Rollenklärung in der Pflege - Hamburg
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Inhalt Inhaltsverzeichnis Inhalt 3 Versteht mein Gegenüber, was ich meine? Erfolgreich kommunizieren 41 Grußwort von Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks 4 5.1 Smalltalk, Mitarbeitergespräche, Feedback 42 Vorwort von Stefan Rehm, 5.2 Umgang mit Gerüchten 45 Vorstand im Diakonischen Werk Hamburg 5 5.3 Weniger Missverständnisse dank „Gewaltfreier Vorwort der Autorinnen 6 Kommunikation“ 46 5.4 Konflikte vermeiden, Konflikte entschärfen 48 Das tägliche Chaos dressieren Einleitung 8 Müssen wir das wirklich besprechen? Zwischen allen Stühlen Rollenklarheit in der Leitung 11 Meetings effektiv einsetzen 50 2.1 Die unklare Position der Wohnbereichsleitung 12 6.1 Vorbereitung und Leitung von Besprechungen 51 2.2 Aufschlussreicher Seitenwechsel 15 6.2 Notizen, Checklisten, Newsletter, Standards 54 2.3 Kompetenzverteilung zwischen Pflegedienstleitung 6.3 Weniger Absprachen durch Ablaufstandards 55 und Wohnbereichsleitung 16 2.4 Wer schreibt den Dienstplan? 18 Was außen ist, fängt innen an Mit Emotionen, 2.5 Ressourcen für die Wohnbereichsleitung 20 Werten und Unterschieden konstruktiv umgehen 58 2.6 Leitung in der ambulanten Pflege übernehmen 22 7.1 Unterschiedlichkeit ist bereichernd 58 7.2 Werte in der Pflegearbeit 60 Bin ich als Leitung Gleiche unter Gleichen? 7.3 Widersprüche und ihre Auswirkungen 60 Versuch einer Rollenklärung 26 7.4 Emotionsarbeit ist Arbeit 62 3.1 Die liebevolle Branche ... 27 3.2 Selbstverständnis in der Leitungsposition 28 Wer kann mir am besten helfen? 3.3 Veränderungen einführen, begleiten, nachjustieren 30 Unterstützung für Leitungskräfte 64 3.4 Haben es Männer leichter? 32 8.1 Das Instrument der kollegialen Beratung 64 8.2 Soziale Unterstützungssysteme einbeziehen 66 Wie leite ich ein Team aus Einzelkämpfern? 8.3 Coaching für die Leitung 69 Herausforderungen in der ambulanten Pflege 34 4.1 Nähe und Verbindlichkeit in ambulanten Teams herstellen 35 Schlussbemerkung der Autorinnen 70 4.2 Balance finden zwischen Nähe und Distanz 38 Infoseite 71 3
Grußwort Vorwort Grußwort von Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks Vorwort von Stefan Rehm, Vorstand im Diakonischen Werk Hamburg Liebe Leserin, lieber Leser, dieser Praxisleitfaden ist das Ergebnis des Projekts „fit for care“, bei dem verbandsübergreifend Lei- Um bedarfsgerechte, vielfältige und qualitativ hochwertige Pflege anzubieten, tungskräfte aus ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen in ihrem Führungsalltag begleitet wur- braucht es viele Faktoren. den. Von ihren vielfältigen Erfahrungen und guten Ideen können nun auch andere profitieren. Wir als Diakonisches Werk setzen uns bei den Verhandlungen mit den Kostenträgern dafür ein, dass Als Gesundheitssenatorin begrüße ich es sehr, dass den Pflegekräften in Führungspositionen eine Hilfe- wichtige und innovative Leistungen, die unsere Mitgliedseinrichtungen erbringen, auch refinanziert stellung angeboten wird, um ihre verantwortungsvolle Aufgabe kompetent wahrzunehmen. Qualifizierte werden. und professionell agierende Pflegedienstleitungen sind ein zentraler Erfolgsfaktor für die Zufriedenheit der Pflegebedürftigen, ihrer Angehörigen und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dieser Leitfaden Gute Pflege braucht gutes und engagiertes Personal. Die Motivation und Führung von Mit- kann einen Beitrag dazu leisten, die Handlungssicherheit und die Entscheidungskompetenz von Füh- arbeitenden in der Pflege ist daher von besonderer Bedeutung. Ein zentrales Anliegen von rungskräften zu stärken. uns ist es, dass gute Pflege auch angemessen bezahlt wird. Beschäftigte in unseren Pflege- Stefan Rehm einrichtungen werden selbstverständlich tariflich vergütet. Vorstand Das Projekt „fit for care“ passt sehr gut zu weiteren Initiativen und Projekten der Han- Diakonisches Werk Cornelia Prüfer-S torcks sestadt, die dazu beitragen, dass hilfebedürftige Hamburgerinnen und Hamburger Wir setzen uns dafür ein, dass die Mitarbeitenden in der Pflege die Rahmenbedingungen Hamburg Senatorin der Behö rde für Gesundheit auf eine qualifizierte, gute Pflege vertrauen können. Im Rahmen der Landesinitiati- erhalten, die sie für die Erfüllung ihrer wichtigen Aufgabe benötigen. und Verbrauchersch ve „Leben mit Demenz“ wollen beispielsweise stationäre Einrichtungen Pflege und utz in Hamburg Betreuung optimal an die Bedarfe ihrer Bewohnerinnen und Bewohner mit Demenz Was braucht es neben ökonomischen Rahmenbedingungen noch, um Mitarbeitende in der Pflege zu stüt- anpassen. Hierfür ist die Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Lei- zen? Mit dem Projekt „fit for care“ sind wir als Diakonisches Werk angetreten, die Rahmenbedingungen für tungskräfte eine entscheidende Voraussetzung. effektives Leitungshandeln zu optimieren und Führungskräften ganz unmittelbare Unterstützung zu geben. Das Projekt hat viele wichtige Impulse mit nachhaltigen Wirkungen geliefert. Dieser Praxisleitfaden regt mit seiner Mischung aus Interviews, Fachaufsätzen, Statements und Beispielen zum Lesen und zur Beschäftigung mit dem Thema „Führung im Praxisalltag der Pflege“ an. Ich möchte Sie Vielen Dank an alle, die zum Erfolg des Projektes beigetragen haben. ermuntern, Ihre Position als Leitungskraft zu reflektieren und sich von den Beispielen guter Praxis inspirieren zu lassen. Cornelia Prüfer-Storcks Stefan Rehm Senatorin der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz in Hamburg Vorstand Diakonisches Werk Hamburg 4 5
Vorwort Vorwort Vorwort der Autorinnen Im Projekt „fit for care“ haben wir 66 Führungskräf- ten. In neun Gruppen fanden regelmäßig Gruppen- men. Einige Beiträge wenden sich an Leitungskräfte te aus der stationären und ambulanten Pflege über beratungen und Fortbildungen statt. Alle Teilneh- aus der stationären Pflege, andere explizit an Lei- zwei Jahre in ihrer Leitungspraxis begleitet. Unsere menden erhielten auch Einzelcoaching. So sind in tungen aus ambulanten Diensten. Bei vielen Fragen Ausgangsüberlegung war, dass diesen zwei Jahren viele Veränderungsprozesse in macht es jedoch keinen Unterschied, ob es sich um Leitungskräfte, die nicht aus- den Einrichtungen gestartet. Ganz wichtig war dafür, eine ambulante oder stationäre Einrichtung handelt. schließlich führen, sondern zu- dass die Teilnehmenden im Projekt einen Ort des kol- Der Praxisleitfaden richtet sich an alle Hierarchie- gleich in der Pflege mitarbeiten, legialen und vertrauensvollen Austauschs gefunden Ebenen in einer Pflegeeinrichtung, auch wenn die oft in einem Rollenkonflikt ste- haben. So konnte konkrete Unterstützung in persön- meisten Beiträge aus der Perspektive der unteren cken. Aus diesem Grund stand lichen Entwicklungsprozessen, bei der Bewältigung Leitungsebene formuliert wurden. Wir nehmen an, im Zentrum des Projekts die von Krisen und der Gestaltung der Leitungsarbeit dass dies auch für die obere Leitungsebene inte- Unterstützung von Wohnbe- gegeben werden. Die Teilnehmenden erlebten hier- ressant ist. „ fi t fo r c are“ t Im Projek reichsleitungen in stationä- bei Solidarität und erfuhren kollegiale Hilfe. 