SÜDWESTGRÜN - Agnieszka Brugger

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SÜDWESTGRÜN - Agnieszka Brugger
SWG 10_18:Südwestrgrün 03.04.17 08:19 Seite 1

                                                                  NR. 10 / 18. WP • April 2017

                                SÜDWESTGRÜN
                         RUNDBRIEF DER BADEN-WÜRTTEMBERGISCHEN GRÜNEN IM BUNDESTAG

    LIEBE LESERINNEN UND LESER,
    die Landesgruppe ist voller Elan und Tatendrang ins Wahljahr gestartet. In den verbliebenen
    Monaten dieser Legislaturperiode wollen wir nochmal zeigen, dass Grün den Unterschied macht.
    In parlamentarischen Debatten, durch Anträge und Gesetzesinitiativen werden wir die Bundes-
                                                                                                                  KERSTIN ANDREAE
    regierung weiterhin stellen.
                                                                                                              Es geht um Fairness und
                                                                                                           Gerechtigkeitsempfinden 2
    Unser Wahlprogramm steht unter dem Motto „Zukunft wird aus Mut gemacht“. Deswegen wol-
    len wir uns weiterhin mutig für unser Leib- und Magenthema Ökologie, für eine weltoffene Ge-
                                                                                                              FRANZISKA BRANTNER
    sellschaft ein buntes und vielfältiges Europa und soziale Gerechtigkeit einsetzen. Wir werden
                                                                                                                Europas Pulsschlag 4
    nicht aufhören, für den Schutz unserer Lebensgrundlagen zu kämpfen und hier auch parlamen-
    tarisch den Finger in die Wunde zu legen. Die die Auswirkungen der Klimakrise werden immer
                                                                                                               AGNIESZKA BRUGGER
                                                                                                             Auf sicherheitspolitischen
                                                                                                                            Irrwegen 6

                                                                                                                      HARALD EBNER
                                                                                                               Mehr Öko auf dem Land
                                                                                                                 gibt’s nur mit Grün 8

                                                                                                                  MATTHIAS GASTEL
                                                                                                                   Neue Ideen für eine
                                                                                                              nachhaltige Mobilität 10

                                                                                                                 SYLVIA KOTTING-UHL
    deutlicher: Starkregenfälle wie im letzten Sommer in Baden-Württemberg treten vermehrt auf
                                                                                                             60 Jahre Euratom und das
    und lange Hitzeperioden machen auch den heimischen Landwirten zu schaffen. Wir Grüne sind
                                                                                                       Desaster an unseren Grenzen 12
    die einzige Partei, die die Auswirkungen der Klimakrise im Blick hat und im politischen Betrieb
    für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen kämpft. Das zeigt: Ohne Grün geht es nicht. Wir erle-
                                                                                                                        CHRIS KÜHN
    ben derzeit zu viele Umwelt- und Naturkatastrophen, als dass wir es uns leisten könnten, Um-
                                                                                                                  Landchaft und Klima
    welt-, Natur- und Klimaschutz nicht ins Zentrum unseres politischen Handelns und Denkens zu
                                                                                                                         schützen 14
    stellen.
                                                                                                           BEATE MÜLLER-GEMMEKE
    Ebenso sehr liegt es uns am Herzen, für mehr soziale Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft zu
                                                                                                       Das Ein-Prozent-Gesetz und die
    sorgen. Wir wollen alle fair am erwirtschafteten Wohlstand beteiligen und sicherstellen, dass
                                                                                                       simulierte Lohngerechtigkeit 16
    jede und jeder die gleiche Chancen und Möglichkeiten hat. Damit stärken wir den gesellschaft-
    lichen Zusammenhalt und die Akzeptanz unserer Demokratie, die durch Ungerechtigkeiten ge-
                                                                                                                        CEM ÖZDEMIR
    fährdet sind.
                                                                                                      Wenn es den europäischen Nach-
                                                                                                      barn gut geht, geht es uns gut18
    Wir Grüne stellen uns Populismus und Hass offensiv entgegen. Alexander van der Bellen in
    Österreich und Jesse Klaver in den Niederlanden haben gezeigt, dass man mit einer weltoffenen
                                                                                                                   GERHARD SCHICK
    und proeuropäischen Haltung viele Menschen überzeugen kann. Seit ein paar Wochen erhält die
                                                                                                        Wer hat, dem wird gegeben 20
    proeuropäische Bewegung „pulse of europe“ viel Zulauf. Auch in Baden-Württemberg gehen
    viele tausend Menschen auf die Straße um für ein starkes und einiges Europa zu demonstrie-
                                                                                                                            SERVICE
    ren.Deswegen gehen wir voller Mut und Zuversicht in den Wahlkampf. Die Große Koalition des
                                                                                                                Betreuungswahlkreise,
    Stillstands muss abgelöst werden. Veränderung gibt es nur mit Grün. Auf uns Grüne kommt es
                                                                                                                       Impressum 22
    mehr denn je an.

    Herzlich
SÜDWESTGRÜN - Agnieszka Brugger
SWG 10_18:Südwestrgrün 03.04.17 08:19 Seite 2

                                        KERSTIN ANDREAE
                                        stellvertretende Fraktionsvorsitzende
                                        WWW.KERSTIN-ANDREAE.DE
                                        Tel. 030 / 227- 71480, Fax 030 / 227- 76481, kerstin.andreae@bundestag.de
                                        WAHLKREISBÜRO Rehlingstraße 16a, 79100 Freiburg
                                        Tel. 0761 / 8886713, Fax 0761 / 8886714, kerstin.andreae@wk.bundestag.de

             MANAGERGEHÄLTER: ES GEHT UM FAIRNESS                       künftigen operativen Arbeitsstrukturen“ ihren
             UND GERECHTIGKEITSEMPFINDEN                                Posten wieder räumte, dabei eine Abfindung von
                                                                        knapp zwei Jahresgehältern, mindestens 12 Mil-

             P   lötzlich wollen es alle. Sogar die Union
                 möchte sich vom Saulus zum Paulus wandeln
                                                                        lionen Euro, kassierte und für ihren Einsatz eine
                                                                        monatliche Rente von bis zu 8000 Euro bezieht.
             und den Steuerabzug für hohe Managergehälter               Der Spiegel schrieb daraufhin von VW als einem
             begrenzen. Nur ein Wahlkampfmanöver? Ein                   Selbstbedienungsladen. Vermutlich gilt das aber
             Schelm, wer Böses dabei denkt. Zumal Union und             weder für die Facharbeiter noch für die ungelern-
             SPD es ja noch nicht einmal geschafft haben, die           ten Arbeiter am Band.
             Vorhaben aus ihrem Koalitionsvertrag umzuset-              Solche Exzesse betreffen nicht nur VW. Josef
             zen. Darin war vorgesehen, dass künftig die                Ackermann bei der Deutschen Bank, Karl-Gerhard
             Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft und              Eick bei Arcandor, Karl-Thomas Neumann bei
             nicht wie bisher der Aufsichtsrat die Gehälter             Continental und Helmut Mehdorn bei der Deut-
             ihrer Spitzenmanager absegnen sollte. So hätten            schen Bahn, einem Staatsunternehmen!, kassier-
             die Eigentümer den Bezügen zustimmen müssen.               ten Millionen, obwohl ihre Unternehmen
             Umgesetzt wurde das leider nie. Natürlich dürfen           teilweise tausende Menschen entlassen oder, wie
             Managerinnen und Manager gutes Geld verdie-                im Fall von Arcandor, sogar Insolvenz anmelden
             nen, sehr gutes Geld sogar. Genau im „Verdienen“           mussten.
             liegt der Knackpunkt: Einige Unternehmen zahlen
             ihren Vorstandsmitgliedern das mehr als 100-               Keine Neiddebatte
             Fache des durchschnittlichen Lohns eines Fachar-
             beiters. Kann die Management-Tätigkeit dieses              Einigen Managern ist im Zweifelsfall der kurzfris-
             Verhältnis rechtfertigen? In diesen Fällen ist             tige Gewinn wichtiger als die langfristige Aus-
             etwas aus den Fugen geraten.                               richtung des Unternehmens. Skandale wie die
                                                                        eben erwähnten haben gezeigt, dass manch ein
             Viele Exzesse                                              Spitzenmanager es auf das schnelle Geld abgese-
                                                                        hen hat. Und wenn am Ende das Unternehmen
             Das beliebteste Beispiel für überzogene Ver-               Schaden nimmt, winkt immer noch eine Spitzen-
             dienste ist Martin Winterkorn, der als Vorstands-          abfindung. Das alles geschieht, während die ein-
             chef von VW in Spitzenzeiten 17,5 Millionen Euro           fachen Beschäftigten nicht wissen, ob sie am
             im Jahr bezog, und sich trotz eines ruhmlosen              Ende des Jahres ihre Jobs noch haben: die Fach-
             Abgangs im Zusammenhang mit dem Diesel-                    arbeiterin am Band, der Verkäufer im Kaufhaus
             Skandal noch über einen zusätzlichen Bonus von             und die Angestellte in der Bankfiliale, die für den
             1,7 Millionen Euro und eine „Goldene Betriebs-             Erfolg ihrer Unternehmen arbeiten.
             rente“ von mehr als 3000 Euro freuen kann – am             Es ist also keine Neiddebatte, wenn wir eine Be-
             Tag! Ebenfalls in aller Munde Christine Hoh-               grenzung von Managergehältern fordern. Es geht
             mann-Dennhardt, die nach 13 (gut bezahlten)                um Fairness und darum, welche Grundwerte eine
             Monaten als Vorstand im Ressort Integrität und             Führungskraft verkörpern soll. Was nach den
             Recht vermeintlich wegen „unterschiedlicher                Buchstaben des Gesetzes legal ist, ist noch lange
             Auffassung über Verantwortlichkeiten und die               nicht legitim. Und es geht um Gerechtigkeits-

