School's out!? - DieTiefsee - Handout - Stadt Leipzig
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Handout zum Video-Podcast Sch o o l ‘ s o u t ! ? des Naturkundemuseums Leipzig Die Folge 1 Tiefsee 1
Die Tiefsee Alles nass oder was? Vor etwa vier Milliarden Jahren war die Erde wie ein riesiger Pudding. Noch halb flüssig und extrem heiß. Langsam kühlte sie sich ab. Eine dünne Haut entstand auf dem sehr warmen Erdball. Sie hatte Dellen und Vertiefungen. Und in diesen riesigen Senken sammelten sich Unmengen von Wasser. Wie die Soße auf dem Pudding „schwammen“ bald die ersten Ozeane auf der Erdkruste. Doch woher kam das Wasser? Forscher vermuten, dass es von Kometen stammte. Die großen Brocken aus dem Weltall bestehen aus Eis und Staub. Sie bildeten sich damals am Rand unseres Sonnensystems. Einige dieser „schmutzigen Schneebälle“ schlugen auf der Erde ein. Eine Theorie besagt, dass sie das erste Nass auf unseren Planeten brachten. Doch die Erdoberfläche war so heiß, dass das Wasser zischend verdampfte. Es entwich als Wasserdampf in die Atmosphäre. Dort hefteten sich Staub- und Ascheteilchen an die feuchten Dünste. Sie wurden dadurch schwer und fielen als Ur-Regen auf die Erde. Zunächst verdampfte auch der Niederschlag. Aber im Laufe der Zeit sank die Temperatur der Erdoberfläche, sodass sich das Regenwasser sammeln konnte. Viele Zehntausend Jahre lang prasselte ein Dauerregen hinab. Er ließ ein riesiges Ur-Meer entstehen. Ohne dieses schlechte Wetter in der Urzeit unseres Planeten würde es die heutigen Ozeane nicht geben. Mega-Pfützen – Ozeane als geologische Lücken Etwa zwei Drittel der Erde sind mit Wasser bedeckt. Zusammen haben die Meere ein Volumen von rund 1,3 Milliarden Kubikmetern. Würde man dieses Wasser in einen riesigen Würfel schütten, hätte er eine Kantenlänge von etwa 1.100 Kilometern! Das ist ungefähr die Strecke von Berlin bis nach Paris. Die Ozeane sind Reste des Ur-Meeres Panthalassa. Es umgab vor 300 Millionen Jahren den Super- Wusstest Kontinent Pangea. Er zerbrach vor 150 Millionen Du schon? Jahren. Die Bruchstücke waren riesige Landmassen. Über 11.000 Meter geht es im Sie bewegten sich (drifteten) auseinander und Marianengraben auf den Boden bildeten die heutigen Kontinente und Inseln. Die des Pazifischen Ozeans hinab. tiefen Gräben dazwischen füllten sich mit dem Das ist bisher die größte Tiefe, die in den Weltmeeren Wasser des urzeitlichen Meeres. So entstanden gemessen wurde. die Ozeane, wie wir sie kennen. Sie sind quasi riesige „Pfützen“ zwischen gigantischen Landblöcken. 2
Enorm ist auch die Tiefe der Ozeane: Bereits ab 200 Meter beginnt die Zone der Tiefsee. Sie reicht bis in eine Tiefe von über 11.000 Meter hinab. In die oberen Regionen dringen noch Reste des Tageslichts, bis es schließlich ganz verschwindet. Ab etwa 1.000 Meter ist es völlig dunkel. Die Tiefsee erstreckt sich über fast 90 Pro- zent der Ozean-Fläche auf der Erde. Dort unten ist es eiskalt und es herrscht ein unvorstellbar hoher Druck. Dennoch ist diese Welt voller seltsamer und vielfälti- ger Organismen. Einige Forscher glauben sogar, dass in der Tiefsee der Ursprung des Lebens auf der Erde liegt („School’s out“ Folge 11: Schwarze Raucher). Und in dieses geheimnisvolle Habitat tauchen wir jetzt ab... Dem Meer auf den Grund gehen – Geheimnisvolle Tiefsee In der Tiefsee geht es weiter hinab, als unsere höchsten Berge hinaufreichen. Diese Welt ist dunkel, kalt und sauerstoffarm. Kein Mensch könnte dort ohne Schutz