Schlafmangel - auch eine Art von Stress - und wie man damit umgehen kann Karel Frasch - Bezirkskliniken ...

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Schlafmangel – auch eine Art von Stress
             …und wie man damit umgehen kann

                                Karel Frasch

                                BKH Donauwörth
         Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
                            an der Donau-Ries Klinik

3. Fachtag der Bezirkskliniken Schwaben, Memmingen, 05.06.2019
Kleine Einführung
• eine gesunde Schlafdauer entspricht in etwa einer
  durchschnittlichen Dauer von 7 Stunden

   •   über einen längeren Zeitraum nicht unter 6 Stunden
   •   zu langer Schlaf kann auch schädlich sein
   •   wir schlafen heute 1-2 h weniger pro Nacht als vor 50 a !
Begriffe
Chronische Insomnie („nicht erholsamer Schlaf“; ESS,
DSS, Leistungsfähigkeitsminderung und affektive
Symptome): Punktprävalenz 10%; oftmals im Rahmen oder
Prodromalsyndrom manifester psychischer Erkrankungen,
mit metabolischen Veränderungen assoziiert

Primäre Insomnie (Prävalenz 2-4%): Schlafstörung nicht
durch anderweitige Erkrankung oder Substanzgebrauch
bedingt
Nicht-organische Insomnie nach ICD-10

•   Beschwerden über Ein- und Durchschlafstörungen oder
    Beschwerden über schlechte Schlafqualität
•   Auftreten mind. 3x pro Woche mind. einen Monat lang
•   Übermäßige Beschäftigung vor allem nachts mit der
    Schlafstörung und / oder tagsüber übertriebene Sorgen um
    deren negative Konsequenzen
•   Körperliche und geistige Müdigkeit, tagsüber depressive,
    besorgte, reizbare Stimmung
•   Erschöpfung und / oder Beeinträchtigung der
    Leistungsfähigkeit
•   Fehlen organischer / anderer ausreichend erklärender
    Ursachen / Krankheiten
•   Cave: Insomniepatienten unterschätzen meist ihre
    tatsächlichen Schlafzeiten!
Diagnostik

•   Abklärung körperlicher und psychischer Erkrankungen
•   Schlaffragebögen, Schlaftagebücher (die subjektive
    Seite ist wichtig !)
•   Nach Substanzen, die den Schlaf stören, fragen (s.u.)
•   Aktometrie kann eingesetzt werden
•   Polysomnographie (zusätzlich u.a. EEG, EKG, EOG,
    Temperatur, Pulsoxymetrie, Atemfluß) bei
    begründetem Verdacht / spezieller Fragestellung
Biologische Hintergründe
•   Neuromodulatorisch: Schlaf-Wach-Rhythmus als labiles Gleichgewicht,
    an dem zahlreiche Neurotransmitter beteiligt sind, z.B. Ach, ADR, NOR,
    DOP, SER, HIS, Orexin/Hypocretin, Melatonin (Abnahme im Alter)

       • Tiefschlaf: niedriges Niveau von ACh und Kortisol
       • REM-Schlaf: hohes ACh und niedrige Aktivität des
         serotonergen und noradrenergen Systems

•   Hypothese der aktiven systemischen Konsolidierung v.a.
    während des Tiefschlafs: Reaktivierung von neu Erlerntem durch
    wiederholtes „Abspielen“ via hippocampocorticale Projektionen
    („deklaratives Gedächtnis“; Faktenwissen, räumlich-zeitlicher Kontext)
Biologische Hintergründe II
•   Positiver Effekt einer Schlafnacht nach dem Lernen auf die
    Erinnerungsleistung
•   Schlaf führt nach dem Lernen zu einer Reorganisation der
    neuronalen Aktivität von hippokampalen zu neokortikalen /
    striatalen Arealen
•   Hypothese der synaptischen Homöostase: Gleichzeitig wird im
    Tiefschlaf die Stärke synaptischer Verbindungen geschwächt, um
    das Gehirn für den nächsten Tag wieder aufnahmefähig zu machen
•   REM-Schlaf: Stärkt Inhalte emotionaler Erinnerungen und
    schwächt wohl gleichzeitig die mit diesen Inhalten verbundene
    Emotionalität ab („sleep to remember, sleep to forget“, „Verarbeitung“)
… also: Warum ist ausreichend Schlaf wichtig ?
-   Voraussetzung für psychische Ausgeglichenheit und
    sozial akzeptables „Funktionieren“ (kognitive
    Performance (Unfälle !), Sozialverhalten) und
    körperliche Gesundheit (cerebrale
    Glucosemetabolisierung; Gewichtszunahme /
    geringeres Hippocampusvolumen)

-   Schlafbezogene Gedächtnisbildung, Abschwächung
    von hochamplitudiger Begleitaffektivität
Forschungsansätze
-   Bewirkt höherer Stellenwert der Behandlung von
    Schlafstörungen bei psychisch Erkrankten eine Verbesserung
    kognitiver und psychischer Symptome ?

