SCHAU, LIEBER G OTT, WIE MEINE FE IND - J.S. Bach-Stiftung

 
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SCHAU,
LIEBER G
OTT, WIE                     3

MEINE FE
IND
 Freitag, 13. Januar 2023
 Evang. Kirche Trogen (AR)

 Kantate BWV 153
HINWEISE
 ZU DEN KA
NTATEN KON
ZERTEN

 Abfolge                        Preise                            Details

 17.30–18.15 Uhr,               Einzeleintritt                    Das Abendprogramm steht
 Evang. Kirche Trogen (AR)      Werkeinführung                    jeweils ab 2 Wochen vor dem
 musikalisch-theologische       CHF 40.– (inkl. Imbiss)           entsprechenden Konzert­
 Werkeinführung                 Jugendliche ab 12 Jahren und      termin online zur Verfügung.
 mit Rudolf Lutz &              Studenten / KulturLegi CHF 20.–   www.bachstiftung.ch
 Pfr. Niklaus Peter
                                Einzeleintritt Konzert            Generalprobe
 im Anschluss                   Kat. A CHF 60.–                   Aufgrund einer Betriebs-
 kleiner Imbiss & Getränke      Kat. B CHF 50.–                   änderung entfallen die
                                Jugendliche ab 12 Jahren und      öffentlichen Generalproben.
 19 Uhr,                        Studenten / KulturLegi CHF 20.–
 Evang. Kirche Trogen (AR)      Kat. C CHF 10.–                   Programm-/Besetzungs­
 erste Aufführung der Kantate                                     änderungen vorbehalten.
 im Anschluss                   Kinder bis 12 Jahre
 Reflexion über Kantatentext:   alle Veranstaltungen /
 Usama Al Shahmani              Kategorien CHF 10.–
 im Anschluss
 zweite Aufführung der          Gruppenrabatte
 Kantate                        auf Anfrage
SCHAU,                                   BWV 153
                                                                                 1
LIEBER G                                 «Schau, lieber Gott, wie meine Feind»

OTT, WIE
                                         Kantate zum Sonntag nach Neujahr
                                         für Alt, Tenor und Bass

MEINE FE                                 Vokalensemble,
                                         Streicher und Basso continuo
IND

  Solisten                               Orchester der J. S. Bach-Stiftung

  Altus             Jan Börner           Violine           Eva Borhi**
  Tenor             Daniel Johannsen                       Lenka Torgersen
  Bass              Sebastian Noack                        Christine Baumann
                                                           Petra Melicharek
                                                           Ildikó Sajgó
                                                           Cecilie Valter
  Chor der J. S. Bach-Stiftung           Viola             Martina Bischof
                                                           Peter Barczi
  Sopran            Cornelia Fahrion                       Matthias Jäggi
                    Linda Loosli         Violoncello       Maya Amrein
                    Susanne Seitter                        Daniel Rosin
                    Noëmi Sohn Nad       Violone           Markus Bernhard
                    Noëmi Tran-Rediger   Fagott            Susann Landert
                    Alexa Vogel          Cembalo           Thomas Leininger
  Alt               Laura Binggeli       Orgel             Nicola Cumer
                    Stefan Kahle
                    Francisca Näf
                    Alexandra Rawohl
                    Lea Scherer          Leitung
  Tenor             Marcel Fässler
                    Achim Glatz          Rudolf Lutz
                    Tobias Mäthger
                    Joël Morand
  Bass              Serafin Heusser
                    Valentin Parli
                    Philippe Rayot*
                    Oliver Rudin
                    William Wood

  * Chorleitungsassistenz                ** Konzertmeisterin
REFL    Usama Al Shahmani

