Schulblatt2/2019 Nimms mit Humor - Wie Lachen den Unterricht bereichert - Kanton Zürich

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Schulblatt2/2019 Nimms mit Humor - Wie Lachen den Unterricht bereichert - Kanton Zürich
Kanton Zürich

            Schulblatt
            Bildungsdirektion

                                                                   2/2019

                                                        Nimms mit
                                                           Humor
                                                           Wie Lachen den
                                                       Unterricht bereichert

Produktives Scheitern           Schülerstudium         Supported Education
Manu Kapur plädiert             Neues Angebot für      Eine Fachstelle für
für andere Lernmethoden         begabte Gymnasiasten   Lernende mit Autismus
Schulblatt2/2019 Nimms mit Humor - Wie Lachen den Unterricht bereichert - Kanton Zürich
6                                                                        18
                                             Magazin                                             Fokus:                                                  Volksschule
                                                                                                 Nimms mit Humor
                                             4                                                                                                           22
                                             Kommentar                                           12                                                      Schulpflege
                                             Bildungsdirektorin                                   Im Gespräch                                            Wie und warum sich
                                             Silvia S
                                                    ­ teiner über das                             Humorexperte Willibald Ruch                            ­Menschen in der Laien­
                                             Gymnasium der Zukunft                                ­erklärt, was Humor ist und                             behörde engagieren
                                                                                                   wie er das Leben erleichtert
                                             5                                                                                                           24
                                             Im Lehrerzimmer                                     18                                                      Stafette
                                             Schulhaus Nassenmatt, Aesch                          Primarschule                                           Die Sekundarschule
                                                                                                  Über die Chancen, die                                  Turbenthal-Wildberg, erste
                                             6                                                    ­pädagogischer Humor im                                Klimaschule der Schweiz
                                             Persönlich                                            ­Unterricht bietet
                                             Manu Kapur, Professor für                                                                                   27
                                             Lernwissenschaften, setzt auf                                                                               In Kürze
                                             «produktives Scheitern»

                                             9
                                             Meine Schulzeit
                                             Nicoletta Cimmino,
                                             Modera­torin «Echo der Zeit»

                                             Wichtige Adressen                                                    Impressum Nr. 2/2019, 1.3.2019
Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Inhalt

                                             Bildungsdirektion: www.bi.zh.ch Generalsekretariat: 043 259 23 09    Herausgeberin: Bildungsdirektion Kanton Zürich, Walcheplatz 2, 8090 Zürich Erscheinungs­
                                             Bildungsplanung: 043 259 53 50 Bildungsstatistik: www.bista.zh.ch    weise: sechsmal jährlich, 134. Jahrgang, Auflage: 19 000 Ex. Redaktion: Redaktionsleiter
                                             Volksschulamt: www.vsa.zh.ch, 043 259 22 51 Mittelschul- und         reto.heinzel@bi.zh.ch, 043 259 23 05; Redaktorin jacqueline.olivier@bi.zh.ch, 043 259 23 07;
                                             ­Berufsbildungsamt: www.mba.zh.ch, 043 259 78 51 Amt für Jugend      Sekretariat schulblatt@bi.zh.ch, 043 259 23 09 Journalistische Mitarbeit an dieser
                                             und Berufsberatung: www.ajb.zh.ch, 043 259 96 01 Lehrmittel­         Ausgabe: Walter Aeschimann, Andreas Minder Abonnement: Lehr­personen einer öffentli-
                                              verlag Zürich: www.lmvz.ch, 044 465 85 85 Fachstelle für Schulbe­   chen Schule im Kanton Zürich können das ­«Schulblatt» in ihrem ­Schulhaus ­gratis beziehen
                                             urteilung: www.fsb.zh.ch, 043 259 79 00 Bildungsrats­beschlüsse:     (Bestellwunsch an Schul­  leitung). Be­ stellung des «Schulblatts» an ­ Privat­
                                                                                                                                                                                                adresse ­
                                                                                                                                                                                                        sowie
                                              www.bi.zh.ch > Bildungsrat > Beschluss­archiv Regierungsrats­       Abonne­ment weiterer Interessierter: abonnemente@staempfli.com, 031 300 62 52 (Fr. 40.– pro
                                              beschlüsse: www.rrb.zh.ch                                           Jahr) Online: www.schulblatt.zh.ch G ­ estaltung: www.bueroz.ch Druck: www.staempfli.com
                                                                                                                  Inserate: inserate@staempfli.com, 031 767 83 30 Re­daktions- und Inserateschluss nächs­
                                                                                                                  te Aus­gabe: 4.4.2019 Das ­nächste «Schulblatt» erscheint am: 3.5.2019
                                             Titelbild: Hannes Heinzer