         2   SÜDWESTGRÜN 10/18
SÜDWESTGRÜN - Agnieszka Brugger
SWG 10_18:Südwestrgrün 03.04.17 08:19 Seite 3

      Es GEht um FaiRNEss
              uNd
    GEREchtiGkEitsEmpFiNdEN

         empfinden. Als gerecht wird legitimerweise emp-      diesen Höchstbetrag umfassend einbezogen wer-
         funden, wenn die Einkommen in einer Gesellschaft     den. Außerdem soll die steuerliche Abzugsfähigkeit
         nicht extrem auseinanderdriften.                     von Versorgungszusagen auf die gesetzlichen Ren-
                                                              tenversicherungsbeiträge (Höchstsatz) von aktuell
         Staat finanziert Ungerechtigkeit mit                 76.200 Euro jährlich begrenzt werden.

         Ich kenne keinen mittelständischen Unternehmer,
         der seine Firma so verantwortungslos und kurz-       Fehlanreize in den Vergütungssystemen
         sichtig führt, wie wir es zuletzt bei einigen DAX-
         Vorständen erleben mussten – weil sie                Ein weiteres ungelöstes Problem sind die Fehlan-
         Verantwortung zeigen, für das Unternehmen, das       reize in den Vergütungssystemen. Wenn Erfolge
         sie selbst oder ihre Eltern aufgebaut haben. Sie     mit hohen Boni belohnt, Misserfolge aber auf die
         stehen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern       Allgemeinheit verlagert werden können, dann för-
         nahe, kennen deren privates Umfeld.                  dert dies kurzfristiges, risikoreiches Denken und
         Dass einige Spitzenmanager trotz schlechten Ma-      Handeln in den Führungsetagen der Unternehmen.
         nagements neben ihren hohen Gehältern Millio-        Denn für die Risiken zahlt auch hier am Ende der
         nen-Abfindungen und Boni einstreichen, belegt ein    Steuerzahler. Deshalb besteht ein hohes gesell-
         vollkommen anderes Verhältnis zum Unternehmen        schaftliches Interesse, Chancen und Risiken wieder
         und seinen Beschäftigten. Unternehmen setzen         stärker zusammenzubringen. Die Anreize in den
         diese Kosten von der Steuer ab. Letzendlich finan-   Vergütungssystemen müssen so ausgerichtet wer-
         zieren die Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern sie   den, dass sie die nachhaltige Wertsteigerung des
         also mit – auch die Beschäftigten der betroffenen    Unternehmens und nicht kurzfristige Aktienkurs-
         Unternehmen. Das ist Geld, das der öffentlichen      entwicklungen belohnen. Das Gesamtgehalt sollte
         Hand für Investitionen in Kitas und Schulen, be-     deshalb höchstens zu einem Viertel variabel, also
         zahlbaren Wohnraum oder eine moderne Verkehrs-       an den Erfolg geknüpft, sein. Derzeit ist immer
         infrastruktur fehlt.                                 noch fast die Hälfte der Bezüge deutscher Vor-
         Eine Begrenzung des Steuerabzugs bietet eine aus-    standsvorsitzender erfolgsabhängig.
         gewogene Lösung. Eine absolute Obergrenze wäre       Zudem sollten Erfolgsbeteiligungen an den lang-
         ein viel zu weitgehender Eingriff in die Vertrags-   fristigen Erfolg des Unternehmens anknüpfen. Das
         freiheit, während mehr Rechte für die Hauptver-      bedeutet z. B., dass Aktienoptionen erst nach fünf
         sammlung zu kurz greifen würden. Die Grüne           Jahren ausgeübt werden dürfen und dass der Be-
         Fraktion hat deshalb gerade einen Antrag in den      zugswert nicht unter dem Aktienkurs zum Zeit-
         Bundestag eingebracht, der den Betriebsausgaben-     punkt der Ausgabe der Aktienoptionen liegen darf.
         abzug von Gehältern auf 500.000 Euro jährlich pro    Last but not least fordern wir eine Bonus-Malus-
         Kopf deckelt. Darunter fallen das Festgehalt, aber   Regelung, d.h. Erfolgsbeteiligungen soll eine Betei-
         auch variable Bestandteile wie Boni. Für einmalige   ligung an den Verlusten des Unternehmens
         Zahlungen und Abfindungen soll der Betriebsaus-      gegenüberstehen. So könnten Erfolgsbeteiligungen
         gabenabzug auf 1 Mio. Euro pro Kopf begrenzt         erst nach z.B. fünf Jahren ausgeschüttet werden
         werden. Verschiedenste Gestaltungsmöglichkeiten      und mit Abzügen aus eventuellen Verlustjahren
         wie Übergangsgelder oder Aktienoptionen sollen in    verrechnet werden.

                                                                                         SÜDWESTGRÜN 10/18      3
SÜDWESTGRÜN - Agnieszka Brugger
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                                         DR. FRANZISKA BRANTNER
                                         sprecherin Für kinder- und Familienpolitik
                                         WWW.FRANZISKA-BRANTNER.EU
                                         Tel. 030 / 227-73096, Fax.030 / 227-76094, franziska.brantner@bundestag.de
                                         WAHLKREISBÜRO Bergheimerstr. 147, 69115 Heidelberg
                                         Tel. 06221 / 9146620, franziska.brantner.ma04@bundestag.de

     EUROPAS PULSSCHLAG                                                auf deren Einhaltung die Menschen bauen können.
                                                                       Jedes verbriefte Recht darin muss europäisch einklag-

     S     eit Wochen gehen sonntags deutschlandweit
           Tausende auf die Straße. „Pulse of Europe“ steht
                                                                       bar sein. Die Einhaltung dieser Charta ist die Bedin-
                                                                       gung zum Beitritt. In letzter Konsequenz muss auch
     auf für ein lebendiges Europa, das für die Menschen da            das Ausscheiden eines Mitglieds möglich sein. Wer
     ist und gemeinsame Werte hat. Sie fordern, die Freiheit           sich nicht an Grundrechte hält, muss gehen.
     der Einzelnen, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit in
     ganz Europa zu gewährleisten.                                     In diesem Europa sind die Mitgliedstaaten in der Ver-
     Wir wünschen uns genau dieses Europa; es sollte allen             antwortung und Pflicht, diese Grundrechte zu gewäh-
     Europäer*innen fundamentale Grundrechte sowie das                 ren. Darüber hinaus können sich Staaten für die
     Leben in einer liberalen Demokratie garantieren.                  Realisierung und Durchsetzung der verbrieften Rechte
     Die Basis dafür ist die – großartige – Grundrechte-               in einzelnen Bereichen – wie der Fiskal- oder Sicher-
     charta der Europäischen Union aus dem Jahr 2000.                  heitspolitik - zusammenschließen und vorangehen, an-
     Leider gilt sie nur für EU-Gesetze und -Institutionen,            dere später dazu stoßen. Ein Beispiel: Wir brauchen
     nicht für nationale. Daher kann in Ungarn die Presse-             EU-weit mehr Geld für Bildung, Ökologie und Gesund-
     freiheit beschnitten werden, und kein Ungar kann da-              heit. Mitgliedstaaten könnten kooperieren, um mehr
     gegen vor dem Europäischen Gerichtshof klagen.                    Einnahmen zu schaffen: etwa durch ein entschlosse-
                                                                       nes, gemeinsames Vorgehen gegen Steuervermeidung
     Unter der Federführung von Roman Herzog erarbeitet,               und Steueroasen. Denn diese zwacken unseren Bud-
     definiert die Charta klassische individuelle Rechte und           gets Milliarden ab; Geld, das dringend gebraucht wird,
     Freiheiten sowie ein weitreichendes Diskriminierungs-             um Europa lebenswerter und gerechter für alle zu ma-
     verbot. So steht allen aber auch das Recht auf Bildung            chen.
     sowie auf Zugang zu beruflicher Ausbildung und Wei-
     terbildung zu, ebenso ein hohes Gesundheits-, Ver-                Oder: Frieden und Freiheit. Hier wäre gemeinsames
     braucher- und Umweltschutzniveau sowie soziale                    Handeln nach Innen und Außen notwendig. Zunächst
     Absicherung. Artikel 6 ist aktueller denn je: „Jeder              eine Friedenspolitik für unsere Nachbarschaft. Kein
     Mensch hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit.“                Nationalstaat wird im Alleingang Erfolg haben. Aber es
     Und nicht zuletzt gibt sie allen das Recht auf eine gute          müssen auch nicht alle alles tun. Für die dringend not-
     Verwaltung. Über individuelle Rechte hinaus sichert sie           wendige langfristige politische Begleitung von Trans-
     die Vielfalt und Freiheit der Medien ebenso wie unpar-            formationsprozessen nach Krisen oder Konflikten und
     teiische, unabhängige Gerichte.                                   eine tatsächlich präventive Außenpolitik ist eine Auf-
                                                                       gabenteilung zwischen den Mitgliedstaaten durchaus
     In Zeiten von Trump und Putin, die die Unabhängigkeit             hilfreich – arbeitsteilige Kontinuität statt allgemeinem,
     von Justiz und Medien mit Füßen treten, müssen wir                kaum abgestimmtem Taumeln von Krise zu Krise.
     Europäer*innen diese Charta und die darin definierten
     Grundrechte zum zentralen Fundament unseres euro-                 Wenn einzelne Staaten meinen, die in der Grundrech-
     päischen Hauses machen! Wir brauchen eine Charta,                 techarta festgelegten Rechte auch ohne europäische
         4   SÜDWESTGRÜN 10/18
SÜDWESTGRÜN - Agnieszka Brugger
SWG 10_18:Südwestrgrün 03.04.17 08:19 Seite 5

