RELEVANZ DER NORMUNG UND STANDARDISIERUNG FÜR DEN WISSENS- UND TECHNOLOGIETRANSFER
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
RELEVANZ DER NORMUNG UND STANDARDISIERUNG FÜR DEN WISSENS- UND TECHNOLOGIETRANSFER KURZSTUDIE 1
INHALT KURZSTUDIE 1 Executive Summary 5 RELEVANZ DER NORMUNG UND STANDARDISIERUNG 2 Hintergrund und Zielstellung der Studie 6 FÜR DEN WISSENS- UND TECHNOLOGIETRANSFER 3 Standardessenzielle Publikationen und Patente als Indikator für den Wissens- und Technologietransfer 7 3.1 Standardessenzielle Publikationen 3.2 Standardessenzielle Patente Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management Fraunhofer-Institut für System- und Innovations- und Wissensökonomie IMW forschung ISI 4 Treibende und hemmende Faktoren für Normung und Standardisierung 12 4.1 Übersicht aus Literaturanalyse Philipp Herrmann (Projektleitung) Prof. Dr. Knut Blind (Projektleitung) 4.2 Validierung der Übersicht durch qualitative Interviews Prof. Dr. Nizar Abdelkafi Sonia Gruber 4.2.1 Treiber Walburga Hoffmann Dr. Peter Neuhäusler 4.2.2 Hemmnisse Anna Pohle Lisa Theresa Stein 5 Praktische Erfahrungen zum Einsatz von Normung und Standardisierung Marlen Weiße als Instrument des Wissens- und Technologietransfers 19 5.1 Perspektive der Forschungseinrichtungen 5.2 Perspektive der Unternehmen 5.3 Erfolgsfaktoren in Normungs- und Standardisierungsvorhaben 5.4 Ausgewählte Best Practices 5.4.1 Best Practice aus Sicht einer Forschungseinrichtung 5.4.2 Best Practice aus Sicht eines Unternehmens 6 Fazit und Ausblick 26 6.1 Zusammenfassung bisheriger Erkenntnisse 6.2 Handlungsempfehlungen für Forschungseinrichtungen und Unternehmen 6.3 Limitationen und weiterer Forschungsbedarf 7 Literaturverzeichnis 29 Impressum 31 2 3
1 EXECUTIVE SUMMARY Trotz ihrer Relevanz sind Normung und Standardisierung bis Unternehmen wirken fehlendes Wissen in Bezug auf Normung dato wenig verbreitete und nicht ausreichend genutzte Instru- und Standardisierung sowie der hohe finanzielle Aufwand mente für den Wissens- und Technologietransfer. Die Studie hemmend auf ihr Engagement. Darüber hinaus zeigte sich, setzt hier an und zielt darauf ab, Handlungsempfehlungen zur dass Normung und Standardisierung im Regelfall strategisch, besseren Ausschöpfung der damit verbundenen Potenziale zu strukturell und prozessual noch nicht ausreichend in den be- erarbeiten. Sie fasst Erkenntnisse zusammen und zieht vor- fragten Organisationen verankert sind. Im Ergebnis existiert in läufige Schlussfolgerungen daraus. Berücksichtigt werden Er- der Regel keine etablierte Normungskultur. Die Verantwortung gebnisse einer Analyse standardessenzieller Publikationen und tragen häufig einzelne Mitarbeitende aus Fachabteilungen. » IN DER ANGEWANDTEN Patente, einer Literaturanalyse und insgesamt 44 Interviews mit Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Verbänden Die Handlungsempfehlungen der Studie berücksichtigen vor bzw. Normungsorganisationen. allem die Notwendigkeit einer stärkeren strategischen und FORSCHUNG GEHT MAN Bei der Analyse standardessenzieller Patente und Publikationen strukturellen Integration von Normung und Standardisierung in Forschungseinrichtungen und Unternehmen. So können MIT NORMUNG DEN LETZTEN wurde deutlich, dass die Fraunhofer-Gesellschaft innerhalb das Eingehen strategischer Kooperationen, das Schaffen fest Deutschlands die Organisation mit den meisten deklarierten definierter Verantwortlichkeiten und das Implementieren standardessenziellen Patenten ist. Bei standardessenziellen entsprechender Anreize und deren Performanzmessung einen LOGISCHEN SCHRITT.« Publikationen dominieren die Universitäten, gefolgt von den Ressortforschungseinrichtungen . Die Fraunhofer-Gesellschaft 1 wesentlichen Beitrag zur Operationalisierung einer Normungs- bzw. Standardisierungsstrategie leisten. Weitere unterstüt- (Forschungseinrichtung, Medizintechnik) wird hier noch begrenzt, aber im Vergleich zu ihren wissen- zende Maßnahmen sollen dazu beitragen, dem fehlenden schaftlichen Publikationen überdurchschnittlich referenziert. Bewusstsein für die Relevanz von Normung und Standardisie- Beide Kennzahlen eignen sich als Indikator für Wissens- und rung entgegenzuwirken und damit Organisationen zu befähi- Technologietransfer. gen, diesen Hebel bestmöglich für die eigenen Interessen zu nutzen. Abschließend werden weitere Forschungsbedarfe und Im Rahmen der Literaturanalyse wurde eine Übersicht mit Limitationen der vorliegenden Studie diskutiert. treibenden und hemmenden Aspekten des Engagements in der Normungsarbeit für Forschungseinrichtungen und Unternehmen erstellt. Diese konnte in den strukturierten, qualitativen Interviews weitestgehend validiert und einzelne Aspekte konnten priorisiert werden. Es zeigt sich, dass für Forschungseinrichtungen insbesondere die Diffusion von Forschungsergebnissen und die Vernetzung mit Unternehmen und Forschungseinrichtungen treibende Aspekte sind. Für Unternehmen stehen die Einbeziehung eigener Interessen, die norm- bzw. standardkonforme Realisierung von Technologien und ebenfalls die Vernetzung mit anderen Stakeholdern im Vordergrund. Sowohl für Forschungseinrichtungen als auch 1 R essortforschung beschreibt Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Bundes- und Landesministerien nachgelagerten Forschungs- einrichtungen. 4 5
2 HINTERGRUND UND ZIELSTELLUNG 3 STANDARDESSENZIELLE PUBLIKATIONEN DER STUDIE UND PATENTE ALS INDIKATOR FÜR DEN WISSENS- UND TECHNOLOGIETRANSFER Normen und Standards definieren in fast allen Lebensberei- gemessen. Selten werden Normen und Standards als Messin- 3.1 Standardessenzielle Publikationen ISO-Standards und vergleichbare ISO-Dokumente, die in der chen den Stand der Technik sowie Anforderungen an Produk- strument für wissenschaftliche Leistungen herangezogen, als Analyse berücksichtigt wurden, knapp 7000 Referenzen auf te und Dienstleistungen. Sie ermöglichen Systemfähigkeit, Teil eines Forschungsprojekts in Betracht gezogen oder sogar Obwohl die Relevanz von Normen und Standards als Instru- wissenschaftliche Publikationen aus der Datenbank SCOPUS sichern Qualität und schaffen Transparenz (BMWi 2020). als Möglichkeit gesehen, um die Zusammenarbeit mit der ment für Wissens- und Technologietransfer anerkannt ist, mit Autoren aus Deutschland auf. Werden diese Autoren ihren Normen werden in Gremien unter Einbezug interessierter Krei- Industrie zu intensivieren (INTEREST o.J.; Mosch 2007a). fehlen bislang Indikatoren, die die Aktivitäten verschiedener entsprechenden Institutionen zugeordnet, so ergibt sich die in se erarbeitet, im Konsens verabschiedet und durch Normungs- Institutionen in verschiedenen Bereichen transparent ma- Abbildung 1 dargestellte Rangfolge. Hier zeigt sich, dass mit organisationen veröffentlicht. Standards können im Gegensatz Trotz ihrer Relevanz sind Normung und Standardisierung also chen. Dies liegt daran, dass Normen und Standards Gemein- Abstand die meisten Autoren an Universitäten arbeiten. Jedoch dazu auch ohne Einbeziehung aller interessierter Kreise, ohne bis dato wenig verbreitete und nicht ausreichend genutzte In- schaftsprodukte sind, die in Zusammenarbeit vieler verschiede- folgen auf dem zweiten Platz