überleben. Gerade einmal fünf Prozent der Tiefsee sind erforscht. Die erste deutsche Tiefsee-Expedition hatte ihren Ursprung übrigens in Leipzig! Der dort tätige Zoologieprofessor Carl Chun (1852–1914) entwickelte die Idee, mit einem Wusstest Forschungsschiff die Ozeangründe zu erkunden. Du schon? Er wählte verschiedene Wissenschaftler aus, die In der Tiefsee herrscht ein enormer ihn auf seinem Unternehmen begleiteten. Am Druck durch die Wassermassen von 31. Juli 1898 lief in Hamburg der Dampfer oben – bis zu einer Tonne Gewicht pro „Valdivia“ zu einer neunmonatigen Erkundung Quadratzentimeter. der Weltmeere aus. Die Expedition lieferte Warum sind die Tiere dann nicht platt wie sensationelles neues Wissen über die Pfannkuchen? Ozeangründe. Ganz einfach: Sie bestehen aus viel Wasser. Der Druck hat Einfluss auf mit Gas gefüllte Die Forscher entdeckten unzählige neue Hohlräume, wie zum Beispiel unsere Lunge. Sie werden zusammengedrückt. Tierarten: Zum Beispiel den Vampirtintenfisch, der Dagegen bleiben mit Wasser auf seiner Haut viele Leuchtorgane hat. Er kann auf gefüllte Körper so, wie sie seiner Oberfläche ein bis zu zehn Minuten dauerndes sind. Leucht-Feuerwerk veranstalten! 3
Heute wissen wir viel mehr als damals, aber längst noch nicht alles, über die Tiefsee. Sie ist ein sehr besonderes Habitat voller seltsamer und teilweise riesiger Lebewesen: uralte Schwämme, Riesenkalmare groß wie Omnibusse und Asselspinnen gigantischer als drei Pizzateller nebeneinander. Wusstest Du schon? Das Nahrungsangebot fällt in der Tiefsee spärlich aus: Bis heute haben sich in Auf den Böden der Weltmeere kommen nur Reste U-Booten und Tauchglocken organischen Materials (Kot, Aas, Plankton) aus der oberen weniger Menschen in die Tiefsee Welt an. Sie werden „Meeresschnee“ genannt, da sie von gewagt als mit Raumschiffen zum Mond. oben herabrieseln. Trotz der extremen Lebensbedingungen gibt es nirgends auf der Welt so viele neue Organismen zu entdecken wie in den Tiefen der Ozeane: Bis jetzt sind 250.000 höhere Lebensformen bekannt, doch ihre Zahl wird auf eine Million geschätzt! So außergewöhnlich wie der Lebensraum sind die auch Anpassungen seiner Bewohner: Das Leben in Dunkelheit und Kälte (4° bis -1°C), unter hohem Druck (1.100 Mal höher als an der Ober- fläche) und mit geringem Nahrungsangebot erfordert besondere Überlebensstrategien: Beispielsweise saugt der auf dem Tiefsee- boden lebende Glasschwamm Monor- haphis chuni jeden Tag Unmengen von Wasser ein. Daraus filtert er seine Nahrung (zum Beispiel Plankton). Auch die Sinne sind bei zahlrei- chen Ozeanbewohnern besonders entwickelt. Beispielsweise haben Tiefsee-Tintenfische und -Kalma- re, um Restlicht einzufangen, die größten Augen der Tierwelt (be- zogen auf ihre Körpergrößen). Beim Koloss-Kalmar sind sie riesig wie ein Fußball mit einer Linse in Orangengrö- ße. Dagegen besitzt der Glaskopffisch auf der Oberseite des Kopfes eine transparente Haube, damit seine Augen geringste Lichtstrah- len wahrnehmen können. Und beim Juwelenkalmar schaut das größere linke Auge nach oben, während das kleinere rechte die Tiefe im Blick behält. 4
