Schulblatt4/2021 Die Schule lockt - Warum der Lehrberuf so beliebt ist - Kanton Zürich

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Schulblatt4/2021 Die Schule lockt - Warum der Lehrberuf so beliebt ist - Kanton Zürich
Kanton Zürich

              Schulblatt
              Bildungsdirektion

                                                 4/2021

                                  Die Schule lockt
                                      Warum der Lehrberuf
                                             so beliebt ist

Spielend lernen
Die Bedeutung von
Spielphasen in der Schule

Professionell
schreiben
Mittelschüler üben
sich im Journalismus

Zuerst die Schule
Das Modell BM Fokus
für KV-Lernende
Schulblatt4/2021 Die Schule lockt - Warum der Lehrberuf so beliebt ist - Kanton Zürich
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                                             Magazin                                            Fokus:                                                   Volksschule
                                                                                                Die Schule lockt
                                             4                                                                                                           24
                                             Kommentar                                          12                                                       «Spielen plus»
                                             Bildungsdirektorin Silvia                           Im Gespräch                                             Kinder lernen spielend –
                                             Steiner über die Bedeutung                          PH-Rektor Heinz Rhyn                                    vom Kindergarten bis in die
                                             des Sprachaustausches                               über hohe Anmeldezahlen                                 2. Klasse
                                                                                                 und die Anforderungen an
                                             5                                                   den Lehrberuf                                           26
                                             Im Lehrerzimmer                                                                                             Stafette
                                             Kantonsschule Zimmerberg                           17                                                       Die Kleingruppenschule
                                                                                                 Porträtreihe                                            ­Winterthur pflegt eine Kultur
                                             6                            Motivation und erste                                                            des Miteinanders
                                             Persönlich                   ­Erfahrungen: Angehende
                                             Psychologin Claudia Hofmann, Lehrerinnen und Lehrer                                                         29
                                             Co-Leiterin der Fachstelle    ­erzählen                                                                     In Kürze
                                             ­Berufliche Inklusion

                                             9
                                             Meine Schulzeit
                                             Stéphanie Berger, Moderatorin,
                                             Comedienne, Speakerin
Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Inhalt

                                             Wichtige Adressen                                                   Impressum Nr. 4/2021, 22.10.2021
                                             Bildungsdirektion: www.zh.ch/bi Generalsekretariat: 043 259 23 09   Herausgeberin: Bildungsdirektion Kanton Zürich, Walcheplatz 2, 8090 Zürich Erscheinungs­
                                             Bildungsplanung: 043 259 53 50 Volksschulamt: 043 259 22 51         weise: fünfmal jährlich, 136. Jahrgang, Auflage: 19 000 Ex. Redaktion: jacqueline.olivier@
                                             M                 ­ erufsbildungsamt: 043 259 78 51 Amt für Ju­
                                             ­ ittelschul- und B                                                 bi.zh.ch, 043 259 23 07; Sekretariat schulblatt@bi.zh.ch, 043 259 23 09 Abonnement:
                                             gend und Berufsberatung: 043 259 96 01 Lehrmittel­verlag Zürich:    ­Lehr­personen einer öffentlichen Schule im Kanton Zürich können das ­«Schulblatt» in ihrem
                                             044 465 85 85 Fachstelle für Schulbeurteilung: 043 259 79 00 Bil­    ­Schulhaus ­gratis beziehen (Bestellwunsch an Schulleitung). Bestellung des «Schulblatts»
                                             dungsratsbeschlüsse: www.zh.ch/bi > Bildungsrat Regierungsrats­       an Privat­adresse s­ owie Abonne­ment weiterer Interessierter: ­abonnemente@staempfli.com,
                                             beschlüsse: www.zh.ch > Organisation > Regierungsrat > Aufgaben       031 300 62 52 (Fr. 40.– pro Jahr) ­Online: www.zh.ch/schulblatt G­ estaltung: www.bueroz.ch
                                             und Beschlüsse                                                      Druck: www.staempfli.com ­Inserate: ­mediavermarktung@staempfli.com, 031 300 63 87
                                                                                                                 Re­daktions- und Inserateschluss nächste Aus­gabe: 11.11.2021 Das ­nächste «Schul­
                                             Titelbild: Stephan Rappo                                              blatt» erscheint am: 10.12.2021

                                             Weiterbildungsangebote
                                             Unter den nachfolgenden Links finden Sie zahlreiche Schulungs- und Weiterbildungsangebote für Lehrpersonen, Fachlehrpersonen, Schulbehörden und Schul­
                                             leitende: Volksschulamt: www.zh.ch/bi > Volksschulamt > Aus- und Weiterbildungen Pädagogische Hochschule Zürich: www.phzh.ch > Weiterbildung Unter­
                                             strass.edu: www.unterstrass.edu UZH/ETH Zürich: www.webpalette.ch > Sekundarstufe II > Gymnasium > UZH und ETH Zürich, Maturitätsschulen HfH – Inter­
                                             kantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich: www.hfh.ch > Weiterbildung ZAL – Zürcher Arbeits­gemeinschaft für Weiterbildung der Lehrpersonen
                                             des ­Kantons Zürich: www.zal.ch > Kurse EB Zürich, Kantonale Berufsschule für W     ­ eiterbildung: www.eb-zuerich.ch ZHAW Zürcher Hochschule für
                                             ­Angewandte Wissenschaften, Soziale Arbeit: www.zhaw.ch/sozialearbeit > Weiterbildung > Weiterbildung nach Thema > Kindheit, Jugend und Familie
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Schulblatt4/2021 Die Schule lockt - Warum der Lehrberuf so beliebt ist - Kanton Zürich
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Mittelschule                                           Berufs­bildung                               43
                                                                                                    Amtliches
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«Jugend schreibt»                                      Berufsmaturität Fokus                        52
Jugendliche betätigen sich                             Ein neues Ausbildungsmodell                  schule & kultur
als Journalisten                                       für KV-Lernende
                                                                                                    54
32                                                     38                                           Agenda
Digitale                                               Berufslehre heute
Unterrichtsprojekte                                    Netzelektriker EFZ
Bilder programmieren statt
malen                                                  41
                                                       In Kürze
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In Kürze

    Editorial
                                                               In der 3. Klasse hatten wir eine Lehrerin, die ihre Ermahnungen an uns Kinder
                                                                                                                                               Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Inhalt

                                                               gern in einem Liedchen verpackte. Unser Mittelstufenlehrer konnte Geschich-
                                                               te unglaublich spannend erzählen. Und mit unserem Naturkundelehrer in der
     Jacqueline Olivier                                        Sek haben wir die aufregendsten Exkursionen unternommen.
                                                                   An unsere Lehrerinnen und Lehrer erinnern wir uns in der Regel gut. Sie
                                                               haben uns geprägt, Freude für bestimmte Themen in uns geweckt, uns wichti-
                                                               ge Grundregeln auf unseren Weg mitgegeben. Doch was braucht es, um Lehre-
                                                               rin oder Lehrer zu werden? Wer ergreift diesen Beruf, mit welcher Motivation,
                                                               mit welchen Erwartungen? Klar ist: Die Pädagogische Hochschule Zürich ver-
                                                               zeichnet zurzeit hohe Anmeldezahlen. Warum dies so ist, erklärt der Rektor in
                                                               unserem Fokus. Studierende wiederum erzählen, warum sie sich für den Lehr-
                                                               beruf entschieden haben und wie es ihnen im Klassenzimmer bisher gefällt.
                                                                   Wir freuen uns, Ihnen nach einer Reihe von Corona-Sonderheften wieder
                                                               ein ganz normales «Schulblatt» vorlegen zu dürfen. 
                                                                                                                                               3

Die Redaktion freut sich über Reaktionen auf das «Schulblatt»: jacqueline.olivier@bi.zh.ch
Schulblatt4/2021 Die Schule lockt - Warum der Lehrberuf so beliebt ist - Kanton Zürich
Kommentar                                                                                                                    ehrgeizig. Denn um es zu erreichen, müs­

       Die kulturelle
                                                                                                                                    sen im Vergleich zu heute die Sprachaus­
                                                                                                                                    tausch-Aktivitäten verdreifacht werden.
                                                                                                                                        Ich bin dennoch überzeugt, dass die

