ROTTWEILER HEIMATBLÄTTER - Geschichts und ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
ROTTWEILER HEIMATBLÄTTER Herausgegeben von Winfried Hecht für den Druck: Druckzentrum Südwest GmbH Rottweiler Geschichts- und Altertumsverein e.V. Redaktion: Andreas Pfannes, Rottweil 82. Jahrgang 2021 Nr. 2 Seit 100 Jahren Rottweiler Heimatblätter von Winfried Hecht Am 15. Januar 1921 erschienen sie unter dem Titel „Heimatblätter“ mit dem Zusatz „für Unterhaltung und Belehrung“ zum ersten Mal als Beilage des „Schwarzwälder Volksfreund“ – die „Rottweiler Heimatblätter“, die 1928 erst- mals ihren heutigen Titel annahmen und im Rottweiler Jubiläumsjahr 2021 immerhin ihr Hundertjähriges begehen können. Dass sie 1921 sozusagen „das Licht der Welt erblickten“, war freilich nichts weniger als selbstverständlich. Die Zeit nach dem verlorenen 1. Weltkrieg war poli- tisch und wirtschaftlich ausgesprochen schwie- rig. Auch in Rottweil und seiner Umgebung hat- ten die Menschen gewöhnlich andere Interessen als alte Burgen oder barocke Kirchen. So sah der Kopf der Titelseite der Rottweiler Heimatblätter in der Zeit ihrer ersten Jahrgänge aus. Vorlage: Stadtarchiv Rottweil Die ersten 14 Jahrgänge Im Zeichen der Rottweiler 800-Jahrfeier mit eindeutig ins Stadtgeschichtliche gehendem Anfangs erschienen die „Heimatblätter“ trotz- Schwerpunkt. So machte er die Leser der Blätter dem mit bis zu 28 Nummern im Jahr (vgl. dazu Nach 1945 dauerte es immerhin bis in die Vor- mit der von ihm entdeckten Tatsache bekannt, W. Hecht. Aus 150 Jahren Vereinsgeschichte. In: bereitungszeit der Rottweiler 800-Jahrfeier, bis dass im Jahre 1268 der Dominikanerbischof Al- 150 Jahre Rottweiler Geschichts- und Alter- die „Rottweiler Heimatblätter“ im Herbst 1949 bert der Große in Rottweil weilte und einen Ab- tumsverein. Rottweil 1981 (zit.: Hecht, Vereins- wieder erscheinen konnten (vgl. Hecht, Vereins- lass zu Gunsten des Baus der Predigerkirche aus- geschichte) S. 13). Heimatgeschichtliches in be- geschichte S. 21 ff.). Redakteur Heinrich Stein gestellt hat. Der Tod von Dr. Bertsch Anfang achtlicher Qualität etwa aus der Feder von Pfar- kümmerte sich beim Schwarzwälder Volks- 1958 war dann auch nicht nur für die Rottweil- rer Anton Kampitsch oder Quelleneditionen freund um die bald wieder recht beliebte Zei- Forschung ein ganz schwerer Verlust, sondern von Archivar Dr. Eugen Mack deckten dabei je- tungsbeilage. führte auch dazu, dass die Heimatblätter ihr Er- weils eher einen kleineren Teil der auf vier Sei- Dr. August Steinhauser gab ihr damals das Mot- scheinen erneut bis 1964 einstellten. ten angelegten Ausgaben der „Heimatblätter“ to mit auf den Weg „Nur wer die Heimat kennt, An der Spitze des Rottweiler Geschichts- und Al- ab. Naturkunde, Humoristisches, Rätsel und vor kann sie auch lieben!“ Von daher erschien 1953 tertumsvereins erreichte Oberstudiendirektor allem Poesie erfreuten die Leser der „Heimat- in den Heimatblättern in Fortsetzungen auch die Franz Betz, der bis 1955 auch das AMG leitete, blätter“ mindestens ebenso stark. Es war die Erzählung „Cordula Müllerin“ von Monika Leist- das neuerliche Wiedererscheinen der „Rottwei- große Zeit des Anton vom Kocher, der noch André. Und sozusagen in der Tradition von An- ler Heimatblätter“. heute überzeugende Gedichte am laufenden ton vom Kocher veröffentlichte vor allem Egon Franz Betz nutzte die Heimatblätter vor allem, Band lieferte. Rieble von da an in den „Rottweiler Heimatblät- um sein reiches Wissen über die heimatliche Fotografische Abbildungen konnte die Leser- tern“ immer wieder einmal Lyrik von beachtli- Kunstgeschichte, ihre vielfach theologischen schaft erstmals 1934 in den „Rottweiler Heimat- cher Qualität. Hintergründe, aber beispielsweise auch zu