RKB - Rehabellikon-Kompetenzen-Bilanz - Entwicklung und Einführung eines Arbeitsmittels zur Stärkung der personalen Ressourcen im Rahmen der ...

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RKB - Rehabellikon-Kompetenzen-Bilanz - Entwicklung und Einführung eines Arbeitsmittels zur Stärkung der personalen Ressourcen im Rahmen der ...
Masterarbeit im Rahmen des Master of Advanced Studies ZFH
          in Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung

RKB – Rehabellikon-Kompetenzen-Bilanz
  Entwicklung und Einführung eines Arbeitsmittels
      zur Stärkung der personalen Ressourcen
     im Rahmen der Beruflichen Eingliederung

        Eingereicht dem IAP Institut für Angewandte Psychologie,
           Departement Angewandte Psychologie der ZHAW

                                  von
                      Marlene Gehbauer-Walser

                                  am
                             23. April 2018
RKB - Rehabellikon-Kompetenzen-Bilanz - Entwicklung und Einführung eines Arbeitsmittels zur Stärkung der personalen Ressourcen im Rahmen der ...
RKB – REHABELLIKON-KOMPETENZEN-BILANZ

Erstbetreuung:    Stefan Spiegelberg, dipl. Berufs-, Studien- und Laufbahnberater,
                  dipl. Psychologe FH
Zweitbetreuung:   Sandra Hedinger, dipl. Berufs- und Laufbahnberaterin,
                  dipl. Psychologin FH

Diese Arbeit wurde im Rahmen der Ausbildung an der ZHAW, IAP Institut für Angewandte
Psychologie, Zürich verfasst. Eine Publikation bedarf der vorgängigen schriftlichen Bewilli-
gung des IAP.
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RKB – REHABELLIKON-KOMPETENZEN-BILANZ

Abstract
Das Angebot der Rehaklinik Bellikon umfasst in der Abteilung Berufliche Eingliederung be-
rufliche Abklärungsmassnahmen für Personen, welche sich infolge Unfall oder Krankheit be-
ruflich umorientieren müssen. Im Rahmen dieser Massnahmen fehlt ein Angebot, welches
gezielt und systematisch die im Laufe des Lebens informell erworbenen Kompetenzen der
Klientinnen und Klienten erhebt. Die Bilanzierung von Kompetenzen kann insbesondere für
Personen im mittleren Erwachsenenalter bedeutsam sein, da diese aus ihrer bisherigen be-
ruflichen Tätigkeit langjährige Erfahrung und vertiefte Kenntnisse mitbringen. Es erscheint
deshalb sinnvoll, bei der Umorientierung an Bestehendes anzuknüpfen. Die Abteilungsleitung
und die Berufsberatung der Beruflichen Eingliederung haben deshalb die Entwicklung, Erpro-
bung und Auswertung eines auf ihre Bedürfnisse angepassten Arbeitsmittels zur Bilanzierung
von Kompetenzen in Auftrag gegeben.

Die vorliegende Arbeit zeigt die Hintergründe zur Entwicklung des Arbeitsmittels RKB – Reha-
bellikon-Kompetenzen-Bilanz auf und stellt das Arbeitsmittel und dessen erste Praxiserpro-
bung vor. Mit zwei Klientinnen und vier Klienten im Alter zwischen 36 und 54 Jahren wurden
im Einzelsetting anhand der RKB – Rehabellikon-Kompetenzen-Bilanz die persönlichen
Kompetenzen bilanziert und schriftlich festgehalten. Mittels leitfadenbasierter Interviews soll-
ten erste Erkenntnisse über den Nutzen, die Wirkung und die Akzeptanz des RKB-Arbeits-
mittels zur Kompetenzenbilanzierung gewonnen werden. In einem Abstand von rund zwei
Wochen wurden die Betroffenen zur Intervention befragt. Die Interviews wurden mittels qua-
litativer Inhaltsanalyse ausgewertet.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das erarbeitete Verfahren die Qualitätskriterien an
Kompetenzmessverfahren hinsichtlich Akzeptanz, Relevanz und Praktikabilität im Wesentli-
chen erfüllt und die Intervention von den Beteiligten im Grundsatz als partizipativ, ressourcen-
fördernd und bestärkend erlebt wurde. Das Arbeitsmittel scheint die spezifischen Bedürfnisse
der Kompetenzenbilanzierung im Rehabilitationskontext abzudecken. Es empfiehlt sich, die
Erstintervention der Kompetenzenbilanzierung inskünftig in den Begleit- und Beratungspro-
zess der Beruflichen Abklärung einzubetten, damit die vorhandenen Kompetenzen im Neuori-
entierungsprozess nachhaltig aktiviert werden können.

Schlagworte: Berufliche Rehabilitation, Berufliche Eingliederung, Kompetenzen, Kompe-
tenzenbilanz

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RKB – REHABELLIKON-KOMPETENZEN-BILANZ

Dank
Ein grosses Dankeschön geht an das Team der Beruflichen Eingliederung der Rehabellikon
unter der Leitung von Sandra Hedinger. Ihr habt in mir die Begeisterung für die Arbeit mit
Klientinnen und Klienten, die aufgrund einer Einschränkung infolge Unfall oder Krankheit am
Rand des ersten Arbeitsmarktes stehen und die sich deshalb beruflich neu orientieren müs-
sen, geweckt und die Motivation für dieses Arbeitsgebiet mit mir geteilt. Die vernetzte, inter-
disziplinäre Arbeit wird auf höchstem Niveau und verbunden mit viel Menschlichkeit und
Teamgeist gelebt. Ein besonderer Dank geht an die Verantwortliche der internen Berufsbe-
ratung, Susanne Lassau. Sie hat mir während eines halbjährigen Praktikums ermöglicht, dass
ich selbständig – natürlich unter ihrer Supervision – Berufsberatungen im Rahmen der Beruf-
lichen Abklärungsprogramme übernehmen durfte. Sie hat mit mir ihr Fachwissen geteilt und
mich bei Bedarf unterstützt. Ausserdem bedanke ich mich bei den Klientinnen und Klienten,
welche ich während meines Praktikums betreuen durfte, insbesondere bei denjenigen, die
sich auf das Experiment der Kompetenzenbilanzierung eingelassen haben. Alle Klientinnen
und Klienten liessen mich an einem Teil ihrer ganz persönlichen Welt teilhaben, was ich nicht
als selbstverständlich erachte. Dieses Teilhaben-Lassen bildete jedoch die Grundlage für
gute Arbeitsbeziehungen, der zentralen Voraussetzung für einen gelingenden Beratungspro-
zess. Alle genannten Personen haben wesentlich zu meinem Entscheid beigetragen, inskünf-
tig mit Menschen, welche am Rand des ersten Arbeitsmarktes stehen, zu arbeiten.

Bedanken möchte ich mich auch beim Team der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung am
Institut für Angewandte Psychologie IAP an der Zürcher Fachhochschule ZHAW. Ich bin
dankbar dafür, das Rüstzeug für eine spannende und bereichernde Berufstätigkeit erhalten
zu haben. Ein besonderer Dank geht an Stefan Spiegelberg, welcher mir bei der Erstellung
dieser Arbeit als Betreuungsperson zur Seite stand, mir dabei wertvolle Feedbacks gegeben
und meine Anliegen und Fragen immer fachkundig, wohlwollend und prompt beantwortet hat.

Ein besonderer Dank geht an meinen Mann Stephan, der mich dazu motiviert und mich wäh-
rend der vergangenen Jahre dabei unterstützt hat, zuerst meinen lang gehegten Traum des
Psychologiestudiums zu verwirklichen und mich nun auch noch während des Masterstudien-
gangs in Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung uneingeschränkt unterstützt hat. Dankbar
bin ich unseren beiden jugendlichen Söhnen, welche meinen Alltag ausserhalb des Studiums
ungemein bereichern und die mich nicht vergessen lassen, was wirklich zählt im Leben.