EXION

                                                            Foto zVg
        Usama Al Shahmani, geboren 1971 in Bagdad und auf-
        gewachsen in Qalat Sukar (Nasirija), hat arabische
        Sprache und moderne arabische Literatur studiert.
        Er publizierte drei Bücher über arabische Literatur,
        bevor er 2002 wegen eines Theaterstücks fliehen muss-
        te und in die Schweiz kam. Er übersetzte ins Arabische
        u.a. «Fräulein Stark» von Thomas Hürlimann, «Der
        Islam» von Peter Heine und «Über die Religion» von
        Friedrich Schleiermacher. Seit 2021 ist er Literatur-
        kritiker beim «Literaturclub» des Schweizer Fernse-
        hens SRF. Sein erster Roman «In der Fremde sprechen
        die Bäume arabisch» wurde mehrfach ausgezeich-
        net. Sein zweiter «Im Fallen lernt die Feder fliegen»
        ist in 5. Auflage lieferbar. Im August 2022 erschien
        sein dritter Roman «Der Vogel zweifelt nicht am Ort,
        zu dem er fliegt» beim Limmat-Verlag.
SOLI   Jan Börner, Altus
                                                                        3
STEN

                                                             Foto zVg
       Jan Börner begann seine sängerische Ausbildung be-
       reits mit neun Jahren als Mitglied der Singknaben der
       St.-Ursen-Kathedrale Solothurn. Zunächst studierte
       er als Privatschüler bei Richard Levitt, bevor er sein
       Gesangsstudium bei Prof. Ulrich Messthaler an der
       Schola Cantorum Basiliensis absolvierte. Nebst Meis-
       terkursen bei Margreet Honig erhielt er auch Unter-
       richt bei Andreas Scholl.
          Jan Börner konzertiert als Solist mit Musik der Re-
       naissance und des Barocks. Er wirkte u.a. in den Vo-
       kalensembles Balthasar-Neumann-Chor, Vox Lumi-nis
       mit und tritt regelmässig als Solist bei der J. S. Bach-
       Stiftung sowie in den Abendmusiken in der Predi-
       gerkirche Basel auf.
          In Zusammenarbeit mit dem Ensemble Il Profondo
       erschienen bereits zwei CDs mit zuerst deutschen
       Frühkantaten und geistlichen Konzerten («absorta
       est…») und als Zweites mit Liebesduetten und Liedern
       zusammen mit Nuria Rial («Freundliches Glück,
       süsseste Liebe»). Beide Alben erhielten viele positive
       Rezensionen und wurden für den Preis der deut-
       schen Schallplattenkritik nominiert.
          Zu den besonderen Höhepunkten gehören die Ein-
       spielung von Bachs Johannespassion mit dem Ricercar
       Consort. Auch auf der Opernbühne ist Börner aktiv
       und performte am Berner Stadttheater und im Kon-
       zerthaus Wien.
          Jan Börner ist Preisträger des Migros-Kulturprozent
       und erhielt einen Förderpreis des Kantons Solothurn.
          www.janboerner.ch
4   Daniel Johannsen, Tenor

                                                           Foto zVg
    Daniel Johannsen, geboren 1978 in Wien, studierte Kir-
    chenmusik in Graz und Wien sowie Gesang bei Margit
    Klaushofer und Lied bei Robert Holl. Er war Meister-
    schüler von Nicolai Gedda sowie Dietrich Fischer-
    Dieskau und ist Preisträger zahlreicher Wettbewerbe.
       Der gefragte Evangelist und Bachinterpret ist re-
    gelmässiger Gast der J. S. Bach-Stiftung St. Gallen sowie
    der Nederlandse Bachvereniging. Er nimmt vielfältige
    Konzertverpflichtungen in ganz Europa, Nordame-
    rika und Japan mit Musik aus allen Gattungen und
    Epochen wahr; Auftritte u.a. beim Beethovenfest Bonn,
    Bachfest Leipzig George Enescu Festival in Bukarest.
    Zusammenarbeit mit renommierten Orchestern (etwa
    Staatskapelle Dresden und Freiburger Barockor-
    chester) und Dirigenten wie Nikolaus Harnoncourt
    und René Jacobs. Zahlreiche Rundfunk- und Fern-
    sehübertragungen sowie CD-Aufnahmen (zuletzt
    «360° Hugo Wolf» mit dem Pianisten Andreas Fröschl).
    Daniel Johannsen wirkte bei diversen Produktionen
    u.a. an der Oper Leipzig, am Münchner Gärtner-
    platztheater und an der Volksoper Wien.
       2022/23 gastiert Daniel Johannsen mit Philippe
    Herreweghe bei der Jerusalem Camerata; er gibt einen
    Liederabend in der Münchner Residenz und debü-
    tiert bei den Musikfestspielen Potsdam.
       www.danieljohannsen.com
Sebastian Noack, Bass
                                                                               5