Fra- blättern“ bewundern. Die liefen allerdings 1935 Natürlich wirkten sich die wieder erstandenen gen der Sprachgeschichte in brillant geschriebe- aus, als der „Schwarzwälder Volksfreund“ als „Rottweiler Heimatblätter“ auch recht positiv nen Beiträgen der interessierten Öffentlichkeit Organ des Zentrums von den Nazis genötigt auf das Erscheinungsbild des Rottweiler Ge- am obersten Neckar zu vermitteln. Das war in wurde, sein Erscheinen einzustellen. Der Rott- schichts- und Altertumsvereins aus. Von 1952 den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhun- weiler Geschichts- und Altertumsverein konnte bis 1956 hat Albert Mager die Heimatblätter derts alles andere als selbstverständlich. Wenn nur noch den Druck eines detaillierten Inhalts- herausgegeben. damals in zunehmend breiteren Kreisen Rott- verzeichnisses für die ersten 362 Nummern der In der Folgezeit gestaltete sie vor allem der weils etwa die Wertigkeit des Kapellenturms Blätter erreichen. Geistliche und Altphilologe Dr. August Bertsch oder von Holzbildwerken der Sammlung Dursch verstanden wurde, so erreichte Franz Betz dies nicht zuletzt über „seine“ Rottweiler Heimat- blätter. Neue „Weichenstellung“ ab 1973 1973 übernahm Dr. Winfried Hecht als neuer Vorstand des Rottweiler Geschichts- und Alter- tumsvereins die Verantwortung für die Heimat- blätter (vgl. Hecht, Vereinsgeschichte S. 28 ff.). Von diesem Zeitpunkt an erschienen die Blätter sechsmal im Jahr und jeweils am Anfang jeden zweiten Monats mit einigermaßen versachlich- ter Titelei. In einigen Jahren wurde ein Inhalts- Pfarrer Anton Kampitsch und Stadtarchivar Dr. Eugen Mack trugen mit ihren Beiträgen maßgeblich verzeichnis mit Personen-, Orts- und Sachregi- die frühen Jahrgänge der Rottweiler Heimatblätter. Fotos: GAV Rottweil ster als siebte Nummer herausgebracht.
Es gelang bis 1984, die „Schwäbische Zeitung“ te von Rottweil und seiner Umgebung zu Wort. nun schon für die Zeit seit 2006 an Andreas als Nachfolgerin des „Schwarzwälder Volks- Zu nennen sind ohne Anspruch auf Vollständig- Pfannes. freund“ davon zu überzeugen, dass die Rottwei- keit Otto Stochdorph, Willi Stähle, Dankwart Im Rahmen der baden-württembergischen Hei- ler Heimatblätter“ sinnvollerweise auch der Schmid, Hermann Huber, Werner Kessl, Karl mattage wurde im Rottweiler Stadtarchiv 2003 Rottweiler Ausgabe des „Schwarzwälder Boten“ Lambrecht, Wolfgang und Guntram Vater, Ulf eine Ausstellung über die „Rottweiler Heimat- beigelegt werden konnten – ein Zugeständnis, Wielandt, Wolfram Langbein, Ludwig Ohnge- blätter“ veranstaltet, bei der die innere Struktur das noch heute allen Respekt verdient. Auf alle mach, Edwin Ernst Weber, Gerald P. Mager, Hu- der Blätter, ihre Zielsetzung, Finanzierungs- und Fälle hatten die „Rottweiler Heimatblätter“ als go Siefert, Cornelia Votteler, Stefan King, Arved Gestaltungsfragen, aber auch ihre Problematik Zeitungsbeilage immerhin etwa 4000 Haushalte Sassnick oder Rudolf Strasser. beleuchtet wurden (vgl. W. Hecht, Rottweiler erreicht. Zu bedauern scheint allenfalls, dass der Bereich Heimatblätter. Eine Ausstellung aus Anlass der Beide Zeitungen kamen damals überein, die „Archäologie im römischen Rottweil“ seit dem Heimattage Baden-Württemberg 2003. Rott- technisch-redaktionelle Betreuung der Blätter plötzlichen Tod von Dr. Alfred Rüsch kaum weil 2003). Die Ausstellung stieß auf beachtliche künftig im Wechsel zu übernehmen, während mehr Berücksichtigung gefunden hat. Vielleicht Aufmerksamkeit bei vielen Rottweilern, Heimat- die Verantwortlichkeit für die inhaltliche Seite hätte man in den Heimatblättern außerdem bei freunden und Historikern. Martin Blümcke, der vollends an den vom Geschichtsverein bestimm- umstrittenen Fragen der Denkmalpflege noch Vorsitzende