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Hinweis
In der vorliegenden Arbeit wird wenn möglich auf geschlechtsneutrale Formulierungen und
Bezeichnungen geachtet. Wo es zugunsten einer besseren Lesbarkeit sinnvoll ist, werden
maskuline Bezeichnungen gewählt. Dies widerspiegelt die Realität, da der Anteil an männli-
chen Klienten in der Beruflichen Eingliederung mindestens 80% beträgt. Selbstverständlich
sind Klientinnen in allen Aussagen ebenso angesprochen.

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Bilanzierung von Kompetenzen. In der Literatur werden
dafür die beiden Begriffe Kompetenzbilanz und Kompetenzenbilanz resp. Kompetenzen-Bi-
lanz verwendet. Im theoretischen Teil verwendet die Autorin die Begriffe gemäss den jewei-
ligen Quellen. Ansonsten wir der Begriff Kompetenzen in der Mehrzahl verwendet, da die
Personen, welche sich an dieser Untersuchung beteiligen, ja nicht nur über eine Kompetenz
verfügen, sondern reich an Kompetenzen in unterschiedlichen Bereichen und auf unter-
schiedlichen Ebenen sind.

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Inhalt
Abbildungen .................................................................................................................... VII
Tabellen ............................................................................................................................ VII
Abkürzungen .................................................................................................................. VIII
1     Einleitung und Fragestellung...................................................................................... 1
1.1     Ausgangslage ............................................................................................................. 1
1.2     Zielsetzung und Begründung der Themenwahl ........................................................... 2
1.3     Fragestellung .............................................................................................................. 4
1.4     Aufbau ........................................................................................................................ 4
2     Theoretische Grundlagen ............................................................................................ 6
2.1     Arbeits- und Erwerbs(un)fähigkeit ............................................................................... 6
    2.1.1      Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit .......................................................................... 6
    2.1.2      Das Haus der Arbeitsfähigkeit .............................................................................. 7
2.2     Modell zur beruflichen Umorientierung im Rehabilitationskontext ............................... 8
    2.2.1      Berufliche Eingliederung als Teil des Rehabilitationsprozesses ........................... 9
    2.2.2      Happenstance Learning Theory und Laufbahnadaptabilität ............................... 10
    2.2.3      Das biopsychosoziale Modell ............................................................................. 12
    2.2.4      Das Karriere-Ressourcenmodell ........................................................................ 13
    2.2.5      Das Angebot der Beruflichen Eingliederung der Rehaklinik Bellikon .................. 14
    2.2.6      Zusammenspiel und Wechselwirkungen der Modellkomponenten ..................... 17
2.3     Die Bilanzierung von Kompetenzen .......................................................................... 18
    2.3.1      Kompetenz – mehr als Wissen und Qualifikation ............................................... 18
    2.3.2      Nutzen und Ziele der Bilanzierung von Kompetenzen ........................................ 19
    2.3.3      Formen der Kompetenzbilanzierung .................................................................. 19
    2.3.4      Qualitätskriterien für Kompetenz-Messsysteme ................................................. 20
    2.3.5      Kompetenzenbilanzierung als Prozess .............................................................. 23
2.4     Kompetenzenbilanzierung in der beruflichen Rehabilitation ...................................... 26
3     Methode...................................................................................................................... 27
3.1     Entwicklung des Instruments .................................................................................... 27
    3.1.1      Ziele eines Instruments zur Kompetenzenbilanzierung an der RKB ................... 27
    3.1.2      Definition der Anforderungen an das Arbeitsmittel ............................................. 27
    3.1.3      Sichtung von Literatur und von bestehenden Instrumenten................................ 29
    3.1.4      Kompetenzbereiche ........................................................................................... 30
    3.1.5      Kompetenzen ..................................................................................................... 32
    3.1.6      Schriftliches Festhalten der Kompetenzen ......................................................... 33
3.2     Einführung und Anwendung des Instruments............................................................ 33
    3.2.1      Einführung Abteilungsleitung und Team BE ....................................................... 33

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    3.2.2      Pretest ............................................................................................................... 34
    3.2.3      Auswahl und Beschreibung der Stichprobe ........................................................ 34
    3.2.4      Ablauf der Intervention ....................................................................................... 36
3.3     Qualitative Auswertung der Intervention ................................................................... 36
    3.3.1      Methodenwahl ................................................................................................... 36
    3.3.2      Interviewleitfaden und Datenerhebung ............................................................... 37
    3.3.3      Datenaufbereitung und Auswertung der Interviews ............................................ 38
4     Ergebnisse ................................................................................................................. 40
4.1     Auswirkungen der Intervention auf Gefühlslage und Motivation ................................ 40
4.2     Persönlicher Erkenntnisgewinn ................................................................................. 41
4.3     Akzeptanz des Arbeitsmittels und der Intervention.................................................... 41
4.4     Einbettung der Intervention in den Prozess der BA ................................................... 42
4.5     Relevanz des Arbeitsmittels resp. der Intervention ................................................... 44
5     Diskussion ................................................................................................................. 46
5.1     Anmerkungen zu Entwicklung und Durchführung der Intervention ............................ 46
5.2     Interpretation der Erkenntnisse aus Interviews und Beobachtungen ......................... 48
5.3     Interpretation der Ergebnisse hinsichtlich der Qualitätskriterien für
        Kompetenzfeststellungsverfahren ............................................................................. 50
5.4     Kritische Betrachtung der Untersuchung ................................................................... 51
5.5     Fazit und Ausblick..................................................................................................... 52
Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 54
Anhang ............................................................................................................................. 59

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Abbildungen
Abbildung 1: Arbeitsmarktdaten Schweiz............................................................................. 3
Abbildung 2: Das Haus der Arbeitsfähigkeit ........................................................................ 7
Abbildung 3: Modell zur beruflichen Umorientierung im Rehabilitationskontext ................... 9
Abbildung 4: Wirkfaktoren im biopsychosozialen Modell...................................................... 13
Abbildung 5: Das Karriere-Ressourcenmodell nach Hirschi ................................................. 14
Abbildung 6: Elemente aus den Abklärungsprogrammen BA1 und BA2 .............................. 16
Abbildung 7: Der Kompetenzbilanzierungsprozess nach Lang-von Wins & Triebel (2012) .. 24
Abbildung 8: Kompetenzquellen .......................................................................................... 30
Abbildung 9: Stimmungsbarometer in Form einer Smiley-Skala .......................................... 36

Tabellen
Tabelle 1: Qualitätskriterien von Kompetenzmessverfahren ................................................ 23
Tabelle 2: Kompetenzdimensionen des RKB-Arbeitsmittels ................................................ 31
Tabelle 3: Kategorien der Inhaltsanalyse ............................................................................. 38

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Abkürzungen
AD(H)S      Aufmerksamkeits-Defizit-(Hyperaktivitäts)-Syndrom
AR          Arbeitsorientierte Rehabilitation
AUF         Arbeitsunfähigkeit
BA          Berufliche Abklärung
BA1         Berufliche Grundabklärung
BA2         Vertiefte Berufliche Abklärung
BE          Berufliche Eingliederung, Abteilung der SUVA-Rehaklinik Bellikon
BSV         Bundesamt für Sozialversicherungen
ECDL        European Computer Driving License
effe        Espace de femmes pour la formation et l’emploi, Biel/Bienne
HLT         Happenstance Learning Theory
FBE         Fachmann, Fachfrau, Fachleute Berufliche Eingliederung
IV          Invalidenversicherung
IVG         Invalidenversicherungsgesetz
MV          Militärversicherung
NRW         Nordrhein-Westfalen
RAV         Regionales Arbeitsvermittlungszentrum
RKB         Rehabellikon-Kompetenzen-Bilanz
            (klinikintern auch die Abkürzung für Rehaklinik Bellikon)
SDBB        Schweizerisches Dienstleistungszentrum für Berufsbildung und Berufs-,
            Studien- und Laufbahnberatung
SECO        Staatssekretariat für Wirtschaft
SIM         Swiss Insurance Medicine, Interessengemeinschaft Versicherungsmedizin
            Schweiz
SUVA        Schweizerische Unfallversicherungsanstalt
VHS         Volkshochschule