       Vielfalt pflegen
                                                                                                                                    Schule der ideale Ort ist für die Förderung
                                                                                                                                    von Austausch und Mobilität. An ­unseren
                                                                                                                                    Schulen begegnen sich Kinder und Ju­
                                                                                                                                    gendliche mit den unterschiedlichsten

       von Silvia Steiner, Bildungsdirektorin                                                                                       sozialen und kulturellen Hintergründen.
                                                                                                                                    ­
                                                                                                                                    Hier pflegen wir also bereits ­einen offenen
                                                                                                                                    Umgang mit kultureller Vielfalt. Zudem
                                                                                                                                    können wir an den bereits bestehenden
                                                                                                                                    Fremdsprachenunterricht anknüpfen –
                                          In unserer vernetzten Welt spielen Fremd­                                                 und die Austausch­aktivitäten bereichern
                                          sprachen eine zentrale Rolle. Wer Eng­                                                    umgekehrt den Unterricht.
                                          lisch, Französisch, Italienisch oder eine                                                     Unsere Bestrebungen beschränken
                                          andere Fremdsprache beherrscht, schlägt                                                   sich keinesfalls auf Schülerinnen und
                                          sich in den Ferien leichter durch und hat                                                 Schüler. Auch die Lehrpersonen sind an­
                                          in der Berufswelt die besseren Karten.                                                    gesprochen, denn ohne sie wären schuli­
                                          Aber viel mehr noch: Fremdsprachen­                                                       sche Austausch- und Mobilitätsaktivitäten
                                          kenntnisse sind der Schlüssel zu anderen                                                  nur schwer umsetzbar. Deshalb bieten die
                                          Ländern, Regionen und Kulturen. Spra­                                                     Waadt und Zürich interessierten Lehrper­
                                          chen lehren uns etwas über andere Men­                                                    sonen gerne Hand, zum Beispiel bei der
                                          schen und ­erweitern unseren Horizont.
                                              Gerade in der Schweiz, wo auf kleinem
                                                                                       «Fremdsprachen                               Planung eines Unterrichtstags an einer
                                                                                                                                    Schule im anderen Sprachraum.
                                          Raum eine grosse kulturelle Vielfalt zu
                                          finden ist, können wir Sprachkenntnisse
                                                                                      erweitern unseren                                 Zürich und Waadt investieren also in
                                                                                                                                    den Sprachaustausch von Kindern, Ju­
                                          nicht genug wertschätzen. Indem wir un­         Horizont.»                                gendlichen und Lehrpersonen. Mit der un­
                                          sere Landessprachen pflegen, anerkennen                                                   terzeichneten Absichtserklärung setzen
                                          wir auch die kulturellen Reichtümer der                                                   die beiden Kantone auch die «Schweizeri­
                                          vier Schweizer Sprachregionen.                                                            sche Strategie Austausch und Mobilität»
                                              Die Förderung der Mehrsprachigkeit      für eine Zeit lang in das jeweilige Sprach­   um, welche die Schweizerische Konferenz
                                          und insbesondere unserer Landessprachen     gebiet reisen. Beim Englischen ist das        der kantonalen Erziehungs­        direktoren
                                          ist sowohl in der nationalen wie auch in    heute selbstverständlich. Nicht so beim       (EDK) 2017 erarbeitet hat. Doch noch we­
                                          der kantonalen Bildungspolitik verankert.   Französischen.                                sentlicher scheint mir: Indem wir Aus­
                                          Das Erlernen von Fremdsprachen ist aus          In einer Absichtserklärung haben es       tauschaktivitäten fördern, leisten wir nicht
                                          dem Stundenplan von Schülerinnen und        sich die K
                                                                                               ­ antone Zürich und Waadt des­       nur einen Beitrag zum persönlichen und
                                          Schülern nicht wegzudenken. Jedoch          halb zum Ziel gemacht, dass jeder junge       beruflichen Erfolg unserer Kinder und Ju­
                                          ­können wir während der obligatorischen     Mensch mindestens einmal während sei­         gendlichen. Wir leisten auch einen wert­
                                           Schulzeit nur eine Basis legen. Wer eine   ner Schullaufbahn an einem Sprachaus­         vollen Beitrag für eine gelebte kulturelle
                                           Fremdsprache richtig lernen will, muss     tausch teilnehmen soll. Dieses Ziel ist       Vielfalt in der Schweiz. 
Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Magazin

                                                                                                                                                    Mein
                                                                                                                                                    Traumschulhaus
                                                                                                                                                    Sergio (12),
                                                                                                                                                    6. Klasse,
                                                                                                                                                    ­Primarschule
                                                                                                                                                     Mönchaltorf
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Schulblatt4/2021 Die Schule lockt - Warum der Lehrberuf so beliebt ist - Kanton Zürich
Im Lehrerzimmer

                                                            Kantonsschule
                                                           Zimmerberg, Au
                                                                                                 Zimmer mit Aussicht
                                                                                                                           Fotos: Marion Nitsch

                                                                                                                                             Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Magazin

Der erste Blick schweift sofort aus dem Fenster, vor dem einem der Zürichsee quasi zu Füssen liegt. Alles andere als gerade ist die
lange Fensterfront, sie verläuft aufgrund der U-Form des Gebäudes in einem sanften Bogen. Drei grosse runde Tische in Weiss
heben sich vom grauen Teppichboden ab. Die karge Bestuhlung – drei Stühle pro Tisch – sind Corona geschuldet. Man steht deshalb
lieber. Spürbar aufgeräumt ist die Stimmung im Team, man unterhält sich angeregt und es wird viel gelacht. Zugenommen auf nun­
mehr 35 hat die Zahl der Lehrpersonen mit Beginn des zweiten Betriebsjahrs der jüngsten Zürcher Kantonsschule. Eine gute Ein-
heit bilde man nach so kurzer Zeit bereits, stellt Rektor Urs Bamert zufrieden fest. Für mehr Leben im Haus sorgen die mittlerweile
230 Schülerinnen und Schüler, rund 100 sind neu hinzugekommen. Das Highlight zum Schulstart nach den Sommerferien war die
in kürzester Zeit erstellte provisorische Turnhalle, die man sich mit der nahen Volksschule teilt. Sport in der Tiefgarage gehört damit
der Vergangenheit an, die Ausflüge mit den Mountainbikes in den angrenzenden Wald hingegen nicht. Zu tun und zu justieren gebe
es in den nächsten Jahren sicher noch einiges, meint der Rektor, er sei aber sehr angetan, wie gut das meiste schon funktioniere. [jo]
                                                                                                                                            5
Schulblatt4/2021 Die Schule lockt - Warum der Lehrberuf so beliebt ist - Kanton Zürich
Persönlich                                                                                                                        eine ganze Reihe, beispielsweise die Be­

       «Vieles wird sehr
                                                                                                                                         rufsinformationszentren oder die IV-Stel­
                                                                                                                                         len. «Wir sehen uns als Ergänzung, etwa,
                                                                                                                                         wenn es um eine Zweitmeinung oder ei­

       gut gemacht»
                                                                                                                                         nen Aussenblick geht.»

                                                                                                                                         Den Menschen etwas mitgeben
                                                                                                                                         Ihre Arbeit macht Claudia Hofmann gros­

       Den Übergang Schule–Beruf findet                                                                                                  se Freude – weil sie sehr vielfältig sei. In
                                                                                                                                         den Forschungsprojekten könne sie vieles
       Claudia Hofmann spannend. An der HfH                                                                                              analysieren und hinterfragen. Die Fach­

