Roman Niewodniczanski: Winzer mit Visionen - Heimat und Wein - Van Volxem
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I n unserer Reihe, in der wir die Wiltinger Weingüter vorstellen, sind wir in dieser Ausgabe des Spil- tingen und der Region waren Wein- kenner aus der ganzen Welt zu Gast bei diesem besonderen Ereignis. nachvollziehbar, denn es bedeutet für ihn, dass sein Einsatz nicht in dem Maße begleitet wird, wie er es les zu Gast bei Roman Niewod- In diesem Artikel wollen wir je- für wünschenswert hält. All das niczanski und seinem Weingut Van doch auf Themen eingehen, die nicht zeigt: Ihm liegt etwas an seiner, an Volxem. unbedingt für die globale Wein-Welt unserer Heimatgemeinde. Gibt man bei Google den Suchbe- von Bedeutung sind, sondern auf sol- Er betrachtet seine Herkunft als griff „Roman Niewodniczanski che, die für die Menschen von Inter- Geschenk, das ihm vieles und vor al- Weingut Van Volxem“ ein, findet esse sind, die in dem Ort leben, in lem sein Projekt „Van Volxem“ er- man mehrere tausend Einträge. In dem das Weingut beheimatet ist. möglicht (hat). Sie ist ihm kein diversen Tageszeitungen, Magazi- Wir haben einen Mann erlebt, Grund zu Abgehobenheit. Sich elitär nen, Fachzeitschriften, im Fernse- der vor allem eins ausstrahlt: seine abzuschotten liegt nicht in seiner hen oder im Internet ist Roman Liebe zum Saarwein. Das Wissen Natur. Ganz im Gegenteil: Er sucht Niewodniczanski mit seinem Wein- um das große, weltweite Renomee den Kontakt, das Gespräch mit den gut Van Volxem sehr häufig präsent. der Saarweine gegen Ende des 19. Menschen, gleichgültig ob Wein- Mit dazu beigetragen hat natür- und zu Beginn des 20. Jahrhunderts bergsarbeiter oder Topunterneh- lich das kürzlich stattgefundene Er- ist für ihn Beweis dafür, dass sich mer. Kriterium dafür ist nicht öffnungswochenende der neuen sein ständig spürbares Engagement, Besitz, sondern einzig die Gesin- Weinmanufaktur, herrlich gelegen in den Wein und den Weinbau hier nung, ein gemeinsames Repertoir an der Weinlage „Zum Schlossberg“. wieder zu alter, freilich heutigen Werten und zwar demokratischen, Neben den Weinliebhabern aus Wil- Bedingungen angepasster Größe zu freiheitlichen, kultivierten. verhelfen, lohnt. Und die Freude, Teile dessen, was er in unserem Roman die ihm dieses Streben bereitet, ist Gespräch gesagt hat, werden im Niewodniczanski ständig spürbar. Natürlich geht es Dorf zu Diskussionen führen. Und ihm dabei auch um die Region, in das ist gut so. Winzer, der diese weltweit angesehenen Ein Treffen mit Roman zu verein- 51 Jahre, drei Kinder Weine wachsen. Und dabei insbe- baren, ist aufgrund der zahlreichen Lebensstationen: sondere um Wiltingen, der fraglos Termine, die er täglich wahrnehmen ▪ geboren in Bitburg, bedeutendsten Weinbaugemeinde muss, kein leichtes Unterfangen. Für aufgewachsen in Bitburg und an der Saar mit Lagen, die ihresglei- den Spilles war er jedoch gerne be- Polen, chen suchen. Wenn es ihn ärgerlich reit, einen Teil seiner knapp bemes- ▪ Abitur am Salvatorianer- schmerzt, dass Wiltingen in seinem senen Zeit zur Verfügung zu stellen. Kloster Steinfeld, Erscheinungsbild der weltweiten Be- Umso mehr schmeichelte uns ▪ Bundeswehr, deutung des hier wachsenden Weins seine Begrüßung in der Weinmanu- ▪ Studium der Wirtschaftsgeo- in keiner Weise gerecht