                                                       Foto Astrid Ackermann
Sebastian Noack musiziert international als Opern- und
Konzertsänger mit renommierten Dirigenten (Marc
Albrecht, Marin Alsop, Frieder Bernius, Symeon Bych-
kov, Michel Corboz, Christoph Eschenbach, Philippe
Herreweghe, Kirill Petrenko, Helmuth Rilling, Rudolf
Lutz u.v.a.) und bedeutenden Klangkörpern und war
Gast zahlreicher Festivals (Rheingau, Schleswig-Holstein,
Bodensee, Oregon-Bach-Festival, Israel Chamber Music,
Schubertiade Schwarzenberg, Ruhrtriennale u.a.).
Sein Repertoire umfasst neben unzähligen Liedern alle
bedeutenden Werke des Konzertfachs und etliche
Opernpartien seines Fachs von der Rennaissance bis zur
Gegenwart; Telemanns «Pimpinone», Händels «Siroe»,
Mozarts Graf Almaviva («Figaro»), Beethovens Don
Pizzaro («Fidelio»), Donizettis «Viva la Mama» (Staats-
oper Berlin) ebenso wie Wagners Wolfram («Tannhäu-
ser») und Kurwenal («Tristan»), Miller in Verdis «Luisa
Miller», Ping in Puccinis «Turandot» oder zeitgenössi-
sche Partien wie Jason in Reimanns «Medea» oder Ennis
del Mar in Charles Wuorinens «Brokeback Mountain».
   Noack wirkte bei zahlreichen CD- und Rundfunk-
produktionen mit (Harmonia Mundi, Carus, Chan-
nelClassics, SWR, NDR, Deutschlandradio u.a.). Seine
Einspielung der «Dichterliebe» und anderer Heine-
Vertonungen Robert Schumanns erschien bei Oehms-
Classics, Romanzen und Balladen des Spätromanti-
kers Hans Sommer bei AVI/Deutschlandfunk.
   Sebastian Noack studierte in Berlin bei Ingrid Fi-
gur und Dietrich Fischer-Dieskau.
   www.sebastiannoack.com
CHOR, OR                           Chor & Orchester der J. S. Bach-Stiftung