                               EuRopas
                              pulsschlaG

     Unterstützung gewähren zu können, sollen sie dies         Die Elternrechte sind aber explizit verankert. So heißt
     tun. Keiner muss mitmachen, aber allen steht die Teil-    es: "Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürli-
     nahme offen. Ob sich ein EU-Mitglied an gemeinsa-         che Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen oblie-
     men Schritten beteiligt oder nicht, die Rechte der        gende Pflicht.“
     Grundrechtecharta sind immer für alle Menschen in
     Europa auch europäisch einklagbar. Nationale Ge-          Entgegen der UN-Kinderrechtskonvention hat das
     setze, die zum Beispiel die Medienvielfalt begrenzen,     Bundesverfassungsgericht bisher auch noch keinen
     hätten keinen Bestand mehr. Korruption und Mau-           bereichsübergreifenden Kindeswohlvorrang formuliert.
     scheleien kämen europaweit unter die Lupe.                Es ist also derzeit nicht gewährleistet, dass bei allen
                                                               Entscheidungen, die Kinder betreffen, deren Wohl
     Dafür brauchen wir eine ständige, unabhängige und         auch vorrangig berücksichtigt werden. So führte zum
     faktengestützte Überprüfung der Rechtssituation in        Beispiel ein Urteil des Bundesgerichtshofs dazu, dass
     allen Mitgliedstaaten. Nationale Parlamente würden        einem Kind zugemutet wurde, mit dem verurteilten
     Verfassungsexperten entsenden, das EU-Parlament zu-       pädophilen Lebensgefährten der Mutter in einer Woh-
     sätzliche Experten. Auch sollen Bürger*Innen Gehör        nung zusammenzuleben. Die Entscheidung hatte nur
     finden – dadurch, dass Stellungnahmen der Zivilge-        das Elternrecht aus Art 6 Absatz 2 Satz 1 im Blick.
     sellschaft berücksichtigt werden. Über die Ergebnisse     Auch mit Blick auf die Abwägung zwischen Kindes-
     würden regelmäßig Europäisches Parlament, Rat und         wohl und anderen Interessen leidet häufig vor Gericht
     Kommission diskutieren. Bei erwiesenen Verstößen          das Kindeswohl.
     könnten im äußersten Fall Sanktionen drohen; aller-       Wenn es uns aber ernst ist mit dem Schutz von Kin-
     dings Sanktionen, die nicht die Bevölkerung des je-       dern und wir nach 25 Jahren endlich die UN-Kinder-
     weiligen Staates treffen dürfen, sondern die              rechtskonvention umsetzen wollen, kommen wir nicht
     Regierung.                                                umhin, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen.
                                                               Dies fordern deswegen Katja Dörner und ich und
     Das wäre ein starkes Signal, um die Menschen              haben eine entsprechende Initiative auf den Weg ge-
     Europas endlich ins Zentrum zu rücken, ihre Rechte        bracht. Darüber werden wir im Bundestag noch in die-
     und Freiheiten. Ein Europa der gemeinsamen Verant-        ser Wahlperiode abstimmen. Unser Vorhaben ist, in
     wortung. Ein neuer Pulsschlag für Europa.                 Artikel 6 einen neuen Absatz einzufügen, der Kinder
                                                               explizit als Rechtssubjekte nennt und die Vorrangig-
     Kinderrechte gehören ins Grundgesetz                      keit des Kindeswohls festlegt.

     25 Jahre nach dem Inkrafttreten der UN-Kinderrechts-      Wir wollen, dass die Wünsche und Bedürfnisse von
     konvention besteht in Deutschland Nachholbedarf,          Kindern bei allen sie betreffenden gesetzgeberischen,
     denn die Rechte der Kleinen sind immer noch nicht         politischen und gerichtlichen Entscheidungen stärker
     entsprechend der Konvention im Grundgesetz veran-         als bisher berücksichtigt werden. Damit würde
     kert. Bisher finden Kinder im Grundgesetz lediglich als   Deutschland kinderfreundlicher!
     Regelungsgegenstand, also als Objekte, Erwähnung.
                                                                                          SÜDWESTGRÜN 10/18       5
SÜDWESTGRÜN - Agnieszka Brugger
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                                       AGNIESZKA BRUGGER
                                       sprecherin Für sicherheitspolitik und abrüstung
                                       WWW.AGNIESZKA-BRUGGER.DE
                                       Tel. 030 / 227-71570, Fax 030 / 227-76195, agnieszka.brugger@bundestag.de

                                       WAHLKREISBÜRO Rosenstraße 39, 88212 Ravensburg,
                                       Tel. 0751 / 3593966, Fax 0751 / 3593967 agnieszka.brugger@wk.bundestag.de

         AUF SICHERHEITSPOLITISCHEN IRRWEGEN: DAS                     oder andere wichtige Investitionen zur Verfügung.
         NATO-2%-ZIEL BRINGT NICHT MEHR FRIEDEN
                                                                      Chaos im Beschaffungsbereich – viel hilft nicht auto-

         U     rsula von der Leyen und Angela Merkel können
               gar nicht mehr aufhören, Richtung Donald
                                                                      matisch viel