       ist sie unter anderem als Co-Leiterin der                                                                                         stelle wiederum lasse sie noch tiefer in die
                                                                                                                                         Praxis eintauchen. «Es ist schön, zu mer­
       Fachstelle Berufliche Inklusion tätig.                                                                                            ken, dass das eigene Wissen gefragt ist
                                                                                                                                         und man den Menschen etwas mitgeben
       Text: Jacqueline Olivier Foto: Stephan Rappo                                                                                      kann», betont sie. Besonders am Herzen
                                                                                                                                         liegt ihr, für jene jungen Leute tätig sein
                                                                                                                                         zu können, die es in der Gesellschaft nicht
                                                                                                                                         einfach hätten. «Wenn es um sie geht,
                                                                                                                                         muss man genau hinschauen.» Die beruf­
                                           Ihr Dialekt verrät sie schon bei der Be­      arbeitet und Einblick erhalten in ihre          liche Weichenstellung sei für Jugendliche
                                           grüssung: Claudia Hofmann ist Bernerin,       ­Lebensgeschichten, erzählt sie.                mit einer Beeinträchtigung eine grosse
                                           lebt in der Bundesstadt und pendelt für           Diesen jungen Menschen gilt mittler­        He­ rausforderung. «Und genauso wichtig
                                           ihre Arbeit regelmässig nach Zürich, wo       weile ihre ganze Aufmerksamkeit – seit          wie die Berufswahl ist die Betriebswahl.»
                                           sie an der interkantonalen Hochschule         sie 2007 an die HfH kam. Weil ihre beiden       Dass in der Coronakrise das Schnuppern
                                           für Heilpädagogik (HfH) am Institut «Ler­     Kinder damals noch klein waren, hatte sie       oft nicht möglich war, habe für diese Ju­
                                           nen unter erschwerten Bedingungen»            nach einer Tätigkeit gesucht, die ihr eine      gendlichen eine besonders hohe Hürde
                                           forscht und lehrt. Ihre Themen sind Be­       freiere Zeiteinteilung erlaubte. Es waren       be­deutet. Denn beim Schnuppern könn­
                                           rufsorientierung, Ausbildungs- und Un­        die Jahre, in denen die ersten EBA-Leh­         ten sie teilweise ihre schwächeren schuli­
                                           terstützungsangebote sowie berufliche In­     ren starteten – die zweijährige berufliche      schen Leistungen kompensieren.
                                           tegration. Und im vergangenen Jahr hat        Grundbildung mit eidgenössischem Be­                 Grundsätzlich schätzt Claudia Hof­
                                           sie als Co-Leiterin der neuen Fachstelle      rufsattest, welche die Anlehre ablöste. Um      mann die heutige Situation aber positiv
                                           Berufliche Inklusion (Fabi) eine zusätz­      diese neue Ausbildung drehte sich das           ein. «Vieles wird sehr gut gemacht.» Und
                                           liche Aufgabe übernommen.                     erste Forschungsprojekt, an dem Claudia         die Angebote entwickelten sich auch wei­
                                               Der Wechsel von der Volksschule in        Hofmann an der HfH mitwirkte. Im Laufe          ter. So ermögliche zum Beispiel das Mo­
                                           die Berufswelt ist ein grosser und oft auch   der Zeit kamen weitere Projekte hinzu,          dell der «Supported Education» gewissen
                                           schwieriger Schritt. Dies gilt umso mehr      parallel dazu setzte sie ihre lang gehegte      Jugendlichen eine Ausbildung im ersten
                                           für Jugendliche mit besonderem Förder­        Idee, zu promovieren, in die Tat um.            Arbeitsmarkt, unterstützt durch einen Job-
                                           bedarf. In den vergangenen Jahren sei je­                                                     Coach der IV. Sie selbst leitet das vor Kur­
                                           doch auf verschiedenen Ebenen einiges         Niederschwellige Anlaufstelle                   zem gestartete Pilotprojekt «Flügge» der
                                           unternommen worden, um diese jungen           Die Gründung einer Fachstelle für beruf­        HfH. Im Rahmen von jeweils vier Fami-
                                           Leute besser zu unterstützen, sagt Claudia    liche Inklusion kam 2019 aufs Tapet. Zur­       lientreffen finden moderierte Gespräche
                                           Hofmann. An den Schulen sei das Be­           zeit befindet sich die Fabi noch in der         zwischen Jugendlichen in der Berufs­
                                           wusstsein für die Thematik gewachsen,         ­Aufbauphase. Sie dient als niederschwel­       wahlphase und ihren Eltern statt. So soll
                                           die Grenzen zwischen geschützten Werk­         lige Anlaufstelle für Fragen rund um die       ein vertiefter Dialog zu wichtigen Fragen
                                           stätten und erstem Arbeitsmarkt seien          berufliche Inklusion von Jugendlichen mit      angeregt werden.
                                           durchlässiger geworden. Und vor allem          einer Beeinträchtigung auf den Sekundar­            Claudia Hofmann interessiert sich
                                           habe sich der Blickwinkel verändert:           stufen I und II, also von der Berufsorien­     nicht nur für Menschen, sie malt und
                                           «Man achtet heute vermehrt auf die Stär­       tierung bis zum Ausbildungsabschluss.          zeichnet auch gern. Ist sie unterwegs, hat
                                           ken des Einzelnen, klärt genau ab, was in      Lehrpersonen und Ausbildnern steht sie         sie stets ihr Skizzenbuch dabei. Im Rah­
                                           welchem Rahmen für den Jugendlichen            ebenso offen wie den Jugendlichen selbst       men der globalen Bewegung «Urban
                                           machbar ist.»                                  sowie deren Eltern. Das vierköpfige, inter­    Sketching» trifft sie sich zum gemeinsa­
                                               Vieles von dieser Entwicklung hat die      disziplinär zusammengesetzte Team un­          men Malen und zum Austausch mit Gleich­
Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Magazin

                                           Psychologin an vorderster Front miterlebt.     terstützt ausserdem die Schulen in Form        gesinnten. Ein gestalterischer Beruf wäre
                                           Nach ihrem Studium arbeitete sie zu­           von Weiterbildungen oder beim Entwi­           für sie durchaus auch eine Option ge­
                                           nächst in der Forschung, bevor sie ein         ckeln von Kon­zepten – beispielsweise für      wesen, meint sie. Stattdessen liess sie sich
                                           Nachdiplomstudium für Berufs- und Lauf­        Themen wie Berufswahl oder Nachteils­          nun zur Mal­    therapeutin ausbilden und
                                           bahnberatung in Angriff nahm. «Die The­        ausgleich.                                     überlegt sich, wie man das Gestalterische
                                           men Beruf und Arbeit haben mich immer              Mittlerweile seien etliche Anfragen        in die Berufsberatung von Jugendlichen
                                           interessiert», erklärt sie. Und sie wollte     eingegangen, sagt Claudia Hofmann, die         mit Beeinträchtigung einbauen könnte.
                                           näher an der Praxis tätig sein. Diese Mög­     sich die Stellenleitung mit ihrer Kollegin     Selbstporträts malen wäre zum Beispiel
                                           lichkeit bot sich ihr im Berufsinforma­        Claudia Schellenberg teilt. Ein erstes Ge­     eine Idee. «Im Berufswahlprozess findet
                                           tionszentrum (biz) in Lyss. Später wech­       spräch ist kostenlos, besteht weiterer Be­     eine Auseinandersetzung mit sich selbst
                                           selte sie zur IV-Stelle des Kantons Bern,      ratungsbedarf, wird nach entsprechenden        statt. Ebenso geht es darum, sich darzu­
                                          wo sie Jugendliche bei der erstmaligen          Möglichkeiten gesucht. «Langfristige Be­       stellen und zu präsentieren. Gerade für
                                          Ausbildung und Erwachsene bei der Wie­          gleitungen durch uns sind aber nicht das       Jugendliche, die sich sprachlich nicht so
                                          dereingliederung beriet. Dort habe sie          Ziel, wir klären vor allem ab, welche Stelle   gut ausdrücken können, wäre der visuelle
                                          ­immer wieder mit Jugendlichen mit Be­          den Ratsuchenden weiterhelfen kann.»           Weg eine mögliche Alternative.» 
                                           einträchtigung sowie deren Eltern ge­          Denn Angebote in diesem Bereich gibt es
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                                                                                                                                          www.hfh.ch/fabi
Schulblatt4/2021 Die Schule lockt - Warum der Lehrberuf so beliebt ist - Kanton Zürich
Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Magazin

Als Co-Leiterin der
­neuen Fachstelle
 ­Berufliche Inklusion
  ist Claudia Hofmann
  noch näher an der
  ­Praxis als mit ihren
   ­Forschungsprojekten.
                           7
Schulblatt4/2021 Die Schule lockt - Warum der Lehrberuf so beliebt ist - Kanton Zürich
MEDIENPROFIS-WORKSHOP

                                  Pro Juventute bietet Medienprofis-Workshops für die
                                  3. bis 8. Klasse an. Lehrpersonen können aus drei
                                  Vertiefungsthemen auswählen:
                                  • Cybermobbing
                                  • Selbstdarstellung & Influencing
                                  • Eigene Mediennutzung
                                  Mehr Informationen und Buchung unter
                                  www.projuventute.ch/medienprofis

                                  PROJUVENTUTE.CH

                                                                                                    GEFLÜCHTETE FAMILIEN,
                                                                                                    JUNGE FLÜCHTLINGE
                                                                                                    UND JUGENDLICHE
                                                                                                    IM DIALOG
                                                                                                    AUSSTELLUNG
                                                                                                    VON 12. NOVEMBER
                                                                                                    BIS 17. DEZEMBER 2021

                                                                                                    Paulus Akademie
                                                                                                    Pfingstweidstrasse 28
                                                                                                    8005 Zürich

                                                                                                    Montag bis Freitag,
                                                                                                    09.00 bis 18.00 Uhr,
                                                                                                    Eintritt frei

                                        Die Ausstellung zeigt die Auswirkungen von Krieg,
                                        Verfolgung und Flucht auf die erste und zweite Gene-
                                        ration von Flüchtlingen in der Schweiz. Die Gesamt-
                                        schau des generationenübergreifenden Langzeitprojekts
                                        «Kein Kinderspiel» nimmt Erfahrungen von Eltern, Ju-
                                        gendlichen und Kindern auf, die bereits vor vielen Jahren
Schulblatt Kanton Zürich 4/2021

                                        in die Schweiz geflüchtet sind.