Wissenschaftlerinnen und Konsens und in anderen Gremien entstehen (z. B. für HTML, strumente für den Wissens- und Technologietransfer. Die Stu- ner Gruppen und Akteure erstellt werden. Sie enthalten daher Wissenschaftler aus Ressortforschungseinrichtungen, wie der Mobilfunkstandards, Bluetooth). Normen und Standards die setzt hier an und zielt darauf ab, Handlungsempfehlungen in der Regel keine Autorenlisten. Jedoch existieren indirekte Physikalisch-Technischen Bundesanstalt oder der Bundesanstalt stellen somit ein wesentliches Instrument der Wissensökono- zur besseren Ausschöpfung latenter Potenziale von Normung Möglichkeiten, die Akteure, die Inhalte zur Normung und für Materialforschung und -prüfung. Die dritte Position haben mie dar, wurden aber erst 2018 im Oslo-Handbuch der OECD und Standardisierung zu erarbeiten. Dabei konzentriert sich Standardisierung beitragen, zu identifizieren. Im Folgenden die Forschenden aus der Helmholtz-Gemeinschaft inne. zur Innovationsmessung als wichtige Parameter im Innova- die Studie vorwiegend auf Normung und Standardisierung als wird analytisch gezeigt, dass sich standardessenzielle Publika- tionsprozess identifiziert (OECD/Eurostat 2019). Der Beitrag Instrument für Wissens- und Technologietransfer. tionen bzw. Patente als normungs- und standardisierungsbe- Abbildung 1 von Normen zum Wirtschaftswachstum wurde anhand von zogene Indikatoren für den Wissens- und Technologietransfer mehreren Studien (Miotti 2009; Blind und Jungmittag 2008; Dabei verfolgt die vorliegende Studie das Ziel, die bisherigen eignen und von Forschungseinrichtungen, aber auch Unter- Anzahl standardessenzieller Blind und Grupp 2000; Blind et al. 2011; DTI 2005) gemessen. Erkenntnisse zusammenzufassen. Neben der in Kapitel 3 dar- nehmen als solches genutzt werden können. Publikationen deutscher In absoluten Zahlen ist der Beitrag von Normen und Standards gestellten Analyse zu standardessenziellen Publikationen und Autorinnen und Autoren zum Bruttoinlandsprodukt beträchtlich. Mit ihrer marktöffnen- Patenten liegt der Schwerpunkt auf der Darstellung von lite- Standardessenzielle Publikationen sind in der Bibliographie nach Institutionen auf Basis den Wirkung stärken sie die Wettbewerbsfähigkeit Deutsch- ratur- und interviewbasierten Erkenntnissen und Erfahrungen, von Standards gelistet (Blind 2019). Sie decken viele Bereiche von Autorenschaften lands als Wirtschaftsnation und Exportland. wie Normung und Standardisierung momentan als Instrument internationaler Normen ab. Aus ihnen lassen sich sowohl (auf Basis von insgesamt des Wissens- und Technologietransfers genutzt wird bzw. was die Autoren als auch deren Institutionen identifizieren, auf 6845 Publikationen, inkl. Für die einzelnen Akteure ist allerdings die Relevanz von Nor- einer verstärkten Nutzung im Weg steht. Die Studie schließt deren Beiträge Normen aufbauen. Aktuell weisen die 20 000 Doppelnennungen). men und Standardisierung nicht immer deutlich. Unternehmen in Kapitel 6 mit einer Zusammenfassung der Erkenntnisse, haben Schwierigkeiten, Normung und Standardisierung als Handlungsempfehlungen und Limitationen. Instrument des Wissens- und Technologietransfers zu nutzen, 0 200 400 600 800 1000 1200 obwohl Normen und Standards oft als Katalysatoren zur Be- Universitäten schleunigung und Durchsetzung von Innovationen bezeichnet Ressortforschungseinrichtungen werden (Blind 2009; Abdelkafi et al. 2016). Dies kann auch die Helmholtz-Gemeinschaft immer noch relativ geringe Teilnahme des Mittelstands an Nor- Unternehmen mungs- und Standardisierungsaktivitäten erklären (Rammer Fraunhofer-Gesellschaft et al. 2016). Auch für Forschungseinrichtungen scheint das Max-Planck-Gesellschaft Instrument der Normung und Standardisierung nicht beson- Universitätskliniken ders attraktiv zu sein. Wissenschaftliche Leistungen werden in Leibniz-Gemeinschaft der Regel anhand von Publikationen oder Patentanmeldungen Fachhochschulen Rest 2 Von 2002 bis 2006 betrug in Deutschland der gesamtwirtschaftliche Nutzen der Normung im Durchschnitt 16,77 Mrd € pro Jahr (DIN, 2011). 6 7
3 S TA N D A R D E S S E N Z I E L L E P U B L I K AT I O N E N U N D PAT E N T E 0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 0 5 10 15 20 25 Medicine Fraunhofer-Institut für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut, WKI Environmental Science Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM Physics and Astronomy Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME Engineering Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF Chemistry Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE Materials Science Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB Biochemistry, Genetics and Molecular Biology Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP Pharmacology, Toxicology and Pharmaceutics Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS Chemical Engineering Fraunhofer-Institut für Bauphysik IPB Agricultural and Biological Sciences Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV Earth and Planetary Sciences Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM Health Professions Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT Computer Science Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS Immunology and Microbiology Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF Others Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI Abbildung 2 Abbildung 3 Knapp dahinter folgen schon die Autoren aus Unternehmen, Analysiert man die standardessenziellen Publikationen der welche sonst weniger als 5 Prozent zu allen wissenschaftlichen Fraunhofer-Gesellschaft, sind diese vor allem den Umwelt- Anzahl standardessenzieller Anzahl standardessen- Publikationen beitragen. Mit deutlichem Abstand sind die wissenschaften zuzuordnen. Auf dem zweiten Platz folgt mit Publikationen nach zieller Publikationen der Forschenden aus der Fraunhofer-Gesellschaft auf dem fünften deutlichem Abstand Physik und Astronomie, gefolgt von den Wissenschaftsfeldern Fraunhofer-Gesellschaft Platz noch vor den Kollegen aus der Max-Planck-Gesellschaft Materialwissenschaften und der Chemie. Veröffentlichungen (insgesamt 12 743 Publikatio- nach Institut. positioniert. aus den Ingenieurwissenschaften nehmen den fünften Platz nen, inkl. Mehrfachklassifika- ein. Analysiert man die Veröffentlichung standardessenzieller tionen; englische Benennung Klassifiziert man standardessenzielle Publikationen anhand Publikationen der Fraunhofer-Gesellschaft nach Instituten, so gemäß SCOPUS). der Systematik von SCOPUS nach Wissenschaftsfeldern, so weisen das Fraunhofer-Institut für Holzforschung, Wilhelm- ergibt sich, dass Publikationen aus der Medizin mit Abstand Klauditz-Institut, WKI, das Fraunhofer-Institut für Toxikologie den ersten Rang einnehmen (vgl. Abbildung 2). Es folgen auf und Experimentelle Medizin ITEM sowie das Fraunhofer- dem zweiten Platz Veröffentlichungen aus den Umweltwissen- Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME schaften und auf dem dritten Platz die Physik und Astronomie. die mit Abstand meisten Veröffentlichungen auf (vgl. Abbil- Schließlich finden sich schon auf dem vierten Platz die Publi- dung 3). Mit insgesamt 16 repräsentierten Instituten weist die kationen aus den Ingenieurwissenschaften, gefolgt von denen Fraunhofer-Gesellschaft eine signifikante Anzahl und ein breites aus der Chemie und den Materialwissenschaften. Themenspektrum an standardessenziellen Publikationen auf. 8 9
