Salvator weltweit - Unser Haus Erde - Salvatorianerinnen weltweit
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04 INDIGENE VÖLKER Land ist kein Eigentum 10 SALVATORSCHULE NAZARETH Projekt Bewahrung der Schöpfung 12 WERTVOLLE RESSOURCEN Wem gehören die Bodenschätze? 16 INTERVIEW & IMPRESSUM Jean Ziegler: „Die kannibalische KLOSTERGÄRTEN: Wie die Weltordnung tötet” Salvatorianerinnen in Sri Lanka traumatisierten Jugendlichen hel- 18 LAUDATO SI' fen und ein junger Novize in Manila Gebet für unsere Erde im Dachgarten Kräuter zieht .... 19 KLOSTERGÄRTEN Außergewöhnliche Reise um die Welt 26 P. SEBASTIAN WEIH Unser Haus Erde Der Heuschreckenflüsterer 28 UMGEDACHT! REICHE ARME LÄNDER: Lernerfahrungen junger MaZ-Freiwilliger Wie P. Luis Domingo SDS in Venezuela Kinder stark 30 MENSCHENHANDEL m macht ... Hilfe für die Opfer 34 WASSER UND SONNE "Grüne" Projekte 38 RUMÄNIEN Von der Kolchose zum Sozialbetrieb 42 UPCYCELN UND GEWINNEN Aus Abfall entsteht Schönes GRÜNE PROJEKTE: Wie Schwestern und Patres in 44 GEMEINSAM AKTIV Brasilien, in der DR Kongo, in Von Fastenessen bis Kuchenverkauf Tansania und auf den Komoren mit den Menschen neue Wege gehen ... 2
P. Georg Fichtl SDS Stefanie Adam Lukas Korosec Ursula Schulten Petra Gramer Missionsdirektor Deutschland Referentin PR und Spenden Missionsprokurator Österreich Projektreferentin Referentin PR und Spenden Salvatorianer Weltweit Salvatorianer Weltweit Salvatorianer Weltweit Salvatorianerinnen weltweit Salvatorianerinnen weltweit Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde und Förderer unserer salvatorianischen Missionen, im Buch Genesis heißt es: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut.“ Die Schöpfungsgeschichte erzählt von Gottes Liebe zu seinen Geschöpfen. „Die Sonne und der Mond, Mehr denn je scheint diese creatio ex amore derzeit be- droht. Dürrekatastrophen, Wirbelstürme und Überschwemmungen, die Zeder und die Feldblume, Artensterben und Luftverschmutzung sind nur einige der Symptome, an der Adler und der Sperling denen der Wandel erkennbar ist. Gleichzeitig sind das Wissen um die Zusammenhänge und die Möglichkeiten, darauf zu reagieren, so groß – all die unzähligen Verschie- wie nie. Mehr denn je ist die Menschheit also auch dazu aufgerufen, die denheiten und Ungleichheiten Schöpfung zu bewahren und den kommenden Generationen eine Erde zu hinterlassen, auf der ein gutes Leben möglich ist. besagen, dass kein Geschöpf Jeder kann etwas dazu beitragen: „Alle können wir als Werk- sich selbst genügt, dass die zeuge Gottes an der Bewahrung der Schöpfung mitarbeiten, ein jeder von Geschöpfe nur in Abhängig- seiner Kultur, seiner Erfahrung, seinen Initiativen und seinen Fähigkeiten aus“, schreibt Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato si“. Als keit voneinander existieren, Mitglieder der salvatorianischen Familie fühlen wir uns davon in beson- um sich im Dienst aneinan- derer Weise angesprochen. Unser Gründer Pater Jordan stammte aus einfachsten Verhältnissen, sein Vater war in der Landwirtschaft tätig. Die der gegenseitig zu ergänzen.“ Familie war auf eine intakte Natur angewiesen, um ihren Lebensunterhalt Papst Franziskus, Laudato si zu sichern. Das salvatorianische Engagement zur Bewahrung der Schöpfung hat heute viele Facetten. Einige stellen wir Ihnen in dieser ersten Ausgabe des „Salvator weltweit“ vor. Wir nehmen Sie mit auf die Philippinen, wo wir uns für den Schutz indigener Völker einsetzen, de- ren Lebensraum immer weiter zerstört wird. Wir schauen auf den Kongo und nach Venezuela, wo der Ressourcenreichtum zum Fluch geworden ist und zu größter Not geführt hat, der wir uns mit unseren Bildungs- und Gesundheitsprogrammen entgegenstellen. Wir zeigen, warum Menschen weltweit zu Opfern skrupelloser Menschenhändler werden und wie wir ih- nen beistehen und uns für Prävention einsetzen. Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre! Ihr Redaktionsteam 3
INDIGENE VÖLKER PHILIPPINEN Land ist kein Eigentum, sondern Lebensquelle Landraub, Umweltzerstörung, Klima- wandel bedrohen weltweit die Lebens- räume indigener Völker – auch auf den Philippinen. Dort sind rund 20% der Bevölkerung so genannte Naturvölker. Als Minderheit werden sie oft als Men- schen zweiter Klasse behandelt, er- halten keinen Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung, kämpfen vie- lerorts gegen Menschenrechtsverlet- zungen. Jedes Jahr im April besucht der Salva- torianer Pater Hubert Kranz eines dieser Völker auf der Insel Mindoro – mit Medi- kamenten, Kleidung und einem ganzen Ärzteteam. TEXT: Stefanie Adam FOTOS: P. Hubert Kranz SDS 4
INDIGENE VÖLKER PHILIPPINEN Wenn P. Hubert Kranz SDS Medikamente und Nahrung bringt, packen alle mit an. Für viele Indigene auf Mindoro sind er und seine Helfer die einzige Chance auf medizinische Behandlung. Dort gibt es so gut wie nichts – Dort leben sie friedlich unter ein- keine Straßen, keinen Strom – nur fachsten Bedingungen von dem, bunte Steine und verstreute Häu- was in den Bergen wächst. Sie ser. 1000 Einwohner zählt der ab- pflegen ihre eigene Sprache und geschiedene Ort. Ab und an kommt Traditionen, bauen Süßkartoffeln, Am Ufer winkt eine junge Frau den ein Händler vorbei und kauft die Reis und Taro an und jagen klei- kleinen Auslegerbooten zu, die sich bunten Steine vom Strand, um sie nere Tiere. Ihre Abgeschiedenheit dem schmalen Küstenstreifen nä- als Gartendekoration in philippi- verlassen sie nur selten. Unter hern. Sie schaukeln auf den Wel- nischen Großstädten zu verkau- anderem dort, wo Pater Hubert len, das Meer ist unruhig und die fen. Ihr Sammeln und Sortieren Kranz einmal im Jahr mit seinem Boote sind schwer beladen. Auf ih- sorgt neben dem Fischfang für Team landet. Denn für die meis- nen stapeln sich Kartons und Kis- den kargen Lebensunterhalt der ten Bewohner ist die jährliche ten voller Lebensmittel, Kleider und Dorfbewohner. so genannte „Medical Mission“ Medikamente, ganz zu schweigen der einzige Zugang zu ärztlicher von den 29 Passagieren: Ein gan- Verdrängt und vergessen – Behandlung und Medikamenten. zes Ärzteteam mit Laborantin und Das Volk der Magayan Krankenschwester, 17 salvatoria- Ein Schulzimmer als Klinik nische Studenten, eine Lehrerin, Hinter der schmalen Küste erhebt Vertreter einer salvatorianischen sich schroff und steil ein Berg. Ihn Mittlerweile haben die Boote das Jugendgruppe aus Talon und die bewohnen die Magayan, die ur- Ufer erreicht. Die junge Frau geht Initiatoren der Reise, Schwester sprünglichen Bewohner der 4200 den Ankömmlingen entgegen und Emma Corona und Pater Hubert Quadratkilometer großen Insel. begrüßt sie herzlich. Sie kennt Kranz. Nach Schätzungen leben heute Pater Hubert bereits von einem noch rund 100.000 von ihnen auf Besuch im Oktober letzten Jahres, Seit den frühen Morgenstunden Mindoro. Verdrängt durch Minen- als er begonnen hatte, die Mission sind sie zu Land und Wasser un- baugesellschaften und Neubesie- vorzubereiten. terwegs. Über 3 Stunden hat allein delung von außen, betroffen von die Reise auf dem Meer gedauert, Umsiedelung, hat sich der Großteil Bei der Entladung packen viele um das Dorf Bagolayag auf der von ihnen in die Berge und ins Hände mit an, auch der Ortsvor- Insel Mindoro zu erreichen. Landesinnere zurückgezogen. steher hilft mit. Die Männer des 6