                                        Die Ausstellung bietet Oberstufen-, Gymnasial- und Be-
                                        rufsschulklassen einen unmittelbaren Zugang zum The-
                                        ma Flucht und Migration. Weitere Infos und Anmeldung
                                        von Schulklassen unter:

                                        www.keinkinderspiel.ch
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Schulblatt4/2021 Die Schule lockt - Warum der Lehrberuf so beliebt ist - Kanton Zürich
Welche Schulreise ist Ihnen speziell                                                                                 Meine Schulzeit

                                                                 «Ich habe jeden
in Erinnerung und warum?
An Schulreisen kann ich mich nicht mehr
erinnern, aber an Skilager. Ich habe es ge­

                                                                        Sporttag
liebt. Wir waren die Pistenrowdys und ha­
ben den ganzen Tag nur Gas gegeben. Das
war so intensiv, dass ich am Abend, wenn

                                                                      gewonnen»
ich im Bett lag, immer noch auf der Piste
war. Heute fahre ich nicht mehr Ski. Ich
glaube, es hat gereicht.
     Welche Lehrperson werden Sie
nie vergessen?                                             Fünf Fragen an Stéphanie Berger,
Hans Holzer in der Oberstufe Männedorf.
Er ist mein Held! Kein anderer Lehrer hat            Moderatorin, Comedienne und Speakerin
mich so gut verstanden und mich als die
gesehen, die ich war. Er hat mich dadurch
positiv geprägt und mir geholfen, mein
Selbstwertgefühl aufzubauen. Ausserdem
hat er mich ermutigt, den kreativen und
künstlerischen Weg zu gehen.
     Welches war Ihr liebstes Fach
und weshalb?
Sport! Ich war superehrgeizig und habe          Was hat Ihnen in der Schule
jeden Sporttag gewonnen. Für mich gab           gar nicht gefallen?
es nur alles oder nichts. Auch heute noch       Das war ganz klar die Mathematik. Da­
liebe ich die Bewegung. Ich betreibe den        mals gab es die Diagnose Dyskalkulie noch
Sport zwar nicht mehr so kompetitiv, aber       nicht. Ich musste immer in die Nachhilfe.
dennoch intensiv.                               Zum Glück hatte ich eine tolle Lehrerin.
     Was haben Sie in der Schule fürs           Aber bis heute sind Zahlen für mich
Leben gelernt?                                  schwierig. Ich bin so froh, gibt es den
Die Frage müsste lauten: Was hätte ich          ­Taschenrechner. Problem gelöst!
gerne in der Schule fürs Leben gelernt?
Mir fehlten Fächer wie: Wie geht Bezie­
hung? Welche Werte sind für Jungs und
                                                         Stéphanie Berger (43) ist Komikerin, Moderatorin,
Mädchen wichtig? Wie geht man mit Kon­                   Sängerin und Speakerin. Einer breiteren Öffentlichkeit
flikten um? Wie kommuniziere ich rich­                   wurde sie bekannt, als sie 1995 den Miss-Schweiz-Titel
                                                         gewann. Anschliessend moderierte sie Fernsehsendungen und
tig? Klar würde man sich wünschen, dass                  Veranstaltungen aller Art, sang in Musicals und der eigenen Band
einem all das in der Erziehung vermittelt                X-Age, wirkte in Kino- und Fernsehfilmen mit und zeigte ihr komisches Talent in Fern­
                                                         sehsketches. 2010 tourte sie als Komikerin mit dem ersten abend­füllenden Programm
wird. Ich bekam es leider nicht mit auf                  durch die Schweiz. Drei weitere Comedy-Programme folgten. ­Stéphanie Berger lebt im
den Weg. Mein Sohn aber schon.                           Zürcher Oberland und hat einen elfjährigen Sohn.

Bildungs-Slang
Ruedi Widmer, Cartoonist, interpretiert Begriffe aus Bildung und Schule – diesmal: Grundkompetenzen
                                                                                                                                                 Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Magazin
                                                                                                                                                 9
Schulblatt4/2021 Die Schule lockt - Warum der Lehrberuf so beliebt ist - Kanton Zürich
10   Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Fokus
Fokus

Die Schule
     lockt
  Fotos: Stephan Rappo hat Eindrücke an der PHZH festgehalten und Studierende porträtiert.

                                                                                       Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Fokus
                                                                                       11
Im Gespräch                                                                                                                     inhaltlich auseinanderzusetzen – mit Geo­

       «Der Lehrberuf
                                                                                                                                       grafie, mit Mathematik, mit Sprachen. Das
                                                                                                                                       heisst, es braucht ein gewisses intellek­
                                                                                                                                       tuelles Interesse, um den Beruf gut und

       wird als sinn­
                                                                                                                                       erfolgreich ausüben zu können.
                                                                                                                                            Mit welchen Erwartungen nehmen
                                                                                                                                       die Studierenden ihre Ausbildung

       stiftend wahr­
                                                                                                                                       in Angriff – sind das realistische Er­
                                                                                                                                       wartungen oder auch idealistische?

       genommen»
                                                                                                                                       Die Studierenden kommen mit ganz un-
                                                                                                                                       terschiedlichen Erwartungen und Motiva-
                                                                                                                                       tionen zu uns. Die meisten sehen diese
                                                                                                                                       bestätigt. Es kommt aber auch vor, dass
                                                                                                                                       einzelne bereits im ersten Semester, wenn
       Lehrerin oder Lehrer zu werden, ist beliebt.                                                                                    sie das erste Praktikum durchlaufen, mer-

       Warum ist das so, was braucht es, um im                                                                                         ken: Das ist nicht so, wie ich es mir vor­
                                                                                                                                       gestellt habe. Teilweise sind romantische
       Lehrberuf erfolgreich zu sein, und sind es                                                                                      Vorstellungen von der Arbeit mit Kindern
                                                                                                                                       vorhanden, während die schulische Reali-
       die Richtigen, die das Studium in Angriff                                                                                       tät eine andere ist. Zudem haben einige

       nehmen? Antworten auf diese und andere                                                                                          die Erwartung, dass sie an der PH das
                                                                                                                                       ­Rezept dafür erhalten, wie man unterrich-
       Fragen von Heinz Rhyn, Rektor der                                                                                                tet, und dieses bloss noch umzuset-
                                                                                                                                        zen brauchen. Im Laufe des Studiums
       ­Pädagogischen Hochschule Zürich.                                                                                                merken sie dann, dass die Sache doch
                                                                                                                                        komplexer ist.
       Interview: Jacqueline Olivier Foto: Stephan Rappo                                                                                    In welchem Sinn komplexer?
                                                                                                                                        Wie jemand mit Kindern oder mit schwie-
                                                                                                                                        rigen Situationen umgeht, Begeisterung
                                                                                                                                        wecken und Kinder motivieren kann –
                                                                                                                                        dies hängt stark mit der eigenen Person
                                                                                                                                        zusammen. Es gibt keine Technik, die man
                                                                                                                                        einfach lernen kann und dann funktio-
                                                                                                                                        niert es. Vielmehr geht es um zwischen-
                                                                                                                                        menschliche Aspekte. Während des Stu­
                                                                                                                                        diums lernen die Studierenden auch sich
                                                                                                                                        selbst neu kennen und entwickeln eigene
                                                                                                                                        Herangehensweisen. Und nicht zuletzt
                                                                                                                                        spielt die fachliche und inhaltliche Aus­
                                        Sie haben selbst ursprünglich eine                anerkannt. Er wird auch als sinnstiftend      einandersetzung eine zentrale Rolle, denn
                                        Lehrerausbildung gemacht. Warum                   wahrgenommen – mit ihm ist ein gesell-        selbst rechnen, lesen, schreiben zu kön-
                                        ­haben Sie sich damals für diesen                 schaftliches Engagement verbunden. Das        nen, ist keine ausreichende Grundlage,
                                         Beruf entschieden?                               hat die Coronakrise exemplarisch gezeigt:     um diese Fähigkeiten didaktisch zu ver-
                                         Das ist eine längere Geschichte: Ich kom-        Insbesondere im Frühling 2020, als die        mitteln. Was ein Kind in welchem Alter
                                         me aus einem sehr einfachen Elternhaus.          Schulen geschlossen waren, hat man ge-        verstehen und intellektuell nachvollzie-
                                         Weil ich ein guter Schüler war, empfahlen        merkt, was die Lehrerinnen und Lehrer         hen, was in welchen Worten verständlich
                                         meine Lehrer, ich sollte das Gymnasium           leisten, wie gross ihr Einsatz und wie        vermittelt werden kann – dieses Wissen
                                         absolvieren. Meine Eltern wollten aber,          wichtig ihre Arbeit ist. Dadurch ist die      muss man sich im Studium aneignen.
                                         dass ich einen Beruf lerne. Schreiner war        Wertschätzung für den Beruf wohl noch             Wie gross ist denn der Anteil jener,
                                         eine Option. In der Berufsberatung habe          grösser geworden. Daneben gibt es andere      die infolge falscher Erwartungen das
                                         ich dann erfahren, dass eine Lehreraus-          Gründe für die Attraktivität des Lehr­        Studium abbrechen?
                                         bildung – das war in den 1970er-Jahren –         berufs: Man hat eine sichere Anstellung,      Sehr klein. Meistens merken die Betrof­
                                         vier Jahre dauern würde, genauso lang            eine gute Entlöhnung. Gerade in wirt-         fenen zudem schon sehr bald, dass die-
                                         wie eine Schreinerlehre. Mit diesem Ar­          schaftlichen Krisenzeiten tragen solche       ser Beruf nicht dem entspricht, was sie
Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Fokus