CHESTER
& MUSIKA
LISCHER
LEITER

   Chor & Orchester der J. S. Bach-Stiftung wurden 2006 von Rudolf Lutz gegründet, um
   das gesamteVokalwerk von J. S. Bach gemäss Auftrag der J. S. Bach-Stiftung aufzufüh­
   ren und zu dokumentieren. Das Ensemble besteht aus Berufsmusikerinnen und
   -musikern, die in der historischen Aufführungspraxis zu Hause sind und diese un-
   dogmatisch in den Dienst einer modernen, vitalen Interpretation stellen. Das Or-
   chester verfügt über zwei verschiedene Stammbesetzungen, die je nach Erfordernis
   der Werke ergänzt werden. Dessen Konzertmeisterinnen sind Renate Stein­mann
   und Eva Borhi. Der Chor wird von einer flexiblen Besetzung von bis zu vierzig Personen
   gebildet, wobei einzelne Sängerinnen und Sänger auch immer wieder die Chance
   bekommen, solistische Aufgaben zu übernehmen. Seit seiner Gründung erarbeitet das
   Ensemble im Monatsrhythmus das gesamte Vokalwerk von Bach. Diese kontinuier­
   liche Arbeit unter der Leitung von Rudolf Lutz hat das Ensemble zusammenwachsen
   und reifen lassen. Heute verfügt es über einen homogenen, aber facettenreichen
   Klang und eine grosse Erfahrung in der Interpretation von Bach. Über Bach hinaus
   gehören Werke anderer Stilrichtungen (u. a. religiöse und symphonische Werke von
   Händel, Haydn und Beethoven) zum Repertoire des Ensembles. Chor & Orchester
   der J. S. Bach-Stiftung sind mittlerweile ein national und international gefragtes
   Ensemble und treten in wichtigen Bach-Stätten und Konzerthäusern Europas auf.
      Rudolf Lutz (St. Gallen, *1951) ist ein Musiker singulärer Befähigungen als Pianist,
   Organist, Cembalist, Komponist, Dirigent und Improvisator. Nach langjähriger Tätig-
   keit als Improvisationsdozent an der Schola Cantorum Basiliensis und als Organist in
   der Stadtkirche St.Laurenzen in St.Gallen widmet sich Rudolf Lutz heute internationalen
   Konzertengagements und Meisterkursen in Europa, Amerika und Asien. Seine interdis­
   ziplinäre Erfahrung machte ihn zum prädestinierten musikalischen Leiter der Gesamt­
   aufführung von Bachs Vokalwerk, des gigantischen Projekts der J. S. Bach-Stiftung
   St.Gallen. Für sein Lebenswerk wurde Rudolf Lutz u.a. mit dem Kulturpreis des Kantons
   St.Gallen (2006) und mit dem STAB-Preis der Stiftung für Abendländische Ethik und Kul-
   tur (2015) sowie dem Schweizer Musikpreis (2019) geehrt. Seit 2016 ist Rudolf Lutz Mit­glied
   des Direktoriums der Neuen Bach-Gesellschaft e.V. Leipzig. Im April 2021 wurde Lutz
   die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Zürich verliehen.
KANT    BWV 153
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ATENT
EXT
        «Schau, lieber Gott, wie meine Feind»
        Kantate zum Sonntag nach Neujahr
        Erste Aufführung
        2. Januar 1724 – Leipzig
        Textdichter
        David Denicke (Satz 1)
        Unbekannt (Sätze 2, 4, 6–8)
        Jesaja 41, 10 (Satz 3)
        Paul Gerhardt (Satz 5)
        Martin Moller (Satz 9)

        1. Choral
        Schau, lieber Gott, wie meine Feind,
        damit ich stets muß kämpfen,
        so listig und so mächtig seind,
        daß sie mich leichtlich dämpfen!
        Herr, wo mich deine Gnad nicht hält,
        so kann der Teufel, Fleisch und Welt
        mich leicht in Unglück stürzen.

        2. Rezitativ — Alt
        Mein liebster Gott, ach laß dichs doch erbarmen,
        ach hilf doch, hilf mir Armen!
        Ich wohne hier bei lauter Löwen und bei Drachen,
        und diese wollen mir durch Wut und Grimmigkeit
        in kurzer Zeit
        den Garaus völlig machen.

        3. Arioso — Bass
        «Fürchte dich nicht, ich bin mit dir. Weiche nicht,
        ich bin dein Gott; ich stärke dich, ich helfe dir auch
        durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.»
8   4. Rezitativ — Tenor
    Du sprichst zwar, lieber Gott, zu meiner Seelen Ruh
    mir einen Trost in meinem Leiden zu.
    Ach, aber meine Plage
    vergrößert sich von Tag zu Tage,
    denn meiner Feinde sind so viel,
    mein Leben ist ihr Ziel,
    ihr Bogen wird auf mich gespannt,
    sie richten ihre Pfeile zum Verderben,
    ich soll von ihren Händen sterben;
    Gott! meine Not ist dir bekannt,
    die ganze Welt wird mir zur Marterhöhle;
    hilf, Helfer, hilf! errette meine Seele!