Dorfes stellen einen Generator auf. Mit vereinten Kräften verwandeln sich die vier Schulzimmer der klei- nen Grundschule in eine improvi- sierte Arztpraxis, Zahnarztklinik, Apotheke und einen Lagerraum für Nahrung und Medikamente. Am Abend ist alles bereit für die beiden kommenden Tage und den Ansturm der Patienten. 2 Tage – 200 Menschen Und der ließ nicht auf sich warten. Ab den frühen Morgenstunden war Lange Schlangen bilden sich bei der medizinischen Registrierung. Viele Patienten sind stunden- das gesamte Team im Einsatz. lang unterwegs, oft unter Schmerzen, um sich untersuchen zu lassen. Insgesamt wurden in den beiden Tagen über 200 Menschen ärzt- „Ich dachte, wir schaffen die riesige lich versorgt. Menschenmenge niemals, aber am Ende des zweiten Tages waren alle versorgt und Der Allgemeinarzt Dr. Juancho und keiner blieb unbedacht." die Apothekerin Frau Nene hatten alle Hände voll zu tun, um über 160 Lerma dela Pena Menschen mit Diagnose, Behand- Lehrerin aus Talon lung und kostenloser Medizin zu helfen. Die Zahnärztin sah sich vor allem mit den Folgen der Mangel- beugt hatte: Über 200 Zahnbürs- kochten und verteilten gemein- ernährung konfrontiert. Bei über ten und Zahnpasta wurden unter sam mit den salvatorianischen 50 Menschen konnten die Zahn- den Menschen verteilt. Studenten Essen für alle Ange- schmerzen nur noch durch das reisten. Viele waren von der be- Ziehen der Zähne behoben werden. Die zwei Tage forderten Höchst- schwerlichen Reise ausgehungert Gut, dass das erfahrene Team leistungen von allen Helfern, auch und dankbar für die kostenfreie hier bereits für die Zukunft vorge- den Männern aus dem Dorf. Sie Mahlzeit. Auch die Second-Hand- In der improvisierten Apotheke werden kostenlos Medikamente ausgegeben. Unentgeltlich arbeiten auch die Mediziner: Dr. Juancho ist einer der ehren- amtlichen Ärzte, die sich um Kinder und Kranke sorgen. 7
Die Kinder freuen sich über die Spielsachen und Kleider aus zweiter Hand. Kleider, die Bewohner der Ge- Menschen, die nicht fassen kön- eines Tages großartige Dinge meinden Talon und Banaybanay nen, dass sich jemand von außer- leisten und ihre Inspiration und gesammelt und gespendet hat- halb für sie und ihre Sorgen Motivation kamen von solchen ten, fanden neue Besitzer. Und die interessiert. Aktionen”, teilt er mit uns seine salvatorianische Jugendgruppe Hoffnungen. sorgte mit Spielen und Programm Aber auch die Teilnehmer, von für die Unterhaltung der warten- denen viele gebürtige Philippinos Ein Abenteuer als Belohnung den Kinder. sind, können oft nicht glauben, – Selbstlose Hilfe für die welch schwierige Lebensumstän- Armen Voneinander lernen de im eigenen Land herrschen. Gerade für die jungen salvatoria- „Man darf es nicht verleugnen, „Aber es geht nicht nur um die nischen Studenten sind die Tage die Mindoro Missionen haben im- ärztliche Versorgung und die ma- auf der Insel ein Bildungsprozess, mer etwas Abenteuerliches an terielle Hilfe, sondern auch um die der Pater Hubert beson- sich”, schmunzelt Pater menschliche Begegnung”, erzählt ders am Herzen liegt: Hubert. Und wahrschein- uns Pater Hubert Kranz. Bei seinen „Vielleicht werden un- lich liegt es genau an Einsätzen trifft er immer wieder auf sere jungen Mitglieder diesem Erlebnischa- „Ich erhoffe mir, dass unsere Studenten sich anspornen lassen, ihr Leben in den Dienst der Mitmenschen zu stellen.” P. Hubert Kranz SDS 8
„Ich habe begriffen, dass wir nicht jedem mit al- lem helfen können, aber zumindest für einige Menschen viel tun können.” Sigeon Pradeep Salvatorianischer Student getragen. Mit den Spenden kön- und wie schwache Wirtschafts- nen Ausrüstung und Transport leistung und teilweise skrupellose gezahlt und Nahrung und die nö- Wirtschaftsinteressen sich auf das tigen Medikamente gekauft wer- Leben der Schwächsten auswir- den. Um die Kosten so niedrig wie ken. Um nachhaltig Änderungen möglich zu halten, arbeiten alle herbeizuführen, wären perma- Salvatorianische Studenten und die Teilnehmer – auch das medizini- nente Präsenz und geänderte Bevölkerung helfen bei der Essensausgabe zusammen. Viele der Patienten sind von der sche Fachpersonal – absolut un- Strukturen nötig. langen Anreise ausgehungert. entgeltlich und schlafen sogar im Freien. So kommen die Spenden Bis dahin aber können punktu- genau dort an, wo sie gebraucht elle Aktionen, wie die Medical rakter, das sich jedes Jahr mehr werden: Bei den Kranken, Kindern Mission, zumindest einigen der Freiwillige melden als benötigt und Familien der Magayan. Ärmsten Hoffnung und Hilfe werden. schenken und nicht selten sogar Mehr Auch ein Tropfen kann Leben retten. Daher geht es auch Aber die Begeisterung zum Basar löschen im kommenden April wieder auf zieht auch Kreise bis nach auf S. 44 das weite Meer hinaus, mit klei- Deutschland. Schon seit Bei aller Freude über die nen Auslegerbooten an schma- Jahren werden alle Aus- gelungene Aktion bleibt Pater le Küstenstreifen, zu jenen Orten, gaben von Unterstützern aus der Hubert Kranz nachdenklich. Zu an die sonst keiner kommt, und Eifel rund um das Kloster Steinfeld deutlich wird bei seinen Einsätzen, zu Menschen, die für jede Hilfe und durch den Adventsbasar ei- wie sehr der Staat und seine dankbar sind. ner Pfarrgemeinde in München Einrichtungen im Land versagen Bedrohte Natur – Bedrohte Völker ca. 370.000.000 Menschen ca. 70 Länder Über 5000 indigene Völker leben welt- weit – von den Waldbewohnern des Amazonas bis zu den Inuits der Arktis. Vielerorts sehen sie sich und ihre Lebensräume durch westliche Politik- und Wirtschaftsinteressen bedroht. Papst Franziskus erinnert an den har- monischen und nachhaltigen Umgang der Indigenen mit der Natur: „Sie re- spektieren sie als Nahrungsquelle, ge- meinsames Haus und Altar, auf dem die Menschen teilen.” Und er sieht in ihnen Vorbilder, von denen wir lernen müssen. 9