                                             Weiterbildungsangebote
                                             Unter den nachfolgenden Links finden Sie zahlreiche Schulungs- und Weiterbildungsangebote für Lehrpersonen, Fachlehrpersonen, Schulbehörden und Schul­
                                             leitende: Volksschulamt: www.vsa.zh.ch > Ausbildung & Weiterbildung Pädagogische Hochschule Zürich: www.phzh.ch > Weiterbildung Unterstrass.edu:
                                             www.unterstrass.edu UZH/ETH Zürich: www.webpalette.ch > Sekundarstufe II > Gymnasium > UZH und ETH Zürich, Maturitätsschulen HfH – Interkantonale
                                             Hochschule für Heilpädagogik Zürich: www.hfh.ch > Weiterbildung ZAL – Zürcher Arbeits­        gemeinschaft für Weiterbildung der Lehrpersonen des
                                             ­Kantons Zürich: www.zal.ch > Kurse EB Zürich, Kantonale Berufsschule für W   ­ eiterbildung: www.eb-zuerich.ch
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Schulblatt2/2019 Nimms mit Humor - Wie Lachen den Unterricht bereichert - Kanton Zürich
30                                                40
Mittelschule                                           Berufs­bildung                                          47
                                                                                                               Amtliches
30                                                     38
Begabtenförderung                                      Integration                                             48
Das Schülerstudium für                                 Mit der Fachstelle                                      Stellen
wissbegierige Gymnasiasten                             Supported Education geht
                                                       die TBZ neue Wege                                       52
32                                                                                                             schule & kultur
Arbeitsort Mittelschule                                40
Vereinswart Andreas                                    Berufslehre heute                                       54
Balett spielt eine Schlüssel­                          Lackierassistent EBA                                    Agenda
rolle – wortwörtlich
                                                       43
35                                                     In Kürze
In Kürze

    Editorial
                                                               Heute schon gelacht? Lachen sei gesund und ersetze den Arzt, heisst es im
                                                               Volksmund. Vor allem aber erleichtert es einem oft das Leben, wenn man
                                                                                                                                                      Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Inhalt

                                                               ­gewisse Dinge mit Humor nehmen kann. Diese Erfahrung dürfte jeder von
     Jacqueline Olivier
                                                                uns schon einmal gemacht haben. Humor kann aber auch Brücken bauen
                                                                und ein Mittel sein, das sich gezielt einsetzen lässt, um eine Situation zu
                                                                ­entspannen oder jemanden zu motivieren. Ideal eigentlich für die Schule – für
                                                                 den Lernprozess der Kinder, den Klassenzusammenhalt, die positive Stim­
                                                                 mung im ­Unterricht.
                                                                 «Lachen und Lächeln sind Tor und Pforte, durch die viel Gutes in den Men­
                                                                 schen hineinhuschen kann», schrieb der deutsche Dichter Christian Morgen­
                                                                 stern. Wenn das stimmt, kann Humor im Klassenzimmer viel bewirken. Wir
                                                                 wollten es genau wissen und befragten Lehrpersonen und Wissenschafter, ob
                                                                 Humor pädagogisch sinnvoll ist und welche Art von Humor wann «Tor und
                                                                 Pforte» öffnet, damit die Schülerinnen und Schüler mit Freude lernen und den
                                                                 Lehrerinnen und Lehrern der Unterricht leichterfällt. 
                                                                                                                                                      3