des Schwäbischen Heimatbundes, ten Verantwortlichen ging. Der Geschichtsver- mehr aufklären, noch entschiedener Stellung bezeichnete die „Rottweiler Heimatblätter“ aus ein erhielt gegen Bezahlung außerdem die Mög- beziehen können. diesem Anlass als „einmalig im Land“. lichkeit, von jeder Nummer der Blätter eine grö- Voraussetzung für die Veröffentlichung einge- Das Interesse für die Blätter hat seither nicht ßere Anzahl auf besseres Papier gedruckt zu be- sandter Artikel ist jeweils, dass sie wenigstens nachgelassen, im Gegenteil: Begrüßt wird inzwi- ziehen. Diese Regelung blieb bis heute in Kraft teilweise neue Erkenntnisse bieten und noch schen beispielsweise die deutlich verbesserte und ermöglicht es den Freunden der Heimatge- nicht anderswo veröffentlicht wurden. Ferner Qualität der nun auch meist in Farbe veröffent- schichte, die Rottweiler Heimatblätter in länger sollen sich Beiträge nicht mehr über mehrere lichten Abbildungen. Alles in allem seien die Hei- haltbarer Form zu beziehen und aufzubewahren. Nummern der Blätter fortsetzen. Eine gewisse matblätter – so stellte Bürgermeister Werner Seit dieser Zeit werden die Blätter auch von Orientierung auf den Jahreslauf wird ebenfalls Guhl in einem Schreiben vom 13. Juli 2013 an namhaften Bibliotheken und verschiedenen wis- angestrebt, beispielsweise mit Beiträgen zur Fas- den Verfasser fest – ein „unverzichtbares Rott- senschaftlichen Instituten sowie Tauschpartnern netsforschung jeweils für die erste Nummer im weiler Geschichtsbuch“ geworden. des Rottweiler Geschichtsvereins gesammelt. Jahr. Die Autoren arbeiten im Übrigen honorar- Ältere Jahrgänge der Blätter sind selbstver- frei, genauso bei den Abbildungen die Fotogra- Dank und unveränderte Zielsetzung ständlich für Interessenten auch jederzeit im fen wie Berthold Hildebrand, Uli Hezinger oder Stadtarchiv Rottweil einzusehen. Martina van Spankeren-Gandhi. Wenn die „Rottweiler Heimatblätter“ 2021 mit Dankbar ist der Geschichtsverein als Heraus- ihrem 82. Jahrgang 100 Jahre alt werden, dann Vielfache Unterstützung geber der Heimatblätter natürlich auch den muss dies Anlass sein, vielen zu danken, welche für die Heimatblätter technisch betreuenden Fachleuten in den Re- dies engagiert und verständnisvoll ermöglicht daktionen: Zu erinnern ist diesbezüglich an die haben, aber ebenso festzustellen, dass man auch Seit 1973 kommen in jedem Jahrgang der „Rott- einschlägige Unterstützung etwa durch Erwin im Rahmen der Heimatgeschichte sehr viel bes- weiler Heimatblätter“ etwa zehn Autoren mit Kiefer, Josef Schunder, Martin Schmitzer, Dag- ser verstehen kann, was die Zukunft entwickelt, den unterschiedlichsten Beiträgen zur Geschich- mar Kolata, Regina Roser, Elke Reichenbach und wenn man die Vergangenheit kennt. Die 800-Jahrfeier der Stadt Rottweil 1950 von Wolfgang Vater In der Zeit vom 2. bis 11. September 1950 fand stanz durchaus glaubhafte Übertragung des Kai- mit der 800-Jahrfeier ein gesellschaftliches, kul- serlichen Hofgerichts durch König Konrad III. turelles und sportliches Großereignis statt, wie 1146 und der Besuch Philipps von Schwaben es Rottweil in diesem Ausmaß noch nie erlebt 1197 machen eher eine Gründung durch die hatte. Nur noch wenige Zeitzeugen wissen darü- Staufer wahrscheinlich. ber zu berichten, zumeist in bruchstückhafter Derartige wissenschaftliche Überlegungen fan- Erinnerung. den in der damaligen Öffentlichkeit jedoch kein Dabei erfolgte die Fixierung auf das Gründungs- Echo: als „Zähringerstadt“ sah sich Rottweil gern datum von 1150 ziemlich willkürlich im Zusam- in einer Reihe mit Bern und Freiburg im Ücht- menhang mit der Aussage namhafter Historiker, land, Thun und Murten, die gesicherte Gründun- Rottweil sei eine „Zähringerstadt“. gen dieser Dynastie