SALVATORSCHULE NAZARETH Mit gutem Beispiel voran! Auch im Heiligen Land gehen zu viele Menschen sorglos mit der Schöpfung um. Dadurch verschärfen sich Kon- flikte um knappe Ressourcen, wie zum Beispiel Wasser. An der Schule der Salvatorianerinnen stemmt man sich gegen diesen Trend. TEXT: Petra Gramer FOTOS: CONGSDS Archiv Ausflug ans Wasser: Das Heilige Land gehört zu den Weltregionen, in denen dieser wertvolle Rohstoff knapp ist. Sr. Suneela ist verantwortlich für das Thema Nachhaltigkeit an der Salvatorschule. 10
Wenn es in der Salvatorschule zur Pause läutet, dann springt Lebensräume führt und damit zu Konflikten und Flucht.“ Dana als eine der ersten auf. Nicht, dass die Schülerin der Deshalb sind Dana und die anderen Kinder nun unterwegs: 5. Klasse das Unterrichtsende so sehr herbeigesehnt hät- Sie inspizieren Waschräume, Klassenzimmer und Flure. Wo te. Im Gegenteil, nun wartet sogar weitere Arbeit auf sie. Licht brennt, obwohl es hell ist oder niemand mehr im Raum Gemeinsam mit sieben anderen Mädchen und Jungen läuft ist, schalten es die Kinder aus. Wo Wasserhähne laufen, ob- Dana durch das weitläufige Schulgebäude. Die Kinder ha- wohl sich niemand die Hände wäscht, drehen sie sie zu. Und ben eine Mission: Sie wollen ihre Schule zu einem Ort ma- wo Brot im Mülleimer gelandet ist, fischen sie es heraus und chen, an dem mit Wasser, Elektrizität und Nahrungsmitteln sammeln es als Tierfutter. sorgsam umgegangen wird. Warum das wichtig ist und was sie dazu tun müssen, haben sie im Rahmen des Projekts „Gerechtigkeit – Frieden Plastikabfälle: – Bewahrung der Schöpfung (JPIC)“ der Upcycling statt Tonne Salvatorianerinnen gelernt. „JPIC gibt es seit 2011 in salvatorianischen Einrichtungen weltweit“, erzählt Auch anderen Abfall tragen Sr. Suneela, die Koordinatorin sie zusammen, zum Beispiel des Programms an der Salvator- Plastikflaschen. Daraus basteln schule. „Für uns in Nazareth ist es von gro- die Kinder Rosenkränze oder ßer Bedeutung. Das Heilige Land ist Palmzweige. Diese kommen multikulturell, multireligiös und mul- dann zu den verschiedenen christlichen tiethnisch und es gibt viele Konflikte Festen zum Einsatz. Regelmäßig stehen Ausflüge zwischen den Bevölkerungsgruppen.” Dazu auf dem Programm, zum Beispiel zu Nationalparks gehört auch das Empfinden, dass knappe na- oder zu besonders verschmutzten Orten. Hier er- türliche Ressourcen ungleich verteilt wer- leben die Kinder hautnah, wie wichtig es ist, sorg- den. „Umso wichtiger ist es, dass wir der sam mit der Natur umzugehen. Im Rahmen kleiner jungen Generation vermitteln, wie sie an- Kampagnen geben sie dieses Wissen in der Schule und deren Menschen und der Natur respekt- zu Hause weiter. voll begegnen”, bekräftigt Sr. Suneela. 42 Schülerinnen und Schüler der Klas- sen 4 bis 6 nehmen an dem Projekt teil. Hilfsbereitschaft steigt Auch die Schulleitung setzt Zeichen, wie wichtig ihr das Bewusstsein schaffen Projekt ist: „Während der ersten beiden Jahre hat eine Hilfsorganisation die Kosten des Projekts getragen, mitt- Die Kinder haben sich vorgenommen, mit gutem Beispiel lerweile sind wir in der Verantwortung“, sagt Sr. Suneela. voranzugehen und so auch ihre Mitschüler und ihre Familien Sie hat bereits Veränderungen im Verhalten vieler Kinder zu einem dauerhaft veränderten Verhalten zu bewegen. „Sie und Jugendlicher an der Schule festgestellt. Am Ziel sind haben gelernt, dass es bald nicht mehr genügend Süßwasser sie in Nazareth jedoch noch nicht: „Die Schöpfung zu be- gibt, um alle Menschen auf der Welt zu versorgen. Sie wissen wahren bedeutet, sich stets von neuem die Konsequenzen auch, dass es Menschen auf der Welt gibt, die hungern und des eigenen Handelns bewusst zu machen. Jeden Tag müs- dass Brot etwas Wertvolles ist, was man nicht einfach weg- sen wir den starken Reizen der Konsumgesellschaft widerste- wirft, nur weil man keinen richtigen Appetit darauf hat”, er- hen.“ Doch es lohnt sich, stellt Sr. Suneela fest. „Die Kinder, klärt Sr. Suneela und ergänzt: „Unsere Schüler erfahren, dass die sich darauf eingelassen haben, sind aufmerksamer gewor- Energieverschwendung teuer ist und die exzessive Nutzung den, auch für Probleme ihrer Mitschüler. Wenn sie sich dann nicht-nachwachsender Rohstoffe zur Zerstörung ganzer kümmern, ist das gelebte Nächstenliebe.” 11
THEMA DR KONGO UND VENEZUELA Coltanabbau in der DR Kongo: Jugendlicher Kleinschürfer. Proteste in Venezuela. 12
Reiche Böden – armes Volk Wem gehören die Bodenschätze? Salvatorianer stehen in der Demokratischen Republik Kongo und in Venezuela den Menschen in prekärer Lage bei. BERICHT: Lukas Korosec Die Demokratische Republik Kongo und Venezuela verfü- verfügt über nahezu alle Rohstoffe, die die modernen gen über sehr große Rohstoffvorkommen, sind aber weit Industriesektoren am Laufen halten. Angefangen bei der davon entfernt, Armut und Hunger in ihren Ländern zu Informatikindustrie, der Telekommunikation bis hin zur überwinden. Der Reichtum an Öl, Kupfer oder Edelsteinen Produktion von Nuklearenergie und Elektrogeräten. Multi- könnte eine Quelle für Entwicklung sein. Statt Wohlstand nationale Konzerne, die nur auf Gewinn aus sind, erbeu- grassieren dort aber Armut, Krieg und Gewalt. Der ten in Zusammenarbeit mit einheimischen Eliten die na- Reichtum wird zum Fluch. Keine zufällige Erscheinung. türlichen Ressourcen des Kongo, zum Nachteil der armen Die Rede ist vom „Fluch der Ressourcen“. Während sich Bevölkerung. Mit ungefähr 77 Millionen Einwohnern lebt korrupte Machthaber und Eliten gemeinsam mit inter- die Mehrheit, ca. 90%, in unbeschreiblicher Armut. Der nationalen Interessengruppen und Konzernen an den Run auf die Bodenschätze ist auch Ursache für Unruhen Rohstoffen bereichern, geht die Zivilbevölkerung in der und Kriege, die wiederum Armut, Elend und Arbeitslosigkeit Regel leer aus. In Infrastruktur wie Straßen, Schulen oder hervorbringen.“ Gesundheit wird kaum investiert. Die Durchsetzung eines internationalen Konsenses für eine verantwortungsvolle Ressourcenpolitik im Hinblick auf immer knapper wer- Die Venezuela-Krise dende Rohstoffe gestaltet sich überaus schwierig. Vielen In Venezuela, einem Land, in dem die Salvatorianer seit 1957 westlichen Ländern geht es in erster Linie um die langfris- tätig sind, sieht die Situation kaum besser aus. Das Land tige Versorgung ihrer Wirtschaft mit Öl, Gas, Edelsteinen versinkt immer tiefer in der Krise: Krankenhäuser können wie Diamanten und Mineralien wie Cobalt, Coltan, Patienten wegen fehlender Medikamente nicht mehr be- Kupfer, und Gold. Die Entwicklung der südlichen Länder, handeln. Soziale Spannungen nehmen zu, Gewalt ist an der in denen die Rohstoffe liegen, ist meist zweitrangig. Tagesordnung. In Venezuela, dem Land mit den größten Erdölreserven der Welt, sind Grundnahrungsmittel heute Mangelware. Wegen des gefallenen Ölpreises und der Miss- wirtschaft der Regierung verschlechtert sich die Lage täglich. Das Kongo-Dilemma Inzwischen