6 6 L e it u ngskräfte ren Einrichtungen sowie der Bei der Vielfalt an beschriebenen Problemen kann wurden g e n ric h tu n Pflege- und Einsatzleitun- Im Projektverlauf sind viele Erfahrungen und Vor- man schnell den Eindruck bekommen, dass der aus 19 Ein ih re r Jahre in gen aus ambulanten Ein- schläge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen Pflegeberuf vor allem aus Belastungen besteht. Das care“ über zwei Projekt-Team „fit for gleitet. richtungen. Das Projekt „fit für Leitungshandeln zusammengetragen worden. stimmt so nicht. Wir waren in diesem Projekt oft be- ung und Coaching), Praxis be for care“ hatte das Ziel, die eindruckt und auch berührt, mit wie viel Freude und Sonja Nielbock (Berat ojektleitung), vorhandenen Führungs- Mit dem vorliegenden „Praxisleitfaden“ möchten wir Engagement unsere Teilnehmenden in der Pflege ar- Birgit Szezinowski (Pr strukturen zu analysieren, auch Leitungskräften, die nicht am Projekt teilge- beiten. Wir haben von ihnen immer wieder gehört, Ursula Topp (Assistenz) notwendige Rahmenbe- nommen haben, dessen Ergebnisse vorstellen und dass die Pflege von alten Menschen eine zweifellos dingungen für Leitungshandeln zu definieren und Anregungen zum Analysieren und Ausprobieren ge- sehr anstrengende aber auch sehr erfüllende Tätig- die Teilnehmenden in ihrer Führungsrolle zu stärken. ben. Wir liefern im Folgenden allerdings keine fer- keit ist. tigen Rezepte, schon weil es oft mehrere sinnvolle An diesem Projekt waren elf Einrichtungen aus der Wege zur Verbesserung der Arbeitssituation gibt. In der Pflege arbeiten deutlich mehr Frauen als Män- stationären Altenpflege und acht Einrichtungen aus Der Praxisleitfaden stellt zudem nur eine Auswahl ner. Wir haben uns in diesem Praxisleitfaden dennoch Wir hoffen, Sie erhalten durch die Lektüre viele An- der ambulanten, häuslichen Pflege beteiligt. Neben an Themen der Leitungspraxis dar und hat nicht für eine geschlechtsneutrale Sprache entschieden regungen. Nicht zuletzt wünschen wir uns, dass Sie Mitgliedseinrichtungen des Diakonischen Werkes den Anspruch vollständig zu sein. Die Kapitel lie- und hoffen, dass sich sowohl Sie, liebe Leserinnen, beim Lesen auch etwas von der lebendigen Atmo- Hamburg waren auch jeweils eine Einrichtung des fern Hintergrundinformationen, Praxisbeispiele und als auch Sie, liebe Leser, angesprochen fühlen, wenn sphäre von drei intensiven Projektjahren spüren. Caritasverbands, des Arbeiter-Samariter-Bundes Vorschläge für Veränderungen. Dabei lassen wir die wir von „Mitarbeitenden“ oder von „Wohnbereichs- sowie des Paritätischen Wohlfahrtsverbands vertre- Projekt-Teilnehmenden ausführlich zu Wort kom- und Pflegedienstleitungen“ sprechen. Wir hatten viel Freude dabei! 6 7
Das tägliche Chaos dressieren Leistungsabrechnungen machen. Es muss ja auch Das Chaos eines Tags in der ambulanten Pflege wird mal Geld reinkommen, das verschiebe ich besser auf tapfer ertragen, gewinnen kann man nicht dagegen, morgen. Dann kommen hier Medikamentenpläne aus dazu hat es zu viele Quellen. Vielleicht lässt sich Arztpraxen übers Fax, die aber niemand lesen kann. doch etwas ändern? Dazu braucht man aber erst Die Praxis ist erst wieder um 17 Uhr erreichbar. Super, einmal Abstand. Der Kollegin im Seniorenzentrum da wollte ich eigentlich schon Feierabend haben. Faxe geht es auch nicht besser. Man spürt schon nach also zurück, ohne Reaktion. Durch Zufall erfahre ich, dem kurzen Statement, wie engagiert hier gearbeitet dass ein dementer Pflegekunde, von dem wir dach- wird und wie groß die Gefahr ist, in eine schwere ten, dass er sich noch zur Chemo im Krankenhaus Erschöpfung zu geraten. Was kann helfen? Können aufhält, schon seit Freitag zu Hause auf uns wartet. sich Pflegekräfte und Leitungspersonal selbst aus Annette Brahms, Keiner hat uns informiert. Also wieder herumtelefo- dem Hamsterrad befreien? Die ökonomischen Rah- Einsatz- und Pflege- nieren. Mein Büro ist wie ein Taubenschlag. Die Post menbedingungen können sie kaum ändern, die dif- dienstleitung im am- 1 bringt Päckchen, Kollegen erzählen von den Erleb- fusen Ansprüche von Angehörigen, Ärzten, Kranken- bulanten Pflegedienst nissen ihrer Tour oder wollen einen fachlichen Rat. kassen usw. an das Pflegepersonal nicht ignorieren. der Hamburger Ge- Das tägliche Chaos dressieren Wir lachen auch viel, nehmen es mit Humor, sonst sundheitshilfe gGmbH würde es auf Dauer nicht gehen. Parallel klingelt un- „Am Feierabend dreht sich mir oft der Kopf“ Einleitung entwegt das Telefon. Ich komme mir manchmal wie eine Dompteurin vor und hätte oft gern sechs Arme Jasmin Kunstmann: „Eigentlich wollte ich heute und sechs Ohren. Multitasking bekommt hier eine die Pflegedokumentation überarbeiten und überprü- ganz reale Bedeutung. Meine Teilnahme am Quali- fen, ob wir Inkontinenzmaterial nachbestellen müs- Wie ist der Alltag einer Leitungskraft in der Pflege? Wir haben an einem Montag zwei Teil- tätszirkel muss ich heute leider absagen. Schade, sen. Nun ist ein Kollege krank geworden. Ich lasse nehmerinnen aus dem Projekt „fit for care“ angerufen und nachgefragt, wie ihr Tag war. da wär ich gerne hingegangen … Der Stresslevel ist den Papierkram liegen und übernehme für heute Sie berichten über ihren Alltag als Einsatzleitung in der ambulanten Pflege und als Wohn- sehr hoch. So richtig erholt bin ich auch nicht, weil zusätzliche Bewohner. Ich bin über diese Krank- bereichsleitung in einem Pflegeheim. Mit diesen beiden Momentaufnahmen gelangen wir ich am Wochenende von 6-21 Uhr Bereitschafts- meldung sehr verärgert. Es gibt schon länger einen mitten hinein in unser Thema. dienst am Handy hatte. Theater oder Kino geht da Konflikt zwischen den Mitarbeitenden und diesem nicht. Diese ständige Erreichbarkeit nervt ziemlich. Kollegen. Ich hatte mir für heute vorgenommen, Jasmin Kunstmann, „Mein Büro ist wie ein Taubenschlag“ zungen fragen, ob sie noch einen Spätdienst über- Das Bereitschaftshandy klingelt ohne Rücksicht, ein erstes Klärungsgespräch zu führen. Ich stehe Wohnbereichsleitung nehmen können. Die Pflegekunden müssen natürlich wenn man gerade den Wochenendeinkauf macht oft vor der Entscheidung, ob ich Leitungsaufgaben im Seniorenzentrum Annette Brahms: „Heute ist ein typischer Mon- auch informiert werden, dass sich die Zeiten heute oder mit einer Freundin spazieren geht. Heute ist bei Personalknappheit liegen lasse und in die Pflege Bugenhagenhaus tag. Es geht gleich mit einer Krankmeldung los. Also ändern. Solche Anrufe sind für einige Pflegekunden Montag. Kann ja nur besser werden.“ gehe oder zum Beispiel andere Kollegen bitte, eine der Gemeinnützige Sechseinhalb-Stunden-Tour neu verteilen. Super. ein schöner Anlass für ein längeres Gespräch … Ich Schicht zu übernehmen. Gerade unsere demenziell Ev.-Luth. Bugen- Kollegen auf dem Handy anrufen, und mit Engels- fange an zu rotieren. Eigentlich wollte ich heute die erkrankten Bewohner brauchen viel Kontakt und hagenhaus GmbH 8 9