wird, ist das faktur… grafie und Betriebswirt- schaftslehre in Krakau und Ich finde es ganz toll, was Ihr kommt und lese ihn jedes Mal. Ich Trier, macht. Ihr seid für die regionale hab viel gelernt über das Dorf und ▪ Beschäftigungen bei diversen Identität, für das Bewusstsein der finde Eure Arbeit großartig. Unternehmensberatungen, Bürger im Dorf und der Region ▪ seit 2000 Eigentümer des enorm wichtig. Ihr macht das eh- Roman kommt ohne Umschweife zu Weinguts Van Volxem renamtlich. Ich finde das klasse dem Thema, das ihn antreibt: Vorstand im „Meisterkreis“ und bin total begeistert. Ich träume davon, dass die Saar (https://www.meisterkreis- Ich fühle mich geehrt, dass Ihr Euch wieder die Anerkennung bekommt, deutschland.com), für mich interessiert und hoffe, dass die sie mal hatte. Wir sind hier in ei- Beirat Bitburger Holding Ihr weiterhin viel Erfolg mit dem ner der klassischen, stilprägenden Spilles habt. Ich freu mich, wenn er Weinbauregionen der Welt. Ich 33
Gemeinde zu- überzeugt bin, dass er uns wie ein nehmend ver- Turbo dient. Er führt zwar dazu, loren gegan- dass wir jetzt Starkregen, Trocken- gen ist. heit, Sonnenbrand und Hagel ha- ben, aber in der Summe der Fak- So kommen wir toren profitiert diese Region wie kei- zu der Frage: ne andere in Deutschland davon. Warum Wiltin- Wir erreichen eine hohe Reife und gen? sind weiterhin in der Lage, Weine Wiltingen hat mit nicht zu hohem Alkoholgehalt eine sehr rei- zu erzeugen. Als eine der kühlsten che Geschichte Weinbauregionen in Deutschland im Weinbau. werden wir auch künftig die leich- wünsche mir einfach für unsere Ar- Nicht nur über die Familie Egon testen Spitzenweine erzeugen. Kein beit, dass sie auch international die Müller. Der Ort ist die führende Weingut in Deutschland, kein VDP- Anerkennung bekommt, die sie Weinbaugemeinde, die im Herzen Mitglied erzeugt so leichte große schon hatte vor 120 Jahren. Man der Saar eine ganz zentrale Rolle für Gewächse wie wir. Das ist eine kann es gar nicht oft genug sagen: den Weinbau spielt, ein Weinbau, Kernkompetenz, und die werden In diesem Dorf wächst der teuerste der aktuell eine sehr hohe Wahrneh- wir weiter ausbauen. Das ist unsere Weißwein der Welt, und die Weine mung hat. Die Schweizerische Nische, in der wir arbeiten, hocharo- der Saar sind seit 150 Jahren auf den Weinzeitung, eine der renommier- matische, vor allem trockene Ries- Weinkarten der Welt und spielen testen der Welt, schreibt gerade in linge mit wenig Alkohol zu erzeu- eine zentrale Rolle. Und diese histo- einen zehnseitigen Bericht über Van gen. rische Relevanz und der Blick in die Volxem. Das zeigt, dass die Saar, Geschichte, ist genau das, was mich dass Wiltingen auch immer wieder Warum die Saar? antreibt. im Mittelpunkt der Wahrnehmung Ganz klares Kalkül, genau überlegt: Für mich ist Wiltingen eine der be- der Weinwelt steht. Ich bin einfach davon überzeugt, deutendsten Weinbaugemeinden dass das Potenzial zur Erzeugung der Welt. Weltweit gibt es einige Und warum gerade dieses Weingut? von Spitzenweinen, wie ich sie defi- hundert berühmte Dörfer, aber Wil- Erstens: Jede Krise bietet Chancen. niere, hier einfach herausragend ist. tingen hat doch schon eine Ausnah- Und der Strukturwandel, der ja au- mestellung. Und ich habe oft den genscheinlich im Dorf war in Sa- Wie kommt man