hungern viele Venezolaner. Im kongolesischen Konflikt geht es hauptsächlich um die Kontrolle, den Abbau und den Handel von mineralischen Der Salvatorianer P. Luis Domingo Diaz lebt und wirkt Ressourcen wie Coltan, Diamanten, Kupfer, Kobalt oder in Caracas. Er schildert uns seine Wahrnehmung der Gold. Das Land wird seit vielen Jahren systematisch ausge- Eskalation: „Die jüngste wirtschaftliche, soziale und po- plündert. Dabei könnte es aufgrund seiner Boden- litische Krise ist eine Folge der schlechten und korrupten schätze das reichste Land Afrikas sein. Es fehlt eine Regierung, die unter dem verstorbenen Präsidenten Hugo funktionsfähige und organisierte Regierung, die frei Chávez ihren Anfang nahm und sich nun unter Nicolás von Korruption und ausbeuterischen Interessen ist. Maduro fortsetzt. Beide Präsidenten waren und sind ih- ren Ämtern nicht gewachsen. Aus dieser Misswirtschaft, die Ein Beispiel für das schlechte Management der Rohstoffe den Menschen die Lebensgrundlagen entzieht, und dem ist die Kupfer-Region Katanga, im Süd-Osten des Landes. Machtmissbrauch ist die große allgemeine Unzufriedenheit Dort stehen die Salvatorianer seit Jahren der Bevölkerung und die Protestbewegung entstanden.” durch pastorale und soziale Arbeit in ihrem Lebensalltag bei. Pater Basile Kahande, Leiter des lokalen SOFIA Büros des Ordens, beschreibt die Situation: „Unser Land 13
DR KONGO UND VENEZUELA Paradox des Überflusses Wie kommt es, dass in Ländern wie der DR Kongo oder Venezuela die Mehrheit der Bevölkerung trotz des Ressourcenreichtums ein Leben in Armut ertragen muss? Dr. Sabine Schlak von der Uni Tübingen nennt unterschied- liche Ursachen, etwa die Abhängigkeit der Ressourcenan- bieter vom instabilen Weltmarktpreis, eine unzureichende Diversifizierung der Exportstruktur, die sich auf zwei bis drei Primärgüter konzentriert oder schlichtweg Korruption. Mit der Korruption hängt zusammen, dass in ressourcenrei- chen, aber ökonomisch armen Ländern keine funktionsfä- higen rechtsstaatlichen und marktwirtschaftlichen Instituti- onen existieren. Dies zeigt sich etwa an der Förderung und Vermarktung von Coltan, Zinnerzen und Gold im Kongo. Zusätzliche Gründe für das „Paradox des Überflusses“ seien zudem ein ineffizienter Einsatz der Mittel, die aus dem Res- sourcenexport erzielt werden, oder der Umstand, dass die Wertschöpfung eines Produktes mit dem Grad der Verar- beitung steigt, das heißt, ressourcenreiche Länder erzielen mit dem Export von unverarbeiteten Rohstoffen geringere Einnahmen als mit der Ausfuhr von verarbeiteten Waren. Hoffnungsschimmer Die Salvatorianer haben keinen Einfluss auf die internatio- nale Politik und die Interessen der globalen Marktwirtschaft und der Großkonzerne. Doch mit lokalen Sozial- und Pastoralprojekten versuchen sie den Alltag vieler Menschen in Armut zu erleichtern, sie zu ermutigen hin zu Eigen- initiative, Selbstbestimmung und Verantwortung. Da schim- mert Hoffnung auf. Der Salvatorianer Pater Basile Kahande berichtet, wie sich die Ordensgemeinschaft im Kongo vor Ort einsetzt: „Wir engagiern uns im Schulwesen in der gan- zen Region. Aktuelles Beispiel ist der Bau und die Führung der Gesamtschule ‚Wokovu’ in Lubumbashi, in der heute über 1000 Schülerinnen und Schüler Zugang zu Bildung ermöglicht wird. Im Gebiet Kapanga haben wir – auch mit Mitteln der EU – einen Staudamm errichtet, der 4500 Familien mit grünem Strom versorgt. In den Pfarreien setzen wir uns gemeinsam mit den Salvatorianerinnen und Laien dafür ein, das Leben der Ärmsten zu verbessern, unter ande- rem durch ein Netzwerk von Dispensarien und Ambulanzen: Medizinische Versorgung zu leistbaren Preisen. In land- wirtschaftlich-pastoralen Genossenschaften bekämpfen wir Unter- und Mangelernährung. Wir schaffen ein Bewusst- sein dafür, dass das Kultivieren des Bodens nachhaltiger ist als Bergbau.” Bäuerinnen aus der Landpfarrei Randu in der DR Kongo. 14
Venezuela: Pater Luis Domingo schenkt den Kindern seine ganze Aufmerksamkeit. Beim Lernen, Malen und Spielen, bei Musik und Sport erspüren sie ihre Talente und werden stark. Den Problemen zum Trotz Auch in Venezuela gibt es zahlreiche Initiativen der Salvatorianer im Kampf ge- gen die Armut. Eine davon ist das Bildungsprogramm in den Armenvierteln von Caracas, das Pater Luis Domingo leitet. Kinder aus schwierigsten sozia- len Verhältnissen werden hier individuell begleitet und gefördert, vor allem mit musischen und sportlichen Angeboten in kleinen Gruppen. P. Luis Domingo beklagt sein Dilemma: „Angesichts der Lage im Land, sehen wir uns beim Durchführen des Bildungsprogrammes für Kinder und Jugendliche vor erheb- liche Herausforderungen gestellt. Die laufenden Kosten für die Projekte steigen aufgrund der Inflation ständig. Selbst die kleinen Mahlzeiten, die wir den jun- gen Leuten anbieten – oft ihre einzige am Tag – sind oftmals eine finanzielle Herausforderung. Es kostet viel Kraft, die Kinder und Jugendlichen bei der Stange zu halten. Sie sollen von der gegenwärtigen Situation nicht entmutigt werden. Wir wollen verhindern, dass sie sich vandalisierenden Jugendbanden anschlie- ßen, die der Gewalt und den Drogen verfallen sind. Gleichzeitig bestärken wir Eltern und Angehörige, sich am künstlerischen und sportlichen Wachsen und dem Talent ihrer Kinder zu freuen und sie dabei aktiv zu unterstützen.“ Die Mitbrüder in Venezuela haben keinen Einfluss auf die Unrechtsstruktu- ren und die Gewalt im Land, aber sie unterstützen die Menschen in ihrem Umfeld mit ihrem Handeln und Wirken, damit das Leben besser gelingt. 15
THEMA „Die kannibalische Weltordnung tötet.” Jean Ziegler ist Vizepräsident des Beratenden Ausschusses Das Buch „Der schmale des UN-Menschenrechtsrates. In seinem neuen Buch zieht Grat der Hoffnung” von er eine Bilanz all seiner Kämpfe und Konflikte. Jean Ziegler ist 2017 im C. Bertelsmann-Verlag Interview: Lukas Korosec erschienen. Korosec: Herr Prof. Ziegler, in Ihren zahlreichen Büchern 12 Milliarden Menschen – also fast das Doppelte der gegen- kritisieren sie die Ungleichheit weltweit: Welche Rolle wärtigen Weltbevölkerung ernähren könnte. Zum ersten Mal hat hierbei die EU und ihre Mitgliedstaaten? in der Geschichte gibt es keinen objektiven Mangel mehr. Ziegler: Wir leben in einer kannibalischen Weltordnung. Ihr Das Problem ist nicht mehr ungenügende Produktion, son- Merkmal ist die strukturelle Ungleichheit. In meinem eben dern fehlender Zugang wegen fehlender Kaufkraft zu genü- erschienenen Buch „Der schmale Grat der Hoffnung“ (Verlag gender, adäquater Nahrung. Die kannibalische Weltordnung Bertelsmann, 2017) analysiere ich die letzten Statistiken der tötet, aber sie tötet ohne Notwendigkeit. Sie ist nicht nur