                                         gument konnte ich meine Eltern über­             Überlegungen dazu bei, sich für diesen        sich vorgestellt haben, oder dass ihre Er-
                                         zeugen und durfte das Lehrerseminar              Beruf zu entscheiden.                         wartungen an das Studium nicht adäquat
                                         ­besuchen. Ich wollte einfach weiter in die          Was müssen angehende Lehrper­             waren.
                                          Schule und habe diese Ausbildung auch           sonen mitbringen, um ihrer Aufgabe                Wie wird die Eignung der Kandida­
                                          mit grosser Begeisterung absolviert und         gewachsen zu sein?                            tinnen und Kandidaten geprüft?
                                          später auf allen Stufen unterrichtet.           Wer Lehrer oder Lehrerin werden möchte,       Die Berufseignung wird im ersten Stu­
                                                Wer heute Lehrerin oder Lehrer            muss Freude haben am Umgang mit Men-          dienjahr, beginnend mit dem Praktikum
                                          werden möchte, studiert an einer                schen. Lehrpersonen arbeiten nicht nur        im ersten Semester, abgeklärt. Dort sieht
                                          ­pädagogischen Hochschule. Die PHZH             mit Kindern, sondern ebenso mit Eltern,       man, ob jemand ganz falsche Vorstel­
                                           verzeichnet zurzeit hohe Anmelde­              Behörden, Kolleginnen und Kollegen und        lungen hat oder ein Verhalten zeigt, das
                                           zahlen – wie erklären Sie sich das             weiteren Fachleuten zusammen. Deshalb         da­rauf schliessen lässt, dass es zu Prob­
                                           ­grosse Interesse?                             müssen sie auch kommunikativ interes-         lemen kommen könnte. Der betroffenen
                                            Das gesellschaftliche Ansehen des Lehr-       siert sein. Ausserdem ist es wichtig, sich    Person wird im Zweiergespräch oft selbst
                                            berufs ist in den vergangenen 20 Jahren       für schulische Themen begeistern zu kön-      klar, dass der Lehrberuf für sie nicht der
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                                            gestiegen, er ist als anspruchsvoller Beruf   nen, sich gern mit den einzelnen Fächern      richtige ist. Dies so früh zu erkennen, ist
wichtig, denn es bringt niemandem etwas,
wenn es nach drei bis fünf Jahren Stu­
dium nicht zu einem Abschluss kommt.
      Wie gross ist das jeweilige
Interesse für die unterschiedlichen
Schulstufen?
Es gibt zwar von Jahr zu Jahr leichte
Schwankungen, aber erstaunlicherweise
verteilt sich das Interesse sehr gut auf die
einzelnen Stufen. Eine Zeit lang hatten
wir etwas weniger Anmeldungen für die
Sekundarstufe I, inzwischen sind diese
aber wieder angestiegen. Sehr gross ist im
Moment das Interesse für die Primarstufe
sowie für den Studiengang Kindergarten-
und Unterstufe. Aussergewöhnlich hohen
Zuwachs verzeichnen wir dieses Jahr bei
den Quereinsteigenden, hier sind die An-
meldungen um 25 Prozent gestiegen.
      Wie erklären Sie sich diese
­Zunahme?
 Bei den Quereinsteigerinnen und -ein-
 steigern, den sogenannten Quest-Ausbil-
 dungen, war der Zulauf immer stattlich,
 aber dieser sprunghafte Anstieg dürfte
 mit den Unsicherheiten und den wirt-
 schaftlichen Folgen aufgrund der Pande-
 mie zu tun haben. Und ebenso mit der
 bereits angesprochenen Sinnhaftigkeit
 des Lehrberufs. In der Coronakrise sind
 viele Menschen etwas reflexiver gewor-
 den, haben ihr eigenes Leben überdacht.
 Den Wunsch, beruflich etwas gesellschaft-
 lich Relevantes, Sinnstiftendes und in-
 haltlich Interessantes zu machen, spüren
 wir bei etlichen der neuen Quereinsteige-
 rinnen und -einsteigern.
                                                                                                Heinz Rhyn (61) hat ursprünglich das Lehrerseminar in
      Nach welchen Kriterien wählen                                                          Münchenbuchsee (BE) absolviert und mehrere Jahre lang
 Sie die Studierenden für den Quest-                                                            unterrichtet. Berufsbegleitend studierte er Psychologie,
                                                                                                   ­Pädagogik und Psychopathologie und promovierte zu
 Lehrgang aus?                                                                                   ­einem bildungshistorischen Thema an der Universität
 Für sie führen wir aufwendige Assess-                                                        Bern. Danach gründete er ein Bildungsforschungsinstitut
                                                                                              an der Universität Zürich. Zurück in Bern leitete er unter
 ments durch. Es geht um Selbsteinschät-                                                      anderem den Koordinationsbereich Qualitätsentwicklung
 zung, Motivation, Hintergründe, Vergangen­                                                  bei der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erzie-
                                                                                             hungsdirektoren (EDK) und baute schliesslich das Institut
 heit oder Perspektiven. Quereinsteigende                                                   für Forschung, Entwicklung und Evaluation an der PH Bern
 müssen mindestens 30 Jahre alt sein, ei-                                                       auf. Zwischenzeitlich war er Dozent an der PH Zug und
 nen Hochschulabschluss oder eine gleich-                                                    Lehrbeauftragter der Universität Freiburg. Seit 2016 leitet
                                                                                                      er als Rektor die Pädagogische Hochschule Zürich.
 wertige Ausbildung und im Minimum drei
 Jahre Berufserfahrung nachweisen. Im
 Rahmen des Auswahlverfahrens machen
 sie unter anderem einen zweitägigen,
 selbst organisierten Schulbesuch auf der
 gewünschten Stufe, wo sie auch die dor­
 tige Lehrperson zu ihrem Beruf befragen.
 Es wird also ganz genau abgeklärt, ob sie     Soweit wir das wissen und erfahren, blei-    Dieses Gerücht ist leider vor einigen
                                                                                                                                                     Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Fokus

 für den Beruf geeignet sind, und es wer-      ben sie dem Beruf sehr oft treu, was für     ­Jahren vom Bundesamt für Statistik be-
 den bei Weitem nicht alle aufgenommen.        unser Auswahlverfahren spricht. Auch          fördert worden, weil man dort Schul­
      Gibt es bestimmte Bereiche,              absolvieren diese Personen das Studium        hauswechsel als Berufsausstiege gewertet
 aus denen die Kandidatinnen und               oft unter schwierigen Bedingungen. Viele      hat. In der Folge hiess es, dass nach fünf
 ­Kandidaten vor allem kommen?                 haben bereits Familie, finanzielle Ver-       ­Jahren die Hälfte der Lehrpersonen nicht
  Viele kommen aus dem sozialen sowie aus      pflichtungen und müssen gleichzeitig auf       mehr im Beruf arbeiten würden, was nicht
  dem Gesundheitsbereich – Psychologie,        Einkommen verzichten. Sie müssen also          stimmt. Neuere Untersuchungen haben
  Soziologie, Anthropologie –, ebenso aus      privat einiges in das Studium investieren,     ergeben, dass nach zehn Jahren 85 Pro-
  der Kommunikation, aus dem Journalis-        tun dies mit der entsprechenden Über-          zent der Lehrerinnen und Lehrer immer
  mus oder der Publizistik. Etliche wechseln   zeugung und sind anschliessend begeis-         noch ihren Beruf ausüben. Von den ande-
  aus dem Management sowie aus künst­          terte Lehrerinnen und Lehrer.                  ren 15 Prozent ist die grosse Mehrheit
  lerischen Sparten wie Musik, Kunst oder          Oft ist die Rede von einer hohen           nach wie vor im Bildungsbereich tätig.
  Design in den Lehrberuf.                     Zahl an Berufsaussteigern unter                    Die Lehrerausbildung gilt als ­
      Wie bewähren sich diese Leute            den Lehrpersonen. Ist das Problem              solide Grundbildung, die viele Türen
                                                                                                                                                    13