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1     Einleitung und Fragestellung
                                   «Erkennen, was man kann, um zu sehen, wohin man will.»
                                                                        Dr. Claas Triebel

1.1    Ausgangslage

       Die Rehaklinik in Bellikon, welche zur Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) gehört, bietet in ihrer Abteilung Berufliche Eingliederung (BE) im Bereich der Arbeits-
orientierten Rehabilitation Berufs- und Laufbahnberatung, berufliche Abklärungen, Berufsvor-
bereitungen sowie Coaching am Arbeitsplatz an. Diese Massnahmen wenden sich an Perso-
nen, welche infolge eines Unfalls oder einer Krankheit mit einer Eingliederungsproblematik
konfrontiert sind. Ziel ist, existenzielle Sicherheit, Anerkennung und soziale Teilhabe der Be-
troffenen aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Die zuweisenden Stellen sind die
SUVA, die Invalidenversicherung (IV) und gelegentlich auch die Militärversicherung (MV).

       Die Fragestellung der vorliegenden Arbeit ergibt sich aus einem Bedürfnis des Ange-
botes der beruflichen Abklärungen. Hier bietet die Rehaklinik zwei aufeinander aufbauende
Programme an, welche unter anderem Berufs- und Laufbahnberatung umfassen: Die vierwö-
chige Berufliche Grundabklärung (BA1) und die Vertiefte Berufliche Abklärung (BA2). Ziel ist
es, mit den Betroffenen Eingliederungspläne zu erarbeiten und in Frage kommende neue Be-
rufsfelder wenn möglich zu erproben, damit die Klienten in einer auf ihre körperliche Einschrän-
kung angepassten Tätigkeit in den ersten Arbeitsmarkt zurückkehren können. In den beiden
Angeboten geht es einerseits um eine Standortbestimmung und andererseits um Neuorientie-
rung. Zur Standortbestimmung gehören nebst persönlichen Gesprächen mit dem Klienten das
Aufarbeiten schulischen Wissens und − je nach Erstberuf − die Klärung und Weiterentwicklung
handwerklicher oder büro- und computertechnischer Fertigkeiten. Begleitend dazu erfolgt eine
Berufsberatung, welche an die bisherige Berufserfahrung und die körperliche Einschränkung
des Klienten anknüpft. Mittels Gesprächen und unterstützt durch diagnostische Verfahren wer-
den die Interessen und Neigungen geklärt. Zudem wird das kognitive Potential abgeklärt.

       Was bisher im Angebot der beruflichen Abklärungsprogramme der Rehabellikon fehlt,
ist ein Instrument zur Feststellung der Kompetenzen der Klientinnen und Klienten, welche im
persönlichen, sozialen oder im ausserberuflichen Bereich (informell) erworben wurden. Diese
Kompetenzen können insbesondere für Personen im mittleren Erwachsenenalter, also ab ca.
dem 35. Altersjahr relevant sein, da in diesem Lebensabschnitt auf breite Erfahrung zurück-
gegriffen werden kann. Bis anhin wurden die Kompetenzen in ressourcenorientierten Bera-
tungsgesprächen durch die Fachleute Berufliche Eingliederung (FBE) oder die interne Berufs-
beraterin angesprochen, jedoch nicht systematisch erhoben. Hier setzt die Idee für die vorlie-
gende Masterarbeit an. Die Klientinnen und Klienten der Beruflichen Eingliederung der

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RKB – REHABELLIKON-KOMPETENZEN-BILANZ

Rehaklinik in Bellikon bringen nebst Berufserfahrung breite Erfahrungen, Fähigkeiten und Fer-
tigkeiten aus dem Leben mit, wie z.B. aus Familie, Hobbys, Sport, ehrenamtlichen Tätigkeiten
oder je nachdem im Umgang mit den Einschränkungen, die aus einem Unfall oder einer Krank-
heit resultieren. Das systematische Aufarbeiten und Festhalten dieser Kompetenzen kann auf
dem Weg der Neuorientierung richtungsgebend und bestärkend sein. Diese Kompetenzen
können zudem in Bewerbungsunterlagen einfliessen und bei der Vorbereitung auf Vorstel-
lungsgespräche hilfreich sein.

1.2      Zielsetzung und Begründung der Themenwahl

         Menschen im mittleren Erwachsenenalter haben andere Bedürfnisse in Bezug auf die
Arbeit, sie bringen aber auch andere Kompetenzen mit als junge Erwachsene. Reemts Flum
und Nadig (2016) widmen in ihrem Buch zur Neuorientierung 50plus ein Kapitel dem Thema
Kompetenzen und meinen: «Ihre Kompetenzen sind Ihr stärkstes Argument auf dem Arbeits-
markt. Deshalb sollten Sie sich gut kennen» (S. 72). Sie betonen, dass ältere Berufstätige
andere Fähigkeiten haben als junge, aber nicht weniger wertvolle (Reemts Flum & Nadig,
2016).

         Verfolgt man Informationen zum schweizerischen Arbeitsmarkt in den Medien, so hört
und liest man immer wieder, dass Arbeitnehmende mit zunehmendem Alter Schwierigkeiten
bei der Suche einer neuen Stelle haben. Die linke Hälfte von Abbildung 1, basierend auf
Daten des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), belegt diese Aussage. Insbesondere ab
dem 50. Lebensjahr beginnt die Kurve der Jobvermittlungsfähigkeit nach Alter in der Katego-
rie schwer vermittelbar deutlich nach unten zu zeigen. Auch die eigentlich leicht vermittelba-
ren Arbeitnehmenden sind in den letzten Arbeitsjahren vor der Pensionierung in etwa doppelt
so schwer vermittelbar wie junge Arbeitnehmende. Die Zahlen zur Arbeitslosigkeit zeigen,
dass die Arbeitslosenquote bei den über 50-Jährigen (vgl. Abb. 1, rechte Hälfte) in den letzten
Jahren stetig gestiegen ist und dass diese Altersgruppe mehr als ein Viertel der Arbeitslosen
ausmacht.

         In der Regel sind Personen im mittleren Erwachsenenalter gut in den Arbeitsmarkt
integriert. Schwierig wird es für Menschen, welche sich neu orientieren müssen, sei dies z.B.
infolge von Firmenschliessungen, Reorganisationen oder aufgrund gesundheitlicher Ein-
schränkungen. Gemäss dem Arbeitsmarktbarometer (Von Rundstedt, 2018) bilden ältere Mit-
arbeiter zwar eine Risikogruppe, jedoch keine Problemgruppe. Als problematisch anzusehen
ist hingegen die Polarisierung zwischen marktfähigen und sogenannt schwierigen Profilen.
Gemäss aktueller Daten «lassen Arbeitgeber kaum Mobilität zwischen Branchen und Funkti-
onen zu. Sie suchen nach dem 100% passenden Profil. Betroffene können es demzufolge
trotz nachweislichem Potenzial schwer haben, in eine neue Branche oder eine neue Funktion
zu wechseln» (Von Rundstedt, 2018, S. 1). Dieses Phänomen wird als Zero Gap bezeichnet.