         Trump zu beteuern, dass sie 2% der deutschen Wirt-           Dabei schafft es Ursula von der Leyen schon heute
         schaftsleistung für den Verteidigungshaushalt ver-           nicht, vorhandene Gelder sinnvoll und vernünftig aus-
         wenden wollen. Gleichzeitig leidet Sigmar Gabriel            zugeben. Nach wie vor werden bei zahlreichen Rüs-
         offensichtlich unter Gedächtnisverlust und behauptet,        tungsprojekten Steuergelder verschwendet. Immer
         dass die SPD dagegen sei, obwohl der (nun ehema-             wieder sind nicht sicherheitspolitische Notwendigkei-
         lige) Außenminister Frank-Walter Steinmeier diesem           ten ausschlaggebend, sondern Wahlkreiswünsche der
         Ziel mehrfach in der NATO zugestimmt hat. Der gan-           Koalitionsabgeordneten und Lobbyinteressen von
         zen Diskussion um einen noch höheren Verteidi-               Rüstungsschmieden. Die jüngsten Negativbeispiele
         gungshaushalt liegt aber vor allem ein großer                sind das Raketenabwehrsystem MEADS und die Auf-
         Irrglaube zugrunde: Die falsche Vorstellung, dass            klärungsdrohne Triton. Bei ihrem milliardenschweren
         mehr Verantwortung und mehr Sicherheit einfach               Lieblingsprojekt MEADS hat Ursula von der Leyen alle
         durch mehr Geld für Rüstung erkauft werden können.           Bedenken und Risiken einfach ignoriert und muss nun
         Diese Annahme ist nicht nur ein Trugschluss, sondern         nach Monaten der Verzögerungen plötzlich einräu-
         sie birgt auch große Risiken und Gefahren.                   men, dass die favorisierte Firma das vier Milliarden
                                                                      Projekt alleine gar nicht stemmen kann. MEADS
         Das sogenannte 2%-Ziel der NATO gibt es seit 2002.           wurde schon einmal aus guten Gründen beerdigt,
         Bis 2024 sollen die Mitgliedstaaten ihre Verteidi-           schlimmer kann man den Start zur Wiederbelebung
         gungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlands-            gar nicht verstolpern. Um noch vor Ende der Legisla-
         produktes anheben. Zwar hat sich die                         turperiode wenigstens irgendeine relevante Entschei-
         Bundesregierung immer zu diesem Ziel bekannt, doch           dung zu treffen, will Frau von der Leyen jetzt die
         ganz im Gegenteil zu den Bekundungen der letzten             Aufklärungsdrohne Triton beschaffen. Schon beim
         Monate hat sie in den vergangenen Jahren immer               Debakel um die Vorgängerdrohne Euro Hawk wurden
         wieder deutlich gemacht, dass sie diese Vorgabe ei-          Millionen verpulvert. Ist nun alles besser und anders
         gentlich für wenig zielführend hält. Wenn die Bun-           bei Triton? Wohl kaum: Die notwendige Aufklärungs-
         desregierung diese illusorische Zielmarke erreichen          technik ist auch heute noch nicht so richtig zu Ende
         will, muss der mit 37 Milliarden Euro schon heute im-        erprobt und bei der Zulassung der Drohne drohen
         mens hohe Verteidigungsetat in den nächsten Jahren           genau wieder die altbekannten Probleme. Woher die
         auf mehr als 60 Milliarden Euro ansteigen. Das be-           Verteidigungsministerin da ihren naiven Optimismus
         deutet, die gigantische Summe von über 25 Milliar-           nimmt, weiß wohl auch nur sie selbst.
         den Euro steht dann Jahr für Jahr eben nicht für
         Bildung, Klimaschutz, Entwicklungszusammenarbeit

         6   SÜDWESTGRÜN 09/18
SÜDWESTGRÜN - Agnieszka Brugger
SWG 10_18:Südwestrgrün 03.04.17 08:19 Seite 7

                                     auF
                         sichERhEitspolitischEN
                                  iRRwEGEN
         Bessere europäische Zusammenarbeit statt Aufrüstung       der Fokus in der Sicherheitspolitik auf die rein militäri-
                                                                   sche Option verengt. Dabei lehren uns die großen Mi-
         Mehr Geld wird dieses seit Jahrzehnten herrschende        litärinterventionen der letzten Jahre doch ganz
         Chaos im Beschaffungsbereich nicht wie von Zauber-        deutlich, dass sich Konflikte nicht mit militärischen
         hand lösen. Denn die wahren Ursachen für die Pro-         Mitteln lösen lassen. Der Einsatz kann im besten Fall
         bleme werden damit nicht behoben. Was es wirklich         und nur unter eng begrenzten Bedingungen einen Bei-
         braucht, ist eine sinnvolle Planung und Priorisierung     trag zur Stabilisierung, zum Schutz der Zivilbevölke-
         der Aufgaben in Abstimmung mit den Partnern in            rung oder zur Überwachung eines Waffenstillstandes
         Europa und der Nato. Nur auf dieser Basis kann eine       leisten. Vor diesem Hintergrund fehlt es vielmehr an
         bessere, kluge und funktionierende Sicherheitspolitik     nachhaltigen politischen und zivilen Antworten, die
         entstehen. Allein im europäischen Beschaffungsbe-         gezielt und effektiv die oft komplizierten Ursachen
         reich liegen nach einer aktuellen Studie von McKinsey     hinter den Konflikten bearbeiten.
         gemeinsame Einsparpotentiale von bis zu 31 Prozent.
         Der Verteidigungsetat ist in den letzten Jahren bereits   Doch hier mangelt es an Geld, an Strukturen, an Per-
         deutlich erhöht worden. Die zusätzlichen Gelder die-      sonal und an Engagement. Statt über die völlig unsin-
         nen dazu hundert alte Panzer in den nächsten sieben       nige Erhöhung des Verteidigungsetats zu streiten,
         Jahren wieder zurückzukaufen. Auf die Trumps, Putins      sollten vielmehr die Mittel für Diplomatie, zivile Kri-
         und Erdogans dieser Welt wird diese Maßnahme wohl         senprävention, Konfliktbearbeitung und Entwicklungs-
         nicht viel Eindruck machen. Was diese Herren wirklich     zusammenarbeit gestärkt werden. Eine wirkliche
         beeindrucken würde, wäre doch ein politisch starkes       Offensive für das Zivile kann und wird deutlich mehr
         und geeintes, ein handlungsfähiges Europa, das für        bewirken als noch mehr verschwendetes Geld im Ver-
         das Völkerrecht, die Menschenrechte und unsere ge-        teidigungsetat. Wenn die Bundesregierung aber den
         meinsame Weltordnung eintritt.                            Willen hat, internationale Versprechen zu erfüllen,
                                                                   dann erinnern wir Grüne mit Nachdruck an die ODA-
         Offensive für das Zivile – mehr Mittel für Diplomatie,    Quote. Bis heute erfüllt Deutschland nicht den Be-
         Krisenprävention und Entwicklungszusammenarbeit           schluss der Generalversammlung der Vereinten
                                                                   Nationen, 0,7% des Bruttoinlandsproduktes für die
         Diese Scheindebatte lenkt nicht nur völlig von den        Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen. Die Gel-
         wirklichen Lösungen für die Probleme der Bundeswehr       der wären hier weitaus sinnvoller und nachhaltiger
         ab, sie blendet vor allem auch die Gefahren und Risi-     eingesetzt als bei der verantwortungslosen Erhöhung
         ken einer Aufrüstungsoffensive komplett aus. Noch         des Verteidigungsetats.
         höhere Verteidigungsausgaben bergen die Gefahr, eine
         Aufrüstungsspirale zu befeuern, die am Ende nicht
         mehr Sicherheit für uns, sondern weniger Sicherheit
         für alle bedeuten würde.
         Nicht zuletzt wird durch diese Debatte wieder einmal

                                                                                                SÜDWESTGRÜN 09/18        7
SÜDWESTGRÜN - Agnieszka Brugger
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                                         HARALD EBNER
                                         sprecher Für gentechnik- und bioökonomiepolitik
                                          WWW.HARALD-EBNER.DE
                                         Tel. 030 / 227-73025, Fax 030 / 227-76025, harald.ebner@bundestag.de
                                         WAHLKREISBÜRO Gelbinger Gasse 87, 74523 Schwäbisch Hall
                                         Tel. 0791 / 97823731, Fax 0791 / 97823733, harald.ebner@wk.bundestag.de

      MEHR ÖKO AUF DEM LAND GIBT’S NUR MIT GRÜN                        Unter dem Druck unserer Kritik will die SPD-Bundes-
                                                                       tagsfraktion Schmidts Gentechnik-Comeback-Gesetz