  in der Praxis?                               wirklich so gross?                             öffnet. So viele Leute sind es aber       
offenbar nicht, die sie tatsächlich als        Unsicherheiten nicht allein sind. Und         ment beobachten wir im ganzen Bildungs-
                                        Sprungbrett nutzen?                            für Berufseinsteigerinnen und -einsteiger     system, dass die Frauen erfolgreicher sind
                                        Das kommt sicher weiterhin vor, aber           ist es nicht möglich, mit dem Studienab-      als die Männer, auch an den Gymnasien
                                        ­weniger oft als früher. Dies, weil sich die   schluss schon alles zu können und zu          und Hochschulen. Frauen sind mittler-
                                         Berufsstrukturen verändert haben. Früher      ­wissen. Zudem lassen sich viele schwie­      weile auch an Karriere interessiert, wäh-
                                         konnte man mit einer Lehrerausbildung          rige Situationen des Berufsalltags im Stu-   rend viele Männer nicht mehr so sehr
                                         tatsächlich in vielen anderen Bereichen        dium gar nicht simulieren. Dies bedeutet,    darauf setzen. Das hat sich stark ver­
                                                                                                                                     ­
                                         tätig werden, etwa im Journalismus. Heute      dass man gewisse Dinge erst im Berufs­       ändert. Was aus meiner Sicht eine nicht
                                         ist eine Journalismus-Ausbildung hoch          leben, wenn man die Verantwortung trägt,     unwesentliche Rolle spielt für die grosse
                                         spezialisiert, es reicht für diesen Beruf      erfahren kann. Sich über Weiterbildun-       Überzahl der Frauen in den Klassen­
                                         nicht mehr, einfach Lehrer oder Lehrerin       gen und im Kollegium Unterstützung zu        zimmern: Der Lehrberuf ist einer der
                                         zu sein. Diese Spezialisierung hat in allen    holen, ist für Berufseinsteigende ganz       ­wenigen Berufe, in denen jemand Teilzeit
                                         Berufsfeldern stark zugenommen, sodass         zentral.                                      arbeiten kann und trotzdem vollwertig
                                         es nicht mehr so einfach ist, in einen an-          Der Lehrberuf gilt als anfällig für      ist. Wer 60 Prozent als Lehrerin arbeitet,
                                         deren Beruf zu wechseln. Nach wie vor          Burnouts – warum ist das so?                  ist keine Hilfslehrerin, sondern eine voll-
                                         gilt aber: Lehrpersonen sind Generalisten,     Eine Ursache hierfür sehe ich in den          wertige Lehrerin. Dies ist für Frauen, die
                                         die vieles können und wissen, für vieles       Selbstansprüchen. An Lehrpersonen wer-        sich Familie und Beruf widmen möchten,
                                         motiviert sind und zahlreiche Kenntnisse       den viele Ansprüche gestellt – nicht nur      sehr attraktiv.
                                         mitbringen, die sie in verschiedenen Be-       von den Kindern, sondern ebenso von                 Ob Frauen oder Männer – es
                                         reichen einsetzen können – sofern die          ­Eltern, Behörden oder der Öffentlichkeit.    braucht auf jeden Fall genügend Lehr­
                                         wirtschaftliche Lage dies zulässt.              Wenn man dazu selbst noch hohe An­           personen. Der Lehrermangel ist ein
                                              Die PHZH hat ein grosses Weiter­           forderungen an sich stellt, kann dies zu     ständiges Damoklesschwert, wie kann
                                         bildungs- und Coachingangebot.                  einer permanenten Überforderung füh-         man es abwenden?
                                         Wie weit trägt es dazu bei, dass die            ren. Und Lehrpersonen verbinden ihren        Die Leute, die wir ausbilden, werden aus-
                                         Lehrpersonen im Beruf bleiben?                  Beruf sehr oft mit grossen persönlichen      gebildet, um zu unterrichten, das heisst,
                                         Wir bieten in der Weiterbildung vieles          Ansprüchen.                                  sie wären zu 100 Prozent einsetzbar. Wenn
                                         an, was Lehrpersonen interessiert, und              In der Volksschule arbeiten heute        es gelingen würde, die Pensen der Lehr-
                                         gleichzeitig Dinge, von denen wir als           deutlich mehr Frauen als Männer. Wie         personen, die heute im Schuldienst sind,
                                         Hochschule der Meinung sind, dass Lehr-         kann man den Lehrberuf für Männer            um ein paar Prozent zu erhöhen, hätten
                                         personen sie können oder wissen müssen.         wieder attraktiver machen?                   wir weniger Probleme. Der steigende Be-
                                         Das heisst, wir versuchen, die Interessen       Das ist eine schwierige Frage, weil es um    darf an Lehrerinnen und Lehrern wird
                                         der Lehrpersonen mit unseren Ansprü-            gesellschaftliche Realitäten geht, die zu    sich jedenfalls nicht lösen lassen, indem
                                         chen als Hochschule zu verbinden, damit         verändern nicht ganz einfach ist. Eine       wir lediglich mehr ausbilden. Ein ande-
                                         für die Lehrerinnen und Lehrer eine gute        starke Überzahl von Frauen haben wir vor     rer Punkt ist, dass wir als PH Zürich den
                                         Entwicklung möglich ist und gleichzeitig        allem auf der Kindergarten- und der Pri-     Bedarf für unseren Kanton nicht allein
                                                                                                                                      abdecken können. Die Abschlüsse der
                                                                                                                                      pädagogischen Hochschulen sind inter-
                                                                                                                                      ­
                                                                                                                                      kantonal anerkannt, in den Zürcher Ar-
                                                                                                                                      beitsmarkt kommen viele Lehrpersonen,
                                                 «Viele schwierige Situationen                                                        die in Zug, Luzern, St. Gallen oder an

                                                des Berufsalltags lassen sich im                                                      der Fachhochschule Nordwestschweiz
                                                                                                                                      studiert haben. Das ist auch eine Frage
                                                Studium gar nicht simulieren.»                                                        der Arbeitsbedingungen, der Arbeitgeber
                                                                                                                                      ist also ein wichtiger Faktor, wenn es
                                                                                                                                      ­darum geht, den Bedarf an Lehrpersonen
                                                                                                                                       abzudecken – vermutlich der wichtigere
                                                                                                                                       als die Ausbildung.
                                        ihre Motivation, am Beruf dranzubleiben,       marstufe, auf der Sekundarstufe I sieht              Würden höhere Arbeitspensen
                                        gestärkt wird. Als eine von wenigen PHs        es schon anders aus. Dass auf gewissen          nicht die angesprochene Attraktivität
                                        bieten wir eine Berufseinführung an, um        Stufen deutlich mehr Frauen als Männer          der Teilzeitarbeit schmälern und
                                        Berufseinsteigende in den ersten zwei          tätig sind, erachte ich jedoch nicht un­        ­dadurch kontraproduktiv wirken?
                                        Jahren zu begleiten. Sehr stark nachge-        bedingt als Problem. Es wäre natürlich           Dieses Risiko besteht natürlich. Es gibt
                                        fragt werden zudem unsere Coaching-            wünschenswert, dass auch auf den unte-           grundsätzlich keine einfache Lösung, denn
                                        Angebote. Inzwischen haben wir sehr nie-       ren Stufen mehr Männer unterrichten              jeder Weg generiert neue Schwierigkeiten.
Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Fokus

                                        derschwellige Angebote für Ratsuchende,        würden, aber eine Ausgewogenheit von 50          Deshalb kann das Problem «Lehrerman-
                                        damit diese rasch und unbürokratisch           zu 50 werden wir sicher nicht erreichen          gel» auch nicht einseitig gelöst werden.
                                        Hilfe erhalten.                                können. Vor drei Jahren haben wir ge-            Im Kanton Zürich sind wir alle miteinan-
                                            Helfen Weiterbildungsangebote              meinsam mit anderen pädagogischen                der im Gespräch: Schulleitungen, Schul-
                                        auch gegen das Risiko des «Aus­                Hochschulen eine Kampagne lanciert,              behörden, Schulpräsidien, Bildungsdirek-
                                        brennens»?                                     um mehr Männer für die Primarlehrer-             tion, Lehrerinnen- und Lehrerverband,
                                        Auf jeden Fall, Weiterbildung hat durch-       ausbildung zu gewinnen. Aber solche              Pädagogische Hochschule. Es sind die Ge-
                                        aus etwas mit Burnout-Prävention zu tun.       Kampagnen und Bemühungen schlagen                meinden, welche die Lehrpersonen aus-
                                        Allerdings ist zu sagen, dass, wer stark       sich in den Anmeldungen nicht nieder.            wählen und anstellen, es ist der Kanton,
                                        gefährdet ist, oft auch keine Weiterbil­
                                        ­                                                  Hat das Fernbleiben der Männer               der die Rahmenbedingungen setzt – es
                                        dungen mehr besucht, das ist eine prob­        mit den fehlenden Karrieremöglich­               muss auf verschiedenen Ebenen und an
                                        lematische Konstellation. Denn oft hilft       keiten zu tun?                                   verschiedenen Punkten angesetzt werden,
                                        eine Weiterbildung, Sicherheit zu gewin-       Das hört man zumindest oft, und es mag           um etwas zu erreichen. Es geht um ein
                                        nen, und macht den Betroffenen zugleich        ein Stück weit sogar stimmen. Die ganze          gemeinsames Problem, das wir nur ge-
                                                                                                                                        ­
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                                        deutlich, dass sie mit ihren Fragen und        Wahrheit ist es aber sicher nicht. Im Mo-        meinsam lösen können. 
15   Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Fokus
16   Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Fokus
«Ich bin glücklich dort, wo ich bin»
          Anja Renk, 22, Studentin Kindergarten und Unterstufe