Aufmerksamkeit. Da setze ich dann Prioritä- In den folgenden Kapiteln analysieren Wohnbe- ten. Es klingelt unentwegt das Telefon. Der reichsleitungen, Teamleitungen, Einsatzleitungen Arzt will die Besuchstermine verschieben. und Pflegedienstleitungen verschiedene Aspekte ih- Ich hatte mir extra die Zeit eingeplant, da rer Leitungsaufgaben. Diese Aufgaben selbst müs- es wichtige Rückfragen zur Medikation sen oft zunächst einmal definiert werden mitsamt gibt. Wie blöd. An dem nun vorgeschla- den dafür nötigen Ressourcen. Das ist ein wichtiger genen Termin habe ich frei. Ein Angehö- Schritt hin zu mehr Klarheit – und Voraussetzung für riger will unbedingt mit mir sprechen, positive Veränderungen. da ein Wäschestück verschwunden ist. Wir konnten es gut klären, aber es hat mich 30 Minuten beschäftigt. Eine Mitarbeiterin will unbedingt 2 den Dienst am Wochenende tau- schen, weil ihr Kind krank ist. Ich Zwischen allen Stühlen verspreche ihr zu prüfen, ob die Möglichkeit besteht. Eine Be- Rollenklarheit in der Leitung wohnerin kommt unerwartet aus dem Krankenhaus zurück. Die Entlassung war ursprünglich nach einer Operation erst für die nächste Woche geplant. Viele Leitungskräfte in der ambulanten und stationären Pflege fühlen sich wie zwischen Die Bewohnerin braucht für allen Stühlen. Ihre Aufgaben und Kompetenzen sind nicht ausreichend geklärt. Das führt ihre Wunde jetzt regelmäßi- zu Konflikten und Rollenkonfusionen, die belastend sein können. In diesem Kapitel werden ge Verbandswechsel. Ich Maßnahmen vorgestellt, die das Leitungshandeln erleichtern und verbessern können. In übernehme diese Aufga- der stationären Pflege gehört dazu eine Klärung der Aufgaben der Wohnbereichsleitungen: be. Irgendwie hatte ich Welche Aufgaben liegen bei der Pflegedienstleitung und welche Aufgaben übernimmt die mir den Tag heute kom- Wohnbereichsleitung? Der Alltag einer Leitungskraft in der ambulanten Pflege stellt sich plett anders vorgestellt auf den ersten Blick anders dar, weil sie nur selten in der Pflege vor Ort mitarbeitet. Unsere und geplant. Wenn folgenden Beispiele zeigen, wie sehr Leitungskräfte die Unterstützung ihrer Vorgesetzten ich Feierabend habe, brauchen, um erfolgreich zu sein. Dies gilt für ambulante und stationäre Einrichtungen glei- dreht sich mir oft der chermaßen. Kopf.“ 10 11
Zwischen allen Stühlen Zwischen allen Stühlen 2.1 Die unklare Position der Wohnbereichsleitung beit verbessert werden. Das gelingt jedoch nur, wenn Modell „nur“ die Ansprechperson für die Pflege- die Einrichtungsleitung der Wohnbereichsleitung auch dienstleitung, die dann die Entscheidungen weiter- In allen stationären Pflegeeinrichtungen gibt es tige Funktion der Wohnbereichsleitung gar nicht zu die nötigen Ressourcen für ihre Aufgaben zur Verfü- leitet. Wichtig dabei: Die Einrichtungsleitung muss Wohnbereichsleitungen. Sie bilden die unterste Füh- geben! Im Projekt „fit for care“ definierten die teil- gung stellt und sie konsequent in ihrer Rolle stützt. sich entscheiden, sonst belastet die Unsicherheit die rungsebene, koordinieren die Arbeit in einem Wohn- nehmenden Wohnbereichsleitungen gemeinsam Man kann sich als Einrichtungsleitung auch bewusst Wohnbereichsleitung und überfordert sie. Es ist für bereich, kennen die Bewohner und die Mitarbeiten- ihre Aufgaben (s. Kasten „Tätigkeiten für den Büro- dafür entscheiden, den Wohnbereichsleitungen nur viele Wohnbereichsleitungen eine große Belastung, den in ihrem Wohnbereich am besten. Dennoch ist Tag“) und legten ein realistisches Zeitvolumen von wenige Aufgaben zu übertragen und die Führungs- sich immer zwischen zwei Rollen hin- und hergeris- diese Position nur unzureichend definiert. wöchentlich ein bis zwei Tagen dafür fest. funktion klar als Aufgabe der Pflegedienstleitung sen zu fühlen, zwischen Pflegekraft und Leitung. Dies definieren. Die Wohnbereichsleitung wäre in diesem erhöht nicht zuletzt ihr Burn-out-Risiko. Die Funktion der Wohnbereichsleitung ist in den Es hat sich bewährt, die Büro-Tage als Leitungsta- rechtlichen Vorgaben nicht eindeutig beschrieben ge zu bezeichnen, da es hilft, von administrativer und nicht explizit vorgesehen. Ist bei der Personal- Pflegearbeit zu unterscheiden und im Wohnbereich Tätigkeiten für den „Büro-Tag/Leitungstag“ einer Wohnbereichsleitung kalkulation die Berücksichtigung der Stelle für die klarer ist, welche Aufgabe aus welcher Rolle heraus ■ Dienstplanerstellung und Anpassung ■ Risiko-Assessment (monatliche Erfassung) Pflegedienstleitung noch durch das SGB XI vorgese- angegangen wird. ■ Kompensierung von kurzfristigem ■ Überprüfung der Pflegestufen und ggf. hen, so sind weitere Leitungsfunktionen in der Pflege Personalausfall Beantragung einer Höhergruppierung nicht als zusätzliche Personalstellen zu finanzieren. Oft spiegeln die Stellenbeschreibungen nicht den Diese Leitungsstellen sind ausschließlich aus dem Alltag der Wohnbereichsleitungen wider. Hilfreich ist ■ Urlaubsplanung ■ Teambesprechungen vor- und nachbereiten Pool der personellen Ausstattung im Bereich Pflege es, sehr konkrete Vereinbarungen über Abläufe und ■ Vorbereitung und Durchführung von ■ Prozessoptimierung/Überprüfung und Betreuung zu rekrutieren. Diese personelle Aus- Zuständigkeiten zwischen der Pflegedienstleitung Pflegevisiten der Abläufe stattung richtet sich aber ausschließlich (im Rahmen und der Wohnbereichsleitung zu formulieren und ■ Mitarbeitervisiten, Kontrolle und Beratung ■ Ziel- und Maßnahmenplanung des länderspezifischen Personalschlüssels) nach auch Vertretungsregelungen zu finden. der Mitarbeitenden den Bewohnern und ihren Pflegestufen. Personelle ■ Teamentwicklungsmaßnahmen Ressourcen für die Leitungstätigkeit der Wohnbe- Die Einrichtungsleitung muss festlegen, in welchen ■ Vorbereitung und Durchführung von struk- ■ Personalentwicklungsmaßnahmen turierten Mitarbeitergesprächen reichsleitung müssen damit faktisch aus Pflege- Bereichen sie an die Wohnbereichsleitung Führungs- ■ Kontrolle der Dokumentation und Betreuungsleistungen abgezweigt werden. Das verantwortung abgeben will. Nur so kann die Wohn- ■ Regelmäßiges Feedback an die kann in der Praxis dazu führen, dass Leitungsauf- bereichsleitung in ihrer Führungsrolle gestärkt werden. Mitarbeitenden ■ Lesen von Fachliteratur gaben nebenbei, zwischendurch oder auch vor und ■ Konfliktklärung und Etablierung von ■ Beurteilung von Auszubildenden nach der Schicht gemacht werden. Nicht zuletzt die Nähe zu den Mitarbeitenden und Konfliktmanagement und Praktikanten die konkrete Ablauforganisation sprechen dafür, den ■ Fortbildungsbedarfe evaluieren und initiieren ■ Vorbereitung von Fallbesprechungen In der Praxis haben die Wohnbereichsleitungen sehr Wohnbereichsleitungen Führungsaufgaben zu über- unterschiedliche Kompetenzen und Aufgaben. Ein tragen. Dadurch können Motivation und Zufriedenheit ■ Gespräche mit Angehörigen/Bewohnern einheitliches Aufgabenprofil scheint es für die wich- der Mitarbeitenden gesteigert und die Qualität der Ar- 12 13