überhaupt dazu, ein Eindruck, dass durch die sinkende chen Weinbau, hat mir die Chance Weingut zu kaufen? Anzahl der Winzer auch die beson- geboten, zu einem vernünftigen Indem man Unternehmertum vor- dere Rolle des Weinbaus von Wiltin- Preis Land zu erwerben. Zweitens gelebt bekommt, indem man Fleiß, gen leider im Bewusstsein der der Klimawandel, von dem ich Pflichterfüllung und Werte vermit- telt bekommt von früher Kindheit an, und indem man nach seiner Rolle in der Gesellschaft sucht, die in meiner Familie auch so definiert ist, dass man Verantwortung über- nehmen muss. Ich hab hier in Wil- tingen die Chance gesehen, meine eigene Biographie zu schreiben und etwas zu hinterlassen, das auch bleibend ist. 34 34 Foto: Heinz Kohl
Gab es am Anfang auch Interesse an an- macht Spaß. Nächste Woche kommt First Class der Lufthansa vertreten. deren Regionen in Deutschland, Europa eine Gruppe aus St. Petersburg, Unsere Weine findet man im Adlon oder der Welt? dann kommen Kunden aus Austra- in Berlin genauso wie in London im Selbstverständlich. Südafrika hab lien, und dann kommen die Franzo- Spitzenkaufhaus oder in den drei ich mir angeschaut, ich war in Chile, sen. Van Volxem ist in der First führenden Kaufhäusern von Tokio. ich hab lange Zeit über Italien nach- Class der beiden führend japani- Aber unser Anspruch ist nicht, dass gedacht, Toskana, dann dachte ich schen Airlines, und wir sind ab Ja- wir teuer und berühmt sind, das tut über Österreich, Wachau, nach. Ich nuar wieder in der Business- und dem Ego gut, sondern vor allem, wollte ab dem Jahr 1993 ein Wein- gut kaufen. Dann hab ich mich letztendlich für Van Volxem in Die Geschichte des Weinguts Wiltingen entschieden, weil ich Van Volxem der Überzeugung war, dass dieses Gut mit Abstand das größte Poten- zial in sich trägt. D as Weingut Van Volxem geht auf eine römi- sche Villenanlage zu- Was ist Dein Ehrgeiz, sind Deine An- rück, deren sprüche an Dich selbst? Fragmente noch heu- Als ich angefangen habe, wollte ich te auf dem Gelände mal der größte deutsche Winzer sichtbar sind. Die werden. Denke ich überhaupt nicht Weinberge des Guts – mehr dran! Interessiert mich gar bereits von den Rö- nicht mehr! Dafür bin ich inzwi- mern in den besten schen geerdet, zu bodenständig und Schieferlagen der Saar im 3. Jh. angelegt – zählen zu den ältesten zu alt geworden. Ich wünsche mir Steillagen überhaupt. Ab dem 11. Jh. von Mönchen wiederentdeckt heute, dass wir ein Betrieb sind, der und in Wert gesetzt, wurde das Gut ab dem 16. Jh. von dem Orden ein sehr hohes Maß an Relevanz hat. „Gesellschaft Jesu” bewirtschaftet und schließlich 1743 als Kloster- Ich möchte, dass wir für trockene weingut errichtet. und leichte, aromatische Weine ei- In Folge der Französischen Revolution wurde der Besitz säkulari- nes der bedeutendsten Weingüter siert und gelangte schließlich in das Eigentum des aus Brüssel immi- Deutschlands werden. Ich träume grierten Brauers Gustav van Volxem. Der visionäre Van Volxem davon, dass Van Volxem eine Marke erkannte das Potential der privilegierten Großen Lagen des Guts ist. Was ist ehrgeizig? Jeder von uns und entwickelte es in den Folgejahren zu einem der renommiertes- hat den Anspruch, dass er glücklich ten Weingüter im Kaiserreich. Mit dem Aufstieg des Moselweins – werden möchte. Und mich macht es