«Ich wollte schon immer Lehrerin werden»,     Sie hat sich für den Studiengang Kinder-     war sie auch schon in Gesprächen mit
erzählt Anja Renk. Trotzdem absolvierte     garten und Unterstufe entschieden, zwei        einer Heilpädagogin oder einem Schul­
                                                                                           ­
sie nach der Sekundarschule zunächst        dreiwöchige Praktika hat sie bereits hin-      sozialarbeiter dabei und hat gesehen, «wie
eine kaufmännische Lehre – weil sie ein-    ter sich. Das eine in einem Kindergarten,      breit das Thema Schule und wie wichtig
mal etwas anderes sehen wollte als die      das andere in einer 2. Primarklasse. Dort      die Teamleistung ist».
Schule. Ihre Ausbildung machte sie in der   fühlte sie sich wohler. Weil es schulischer        Was ist für sie das Schönste am Lehr-
kantonalen Verwaltung, wo sie unter an-     sei, obschon die Kinder dieser Altersgruppe   beruf? «Die Entwicklung eines Kindes
derem auch im Volksschulamt (VSA) tätig     immer noch recht spielerisch lernten.         mitzuerleben», kommt die Antwort ohne
war. Anschliessend erwarb sie die Berufs-         Die 22-Jährige schätzt es sehr, dass    Zögern. Bereits in ihrem Praktikum im
matur und besuchte an der Kantonalen        schon nach den ersten zwei Studienwo-         Kindergarten habe sie es geschafft, in
                                                                                                                                          Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Fokus

Maturitätsschule für Erwachsene (KME)       chen ihr erstes Praktikum anstand und sie     drei Wochen eine vertrauensvolle Bezie-
den Vorkurs, um sich für die Aufnahme-      in den ersten beiden Semestern durch­         hung zu einem schwierigen Kind auf­
prüfung an der PHZH vorzubereiten.          gehend alle zwei Wochen einen Tag in          zubauen, sodass dieses ihren Unterricht
    Der Wunsch, Lehrerin zu werden, wur­    ­einer Schule unterrichten konnte. «Mög-      nicht mehr gestört habe. «Als Lehrerin
de durch ihre eigenen Schulerfahrungen       lichst viel Praxis während der Ausbildung    gibt man viel, aber es kommt auch viel
in ihr geweckt. «Meine Lehrerin auf der      ist entscheidend», betont sie. Wer den       ­zurück.» Sie glaubt deshalb, dass sie den
Unterstufe war einfach super.» Dass sie      Lehrberuf ergreife, müsse ausserdem           Beruf lange mit Begeisterung ausüben
nicht den direktesten Weg zum Studium        ­offen und tolerant sein und auch ein ge-     wird, und selbst wenn diese mal nach­
gewählt hat, bereut sie keine Minute. «Es     wisses Selbstbewusstsein haben, um dem       lassen würde, sieht sie Optionen, in einer
war gut, eine andere Welt kennenzuler-        Unterricht eine persönliche Note verlei-     anderen Rolle dem Klassenzimmer treu
nen. Und im VSA habe ich einiges über         hen zu können. «Es ist sicher ein Beruf,     zu bleiben, etwa als Heilpädagogin. Etwas
unser Bildungssystem erfahren.» Mittler-      der einen nicht loslässt, wenn man nach      anderes als Schule kann sie sich jeden-
weile studiert sie bereits im dritten Se-     Hause geht. Man muss aber auch lernen,       falls nicht mehr vorstellen. «Ich bin glück-
mester und fühlt sich in ihrem Element.       sich abzugrenzen.» Während der Praktika      lich dort, wo ich bin.» [jo]
                                                                                                                                          17
«Es ist toll, die Erfolgsmomente
                                        der Kinder mitzuerleben»
                                        Oliver Weber, 27, Student Sekundarstufe I

                                        Oliver Weber machte einen Umweg, bevor        Dass er sich für die Sekundarstufe ent-        Auftrags ist, dass aber auch viel anderes
                                        er 2018 das Studium an der PH Zürich          schied, hatte wiederum mit seinen Erleb-       zum Lehrberuf gehört – von der Zusam-
                                        aufnahm. Nach der Zeit bei Militär und        nissen als Segellehrer zu tun. «Ich habe       menarbeit mit den Eltern über den Aus-
                                        Zivildienst studierte er zwei Jahre Rechts-   gemerkt, dass ich von den Teenies mehr         tausch im Team bis hin zur persönlichen
                                        wissenschaften. Das Studium stimmte aber      fordern und fachlich tiefer gehen konnte       professionellen Weiterentwicklung.
                                        nicht mit seinen Vorstellungen überein.       als bei den Kleineren.» Das reizte ihn              In der Ausbildung werde viel Wert auf
                                        «Ich habe gemerkt, dass es anderes gibt,      mehr. Inhaltlich entschied er sich für         die perfekten 45 Minuten gelegt, erzählt
                                        was mich mehr interessiert.» Hinweise         sprachlich-historische Fächer: Deutsch,        er. Er fühle sich denn auch fachlich gut
Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Fokus

                                        darauf, dass es die Welt der Bildung sein     Englisch, Geschichte/Geografie/Politische      vorbereitet. Gewisse, ganz praktische
                                        könnte, hatte es schon früher gegeben. So     Bildung und Religionen/Kulturen/Ethik.         ­Aspekte des Berufslebens kämen jedoch
                                        hatte Oliver Weber Kindern und Jugend­        Er folgt damit dem früheren Phil-I-Profil       etwas zu kurz. Ein banales Beispiel: die
                                        lichen Segeltraining erteilt. «Das habe ich   der Sek-I-Studiengänge.                         Bedienung eines Druckers. Solche Inhalte
                                        sehr geschätzt.» Zum Auslöser für seine            Nach dem abgeschlossenen Bachelor          könnten seiner Meinung nach etwas
                                        Neuorientierung seien aber die Erfahrun-      fehlen ihm bis zum Lehrdiplom noch die          mehr Gewicht bekommen, zum Beispiel
                                        gen als Nachhilfelehrer geworden: «Es         drei Semester des Master-Studiums. Dann         auf Kosten sehr akademischer Inhalte,
                                        war für mich toll, die Erfolgs­momente der    folgt der Schritt in den Berufsalltag. Am       die im Schulalltag keine Rolle spielten.
                                        Kinder mitzuerleben.» ­Weitere spannen-       meisten freut sich Oliver Weber darauf,         Er weiss allerdings, dass sich nicht alle
                                        de Einblicke in die pädagogische Arbeit       zu sehen, wie die Kinder Fortschritte           Kompetenzen in einem Studium vermit-
                                        gewann er während eines halben Jahrs als      ­machen, und auf die Freiheiten, die man        teln lassen, sondern nur durch Erfahrung
                                        Klassenassistent in einer Sonder­    schule    bei der Gestaltung des Unterrichts ge-         zu erwerben sind. «Der Berufseinstieg
                                        in Stäfa. Unterrichten wird er künftig je-     niesst. Dabei ist ihm klar, dass die Arbeit    wird immer ein Sprung ins kalte Wasser
                                        doch Jugendliche der Regelschule.              im Klassenzimmer wohl der Kern seines          bleiben.» [ami]
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«Ich schätze die thematische
                                                            Breite des Berufs»
                                               Suana Ruch, 23, Studentin Primarstufe

Suana Ruch hat im Sommer das Basis-           sich einen dreimonatigen Aufenthalt in         sie immer als Möglichkeit im Hinterkopf
jahr der dreijährigen Ausbildung an der       Brasilien zu finanzieren, unter anderem        behalten.» Für die Schule sprach unter
PH Zürich abgeschlossen und ist sich          um Portugiesisch zu lernen. Nach der           anderem, dass sie eine Grundbildung bie-
sicherer denn je, dass ihre Studienwahl
­                                             Rückkehr ging sie an die Uni, fand aber        tet, mit der man viele Möglichkeiten hat.
richtig war. Sie schätzt die thematische      schnell heraus, dass das für sie nicht das     Zum Beispiel nach dem Bachelor doch
Breite, die von Sport über Naturwissen-       Richtige war. Sie brach das Studium nach       noch an eine Kunsthochschule zu wech-
schaften bis zu Sprachen reicht. Spannend     kurzer Zeit ab und ­  arbeitete wieder in      seln. Aus diesem Grund entschied sich
findet sie zudem, dass sie auch in der        der Gastronomie. Daneben versuchte sie         Suana Ruch schliesslich gegen die Sekun-
                                                                                                                                          Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Fokus