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Abbildung 1: Arbeitsmarktdaten Schweiz. Links: Jobvermittlungsfähigkeit nach Alter (Kofler, 2018; ba-
sierend auf Daten der SECO-Arbeitsmarktstatistik). Rechts: Anteil der über 50-jährigen am Total der
Arbeitslosen (Ringier, 2017; basierend auf Daten der SECO-Arbeitsmarktstatistik)

       Aus diesen Informationen und Zahlen kann gefolgert werden, dass es Menschen im
mittleren Erwachsenenalter härter trifft, wenn sie sich beruflich neu orientieren müssen. Für
die Klientinnen und Klienten der Rehaklinik Bellikon trifft dies in besonderem Mass zu, da sie
aufgrund der gesundheitlichen Einschränkung eine angepasste Tätigkeit, häufig in einem
neuen Bereich oder zumindest in einer neuen Funktion, finden müssen. Hier kommen wieder
die Kompetenzen ins Spiel: Wenn eine Tätigkeit in einem neuen Gebiet gesucht werden
muss, weil beispielsweise selbst beim Erlangen einer Berufsprüfung noch stark körperlich
gearbeitet werden muss oder weil die kognitiven Fähigkeiten nicht für eine mehrheitlich pla-
nerische, organisatorische oder administrative Tätigkeit reichen, dann muss nach Alternati-
ven gesucht werden. Bei dieser Suche spielen die Kompetenzen eine Schlüsselrolle.

       Basierend auf obgenannten Fakten entstand das Bedürfnis, ein Kompetenzenbilan-
zierungs-Instrument zur Verfügung zu haben, welches auf die Bedürfnisse der Rehaklinik
Bellikon angepasst ist. Daraus ergeben sich die Ziele der vorliegenden Arbeit:

    1. Entwicklung eines Arbeitsmittels zur Kompetenzenbilanzierung
        Das Arbeitsmittel soll auf die Bedürfnisse der Beruflichen Eingliederung ausgerichtet
        sein. Es soll einerseits die spezifischen Bedürfnisse der Klientinnen und Klienten der
        Rehabellikon berücksichtigen. Es soll aber auch die Bedürfnisse der Klinik abdecken;
        das Instrument soll effektiv und wirtschaftlich sein.
    2. Erste Praxiseinsätze des Arbeitsmittels
        Das Arbeitsmittel soll ein praktikables, einfaches Vorgehen ermöglichen. Die Durch-
        führung/Anleitung der Klienten soll auch für Personen mit nichtpsychologischem Hin-
        tergrund möglich sein (z.B. durch FBEs). Zudem soll der Zeitaufwand angemessen
        sein.

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RKB – REHABELLIKON-KOMPETENZEN-BILANZ

      3. In einem qualitativen Forschungsdesign sollen mittels Interviews erste Rückmeldun-
           gen zum Nutzen und zur Wirkung des Arbeitsmittels gesammelt werden. Weiters sol-
           len Hinweise zur Akzeptanz der RKB-Kompetenzen-Bilanz bei den Klientinnen und
           Klienten gewonnen werden. Es sollen auch allfällige Verbesserungsmöglichkeiten
           herausgearbeitet werden.

1.3        Fragestellung

           In der vorliegenden Arbeit geht es darum – basierend auf den im vorhergehenden Ka-
pitel formulierten Zielen – eine Antwort auf folgende Fragen zu erhalten:

           Wie könnte ein Arbeitsmittel zur Bilanzierung von Kompetenzen, welches auf die Be-
            dürfnisse der Rehabellikon angepasst ist, gestaltet sein? Als zentrale Bedürfnisse sol-
            len dabei definiert werden: Das Instrument soll auf Personen im mittleren Erwachse-
            nenalter ausgerichtet und sprachlich einfach sein. Die Methode sollte handlungsori-
            entiert und nicht IT-basiert sein. Das Instrument soll als Arbeitsmittel – nicht als Test
            – gestaltet und somit von allen Teammitgliedern einsetzbar sein. Die Intervention soll
            ressourcenorientiert sein, sie sollte als bestärkend empfunden werden. Sie sollte im
            Einzel- oder Gruppensetting durchführbar sein.

           Wie akzeptieren und beurteilen die Probandinnen und Probanden den Prototyp des
            Arbeitsmittels?

           Welche Schlüsse können für eine zukünftige, regelmässige Anwendung des Instru-
            ments zur Kompetenzenbilanzierung gezogen werden?

1.4        Aufbau

           Die theoretischen Grundlagen zur beruflichen Umorientierung im Rehabilitationskon-
text und zur Bilanzierung von Kompetenzen befinden sich in Kapitel 2. Da eine gelingende
berufliche Neuorientierung ein vielschichtiger, langwieriger und somit komplexer Prozess ist,
hat die Autorin ein Modell zur beruflichen Umorientierung erarbeitet, welches eingangs des
Kapitels vorgestellt wird. Es soll dem Leser das Verständnis zum Thema erleichtern und auf-
zeigen, wo die RKB – Rehabellikon-Kompetenzen-Bilanz im Angebot der Beruflichen Einglie-
derung zu verorten ist.

           In Kapitel 3 wird die Methode der Untersuchung erläutert. Diese umfasst drei zentrale
Schritte: als erstes wurde ein Instrument entwickelt, welches auf die Bedürfnisse der Reha-
bellikon angepasst ist. Der Entwicklungsprozess soll in Kapitel 3.1 nachvollziehbar dargestellt
werden. In einem nächsten Schritt wird die Einführung und Anwendung des Instruments be-
schrieben. In einem dritten und letzten Schritt wird dann die wissenschaftliche Auswertung
der Intervention, welche in Form von leitfadenbasierten Interviews erfolgte, dokumentiert.

                                                                                                   4
RKB – REHABELLIKON-KOMPETENZEN-BILANZ

         Es folgt die Darstellung der Ergebnisse aus den Interviews in Kapitel 4. Die Auswer-
tung erfolgte basierend auf dem Interviewleitfaden anhand der qualitativen Inhaltsanalyse
nach Mayring (2015). Die Ergebnisse werden in Kapitel 5 diskutiert und es erfolgt ein Aus-
blick.

         Im Anhang sollen das Instrument und der Forschungsprozess so genau wie sinnvoll
und möglich dokumentiert werden. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Einverständniser-
klärungen der Studienteilnehmenden und die Transkripte der Interviews den Betreuungsper-
sonen vorliegen.

                                                                                            5
RKB – REHABELLIKON-KOMPETENZEN-BILANZ

2       Theoretische Grundlagen
        Dieses Kapitel dient der Darlegung der theoretischen Konzepte, der Theorien und
Methoden. Es bildet die Basis für die anschliessende Konzeption, Erprobung und Auswertung
des Arbeitsmittels RKB – Rehabellikon-Kompetenzen-Bilanz. Beschäftigt man sich mit der
Thematik der Beruflichen Eingliederung aufgrund physischer oder psychischer Einschrän-
kungen, so ist man rasch mit rechtlichen und sozialversicherungstechnischen Fragen kon-
frontiert. Dabei stösst man gleich zu Beginn auf die Begriffe Arbeitsfähigkeit und Arbeitsun-
fähigkeit. Ilmarinen (Ilmarinen, 2001; Ilmarinen & Tempel, 2002) hat mit seinem Haus der
Arbeitsfähigkeit ein Konzept entwickelt, welches den Menschen ins Zentrum stellt und ihn
ganzheitlich betrachtet. Tragendes Fundament bildet in diesem Konzept die Gesundheit.