    5. Choral
    Und ob gleich alle Teufel
    dir wollten widerstehn,
    so wird doch ohne Zweifel
    Gott nicht zurücke gehn;
    was er ihm fürgenommen
    und was er haben will,
    das muß doch endlich kommen
    zu seinem Zweck und Ziel.

    6. Arie — Tenor
    Stürmt nur, stürmt, ihr Trübsalswetter,
    wallt, ihr Fluten, auf mich los!
    Schlagt, ihr Unglücksflammen,
    über mich zusammen,
    stört, ihr Feinde, meine Ruh,
    spricht mir doch Gott tröstlich zu:
    Ich bin dein Hort und Erretter.

    7. Rezitativ — Bass
    Getrost! mein Herz,
    erdulde deinen Schmerz,
    laß dich dein Kreuz nicht unterdrücken!
    Gott wird dich schon
    zu rechter Zeit erquicken;
    muß doch sein lieber Sohn,
    dein Jesus, in noch zarten Jahren
    viel größre Not erfahren,
9   da ihm der Wüterich Herodes
    die äußerste Gefahr des Todes
    mit mörderischen Fäusten droht!
    Kaum kömmt er auf die Erden,
    so muß er schon ein Flüchtling werden!
    Wohlan, mit Jesu tröste dich,
    und glaube festiglich:
    Denjenigen, die hier mit Christo leiden,
    will er das Himmelreich bescheiden.

    8. Arie — Alt
    Soll ich meinen Lebenslauf
    unter Kreuz und Trübsal führen,
    hört es doch im Himmel auf.
    Da ist lauter Jubilieren,
    daselbsten verwechselt mein Jesus das Leiden
    mit seliger Wonne, mit ewigen Freuden.

    9. Choral
        1.
    Drum will ich, weil ich lebe noch,
    das Kreuz dir fröhlich tragen nach;
    mein Gott, mach mich darzu bereit,
    es dient zum Besten allezeit!
        2
    Hilf mir mein Sach recht greifen an,
    daß ich mein Lauf vollenden kann,
    hilf mir auch zwingen Fleisch und Blut,
    für Sünd und Schanden mich behüt!
        3.
    Erhalt mein Herz im Glauben rein,
    so leb und sterb ich dir allein;
    Jesu, mein Trost, hör mein Begier,
    o mein Heiland, wär ich bei dir!
EINF   Kantatentext und Vertonung

ÜHR
UNG
        Auf den ersten Blick ist verwunderlich, dass in dieser
        Kantate BWV 153 – aufgeführt am 2. Januar 1724 noch
        mitten in der Weihnachtsfestzeit – nicht von Friedens-
        jubel, sondern von Feinden und Teufel, von Kampf und
        Furcht die Rede ist. Nicht aber auf den zweiten Blick,
        denn das Sonntagsevangelium von der Flucht nach
        Ägypten (Mt. 2, 13–23) wegen des drohenden Kinder-
        mords zu Bethlehem macht deutlich: Das Friedenskind
        kommt in eine unfriedliche Welt. Dies gilt auch für
        Christen, und das wiederum bestimmt die Kantatenthe-
        matik. Nicht weniger als drei unterschiedliche Choral-
        sätze und davon das Schlusslied mit sogar drei gesunge-
        nen Strophen erinnern an Bachs im Frühsommer 1724
        begonnenen Choraljahrgang, für den die Kantate «Schau,
        lieber Gott, wie meine Feind» strukturell gewissermas-
        sen eine Vorstufe darstellt. Während Bach dabei jedoch
        seinen zwischen Weihnachten und Epiphanias immens
        geforderten Thomanern eine vergleichsweise lösbare
        Aufgabe übertrug und seinen Bläsern gleich ganz eine
        verdiente Pause gönnte, hat er die Rezitative und Arien
        dieser Kantate mit kraftvollen Affektkontrasten ausge-
        stattet. Sie haben tatsächlich mit dem nachweihnacht-
        lichen Grundton dieses von der Flucht nach Ägypten und
        dem Kindesmord des Herodes inspirierten Librettos
        zu tun. Dass «Trübsalswetter» und «Unglücksflammen»
        am Ende in «Himmelsseligkeit» münden werden, lässt
        die an zentraler Stelle platzierte Zusage «Fürchte dich
        nicht» dabei immerhin erahnen.