und im Besonderen der Weine von der Saar – als weltweit begehrtes glücklich, in meinem Probenraum Luxusgut begann auch die Blütezeit von Van Volxem, dessen „Cres- zu sitzen. Ich erfahre Anerkennung zenzen” nun international auf zahlreiche Weinkarten gelangten. und Freude durch das Interesse an Nach vier Generationen in der Familie Van Volxem übernahm im unserer Arbeit und daran, dass Jahr 2000 Roman Niewodniczanski die Hofanlage, restaurierte sie Menschen auch von weit herkom- denkmalgerecht und erweiterte sie seitdem um zahlreiche Spitzenla- men und unsere Weine verkosten. gen. Heute werden auf einer Fläche von 85 ha jährlich bis ca. 450.000 Wir haben fast 10.000 Privatkunden, Flaschen Wein produziert, angestrebt sind 600.000, davon 95 % Ries- und wir haben alle führenden Wein- ling und 5 % Weißburgunder. händler Deutschlands. Wir haben Zurzeit arbeiten 30 Festangestellte und rund 80 Saisonarbeiter im inzwischen weit über zwanzig Ex- Weingut. portmärkte und haben uns interna- (Text z. T. von der Homepage des Gutes übernommen) tional einen Namen gemacht. Das 35
dass wir auch preiswert Menschen Wein ist Kultur. Rechtsradikale, steht. Wer mich kennt, weiß, dass mit unseren Weinen erfreuen kön- verblendete Menschen, die trinken wir alles andere als elitär abgehoben nen. Mein größtest Ziel ist, Men- keinen Wein. Hochwertige Weine sind. Das heißt nicht, dass wir kei- schen glücklich zu machen mit un- werden von Menschen genossen, nen elitären Anspruch haben. Wir seren Weinen. Und das kann man die Kultur haben, die gut essen, wollen die beste Qualität erzeugen. hier an der Saar noch einen Tick bes- die sich austauschen, die dialogbe- Sich zu denken, dass man kraft sei- ser, als in anderen Regionen, weil reit sind, die genießen wollen, die ner Herkunft, kraft dessen, was man wir hier ein tolles Zusammenspiel Konflikte gerne im Gespräch lösen geschenkt bekommen hat, einen hö- von Mineralität, Säure und Frucht wollen und nicht einfach nur Häu- heren Wert darstellt, ist absurd und haben. Von daher sind unsere Wei- ser anzünden und andere Leute peinlich und gruselig. Nein, ich freu ne einzigartig. Wir werden benei- umbringen und Straßen, Fassaden mich, wenn Frau oder Herr Meier det von vielen Kollegen aus ande- verschmieren. aus Kanzem oder Wiltingen bei uns ren Teilen Deutschlands und aus ein Glas Wein trinken. Ich hab es ge- Österreich. Wenn ich jetzt mitbe- nossen, dass bei unserer Eröffnung die Dörfer mit ihren Bürgern vertre- ten waren und gemerkt und gese- hen haben, dass wir hier keine eli- täre Kiste fahren. Wir haben be- wusst die Fenster im Turm so groß gewählt, dass man hier reinschauen kann, dass man mal abends den Zopfträger von da unten erkennt, wie er hier oben einen Vortrag hält. Das heißt aber nicht, dass wir kei- nen Anspruch haben. Wir haben ei- nen sehr hohen Anspruch. Aber wir bieten den Gästen ein offenes Haus und werden alles leisten, was wir leisten können. Wir machen Veran- staltungen, die auch mal 200 € kos- ten können. Qualität kostet nun mal Mit Kellermeister Dominik Völk im neuen Holzfasskeller Geld. Natürlich weiß ich, dass mei- ne Zielgruppe Herr Doktor, Frau komme, dass ein Kollege in Süd- Zur Glanzzeit des Saarweins um 1900 Professor und der Unternehmer aus afrika im Interview auf die Frage konnte sich der „normale“ Mensch diese