Zwischen allen Stühlen Zwischen allen Stühlen Checkliste für die Vorgesetzten von Wohnbereichsleitungen 2.2 Aufschlussreicher Seitenwechsel 1. Welche konkreten Aufgaben und Entscheidungsbefugnisse liegen bei der Wohnbereichs- Sich zwischen Wohnbereichsleitung und Pflege- reichsleitung etwas braucht und mir eine Nachricht leitung und welche explizit nicht? dienstleitung in die Rolle der jeweils anderen Seite hinterlässt, dann gebe ich dem oft Priorität. Ich kann 2. Was sind administrative Aufgaben, was sind Führungsaufgaben? hineinzuversetzen, ist gar nicht leicht, hilft aber beim die Dringlichkeit dahinter erkennen. Da hilft es mir besseren Verständnis typischer Konflikte zwischen sehr, dass ich selbst in der Funktion gearbeitet habe. 3. Wie grenzen sich die Aufgaben der Pflegedienstleitung von denen der Wohnbereichsleitung den Leitungsebenen. Eine Teilnehmerin des Projekts Ich kenne die Aufgaben und die Schwierigkeiten. Ich konkret ab, welche Schnittstellen ergeben sich? konnte uns aus beiden Perspektiven berichten. glaube, ich bin da besonders aufmerksam und wert- 4. Wie sieht die Vertretungsregelung aus? schätzend. Oft erwarten Mitarbeitende allerdings, Jutta Degner war lange Wohnbereichsleitung in der dass ich für Probleme ganz schnell Lösungen finde. Jutta Degner, 5. Hat die Wohnbereichsleitung eine entsprechende Ausbildung? Auguste-Viktoria-Stiftung und hat vor Kurzem die Daran merke ich, sie kennen ihrerseits mein Tages- stellvertretende Ein- 6. Gibt es Fortbildungsbedarf? Position der stellvertretenden Einrichtungsleitung geschäft gar nicht, wissen nichts über rechtliche und richtungsleitung der im gleichen Haus übernommen. In dieser Funktion finanzielle Rahmenbedingungen und verstehen nicht, Auguste-Viktoria- 7. Gibt es Räumlichkeiten, die die Wohnbereichsleitung für ihre Aufgaben nutzen kann? unterstützt sie auch die Pflegedienstleitung. Hilft ihr warum ich sie in ihrer Ungeduld und mit ihren hoch- Stiftung 8. Wurde ein realistisches Zeitkontingent für Leitungsaufgaben vereinbart? dieser Perspektivenwechsel bei der Gestaltung der gesteckten Erwartungen enttäuschen muss. Deshalb Zusammenarbeit mit den Wohnbereichsleitungen? will ich durch bessere Kommunikation für mehr Ver- 9. Gibt es Regelungen, die Wohnbereichsleitung nicht voll im Dienstplan einzusetzen? Und was können sowohl Wohnbereichsleitungen als ständnis sorgen. Mir ist sehr wichtig, dass die Wohn- 10. Sind die Büro-Tage klar ausgewiesen? Wie wird gewährleistet, dass die Wohnbereichsleitung auch Pflegedienstleitungen aus ihren Erfahrungen bereichsleitungen ihre Büro- oder Leitungstage neh- diese Tage auch nehmen kann? mit beiden Funktionen lernen? men. Solange eine Fachkraft in der Schicht ist, kann sich die Wohnbereichsleitung wie geplant ‚rauszie- 11. Entsprechen die Stellenbeschreibungen der Realität? „Wir sollten gegenseitig mehr über hen‘. Wenn es dann trotzdem zu Engpässen in der 12. Wie sieht der aktuelle Büro-Tag konkret aus? Bitten Sie die Wohnbereichsleitung, unsere Arbeit wissen“ Pflege kommt, muss Zeitarbeit geordert werden, der den Iststand aller Tätigkeiten zusammenzustellen. Leitungstag ist wichtiger! Ich vertrete die Regel: Auf Jutta Degner: „Als Wohnbereichsleitung hat mich zehn Bewohner ein Leitungstag im Monat.“ 13. Welche Aufgaben der Wohnbereichsleitung bleiben unerledigt? oft gestört, dass unser wirkliches Tagesgeschäft und die konkreten Abläufe im Wohnbereich der Leitung Ein gutes Beispiel, welche Erkenntnisse so ein Per- 14. Gibt es regelmäßige Gespräche und Feedback zwischen der Pflegedienst- und Wohnbereichsleitung? nicht bekannt waren. Wenn wir dann in Krisensitua- spektivenwechsel bringen kann. Vielleicht können tionen trotz Personalmangel alles gut bewältigt ha- mehrtägige Hospitationen der Wohnbereichsleitungen 15. Haben Sie realistische Ziele mit der Wohnbereichsleitung vereinbart? ben, gab es dafür wenig Wertschätzung. Die Leitung bei der Pflegedienstleitung eine gute Methode sein, um konnte diese Leistung und Anstrengung gar nicht mehr Verständnis für deren komplexe Aufgabenstellun- 16. Ist für alle Beteiligten transparent, was erfolgreiche Arbeit der Wohnbereichsleitung ausmacht? erkennen. Ich war oft enttäuscht. Da bin ich jetzt in gen zu erhalten. Das gilt natürlich auch umgekehrt. meiner Leitungsfunktion anders. Wenn eine Wohnbe- 14 15
Zwischen allen Stühlen Zwischen allen Stühlen 2.3 Kompetenzverteilung zwischen Pflegedienstleitung uns dies nicht, werden zukünftig weniger Mitarbei- Personal von der Station abziehen. Das will ich nicht. und Wohnbereichsleitung tende bereit sein, die Aufgaben der Wohnbereichs- Ich finde es aber sinnvoll, die Teams manchmal neu zu leitung zu übernehmen. Aber diese Ressourcen kön- mischen, wenn die Strukturen verfestigt sind.“ In der Praxis gibt es zu dem Aufgabenprofil der reichende Kenntnisse. Es fehlt zum Teil einfach an nen wir nicht kompromisslos zur Verfügung stellen: Ralf Hegger: „Ich schreibe die Dienstpläne für das Wohnbereichsleitungen verschiedene Modelle. Es Handwerkszeug, um umfassende Führungsaufga- Alle Wohnbereichsleitungen sind voll im Dienstplan gesamte Haus. So kann ich, je nach vorhandenen ist wichtig, sich die Bedingungen der Einrichtung ben zu übernehmen. Im Moment reicht es mir, wenn eingerechnet. Wenn es personell knapp wird, fallen Pflegestufen in den Wohnbereichen, den daraus resul- und die Voraussetzungen der Beteiligten genau an- die Teamleitungen die Tagesabläufe gut strukturieren die Büro-Tage auch schon mal aus. Wir versuchen tierenden Personalbedarf am besten koordinieren. Ich zusehen, um gute Lösungen zu finden. Wir haben und die Pflege gut läuft. Mir ist es als Pflegedienst- dann gemeinsam, Aufgaben zu reduzieren oder ich hab durch die zentrale Planung einen besseren Über- bei zwei Pflegedienstleitungen nachgefragt, wel- leitung auch wichtig, den Überblick über alles zu übernehme z. B. die Pflegevisiten.“ blick, kann auch kurzfristig reagieren und Personal dort Oliver Lompa, che Aufgaben- und Kompetenzklärung sie mit den behalten. Ich möchte natürlich auch, dass die Team- Ralf Hegger: „Die Teamleitungen haben im Moment einsetzen, wo es am Nötigsten gebraucht wird. Die Ralf Hegger, Pflegedienstleitung im Wohnbereichsleitungen umsetzen. leitungen nicht mit jedem Problem zu mir kommen. einen Tag pro Monat für Tätigkeiten auf Teamlei- zentrale Dienstplangestaltung gibt mir auch die Mög- Pflegedienstleitung Matthias-Claudius- Ich versuche ganz langsam, unsere Teamleitungen tungsebene und einen Tag pro Woche für Tätigkeiten lichkeit, langfristig die Ressourcen dort hinzugeben, im zum Rauhen Haus Heim, Alten- und Pfle- Interview an mehr Führungsaufgaben heranzuführen.“ im Bereich der Organisation. An diesem Tag finden wo neue Aufgaben geplant werden.