3 S TA N D A R D E S S E N Z I E L L E P U B L I K AT I O N E N U N D PAT E N T E 3.2 Standardessenzielle Patente Schließlich ist es auch möglich, die Deklarationen differenziert 0 500 1000 1500 2000 2500 nach Standards vorzunehmen. Hier dominieren deutschland- Eine andere Möglichkeit, die an der Normung und Standar- weit noch die Erklärungen bezüglich des Standards UMTS (Uni- Fraunhofer-Gesellschaft disierung beteiligten Akteure zu identifizieren und deren versal Mobile Telecommunications System) mit fast 50 Prozent, Siemens Aktiengesellschaft Aktivität zu analysieren, sind standardessenzielle Patente. gefolgt von GPRS (General Packet Radio Service), einem Dienst Nokia Networks Insbesondere im Bereich der Informations- und Kommunikati- für Datenübertragung in GSM (Global System for Mobile Deutsche Telekom AG onstechnik werden seit dem Beginn der internationalen Stan- Communications), EVS (Enhanced Voice Services), einem Audio Dolby dardisierung im Bereich des Mobilfunks (Bekkers et al. 2002) Coding Standard, LTE (Long Term Evolution) und 3GPP (3rd Sony Corporation für die Standards relevante Patente von den Eigentümern als Generation Partnership Project), welches Standardisierungsakti- Intel Corporation standardessenziell deklariert. vitäten zu GSM, UMTS, LTE und inzwischen auch 5G umfasst. Infineon Technologies AG Robert Bosch GmbH Differenziert man die etwas mehr als 5000 standardessenzi- Die Hälfte der standardessenziellen Patente bei Fraunhofer Atmel Corporation ellen Patente deutscher Organisationen nach Organisations- werden bezüglich des Audio Coding Standards EVS (Enhanced Rohde & Schwarz zugehörigkeit, so ist die Fraunhofer-Gesellschaft die aktivste Voice Services) deklariert. Ferner beziehen sich 15 Prozent Grundig Emv Organisation. Dabei sind das Fraunhofer-Institut für Integrierte der standardessenziellen Patente bei Fraunhofer auf Patent- Volkswagen AG Schaltungen IIS, das Fraunhofer-Institut für Nachrichtentech- pool-Programme. Des Weiteren werden standardessenzielle Panasonic Corporation nik, Heinrich-Hertz-Institut, HHI und das Fraunhofer-Institut für Patente gegenüber dem ATSC Advanced Television Systems Gevc Digitale Medientechnologie IDMT für die Gesamtheit aller von Committee und im Bereich Advanced Video Coding (AVC) der Fraunhofer-Gesellschaft deklarierten standardessenziellen bzw. H.264 deklariert. Patente verantwortlich. In der Rangreihe an Organisationen folgt die Siemens AG und Nokia Networks, ursprünglich Nokia Abbildung 4 Siemens Networks (vgl. Abbildung 4). Alle übrigen Unterneh- men, die Patente mit deutschem Ursprung deklariert haben, Anzahl standardessenzieller handeln auf einem eher marginalen Niveau. Patente deutscher Organisationen Betrachtet man die wichtigsten Klassen thematisch differen- (insgesamt 5214 Patente, ziert nach der Logik der International Patent Classification (IPC), inkl. Mehrfachzählungen; finden sich standardessenzielle Patente neben dem Bereich der Quelle: IPlytics GmbH, Sprachanalyse und -erkennung vor allem in der elektrischen eigene Berechnungen). Nachrichtentechnik, insbesondere zu drahtlosen Kommunikati- onsnetzen und zur Übertragung digitaler Information, auf den ersten drei Plätzen wieder und machen fast 70 Prozent aller Deklarationen aus. Bei den standardessenziellen Patenten der Fraunhofer-Gesellschaft handelt es sich bei über 70 Prozent um Patente der Sprachanalyse und -erkennung, mit weitem Abstand gefolgt von verschiedenen Bereichen der elektrischen Nachrichtentechnik. 10 11
4 TREIBENDE UND HEMMENDE FAKTOREN FÜR NORMUNG UND STANDARDISIERUNG Abbildung 5 4.1 Übersicht aus Literaturanalyse Einbezug eigener Interessen bei Entwicklung von Normen und Standards (Wakke et al. 2016) Treiber und Hemmnisse Auftragsforschung und Vernetzung von Unternehmen und Forschungseinrichtungen (Blind und Gauch 2007) Im Rahmen einer Literaturanalyse wurden nach einer Sichtung von Normung und von über 1000 Publikationen zu Normung und Standardisie- Impulse für Technologieentwicklung (Abdelkafi und Makhotin 2014; Blind und Mangelsdorf 2016) Standardisierung der rung 20 zu einer ausführlichen Inhaltsanalyse herangezogen.3 jeweiligen Akteure Dabei wurde eine Übersicht zu treibenden und hemmenden Strategische Verhinderung von Patentierung entlang des Forschungs- Faktoren von Normung und Standardisierung für Forschungs- Diffusion von Forschungsergebnissen und Entwicklungsprozesses einrichtungen und Unternehmen erstellt (vgl. Abbildung 5). Treiber Knowledge Sourcing (Blind und Mangelsdorf 2016) (eigene Darstellung). Dabei wurde berücksichtigt, dass einige Treiber nicht in allen Norm- und standardkonforme Realisierung Phasen und nicht für alle Beteiligten entlang des Forschungs- Forschungskooperationen (Blind und Gauch 2007) von Technologien (Wakke et al. 2016) und Entwicklungsprozesses relevant sind. Beispielhaft sei hier die Möglichkeit zur Bildung neuer Forschungskooperationen Kostenfreie Mitgliedschaften bei Normungsorganisationen (Blind und Gauch 2007; INTEREST o.J.) genannt, die nach Blind und Gauch (2007) vorrangig auf der Ebene der Forschungseinrichtungen und in frühen Phasen von Relevanz ist. Wohingegen die norm- und standardkon- Forschungs- GRUNDLAGEN- ANGEWANDTE PROTOTYPEN- FORSCHUNG FORSCHUNG ENTWICKLUNG DIFFUSION forme Realisierung von Technologien vor allem als Treiber für prozess Unternehmen und in späteren Phasen identifiziert werden konnte (Wakke et al. 2016). Hemmende Faktoren, wie die Norm bzw. Standard als Gemeinschaftsprodukt (keine Autorennennung) (Mosch 2007b) Langwierigkeit der Prozesse oder der finanzielle Aufwand, Norm bzw. Standard als öffentliches Gut (Wissen für geringe Gebühr frei zugänglich, keine Kapitalisierung betreffen alle Beteiligten und alle Phasen des Forschungs- und des Forscherwissens) (Mosch 2007b) Entwicklungsprozesses gleichermaßen (Blind und Gauch 2009; Trittbrettfahrerproblem (Wissen nur abgegriffen, ohne selbst einen nennenswerten Beitrag geleistet zu haben) INTEREST o.J.) Hemmnisse Technologien nicht mehr patentierbar, nachdem die Normen und Standards integriert worden sind (Großmann et al. 2016) Finanzieller Aufwand (z. B. personelle Kosten, Reisen) (Blind und Gauch 2009) 4.2 Validierung der Übersicht durch qualitative Langwierigkeit der Prozesse inkl. schwieriger Konsensfindung und geringer Einflussnahme Interviews (Blind und Gauch 2009; INTEREST o.J.) Fehlendes Normungs- und Standardisierungswissen (INTEREST o.J.) Im Rahmen von 44 Experteninterviews (davon 20 Forschungs- Fehlen einer Leistungsbewertung von Normungs- und Standardisierungsarbeit für Forschende einrichtungen, 20 Unternehmen, drei Verbände und eine (INTEREST o.J.; Mosch 2007a) Normungs- und Standardisierungsorganisation) wurde die in Abbildung 5 dargestellte Übersicht an Treibern und Hemm- nissen validiert. Die aufgeführten Treiber und Hemmnisse konnten dabei im Wesentlichen bestätigt und mit einer Forschungseinrichtung Wissens- und Technologietransfer Unternehmen Priorisierung versehen werden. In mehreren Interviews wurde zusätzlich der Treiber »Reputationseffekt« genannt, weshalb dieser zusätzlich aufgenommen wurde. 3 F ür den Kontext der vorliegenden Studie wurden die Publikationen dahingehend gefiltert, dass sie Normung und Standardisierung als Instrument des Wissens- und Technologietransfers untersucht haben. 12 13