       Z     um Ende der Wahlperiode geht es noch einmal
             hoch her in Sachen gesundes Essen ohne Gift
                                                                       nun doch nicht mehr mittragen. Aber immer noch be-
                                                                       steht die Gefahr eines faulen Deals, bei dem die SPD
      und Gentechnik und damit auch: nachhaltiger Agrar-               die Gentechnikfreiheit für irgendetwas anderes aufge-
      politik für eine gesunde Umwelt.                                 ben könnte. Schreibt deshalb an Eure SPD-Abgeordne-
      Minister Schmidt und die Große Koalition haben ver-              ten und macht klar, dass sie unter Beobachtung
      sucht, mit dem Gentechnikgesetz ein Gentechnik-                  stehen!
      Comeback durch die Hintertür einzuläuten. Die SPD                Ein groteskes Schauspiel war die viermalige sture
      hatte der Gesetz-Trickserei im Kabinett schon zuge-              Weigerung von Union und SPD, über unseren Antrag
      stimmt. Aber zusammen mit den Bundesländern, Um-                 gegen neue Genmais-Zulassungen abzustimmen.
      welt- und Bioverbänden und sogar dem Deutschen                   Ohne Parlamentsvotum hat Schmidt sich in Brüssel
      Bauernverband haben wir es geschafft, öffentlich klar            am 27. März wieder enthalten, so dass es keine Mehr-
      zu machen, dass es bei diesem Gesetz nur darum geht,             heit für ein Genmais-Verbot gab. Die Bundesregierung
      nationale Genmais-Anbauverbote zu erschweren und                 wird die Schuld an den Zulassungen wieder „der EU“
      Gentechnik-Pflanzen den Weg zu ebnen, statt den                  zuschieben.
      Wählerwillen nach Gentechnikfreiheit umzusetzen.
                                                                       ROTE KARTE FÜR GLYPHOSAT ÜBERFÄLLIG
      AUCH NEUE GENTECHNIK IST GENTECHNIK
                                                                       Bei Glyphosat kam schon früher als erwartet, im März,
      Klammheimlich hatte die Union in letzter Minute eine             die Bewertung der Europäischen Chemikalienagentur
      gefährliche Passage ins Gesetz geschmuggelt, die                 ECHA. Insidern zufolge wohl auch, um der erfolgrei-
      Ausnahmen für neue Gentechnik-Verfahren wie                      chen europäischen Bürgerinitiative (EBI) für ein Gly-
      CRSIPR/Cas vorsah. Die Gentech-Lobbyisten wollten                phosat-Verbot zu begegnen, die schon ein halbe
      an der EU vorbei Tatsachen schaffen. Dabei handelt es            Million UnterstützerInnen gewinnen konnte. Leider
      sich bei solchen gezielten Eingriffen ins Erbgut ganz            hat auch die ECHA die eindeutigen Hinweise auf die
      unzweifelhaft um Gentechnik. Und was Gentechnik                  Krebsgefahr unter den Tisch fallen lassen und sich
      ist, muss auch wie Gentechnik reguliert und gekenn-              nicht zu einer entsprechenden Einstufung durchringen
      zeichnet werden, egal ob alt oder neu. Die Lobby will            können. Das ist aber alles andere als ein Freibrief für
      das verhindern und führt derzeit eine massive Propa-             Glyphosat, denn die Warnungen wurden nicht wider-
      gandaschlacht für die von ihr sogenannten „neuen                 legt. Die negativen Auswirkungen auf die Artenvielfalt
      Züchtungstechniken (NZT)“. Es werden wieder genau                sind ohnehin unbestritten, und weltweit gibt es etli-
      dieselben leeren Versprechungen in Richtung „Welter-             che Berichte über Gesundheitsgefahren durch Glypho-
      nährung“ gemacht, die schon die klassische Gentech-              sat.
      nik nicht halten konnte. Wir halten parlamentarisch,             Zugleich werfen neue Enthüllungen ein zweifelhaftes
      auf Podiumsdiskussionen, mit Interviews und Presse-              Licht auf das Zustandekommen vermeintlich „unab-
      arbeit dagegen.                                                  hängiger“ Glyphosat-Studien. Damit ist die gesamte

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SÜDWESTGRÜN - Agnieszka Brugger
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                       mEhR Öko
                    auF dEm laNd Gibt’s NuR mit
                                            GRÜN
     Risikobewertung auch der europäischen Behörden in          ausgerufen. Bis wann Schmidt das erreichen will? Mal
     Frage gestellt. Sie muss jetzt unabhängig neu aufge-       sehen. Gerade mal 10 Millionen Euro mehr will er
     rollt werden. Dafür muss sich die Bundesregierung          dafür einsetzen. Selbst der Bauernverband fordert ein
     einsetzen, insbesondere Umweltministerin Barbara           Vielfaches. Unser Ausbauplan Ökolandbau sieht eine
     Hendricks. Sobald neue Abstimmungen in Brüssel an-         Milliarde in den nächsten Jahren vor. Zusätzlich müs-
     stehen, werden wir wieder Anträge dazu einbringen.         sen wir in der EU-Agrarförderung eine weitere Milli-
     Und schon mal vormerken: am 13. Mai ist europawei-         arde weg von den Direktzahlungen hin zu
     ter Glyphosat-Aktionstag!                                  umweltbezogenen Maßnahmen umschichten. Sein
                                                                ganz eigenes verqueres Bild vom Öko-Landbau offen-
     DER FRÜHLING MUSS SUMMEN UND ZWITSCHERN                    barte kürzlich Baden-Württembergs CDU-Agrarminis-
                                                                ter Peter Hauk, der es für nötig hielt zu verkünden,
     Äußerst problematisch sind auch Pestizide aus der          man wolle natürlich niemanden zwingen, Bio-Pro-
     Gruppe der sogenannten Neonikotinoide. Diese Insek-        dukte zu kaufen. Dazu muss man allerdings nieman-
     tengifte sind klar mitverantwortlich für das Bienen-       den zwingen, die Nachfrage steigt ohnehin rasant!
     und Insektensterben, wie bei unserem Fachgespräch          Sogar die konventionelle Deutsche Landwirtschafts-
     „Stummer Frühling ante Portas“ Anfang März im Bun-         Gesellschaft (DLG) hat erkannt, dass es mit immer
     destag deutlich wurde. Jetzt gibt es Hoffnung: Die EU-     mehr Chemie auf unseren Äckern nicht mehr weiter-
     Kommission plant ein Totalverbot für die                   gehen kann. Nur Agrarchemie-Schmidt und die Bun-
     meistverwendeten Neonikotinoide. Möchtegern-Bie-           desregierung halten blind weiter den Agrarkonzernen
     nenminister Schmidt tut jetzt so, als habe er das          die Stange, statt diesen Hilferuf aus der Branche an
     schon immer gewollt. In Wirklichkeit haben er und          die Politik aufgreifen. Wir Grüne dagegen greifen den
     sein Ministerium in den letzten Jahren bei den Bie-        Ball auf und machen am 24. April ein öffentliches
     nengiften eine unrühmliche Rolle gespielt. Wenn er         Fachgespräch zum Thema Pestizidreduktion im Bun-
     seine Umkehr ernst meint, muss er jetzt endlich Politik    destag.
     für Bienen statt für Bayer machen und das geplante         Wir müssen im bevorstehenden Wahlkampf deutlich
     EU-Totalverbot unterstützen. Und er muss dafür sor-        machen, dass es ganz entscheidend auf starke Grüne
     gen, dass es für alle Neonikotinoide gilt, auch für neue   im nächsten Bundestag ankommt. Denn: Wer auch
     Wirkstoffe, sonst bleibt es wirkungslos.                   immer Kanzlerin oder Kanzler wird – ohne uns Grüne
                                                                gibt es keine nachhaltige, ökologische Politik. Ohne
     ÖKOLANDBAU: GENUG IST NICHT GENUG                          uns gibt es keine Agrarwende, ohne uns geht die Ar-
                                                                tenvielfalt weiter den Bach runter. Und das ist beileibe
     Dreieinhalb Jahre hat Minister Schmidt in Gesprächs-       kein Randthema. Nur eine nachhaltige und ökologi-
     zirkeln über Ökolandbau reden lassen. So brauchte er       sche Welt kann auf Dauer auch eine friedliche und so-
     sonst nichts dazu tun. Zum Ende seiner Amtszeit hat        zial gerechte Welt sein! Diesen ungemein wichtigen
     er eine so genannte „Zukunftsstrategie Ökologischer        Wahlkampf möchte ich gerne mit euch zusammen be-
     Landbau“ vorgelegt. Zentrales Ziel: 20 Prozent Öko-        streiten.
     landbau! Das hat Renate Künast schon vor 15 Jahren

                                                                                           SÜDWESTGRÜN 10/18       9
SÜDWESTGRÜN - Agnieszka Brugger
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                                         MATTHIAS GASTEL
                                         sprecher Für bahnpolitik
                                         WWW.MATTHIAS-GASTEL.DE
                                         Tel. 030 / 227-74150, Fax 030 / 227-70150, matthias.gastel@bundestag.de
                                         WAHLKREISBÜRO Aicher Straße 2 (Zugang über Rosenstraße), 70794 Filderstadt
                                         Tel. 0711 / 99726140, matthias.gastel.ma04@bundestag.de

      SCHNELLE WEGE FÜR DAS RAD                                        langem für eine Vereinfachung beim Rechtsabbiegen
                                                                       ein, um schwere Unfälle an befahrenen Kreuzungen