        Das Haus der Arbeitsfähigkeit als übergeordnetes Konzept bildet den Rahmen für ein
theoretisches Modell, welches einen nachvollziehbaren Bezug zur Praxis der Beruflichen Ein-
gliederung der Rehaklinik Bellikon schafft. Das Modell basiert auf den Laufbahntheorien der
Happenstance (Krumboltz, 2009) und der Laufbahnadaptabilität (Savickas, 2002), dem Kar-
riere-Ressourcen-Modell (Hirschi, 2017) und dem biopsychosozialen Krankheitsmodell (En-
gel, 1976). Es stellt die darauffolgende Darstellung der Theorien zu Kompetenzen und zu
wissenschaftlich basierten Methoden der Kompetenzbilanzierung in einen Kontext. Es be-
gründet zudem die Ziele und den Nutzen der Einführung eines Arbeitsmittels zur Bilanzierung
von Kompetenzen.

        Grundsätzlich geht die vorliegende Arbeit davon aus, dass Erwerbsarbeit eine zent-
rale Ressource für die Lebensbewältigung darstellt, da sie einer Person ein finanzielles Aus-
kommen sichert, Zeit strukturiert, soziale Interaktion erlaubt und Gelegenheit für Persönlich-
keitsentwicklung und Selbstverwirklichung bietet. Arbeit kann Quelle von Anerkennung und
Wertschätzung sein und ermöglicht sinnhaftes Handeln sowie das Erfahren von Selbstwirk-
samkeit (Bethge & Neuderth, 2016).

2.1     Arbeits- und Erwerbs(un)fähigkeit

        Während Arbeits- und Erwerbsfähigkeit, resp. -unfähigkeit medizinisch und juristisch
geprägte Begriffe sind, liefert Ilmarinen (2001) mit dem Haus der Arbeitsfähigkeit ein Modell,
welches den arbeitenden Menschen ganzheitlich betrachtet.

2.1.1   Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit

        Die Interessengemeinschaft Versicherungsmedizin Schweiz (Swiss Insurance Medi-
cine [SIM], 2013) definiert Arbeitsunfähigkeit wie folgt:

        Arbeitsunfähigkeit (AUF) ist die durch eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen

                                                                                              6
RKB – REHABELLIKON-KOMPETENZEN-BILANZ

        oder psychischen Gesundheit bedingte volle oder teilweise Unfähigkeit, im bisherigen
        Beruf oder Aufgabenbereich zumutbare Arbeit zu leisten. Die bisher ausgeübte Tätig-
        keit im Beruf oder Aufgabenbereich kann nicht mehr ausgeübt werden oder nur noch
        in beschränktem Masse, unter der Gefahr einer Verschlimmerung des Gesundheitszu-
        stands oder dem Risiko, sich selber oder Dritte zu gefährden. (S. 4)

        Von der Arbeitsunfähigkeit ist die Erwerbsunfähigkeit zu unterscheiden. Während die
Arbeitsunfähigkeit von Ärzten beurteilt wird, ist die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit Sache
von Versicherungsfachleuten. Diese umfasst folgende Komponenten: (1) Gesundheitsscha-
den und verbleibende, zumutbare Arbeitstätigkeiten = medizinisches Element. (2) Verlust der
Erwerbsmöglichkeiten auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt = wirtschaftliches Element. (3)
Kausaler Zusammenhang zwischen Gesundheitsschaden und Erwerbslosigkeit und (4) Zu-
mutbarkeit von Behandlung und Eingliederung (SIM, 2013).

2.1.2   Das Haus der Arbeitsfähigkeit

        Die zuweisenden Versicherungen attestieren den Klientinnen und Klienten im Bereich
der Beruflichen Eingliederung grundsätzlich Erwerbsfähigkeit, anerkennen jedoch, dass die-
se im angestammten Beruf in der bisherigen Form nicht mehr gegeben ist. Doch was genau
ist Arbeitsfähigkeit, wenn sie in einer Tätigkeit zwar nicht mehr vorhanden ist, aber die Be-
troffenen grundsätzlich als erwerbsfähig eingestuft werden?

Abbildung 2. Das Haus der Arbeitsfähigkeit (Prümper & Richenhagen, 2011; basierend auf Ilmarinen,
2001)

                                                                                                    7
RKB – REHABELLIKON-KOMPETENZEN-BILANZ

       Ilmarinen und Tempel (2002) definieren Arbeitsfähigkeit wie folgt: «Arbeitsfähigkeit
bezeichnet die Summe aller Faktoren, die einen Menschen in einer bestimmten Arbeitssitu-
ation in die Lage versetzen, die ihm gestellten Arbeitsaufgaben erfolgreich zu bewältigen»
(S. 166; zit. nach Trümper & Richenhagen, 2011, S. 136). Aus Abbildung 2 ist ersichtlich,
dass die Gesellschaft, das soziale Umfeld in Form von Familie, Freunden und Verwandten,
aber vor allem die Gesundheit den Rahmen resp. das Fundament der Arbeitsfähigkeit bilden.
Arbeitsfähigkeit setzt sich zusammen aus den intrinsischen Faktoren Kompetenzen und
Werte des Individuums und aus extrinsischen Komponenten der Arbeit wie Arbeitsinhalte,
-mittel, -umgebung, -organisation, Führung und dem sozialen Umfeld am Arbeitsplatz. Den
elementaren Grundstein im Modell, sozusagen das Fundament des Hauses, bildet die phy-
sische, psychische und geistige Gesundheit.

       Damit eine Person ihre Arbeit bewältigen kann, benötigt sie physische Reserven (man
muss sich von Beanspruchungen durch die Arbeit auch wieder erholen können), mentale
Reserven (um beispielsweise lern- und entwicklungsfähig zu bleiben) und soziale Funktio-
nen. Diese befähigen die Betroffenen z.B. zur Aufrechterhaltung, Verbesserung und Verbrei-
terung von sozialen Netzwerken im und ausserhalb des Arbeitslebens (Tempel, Geissler &
Ilmarinen, 2010).

2.2    Modell zur beruflichen Umorientierung im Rehabilitationskontext

       Die Klienten, welche eine berufliche Abklärung an der SUVA-Rehaklinik in Bellikon
durchlaufen, waren ursprünglich oftmals in körperlich herausfordernden Erstberufen tätig, häu-
fig in der Baubranche. Aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit (z.B. Arthrose) können sie
nicht mehr in ihrem angestammten Beruf tätig sein. Im Rahmen der beruflichen Umorientie-
rung geht es darum, die persönlichen, gesundheitlichen und kognitiven Ressourcen abzuklä-
ren und gemeinsam mit den Betroffenen mögliche Wege für die Zukunft zu erarbeiten. Es ist
das Ziel, dass die Betroffenen mittels passender und geeigneter Massnahmen in einer auf ihre
körperliche Einschränkung angepassten Tätigkeit in den ersten Arbeitsmarkt zurückkehren
können. Je nach Verlauf der bisherigen beruflichen Laufbahn der betroffenen Personen unter-
scheiden sich diese Massnahmen: Einige der Betroffenen entscheiden sich für eine weitere
berufliche Grundbildung oder eine Berufsprüfung, welche zu einem formalen Bildungsab-
schluss führen. Andere erwägen den Eintritt in ein neues Berufsfeld mittels Weiterbildungs-
massnahmen ohne formalen Bildungsabschluss. Je länger die bisherige Laufbahn einer Per-
sonen gedauert hat, desto mehr geht es darum, bei der Neuorientierung bisher erworbene
Kompetenzen zu berücksichtigen und auf diese aufzubauen.

       In Abbildung 3 ist der Prozess grafisch dargestellt (grössere Darstellung in Anhang 1).
Vielen Klienten fällt die Vorstellung schwer, von einem körperlich anstrengenden und heraus-
fordernden Beruf in eine Tätigkeit zu wechseln, welche mehr mit Sitzen, Arbeit am Bildschirm

                                                                                            8
RKB – REHABELLIKON-KOMPETENZEN-BILANZ

und/oder abstrakten Aufgaben verbunden ist. Bis anhin war für sie wichtig, dass am Abend
das Resultat ihres Tagwerkes klar ersichtlich war.