        Weitere Hinweise finden sich auf der Innenseite –
        aufgeklappt können sie gleichzeitig mit dem Kantaten-
        text gelesen werden.
ANMER                                     Musikalisch-theologische Anmerkungen

KUNGEN                                    von Dr. Anselm Hartinger und Pfr. Dr. Niklaus Peter

1. Choral Das Libretto überträgt das Evangelium       6. Arie Nun ist der Beter überzeugt, in der Tenor-
aus Matthäus 2, 13–23 von der Gefährdung des          arie lässt er sich vom «Trübsalswetter», von Flu-
Jesuskindes und der Flucht nach Ägypten auf           ten wie im Buch Jona, «Unglücksflammen» und
das Glaubensleben der Christen und wählt dafür        Feinden unbeeindruckt von Gott Schutz und
die Anfangsstrophe des Liedes von David Denicke       Rettung zusprechen. Dabei kostet Bach die Sze-
in einem schlichten Choralsatz. Dieser Klagecho-      nerie einer stürmischen Anfechtung mit zacki-
ral aus dem Jahr 1646 handelt vom gnadenlosen         gen Orchesterblitzen und scharfen Punktierun-
Unglück, das Feind, Teufel, Fleisch und Welt          gen ausserordentlich plastisch aus.
bringen können.
                                                      7. Rezitativ Das Bassrezitativ bekräftigt diesen
2. Rezitativ Das gestisch deklamierende Altrezi-      Trost, der bedrängte Gläubige erinnert und ver-
tativ überführt die Klage in ein persönliches Bitt-   gegenwärtigt sich die Errettung des Christus-
gebet zu Gott, in das auch biblische Bezüge aus       kindes vom «Wüterich Herodes» und den «mör-
Psalm 57 und aus Daniel Kap. 6 eingewoben sind.       derischen Fäusten» seiner Knechte: «Wohlan, mit
                                                      Jesu tröste dich, und glaube festiglich.» Jenen,
3. Arioso Die göttliche Antwort im Bassarioso         die mit Christus leiden und diese (anrührend ge-
auf das Stossgebet des Rezitativs ist ein wörtli-     zeichnete) Fluchtsituation überstehen, wird das
ches und tröstliches Zitat aus Jesaja Kap. 41, 10.    Himmelreich versprochen.
Dieses von ihm mehrfach vertonte Dictum hat Bach
dem Bass als sprechende «Vox Christi» anvertraut,     8. Arie Die tröstliche Perspektive des Rezitativs
dessen gesammelte Kantilene und fliessende Con-       wird in der Altarie auf innige Weise weiterge-
tinuostütze trotz der abgedunkelten Molltonali-       führt: Im Himmel höre alles Leiden auf, da sei
tät sanftmütige Sorge ausstrahlen.                    «lauter Jubilieren», eine Transformation hin zu
                                                      «seliger Wonne» und «ewigen Freuden». Wie so
4. Rezitativ Das scheint den bedrängten Beter         oft wählt Bach für Konstellationen des bewältigten
noch nicht überzeugt zu haben, im Tenorrezitativ      Leidens eine entspannt federnde Tanzform in
weist er Gott auf die immer noch wachsende Be-        pastoral schimmerndem G-Dur. Die neugewon-
drängnis hin, die wiederum mit drastischen Wort-      nene Sicherheit gibt dabei am Ende sogar ausge-
bildern aus den Klageliedern 3, 12, aus Jeremia       sprochen «freudigen» Soprankoloraturen Raum.
11, 21 und 1. Johannesbrief 5, 19 verdeutlicht wer-
den: Auf engem Raum versammelt Bach zahlrei-          9. Choral Unsere Klage- und Trostkantate schliesst
che ausdrückende Mittel – vom gespannten Bo-          mit den drei letzten Strophen von Martin Mol-
gen todbringender Pfeile über den kreuzmässig         lers Lied «Ach Gott, wie manches Herzeleid»
ausgehauchten Abstieg des Sterbens bis zum            (1587). Die versammelte Gemeinde stimmt in die
anrührend flehenden Schlussandante.                   hier verkündete Lehre und Ethik von Bedräng-
                                                      nissen und Leiden ein, die mit Blick und im Ver-
5. Choral Die Antwort findet sich in der kraftvoll-   trauen auf Christus im Diesseits oder Jenseits
tröstlichen 5. Strophe von Paul Gerhardts Lied        überwunden werden.
«Befiehl du deine Wege» mit der Zusicherung,
dass Gott nicht zurücknehme, was er zusage. So
komme alles «zu seinem Zweck und Ziel».
J. S.                                Die nächsten Konzerte
                                     und Veranstaltungen im Überblick
  BACH
STIFT
UNG
      14. Januar          Stadthaus Ortsbürgergem.      SG    «Zu Gast bei Rudolf Lutz»
                          Ein Artisttalk mit Musik und mehr.
                          Altus Jan Börner im Gespräch mit Rudolf Lutz.