sind. Die Schweiz mit ihrer politischen und wirtschaftlichen Stabilität ge- Stadtgründung durch die Zähringer? noss in der damaligen Zeit ein hohes Maß an Sympathie bei ihren Nachbarn jenseits des Diese Theorie wurde erstmals von Hans Greiner Hochrheins. Unvergessen blieb in Rottweil die (1900) vertreten und später von Eugen Mack großzügige Unterstützung durch die Stadt aufgegriffen. In die gleiche Richtung wiesen die Brugg in Form der „Brugger Speisung“ in den Forschungen des Architekturhistorikers Karl ersten Jahren nach dem Krieg. Gruber (1937), der mit Bezug auf die schriftlich dokumentierte Gründung von Freiburg durch Planungsphase seit Frühjahr 1949 die Herzöge von Zähringen 1120 einen spezifi- schen Stadttypus dieses Adelsgeschlechts zu er- Am 7. April 1949 stellte Stadtrat Bruno Limber- kennen glaubte: ein mächtiges Straßenkreuz mit ger in der Sitzung des Verwaltungsausschusses einer Marktstraße, umsäumt von traufständigen den Antrag auf Veranstaltung eines Festes 1950, Häusern. Auch die durch spätere urkundliche was der Gemeinderat am 5. Mai mehrheitlich Belege ausgewiesene Zähringergründung Villin- beschloss. gen folgte diesem Vorbild, und so lag auf der Zu diesem Zweck wurde eine Kommission be- Hand, Rottweil gleichfalls in diesem Kontext zu Mit einer Festschrift und einer besonderen stellt mit Bürgermeister Arnulf Gutknecht, den sehen. Festkarte warb die Stadt Rottweil 1950 für ihre Stadträten Josef Bacher, Anton Dorn und Bruno Als wichtigster urkundlicher Hinweis wurde der 800-Jahr-Feier. Foto: Holger Spiegel Limberger sowie August Steinhauser als ausge- Landtag des Herzogs Berthold II. von Zähringen wiesenem Stadthistoriker. In der Folgezeit kon- herangezogen, der 1094 auf dem Rottweiler Kö- Oberstudiendirektor i. R. August Steinhauser stituierten sich weitere Fachausschüsse, dabei nigshof stattfand. Da spätere Nachrichten für schon 1949 seine Zweifel. Alle weiteren histori- ging es um das Festprogramm, Finanzen, Bahn- die Präsenz der Zähringer nicht vorliegen, hatte schen Dokumente, etwa die in ihrer Kernsub- verkehr und Werbung.
Den ursprüngliche Plan, den Vergnügungspark Festgottesdienste und Festakt Wegstrecke vom Schwarzen Tor über das Stra- mit Festzelt auf den Bockshof zu legen, verwarf ßenkreuz, Königstraße bis zur Altstadt und wie- die Stadtverwaltung alsbald, stattdessen ent- Besonders dicht mit Terminen besetzt war der zurück zum Festplatz „Großsche Wiese“. Die schied man sich für die „Großsche Wiese“, die Sonntag, 3. September. In Heilig Kreuz hielt Diö- rund 400 Mitwirkenden rekrutierten sich aus damals noch eine richtige Wiese war. Ein Wer- zesanbischof Carl Josef Leiprecht, den Rottwei- den Rottweiler Vereinen und Vereinigungen. beplakat und eine gleich gestaltete Postkarte lern als früherer Stadtpfarrer noch in guter Erin- Positive Resonanz bei den Zuschauern erhielt mit dem Kapellenturm als Wahrzeichen wurde nerung, ein Pontifikalamt. Bei dieser Gelegen- die hochwertige Kostümierung, die Gewänder bei Dekorateur Konrad Goltz in Auftrag gege- heit wurde die Pfarrkirche zum Münster erho- und Perücken wurden größtenteils vom ben. Die in verschiedenen Farben gestaltete ben. Weit weniger prunkvoll gestaltete sich der Kostümverleih F. S. Wolter in Stuttgart bereit Festplakette mit dem Motiv des Wappen halten- Festgottesdienst in der evangelischen Stadtkir- gestellt. den Engels vom Gewölbe der südlichen Vorhalle che mit Oberkirchenrat Sautter von Stuttgart. In 18 Einzelbildern entwickelte sich eine an- von Heilig Kreuz sollte wesentlich zur Finanzie- Bei seiner Predigt wies er auf ein stadtgeschicht- schauliche Abfolge der Stadtgeschichte, Fuß- rung der enormen Kosten dienen. Dieser Engel liches Ereignis hin, das die Katholiken damals lie- gruppen, Reiter