4 TREIBENDE UND HEMMENDE FAKTOREN 4.2.1 Treiber und eine gemeinsame Sprache entwickelt. Dies kann eine nisse überhaupt erst ermöglichen. Der Wissenstransfer bezieht Fachexperten auf demselben Gebiet lassen deutlich werden, Grundlage für eine künftige Zusammenarbeit sein. Anderer- sich dabei sowohl auf die Zeit während des Normungs- und wo weiterer Forschungs- und Entwicklungsbedarf besteht. So In Tabelle 1 sind die in den Interviews genannten Treiber für seits kann die Normungsarbeit auch direkt als Instrument für Standardisierungsprojekts an sich als auch auf die Zeit nach hat beispielsweise ein Institut berichtet, dass die Normungsar- Unternehmen und Forschungseinrichtungen, geordnet nach Business Development genutzt werden. Insbesondere kleine Veröffentlichung der Norm bzw. des Standards. Während beit ein Instrument ist, um Impulse und potenzielle Interessen- der Häufigkeit ihrer Nennungen, verzeichnet. Diese werden im und mittlere Unternehmen (KMU) haben davon berichtet, der Normungsarbeit wird das Wissen mit anderen beteiligten ten für künftige Industrieprojekte zu generieren. Folgenden näher erörtert. dass an den Gremien potenzielle Kunden teilnehmen, die sie Organisationen geteilt und ergänzt, nach Veröffentlichung durch die gemeinsame Arbeit für ihre Technologien gewinnen der Norm bzw. des Standards erfährt es eine weitere Diffusion Reputationseffekt: Durch die Teilnahme an Normungs- und Auftragsforschung und Vernetzung von Unternehmen konnten. durch deren Anwendung. Standardisierungsprojekten kann die Reputation auf organisatio- und Forschungseinrichtungen: Sowohl für Forschungs- naler und/oder individueller Ebene steigen. Auf organisationaler einrichtungen als auch Unternehmen werden durch die Diffusion von Forschungsergebnissen: Insbesondere Einbeziehung eigener Interessen: Insbesondere Großun- Ebene können sich Organisationen als Kompetenzträger für das Zusammenarbeit in der Normung und Standardisierung neue Interviewte aus Forschungseinrichtung berichteten, dass Nor- ternehmen nutzen Normung und Standardisierung strategisch, infrage stehende Thema etablieren. Insbesondere KMU nutzen Kontakte geknüpft, wird gegenseitiges Vertrauen aufgebaut men und Standards die Anwendung ihrer Forschungsergeb- um bestimmte Technologietrends im Interesse der eigenen Ge- die Normungsarbeit daher auch im Sinne einer Marketingaktivi- schäftsstrategie zu beeinflussen. Durch das gezielte Mitwirken tät. Das Etablieren einer Norm für die eigene Technologie schafft an der Normung soll erreicht werden, dass eine neue Norm Vertrauen am Markt und kann einen entscheidenden Beitrag bzw. ein neuer Standard den Interessen der eigenen Organisa- bei dessen Erschließung leisten. Auf individueller Ebene werden Treiber Häufigkeit der Häufigkeit der Nennungen von Nennungen von tion entspricht. die Teilnehmenden zu Fachexpertinnen und Fachexperten für Unternehmen Forschungseinrichtungen das jeweilige Thema. Intern verschafft ihnen das eine höhere Norm- bzw. standardkonforme Realisierung von Glaubwürdigkeit, was mitunter der eigenen Karriere zuträglich Auftragsforschung und Vernetzung von Technologien: Besonders für Unternehmen in sehr von sein kann. Extern werden sie als Personen vom Fach mitunter Unternehmen und Forschungseinrichtungen der Normung geprägten Bereichen wie der Medizintechnik in weitere Gremien eingeladen, was wieder Wechselwirkungen Diffusion von Forschungsergebnissen oder dem Maschinenbau ist die Beachtung von Normen und zum Gesamtvorteil für die beteiligte Organisation hat. Einbeziehung eigener Interessen Standards bei der Entwicklung neuer und der Anwendung be- stehender Technologien essenziell. Aber auch strategisch birgt Knowledge Sourcing: Die gezielte Suche nach und das Norm- bzw. standardkonforme Realisierung das Engagement in Normungs- und Standardisierungsgremien Akquirieren von neuem Wissen wurde besonders von den von Technologien einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Wettbewerbern, die sich befragten KMU als Motivation für die Teilnahme an Nor- Impulse für Technologieentwicklungen nicht beteiligen. Durch den Wissensvorsprung bezüglich der mungs- und Standardisierungsprojekten genannt. Sie können Reputationseffekt Entstehung und Inhalte der Norm bzw. des Standards kann die die Zusammenarbeit mit etablierten Großunternehmen und Knowledge Sourcing eigene Entwicklung dahingehend ausgerichtet und die Time- Forschungseinrichtungen gezielt nutzen, um unternehmensin- Forschungskooperationen To-Market, also die Zeit von der Produktentwicklung bis zur tern nicht vorhandenes Wissen auszubauen. Platzierung des entsprechenden Produkts am Markt, eigener Strategische Verhinderung von Technologien und Produkte verkürzt werden. Diesen Aspekt Forschungskooperation: Von den interviewten Forschungs- Patentierung Tabelle 1 machen sich insbesondere KMU zunutze, die häufig ein weni- einrichtungen wurde uns nicht bestätigt, dass die Aussicht auf Kostenfreie Mitgliedschaft in Normungs- ger diversifiziertes Produktportfolio als Großunternehmen und Kooperationen zwischen Forschungseinrichtungen ein treiben- organisationen Häufigkeit der in den daher eine größere Abhängigkeit vom Markterfolg einzelner der Faktor für das Engagement in der Normungsarbeit ist. Da Interviews genannten Technologien und Produkte haben. die Vernetzung beteiligter Organisationen jedoch durchweg = sehr häufige Nennungen (> 75 %) = häufige Nennungen (51 – 75 %) Treiber für ein Engage- als Mehrwert herausgestellt wurde, ist auch das prinzipielle = gelegentliche Nennungen (26 – 50 %) = seltene Nennungen (< 25 %) = keine Nennungen ment in Normung und Impulse für Technologieentwicklungen: Die inhaltlich Potenzial von Forschungskooperationen durchaus denkbar. Standardisierung. intensive Arbeit sowie der Austausch mit Fachexpertinnen und 14 15