Abbildung 3. Modell zur beruflichen Umorientierung im Rehabilitationskontext (eigene Darstellung ba-
sierend auf den Modellen von Engel (1976) und Hirschi (2017) und der grafischen Darstellung der An-
gebote zur beruflichen Eingliederung der Rehaklinik Bellikon (RKB, 2011))

        In den folgenden Unterkapiteln wird zuerst die Bedeutung der beruflichen Eingliede-
rung als Teil des Rehabilitationsprozesses erläutert. Anschliessend werden die einzelnen
Komponenten des Modells detaillierter vorgestellt, dabei spielen Laufbahntheorien, ein neues
Verständnis der Betroffenen von Gesundheit und persönliche Karriereressourcen eine wesent-
liche Rolle. Zum Schluss des Kapitels werden die Zusammenhänge zwischen den Komponen-
ten aufgezeigt.

2.2.1   Berufliche Eingliederung als Teil des Rehabilitationsprozesses

        Der Begriff der Beruflichen Rehabilitation ist relativ weit gefasst. Er umfasst sowohl
die Ersteingliederung von Personen mit Behinderungen, resp. von Personen, die davon be-
droht sind, als auch die Umschulung von Personen mit psychischen oder körperlichen Ein-
schränkungen. In jüngerer Zeit ist der Aufgabenkatalog um kürzere Massnahmen der (Re-)
Integration und Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt erweitert worden. Einrichtungen, welche
sich mit der beruflichen (Wieder-)Eingliederung beschäftigen, bieten Assessment-, Vorberei-
tungs-, Ausbildungs-, Umschulungs- und Qualifizierungsmassnahmen an (Wolf-Kühn & Mor-
feld, 2016).

        Gemäss Wilke, Muder und Froböse (2013) ist der Zeitpunkt der beruflichen Rehabili-
tation nach einem Unfall relevant: Entscheidend ist es, die Patienten möglichst zeitnah nach

                                                                                                   9
RKB – REHABELLIKON-KOMPETENZEN-BILANZ

dem Unfall oder der Verletzung wieder einzugliedern. Die Autoren konnten weiters aufzeigen,
dass nebst dem frühzeitigen Beginn der Rückführung auch der Belastungsschmerz und das
Alter signifikante Einflussfaktoren sind, wobei der Schmerz die stärkste Auswirkung auf die
Arbeitsfähigkeit hat. Ältere Arbeitnehmer sind tendenziell schwerer rückzuführen als jüngere,
wobei die Altersgrenze bei rund 45 Jahren liegt (Wilke et al., 2013).

        In der Schweiz liegt die Verantwortung für berufliche Eingliederung in der Regel bei
der IV. Diese sieht die berufliche Eingliederung als ihre Hauptaufgabe und handelt nach dem
Grundsatz Eingliederung vor Rente (Bundesamt für Sozialversicherungen [BSV], 2014). Da-
bei fördert sie Massnahmen der Frühintervention bei Mitarbeitern mit gesundheitlichen Prob-
lemen, erstellt Eingliederungspläne und entscheidet über berufliche Massnahmen. Die kan-
tonalen Sozialversicherungsanstalten sind häufig so organisiert, dass Betroffene von Einglie-
derungsfachpersonen betreut werden. Versicherte Personen, die wegen einer Behinderung
in ihrer Berufswahl oder in der Ausübung ihrer bisherigen Tätigkeit beeinträchtigt sind, haben
Anspruch auf Berufsberatung (BSV, 2018; Art. 15 IVG). Die Berufsberatungspersonen der
IV wiederum können Betroffene, bei welchen es vertiefte Abklärungen braucht, entsprechen-
den Stellen oder Institutionen zuweisen, dazu gehört u.a. die Rehaklinik in Bellikon.

2.2.2   Happenstance Learning Theory und Laufbahnadaptabilität

        Die Klientinnen und Klienten im Rehabilitationskontext der RKB sind durch körperliche
Einschränkungen infolge einer Krankheit oder eines Unfalls dazu gezwungen, sich beruflich
neu zu orientieren. In Gesprächen im Rahmen der Berufsberatung in Zusammenhang mit der
Beruflichen Abklärung fiel auf, dass die Betroffenen mehrheitlich zufrieden in ihrem Beruf ar-
beiteten und sich bis zum Unfall resp. zur Krankheit keine oder nur wenig Gedanken über ihre
berufliche Zukunft gemacht haben und insbesondere kaum Weiterbildungspläne hatten.

        Die meisten Betroffenen sind aufgrund eines zufälligen, unvorhergesehenen Ereignis-
ses (engl. Happenstance) in der Beruflichen Abklärung. Dieses zwingt sie dazu, sich mit ihrer
beruflichen Laufbahn auseinanderzusetzen. Nun ist Anpassungsfähigkeit in Bezug auf die Be-
rufslaufbahn gefragt. Im Folgenden wird deshalb auf die zwei Laufbahntheorien der Happen-
stance Learning Theory (Krumboltz, 2009) und der Laufbahnadaptabilität (Savickas, 2002)
eingegangen. Diese beiden Theorien sind als übergeordnet im Prozess der beruflichen Um-
orientierung zu betrachten. Aus diesem Grund werden sie nicht nur aus der Perspektive des
Klienten beschrieben, sondern es wird auch die Rolle der prozessbegleitenden Personen (Be-
rufsberater, Arbeitsagogen) thematisiert.

        Happenstance Learning Theory. Die Happenstance-Lerntheorie (HLT) von Krum-
boltz (2009) ist ein Erklärungsversuch dazu, wie und weshalb Individuen unterschiedlichen
Lebenspfaden folgen. Die HLT postuliert, dass menschliches Verhalten ein Produkt unzähliger

                                                                                            10
RKB – REHABELLIKON-KOMPETENZEN-BILANZ

Lernerfahrungen ist, welche auf geplanten und ungeplanten Situationen beruhen. Diese Lern-
erfahrungen umfassen Fähigkeiten, Interessen, Wissen, Einstellungen, Präferenzen und Emo-
tionen und sie beeinflussen zukünftige Handlungen. Die Lebenssituationen, welchen Indivi-
duen begegnen, beinhalten teilweise Faktoren, welche durch die Person beeinflusst und kon-
trolliert werden können und teilweise sind sie rein zufälliger Natur. Jede dieser Lebenssituati-
onen – egal ob geplant oder zufällig – kann als eine potentielle Chance erkannt werden, diese
gewinnbringend zu nutzen, also aktiv zu handeln. Menschen im beruflichen Rehabilitations-
kontext sind in besonderem Mass damit konfrontiert, mit einer zufällig auftauchenden Krank-
heit 1 oder den Folgen eines Unfalls umgehen lernen zu müssen.

           Krumboltz (2009) fordert die prozessbegleitenden Personen – hier also die Arbeitsa-
gogen und die Berufsberater – auf, Klientinnen und Klienten wie folgt zu unterstützen:

           (1) Das Ziel der Beratung resp. der Prozessbegleitung ist, Klientinnen und Klienten
               dabei zu unterstützen, proaktiv zu handeln um für sich so einen Zuwachs an Berufs-
               und Lebenszufriedenheit zu gewinnen.
           (2) Diagnostikinstrumente dienen dazu, Lernprozesse beim Klienten zu stimulieren –
               und nicht etwa dazu, um Persönlichkeitseigenschaften mit Jobprofilen abzuglei-
               chen.
           (3) Klientinnen und Klienten sollen dahingehend unterstützt werden, offen zu sein und
               explorativ aktiv zu werden, um damit für sich vorteilhafte, ungeplante Ereignisse
               generieren zu können (z.B. Schnupperlehren, Praktika)
           (4) Der Erfolg der Prozessbegleitung und Berufsberatung zeigt sich an dem, was der
               Klient in der realen Welt erreicht.