und von Ochsen und Pferden mit dem Stadtwappen diente als werbeträchti- ber verschwiegen, nämlich die Vertreibung von gezogene Wagen folgten in bunter Reihe, unter- ges Logo: er war zu sehen auf dem Programm- mehr als 400 Reformierten im Jahr 1529 vor al- brochen von Musikkapellen, in blau-roten Uni- blatt der Festwoche, auf einem „Heimattuch“, lem nach Straßburg und in die Schweiz. Ihrer formen die Stadtkapelle mit Musikdirektor das in verschiedenen Farbausführungen erhält- Glaubenstreue und ihrem Bekennermut zollte Steinwandel („Tschelle“). Junge Herolde, darge- lich war, sowie auf einem geätzten Messing- Sautter höchsten Respekt. stellt von Hartwig Betz, Erwin Mengis und Wolf- Wandteller der Metallwarenfabrik Moker. Wer Im Anschluss daran fand im Festsaal des Gymna- gang Pieper, eröffneten mit Fanfarenklängen eine Übersicht zu den zahlreichen Veranstaltun- siums für geladene Gäste der Festakt statt. den Zug. Einem Wagen der Jungsteinzeit, gestal- gen haben wollte, konnte die Festschrift erwer- Unter den verschiedenen Redebeiträgen ist an tet als schilfbedeckte Hütte, folgten pelzbeklei- ben. Außer dem detaillierten Festprogramm wa- erster Stelle der von Dr. Gebhard Müller, Staats- dete Jäger mit erlegten Bären und Frauen mit ren Beiträge zu lesen zum Kulturerbe der präsident des Bundeslands Württemberg-Ho- Getreidegarben. An Arae Flaviae sollte die Reichsstadt, der Landwirtschaft im Kreis Rott- henzollern, zu erwähnen, den vor allem seine nächste Szene erinnern: Kaiser Titus in Beglei- weil, zur Leistungsschau von Handel und Gewer- Schulzeit mit Rottweil verband. In einer Zeit, in tung von jungen Priesterinnen und römischen be und praktische Hinweise zu Parkplätzen, und der das Hauptaugenmerk der Bevölkerung auf Legionären. In Anlehnung an das bedeutendste Zugverkehr mit Sonderzügen. Zahlreiche Wer- der Bewältigung der misslichen Nachkriegssitua- Fußbodenmosaik Südwestdeutschland ließ der beinserate des örtlichen Gewerbes und Einzel- tion lag, mit Trauer über die Kriegsopfer, Ver- griechische Sänger Orpheus seine Kithara erklin- handels trugen zur Deckung der Unkosten bei. triebenenschicksale, Arbeitslosigkeit und Woh- gen. Dabei hielt die örtliche Presse nicht mit Kri- nungsnot, stellte Gebhard Müller immerhin fest, tik zurück: der Darsteller sei „zu wenig stattlich Ein bunter Reigen von Veranstaltungen wo die Ursachen zu suchen seien: die schlimmen und zu wenig göttlich“. Eine alemannische Hun- Ereignisse zwischen 1933 und 1945 dürften sich dertschaft markierte die nächste Etappe der Täglich geöffnet waren vier Ausstellungen. Die auf keinen Fall wiederholen. Von zukunftswei- Stadtgeschichte, dem Stammesherzog zu Pferd örtliche Industrie, Handwerk und Handel veran- sender Bedeutung war Müllers Hinweis auf die folgte ein Wagen mit zechenden Alemannen, stalteten eine „Leistungsschau“ in sämtlichen Notwendigkeit des Zusammenschlusses der drei Mitglieder der „Germania“ Altstadt, die unter Räumen des heutigen Albertus-Magnus-Gymna- südwestdeutschen Länder, für ihn ein Kernstück dem Beifall der Zuschauer vierstimmige Män- siums. In der „Mädchenoberschule“, dem Vor- seiner Politik, was 1951/52 Wirklichkeit werden nerchöre vortrugen. Die Verleihung des Hofge- gängerbau der heutigen Deutschen Post AG, sollte. Den Festvortrag übernahm Oberstudien- richts, angeblich 1146, zeigte den Stauferkönig wandte sich eine Landwirtschaftsschau an die direktor Franz Betz, die musikalische Umrah- Konrad III. im roten Samtmantel mit Hermelin- damals noch recht zahlreichen Kleinbauern des mung mit Werken von Gluck und Mozart gestal- besatz, dessen Ausstattung eher an einen Mär- Landkreises, die sich hier ein Bild von neu auf teten die vereinigten Männerchöre, begleitet chenkönig der Brüder Grimm