      R     adschnellwege können einen wichtigen Beitrag
            zur Stauvermeidung und damit zur Erhöhung der
                                                                       sowie unnötiges Warten an freien Kreuzungen zu
                                                                       vermeiden. Kommunen sollten die Möglichkeit erhal-
      Lebensqualität in Städten leisten. Viele Regionen sind           ten, Radfahrenden durch einen Grünpfeil das Rechts-
      bereits in die Planung oder den Bau von Radschnell-              abbiegen an geeigneten Kreuzungen auch bei Rot zu
      wegen eingestiegen. Insgesamt haben die Bundeslän-               erlauben. Selbstverständlich muss dabei feststehen,
      der bei einer aktuellen Gesamtaufstellung einen                  dass Fußgänger und Querverkehr immer Vorrang
      Bedarf von mindestens 80 Radschnellwegen in                      haben. Eine solche Regelung hat sich in unseren
      Deutschland mit einer Gesamtlänge von mehr als                   Nachbarländern Frankreich, Niederlande, Belgien und
      1600 Kilometern ermittelt. Die Große Koalition hat               Schweiz bereits bewährt. Während die Bundesregie-
      im Bundeshaushalt 2017 erstmals Geld für den Bau                 rung die Idee lange Zeit strikt abgelehnt hat, zeigt sie
      von Radschnellwegen eingestellt. Das klingt auf den              sich nun erstmals etwas beweglicher. So will sie die
      ersten Blick prima. Bei genauerem Hinsehen wird die              Bundesanstalt für Straßenwesen untersuchen lassen,
      Freude darüber jedoch ausgebremst. Erstens kann                  ob der grüne Pfeil für RadfahrerInnen unter Verkehrs-
      2017 wohl kein einziger Euro abfließen, weil es die              sicherheitsgesichtspunkten sinnvoll ist. Wir Grüne
      Bundesregierung verschlafen hat, rechtzeitig eine                werden hier weiter Druck machen, damit der Ankün-
      notwendige Verwaltungsvorschrift vorzulegen. So                  digung auch rasche Taten folgen.
      müssen Länder, die, wie Baden-Württemberg, bei
      Radschnellwegen bereits aktiv sind, erstmal alleine              Mobilität für alle – für ein barrierefreies Verkehrsnetz
      weiter machen. Zweitens sind die im Haushalt einge-
      stellten Mittel von 25 Millionen Euro ein Tropfen auf            Bus und Bahn sind häufig nicht barrierefrei nutzbar –
      den heißen Stein. Die Aufstellung der Länder hat er-             das wissen alle, die im Rollstuhl oder E-Scooter, mit
      geben, dass ein Radschnellweg durchschnittlich 15                Rollator oder Kinderwagen unterwegs sind. Auch wer
      Millionen Euro kostet. Somit reichen die Bundesmit-              blind oder gehörlos ist, kann öffentliche Verkehrsmit-
      tel nicht mal aus, um zwei Projekte pro Jahr alleine             tel häufig nicht ohne Probleme nutzen. Fehlende
      zu finanzieren. Die Finanzierung von 80 Projekten                Leitsysteme und Signaltöne erschweren blinden Men-
      würde so Jahrzehnte dauern. Um Radschnellwegen in                schen die Orientierung. Gehörlose Menschen werden
      Deutschland einen echten Schub zu verleihen, for-                von wichtigen Informationen ausgeschlossen, wenn
      dern wir Grüne im Bundestag eine Vervierfachung der              diese nur durchgesagt werden. Mit komplizierten
      Mittel auf mindestens 100 Millionen Euro pro Jahr.               Fahrscheinautomaten sind nicht nur Menschen mit
                                                                       Lernschwierigkeiten überfordert.
      Bewegung bei Grünpfeil für Radfahrende                           Das Personenbeförderungsgesetz schreibt die voll-
                                                                       ständige Barrierefreiheit im ÖPNV bis zum 1.1.2022
      Eine lebhafte Debatte dreht sich auch um einen                   vor. Dass dieses Ziel nicht erreicht wird, musste die
      Grünpfeil für Radfahrende. Wir Grüne setzen uns seit             Bundesregierung nun eingestehen. Was gedenkt sie

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SWG 10_18:Südwestrgrün 03.04.17 08:19 Seite 11

                 idEEN    NEuE
      FÜR EiNE NachhaltiGE

                mobilität
      dagegen zu unternehmen? Nichts – denn mehr Geld           Es gibt also noch viel zu tun für ein Verkehrsnetz für
      sei nicht sinnvoll. Stattdessen setzt man auf Appelle.    alle. Wir bleiben dran!
      Nicht nur aus unserer Sicht eine völlig inakzeptable
      Aussicht für die betroffenen BürgerInnen. In einem        Bundesregierung will Bahn-Engpass zwischen Stutt-
      gemeinsam mit meiner Kollegin Corinna Rüffer aus-         gart-Zuffenhausen und Feuerbach nicht sehen
      gerichteten öffentlichen Fachgespräch am 20.3.2017
      haben wir mit Vertretern von Fahrgastverbänden,           Einer der bedeutendsten Engpässe im deutschen
      Verkehrsunternehmen, den gesetzlichen Krankenkas-         Schienennetz ist der Abschnitt zwischen Stuttgart-
      sen und den Kommunalen Spitzenverbänden die Pro-          Feuerbach und Zuffenhausen, also die nördliche Zu-
      bleme und mögliche Lösungsansätze diskutiert.             laufstrecke für S-Bahnen sowie die Regional- und
      Ein häufiges Problem für den Umbau von Haltestellen       Fernverkehrszüge zum alten und zum künftigen
      ist neben den fehlenden Finanz- und Planungskapa-         Hauptbahnhof. Die Landesregierung hatte diesen Ab-
      zitäten, dass die Zuständigkeiten unterschiedlich         schnitt zum Ausbau angemeldet. Doch im Bundesver-
      sind. Oftmals fehlt auch die Übersicht über den Zu-       kehrswegeplan spielt die Engpassbehebung (bislang)
      stand und Prioritäten. Planverfahren für den Umbau        keine Rolle. Auf meine Nachfrage hat der Bund sogar
      einer Haltestelle in Städten dauern häufig mehrere        das Bestehen einer Streckenüberlastung geleugnet.
      Jahre.                                                    Das hat Methode: Bei den Schienenwegen wird – an-
      Für den Fernbus stellt sich die absurde Situation dar,    ders als bei den Straßen – die Auslastung immer über
      dass barrierefreie Haltestellen des ÖPNV in Sicht-        mehrere Stunden betrachtet und dann gemittelt. So
      weite der Fernbushaltestellen nicht mitgenutzt wer-       werden bei den Straßen die Belastungen hoch- und
      den dürfen, selbst wenn diese noch freie Kapazitäten      bei den Schienenwegen runtergerechnet. Das Ergeb-
      hätten. Dennoch kann der Fernbusmarkt ab 2020             nis: Viele Straßenaus-/Neubauten, wenig für die
      eine Vorreiterrolle für barrierefreies Reisen einneh-     Schienenwege. Die Auslastung für den nördlichen
      men.                                                      Zulauf liegt in einzelnen Stunden bei 133 Prozent.
      Auch bei der Bahn stand der Umbau der Stationen im        Um keinen Engpass einräumen zu müssen, greift der
      Zentrum der Debatte. Hier wurde deutlich, dass feh-       Bund zu einem weiteren Trick: Er verschiebt einen
      lende Finanzmittel, zu wenig Personal und unter-          Teil der Züge, die im Auftrag des Landes fahren und
      schiedliche Bahnsteighöhen ein Problem sind.              mit den Metropolexpress-Zügen noch neu dazu kom-
      Die Ausstattung von Menschen mit Behinderungen            men, in seinen Betrachtungen einfach in die Nacht-
      erfolgt derzeit oftmals nicht mit sinnvollen Hilfsmit-    stunden. Nachts wird mit einem Zuwachs von 200
      teln, weil jede Versorgungstelle nur für den ihr zuste-   Prozent gerechnet, während am Tag die Zugzahlen
      henden Bereich entscheiden darf. Besonders der            um 15 Prozent abnehmen sollen. Das dürfen wir der
      „Nahbereich der Wohnung“, welcher durch die Kran-         Bundesregierung nicht durchgehen lassen! Der Eng-
      kenkassen abgedeckt wird, ist so eng gefasst, dass        pass muss als solcher anerkannt und durch den Bau
      ein sicherer Transport in Fahrzeugen oder dem ÖPNV        eines fünften und sechsten Gleises beseitigt werden!
      nicht möglich ist.                                        Daher haben wir eine neue Anfrage eingebracht.

                                                                                          SÜDWESTGRÜN 10/18       11
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                                         SyLVIA KoTTING-UHL
                                         sprecherin Für atompolitik
                                         WWW.KOTTING-UHL.DE

                                         Tel. 030 / 227-74740, Fax 030 / 227-76742, sylvia.kotting-uhl@bundestag.de
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      60 jAHRE EURATOM UND DAS DESASTER AN                             am 8. Oktober 2014 staatliche Beihilfen für den briti-
      UNSEREN GRENZEN                                                  schen AKW-Neubau Hinkley Point C. Die Kommission
                                                                       stützte sich dabei auf das Förderungsziel, das dem Eu-