-   Lassen sich Schlafstörungen und komorbide Symptome durch
    „gezielte“ Interventionen (z.B. medikamentös, transcranielle
    Stimulation, Intensivierung / höhere Verfügbarkeit entsprechender
    Psychotherapie) besser beeinflussen als durch das bisherige
    Vorgehen alleine ?

-   Beispiel: Schlaf nach Therapiesitzungen postexpositionell bei
    Spinnenphobikern offenbar mit Angstreduktion assoziiert
Schlaf und Pharmaka I:
Substanzen, die Schlafstörungen verursachen können

Alkohol, Coffein, Antibiotika, Zytostatika,
Antihistaminika / Anticholinergika, Antidepressiva,
Antihypertensiva, Benzodiazepine u. a. Hypnotika
(!!), Corticoide, Dopaminergika, illegale Drogen,
Neuroleptika, Nikotin, Nootropika,
Schilddrüsenhormone…
Schlaf und Pharmaka II:
Substanzen, die zur Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt werden
         (S3-Leitline nicht erholsamer Schlaf / Schlafstörungen)

   -   Benzodiazepine
   -   Sog. Z-Substanzen
   -   Sedierende Antidepressiva / Antihistaminika
   … in der Kurzzeittherapie (max. 4 Wo; Datenlage für Empfehlung ausreichend)

   -   Sedierende Antihistaminika
   -   Sedierende Antidepressiva
   … bei mittelfristiger / längerfristiger Anwendung (Datenlage für Empfehlung nicht
   ausreichend)

   -   Antipsychotika (zusätzliche UAW; Ausnahme: sog. niedrigpotente Substanzen bei
       gerontopsychiatrischen Patienten)
   -   Melatonin
   -   Phytopharmaka (Baldrian, Passionsblume etc.)
   … insgesamt unzureichende Datenlage für jedwede evidenzbasierte Empfehlung
Nichtmedikamentöse Behandlungsmöglichkeiten
•   Akupunktur
•   Aromatherapie
•   Homöopathie
•   Meditation
•   Musiktherapie
•   Öle
•   Reflexzonenmassage
•   Yoga / Tai Chi / Chi Gong

alleine

… können aufgrund der schlechten Datenlage nicht empfohlen
werden
Nichtmedikamentöse Behandlungsmöglichkeiten
•   Kognitiv-behaviorale Insomniebehandlung
    (CBT-I)

       1. Wahl bei leitliniengerechter Behandlung, höchster
        Empfehlungsgrad („soll“)
       Idee u.a. Vermittlung hilfreicher Information,
        „Schlafrestriktion“, Stressreduktion / Entspannung,
        Arbeiten an dysfunktionalen Denkmustern / Einstellungen
Was kann jeder tun ?
-   Entspannen
-   Beeinflussung dysfunktionaler Gedanken /
    Einstellungen
-   Vermeidung von coffeinhaltigen Getränken nach dem
    Mittagessen
-   Vermeidung von Alkohol
-   Keine schweren Abendmahlzeiten
-   Regelmäßige körperliche Aktivität
-   Verringerung „anstrengender“ Tätigkeiten vorm
    Zubettgehen
Was kann jeder tun ? … Forts.

-   Ein persönliches Einschlaf“ritual“ einführen, „dranbleiben“ !
-   Schlafzimmer ruhig, dunkel, (nicht zu) kühl
-   In der Nacht nicht auf die Uhr schauen
-   Erst müde ins Bett gehen
-   Bett nur zum Schlafen benutzen 
-   Wenn nach 15 Min noch wach, in anderes Zimmer gehen
    und erst zurückkehren, wenn schläfrig, ggf. wiederholen
-   Zur gleichen Zeit morgens aufstehen
-   Tagsüber nicht schlafen
Quellen
•   Göder R, Nissen C, Rasch B. Schlaf, Lernen und Gedächtnis: Relevanz für Psychiatrie
    und Psychotherapie. Nervenarzt 2014; 85: 50-56
•   Heitmann J, Cassel W, Ploch T, Canisius S, Kesper K, Apelt S. Messung von Schlafdauer
    und Schlafqualität. Bundesgesundheitsbl 2011; 54: 1276-1283
•   Oertel W, Riemann D, Pollmächer T. Schlaf. Nervenarzt 2014; 85: 7-8
•   Pöpel A. Evidenzbasierte Behandlung nicht-organischer Schlafstörungen. Praxis 2018;
    107: 1339-1343
•   Riemann D, Baum E, Cohrs S et al. S3-Leitlinie nicht erholsamer Schlaf /
    Schlafstörungen. Kapitel Insomnie bei Erwachsenen (AWMF Registrierungsnummer 063-
    003), Update 2016. Somnologie 2017; 20: 2-44
•   Rodenbeck A, Hajak G. Das Schichtarbeitersyndrom. Eine systematische Übersicht zu
    Schlafstörungen durch Schichtarbeit. Somnologie 2010; 14: 111-122
•   Wolf K. Erholsamer Schlaf: Voraussetzung für die Gesundheit. NeuroGeriatrie 2009; 6:
    19-23
Vielen Dank
-       an Frau Masterpsychologin Maria Panzirsch

                   … und natürlich

    -   Ihnen für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit!
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