           Laufbahnadaptabilität. Laufbahnadaptabilität bildet ein zentrales Konstrukt in der
konstruktivistischen Laufbahnentwicklung nach Savickas (2002). Diese Theorie beruht auf der
Annahme, dass Personen eine subjektive Realität aktiv konstruieren und nicht einfach auf-
grund der objektiven Realität handeln (Hirschi, 2013). Gemäss Savickas (1997) ist «Laufbahn-
adaptabilität die Bereitschaft, sich zwei Aufgaben zu stellen: der vorhersehbaren Aufgabe, eine
Berufsrolle zu übernehmen, und der nicht vorhersehbaren Aufgabe, sich an die Veränderun-
gen der Arbeitswelt anzupassen» (S. 254). Laufbahnadaptabilität beinhaltet also eine motiva-
tionale Komponente. Sie besteht aus den folgenden Kernelementen: (a) zukunftsgerichtete
Laufbahnplanung, (b) aktive Entscheidungsfindung, (c) neugierige Exploration der beruflichen
Möglichkeiten und (d) zuversichtliche Herangehensweise beim Umgang mit Herausforderun-
gen in der Laufbahnentwicklung.

           Für die Arbeit der prozessbegleitenden Personen bedeutet dies, dass die subjektive
und komplexe Realität jedes Klienten im Neuorientierungsprozess berücksichtigt werden

1
    Nur ein kleiner Prozentsatz der Klienten leidet an sogenannten Berufskrankheiten.

                                                                                              11
RKB – REHABELLIKON-KOMPETENZEN-BILANZ

sollte. Ziel der Beratungspersonen sollte sein, bei Klientinnen und Klienten die vier Aspekte
der Laufbahnadaptabilität zu fördern. Es geht in der Beratung also weniger um Informations-
vermittlung, sondern vielmehr um die Begleitung beim Erlernen von Anpassungsstrategien,
um eine Steigerung von Arbeitsmarktfähigkeit und um die Förderung von Sozial- und Entschei-
dungskompetenzen (Hirschi, 2013).

2.2.3 Das biopsychosoziale Modell

       In Kapitel 2.1.2 zum Haus der Arbeitsfähigkeit wurde erläutert, dass die Gesundheit
das Fundament zur Arbeitsfähigkeit bildet. Doch wie kann Gesundheit definiert werden? Oder
umgekehrt: Wie wird Krankheit definiert?

       Gemäss der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization [WHO], 1946)
ist «Gesundheit ein Zustand vollkommenen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbe-
findens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen». Die WHO versteht Ge-
sundheit ganzheitlich als bio-psycho-soziales Konstrukt. Ein gesunder Mensch ist nicht einfach
frei von Krankheit und Gebrechen; er ist fähig, jegliche Lebenslage ganzheitlich zu bewältigen.
Gesundheit wird hier über das subjektive Befinden des Einzelnen definiert. An dieser Definition
kann jedoch das vollkommene Wohlbefinden kritisiert werden, denn ist man wirklich nur dann
gesund, wenn man über ein vollkommenes körperliches, psychisches und soziales Wohlbe-
finden verfügt?

       Ebenfalls von einem biopsychosozialen Verständnis geht Engel (1976) aus, der Ge-
sundheit wie folgt definiert:

       Gesundheit ist die ausreichende Kompetenz des Systems «Mensch», beliebige Stö-
       rungen auf beliebigen Systemebenen autoregulativ zu bewältigen. Nicht das Fehlen
       von pathogenen Keimen (Bakterien, Viren etc.) oder das Nichtvorhandensein von Stö-
       rungen / Auffälligkeiten auf der psychosozialen Ebene bedeuten demnach Gesundheit,
       sondern die Fähigkeit, diese pathogenen Faktoren wirksam zu kontrollieren. (zit. nach
       Egger, 2005, S. 5)

Krankheit und Gesundheit erscheinen gemäss dieser Definition nicht als Zustand, sondern als
ein dynamisches Geschehen (Egger, 2008). Dies bedeutet, dass sich ein Mensch dank auto-
regulativer Prozesse trotz einer körperlichen Einschränkung gesund fühlen kann. Die körper-
lich-biologische Einschränkung kann mit Hilfe von personalen und sozialen Ressourcen kom-
pensiert werden. Damit eine Person dieses Selbstverständnis entwickeln kann, braucht es je-
doch aktive Auseinandersetzung mit sich selbst und der persönlichen Lebenssituation. Wer
sich im ersten Arbeitsmarkt auf Stellen bewirbt, ist gefordert, als gesunder Mensch aufzutreten.

                                                                                             12
RKB – REHABELLIKON-KOMPETENZEN-BILANZ

    Abbildung 4. Wirkfaktoren im biopsychosozialen Modell (eigene Darstellung; nach Engel, 1976)

          In Abbildung 4 werden die zentralen Wirkfaktoren des biopsychosozialen Modells auf-
gezeigt: zum biologischen Faktor gehören Komponenten wie das Alter, das Geschlecht, ge-
netische Voraussetzungen und die körperliche Einschränkung. Der psychologische Wirkfaktor
umfasst die mentale Gesundheit einer Person, basierend auf emotionalen, motivationalen und
kognitiven Faktoren. In Zusammenhang mit der Findung eines neuen Gesundheitsverständ-
nisses, mit welchem Personen im Bereich der Beruflichen Eingliederung konfrontiert sind,
spielen Einstellungen, Kontrollüberzeugungen und Selbstwirksamkeitserwartungen eine
Schlüsselrolle. Eine zentrale Bedeutung kommt auch dem sozialen Faktor zu: bestärkende
zwischenmenschliche Beziehungen und soziale Unterstützung können den Umorientierungs-
prozess positiv beeinflussen. Ebenfalls eine wichtige, jedoch weniger beeinflussbare Rolle,
spielt der sozioökonomische Status einer Person.

2.2.4 Das Karriere-Ressourcenmodell

          Hirschi (2017) formuliert ein Karriere-Ressourcenmodell, welches bis anhin zwar nicht
empirisch belegt ist jedoch im Karriere-Ressourcen-Fragebogen 2 (Hirschi, Nagy, Baumeler,
Johnston & Spurk, 2017) operationalisiert ist. Er geht davon aus, dass es zur Gestaltung
selbstbestimmter und erfolgreicher Laufbahnen persönlicher Ressourcen bedarf. Hirschi nennt
diese Ressourcen Karriere-Ressourcen. Sein Modell ist geleitet von der Frage «Was hilft mir,
meine Ziele zu erreichen?» (Hirschi, 2017). Es geht dabei also weniger um Passung, sondern
vielmehr um einen Entwicklungsgedanken.

2
    www.cresogo.com

                                                                                                   13
RKB – REHABELLIKON-KOMPETENZEN-BILANZ

Abbildung 5. Das Karriere-Ressourcenmodell nach Hirschi (2017).

       In Abbildung 5 sind die Bereiche definiert, welche Hirschi als Ressourcen identifiziert:
Es sind dies die Bereiche Wissen und Kompetenzen, Motivation und das Umfeld. Besondere
Bedeutung kommt den Aktivitäten zu: Ressourcen kommen nur dann zum Tragen, wenn sie
auch aktiviert werden. Dabei erachtet Hirschi das Netzwerken, sich informieren über Möglich-
keiten und kontinuierliches Lernen als zentrale Aktivitäten. Programme zur beruflichen Einglie-
derung oder Jobcoaching können Menschen im Rehabilitationskontext dabei unterstützen,
Ressourcen zu aktivieren und zu fördern. Diese Massnahmen können als Ressourcen-Multi-
plikator dienen.