4 TREIBENDE UND HEMMENDE FAKTOREN Tabelle 2 Strategische Verhinderung von Patentierung: Die inter- Fehlendes Normungs- und Standardisierungswissen: Hemmnis Häufigkeit der Häufigkeit der Nennungen von Nennungen von Häufigkeit der in den viewten Unternehmen bestätigten nicht, dass Normen bzw. Dass Normung und Standardisierung als Instrument des Wis- Unternehmen Forschungseinrichtungen Standards gezielt genutzt werden, um der Patentierung von sens- und Technologietransfers ex ante nicht in Betracht gezo- Interviews genannten Wettbewerbern entgegenzuwirken. Vielmehr wurde in der gen wird, betrifft Unternehmen und Forschungseinrichtungen Fehlendes Normungs- und Hemnisse für ein Engage- Gremienarbeit gezielt darauf hingewirkt, dass die erarbeiteten gleichermaßen stark. Damit ist erstens das fehlende Wissen Standardisierungswissen ment in Normung und Inhalte genug Raum für den eigenen Marktvorteil lassen. Dies um den Mehrwert eines Engagements an sich gemeint. Dies Standardisierung. Finanzieller Aufwand kann dann beispielsweise in Form eines Patents erfolgen, auf betrifft einerseits die Führungsebene von Organisationen, (z. B. personelle Kosten, Zeit) das dann der Standard aufbaut. Eine andere Variante war ein die aufgrund der Herausforderung, den Mehrwert eines Langwierigkeit der Prozesse Großunternehmen, das gezielt eigene standardessenzielle solchen langfristigen Engagements qualitativ und quantitativ Patente in die Normungsarbeit einbringt. Implizit wird der zu antizipieren, schwer von den erforderlichen Investitionen Fehlende Leistungsbewertung für Standard bzw. die Norm also schon gezielt so ausgestaltet, zu überzeugen ist. Andererseits wurde auch die nicht vor- Forschende dass Wettbewerber durch ihre Patente den eigenen Wettbe- handene Integration des Themas in universitäre Curricula Trittbrettfahrerproblem werbsvorteil nicht einfach gefährden können. bemängelt. Zweitens besteht eine Unsicherheit über den Norm/Standard als öffentliches Gut Ablauf der Normungsarbeit, d. h. fehlendes Prozesswissen. Norm/Standard als Gemeinschaftsprodukt Kostenfreie Mitgliedschaft in Normungsorganisationen: Drittens beklagen insbesondere auch Unternehmen fehlen- Dieser Faktor wirkt erleichternd für Forschungseinrichtungen, de Transparenz innerhalb des »Normen-Dschungels«. Das Technologie nicht mehr patentierbar falls zusätzlich andere Interessen gegeben sind, die zu einem erschwert es, aktuelle Änderungen nachzuvollziehen und für nach Integration in Standard / Norm Engagement in der Normungsarbeit beitragen. Unternehmen sie relevante Gremien zu identifizieren oder ihren potenziellen zeigten sich diesbezüglich zwiegespalten, da sie derzeit keine Mehrwert abzuschätzen. Das fehlende Bewusstsein für den = sehr häufige Nennungen (> 75 %) = häufige Nennungen (51 − 75 %) solche Erleichterung erhalten. Eine solche wünschen sich ei- Mehrwert von Normungs- und Standardisierungsprojekten hat = gelegentliche Nennungen (26 – 50 %) = seltene Nennungen (< 25 %) = keine Nennungen nerseits insbesondere KMU, denen die in der Regel am Umsatz weitreichende Konsequenzen. In ganzheitlicher Betrachtung berechneten Mitgliedsbeiträge zu kostspielig sein können. ist hier vor allem die fehlende strategische und strukturelle Andererseits befürchten Unternehmen eine Verschlimmerung Verankerung zu nennen, die im Extremfall dazu führen kann, des Trittbrettfahrerproblems, d. h. der Teilnahme von Organisa- dass die Gremienarbeit vor allem Freizeitarbeit der Mitarbeite- tionen, die nur Wissen abgreifen wollen, ohne selber welches rinnen und Mitarbeiter mit einer entsprechenden intrinsischen einzubringen, sobald keine finanzielle Barriere zur Teilnahme Motivation darstellt. schungseinrichtungen bewerten vorhandene Förderungen wie Interessenten für das Projekt zu gewinnen. Aber auch die an Gremien mehr besteht. WIPANO (Wissens- und Technologietransfer durch Patente und Koordination vieler unterschiedlicher Interessen im Gremium Finanzieller Aufwand: Dieses Hemmnis betrifft sowohl Normen) grundsätzlich sehr positiv. Jedoch ist nach dem Aus- und das Management soziodynamischer Prozesse führen dazu, Forschungseinrichtungen wie auch Unternehmen. Im Spe- laufen der öffentlichen Förderung oftmals das Normungs- und dass Abstimmungen und somit der gesamte Prozess länger ziellen wurden dabei immer wieder die hohen Reisekosten Standardisierungsprojekt (insbesondere bei internationalen dauern. Eine weitere Ursache stellt der Faktor Kultur eines Un- 4.2.2 Hemmnisse angesprochen, die notwendig sind, um sich beispielsweise in Normen) noch nicht abgeschlossen und es bedarf hier weiterer ternehmens, aber auch eines Landes dar. Einige der Interview- internationalen Gremien beteiligen zu können. Neben den finanzieller Unterstützung zur Finalisierung. ten berichteten von einem geringen Veränderungswillen von Tabelle 2 zeigt die in den Interviews genannten Hemmnisse Reisekosten verursacht Normungsarbeit auch hohe personelle Unternehmen, was dazu geführt hat, dass Entscheidungen für Unternehmen und Forschungseinrichtungen entsprechend Kosten. Da für Unternehmen im Gegensatz zu Forschungs- Langwierigkeit der Prozesse: Insbesondere Unterneh- hinausgezögert wurden. Aber auch nationale Mentalitätsun- ihrer Häufigkeit der Nennungen in den einzelnen Interviews. einrichtungen keine öffentlichen Fördermittel zur Verfügung men beklagen eine im Vergleich zu internen Projekten sehr terschiede können sich auf die Prozessdauer auswirken. Das Diese werden im Folgenden näher erläutert. stehen, ist die finanzielle Barriere insbesondere für KMU ein lange Projektdauer. Die dafür identifizierten Ursachen sind ist vor allem bei internationalen Normungs- und Standardi- Grund, sich nicht in der Normungsarbeit zu engagieren. For- vielfältig. Zum einen kann es bereits zu Beginn des Projekts sierungsprojekten von Bedeutung. So wurden beispielsweise eine Herausforderung darstellen, genügend oder die richtigen deutliche Unterschiede zwischen der Dauer eines Normungs- 16 17
4 TREIBENDE UND HEMMENDE FAKTOREN 5 PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN ZUM EINSATZ VON NORMUNG UND STANDARDISIERUNG ALS INSTRUMENT DES WISSENS- UND TECHNOLOGIETRANSFERS projekts in Amerika (kürzer als in Deutschland) oder Japan Inhalte der Norm zurückgreifen und diese nutzen. Intellektu- 5.1 Perspektive der Forschungseinrichtungen chendes Engagement entsteht bisher ausschließlich reaktiv (länger als in Deutschland) erwähnt. Ein letzter benannter elle Eigentumsrechte, wie Patente, ermöglichen im Gegensatz aus dem Forschungsprozess einer bestehenden Arbeitsgruppe Grund für die Langwierigkeit von Normungsprojekten ist die dazu den Forschungseinrichtungen bzw. den Unternehmen Im Folgenden werden die Erfahrungen der 20 interviewten heraus. Die Initiierung erfolgt dann also nicht aufgrund einer erforderliche Zeit, um unter den Gremienmitgliedern eine die Kontrolle über die Kapitalisierung ihres Wissens. Diese Forschungseinrichtungen zur praktischen Umsetzung der strategisch-taktischen Abwägung der Treiber und Hemmnisse, gemeinsame Sprache zu entwickeln und eine Vertrauensbasis fehlende Möglichkeit wurde gleichermaßen von Unternehmen Normungs- und Standardisierungsarbeit dargestellt. Dabei sondern rein aufgrund des operativen Tagesgeschäfts heraus. zu schaffen. wie auch Forschungseinrichtungen als Hemmnis berichtet. wurden gleichermaßen Universitäten, Hochschulen, An-Institu- Teils war die Verfügbarkeit finanzieller Fördermittel ein wesent- te, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und Ressortfor- licher Grund für die Initiierung eines Normungsprojekts. Fehlende Leistungsbewertung für Forschende: Eine Norm bzw. Standard als Gemeinschaftsprodukt (keine schungsinstitute befragt. fehlende Anreizstruktur bei Forschungseinrichtungen bezüg- Autorennennung): Im Gegensatz zu Patenten oder wissen- lich Normung und Standardisierung trägt zu einer niedrigen schaftlichen Publikationen erfolgt bei Normen und Standards STRATEGISCH sind Normung und Standardisierung bei der Priorisierung in Bezug auf die Initiierung entsprechender keine Autorennennung. Der Beitrag einer individuellen Leis- überwiegenden Zahl der interviewten