“ gehörenden Alten- und geheim der Diakonie- meist die Arzt-Visiten statt, oder es werden die Me- Pflegeheim Haus Wein- stiftung Alt-Hamburg Wie weit reichen die Befugnisse der Wohn- Gibt es für die Aufgaben der Wohnbereichs- dikamente für die Bewohner gestellt. Wir denken Was wünschen Sie sich von Ihren Wohnbe- berg mit 70 Plätzen mit 200 Plätzen bereichsleitungen in Ihrem Haus? leitungen Zeitressourcen? darüber nach, sogenannte „Beauftragten-Stunden“ reichsleitungen? Oliver Lompa: „Die Wohnbereichsleitungen haben Oliver Lompa: „In den großen Wohnbereichen ab einzuführen, die mit spezifischen Aufgaben gefüllt Oliver Lompa: „Ich wünsche mir von meinen Wohn- bei uns weitreichende Kompetenzen und einen großen 44 Bewohner haben die Leitungen zwei Büro-Tage werden. Wir wollen die spezifischen Kompetenzen bereichsleitungen, dass sie noch bewusster in eine Entscheidungsspielraum. Diese Regelung ist in einem in der Woche, in den kleineren jeweils einen. Die und Interessen unserer Teamleitungen nutzen. Wenn Vorbildfunktion gegenüber ihren Mitarbeitenden ge- großen Haus auch sinnvoll und hat sich bewährt. Es Wohnbereichsleitungen brauchen diese Zeitressour- eine Teamleitung z. B. Aufgaben im Bereich der Qua- hen z. B. bei der Pausenregelung oder der Dienstklei- ist nicht realistisch, als Pflegedienstleitung alle Füh- cen, auch weil die Aufgaben immer umfangreicher litätssicherung auch für andere Teams übernimmt, dung. Oft fehlt die notwendige Distanz zu den Mitar- rungsaufgaben alleine zu bewältigen. Die Wohnbe- werden. Zu den internen Anforderungen kommen soll es dafür Zeitressourcen geben.“ beitenden, die Wohnbereichsleitungen sind dann zu reichsleitungen sind mir eine große Unterstützung. zunehmend Erwartungen von Behörden oder dem viel Kumpel. Das birgt die Gefahr, dass sie sich bei Nur die Wohnbereichsleitungen haben die Nähe zu Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen. Wie halten Sie es mit der Dienstplangestaltung? den Mitarbeitenden schwerer durchsetzen können.“ den Mitarbeitenden, sie können die Teams am besten Die Wohnbereichsleitungen müssen z. B. für die Oliver Lompa: „Die Dienstplanung obliegt der Wohn- Ralf Hegger: „Ich würde mich ebenfalls freuen, beurteilen und brauchen für ihr Handeln Freiräume, Bewohner Fachärzte kontaktieren oder gemeinsam bereichsleitung. Meine Aufgabe als Pflegedienstleitung wenn meine Teamleitungen noch mehr Verantwor- um etwas bewegen zu können. Auf der anderen Seite mit mir als Pflegedienstleitung Widersprüche an die ist es, den Dienstplan nach Prüfung letztlich freizuge- tung übernehmen und auch Entscheidungen mutiger erwarte ich, dass die Wohnbereichsleitungen für ihre Kranken- oder Pflegekasse formulieren. Alle Wohn- ben. Der Einsatz von Zeitarbeit wird wöchentlich mit treffen würden. Viele Lösungen könnten gemeinsam Entscheidungen geradestehen.“ bereichsleitungen haben eine Leitungsfunktion und mir abgestimmt. Der Dienstplan ist ein wichtiges Inst- bei Wohnbereichsbesprechungen entwickelt wer- Ralf Hegger: „Bei uns laufen alle Entscheidungen bekommen eine Gehaltsstufe mehr. Durch die Be- rument der Wohnbereichsleitung, mit dem die Motiva- den. Ein gutes Beispiel ist der konkrete Umgang mit über die Pflegedienstleitung. Nicht alle Teamleitun- reitstellung der Ressourcen wollen wir die Funktion tion und die Identifizierung im Team gesteigert werden. Fragen von Angehörigen.“ gen – so heißt die Funktion bei uns – haben aus- der Wohnbereichsleitung attraktiver machen. Gelingt Zentral gesteuerte Dienstpläne könnten auch kurzfristig 16 17
Zwischen allen Stühlen Zwischen allen Stühlen 2.4 Wer schreibt den Dienstplan? xes, sensibles Geflecht. Ich muss mir als Wohnbe- abzubauen. Wie es ohne Zeitarbeit gehen soll, weiß reichsleitung gut überlegen, wer mit wem gut in die ich auch noch nicht. Es gibt die Idee, wieder „geteilte Über 80 Prozent der Wohnbereichsleitungen, die an Überblick, wann in welchen Wohnbereichen Lücken Schicht passt, um die Arbeitszeit effektiv auszunutzen. Dienste“ einzuführen, um die Arbeitsspitzen personell dem Projekt „fit for care“ teilgenommen haben, schrei- entstehen, wie viele Mitarbeitende gleichzeitig im Ur- Wer hat die Auszubildenden im Blick, wer ist eher lang- besser abzusichern. Konkret bedeutet das: Morgens ben eigenständig den Dienstplan für ihren Wohnbe- laub oder auf Fortbildung sind. Bei kurzfristigem Per- sam und braucht jemand zur Strukturierung? Welche vier Stunden zu arbeiten, dann vier Stunden Pause zu reich und legen ihn der Pflegedienstleitung nur zur sonalausfall kann auf einen größeren Pool von Mit- Zusatzaufgaben fallen in der Schicht an und sind die- machen und am Abend wieder vier Stunden zu kom- Kontrolle vor. „Ich würde mir den Dienstplan niemals arbeitenden zurückgegriffen werden, um den Ausfall se von den eingeteilten Mitarbeitenden zu bewältigen? men. Ich kenne kaum Kolleginnen, die so arbeiten wol- aus der Hand nehmen lassen, denn damit kann ich zu kompensieren. Der Dienstplan wird dadurch ver- Jede Mitarbeiterin hat bei uns eine spezielle Aufgabe len! Alternativ gibt es auch die Diskussion, Schichten meine Leute bei der Stange halten …“, sagen viele lässlicher. Die Kollegen müssen weniger spontan in wie z. B. die Ablage wegzuheften oder die Dokumen- einzuführen, die über zehn Stunden gehen. Viele Mit- Wohnbereichsleitungen. In der Praxis ist der Dienst- eine Schicht gehen. Es wird auch einfacher, die Büro- tation in die EDV einzugeben. Diese Aufgaben muss arbeitenden haben nach diesem Modell in zehn Tagen Simona Freyberg, plan angesichts des knappen Personals oft eine He- Tage der Wohnbereichsleitungen festzulegen. Ich bin ich bei der Dienstplangestaltung im Blick haben. Die ihre monatliche Arbeitszeit erfüllt und am Stück mehr Wohnbereichsleitung rausforderung: Die Ruhe und die Konzentration zum überzeugt, dass die Akzeptanz für die Büro-Tage un- Pflegedienstleitung kann diese Übersicht nicht bis ins Freizeit. Ich bin gegen solche Vorschläge. Die Belas- im Seniorenhaus Schreiben des Dienstplanes sind im Alltag schwer zu ter den Mitarbeitenden steigt, wenn diese von einem kleinste Detail haben. Bei einer zentralen Dienstplange- tung und körperliche Anstrengung ist viel zu hoch. Ich Matthäus, Diakonie- finden. Wohnbereichsleitungen müssen für die Er- Vorgesetzten vorgegeben sind. Ein Gesamtdienst- staltung hätte ich die Sorge, dass Personal aus einem möchte den Dienstplan unter meiner Verantwortung stiftung Alt-Hamburg arbeitung des Dienstplans manchmal Überstunden plan kann jedoch die Wünsche der Mitarbeitenden anderen Wohnbereich abgezogen wird, ohne genauer behalten. So kann ich mich am besten für meine Leute nehmen und nicht selten wird er zu Hause erstellt. weniger berücksichtigen. Ein im Wohnbereich erstell- hinzuschauen. Das größte Problem ist, dass wir nicht und meinen Wohnbereich einsetzen.“ Wie wichtig ist dieses Instrument in den Händen der ter Dienstplan geht mehr auf individuelle Bedürfnisse ausreichend Personal auf dem Arbeitsmarkt finden und Wohnbereichsleitung und kann es auch Gründe ge- ein. Das erhöht die Bereitschaft der Mitarbeitenden, dass es zu wenig Fachkräfte gibt. Die Personalplanung Fazit: Die Personaleinsatzplanung ist ben, diese Aufgabe abzugeben? Zwei Wohnbereichs- im Notfall einzuspringen.