      D     as Geburtstagsständchen „Wie schön, dass du ge-
            boren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst…“
                                                                       ratom-Vertrag zu Grunde liegt. Dort heißt es, Mit-
                                                                       gliedstaaten müssten Investitionen erleichtern und die
      singen wir dem antiquierten Euratom-Vertrag nicht.               Schaffung der wesentlichen Anlagen sicherstellen, die
      Ist das bei seiner Gründung im Jahr 1957 schon ab-               für die Entwicklung der Kernenergie in der Gemein-
      surde Ziel „die Voraussetzungen für die Entwicklung              schaft notwendig seien. Mehrere Energieunternehmen
      einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen, welche die            klagen nun wegen der wettbewerbsverzerrenden Wir-
      Energieerzeugung erweitert, die Technik modernisiert             kung auf dem europäischen Strombinnenmarkt und
      und auf zahlreichen anderen Gebieten zum Wohlstand               der Benachteiligung anderer Stromerzeuger gegen die
      ihrer Völker beiträgt“ doch unverändert geblieben.               Entscheidung. Von staatlicher Seite wurde eine Nich-
                                                                       tigkeitsklage von Österreich und Luxemburg beim Ge-
      Atomkraft ist gescheitert – vor allem an sich selbst
                                                                       richtshof der Europäischen Union eingebracht. Die
      Die Vorstellung von der Atomkraft als einer sauberen             Bundesregierung lehnte 2014 zweimal die Grüne For-
      und sicheren Energiequelle ist längst gescheitert - am           derung ab, sich diesem Klageverfahren anzuschließen
      Widerstand der Bürgerinnen und Bürger, die sich nicht            oder eine eigene Klage zu erheben. Immerhin hat das
      für dumm verkaufen ließen, an besseren Alternativen              Espoo-Komitee meiner Beschwerde wegen fehlender
      wie den Erneuerbaren Energien, vor allem aber an sich            grenzüberschreitender UVP stattgegeben. Das muss
      selbst. Die Reaktorkatastrophen von Tschernobyl und              Großbritannien nun nachholen. Die Bundesregierung
      Fukushima, Berge von hochradioaktivem und über                   vertut leider die Chance, zum Atomausstieg in Europa
      Millionen Jahre strahlendem Müll, und schließlich                beizutragen. Anfang dieses Monats ging es entspre-
      auch die schlechte wirtschaftliche Rentabilität haben            chend weiter: Die EU-Kommission bewilligte staatliche
      es jedem, der sehen will, gezeigt: Atomkraft ist vor             Beihilfen für den Bau zweier Reaktoren im ungari-
      allem eine teure, unbeherrschbare Hochrisikotechno-              schen Paks und bezog sich erneut auf den Eura-tom-
      logie, die Mensch und Umwelt krank macht, über                   Vertrag. Auch die Entscheidung der Kommission,
      Jahrtausende nachwirkt und damit der wahrscheinlich              staatliche Beihilfen für den Langzeitbetrieb der belgi-
      größte Irrtum in der Geschichte der Menschheit. Der              schen Reaktoren Tihange 1 sowie Doel 1 und 2 gut zu
      Deutsche Bundestag hat daraus fraktionsübergreifend              finden, fiel in diesen Monat. Hier zeigt sich eine
      am 30. Juni 2011 die richtige Konsequenz gezogen                 Grundhaltung der Kommission, die uns ein nachhalti-
      und diesmal auch mit den Stimmen von CDU/CSU und                 ges Problem bescheren wird, denn viele Länder planen
      FDP den Atomausstieg beschlossen.                                Laufzeitverlängerungen ihrer Atomkraftwerke. Die
                                                                       Störanfälligkeit und damit Gefährlichkeit von AKW
      Euratom fördert den Ausbau von Atomkraft...                      steigt aber nach circa 30 Jahren mit jedem weiteren
      Noch kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit bewilligte die             Jahr steil an.
      letzte EU-Kommission mit tatkräftiger Unterstützung
      des damaligen Energiekommissars Günther Oettinger
         12    SÜDWESTGRÜN 10/18
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       60 JahRE EuRatom
                uNd das dEsastER

                          aN      uNsEREN GRENzEN
     ... und verhindert Mitsprache                              weile rund 20 Milliarden gestiegen. Zeitliche Verzöge-
                                                                rungen, Missmanagement und mangelnde Transparenz
     Euratom begründet die souveräne Entscheidungsge-
                                                                sind an der Tagesordnung. Wenn überhaupt, dann wird
     walt der Staaten bei der Nutzung der Atomkraft. Doch
                                                                diese Technologie frühestens im Jahr 2050 einsatzreif
     anders als die Atomaufsicht stoppt die radioaktive
                                                                sein. Bis dahin werden wir unsere Energieerzeugung
     Wolke an der Grenze nicht. An Deutschlands Grenzen
                                                                längst vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt
     stehen besonders viele Schrottreaktoren wie die belgi-
                                                                haben müssen. Wind- und Sonnenstrom werden dann
     schen Rissemeiler Tihange 2 und Doel 3, das weltweit
                                                                unschlagbar günstig sein. Die zentrale, schlecht regel-
     älteste Schweizer AKW Beznau mit ähnlichen Befun-
                                                                bare Großstromerzeugung von Fusionsreaktoren ist
     den und die französischen Altmeiler Fessenheim und
                                                                schon heute nicht mehr zeitgemäß. Die Bundesregie-
     Cattenom, die weder gegen Überflutung noch Erdbe-
                                                                rung erklärt in ihrem Bundesbericht Energieforschung
     ben ausreichend geschützt sind. Anrainerstaaten
                                                                2016 trotzdem: „Die Bundesregierung setzt zur lang-
     wären zwar vom GAU betroffen, dürfen bei Sicher-
                                                                fristigen Sicherung der Energieversorgung in Deutsch-
     heitsfragen aber nicht mitreden. Das ist schon seit der
                                                                land auch auf die Fusionsforschung.“
     Erfahrung der über Europa ziehenden Wolke aus
     Tschernobyl nicht mehr akzeptabel.                         Euratom endlich erneuerbar ausrichten

     Energieforschung: Wiedereinstieg ins Atomzeitalter via     Klimakrise, Wirtschaftskrise und die Abhängigkeit von
     Euratom                                                    Energieimporten stellen Europa vor gewaltige Heraus-
                                                                forderungen. Ein großer Schritt zu deren Bewälti-gung
     Euratom ist undemokratisch und intransparent. Das
                                                                wäre eine gemeinsame Energiewende auf der Basis von
     Europäische Parlament verfügt über keinerlei Entschei-
                                                                Erneuerbaren und Effizienz. Die EU hat sich mit der
     dungsrecht beim Euratom-Budget. Die Ausrich-tung
                                                                Roadmap 2050 zum Ziel gesetzt, ihre Emissionen bis
     der europäischen Energieforschung wird von Euratom
                                                                2050 um 80 bis 95 Prozent im Vergleich zu 1990 zu
     gesteuert, ohne Beteiligung des Parlaments. Schließlich
                                                                senken. Das Schielen auf Atomkraft zum Erreichen des
     muss das Ziel von Euratom - die "mächtige Kernindus-
                                                                Ziels verstellt dabei den Blick auf das tatsächlich Not-
     trie" - am Leben gehalten werden. Auch das Ausstiegs-
                                                                wendige.
     land Deutschland beteiligt sich über seine
                                                                Eine Atom-Rolle rückwärts führt ins ökologische und
     Euratom-Beiträge daran, immense Summen an Steuer-
                                                                ökonomische Desaster! Die Hochrisikotechnolgie darf
     geld für Forschung an Kernfusion, Transmutation und
                                                                nicht weiter privilegiert und hofiert werden. Deswegen
     Reaktoren der IV. Generation auszugeben – Technolo-
                                                                muss der Euratom-Vertrag endlich grundlegend refor-
     gien, deren Anwendung in Deutsch-land den Wieder-
                                                                miert werden. Der Brexit, für die EU ein historischer
     einstieg in die Atomkraft bedeuten würde. Das
                                                                Rückschlag und tief zu bedauern, birgt durch den mit
     gefräßigste dieser Projekte ist ITER. Ein Kernfusionsre-
                                                                ihm verbundenen Austritt Großbritanniens aus Eura-
     aktor, der gemeinsam von der EU, den USA, Russland,
                                                                tom aber immerhin eine Gelegenheit für Neuausrich-
     China, Indien, Japan und Südkorea im französischen
                                                                tung und Verbesserung des Vertrags. Die Geburtsstunde
     Cadarache gebaut werden soll. Die Kostenschätzungen
                                                                eines zeitgemäßen Energievertrags für die EU wäre
     sind von 4,6 Milliarden Euro im Jahr 2001 auf mittler-
                                                                dann tatsächlich Anlass für ein fröhliches Lied.
                                                                                         SÜDWESTGRÜN 10/18       13
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                                         CHRIS KüHN
                                         sprecher Für bau- und Wohnungspolitik
                                         WWW.CHRISKUEHN.DE

                                         Tel. 030 / 227-73097, Fax 030 / 227-76097, christian.kuehn@bundestag.de
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     LANDSCHAFT UND KLIMA SCHÜTZEN                                    geschrieben wurde, ermöglicht neue Baugebiete im
                                                                      Außenbereich. Ab sofort können Gemeinden Bauge-