Forschungseinrichtun- 5.2 Perspektive der Unternehmen Projekte bei. Auch in Unternehmen werden in der Regel keine tung ist somit für Außenstehende allenfalls durch die im Do- gen gar nicht oder nur am Rande in den Organisationszielen Anreize für Mitarbeitende in Hinblick auf Normungsaktivitäten kumentenanhang referenzierten Publikationen erkennbar. Der bzw. der Organisationsmission verankert. Eine beiläufige Im Folgenden werden die Erfahrungen der 20 befragten geschaffen. Als Ergebnis ist ein Engagement häufig von hoher Querbezug zum Hemmnis einer fehlenden Leistungsbewer- Verankerung ist häufig als Benennung von Normung und Unternehmen zur praktischen Umsetzung der Normungs- und intrinsischer Motivation abhängig. tung für Forschende wird hier deutlich: Da ein »wissenschaftli- Standardisierung als ein Instrument des Wissenstransfers zu Standardisierungsarbeit dargestellt. Die Stichprobe bestand zu che Fußabdruck« nicht einfach erkennbar ist, wird dieser auch beobachten. Näher ausgeführt wird dies aber in der Regel annähernd gleichen Teilen aus KMU und Großunternehmen Trittbrettfahrerproblem: Wenn Mitarbeitende von For- nicht in der Anreizstruktur berücksichtigt. nicht. Eine Ausnahme der fehlenden strategischen Veranke- aus verschiedensten Branchen. Zusätzlich wurde die Perspektive schungseinrichtungen oder Unternehmen in Normungs- und rung bilden einerseits Bundesanstalten, die – auch aufgrund von drei Industrieverbänden sowie einer Normungsorganisation Standardisierungsgremien teilnehmen, um Wissen abzugrei- Technologie nicht mehr patentierbar nach Inte- gesetzlicher Grundlagen – explizit den Wissenstransfer zu berücksichtigt. fen, ohne selbst einen nennenswerten Beitrag zu leisten, kann gration in Standard/Norm: Dieses Hemmnis wurde von Ministerien bzw. zur Gesetzgebung durch Normung und Stan- dies für andere Organisationen ein Grund sein, ihr Wissen gar keinem der interviewten Personen benannt. Falls das Engage- dardisierung in ihren Missionen aufführen. Andererseits haben Generell ist die strategische, strukturelle und prozessuale Veran- nicht erst in solche Gremien einzubringen. Es wurde berichtet, ment in der Normungsarbeit unternehmenseigene Patentrech- insbesondere An-Institute oder Forschungseinrichtungen mit kerung von Normung und Standardisierung bei Unternehmen dass Trittbrettfahrer vor allem aufseiten der Forschungseinrich- te berührt, wird entweder eine Ausgestaltung der Norm bzw. starkem Anwendungsbezug Normung und Standardisierung deutlich heterogener als bei Forschungseinrichtungen. Es wur- tungen zu finden sind, welche sich am Projekt beteiligen, um des Standards angestrebt, die genug Raum für das eigene auch strategisch verankert. So hat beispielsweise ein interview- den drei wesentliche Prädiktoren für eine stärkere Veran- neue Forschungsfelder zu identifizieren. Insgesamt wurde das Patent lässt oder das eigene geschützte Wissen über die tes An-Institut Normung und Standardisierung fest in seiner kerung von Normung und Standardisierung identifiziert: Phänomen zwar von einigen Interviewten berichtet, allerdings Deklaration standardessenzieller Patente signalisiert. Geschäftsstrategie verankert. Normung und Standardisierung nicht als ernsthaftes Hemmnis für ein Engagement bewertet. dienen hier als Marketinginstrument für Industrieprojekte. Unternehmensgröße: Je größer das Unternehmen, desto So wurde berichtet, dass manche Trittbrettfahrer sogar ge- wahrscheinlicher, dass entsprechende Strukturen formalisiert duldet werden, da ihre Teilnahme einen politischen Mehrwert STRUKTURELL liegt die Verantwortung für Normungs- und sind. Kleinere Unternehmen haben häufig nicht die finanziellen bietet (z. B. Multiplikatorenwirkung über das Gremium hin- Standardisierungsaktivitäten in der Regel ausschließlich in den oder personellen Kapazitäten für ein entsprechendes Engage- aus). Andere Trittbrettfahrer können in der Regel durch eine Fachabteilungen. Lediglich eine befragte Universität hat eine ment, weshalb die Initiative von einzelnen Mitarbeitenden proaktive Ansprache zur Mitarbeit motiviert werden. eigene Normenabteilung. Diese ist an die Universitätsbibliothek abhängt. angegliedert. Die Mitarbeitenden dieser Abteilung unterstützen Norm bzw. Standard als öffentliches Gut (Wissen für bei Recherchen nach Normen und Standards. Industrie: Je nach Industrie ist ein unterschiedliches Maß an geringe Gebühr frei zugänglich, keine Kapitalisierung Anwendung von bzw. Beteiligung an Normung und Standardi- des Forscherwissens): Normen und Standards können nicht PROZESSUAL konnte beobachtet werden, dass keine der sierung für eine erfolgreiche Partizipation am Markt notwendig. unmittelbar zur Gewinnerzielung genutzt werden. Das Urhe- interviewten Forschungseinrichtungen formalisierte Regel- Beispiele für hohe Anforderungen an Normung und Standardi- berrecht liegt nicht bei den Verfassern der Norm, sondern bei prozesse zur Abwägung, Initiierung oder Durchführung von sierung sind die Medizintechnik oder der Maschinenbau. der Normungsorganisation. Alle Interessierten können auf die Normungs- und Standardisierungsprojekten hat. Ein entspre- 18 19
5 PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN Aufmerksamkeit seitens der Unternehmensführung: So Ebene fungieren die Mitarbeitenden als Ansprechpartner für lassen sich dabei aufteilen zum einen in individuelle Erfolgsfak- wurde beispielsweise der Geschäftsführer eines KMU inter- die Fachabteilungen, was prozessuale Fragen rund um die 5.3 Erfolgsfaktoren in Normungs- und toren, die sich auf die Erfolgswahrscheinlichkeit der Durchset- viewt, der die Relevanz von Normung und Standardisierung Normungsarbeit an sich angeht. Solche zentralen Normenab- Standardisierungsvorhaben zung der Interessen der eigenen Organisationen im Gremium nicht nur strategisch, sondern auch prozessual fest verankert teilungen sind in der Regel in der Rechtsabteilung verankert. beziehen (z. B. Durchsetzung der Unternehmensinteressen bei hat. Das Thema ist dort fest im Qualitätsmanagement-Work- Um die erfolgreiche Umsetzung eines Normungs- oder Stan- der Entwicklung eines für die eigene Technologie relevanten flow integriert. Auf der anderen Seite wurden auch Gesprä- Zentrale Normenbibliothek: Mitarbeitende übernehmen dardisierungsvorhabens zu ermöglichen, berichteten unsere Standards). Zum anderen betreffen die Erfolgsfaktoren den che mit Großunternehmen geführt, die zwar eine eigene verwaltende Verantwortung. Einerseits wird hier eine Art Interviewpartnerinnen und Interviewpartner aus den For- Gesamterfolg des Gremiums, also inwiefern das Gesamtziel Normungsabteilung haben und in einer für Normung und Datenbank betreut, die sämtliche vom Unternehmen genutzte schungseinrichtungen und Unternehmen von vielfältigen Eigen- erreicht wird (z. B. grundsätzliche Etablierung eines Standards Standardisierung relevanten Industrie tätig sind, aber trotzdem und erarbeitete Normen enthält. Andererseits unterstützen die schaften oder Bedingungen, die den Erfolg von Normungs- und für die infrage stehende Technologie). Diese sind in Tabelle 3 keine strategische Priorisierung des Themas haben. Mitarbeitenden auch bei Recherchetätigkeiten. Standardisierungsvorhaben