Lichtshow und „Giftbrühe“ – Das seltsame Leben in der Tiefsee Die Finsternis der Tiefsee wird immer wieder spektakulär erhellt, denn 90 Prozent aller hier lebenden Tiere können im Dunkeln leuchten. Diese Fähigkeit heißt Biolumineszenz. Wusstest Du Sie ist wichtig, um Partner und Beute anzulocken sowie Feinde abzuwehren. Beispielsweise tragen schon? Tiefsee-Anglerfische am Kopf einen langen Fortsatz, Einige Tiefsee-Tiere verjagen mit Licht in dessen Spitze leuchtende Bakterien leben. Mit Fressfeinde: Zum Beispiel schießt der Grüne Bomberwurm (Swima bombiviridis) diesem hellen Stäbchen locken sie Beutefische leuchtende Blasen auf Angreifer. Sie an. Nicht nur zum Töten, auch zum Turteln ist die werden dadurch geblendet und der Lichtshow gut: Der Körper des Juwelenkalmars ist Wurm kann fliehen. übersät mit Leuchtorganen. In der Dunkelheit strahlt er wie ein Edelstein – ein deutliches Signal für potenzielle Partner. Ein Signal in der Tiefe setzen auch die „Raucher“: hydrothermale Quellen auf dem Meeresboden („School’s out“ Folge 11: Schwarze Raucher). Hydrothermal bedeutet, dass heißes Wasser aus der Erde austritt, indem verschiedene Stoffe gelöst sind. Die Quellen entstehen an Zonen der ozeanischen Erdkruste, an denen eine Kontinentalplatte unter die andere abtaucht und flüssiges Magma aufsteigt. An dieser Bruchzone dringt Meerwasser in die Erdkruste ein und reichert sich mit Mineralstoffen (v.a. Schwefel) und Schwermetallen an. Danach schießt es unter hohem Druck als bis zu 460°C heiße Lösung wieder aus der Erdkruste heraus. Die „Brühe“ ist extrem giftig, saurer als Essig und tiefschwarz. Je nach Farbe der Schwaden heißen die Quellen „schwarze“, „weiße“ oder „klare Raucher“. Um die Aus- trittsstelle lagern sich Metall-Schwefelverbindungen ab – es entstehen bis zu 50 Meter hohe, kaminartige Schlote. Die höchsten heißen „Godzilla“, „Eiffel- turm“ und „Schlangengrube“. An den toxischen, erst 1977 entdeckten Kaminen gibt es reichlich Leben! Sie sind die am dichtesten besiedelten Habitate der Tiefsee. An diesen warmen Oa- sen auf dem Meeresgrund leben bis zu 500 Tierarten: Die wichtigsten Organismen sind Bakterien, die Schwefelwasserstoff und Methan in organisches Material und Energie umwandeln. Damit ernähren sie andere Tiere wie Röhrenwürmer, Muscheln, Krebse, Schnecken und Seesterne. Derzeit sind weltweit etwa 220 aktive und rund 90 erloschene „Raucher“ bekannt. 5
Die faszinierende und noch weitgehend unbekannte Tiefsee gilt es weiter zu erforschen, aber sie sollte auch geschützt werden. Denn sie ist ein wichtiger Speicher der Treibhausgase Methan und Kohlendioxid. Außerdem sind die Ozeane die größten Sauerstoffproduzenten der Wusstest Du Erde. Sie bestimmen unser Klima, reinigen und schon? filtern das Wasser und sind Nahrungs- und In der Tiefsee ist es laut: Gesänge, Brummen und Grunzen von Fischen, Ressourcenlieferanten. Und sie sind das größte Walen und anderen Meeressäugern, Ökosystem unseres Planeten. Übermäßige Geräusche von Wirbelstürmen an der Fischerei, der Abbau von Rohstoffen sowie das Oberfläche, Lärm von Schiffsschrauben, Einbringen von Müll und giftigen Abwässern Bohrinseln, Marine-Sonaren, bedrohen dieses Habitat. Beispielsweise gelangen Unterwasser-Erdbeben – alles jährlich über drei Millionen Tonnen Plastikmüll in die erzeugt einen Sound. Weltmeere. Er tötet zahlreiche Lebewesen, denn diese fressen den Kunststoff und verhungern mit „vollem“ Magen. Oder sie verheddern sich darin (v.a. in Plastiktüten und -ringen) und verenden. Ein Teil des schädlichen Stoffes landet auch wieder bei uns, denn Fische lagern Mikroteilchen aus Plastik in ihren Körpern ein. Essen wir die Tiere dann, haben wir gewissermaßen eine Plastik-Mahlzeit auf dem Teller! Architekt ohne Hirn und Augen – Der Glasschwamm Monorhaphis chuni Der extrem langsam wachsende Glasschwamm Monorhaphis chuni