Dortmund, Düsseldorf, Hannover, nach seinem Lieblingswein sagt Weine gar nicht leisten. Berlin, Hamburg und aus dem Aus- „Scharzhofberger“, dann denke Das stimmt. land ist. Aber wenn wir nicht auch ich, der sitzt 8.000 km von hier das Weingut der Wiltinger wären, entfernt und sagt uns etwas von Damals konnte von einer einzigen Ern- dann wäre das sehr schade. Aber einem Wiltinger Wingert, den er te vielleicht schon eine der Winzervillen das sind wir. am besten findet. Und dann gebaut werden. Die Arbeiter in den scheint da ja was dran zu sein. Wingerten arbeiteten für einen minima- Wenige Meter von hier entfernt stand Und das finde ich toll. Ich wün- len Lohn. Das ist ja nicht das, was Du vor 1700 Jahren eine römische Villa. sche mir, dass die Menschen hier anstrebst. Hat das eine Rolle bei der Auswahl des sich damit identifizieren, Spaß da- Das wäre unrealistisch. Das ent- Standorts gespielt. ran haben, in dieser Kulturland- spricht nicht meiner Person. Jeder Tatsächlich ja. Hier im Proberaum schaft zu leben. Winzer macht den Wein, für den er stehen Weingefäße aus Apulien aus 36
der Zeit zwischen dem vierten und siebten Jahrhundert vor Christus. 700 Jahre später war Wiltingen eine Gemeinde, in der damals schon Weinbau betrieben wurde. Die meisten der Weinberge, die wir heute bewirtschaften, sind nach- weislich römischen Ursprungs. Und mein Weingut Van Volxem, seine Keimzelle, ist nachweislich auf einer römischen Ruine erbaut worden. Ich finde die Vorstellung faszinierend, dass ich in einer Branche arbeite, die über 2000 Jahre Perspektive hatte, Mit u. a. Starköchin Lea Linster im neuen Probierraum und in der quasi kaum anders gear- beitet wird, als vor 60, 70 Generatio- nen. Das zeigt einem die Vergäng- lichkeit des eigenen Tuns, aber auch, dass man gut gearbeitet hat und Dinge hinterlässt, die einen Wert darstellen. An all das erinnern mich die wunderschönen apulischen Weingefäße; sie zeigen wiederum: Wein ist Kultur. Wiltingen könnte sich zu einem Ziel für gehobenen Weintourismus entwickeln; was ist dazu notwendig? Jetzt muss ich aufpassen, dass ich nicht schimpfe. Wir haben tagtäg- lich Gäste, auch aus aller Welt. Viele Gäste sprechen mich an auf Proble- Der neue Probierraum im „Turm“ me und fragen „Was ist denn da los bei Ihnen? Da sind ja mitten im Dorf ßer einiger Privatwohnungen mit Ich schlage vor, dass der neue Ge- Garagen gebaut worden. Das sieht guten Leistungen. meinderat sich andere Gemeinden ganz komisch aus. Wie konnte man Es ist eine massive, jahrzehntelange z. B. in der Wachau oder der Pfalz das genehmigen? Haben Sie denn Vernachlässigung auf höchstem Ni- ansieht, wie regionale Gastronomie keine Bausatzung?“ Ich finde zum veau. Es gab die falsche Beratung aussieht, Straußwirtschaften, Dorf- Beispiel, japanische Vorgärten gehö- bei der Dorferneuerung, falsche gestaltung… ren nach Japan. Dorfgestaltung, es gibt kaum Baum- Bewundernswert finde ich das Ver- Der öffentliche Raum ist total ver- kultur, wenig Grün im Dorf. Gab es einsleben in Wiltingen, wobei das nachlässigt, als Beispiele die Park- eine Denkmalpflegebehörde, die be- wiederum von vielen Einzelakteu- plätze in Ägypten und an der Kirche. raten hat? ren ausgeht. Dass es den Spilles gibt, Ich fühle mich in dem Dorf alleinge- Ich mag keine Zäune und Mauern und er von der Gemeinde finanziert lassen mit meiner Arbeit. ums Haus, ich freue mich, wenn die wird, finde ich super. Es gibt wenig Gastronomie, das Leute hier hochkommen und über Es fehlen im Dorf von außen, von Gästeangebot ist überschaubar, au- unser Gelände gehen. Auswärtigen sichtbare Akzente. 37
