOQUEER und unsere Sendung GOQUEER 28 | QUEERZEIT
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