gehört zu den ältesten vielzelligen Lebewesen der Erde. Schwämme gibt es seit mindestens 700 Millionen Jahren. Alle Arten leben im Wasser – viele in den salzigen Meeren, einige auch im Süßwasser – und Wusstest Du ihre Formenvielfalt ist groß: Vasen, Becher, Keulen, Knollen, Kissen. Und von grau bis grellbunt ist an Farben alles dabei. schon? Der Glasschwamm Monorhaphis Schwämme bestehen aus vielen einzelnen Zellen. Sie be- chuni wird bis zu 11.000 Jahre alt. sitzen, im Gegensatz zu uns, keine Organe aus spezialisier- Er ist damit einer der ältesten lebenden Organismen auf ten Zellen. Gehirn, Augen und Muskeln haben Schwämme der Erde. nicht. Die Tiere leben festgewachsen an einem Ort, beispiels- weise auf dem Meeresboden oder auf einer Muschelschale. Doch einige Arten können sich fortbewegen: Sie ziehen sich wel- lenartig zusammen und dehnen sich wieder aus. So kommen sie ganz langsam (vier Millimeter pro Stunde) weg vom Fleck. 6
Mehr Action gibt es bei der täglichen Nahrungsauf- nahme: Fast alle Schwämme sind Strudler. Sie saugen Meerwasser ein und filtern daraus Nahrung (Bakterien, kleinstes Plankton, Gewebeteilchen). Und sie gewin- nen noch etwas aus dem Nass – die Mineralstoffe Kalzium und Silizium. Daraus bauen sie mithilfe von Proteinen, also Eiweißen, ein sehr verzweigtes und daher stabiles Skelett aus kleinen Nadeln. Während Kalkschwämme dafür Kalzit verwenden, bauen Horn- kiesel- und Glasschwämme mit Siliziumdioxid. Daher leitet sich auch der Name „Glasschwamm“ ab, denn unser Gebrauchsglas besteht ebenfalls zum größten Teil aus Siliziumdioxid. Die Tiere stellen also gewissermaßen aus Wasser Glas her. Sie bauen aus dem filigranen Material nicht nur ihre Skelette auf. Mit einzelnen Glasfäden oder der gesamten Unterseite ihres Skeletts verankern sich Glasschwämme am Meeresboden. Anders ist es bei Monorhaphis chuni: Die vor allem in den Tiefen des Antarktischen Meeres lebenden Tiere bilden extrem lange (bis zu drei Meter) Silizium-Nadeln. Mit diesen „Spießen“ – Pfahlnadeln genannt – halten sie sich im weichen Meeresboden fest, um nicht von der Strömung abgetrieben zu werden. Wie ein Ritter mit Lanze steht Monorhaphis chuni auf dem Wusstest Du Boden der Tiefsee. schon? Im Meer gibt es Bio-Glasfasern! Die Der Speer besteht, wie die Ringe eines Baumes, aus Silizium-Nadeln des feinen Schichten und ist außergewöhnlich elastisch. Glasschwamms Monorhaphis chuni Bis zur runden Kreisform kann die Pfahlnadel gebogen können Licht leiten wie künstliche werden, ohne zu zerbrechen. Selbst eine starke Glasfasern. Und sie sind sogar Strömung kann Monorhaphis chuni nichts anhaben. Was stabiler und elastischer als das der Glasschwamm vor Millionen von Jahren erfunden synthetische Material. hat, nutzen auch wir täglich: Seine Silizium-Nadeln können nämlich Licht leiten wie moderne Glasfasern. Die Bio- Glasfasern sind durch die Mischung aus Silizium und Eiweiß sogar stabiler und elastischer als das künstliche Material. Forscher rätseln noch, warum das „Glas“ der Schwämme Licht leiten kann. Vielleicht überträgt das Tier damit Informationen in seinem Körper – so wie wir es mit Daten in Glasfaserleitungen tun. Stadt Leipzig www.naturkundemuseum.leipzig.de Text & Lektorat: Henriette Joseph Naturkundemuseum Leipzig naturkundemuseum@leipzig.de Layout: Nadine Baum, Tessina-La- Lortzingstraße 3 (0341) 98221-0 rissa Schramm & Jana Domaratius 04105 Leipzig Grafiken: Nadine Baum Oktober 2020 7
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