ein Weingut, in dem man die Weine kennen lernen, seinen Gästen die Region und das Weingut vorstellen kann. Wir führen Besu- cher auch durch den Betrieb. Der Wiltinger Bürger ist herzlich will- kommen. Gewiss profitieren die kleinen Betriebe von den großen Namen Egon Müller, Jauch, Van Volxem. Wie siehst Du die Zukunft dieser traditi- onellen und den jungen, aufstrebenden Betrieben? Meine feste Überzeu- gung ist, ein einziger Foto: Alexander Kohl Betrieb alleine kann Entschuldigung, jetzt habe ich ja und freundlich betreut. Der Bür- eine Region niemals nach vorne lange geschimpft. Ich finde es ein- germeister, der Verbandsbürger- bringen. Eine Region ist nur dann fach traurig. meister, die gesamten Verwaltun- erfolgreich, wenn Weinkultur vital Ich möchte mit meinen Bau hier mit- gen und Behörden haben uns von kleineren und großen Betrie- helfen, die Identität in dieser Region höchst fair behandelt. Und von da- ben gelebt wird. Wir befruchten als einer der führenden Weinbauregio- her kann ich mich nur bedanken. uns alle gegenseitig, wir ziehen un- nen Deutschlands zu gestalten und terschiedliche Zielgruppen an. Ver- den Mitbürgern helfen, dass sie stolz Wie sieht es mit Einkehrmöglichkeiten schiedene Preissegmente sind darauf sein können. Man sollte stolz hier in der neuen Weinmanufaktur wichtig. Ich bin nicht so rockig wie sein, dass hier einer der wertvollsten aus? die Weber-Jungs, die sind cool. Ich Weine der Welt wächst. Der Fahrradfahrer, der Wanderer, bin nicht cool, ich bin nicht so teuer der Wiltinger Bürger, der am Frei- wie Egon Müller, nicht so berühmt Abgesehen vom Erscheinungsbild, wie tagmittag ein Glas Wein mit Freun- wie Günter Jauch. Wir haben unse- würdest Du Dein Verhältnis zum Dorf den auf der Terrasse oder im Turm re eigene Kultur. Jeder bietet seinen beschreiben? bei Van Volxem trinken will, ist Kunden etwas anderes. Ich bin für Ich bin sehr gerne Bürger dieses Dor- auch herzlich eingeladen, uns zu den Weinbau hier sehr optimis- fes. Ich investiere hier sehr gerne und besuchen. Wir sind allerdings keine tisch. Das Umfeld muss allerdings fühl mich hier pudelwohl. Ich fühl Straußwirtschaft im klassischen auch stimmen. mich von der Gemeinde gut aufge- Sinne. Wir bieten noch, wahr- nommen. Auch bei diesem Bauvorha- scheinlich auch auf absehbare Zeit, Trinkst Du auch andere Weine als die ben. Wir wurden sehr, sehr gut auf- kein Essen an, weil wir nicht das eigenen? genommen. Das ist schön. Wir wur- Personal haben. Wir wollen die Ich trinke fast nur andere Weine, den von der Gemeinde, dem Bauaus- Gäste zuvorkommend betreuen, ich probiere meine eigenen Wei- schuss bei allen strittigen Fragen wir wollen auch den Wiltinger Bür- ne, aber ich trinke sie nicht per- professionell und zuvorkommend ger respektvoll bedienen. Wir sind manent. 38