­Praxis die ganze Zeit selbst lernt: in der   in der Theaterszene Fuss zu fassen. Nach       darstufe, die selbst schon eine Masteraus-
 Unterrichtsvorbereitung, aber auch im        einem kurzen Praktikum am Schauspiel-          bildung ist. Die Primarstufe, die mit dem
 Klassenzimmer, wo die Kinder viele neue      haus Zürich war sie Co-Regisseurin am          «Bachelor of Arts in Primary Education»
 Inputs bringen. «Ich habe oft das Gefühl,    Studierenden Theater Zürich und assis-         abschliesst, ist hingegen eine gute Basis
 dass ich mehr von den Kindern lerne als      tierte bei drei Produk­ tionen des sogar-      für verschiedene Masterstudien. Suana
 sie von mir.» Zu diesen neueren Erkennt-     Theaters. In dieser Zeit überlegte sie sich,   Ruch dachte vor allem an Theaterpädago-
 nissen kommt etwas, das sie schon lange      an die Zürcher Hochschule der Künste           gik. «Ich bin mir aber nicht mehr sicher,
 weiss: «Ich verbringe gerne Zeit mit Kin-    (ZHdK) zu gehen. Die Hürde des Auf­            ob ich das tatsächlich machen werde»,
 dern.» Auch wenn es etwas kitschig klin-     nahmeverfahrens schien ihr aber zu             sagt sie heute. Die bisherigen Erfahrun-
 ge: «Es erfüllt mich, wenn ich Kinder um     hoch. Zudem sei sie mit der Schule nicht       gen an der PH Zürich und in den Praktika
 mich habe.»                                  richtig warm geworden.                         waren so gut, dass sie vor dem Weiterstu-
     Trotzdem war ihre Berufswahl eine            Da rückte langsam die PH Zürich ins        dieren sicher erst mal einen Klassenzug
 «etwas komplizierte Sache». Nach der Ma­     Zentrum ihrer Überlegungen. «Sie war           lang Lehrerin sein will: «Um wirklich in
 tur arbeitete sie in der Gastronomie, um     mir schon lange ein Begriff und ich habe       den Beruf einzutauchen.» [ami]
                                                                                                                                          19
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«Schule ist ganz ähnlich wie Radio»
                                          Joana Mauch, 30, Studentin Quereinstieg
                                                    Kindergarten und Unterstufe

Joana Mauch sprudelt vor Begeisterung,        ihre Mutter Lehrerin ist, wusste Joana         dritten Semester wird sie nur noch zu
wenn sie über ihren zukünftigen Beruf         Mauch zudem schon einiges über den             rund 30 Prozent studieren und daneben in
spricht: «Lehrerin ist ein wahnsinnig         ­Beruf. Und als Blauringleiterin hatte sie     Teilzeit – 35 bis 70 Prozent – als Klassen-
schöner und vielseitiger Job.» Wir spre-       jahrelang mit den Jüngsten zu tun. Kinder     lehrerin arbeiten können.
chen hier über ihren Zweitberuf, denn die      in diesem Alter hätten noch viel Fantasie,          Bereits einen Beruf zu haben, findet
30-jährige Ostschweizerin hat ursprüng-        sagt sie, man könne sie für vieles begeis-    Joana Mauch vorteilhaft. Man gehe das
lich Journalismus studiert und arbeitet        tern und der Schuldruck sei noch nicht        Studium bewusster an. In ihrem Studien-
seit 2016 bei Radio SRF. Unter anderem         so gross. Auf welcher Stufe sie dereinst      gang ist sie die Jüngste, ihre Kommili­
moderierte sie dort eine Zeit lang die         unterrichten möchte, lässt sie aber offen.    tonen seien alle ein gutes Stück älter,
«­Kinder-News». «Schule ist ganz ähnlich       Weil sie selbst nicht so gerne zur Schule     ­erzählt sie. «Viele sind berufstätige Müt-
                                                                                                                                              Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Fokus

wie Radio», erklärt sie. Auch in der Schule    gegangen ist, den Kindergarten jedoch          ter – von der Seklehrerin über die Zahn-
gehe es darum, Geschichten zu erzählen,        als ihre schönste Zeit in Erinnerung hat,      ärztin bis zur Grafikerin.» Sie arbeite zwar
jemandem etwas zu vermitteln. Anders           hat es sie zunächst ganz in diese Richtung     fast am meisten von allen, habe aber k ­ eine
als im Radiostudio habe sie im Klassen-        gezogen. «Aber mein nächstes Praktikum         ­Familienpflichten. Umso mehr bewundert
zimmer jedoch ein direktes Feedback,           habe ich in einer 1. Klasse, vielleicht ist     sie jene Studentinnen, die Stu­dium, Beruf
sehe an den Reaktionen der Kinder              das ja auch ganz spannend.»                     und Familie unter einen Hut bringen
­unmittelbar, was ankomme. Während sie              An der PHZH ist sie jeweils von Mon-       müssen. Sie selbst möchte dereinst ihre
 beim Radio viel allein sei. «Die Emotionen    tag bis Mittwoch, daneben arbeitet sie zu       beiden Berufe miteinander kombinieren.
 der Interagitation fehlen.»                   40 Prozent weiterhin als Radiojourna­           Den Journalismus wolle sie «niemals auf-
     Im ersten Semester machte sie ein         listin. Das sei schon streng, meint sie,        geben» und den Lehrberuf mit ebenso
 Praktikum in einem Kindergarten. Dieses       ­Studium und Job befruchteten sich aber         grossem Engagement ausüben. Angst vor
 hat ihr sehr gut gefallen. «Das ist auch       gegenseitig. Und sie freue sich jeweils
                                                ­                                              Überlastung hat sie nicht. «Ich hatte noch
 schön an diesem Studium: Man weiss von         nach drei Tagen Studium aufs Radio und         nie nur e ­inen Job – das kenne ich gar
 Anfang an, was man nachher macht.» Da          nachher wieder aufs Studium. Nach dem          nicht.» [jo]
                                                                                                                                              21
«Mit Kindern wird es nie langweilig»
                                        Thierry Steiner, 25, Student Primarstufe

                                        Für Thierry Steiner war der Lehrberuf           vieren. Diese favorisiert er im Moment        Jungs und bringen da und dort einen
                                        nicht erste Wahl. «Ich habe mich eher           auch, wenn es darum geht, wo er nach          ­anderen Blickwinkel ein.»
                                        spät dazu entschlossen», erzählt er. Nach       dem Studium, das er im nächsten Früh­               Geduld, Empathie und Selbstvertrauen
                                        der Volksschule durchlief er eine KV-­          sommer abschliesst, tätig werden möchte.       hält er für Grundvoraussetzungen, um
                                        Lehre und arbeitete anschliessend drei          «Ich habe etwas Respekt vor der 1. Klasse,     diesen Beruf auszuüben. Dass er einen
                                        Jahre bei einer Baugenossenschaft. In           weil man dort bei null anfängt und ich         guten Draht hat zu den Kindern und sie
                                        ­seiner Freizeit engagierte er sich in der      das bis jetzt nicht üben konnte.» Was          auch zu nehmen weiss, wenn sie mal über
                                         Cevi. Schon dort merkte er, wie viel Spass     nicht heisst, dass er die Unterstufe völlig    die Schnur hauen, führt er auf seine
                                         ihm der Umgang mit Kindern bereitete.          ausschliesst. Vielleicht werde er nach dem     Erfahrungen aus Cevi und Hort zurück.
                                                                                                                                       ­
                                         Spätestens nach seinem Zivildienstein-         Studium erst einmal in einer 1.Klasse          «Auch bereits etwas reifer zu sein und
Schulblatt Kanton Zürich 4/2021 Fokus

                                         satz in einem Hort wurde für ihn klar,         ­vikarisieren.                                 aus dem Berufsleben zu wissen, wie man
                                         dass er umsatteln wollte. Der Weg ins               Lehrpersonen auf der Primarstufe          Gespräche führt oder mit Konfliktsitua­
                                         Klassenzimmer führte ihn über die Er-           sind mehrheitlich weiblich. Dies stellt       tionen umgeht, hilft auf jeden Fall.» Bei
                                         wachsenenmatur an die PHZH.                     Thierry Steiner auch im seinem Studien-       der Planung und der Vorbereitung des
                                             «Mir gefällt die Abwechslung», sagt         gang fest: Es herrsche eine klare Frauen-     Unterrichts müsse er hingegen noch an
                                         er, «mit Kindern wird es nie langweilig.        mehrheit. Er stört sich aber nicht daran.     Routine gewinnen. Gerade am Anfang sei
                                         Und es macht Freude, zu sehen, wie sie          «Sicher wäre es positiv, wenn sich mehr       er oft bis spätabends drangesessen. In-
                                         sich entwickeln, und dazu selber beitra-        Männer für den Beruf des Primarlehrers        zwischen merkt er, dass es schon etwas
                                         gen zu können.» Heute studiert der ange-        entscheiden würden», sagt er. Er selbst       schneller geht. Sich abgrenzen zu können,
                                         hende Primarlehrer im fünften Semester.         habe sich als Schulbub manchmal einen         ist ihm wichtig. Er bleibt lieber bis 20 Uhr
                                         Drei Praktika verbrachte er jeweils in          Lehrer gewünscht, dieser Wunsch sei aber      in der Schule, bis er mit der Arbeit fertig
                                         ­einer 3. Klasse, einmal unterrichtete er in    erst in der Sekundarschule in Erfüllung       ist. Dafür ist er nachher frei und es bleibt
                                          einer 6. Klasse. Sein letztes Praktikum        gegangen. «Lehrer sind bei gewissen           Zeit für Hobbys und Kollegen – gerne auch
                                          wird er erneut auf der Mittelstufe absol-      ­Themen näher an der Lebensrealität der       solche, die nicht Lehrer sind. [jo]
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