      16. Februar         Wiener Konzerthaus*           AT    Solokantaten mit Nuria Rial
      17. Februar         Tonhalle St. Gallen           SG
      18. Februar         Peterskirche Basel            BS
      19. Februar         Kirche St. Peter Zürich       ZH
      24. Februar         Evang. Kirche Trogen          AR    Kantatenkonzert BWV 154
      17. März            Evang. Kirche Trogen          AR    Kantatenkonzert BWV 196
      18. März            Stadthaus Ortsbürgergem.      SG    «Zu Gast bei Rudolf Lutz»
      5. April            TAK, Vaduzer Saal*            FL    Tournée Johannespassion
      6. April            Tonhalle St. Gallen           SG
      8. April            Tonhalle Zürich*              ZH
      21. April           Evang. Kirche Trogen          AR    Kantatenkonzert BWV 134
      26. Mai             Evang. Kirche Trogen          AR    Kantatenkonzert BWV 74
      8. Juni             Bachfest Leipzig*             DE    Kantaten BWV 136, 105, 46, 179
      23. Juni            Würth-Haus Rorschach          SG    Kantatenkonzert BWV 210
      18. August          Evang. Kirche Trogen          AR    Kantatenkonzert BWV 178
      19. August          N.N.		                              «Zu Gast bei Rudolf Lutz»
      14. September       Kathedrale St. Gallen         SG    Messe BWV 233
      15. September       Kathedrale St. Gallen         SG    Messe BWV 234
      27. Oktober         Evang. Kirche Trogen          AR    Kantatenkonzert BWV 130
      23. November        Evang. Kirche Speicher        AR    Kantatenkonzert BWV 199
      24. November        Evang. Kirche Speicher        AR    Kantatenkonzert BWV 106
      15. Dezember        Evang. Kirche Teufen          AR    Kantatenkonzert BWV 62
      16. Dezember        Stadthaus Ortsbürgergem.      SG    «Zu Gast bei Rudolf Lutz»

      Weitere Konzerte und Informationen entnehmen Sie bitte unserer Webseite:
      www.bachstiftung.ch → Konzertkalender Programm-/Besetzungsänderungen vorbehalten.
      * Gastspiel (Tickets erhältlich über Veranstalter)
  J. S. Bach St. Gallen AG | Postfach 328 | 9004 St.Gallen (Schweiz) | Telefon +41 (0)71 242 16 61
                           info@bachstiftung.ch | www.bachstiftung.ch
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