erinnerte. Die den Markt gebrachten landwirtschaftlichen Ge- von einem Streichorchester. Nonnen des Reichsgotteshauses Rottenmünster räten machen konnten. Im städtischen Kaufhaus standen unter dem weltlichen Schutz von Kaiser zeigten Rottweiler Gegenwartskünstler ihre Der Festzug am 3. September Friedrich II. Der Gründung des Dominikanerkon- Arbeiten, so Bernhard Wäschle, der Kurator der vents war die nächste Szene gewidmet, 1267 Ausstellung, vorwiegend Landschaftsmotive, so- Unbestrittener Höhepunkt des Heimatfestes besuchte der jugendliche König Konradin, wenig dann Otto Schwarz mit seiner hoch entwickel- war der Festzug, der sich am Nachmittag durch später Albertus Magnus das Kloster. In den Or- ten Porträtkunst und die junge Bildhauerin Ger- die Straßen der Stadt bewegte. Die Grundkon- densgewändern steckten Mitglieder des FV 08 mana Klaiber-Kasper. Tür an Tür war die Christli- zeption ging auf Dr. ing. Karl Weiß zurück, eine Rottweil. Dann fielen die Blicke der Zuschauer che Kunstausstellung zu sehen, das besondere Persönlichkeit, die im damaligen Kulturbetrieb auf das von den Bildhauern Fridl Schultheiß und Anliegen von Stadtpfarrer Dr. Ochs. Als Blick- der Stadt eine beachtenswerte Rolle spielte. Un- Oskar Straub nach der graphischen Vorlage der fang waren zwei Altarflügel des einstigen Hoch- einigkeit bestand in der Vorbereitungsphase Pürschgerichtskarte geschaffene Stadtmodell, altars von Heilig Kreuz (um 1440) zu bewun- über die Streckenführung; die Altstädter Verei- noch im Herbst 1950 wurde das Werk von der dern, Leihgaben der Museen in Stuttgart und ne machten ihre Mitwirkung davon abhängig, Stadtverwaltung für das „Heimatmuseum“ um Rottenburg. Einmal aus der Nähe konnten die dass der Zug seinen Weg stadtauswärts bis zum 180 Mark erworben. Die Begleitung des Stadt- Interessenten die hochbarocke Monstranz von „Bären“/Altstadt nehmen sollte. Diesem modells übernahmen junge Männer in den Heilig Kreuz, geschaffen 1706 in Augsburg, be- Wunsch wurde letztendlich entsprochen mit der Landsknechtskostümen der Narrenzunft. trachten. Zusätzlich standen Kundgebungen des Hand- werks und des „Landvolks“ auf dem Programm, eine Modenschau im Festsaal des Gymnasiums sowie die Jahrestagung des Schwäbischen Hei- matbundes. Auch die Musikfreunde kamen nicht zu kurz. Am Mittwoch, 6. September, wurde eine Matinee veranstaltet mit einem Konzert auf zwei Klavieren, am Tag darauf folgte ein Kir- chenkonzert in der Predigerkirche aus Anlass des 200. Todestags von Johann Sebastian Bach, dargeboten von einem Auswahlchor des Män- nergesangvereins 1841, Gesangssolisten und dem „Orchester der Rottweiler Musikfreunde“. Während der ganzen Festtage bot sich das glei- che Bild: im Mittelpunkt standen feierlich-ern- ste Musikdarbietungen aus Barock und Klassik. Ob die junge Generation damit auf ihre Rech- nung kam, ist eher zu bezweifeln, vergebens sucht man im Festprogramm nach Tanzveran- staltungen, etwa mit dem Tango oder dem mo- Herolde beim Festumzug anlässlich der Rottweiler 800-Jahrfeier in der Oberen Hauptstraße, dischen Boogie-Woogie. überzeugend dargestellt von Hartwig Betz, Erwin Mengis und Wolfgang Pieper. Foto: Hartwig Betz
cke. Zunächst marschierten die Sportler im Gleichschritt vom Friedrichsplatz zum Stadion, einem Jugend-Handballspiel folgte ein Schau- turnen in den Disziplinen Barren, Pferd und Bo- denturnen. Tags darauf folgten leichtathletische Disziplinen und ein Handballspiel gegen Lud- wigsburg-Ossweil. Den Höhepunkt bildete das Fußball-Hauptspiel FV 08 Rottweil gegen den Sportverein Helvetik Basel. Auch bei der Wahl dieses sportlichen Gegners wurden die mit der Schweiz gepflegten Kontakte deutlich. Ausklang der Festtage Beim „Heimatabend“ im Festzelt zeigte sich die Stadt von