Weltbank. Vergangenes Jahr haben die 500 größten privaten mörderisch, sondern auch absurd. Ein Kind, das am Hunger transkontinentalen Konzerne der Welt – alle Sparten zusam- stirbt, wird ermordet. mengenommen: Finanz, Industrie, Dienstleistung, Handel – 52,8% des Weltbrutto-Sozialproduktes, also aller auf der Die EU hat ihre Grundprinzipien – Solidarität, Soziale Welt in einem Jahr produzierten Reichtümer, kontrolliert. Gerechtigkeit, u.a. festgeschrieben in den Römischen Diese Konzerne entfliehen jeder staatlichen, gewerkschaft- Verträgen von 1957 – längst verraten. Sie ist heute nur lichen oder sozialen Kontrolle. Sie können sehr viel, steu- noch eine Clearing-Stelle für das multinationale Kapital. ern den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt. Auch in der Flüchtlingspolitik praktiziert sie Verrat: Mit Jedoch ihre einzige Strategie ist jene der Profitmaximierung Orbans Stacheldraht-Verhauen, mit dem passiv akzeptier- in möglichst kürzester Zeit um fast jeden menschlichen (oder ten Massenmord im westlichen Mittelmeer liquidieren die ökologischen) Preis. Diese Konzerne haben eine Macht, wie Betonköpfe in Brüssel ihren letzten Rest an Glaubwürdigkeit. sie nie ein König, ein Papst oder ein Kaiser gehabt hat in der Geschichte der Menschheit. Wie sehen Sie den sogenannten „Fluch der Ressourcen“ (J. Sachs) in Ländern wie etwa in der DR. Kongo oder Eine andere Zahl ist indikativ für die strukturelle Ungleich- in Venezuela? heit: 2016 besaßen die 85 reichsten Milliardäre der Welt Der Ausdruck von Jeffrey Sachs ist richtig. Von den 54 Staaten gleichviel Vermögenswerte wie die 4,5 Milliarden ärmster Afrikas haben viele Wachstumsraten von jährlich 6 % oder Menschen. Dieser unglaublichen Ballung finanzieller, poli- 7% oder mehr Prozent. Dabei sind 35,2 % der 890 Millionen tischer, ideologischer Macht in den Händen ganz schmaler Bewohner des Kontinents schwer permanent unterernährt. transkontinentaler Oligarchien stehen die Leichenberge in Wachstum wird vor allem – wenn nicht gar ausschließlich der dritten Welt gegenüber. Alle 5 Sekunden verhungert ein – durch Rohstoffexporte (Öl, Erze etc.) und nicht durch Kind unter zehn Jahren. Und der „worldfood-Report“ der industrielle Produktion und interne Kapitalakkumulation, FAO, der jährlich die Opferzahlen publiziert, sagt, dass die geschaffen. Weltlandwirtschaft, so wie sie heute ist, problemlos normal 16
Der kenianische Ökonom James Shikwati fordert den Stopp der Entwicklungszusammenarbeit. Wie sehen Sie diesen Standpunkt? Nur die humanitäre Soforthilfe im Katastrophenfall (Hun- gersnot im Südsudan, Cholera-Epidemie im Jemen, usw.) ist sinnvoll. Budgethilfe, Entwicklungshilfe zementieren bloß die Korruption und befördern den Zerfall der Em- pfängerstaaten. Gemäß ECA (Economic Comission for Africa) verliert der Kontinent jährlich mehr als 50 Milli- arden Dollar an Fluchtkapital (Steuerhinterziehung, Korrup- tionsgelder etc.). Diese Dekapitalisation übersteigt die Totalität der Entwicklungshilfegelder um das Elf-Fache. Die Plünderung ist nur möglich dank aktiver Beihilfe vor allem der westlichen Banken. Welche Aktivitäten der katholischen Kirche sind in ihren Augen vorbildlich, wenn man an den Kampf ge- gen Armut denkt? Dieser Franziskus ist ein reines Wunder. Irgendwie muss bei Jean Ziegler, Jahrgang 1934 der Wahl dieses Jesuiten aus Buenos Aires der Heilige Geist ist Bürger des Kantons Genf und Schweizer mitgewirkt haben. In „Evangeli Gaudium” und dann in sei- Soziologe, Politiker und Sachbuch- und Roman- nem Buch „Der Name Gottes ist Barmherzigkeit“ schreibt autor. Er gilt als einer der bekanntesten Globa- er von einer neuen Kategorie Menschen, die nicht mehr nur lisierungskritiker. Von 2000 bis 2008 war er UN- Unterdrückte und Ausgebeutete sind, sondern, schlimmer Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. noch, Menschen, die aus der Gesellschaft für immer ausge- Heute ist er Vizepräsident des Beratenden Aus- schlossen sind. Wörtlich: „Die Ausgeschlossenen sind nicht schusses des UN-Menschenrechtsrates. mehr Ausgebeutete, sondern Müll, Abfall“. Jene Menschen, Jean Ziegler ist Träger verschiedener Ehren- elender als die Ärmsten, sind heute laut dem Oxford- doktorate und internationaler Preise, z. B. des Ökonomen Paul Collier mehr als eine Milliarde Kinder, Internationalen Literaturpreises für Menschen- Männer und Frauen. Sie werden – so der Papst – behandelt rechte (2008). Seit vielen Jahren kämpft Jean wie „Abfall“. Ziegler gegen die Geißel des Hungers, für Men- schenrechte und für Frieden. Impressum: Salvator weltweit ist eine gemeinsame Publikation der Deutschen Provinz der Salvatorianer in München, der Salvatorianerinnen weltweit in Kerpen-Horrem und der Österreichischen Provinz der Salvatorianer inWien Der revolutionärste Text der Welt, den es V.i.S.d.P.: P. Georg Fichtl SDS Redaktionsteam: Stefanie Adam, P. Georg Fichtl SDS, Petra Gramer, wahrscheinlich gibt, steht im Matthäus- Lukas Korosec, Ursula Schulten Gestaltung: Gabriele Abdul-Mana Evangelium: Ich war hungrig, ihr habt Bildnachweise: S. 1: © hadynyah– istock.com, mir zu essen gegeben. Ich war gefangen, S. 9: CC-BY-SA mapdata: openStreetMap contributors S. 12 o.: © Roland Brockmann S. 12 u.: © Boris Vergara/Xinhua/Eyevine/picturedesk.com ihr habt mich besucht, ich war durstig, ihr S. 17: Cc-by-sa-2.0-fr, Rama, Wikimedia Commons S. 26: CC0 1.0 realworkhard – pixabay.com habt mir zu trinken gegeben. S. 30: © Africa Studio – fotolia.de S. 32: © Ursula Schulten S. 33: © WGT e.V., Logo Weltgebetstag Jean Ziegler S. 34: © swissmediavision – istockphoto.com S. 44: © Rich Vintage – istock.com Unser Beitrag zum Umweltschutz: Gedruckt auf 100% Altpapier, FSC® zertifi- ziert, ausgezeichnet mit dem Blauen Umweltengel und dem EU Ecolabel Erscheinungsweise: 1x jährlich Inhalte und Aussagen von Fremdautoren spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder. 17