     A     nfang März hat die Große Koalition eine No-
           velle des Baugesetzbuches beschlossen, die un-
     sere Städte nachhaltig verändern wird. Mit der
                                                                      biete bis zu einer Größe von einem Hektar bebauter
                                                                      Grundfläche in ihrem Außenbereich im erleichterten
                                                                      Verfahren ausweisen. Damit entfällt die frühzeitige
     Novelle geht eine neue Gebietskategorie einher, das              Unterrichtung der Öffentlichkeit genauso wie die obli-
     „urbane Gebiet“. Damit kommen die schwarz-rote                   gatorische Umweltprüfung. Ausgleichsmaßnahmen
     Stadtentwicklung und auch das BauGB endlich in der               für Eingriffe in die Natur sind nicht mehr nötig. Die
     Gegenwart an und sind sogar für eine Zukunft der Ur-             Bundesregierung spricht damit eine Einladung zur
     banisierung und des Trends zum Leben in der Groß-                planlosen Zersiedlung aus. Gerade in ländlichen Räu-
     stadt gerüstet. Ins urbane Gebiet sind auch viele                men ohne Wohnraummangel droht die Neuauswei-
     Grüne Ideen eingeflossen: Der Vorrang von Innen- vor             sung von Baugebieten auf Äckern am Ortsrand. Denn
     Außenentwicklung, die Vision der Stadt der kurzen                der Paragraph 13b gilt überall, nicht nur dort, wo
     Wege und die enge Verzahnung von Arbeiten und                    Wohnraummangel herrscht. Das zieht noch mehr In-
     Leben. Eigentlich ein Grüner Erfolg.                             frastrukturmaßnahmen nach sich, die ebenfalls Fläche
                                                                      verbrauchen und die Kommunen zusätzlich finanziell
     Ein Gesetz mit Pferdefüßen
                                                                      belasten. Statt für lebenswerte Städte und starke
     Leider hat das Gesetz jedoch zwei große Pferdefüße.              Kommunen zu kämpfen, gibt die Bundesregierung die
     Zum einen erhöht es den zulässigen Lärmpegel im ur-              Innenstädte und Dorfkerne verloren. Mit einem sol-
     banen Gebiet um 3 Dezibel. Das ist eine Verdoppelung             chen Flächenfraßparagraphen ist das 30-Hektar-Ziel
     des Schallschlags und wird bereits als gesundheits-              nicht mehr zu halten. Im Gegenteil: Umweltschützer
     schädlich eingestuft. Lärm in dieser Größenordnung               schätzen, dass der Flächenverbrauch auf bis zu 120
     wirkt sich aufs Herz-Kreislauf-System und kann zu                Hektar pro Tag ansteigen könnte, wenn nur die Hälfte
     Schlaf- und Konzentrationsproblemen führen. Es ist               der Gemeinden in Deutschland von dem neuen Bau-
     gesundheitspolitisch verantwortungslos, Menschen                 recht Gebrauch machen und zusätzliche Bauflächen
     ungeschützt diesem Schallschlag auszusetzen. Wir                 ausweisen würden. Aktuell liegt der Flächenverbrauch
     Grüne haben deshalb einen guten Vorschlag gemacht,               bei rund 75 Hektar. Damit würden das bisher Erreichte
     wie urbanes Gebiet und Lärmschutz zusammen passen                Null und Nichtig werden.Bei der Abstimmung im Bun-
     können. Wir setzen auf den technischen Lärmschutz,               destag haben wir Grüne deshalb zwar dem urbanen
     das sogenannte Hamburger Fenster. Diese Art von                  Gebiet zugestimmt, den 13b in einer gesonderten Ab-
     passivem Lärmschutz wird bereits angewendet und                  stimmung aber abgelehnt. Zersiedelung durch die
     hat sich als praktikable Lösung erwiesen.                        Hintertür und Zubetonierung wertvollen Bodens und
                                                                      Ackerlandes sind mit uns nicht zu machen.
     Der Flächenfraßparagraph
                                                                      Gebäudeenergiegesetz – Potenziale für den Klima-
     Den viel größeren Einschnitt macht die BauGB-No-                 schutz ausschöpfen
     velle aber beim Flächenverbrauch. Der Paragraph 13b,
     der auf Druck des Bundeslands Bayern in das Gesetz               Das Weltklima macht gerade Negativschlagzeilen.
                                                                      Starkwetterereignisse auf der ganzen Welt nehmen
         14    SÜDWESTGRÜN 10/18
SWG 10_18:Südwestrgrün 03.04.17 08:19 Seite 15

                  LANDSCHAFT UND
                      kLIMA
                                                              SCHÜTzEN
      zu, aktuell leidet Peru unter heftigen Überschwem-        Energieeinsparung für Gebäude sind nicht am Klima-
      mungen und Erdrutschen. In einem Drittel des Landes       schutz ausgerichtet. Sie unterscheiden viel zu wenig,
      wurde der Notstand ausgerufen, 12 000 Hektar Ern-         wie klimaschädlich die Energien sind. So werden bei-
      teflächen sind vernichtet, über 175 000 Häuser be-        spielsweise Öl- und Gasheizungen nahezu gleich be-
      schädigt oder zerstört. Das Pazifikwasser vor der         handelt. Wir Grüne wollen einen ergänzenden
      Küste ist 5,5 Grad zu warm. Unter unnatürlicher Hitze     Klimaschutzfaktor, der die tatsächlichen CO2-Emis-
      litt diesen Winter auch die Arktis. Die Temperaturen      sionen bei der Bemessung berücksichtigt.
      sind zwischenzeitlich bis fast auf den Schmelzpunkt       Der Gesetzentwurf ist mittlerweile aufgrund interner
      gestiegen, die Eisdecke ist so dünn wie nie.              Streitigkeiten gescheitert. Die Union hat das Gesetz
      Was uns alarmiert, scheint bei der Bundesregierung        u.a. deshalb zerschossen, weil bei Nichtwohngebäu-
      aber noch längst nicht angekommen zu sein. Die Ko-        den künftig der KfW-55 Standard gelten soll. Uns
      alitionsfraktionen schaffen es nicht, sich auf eine Ge-   Grünen geht das aber noch nicht weit genug: Wir
      bäudeengeriespargesetz zu einigen. Dabei werden           wollen den KfW-40 Standard für alle Neubauten,
      noch immer 40 Prozent der Energie im Gebäudebe-           auch für Privateigentümer. Anders ist ein nahezu kli-
      reich verbraucht. Hier gibt es gewaltige Einspar- und     maneutraler Gebäudebestand bis 2050 nicht zu errei-
      Klimaschutzpotenziale. Das Bundeswirtschaftsminis-        chen.
      terium und das Bundesumweltministerium hatten
                                                                Pflicht für erneuerbare im Bestand
      kürzlich einen Gesetzentwurf vorgelegt, der das Ener-
      giesparrecht vereinfachen sollte. Der Gesetzentwurf       Baden-Württemberg ist in Sachen Gebäudeenergieef-
      bündelt EnEG, EnEV und EEWärmeG in einem neuen            fizienz bereits mit gutem Beispiel voran gegangen.
      Gesetz. So weit so gut. Leider belässt die Bundesre-      Als einziges Bundesland gibt eine Pflicht für erneuer-
      gierung es bei der bloßen Zusammenlegung der be-          bare Energien auch im Bestand. Wer seine alte Hei-
      stehenden Regeln. Damit verpasst sie die Chance,          zung austauscht, muss 15 Prozent erneuerbare
      endlich auf den aktuellen Stand der Diskussion über       Energien beim Heizen nachweisen. Einen solchen
      eine moderne und klimaschonende Wärmeversorgung           Mindestanteil an erneuerbaren Energien im Bestand
      aufzuschließen. Der Gesetzentwurf bringt weder eine       gibt es bisher nur bei uns im Ländle. Wir Grüne haben
      erhebliche Vereinfachung der bestehenden Regelun-         schon vor einigen Monaten einen entsprechenden
      gen, wie sie von vielen Akteuren gefordert wird, noch     Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der
      setzt er neue Impulse für Klimaschutz und Erneuer-        sich am baden-württembergischen Vorbild orientiert,
      bare Energien in der Wärmeversorgung. Damit lässt         damit endlich mehr erneuerbare Energien bei der
      die Bundesregierung die großen Potenziale der Wär-        Wärme eingesetzt werden. Wir fordern von der Bun-
      mewende für Innovation und Arbeitsmarkt ungenutzt         desregierung, den Entwurf für ein Gebäudeenergiege-
      liegen.                                                   setz grundlegend zu überarbeiten und diese große
                                                                Chance für einen Aufbruch im Wärmebereich nicht
      Klimaschutzfaktor als Bemessungsgröße
                                                                leichtfertig zu verspielen.
      Besonders problematisch ist, dass der Gesetzentwurf
      noch immer nicht die CO2-Emissionen als Bemes-
      sungsgrößen festlegt. Die bisherigen Vorgaben für die
                                                                                         SÜDWESTGRÜN 10/18      15
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