lich und schön. Ich liebe meine Frau sehr. Das ist eine moderne Form von Patchwork-Familie. Ich weiß, das entspricht nicht den Le- bensvorstellungen mancher Wil- tinger. Wie wird der 2019er nach Deiner Meinung? Er wird aufgrund von viel Fleiß Foto: Otmar Biewen gut werden. Die Franzosen sagen: „La vigne aime le soleil mais en- Bleibt Dir noch Zeit für anderes, z. B. Deine Kinder besuchten den Kinder- core mieux l'ombre du maître.“ für ein Hobby? garten und die Grundschule in Wil- („Die Rebe liebt die Sonne, aber Ich bin so viel unterwegs. Ich stehe tingen, Deine Frau und Du seid gern noch mehr den Schatten ihres sonntags acht Stunden bei Garibaldi gesehene Gäste bei diversen örtlichen Herrn.“ = Ohne Fleiß kein Preis). in München, letzten Sonntag war Feiern. Mit einem Wort: Die Wiltin- Noch besser: Qualität kommt von ich den ganzen Tag in Kopenhagen, ger schätzen Deine Bodenständikeit. Qual. Wir haben uns sehr gequält, davor in Köln. (Geld zu verdienen Könntest Du Dir vorstellen, in der aufwändig sortiert. Vielleicht wird in der Branche ist unfassbar schwer. Ortspolitik, im Gemeinderat oder in er sogar noch besser als der Ich weiß, die Wiltinger denken einem Ausschuss mitzuwirken? 2018er. wahrscheinlich, dass wir Reichtü- Das schaffe ich zeitlich nicht. mer erwirtschaften, aber wir sind Würdest Du bitte folgende Sätze ver- froh, wenn wir die Rechnungen be- Wie wird das alte Anwesen gegenüber vollständigen: zahlt bekommen. Wer reich werden der Kirche künftig genutzt werden? Ich liebe den Saarwein, weil… er möchte, für den ist Weinbau die Das Haus ist weiterhin für Kun- die Herzen der Menschen erfüllt letzte Branche, in die er einsteigen den, die Freude an historischen und es kaum einen Wein auf der sollte. Es ist vielen nicht bewusst, Gebäuden und am historischem Welt gibt, der so viel Frische, Mi- wie anspruchsvoll Steillagenwein- Ambiente unseres wunderschönen neralität, Eleganz, Frucht und bau ist, risikoreich und wie teuer Proberaums haben, geöffnet. Die Trinkfreude mit so wenig Alkohol vor allem.) Jahrgangspräsentation wird wei- verbindet. Das ist einzigartig auf Meine Hobbys sind Sport und Es- terhin im alten Anwesen stattfin- der Welt. sen. Ich habe drei Fahrräder, die ha- den. Das Vertriebsbüro ist im alten Was im Leben zählt,… sind unsere ben eine dicke Staubschicht; ich Weingut. Ich wohne in dem Haus, Kinder und die Bewahrung einer komme nicht zum Sport. und ich liebe es, gegenüber der intakten Umwelt. Aber ich sage ganz ehrlich: Nachts sit- Kirche zu leben. ze ich bis ein, zwei Uhr am Rechner, Ein Schlusswort? um meine E-Mails zu beantworten. Möchtest Du uns noch etwas Privates Ich bin dankbar für alles, was mir Ich hab auch Kinder. Die seh ich erzählen? meine Vorfahren an materiellen, kaum. Und ich hab seit vielen Jah- Meine Frau lebt in Trier. Wir haben aber vor allem nicht-materiellen ren eine 7-Tage-Woche und nur et- uns vor zweieinhalb Jahren ge- Dingen hinterlassen haben. wa jeden vierten Sonntag frei. Ich trennt, glücklich getrennt. Wir er- habe kaum Urlaub und rase von ei- ziehen die Kinder gemeinsam. Das Das Interview führten am 16.10. nem Event zum nächsten, schau alles klappt super. Wir haben es Otmar Biewen, Heinz Kohl dass es auch hier oben bei uns gut besser, als jemals zuvor. Ich weiß und Detlef Stammberger. läuft. Ich mach es aber gerne, sonst nicht, wie eure Ehen so sind. Mei- Fotos: Wenn nicht anders angegeben, würde ich es nicht machen. ne war lebendig. Sie ist jetzt fried- © Van Volxem, R. Niewodniczanski 39
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