entscheidend beeinflussen. Diese 4 und 4 dargestellt. Tabelle 3 STRATEGISCH gibt es zwei Faktoren, in denen Normung und Fachabteilung: Mitarbeitende übernehmen die inhaltliche Erfolgsfaktor Beschreibung Standardisierung verankert sein können. Der seltenste Fall ist Verantwortung für ein konkretes Normungs- oder Standar- Erfolgsfaktoren die Formulierung einer expliziten und detaillierten Normungs- disierungsprojekt. Diese Fachexpertinnen und Fachexperten Erfolgsfaktoren für die Durchsetzung individueller Interessen für die Durchsetzung strategie. Beobachtet wurde dies beispielsweise bei einem leisten die primäre Normungsarbeit im Sinne einer Teilnahme Kompetenzen und Fachwissen individueller Interessen. Großkonzern im Bereich Mobilität. Dort unterliegt die Strate- an entsprechenden Gremien. Fähigkeiten der Soziale Kompetenzen (z. B. Kompromissbereitschaft) gie einem jährlichen Review-Prozess, in dem strategisch evalu- involvierten Person Betriebswirtschaftliche Kompetenzen (kaufmännisches Grund- iert wird, aus welchen Gründen sich in welchen Gremien und Die dargestellte Dreiteilung der Verantwortung stellt allerdings verständnis, Abschätzung der strategischen und operativen Folgen Initiativen mit welchen Erwartungen beteiligt wird (vgl. Kapitel die absolute Ausnahme dar. Lediglich in drei der interviewten für die eigene Organisation) 5.4.2). Häufiger wird die Relevanz von Normung und Standar- Unternehmen (jeweils Großunternehmen) war eine zentrale Unternehmenspolitische Kompetenzen (Gespür für Preisgabe bzw. disierung zwar in der Strategie erwähnt, aber nicht detailliert Normenabteilung und eine verwaltende Normenbibliothek Geheimhaltung, Entscheidungsfähigkeit) ausgeführt. Die Konsequenz sind fehlende organisatorische implementiert. Der Regelfall war eine ausschließlich dezentrale Sprachliche Gewandtheit (um »normgerechte Formulierungen« oder prozessuale Implikationen der Strategie. Insbesondere bei Organisation der Verantwortlichkeiten für die Normungsarbeit. zu finden) KMU wurde jedoch häufig beobachtet, dass das Thema gar Das heißt, sowohl die strategische, koordinative und verwal- Durchhaltevermögen nicht strategisch ausgeführt ist. Ein wesentlicher Grund ist das tende wie auch die inhaltliche Verantwortung liegt bei den fehlende Bewusstsein auf der Leitungsebene. Projekte werden Fachabteilungen. Vorhandensein Erleichterte Durchsetzung eigener Interessen bei den Mehrheits- hier häufig aus den konkreten operativen Herausforderungen strategischer entscheidungen in Gremien, wenn Mitstreiter dieselben Ziele heraus initiiert. PROZESSUAL sind formalisierte Regelprozesse zur Initiie- Allianzen verfolgen rung von Normungs- und Standardisierungsaktivitäten auch Grundlage sind bestehendes Netzwerk, Aufbau und Pflege von STRUKTURELL wurden drei organisatorische Optionen, bei Unternehmen die Ausnahme. Lediglich bei Unternehmen, Kontakten sowie informelle Zusammenkünfte die Verantwortungen für Normung und Standardisierung zu deren zentrale Normenabteilung eine strategische Teilnahme Auswahl des Je relevanter die eigene Technologie für die Normung oder verteilen, beobachtet. an Gremien steuert, erfolgt eine sorgfältige Abwägung der passenden Standardisierung im Gremium, desto größer der eigene Einfluss Vor- und Nachteile eines Mitwirkens. Erfolgt das Engagement Gremiums Insbesondere für KMU entscheidend, um Einfluss zu nehmen, da Zentrale Normenabteilung: Mitarbeitende übernehmen aus einem operativen Interesse, ist dies selten die Konsequenz verglichen mit Großunternehmen geringere Durchsetzungsfähigkeit strategische und koordinative Verantwortung. Auf strategi- eines systematischen Abwägens und befolgen eines Regelpro- allein aufgrund der Marktpositionierung/-relevanz scher Ebene wird festgelegt, in welchen Gremien sich das zesses, sondern häufiger Ergebnis einer operativen Notwen- Unternehmen aus taktischen Interessen engagieren möchte digkeit (beispielsweise der Erkenntnis, dass der Markt für eine 4 D amit unterscheiden sich Erfolgsfaktoren maßgeblich von Treibern und Hemmnissen von Normungs- und Standardisierungsvorhaben. und die Tätigkeit mit der entsprechenden Normungsorga- Technologie nur auf Basis einer Norm bzw. eines Standards Während Treiber (bzw. Hemmnisse) dazu führen, dass sich Organisationen überhaupt in Normungs- und Standardisierungsprozessen nisation oder dem Verband koordiniert. Auf koordinativer erschlossen werden kann). engagieren (bzw. nicht engagieren), beeinflussen Erfolgsfaktoren das spätere Ergebnis dieser Prozesse. 20 21
5 PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN abhängigkeit garantiert, um die Entwicklung der Software für Tabelle 4 5.4 Ausgewählte Best Practices Steuergeräte im Auto zu vereinheitlichen und damit auch zu Erfolgsfaktor Beschreibung vereinfachen und in der Folge durch Wiederverwendung auch Erfolgsfaktoren für den Nachfolgend wird anhand von zwei Fallbeispielen dargestellt, die Entwicklungskosten und die Entwicklungszeit zu senken. Erfolgsfaktoren für den Gesamterfolg des Normungs- oder Standardisierungsvorhabens Gesamterfolg des Nor- wie Normung und Standardisierung erfolgreich als Instrument Vereinfacht sind die Funktionen zur Steuerung eines Autos Fachliche Fachliche Komplementarität und Synergie mungs- und Standardisie- des Wissens- und Technologietransfers genutzt werden kann. eine Vielzahl von Softwarekomponenten. Allerdings sind die Passgenauigkeit der Hohes Maß an individueller fachlicher Expertise rungsvorhabens. Aus Anonymitätsgründen wurde für das Beispiel der For- Architektur, die Schnittstellen und das Zusammenspiel dieser Teilnehmenden schungseinrichtung ein internes Beispiel der Fraunhofer- Softwarekomponenten hochkomplex und der gesamte Ent- Gesellschaft gewählt, das aber repräsentativ zeigen kann, wie wicklungsprozess muss daher methodisch exakt abgestimmt Praktische Relevanz Norm bzw. Standard befriedigt einen praktischen Bedarf bzw. erfolgreiche Normungsarbeit aus Sicht einer Forschungsein- und durchgeführt werden. Um diesen Herausforderungen zu des Projekts schließt eine Lücke richtung funktionieren kann. begegnen, wurde AUTOSAR 2003 gegründet. 2016 wurde Beteiligung eines Erleichtert das Gewinnen weiterer Unternehmen und Forschungs- AUTOSAR um eine zusätzliche Architektur für Hochleistungs- Großunternehmens einrichtungen zur Teilnahme am Projekt steuergeräte erweitert, um neuen Herausforderungen wie Erhöht Wahrscheinlichkeit für die spätere Durchsetzung des dem autonomen Fahren zu begegnen. Standards 5.4.1 Best Practice aus Sicht einer Forschungseinrichtung Vorerfahrung in Erfolgreiche Zusammenarbeit in vergangenen Projekten bildet Aufgrund einer schon zuvor bestehenden langjährigen Normungsarbeit häufig eine Grundlage für weitere Projekte » Wir können schon über mehrere Jahre unsere Forschungs- Kooperation mit einem der Gründungs-OEMs wurde das In informellen Gesprächen in bestehenden Gremien werden erkenntnisse in die Praxis einbringen und profitieren gleich- Fraunhofer FOKUS auch bei AUTOSAR involviert. Hintergrund künftige Projekte angebahnt zeitig von einem immer größer werdenden Netzwerk.