“ allein auf der Grundlage der Pflegestufen funktioniert eine strategische Managementaufga- leitungen erläutern ihre Sichtweisen: in unserem Wohnbereich nicht. Unsere Bauweise ist be. Die Sicherstellung von ausreichen- Wenn eine Einrichtung auf einen Gesamtdienstplan nicht besonders zweckmäßig, und es sind nur weni- dem und entsprechend den Vorgaben „Gute Gründe für den Gesamtdienstplan“ umstellt, dann sollte dies deshalb vorher gut erläutert ge Plätze vorhanden. Hinzu kommt, dass immer mehr qualifiziertem Personal in jeder Schicht ist und begründet werden. Die Vorteile der Planungssi- Bewohner mit Pflegestufe eins aus dem Krankenhaus eine große Verantwortung. Angesichts zu- André Burghardt, André Burghardt: „Ich bin als Wohnbereichslei- cherheit und Verlässlichkeit des Dienstplanes müs- kommen, ohne dass dort eine Höherstufung beantragt nehmender Personalknappheit können ver- Wohnbereichsleitung tung für den Dienstplan zuständig. In der Praxis sto- sen überzeugend herausgearbeitet werden. Auf den wurde. Die Pflege dieser Bewohner ist wesentlich auf- lässliche Dienstpläne eher mit einem größeren im Matthias-Claudius- ße ich aber oft an Grenzen. Aus meiner Sicht gibt es ersten Blick stößt eine zentrale Dienstplanerstellung wendiger, als es in Stufe eins hinterlegt ist. Das bindet Personalpool, in Form eines Gesamtdienst- Heim, Diakonie- gute Gründe für die Erstellung eines Gesamtdienst- nicht auf das Interesse der Mitarbeitenden. Fachkräfte. Mit dieser Belastung muss man bei der plans gestaltet werden. Aber es gibt oft mehr als stiftung Alt-Hamburg plans, der zentral und für alle Stationen erarbeitet Planung der Schichtbesetzung gut umgehen. Ich las- „eine Wahrheit“. Die Erfahrungen zeigen, dass wird. So ein Gesamtdienstplan ist für die Gestaltung „Die Pflegedienstleitung kann nicht alle se meine Mitarbeiter ungern länger arbeiten. Wenn der eine Dienstplangestaltung, die die Wünsche und der Arbeitsabläufe sinnvoller als einzelne Dienstplä- Details für den Dienstplan kennen“ Krankenstand steigt, ist niemandem geholfen. Ich rufe Interessen der Mitarbeitenden sehr ernst nimmt, für ne in den Wohnbereichen. Das Personal kann so fle- bei Mehrarbeit lieber Zeitarbeitsfirmen an. Die Behör- die Motivation eine große Bedeutung hat. Ein Mittel- xibler eingesetzt werden, und es entsteht ein guter Simona Freyberg: „Der Dienstplan ist ein komple- de verlangt von den Einrichtungen, die Zeitarbeit stark weg ist sicher hilfreich. 18 19
Zwischen allen Stühlen Zwischen allen Stühlen e Pla- 2.5 Ressourcen für die Jasmin Kunstmann, Elzbieta Jedruszek- r e alistisch Für e in e ätigkeit Wohnbereichsleitung Wohnbereichsleitung Sub, Wohnbereichs- g d e r L eitungst im Seniorenzentrum leitung im Bodemann- nun nte d ie Z e it kontinge In der Konsequenz bedeutet die fehlende Refinanzie- Bugenhagenhaus der Heim, Diakoniestiftung müssen e- b e i d e r Personalb rung der Leitungstätigkeit, dass Wohnbereichsleitun- Gemeinnützige Ev.-Luth. Alt-Hamburg: auch nung - u n d E insatzpla gen meist als volle Pflegekräfte im Dienstplan einge- Bugenhagenhaus GmbH „Bei der Neubauplanung darfs eduzie- teilt sind. Vereinbarungen darüber, wie viel Stunden „Es gibt eine klare Ver- wurde auf Wunsch von B . d u rc h eine R z. beitszeit sich eine Wohnbereichsleitung den Leitungsaufga- einbarung zur Freistel- mir und der Pflege- n g d e r Netto-Ar r u en. ben widmen und sich aus der Pflege „zurückziehen“ lung für Leitungsaufga- dienstleitung ein groß- ü c k s ic h tigt werd ber darf, sind oft nicht verbindlich und verlässlich. ben. Aber die Pflege am Bewohner geht immer vor. zügiger Raum für die Wohnbereichsleitung be- Wenn viel zu tun ist oder Kollegen krank sind, dann rücksichtigt. Ich weiß gar nicht, wie ich ungestörte kann ich meine Planung für die Leitungsaufgaben Gespräche und meine Leitungsaufgaben ohne die- vergessen und gehe in die Pflege. Das kommt ziem- sen Raum gestalten sollte. Den müsste eigentlich lich oft vor.“ jede Wohnbereichsleitung haben.“ Simona Freyberg, Projekt-Teilnehmende über ihren Büro-Tag Wohnbereichsleitung im Seniorenhaus Ines Fuhrmann, Dirk Rumkowski, Matthäus, Diakonie- Teamleitung im Alten- Wohnbereichsleitung im stiftung Alt-Hamburg Die S ollarb und Pflegeheim Haus Bodemann-Heim der „Was ich an meinen Leit- Wohn eitsz berei eit de Weinberg, Das Rauhe Diakoniestiftung Alt- ungstagen mache, will ich bei d c h sleitu r er Di ng so Haus Hamburg: nicht langfristig ankün- tung enstp llte nur u lange „Wir haben jetzt end- „Ich vermerke im Dienst- digen müssen oder im nter s t a l- sicht Berü lich umgesetzt, dass ich plan den Leitungstag mit Dienstplan genau bezeichnen. Ich brauche einfach igung ck- für d der Z auch ein eigenes Büro der konkreten Leitungs- ausgewiesene Leitungstage, die ich dann je nach ie Le eiten itung habe. Ich musste erst aufgabe, die dann an- Bedarf nutzen kann. Da braucht keiner Sorgen zu berec stätig hnet keit lernen, die Tür geschlossen zu halten, um ungestört steht z. B. ‘MA-Tag‘ für Mitarbeitergespräche oder haben, dass ich mich langweile.“ werd en. arbeiten zu können und nicht immer ein ‚Haus der ‚PP-Tag‘ für Kontrolle der Pflegeplanung. Insgesamt offenen Tür‘ zu sein. Mittlerweile haben die Mitarbei- steigt damit die Akzeptanz für diesen Tag auch unter tenden das gut akzeptiert.“ den Mitarbeitenden und die Schwelle, ihn einfach zu kippen, wird höher.“ 20 21
Zwischen allen Stühlen 2.6 Leitung in der ambulanten Pflege übernehmen gesetzten Pflegekräften, ist Hauptansprechpartnerin den Diakoniestationen St. Pauli und für alle Fragen des Kunden, dessen Angehörige etc. Bergedorf eine neue Struktur festge- Die bisherigen Beispiele beschäftigten sich mit der Situation von Leitungskräften in der sta- Alle relevanten Veränderungen bei den Pflegekun- legt. Damit haben diese Gespräche tionären Pflege. Die Erfahrungen im Projekt „fit for care“ haben gezeigt, dass Leitungskräfte den werden von ihr schriftlich an die Einsatzleitung an Transparenz und Verbindlichkeit in der ambulanten Pflege es auf den ersten Blick „leichter“ haben, in die Leitungsrolle zu weitergegeben. Damit auch keine Information z. B. sehr gewonnen.“ gehen, da sie nur selten direkt in der Pflege mitarbeiten. Aber auf den zweiten Blick wird über wesentliche Zustandsveränderungen der Kun- deutlich, dass auch in der ambulanten Pflege die Funktion und Rolle der Leitungskraft oft den, zusätzliche Leistungen oder notwendige Ver- Was hat Ihr Leitungsteam unklar ist. Was das bedeutet, und wie ein Umgang damit aussehen kann, haben wir Christina tragsanpassungen verloren gehen, haben wir ein zu den Veränderungen ge- Pöring gefragt. Sie resümiert die ersten 100 Tage als Pflegedienstleitung in der ambulanten neues Dokumentationssystem entwickelt. Das spart sagt? Christina Pöring Pflege bei der Diakonie Ottensen gGmbH. viel zeitaufwendiges Gerede und Gewusel. Dass Be- Christina Pöring: „Als ich hier Pflegedienstleitung zugspflegekräfte auch die Verantwortung für andere anfing, führte der Ausfall einer der Diakonie Ottensen Interview Mitarbeitende bekamen, war schon eine große Ver- Kollegin im Leitungsteam zu gGmbH änderung.