BÜCHER Papst Franziskus Laudato si Über die Sorge für das gemeinsame Haus Die Umwelt-Enzyklika mit Einführung und Themenschlüssel 978-3-460-32134-2 Katholisches Bibelwerk 2015 Gebet für unsere Erde Allmächtiger Gott, der du in der Weite des Alls gegenwärtig bist und im Kleinsten deiner Geschöpfe, der du alles, was existiert, mit deiner Zärtlich- keit umschließt, gieße uns die Kraft deiner Liebe ein, damit wir das Leben und die Schönheit hüten. Überflute uns mit Frieden, damit wir als Brüder und Schwestern leben und niemandem schaden. Gott der Armen, hilf uns, die Verlassenen und Vergessenen dieser Erde, die so wertvoll sind in deinen Augen, zu retten. Josef Stiglitz Heile unser Leben, damit wir Beschützer der Welt sind und nicht Reich und Arm Räuber, damit wir Schönheit säen und nicht Verseuchung Die wachsende Ungleichheit und Zerstörung. in unserer Gesellschaft ISBN: 978-3-8275-0068-7 Rühre die Herzen derer an, die nur Gewinn suchen auf Kosten Siedler Verlag 2015 der Armen und der Erde. Mit seinem Bestseller »Der Preis Lehre uns, den Wert von allen Dingen zu entdecken und voll der Ungleichheit« hat sich Joseph Bewunderung zu betrachten; zu erkennen, dass wir zutiefst ver- Stiglitz an die Spitze der Debatte bunden sind mit allen Geschöpfen auf unserem Weg über die zunehmende Spaltung zu deinem unendlichen Licht. unserer Gesellschaft in Reich und Arm gesetzt. In seinem neuen Buch beweist der Nobelpreisträ- ger erneut, dass er nicht nur ein Danke, dass du alle Tage bei uns bist. Ermutige uns bitte in unse- brillanter Ökonom, sondern auch rem Kampf für Gerechtigkeit, Liebe und Frieden. ein scharfsinniger politischer Denker ist, der beherzt für eine Papst Franziskus gerechtere Verteilung des Wohl- stands kämpft. 18
KLOSTERGARTEN DER SALVATORIANER IN STEINFELD, EIFEL „Wenn Natur und Mensch sich in Liebe vereinigen, wird ein Gedicht daraus oder ein Garten” Unbekannter Zisterziensermönch Klostergärten Oasen der Ruhe, Orte des Friedens, Räume der Einkehr und lebendige Apotheken – Klostergärten sind heute so beliebt wie lange nicht mehr. Ihre Faszination geht dabei weit über das Abendland hinaus. Auch in Sri Lanka und auf den Philippinen gedeiht Grünes und erfüllt vielfältige Zwecke. In diese außerge- wöhnlichen Gärten führt uns unsere Reise um die Welt. 19
SRI LANKA Ein Garten für Leib und Seele Gartenarbeit macht glücklich und wirkt sich positiv auf die Ge- sundheit aus. Dieses Wissen machen sich die Salvatorianerin- nen zunutze, bei ihrer Hilfe für Mädchen, die während des Bür- gerkriegs (1983-2009) in Sri Lanka ihre Eltern verloren hatten. Viele von ihnen sind stark traumatisiert, im Wohnheim unserer Schwestern in der Stadt Mannar haben sie ein neues Zuhause gefunden. Die Mädchen können zur Schule gehen, längst kei- ne Selbstverständlichkeit in einem von Armut geprägten Land. Außerdem erhalten sie professionelle psychologische Hilfe, um die schrecklichen Ereignisse verarbeiten zu können. Hierbei leistet nun auch ein Garten wertvolle Unterstützung – auf dem Grundstück des Wohnheims entsteht er derzeit mit vereinten Kräften. Die Mädchen können bei der Gartenarbeit zur Ruhe kommen und sie lernen dabei, die Schöpfung zu achten. Außerdem hilft der Garten bei der Lösung eines weiteren Pro- blems: Derzeit reicht das Geld oft nur für das Nötigste, um die 21-köpfige Hausgemeinschaft zu ernähren. Zukünftig wird mehr gesundes Obst und Gemüse auf dem Speiseplan stehen – selbst angebaut und geerntet. Rund 4.000 Euro kostete es, das zuvor unwegsame Gelände für die Gartenarbeit vorzubereiten sowie Setzlinge und Garten- geräte anzuschaffen. Diesen Betrag brachten drei Kerpener Kirchengemeinden beim Fastenessen 2017 zusammen – ein toller Erfolg! Mehr zum Thema Fastenessen auf S. 44. 20
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GARTEN DER SALVATORIANERINNEN IN MERAN, SÜDTIROL, ITALIEN Es ist eine Rückkehr zu der Einfachheit, die uns erlaubt innezuhalten, um das Kleine zu würdigen, dankbar zu sein für die Möglichkeiten, die das Leben bietet, ohne uns an das zu hängen, was wir haben, noch uns über das zu grämen, was wir nicht haben. Papst Franziskus, Laudato si’ 22
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PHILIPPINEN Bananen, Kokosnüsse, Kräuter – auf den Philippinen versorgen die Gärten in Manila und Talon und eine kleine Bananenplantage in Silang die salva- torianische Gemeinschaft. Pater Hubert Kranz und seine Studenten hel- fen eifrig zusammen, damit die Ernte und das liebe Federvieh gedeihen. 24
„Urban Gardening” in Manila Das SDS-Ausbildungshaus für die Theologen in der Betonwüste Manila hat kein Grünland ums Haus. Alles lebendige Grün kann nur in Töpfen gedeihen. Theologiestudent Dominic Hieu aus Vietnam hat auf der großen Dachterrasse einen Garten angelegt. P. Hubert Kranz SDS hat mit ihm gesprochen: Hallo Dominic, hast Du Benutzt Du auch diesen Dachgarten angelegt oder war Pestizide gegen Ungeziefer? er schon vorher da? Andere haben Nein, nur manchmal angefangen, aber ich habe den Knoblauch und Zwiebeln. Garten dann weiter ausgebaut und Und wie wird das ein Netz darüber gespannt, denn angewendet? Ich zerquet- die Hitze der Sonne ist zu stark hier sche sie, löse sie in Wasser oben für die Pflanzen. auf und besprühe damit die Was pflanzst Du denn Pflanzen. Das ist nicht beson- so alles? Hauptsächlich Kräuter ders effektiv, aber der Geruch und etwas Gemüse. Ich weiß lei- hält bestimmte Fliegen und der nicht die englischen Namen, Insekten fern. Wir haben hier nur die vietnamesischen. Da ist nicht wirklich ein Problem z. B. Paprika und Zitronengras, mit Ungeziefer, die Vögel sind das welches wir sehr oft beim Kochen Problem, vor allem die Spatzen. Sie Machst Du diese Garten- verwenden für Fleischgerichte oder zerstören junge Pflanzen. Paul Ngoc arbeit freiwillig oder wurdest Du Suppe. (SDS, Diakon) hat Klebstoff aus Viet- dazu eingeteilt? Freiwillig. Zuhause Woher hast Du all diese nam mitgebracht. Sie erschrecken, als Kinder mussten wir mithelfen, verschiedenen Pflanzen? Einige von wenn sie mit den Füßen hängen blei- und nun ist es zur Gewohnheit uns haben Samen von Vietnam ben. Aber nach einiger Zeit verges- geworden. In Talon haben andere mitgebracht. Dann habe ich mir sen sie das und kommen wieder. Brüder schon Gartenarbeit gemacht, auch Pflanzen von anderen Ordens- Wie hast Du das alles und da habe ich mitgemacht. Als ich gemeinschaften geholt. gelernt? Durch Beobachtung, zu- hierher kam, habe ich einfach damit Und woher kommen die hause und hier. Meine Eltern sind weitergemacht. Erde und der Dünger? Die Erde Farmer. Zuerst haben sie Kaffee Was bedeutet diese Arbeit haben wir uns aus Talon besorgt. gepflanzt, dann Cashew und Ram- für Dich? Ich kann einen Beitrag für Den Dünger machen wir selber aus butan, jetzt Mais, Bananen und unsere Gemeinschaft leisten. Was Küchenkompost. Wir zerschnippeln Erdnüsse. hier wächst, brauchen wir schon z.B. Bananenschalen und benut- nicht mehr zu kaufen. Und für mich zen das als Dünger. Das ist ganz selber: Es ist gut hier oben zu sein, natürlich und deshalb sehr gesund. wenn ich müde von der Schule Manchmal kaufen wir auch Garten- heimkomme. Es dient der Entspan- kompost vom Baumarkt, aber das ist nung. sehr selten. Vielen Dank, Dominic! 25