« der Beteiligung ist es dabei erstens, eigene Forschungser- Verständnis über typischen Ablauf eines Normungsprojekts wirkt (Forschungsinstitut, Informations- und Kommunikations- kenntnisse einzubringen und so zum Wissenstransfer in die sich positiv auf Effizienz und Effektivität aus technologie) Praxis beizutragen. Dies betrifft insbesondere die Forschung Vorhandensein »Leuchttürme«, die motivierend auf andere Teilnehmende und zu Softwarearchitektur und Software Engineering im Auto- einer treibenden insgesamt fördernd auf das Gesamtprojektziel hinwirken Kurzbeschreibung der Normungs- und Standardisie- motive-Bereich. Zweitens ist das Fraunhofer FOKUS aufgrund Kraft Stärkeres Engagement erfolgt meist aus Eigeninteresse für die rungsaktivität: AUTOSAR (AUTomotive Open System der Unabhängigkeit als Forschungsinstitut bis heute mit der Norm bzw. den Standard (Relevanz, Dringlichkeit) ARchitecture) ist eine Entwicklungspartnerschaft von Automo- Leitung bzw. Moderation der Gremien betreut. bilherstellern, Zulieferern, Unternehmen aus der Elektronik-, Passendes Timing Abhängig von Treiber bzw. Technologie richtige Wahl des Zeit- Halbleiter- und Softwareindustrie sowie Forschungseinrichtun- punkts der Initiierung der Normungsarbeit gen. Wesentliches Ergebnis ist die Entwicklung und Etablie- Highlights: Beispiel 1 – Treiber: Frühes Einbringen, wenn strategische rung eines weltweit anerkannten Standards einer offenen Einbeziehung eigener Interessen Softwarearchitektur für elektronische Steuergeräte in der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Mode- Beispiel 2 – Technologie: Spätes Einbringen, wenn Technologie Automobilindustrie. Als angewandte Forschungseinrichtung rierende: Da Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler un- noch keinen ausreichenden Reifegrad hat, um zu standardisierende unterstützt das Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikati- abhängig von Unternehmensinteressen entscheiden können, Elemente zu identifizieren onssysteme FOKUS die AUTOSAR-Entwicklungspartnerschaft übernehmen sie im Projekt eine moderierende Rolle. seit mehr als 15 Jahren bei der kontinuierlichen Weiter- entwicklung des Standards der Austauschformate und der Kompetenznachweis: Durch die langjährige erfolgreiche entsprechenden Methodik. Moderation hat die Forschungseinrichtung eine Reputation in- nerhalb der Initiative und darüber hinaus erlangt, die sie auch Vorgehen: Das Ziel der Initiative ist, eine standardisierte Soft- als Vermarktungsinstrument nutzen kann. warearchitektur einzuführen, welche eine klare Hardwareun- 22 23
5 PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN Offener Standard schafft Inklusion: Standardisierung einerseits im Vordergrund, wie stark sich das Unternehmen senkt Markteintrittsbarrieren, indem es technische Anforde- gegenwärtig in welchen Gremien engagiert: national, euro- rungen transparent und zugänglich für alle Marktteilnemer päisch, international, auf welchen Märkten etc. Zudem wird macht. besprochen, welche eigenen Vorstellungen zukünftig in wel- chen Normungsgremien vertreten werden sollen und welche FACHABTEILUNG Identifiziert Fachexperten für die Normungs- Vernetzung von Unternehmen und Forschungseinrich- Normungsthemen das Unternehmen sowie den gesamten und Standardisierungs-Fachabteilungen tung: Ausgangspunkt der Zusammenarbeit war eine beste- Sektor voranbringen. Dazu gehört auch das Monitoring von ZENTRALE Betreibt strategisches Monitoring relevanter hende strategische Kooperation von OEM und Forschungs- relevanten Normungstätigkeiten, die Ausarbeitung einer ent- NORMUNGS- Normungsorganisationen und -gremien FACHABTEILUNG ABTEILUNG einrichtung. Inzwischen haben sich weltweit fast 300 Unter- sprechenden Unternehmensposition sowie die Identifikation Schult Normungs- und Standardisierungsmitar- nehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ange- und Schulung der entsprechenden Unternehmensmitarbeite- beiter hinsichtlich Normung und Standardisierung schlossen und damit das Netzwerk noch weiter vergrößert. rinnen und -mitarbeiter, die das Unternehmen in der Nor- mung vertreten. Die Mitarbeitenden sollten dabei eine hohe FACHABTEILUNG Qualitätssicherung und Effizienzsteigerung: Expertise auf ihrem Fachgebiet innehaben, andere überzeugen können und auch loyal sein. Denn einerseits soll die Firmenpo- Sind aktiv in der Normung » Durch das gemeinsame und fortlaufende Engagement sition in die Normen einfließen und andererseits besteht durch und Standardisierung in der Standardisierung konnten wir nachhaltig die Entwick- Normungsaktivitäten auch stets eine gewisse Gefahr, dass Fir- Tauschen sich aus und lungskosten und die Entwicklungszeit senken und gleichzeitig men-Know-how preisgegeben wird oder gar kompetente Mit- berichten an die zentrale die Qualität des Produkts erhöhen.« (Forschungsinstitut, arbeiterinnen und Mitarbeiter abgeworben werden können. Normungsabteilung BIBLIOTHEKS- Bereitstellung von bestehenden Informations- und Kommunikationstechnologie) Es wurde zudem betont, dass durch die Normungsarbeit ein SERVICE Normen und Standards nicht zu unterschätzender Einfluss auf die künftig einzuhalten- den Anforderungen und auch die Umsetzung von politischen Zielen genommen werden kann. Teil der zentralen Normungs- 5.4.2 Best Practice aus Sicht eines Unternehmens abteilung ist außerdem eine Art Bibliotheksabteilung, welche das stets aktuelle Regelwerk zur Nutzung bereitstellt. » Erfolg ist, wenn die Werte des Unternehmens in die Norm einfließen.« (Großunternehmen, Schienenverkehr) Highlights: Abbildung 6 Kurzbeschreibung der Normungs- und Standardisie- seits ist die Normungsarbeit Teil der (Fach-)Karrieren von rungsaktivität: Das Unternehmen engagiert sich im Bereich Feste organisationale Verankerung: Eine zentrale Nor- Mitarbeitenden, d. h., Expertinnen und Experten in den Organisatorische Mobilität (insbesondere Schienenverkehr) in (inter-)nationalen mungsabteilung bündelt Verantwortungen, sichtet kontinu- Fachabteilungen werden als Teil ihres Jobprofils in die Verankerung der Normungsaktivitäten. Industriell ist dieser Bereich sehr stark ierlich (inter-)nationale Normungstätigkeiten und entlastet Gremienarbeit entsendet. Normungs- und Standar- durch Normen, Standards und Regulierungen geprägt. Daher Fachabteilungen. Ein Bibliotheksservice stellt die relevanten disierungsaktivitäten im hat das Großunternehmen diese Aufgabe organisational Normen für Mitarbeitende bereit. Die Normungsarbeit stellt Intellectual Property in der Normung als First Mover Unternehmen verankert. für das Unternehmen einen direkten politischen Hebel dar, Advantage: (eigene Darstellung). Einfluss auf industrieprägende Richtlinien zu haben. Vorgehen: Die zahlreichen Normungs- und Standardisierungs- » IP kann auch in die Normung gehen, weil man dann tätigkeiten werden von einer zentralen Abteilung gesteuert Personelle Verankerung von Verantwortlichkeiten: Produkte darauf ausrichten kann […] das muss eng (siehe Abbildung 6). Zudem gibt es eine Normungsstrategie, Einerseits gibt es Mitarbeitende, die sich hauptberuflich in zusammenspielen.« (Großunternehmen, Schienenverkehr) die regelmäßig überprüft und überarbeitet wird. Dabei steht der zentralen Abteilung mit Normung beschäftigen. Anderer- 24 25
Sie können auch lesen