ihrer volkstümlichen Seite. Hier wirk- ten die örtlichen Gesangvereine mit, wobei Chorsätze von Franz Balluff und Christian Fader zu hören waren. Der Verfasser besuchte den Abend in Begleitung seines Vaters; besonderen Eindruck hinterließen die Mundartbeiträge der Im Festzug anlässlich der Rottweiler 800-Jahrfeier von 1950 wirkten die Kicker vom FV 08 Rottweil Heimatdichterin Marie Stengle zusammen mit sehr überzeugend als Mönche des 1802/03 aufgehobenen Rottweiler Dominikanerkonvents mit. einer weiteren Frau in Bauerntracht. Als dann Foto: FV 08 Rottweil noch ein „lebendes Bild“ mit einer Narrengrup- pe auf die Bühne trat, begleitet von den Klängen In der Weihnachtszeit 1286 stattete König Ru- Darstellung der Revolutionsbewegungen von des Rottweiler Narrenmarsches, gerieten die dolf von Habsburg der Stadt einen Besuch ab, 1848 und 1918, die in Rottweil deutliche Spu- Anwesenden in fasnächtliche Hochstimmung, dargestellt von Julius Alf, Pächter des damals ren hinterlassen haben. und das an einem spätsommerlichen Septem- städtischen Hofguts Bettlinsbad, hoch zu Ross. bertag. Er war in Begleitung der Grafen von Hohenberg Festspiel „Der Baumeister Gottes“ Der letzte Tag gehörte den Kindern, die unter und Zollern samt deren Frauen; bei dieser Gele- Leitung ihrer Klassenlehrer Bewegungsspiele genheit übernahm der König die Rolle des Ver- Täglich um 20 Uhr war auf dem Kapellenhof ein veranstalteten und durch die Stadtverwaltung mittlers zwischen den beiden verfeindeten Ge- Historienspiel zu sehen. Der Stuttgarter Autor im Festzelt bewirtet wurden. Am Abend des Kin- schlechtern. Dem Bundesschluss mit der Paul Wanner hatte es schon 1937 verfasst, Re- derfests gab es einen Lampionumzug durch die Schweizerischen Eidgenossenschaft von 1519 gisseur Wilhelm Speidel passte das Stück an die Stadt. galt das besondere Augenmerk als einem der Rottweiler Gegebenheiten an. Den Schlusspunkt setzte ein Brillant-Feuerwerk, Eckpunkte der reichsstädtischen Geschichte. Der „geniale Baumeister“ der Spätgotik bemüht das am 11. September auf dem Kriegsdamm- Die späte Reichsstadtzeit wurde charakterisiert sich unablässig, Rat und Bürgerschaft der Reichs- platz abgebrannt wurde, finanziert von den durch die lärmende Soldateska des Dreißigjähri- stadt zur Vollendung des steckengebliebenen Rottweiler Gastwirten. gen Kriegs und die Erinnerung an die Augen- Turmausbaus zu bewegen. Allenthalben wächst Im Rückblick betrachtet war die 800-Jahrfeier wende. Politisches Fingerspitzengefühl gegen- das Misstrauen gegen seine Pläne und Ausga- eine gigantische organisatorische Leistung mit über der französischen Besatzungsmacht war benpolitik. In dieser Situation wird der Stadt- viel ehrenamtlichem Engagement der Bevölke- angezeigt bei den Vorbereitungen zur Szene mit richter sein unversöhnlicher Hauptgegner, er rung. Die Stadtverwaltung ließ sich das Ganze Prinz Eugen von Savoyen, dem kaiserlichen Feld- instrumentalisiert die Stimmung in der Bürger- etwas kosten: bei der vorläufigen Endabrech- herrn gegen König Ludwig XIV. Dabei stand der schaft und lässt den Baumeister verhaften und nung vom 21. Dezember 1950 standen Einnah- französische Ortskommandant F. Garnier-Dupré foltern. Da er das Rechenschaftsdokument des men in Höhe von 81 500 Mark Ausgaben von der Veranstaltung der 800-Jahrfeier durchaus Angeklagten vernichtet, setzt er sich selbst ins 106 000 Mark gegenüber, dazu kam noch ein wohlwollend gegenüber und widmete der Be- Unrecht. Als der Meister nach dem Urteils- weiterer Zuschussbedarf von 13 000 Mark. völkerung in der Festschrift eine anerkennende spruch seinen letzten Gang antritt, rettet die Die Festwoche mit ihrer monatelangen Vorbe- Grußadresse. Prinz Eugen fand sich in Begleitung Gattin des Stadtrichters