SCHÖPFUNG UND EVOLUTION Der Heuschreckenflüsterer Pater Dr. Sebastian Weih – ein Grenzgänger zwischen Glaube und Naturwissenschaft ERINNERT SICH: P. Georg Fichtl SDS Da staun’ ich heute noch: Ein Salvatorianer macht nach kam noch mehr ans Licht. Er hatte in Rom Theologie mit der 10. Klasse – 41 jungen Männern – eine Exkursion in studiert und dort 1937 die Priesterweihe empfangen. In den Park des Salvatorkollegs Bad Wurzach und fängt an, selt- Würzburg und München studierte er dann Biologie und same „trrrt“-Laute von sich zu geben. Ich, der ich mit weite- Chemie und schloss – nach seinem Kriegsdienst als Sanitäter ren 13 vom Progymnasium Lochau-Hörbranz neu war, wus- in Russland – mit der Promotion ab. Seine Doktorarbeit galt ste nicht, was ich davon halten sollte. Die Alteingesessenen der Verhaltensforschung. grinsten – blieben aber still. Und siehe da: Im Gras begann es Sein Mitbruder P. Agnellus Schneider, der in zu rascheln. Immer mehr Heuschrecken hüpften heran. Einer Oberschwaben weit bekannte „Vogelpater“, hielt 1991 im schaffte es gar bis auf die Schulter. Der Pater begrüßte ihn hu- Nachruf für P. Sebastian fest: „Sein besonderes Anliegen war, morvoll: „Da hast du dich wohl täuschen lassen.“ die Schüler zu gläubiger Ehrfurcht vor allem Geschaffenen an- Besser hätte sich uns 1967 P. Sebastian Weih gar zuleiten. Er verstand es, unaufdringlich, jedoch immer über- nicht vorstellen können. Nun war klar: Er war nicht nur zeugend, Wissenschaft und Religion miteinander in Einklang ein Pater, der Biologie, Chemie und Physik unterrichtete; zu bringen – und er lebte stets, was er lehrte.“ Schöpfung und er war auch nicht nur der Direktor des Gymnasiums von Wissenschaft wurden für ihn zur Offenbarung der Größe Bad Wurzach. Er war einer der wenigen Spezialisten, der und Weisheit Gottes. Er war überzeugt, dass sich diese bei- Heuschrecken mit seinen Rufen locken konnte. Nach und den Bereiche ergänzen und befruchten. 26
der damaligen Zeit. Er lässt den Schöpfer zudem in der kos- mischen Zeit einer Mondphase schaffen. Und er will nur sa- gen: Gott hat alles geschaffen: die Materie, das Leben und mit besonderer Obsorge den Menschen.“ Zum Schluss weist P. Sebastian auf den großen Wegweiser Teilhard de Chardin hin, der gesagt hat: „Im Menschen wird sich der Strom der Evolution seiner selbst be- wusst.“ Und: „Die Evolution der Menschheit ist noch längst nicht zu Ende. Vielmehr ist der heutige Mensch erst keim- haft das, was er einst werden soll.“ Am Ende seines Vortrags richtet er den Blick auf Jesus Christus und erklärt: „Wie das Ziel des Evolutionsgeschehens der Mensch ist, so hat die menschliche Entfaltung dieses eine übergeordnete Ziel: den in Christus menschgewordenen Gott. … Seit Jahrmillionen hat sich die Natur auf den Empfang der Gnade vorberei- tet. Gott musste in das Menschliche eintauchen, um sich die Spitze der Evolution wieder einzugliedern. So fallen Ziel des Kosmos und Ziel der Heilsgeschichte zusammen. Christus wird so Brennpunkt des Universums und wirklicher Vollender der Evolution. Er ist der Kosmokrator.” P. Dr. Sebastian Weih SDS unterrichtete Eine Frucht seines Wirkens und sein geistiges an der Salvatorschule Bad Wurzach die Lieblingskind war das „Biologische Colloquium“, das in Fächer Religion, Biologie, Chemie, Sport Oberschwaben Interessierte in zeitkritische Themen der und Mathematik. Verhaltenspsychologie und der damit verbundenen religiö- sen Fragestellungen einführen wollte. Aus kleinen Anfängen entwickelte sich daraus ein weiter Gesprächskreis aller Bildungskreise. Im Alter von 80 Jahren starb P. Sebastian 1991. Der Prediger P. Richard Zehrer beendete im Requiem sei- Deshalb ließ er es sich nicht nehmen – trotz sei- ne Ansprache mit dem Psalmvers, den er auf seinen Kelch ner vielen Verpflichtungen als Schulleiter – selbst zu unter- schreiben ließ: „Die Erbarmungen des Herrn will ich in richten, ja sogar einen Sonderkurs „Abstammungslehre und Ewigkeit lobpreisen“ und fügte hinzu: „P. Sebastian hat in die- christlicher Glaube“ anzubieten. An ihn kann ich mich noch sen Lobpreis die ganze Schöpfung, die aufgehende Sonne der gut erinnern. Seine Position war: „Wir müssen immer Gott weiten Steppen Russlands und das Zirpen der Heuschrecken als Erstursache sehen, denn die Entwicklung der Welt läuft aufgenommen und weitergesungen. Mit diesem dankenden doch irgendwie gezielt.“ Man dürfe nicht die Alternative Lobpreis hat er viele Menschen angesteckt und unendlich Entwicklung oder Schöpfung sehen, sondern Schöpfung vielen Menschen, Kleinen und Großen, verwirkliche sich in der Entwicklung. Dadurch werde der Hoffnung, Mut und Kraft zum Schöpfer ja nur umso größer. Leben geschenkt.“ Am 8. Juli 1971 hielt er zum gleichen Thema in Göppingen einen Vortrag. Da führte er u. a. aus: „Die Tatsache der Evolution ist erwie- sen. Steht das nicht im Gegensatz zum biblischen Schöpfungsbericht? Der biblische Verfasser will kei- nen naturwissenschaftlichen Bericht schreiben, sondern ein Preislied auf die Größe des Schöpfers im Weltbild 27
GUTES LEBEN Zeit umzudenken Schokolade, Wasser, Kleidung – in vielen Ländern sind sie Luxusgüter. Diese Erfahrungen machten und machen auch unsere jungen Freiwilligen. Seit ihrem Einsatz in fernen Ländern gehen sie viel bewusster mit vielen Produkten unserer modernen Wegwerfgesellschaft um. Alexander Meisinger Philippinen Anna-Lea Kronpaß 2016-2017 DR Kongo 2011-2012 Auf den Philippinen wird mehr Acht gegeben, Schuhe, Klamotten und Rücksäcke – so lange Seit meinem Freiwilligen Sozialen Jahr im Ausland wie möglich – zu nutzen. In Deutschland hätte ich besteht der Großteil meines Kleiderschranks (min- wahrscheinlich meinen Rucksack schon längst destens 70%) aus Second-Hand-Kleidung; von weggeworfen, anstatt mich stundenlang zu „amü- Freunden, Familienmitgliedern, Nachbarn, Second- sieren", die Schleifen festzunähen. Hand-Geschäften oder von Märkten in Tansania und in der DR Kongo. Jedoch gibt es auf den Philippinen ein großes Pro- blem mit Plastik. Die meisten Konsumer bestellen Meine letzten beiden Handys wurden ebenfalls aus Essen für „Take out”. Dadurch wird alles in Plastik- den Schubladen von Freunden gerettet und nicht tüten verpackt und diese anschließend weggege- neu gekauft. Warum etwas nicht benutzen, was noch worfen. Tupperware ist so was wie ein Fremdwort. funktionstüchtig ist und neu gekauft sehr, sehr teu- Auch im Supermarkt wird alles lieber doppelt und er wäre? dreifach mit Plastiktüten umhüllt. Bezüglich Essen ist mir in meinem Auslandsjahr be- wusst geworden, dass Nahrung primär dazu da ist, Es muss etwas passieren, um das Müllproblem um satt zu werden. Ich versuche seitdem nur noch zu lösen. Wir haben nur eine Welt. In Deutschland dann zu essen, wenn ich auch Hunger habe, und möchte ich mich sehr stark auf „re- and upcycling" nicht dann, wenn es die Uhrzeit vorschreibt. fokussieren. 28