2.2.5 Das Angebot der Beruflichen Eingliederung der Rehaklinik Bellikon

       Die Berufliche Eingliederung ist an der Rehaklinik Bellikon Teil des Bereichs der ar-
beitsorientierten Rehabilitation (AR). Dieser Bereich ist das Bindeglied zwischen dem Reha-
Aufenthalt und der Arbeitswelt. Die Klinik ist bestrebt, Personen mit gesundheitlicher Ein-
schränkung dabei zu unterstützen, in die Arbeitswelt zurückzukehren. Das Angebot der AR
umfasst sowohl stationäre als auch ambulante Programme. In Zusammenarbeit mit der
SUVA und der IV bietet die Rehaklinik Berufs- und Laufbahnberatung, berufliche Abklärun-
gen, Berufsvorbereitungen sowie ein Coaching am Arbeitsplatz an (RKB, 2018a).

       In der Beruflichen Eingliederung bilden nebst beruflichen Massnahmen wie z.B. dem
Arbeitstraining und dem Job Coaching, welche an einem Arbeitsplatz im ersten Arbeitsmarkt
stattfinden, die zwei aufeinander aufbauenden Abklärungsprogramme einen zentralen Be-
standteil des Angebotes: Die Berufliche Grundabklärung (BA1) und die Vertiefte Berufliche
Abklärung (BA2). Beide Massnahmen umfassen Berufs- und Laufbahnberatung. Rechtlich
basieren sie auf Art. 15 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG), welcher
die Berufsberatung im Rahmen der IV regelt: «Mittels einer Abklärung wird eruiert, welche

                                                                                            14
RKB – REHABELLIKON-KOMPETENZEN-BILANZ

Tätigkeiten sich für eine versicherte Person eignen, unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten
und Neigungen sowie ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung» (BSV, 2018; IVG Art. 15, Abs.
11). Voraussetzung für eine Abklärung beruflicher Art ist die objektiv und subjektiv vorhan-
dene Eingliederungsfähigkeit.

       Berufliche Grundabklärung. Die Berufliche Grundabklärung dauert 20 Tage. Vo-
raussetzung ist, dass Betroffene mindestens halbtags anwesend sein können. Das Koopera-
tionsmodell zwischen SUVA und IV gewährleistet Patienten der Klinik eine rasche und un-
komplizierte Zusprache von beruflichen Massnahmen (RKB, 2018b). Häufig werden Klienten
aber auch direkt von ihrer kantonalen IV-Stelle oder von der Militärversicherung der Grund-
abklärung zugewiesen. Ziele der BA1 sind die Abklärung der praktischen und theoretischen
Fähigkeiten und Interessen, das Feststellen der Lernfähigkeit, das Ermitteln der sozialen
Kompetenzen und das Aufzeigen von Eingliederungsperspektiven. Gegen Ende der BA1
werden mit dem Zuweiser Anschlussmassnahmen erarbeitet (RKB, 2018c).

       Vertiefte Berufliche Abklärung. Sofern angezeigt folgt auf die Berufliche Grundab-
klärung eine Vertiefte Berufliche Abklärung. Diese Massnahme dauert üblicherweise zwei
Monate und bedingt i.d.R eine ganztägige Anwesenheit der Betroffenen. Hier werden die in
der Grundabklärung erarbeiteten Umorientierungsideen hinterfragt, Neigungen und Fähigkei-
ten werden mittels Interessens- und Leistungstests analysiert. Die Ratsuchenden sollen ihr
Eingliederungspotential erkennen können. Die Klienten erhalten die Möglichkeit, ihre Berufs-
wünsche in den Bereichen Büro (inkl. Informatikanwendungen), technisches Zeichnen (inkl.
CAD), Holzbearbeitung, Mechanik/Metallbearbeitung und Elektrotechnik praktisch zu erpro-
ben. Von grosser Wichtigkeit sind in der BA2 auch interne und externe Praktika (RKB, 2018d).

       Ziel der beiden Massnahmen BA1 und BA2 ist es, abgestützt auf die Abklärungser-
gebnisse und den Berufsberatungsprozess in Absprache mit der zuweisenden Versicherung
konkrete Eingliederungs- und Umschulungsmassnahmen einzuleiten.

       Elemente der Beruflichen Abklärung. In Abbildung 6 sind die Elemente der BA1 und
BA2 ersichtlich. Das Ressourcenmosaik erhebt schulisches Wissen, welches häufig auch zu-
sätzlich mit einem Basic-Check-Test überprüft wird. Mit praktischen Arbeitsaufträgen aus den
Bereichen Büro, Holzbearbeitung, Mechanik, Metallbearbeitung und Elektrotechnik werden
handwerkliche, grob- und feinmotorische Fertigkeiten überprüft; oftmals geht es darum, dass
Personen aus dem Baugewerbe in Berufsfelder wechseln, welche mehr feinmotorisches oder
technisches Geschick erfordern. In der Berufsberatung werden mittels Beratungsgesprächen
und mittels Einsatz von Interessen- und Neigungstests mögliche berufliche Wege erarbeitet.
Kognitive Leistungstests geben zusammen mit den Ergebnissen aus dem Ressourcenmosaik
und dem Basic-Check Hinweise darauf, ob für das angestrebte Anspruchsniveau das kognitive
Potential vorhanden ist. In der BA2 werden Lerngruppen angeboten, mit dem Ziel schulische

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RKB – REHABELLIKON-KOMPETENZEN-BILANZ

Lücken zu schliessen. Zudem haben die Klienten die Möglichkeit, das Zehnfingersystem zu
erlernen und verschiedene ECDL-Module (European Computer Driving Licence) mit einem
Zertifikat abzuschliessen. Bei Bedarf können auch erste CAD-Kenntnisse erworben werden.
Zum Umorientierungsprozess gehört auch der Erwerb von Wissen und Kompetenzen rund um
das Thema Bewerbung: die Klienten werden bei der Erstellung eines aktuellen, ansprechen-
den Bewerbungsdossiers unterstützt. Im Bewerbungstraining werden sie auf potentielle Vor-
stellungsgespräche vorbereitet. Das Beziehungsnetz der RKB dient häufig als Türöffner für
Schnupperlehren und Praktika. Auch innerhalb der Klinik können verschiedene Berufe erprobt
werden.

Abbildung 6. Elemente aus der Beruflichen Grundabklärung und der Vertieften Beruflichen Abklärung
(eigene Darstellung, basierend auf Rehaklinik Bellikon, 2011)

       Berufliche Massnahmen und Coaching am Arbeitsplatz. Da für die vorliegende Ar-
beit insbesondere die Beruflichen Abklärungs-Angebote BA1 und BA2 von Interesse sind, wird
nur kurz auf die Beruflichen Massnahmen und das Coaching am Arbeitsplatz eingegangen.

        Ziel der Beruflichen Massnahmen ist die Vorbereitung auf eine Umschulung oder die
Wiedereingliederung in die freie Wirtschaft. Fachliches Wissen und Können werden trainiert,
Lern- und Arbeitstechniken vermittelt, Bewerbungstrainings absolviert, Arbeits- und Ausbil-
dungsstellen gesucht, die Belastbarkeit gesteigert und Anschlusslösungen vorbereitet.

       Zwei Jobcoaches unterstützen und begleiten Personen bei Bedarf während und nach
ihrer Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt. Sie arbeiten nach der Methodik des Supported
Employment. Dies bedeutet, dass auch der Arbeitgeber und das Umfeld ins Coaching einbe-
zogen werden. Ein Coaching dauert in der Regel sechs Monate. Mindestens einmal pro Woche
steht der Coach mit der betroffenen Person in Kontakt. Bei Bedarf werden auch verunfallte

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