den Angeklagten in reitungsphase förderte nachhaltig das Zusam- von jungen Damen in Rokokokostümen und üp- letzter Minute, indem sie die Vernichtung des mengehörigkeitsgefühl bei den Rottweilern. Es pigen Perücken. „Rottweil kommt an Württem- Rechenschaftsberichts bekannt gibt. Zwar wird erfolgte so etwas wie eine kollektive Rückbesin- berg 1803“ bedeutete den schmerzlich empfun- das Urteil nicht vollstreckt, doch stirbt der kör- nung auf die Vergangenheit der Heimatstadt, denen Verlust der relativ politischen Selbstän- perlich und seelisch gebrochene Baumeister we- zwangsläufig vieles verklärt und in die histori- digkeit seit Jahrhunderten. In der „Stadt der nig später. Am Schluss wird der Leichnam von sche Idylle versetzt. Immerhin hatte sich ein lo- Schulen und Gerichte“ schritten in feierlichem Rittern, Bürgern und Bauleuten in die Turmka- kales Geschichtsbewusstsein entwickelt, was Zug die Professoren im schwarz-blauen Talar, pelle zur ewigen Ruhe geleitet positiv zu bewerten ist vor dem Hintergrund der gefolgt von Schülern mit Emblemen der Wissen- Sämtliche Einzelrollen wurden von Schauspie- Erfahrung des politischen, kulturellen und mora- schaften. Das Gerichtspersonal des württember- lern der Staatstheater München und Stuttgart lischen Zusammenbruchs Deutschlands durch gischen Landgerichts wurde begleitet von einem gespielt, bei den Massenszenen beteiligten sich die NS-Diktatur. bildlich dargestellten „Paragraphenreiter“, so Rottweiler Bürgerinnen und Bürger. Tief ergrif- ziemlich die einzige humoristische Darstellung fen verfolgten die Zuschauer das Geschehen im Festzug: die Figur trippelte in der Art von von der Tribüne. In der heutigen Zeit würde das Quellen und Literatur: Schiermaiers Guller hin und her. An die „Gute Stück mit Sicherheit durchfallen: das überzoge- Schwarzwälder Volksfreund (Rottweil), August und Septem- alte Zeit“ erinnerte die gelbe Thurn-und-Taxis- ne Pathos einer an Goethe und Schiller orien- ber 1950. Postkutsche der Zeit um 1830, mit Reisenden in tierten Sprache und das heroisierende Gehabe Gemeinderatsprotokolle der Stadt Rottweil Jahrgänge 1949 Biedermeiertracht. Die letzte Darstellung „Rott- hätten bei dem heutigen Publikum keine Chance und 1950, passim. weil im Aufbau“ machte einen Zukunftswunsch mehr. 800 Jahre Frei- und Reichsstadt Rottweil. Festschrift hrsg. von deutlich im Modell einer Stadthalle. Auf dem der Stadtverwaltung Rottweil 1950. mit Tännchen geschmückten Wagen stand „Rot- Eröffnung des Stadions K. Gruber, Die Gestalt der deutschen Stadt (3. Aufl. 1977) wyla mit dem Friedenszweig“, verkörpert von S. 48f, 61-68. Maria Müller-Mohr. Mit der Eröffnung des Stadions am 9. Septem- W. Hecht, Rottweil 771 – ca. 1340 (2007) S. 34ff., 61. Es ist zugegebenermaßen nicht einfach, in einem ber ging ein lang gehegter Wunsch aller Rott- H. Maurer, Der Herzog von Schwaben (1978) S. 108-111. Festzug die gesamte und sehr komplexe Stadt- weiler Sportvereine in Erfüllung. Dabei fiel die A. Steinhauser, Zur Rottweiler Gründungsfrage. In: Zeitschrift geschichte einzufangen. Aus heutiger Sicht sind damals statt dem Sportplatz in der Au fertig ge- für württembergische Landesgeschichte IX 1949/50 S. 97-10 jedoch Defizite erkennbar: im Bildungsbürger- stellte Anlage aus heutiger Sicht eher beschei- J. Sydow, Städte im deutschen Südwesten (1987) S. 90 f. tum um 1950 war das Bekenntnis zu demokrati- den aus, eine Aschenbahn, keine Zuschauertri- Mein herzlicher Dank für wertvolle Hinweise gilt Gertrud schen Werten noch wenig verankert. So sucht büne und statt einer Sportgaststätte nur ein Ruoff, Gabi Schmid, Hartwig Betz, Winfried Hecht und Alo man vergebens nach einer Aufarbeitung und Notbehelf in Form einer ausgedienten Baubara- Kuon.
Sie können auch lesen