Linda Ponradl DR Kongo 2011-2012 Durch meinen Freiwilligenein- satz hat sich meine Sichtwei- se auf viele Dinge verändert, vor allem auf den Gebrauch von Wasser. Das Wasser, das wir zum Waschen, Duschen, Ge- schirrspülen und für die Toilette benutzten, haben wir mit Eimern aus einem Tank geholt, in dem das Regenwasser gesammelt wurde. Un- ser Trinkwasser mussten wir erst auf dem Feuer abkochen. Seit ich wieder in Deutschland bin, liebe ich es, Wasser aus der Leitung zu trinken. Ich werde es immer großar- tig finden, einfach einen Wasserhahn aufzumachen oder eine Toilettenspülung betätigen zu können. Da Schokolade dort nur in westlichen, völlig überteu- erten Supermärkten erhältlich ist, wurde sie für mei- ne Mitfreiwillige Lea und mich zu einer sehr kostba- EIN JAHR ANDERS LEBEN: ren Nascherei. Ab und zu gönnten wir uns trotzdem weltwärts als MissionarIn auf Zeit mal eine Tafel Schokolade., Wenn ich mir jetzt in Deutschland Schokolade kaufe, achte ich immer da- Das Freiwilligenprogramm richtet sich an jun- rauf, dass es eine gute und fair gehandelte Sorte ge Erwachsene, die für ein Jahr in einem unse- ist und versuche, jedes Stück genauso zu genießen, rer weltweiten Projekte mitleben und arbeiten wie damals abends im Kongo. möchten. Ziel ist es, neue Erfahrungen zu sam- meln, den Horizont zu erweitern und ein Stück Weltkirche kennenzulernen. Mehr unter: www. salvatorianer-weltweit.org/missionarIn-auf-zeit und www. cosamaz.org 29
RESSOURCE MENSCH Unfairer Handel Jedes Jahr werden weltweit rund 20.000 Frau- en, Kinder und Männer zu Opfern von Men- schenhändlern. Das sind nur die Fälle, die man nachweisen kann. Die Dunkelziffer liegt wohl deutlich darüber. So sollen nach Schät- zungen der Vereinten Nationen allein 21 Mil- lionen Menschen von Zwangsarbeit betroffen sein. Die „Ware Mensch“ ist zu über 70 Pro- zent weiblich und wird praktisch überall ange- boten. Die Salvatorianerinnen haben das The- ma „Menschenhandel“ zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit erklärt. Auf vielfältige Weise enga- gieren sie sich für die Opfer und setzen dabei auch auf präventive Maßnahmen. BERICHT: Petra Gramer S ie kommen mit großen Plänen und überbordender Hoffnung nach Jordanien: Junge Frauen aus den ärmsten Dörfern Südostasiens, die im reicheren Ausland ihr Glück suchen. Fast schon grotesk klein ist hinge- gen ihre Handtasche, in die sie ihre wenigen Habseligkeiten Sr. Ursula versucht, schon am Flughafen zu den Frauen Kontakt aufzunehmen. „Sie dürfen sich auf keinen Fall ihre Pässe abnehmen lassen. Und sie sollen wissen, dass wir für sie da sind, wenn sie keinen Ausweg mehr sehen und von ih- rem Arbeitsplatz und damit auch aus ihrer Unterkunft flie- gestopft haben. An diesem Gepäck erkennt Sr. Ursula hen wollen.“ Hopfensitz sie am Flughafen sofort. Die Salvatorianerin ist seit fast 20 Jahren in Jordaniens Hauptstadt Amman tätig. Menschen auf der Flucht sind Gemeinsam mit zwei Mitschwestern aus Sri Lanka küm- mert sie sich um die Frauen, die über Anwerbeagenturen besonders gefährdet ins Land kommen. Sie ist überzeugt: „Viele Agenturen sind Menschenhandel ist ein globales Problem. Die in West- und Menschenhändler. Sie locken die Frauen mit dem Versprechen Südeuropa registrierten Opfer stammten zuletzt aus 137 ver- von einfacher Arbeit für guten Lohn in den Nahen Osten. schiedenen Staaten. Meist sind es die ärmeren Länder unse- Doch in den Haushalten und Textilfabriken werden sie rer Erde, aus denen sie kommen. Reichere Staaten sind hin- häufig ausgebeutet, sie erfahren körperliche und seelische gegen eher die Zielländer. Laut eines Berichts der Vereinten Gewalt. Wenn es ganz schlecht läuft – und das tut es immer Nationen aus dem Jahr 2016 sind Schleuserei zur sexuellen häufiger –, leben sie irgendwann als Illegale in den Slums.“ Ausbeutung und Zwangsarbeit die beiden häufigsten Fälle 30
von Menschenhandel. Doch dieser zeigt sich auch in Form die geschützteren Großstädte. Doch dort landen sie häufig weiterer aufgenötigter Handlungen wie Bettelei, Heirat, in den Slums und geraten so ins Visier der Menschenhändler. Sozialbetrug und Organentnahme. Frauen und Mädchen Sie werden dann zum zweiten Mal Opfer.“ Insbesondere gilt sind seit jeher besonders gefährdet, doch auch Männer und dies für Mädchen und junge Frauen. Sie werden entführt Jungen werden gerade verstärkt zu Opfern. Besorgt schau- oder von ihren Familien verkauft und müssen sich dann in en Experten in diesem Zusammenhang auf die derzeiti- Bordellen verdingen. ge politische Weltlage: Aktuell sind mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht, solch eine hohe Zahl hat es seit Um dies zu verhindern, haben die Salvatorianerinnen in den dem 2. Weltkrieg nicht mehr gegeben. Die einen versu- Metropolen Manila und Cebu ein Programm zur Förderung chen, den Kriegen in ihren Heimatländern zu entkommen. kinderfreundlicher Kirchengemeinden (SPCC) ins Leben Die anderen verlieren ihr Zuhause, weil der Klimawandel gerufen. Im Rahmen von SPCC machen die Pfarrer die und die Wegwerfgesellschaft ihre Lebensgrundlage zerstö- Rechte von Kindern zu ihrem Thema im Gottesdienst. ren. Wo extreme Dürren oder Überschwemmungen Jahr für Mütter und Väter erfahren von Alternativen zur gewaltge- Jahr Ernten vernichten, wo das Meer ganze Inseln zu ver- prägten Erziehung, die sie oft von ihren eigenen Eltern über- schlucken droht, oder wo (oftmals giftiger) Müll komplette nommen haben. Sie erhalten zudem ganz konkrete Hilfe: Landstriche in Schutthalden verwandelt, ist ein menschen- Essen, Kleidung, Betreuung und Ausbildungsunterstützung würdiges Leben kaum möglich. Doch wer fliehen muss, gerät für ihre Söhne und Töchter. Vor allem aber bekommen die besonders leicht in die Fänge der Menschenhändler. Kinder eine starke Stimme: Sie lernen, welche Rechte sie haben und wie sie sich vor Gewalt und vor Vereinnahmung schützen können. Speziell ausgebildete freiwillige Helfer, Philippinen: viele davon selbst noch Kinder und Jugendliche, ermutigen Kindern eine starke Stimme geben sie, über erfahrenes Leid zu sprechen. Immer mehr Jungen Auf den Philippinen erleben die Salvatorianerinnen dies und Mädchen übernehmen Verantwortung und gestalten ganz unmittelbar. „Unsere Inseln werden immer wie- das Leben in ihrer Kirchengemeinde aktiv mit. So sind sie der von schweren Wirbelstürmen heimgesucht“, erzählt präsent, werden wahrgenommen und sind nicht mehr so Sr. Mary Adeline. „Viele Menschen flüchten vom Land in schutzlos. Rund 2 Millionen Kinder leben in den Slums der Metropol- region Manila. Viele von ihnen werden irgendwann zu Prostitution, Diebstäh- len oder Drogenschmuggel gezwungen. Mutig setzen sich die Salvatorianerinnen dafür ein, dass dies nicht passiert. 31
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