“ Chaos. Damit wir uns auch „Ich war erst einmal für alles zuständig“ aufgaben wahrnehmen zu können, zuerst Raum da- jederzeit vertreten können, für schaffen muss. Dazu mussten die Mitarbeiten- Mit welchen Führungsaufgaben haben Sie müssen wir genau wissen, Was waren Ihre ersten Eindrücke von der den mehr einbezogen und die Verantwortung verteilt den gewonnenen Freiraum gefüllt? wer welche Aufgaben auf neuen Aufgabe? werden. In der Anfangszeit war ich oft verzweifelt. Christina Pöring: „Da lief zunächst vieles gleich- welche Weise ausführt. Christina Pöring: „Ich fühlte mich wie in einem Ich habe manchmal den Wald vor lauter Bäumen zeitig. Ich habe alle Stellenbeschreibungen über- Wir haben auf meine Hamsterrad. Ich war für alles zuständig. Ich saß mit nicht gesehen. arbeitet und wichtige Regelungen in Form von Initiative hin alle Pro- den Einsatzleitungen in einem Raum, und es herrsch- Rahmendienstanweisungen verfasst. Es war mir zessabläufe in der Ein- te große Unruhe und großes Durcheinander. Ständig Ich hatte das große Glück am Projekt „fit for care“ besonders wichtig, die Erwartungen an die Mitarbei- richtung neu definiert klingelte das Telefon: Angehörige hatten Nachfra- teilzunehmen. Das Coaching und vor allem die Un- tenden deutlich zu formulieren und mehr Verbind- und klare Arbeits- gen, Mitarbeitende meldeten sich krank, Ärzte woll- terstützung durch die kollegiale Beratung haben mir lichkeit herzustellen. platzbeschreibungen ten eine Medikation klären. Mitarbeitende stürmten oft geholfen, den nächsten Schritt gehen zu kön- vorgenommen. Das herein, erzählten wild drauflos. Es gab die Erwar- nen.“ Ich hab viel Energie in die Durchführung von Mitar- war für uns alle an- tungshaltung, dass ich ‚wie eine Mutter‘ für alle The- beitervisiten gelegt, habe versucht mit jedem einmal strengend, und es men ansprechbar sein und alles regeln würde. Das Wie haben Sie die Verantwortung auf mehre- die Tour mitzufahren. Bewährt hat sich, gleich im gab auch Ängste Hauptproblem war, dass die Verantwortlichkeiten re Schultern verteilt? Anschluss an die Mitarbeitervisite das Mitarbeiter- und Widerstän- und Zuständigkeiten im Leitungsteam nicht wirklich Christina Pöring: „Eine zentrale Maßnahme war jahresgespräch durchzuführen. So kann ich zeitnah de, die ich sehr geklärt waren. Ich hatte gerade die Leitungsqualifi- die Einführung der Bezugspflegefachkraft. Diese positive und kritische Rückmeldungen geben und ernst genom- kation abgeschlossen und ganz viele Ideen im Kopf. Fachkraft verantwortet eine oder auch mehrere fes- gleich mit Maßnahmen verknüpfen. Für die Mitar- men habe. Mir war schnell klar, dass ich, um wirklich Leitungs- te Touren. Sie hält Kontakt zu den in der Tour ein- beiterjahresgespräche haben wir im Verbund mit 22 23
Zwischen allen Stühlen Damit wir in diesem Prozess als Leitungsteam gute Uns fiel eine Einsatzleitung aus und wir gingen wirk- sie durch strukturierte Gespräche und gezielte För- Unterstützung bekommen, hab ich einen Coach lich ‚am Stock‘. Wir haben als Leitungsteam eine derung auszudrücken. Bei vielen Mitarbeitenden und Supervisor dazu geholt. Wir haben gemeinsam Überlastungsanzeige geschrieben, weil es nicht mehr kommt das gut an.“ herausgearbeitet, welche unterschiedlichen Muster ging. Ich hatte klare Forderungen nach einer zusätz- und Vorstellungen von Führung in unseren Köpfen lichen Stelle für eine stellvertretende Einsatzleitung, Fazit: Strukturiertes Vorgehen, die Anwendung sind. Das war spannend und wichtig. Jetzt können nach Coaching und nach einer Interimslösung für das von Managementwissen, eine klare Aufgaben- und wir uns besser verstehen und respektieren. Der Qualitätsmanagement z. B. für die Pflegevisiten. Kompetenzklärung sowie ausreichende zeitliche und Coach kommt viermal im Jahr. Das hilft sehr. Mein räumliche Ressourcen helfen bei der Ausgestaltung Leitungsteam unterstützt mich und jeder profitiert Wir sind eine relativ kleine Einrichtung, aber Teil ei- der Leitungsfunktion in ambulanten und stationären von den klareren Strukturen.“ nes größeren Trägerverbundes. Ich bin gut vorberei- Einrichtungen. Die Dinge professionell anzugehen tet bis zum Vorstand gegangen und konnte unsere und als Leitungskraft selbst eine klare Vorstellung Wie wurden Sie von Ihren Vorge- Forderungen durchsetzen. Dieser Erfolg war wichtig. von den notwendigen Rahmenbedingungen zu ha- setzten unterstützt? Ich wurde von meinen Vorgesetzten ernst genommen ben, kann auch gegenüber den Vorgesetzten die ei- Christina Pöring: „Ich muss- und konnte auch meinen Mitarbeitenden zeigen, dass gene Position stärken. In der Leitungsfunktion alle te zu Beginn ganz schön ich etwas bewegen und verändern kann.“ Mitarbeitenden mitzunehmen, ist dabei gar nicht so kämpfen – aber es hat einfach und setzt Rollenklarheit voraus. Wie viel- sich gelohnt. Wie reagieren die Mitarbeitenden auf die schichtig die Auseinandersetzung mit der Leitungs- Veränderungen? was ich nicht zuständig bin. Ich duze mich auch rolle ist, vertieft das nächste Kapitel. Christina Pöring: „Sehr unterschiedlich. Es gibt nicht mit meinen Mitarbeitenden. Neue Mitarbeiten- durchaus Unsicherheiten und Ängste. Wenn man de kommen meist gut klar und schätzen auch meine lieber eine ‚mütterliche‘ Pflegedienstleitung haben professionelle Art. Mitarbeitende, die eher eine an- möchte, die für alle und alles jederzeit offen und dere Kultur gewohnt sind, sich auch gerne mal aus ansprechbar ist, dann ist man vielleicht von mir der Verantwortung rausziehen, haben Probleme mit enttäuscht. Ich sitze nicht mehr mitten im meinen Anforderungen und auch mit meinem Füh- Geschehen, sondern habe einen sepa- rungsverständnis. raten Raum, um ungestört arbeiten zu können. Man muss bei mir Ich frag mich manchmal, ob ein Mann mit dieser Art anklopfen und durch die zu führen leichter akzeptiert würde. Wahrscheinlich transparenten Verant- wäre das so. wortlichkeiten ist auch klar, für Für mich hat Wertschätzung gegenüber den Mit- arbeitenden eine große Bedeutung. Ich versuche, 24 25
Bin ich als Leitung Gleiche unter Gleichen? 3.1 Die liebevolle Branche … Eine gute Atmosphäre und ein gutes Miteinander Einsatzleitung bzw. Wohnbereichsleitung werden zwischen allen Beteiligten sind in der Altenpflege oft vernachlässigt. Zeitnot und Personalmangel er- wichtig. Der Pflegeberuf hat in seinem Selbstver- schweren es, unterschiedliche Rollen voneinander ständnis viele, durchaus widersprüchliche Etappen zu trennen. Wenn es darauf ankommt, muss jeder al- durchlaufen. Vom ursprünglichen Verständnis von les machen. Hierarchien und Rollen verwischen. Für Pflege als Liebesdienst und christlicher Nächsten- die Wohnbereichsleitungen besteht darin die größte liebe entwickelte sich der Pflegeberuf zu einer be- Herausforderung. Sie wechseln mehrmals täglich zahlten, professionellen Tätigkeit. Die Vergangenheit zwischen Pflege- und Leitungsaufgaben hin und her. prägt jedoch die Gegenwart weiterhin mit. Altenpfle- Eben noch waschen sie gemeinsam eine Bewohne- ge ist weiterhin eine frauendominierte Branche und rin, nun strukturieren sie als Wohnbereichsleitung die 3 den Angehörigen dieses Berufsfelds werden Harmo- Besprechung und klären die Urlaubsverteilung. niebedürftigkeit und Emotionalität zugeschrieben. Bin ich als Leitung Gleiche unter Die Pflege erfordert viel Beziehungs- und Emotions- Einige Menschen grenzen sich deutlich ab und kon- arbeit. Guter Kontakt ist auch fachlich gesehen un- zentrieren sich auf professionelle Standards. Sie le- Gleichen? Versuch einer Rollenklärung abdingbar. gen den Fokus auf wirtschaftlichen Erfolg und klare Strukturen. Andere nehmen die Mitarbeitenden in Diese Hintergründe tragen in der Altenpflege dazu den Fokus und betonen, dass Mitarbeiterzufrieden- bei, dass trotz aller Hierarchien und Professionali- heit entscheidend sei für gute Pflegearbeit. Ideal Viele Fallbeispiele aus der Leitungspraxis, die wir in den Beratungsgruppen im Projektver- sierung das Selbstverständnis dominiert, man sei wäre eine Balance zwischen diesen Polen: Ohne lauf von „fit for care“ bearbeitet haben, beschäftigten sich mit der Klärung der Rollen. Was Teil einer Gemeinschaft, in der alle an einem Strang Strukturen und Klarheit geht es ebenso wenig wie erwarten die anderen von mir, was ich selbst? Was unterscheidet mich in der Leitungsfunk- ziehen. ohne gute Zusammenarbeit und Motivation. Mehr tion von anderen Mitarbeitenden? Bin ich eher Kollegin mit ein paar Zusatzaufgaben oder Abgrenzung und Rollenklarheit muss außerdem geht es um mehr? Wie kann ich den Wechsel zwischen der Kollegin und der Leitungsperson Rollen- und Aufgabenklärung und die Frage, wer nicht heißen, dass sich der Kontakt zu den Mitar- so vollziehen, dass immer klar ist, in welcher Rolle ich gerade agiere? Um den Arbeitsalltag wem etwas zu sagen hat, scheinen in anderen Bran- beitenden verschlechtert und man allein in seiner zu meistern, um delegieren und strukturieren zu können, ist diese Reflexion wichtig. Wo chen besser geklärt zu sein. Im Mittelpunkt der Pfle- Leitungsposition dasteht. liegen Quellen für Unsicherheit? Gibt es in der Pflegebranche eine Kultur, die Rollenklar- getätigkeit steht die Beziehung zu den anvertrauten heit fördert oder erschwert? In diesem Kapitel wollen wir dieser Frage auf unterschiedliche Patienten, Bewohnern oder Kunden. Die Beziehun- Weise nachgehen. Es berichten u. a. Wohnbereichsleitungen darüber, wie es ihnen gelungen gen der Mitarbeitenden untereinander in den Hierar- ist, die Leitungsrolle besser anzunehmen und ob es dabei Unterschiede zwischen Männern chien, z. B. zwischen Geschäftsführung und Pflege- und Frauen gibt … dienstleitung oder zwischen Pflegedienstleitung und 26 27
Bin ich als Leitung Gleiche unter Gleichen? Bin ich als Leitung Gleiche unter Gleichen? 3.2 Selbstverständnis in der Leitungsposition Vorgesetzter! Auch wenn ich in der Schicht arbeite, die Bindung zu den Mitarbeitenden oder den Bewoh- denn dann bin ich Schichtleiter. Diese Haltung ist nern zu gefährden. Mein Anspruch an gute Pflege er- Wie ist das Selbstverständnis als Leitungskraft in der Pflege? Hat es sich durch die Teilnah- hilfreich im Kontakt mit den Mitarbeitenden.“ schwert mir aber manchmal die Abgrenzung und Priori- me an „fit for care“ verändert? Einige Stimmen dazu: sierung von Aufgaben.“ Evelyn Wartberg, Heidi Gittkowsky, aus zufriedenen Mitarbeitenden. Ich bekomme viel Wohnbereichsleitung im Andrea Schmidt, Wohnbereichsleitung Anerkennung von ihnen. Durch meine Teilnahme am Seniorenhaus Matthäus: Wohnbereichsleitung im Matthias-Claudius- Projekt „fit for care“ habe ich erkannt, dass ich eini- „Ich bin gerne Leitungs- im Matthias-Claudius- Heim: gen Mitarbeitenden auch zu viel abgenommen habe. kraft. Die Reflexionen Heim: „Ich sehe mich meinen Statt in den Konflikt zu gehen, habe ich es selbst im Projekt „fit for care“ „Ich bin Wohnbereichs- Kolleginnen gegenüber gemacht. Mir fällt es besonders schwer Grenzen zu haben das bestärkt. Ich leitung, weil es mir Spaß wie eine Mutter und ich setzen, weil ich selbst abgegrenzte Menschen erlebt trage mehr Verantwor- bringt, etwas für die Be- kämpfe für meine Kolle- habe, die kein Ohr mehr für die Menschen und ihre tung und habe dafür im wohner und Mitarbeiten- ginnen. Das ist mein An- Themen gehabt haben. So will ich nicht sein.“ Gegenzug andere Rechte und Freiheiten, wie z. B. den zu tun. Ich möchte satz als Wohnbereichsleitung, aber im Projekt „fit for mehr freie Wochenenden. Ich kommuniziere klare meine Ideen umsetzen und etwas für die Mitarbei- care“ habe ich gelernt, mehr loszulassen und mich André Burghardt, Grenzen und Rückmeldungen an die Mitarbeiten- tenden erreichen.“ abzugrenzen, ohne den Kontakt zu meinen Kolle- Wohnbereichsleitung den. Wichtig ist mir auch meine eigenen Fehler zu- ginnen zu verlieren. Heute sage ich manchmal: ‚Ich im Matthias-Claudius- zugeben und nichts zu vertuschen. Ich bin immer Fazit: Bei allen Unterschieden im Selbstverständ- schätze Dich als Kollegin, aber nun bitte müssen wir Heim: offen für Ideen und Vorschläge der Mitarbeitenden.“ nis: Es gibt hier kein Richtig und kein Falsch. Alle arbeiten.‘“ „Wenn ich Leitungsauf- Teilnehmenden berichten aber davon, dass es ihnen gaben wahrnehme, zie- Diana Herz, Wohnbe- geholfen hat, sich klar zu werden, welches Rollen- Veronika Wiechelt, he ich mich nach Mög- reichsleitung in der Au- verständnis sie haben. Dass die Auseinandersetzung Wohnbereichsleitung lichkeit um. Ich ziehe guste-Viktoria-Stiftung: mit dem Rollenverständnis nicht nur ein persönlicher im Ruckteschell-Heim die Dienstkleidung aus. „Ich habe einen hohen Prozess ist, sondern oft auch eine Klärung der In- der Stiftung Eilbeker Ich kann dadurch für mich und meine Mitarbeiten- Anspruch an mich und an teraktion mit anderen und besondere Unterstützung Gemeindehaus: den deutlich machen, in welcher Rolle ich bin. Das andere, professionell zu im Leitungsteam braucht, soll folgendes Beispiel aus „Als Wohnbereichslei- hilft allen Beteiligten sehr. Ich habe gelernt, sehr in- arbeiten. Der Anspruch der Bodelschwingh Ambulante Pflege gGmbH ver- tung setze ich mich für dividuell auf meine Mitarbeitenden einzugehen und an Qualität in der Pfle- deutlichen. meine Mitarbeitenden mich anzupassen. Ich weiß genau, bei welchem ge führt in der Praxis oft ein und fordere bessere Mitarbeiter ich wie sein kann, damit ich verstanden dazu, dass ich mehr in die direkte Pflege einsteige und Bedingungen. Es fällt mir manchmal schwer, mich werde. Unsicherheiten in der Leitungsrolle habe ich mir dann die Zeit für andere Leitungsaufgaben fehlt. Ich als Leitung abzugrenzen. Ich ziehe meine Motivation eigentlich nicht. Ich bin nie Kollege. Ich bin immer habe nicht die Sorge, durch meine Leitungsaufgaben 28 29
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