Die Redaktion freut sich über Reaktionen auf das «Schulblatt»: reto.heinzel@bi.zh.ch, jacqueline.olivier@bi.zh.ch
Schulblatt2/2019 Nimms mit Humor - Wie Lachen den Unterricht bereichert - Kanton Zürich
Gymnasien                                                                                                                einer verstärkten MINT-Förderung Rech­

       Das Gymi auf
                                                                                                                                nung getragen werden.
                                                                                                                                    Damit die Schulen nicht jede Heraus­
                                                                                                                                forderung einzeln angehen müssen, wol­

       dem Weg in die
                                                                                                                                len wir diese bündeln und abstimmen.
                                                                                                                                Im Rahmen von «Gymnasium 2022» wer­
                                                                                                                                den auch die gymnasialen Stundentafeln

       Zukunft
                                                                                                                                überarbeitet und die Untergymnasien er­
                                                                                                                                halten erstmals eine Rahmenstundentafel.
                                                                                                                                Ausserdem überarbeiten die Fachschaf­
                                                                                                                                ten ihre Lehrpläne und Fachschaftsricht­
       von Silvia Steiner, Bildungsdirektorin                                                                                   linien und stimmen ihre Lehrinhalte so
                                                                                                                                auf den Lehrplan 21 und die veränderten
                                                                                                                                Stundentafeln ab.
                                                                                                                                    Wichtig ist mir, dass das Projekt in
                                                                                                                                den Schulen gut abgestützt ist. Der Bil­
                                                                                                                                dungsrat hat bereits die Stossrichtung
                                                                                                                                vorgegeben, wie zum Beispiel, dass das
                                                                                                                                Untergymnasium homogener werden soll.
                                                                                                                                Alle Massnahmen und Projektarbeiten
                                          An den Zürcher Gymnasien werden die                                                   werden nun unter engem Einbezug des
                                          Schülerinnen und Schüler heute auf ho­                                                Schulfelds erarbeitet. Ziel ist es, dass die
                                          hem Niveau unterrichtet. Damit dies auch                                              Schulen weiterhin die grösstmögliche
                                          in Zukunft so bleibt und die Gymnasien                                                Freiheit haben und gleichzeitig eng ver­
                                          eng mit den anderen Bildungsstufen zu­                                                zahnt mit den anderen Bildungsstufen
                                          sammenarbeiten können, müssen sich die                                                sind und bleiben.
                                          Schulen weiterentwickeln. Deshalb haben                                                   Es ist mir bewusst, dass «Gymna­
                                          wir das Projekt «Gymnasium 2022» ins                                                  sium 2022» für die Schulleitungen der
                                          Leben gerufen. Wo braucht es in den kom­         «Die Schulen                         Zürcher Gymnasien und die schulischen
                                          menden Jahren Anpassungen? Seit dem
                                          letzten Sommer arbeiten die Zürcher                brauchen                           Fachschaften einen grossen Aufwand mit
                                                                                                                                sich bringt. Deshalb hat der Regierungs­
                                          Volksschulen mit dem Lehrplan 21. Mit
                                          «Gymnasium 2022» wollen wir nun sicher­
                                                                                          grösstmögliche                        rat auch die nötigen finanziellen Mittel
                                                                                                                                zur Verfügung gestellt, um die Mehrarbeit
                                          stellen, dass die Schülerinnen und Schü­           Freiheit.»                         bewältigen zu können. Ich danke allen,
                                          ler bei ihrem Eintritt ins Gymnasium gut                                              die an diesem Projekt mitarbeiten und
                                          abgeholt werden können. Ein anderes                                                   sich engagieren. «Gymnasium 2022» ist
                                          Thema ist die Digitalisierung: Die Erzie­   den Lehrplänen unserer Gymis zu ver­      eine einmalige Chance, das Gymnasium
                                          hungsdirektorenkonferenz (EDK) hat für      ankern. Und nicht zuletzt muss den ver­   im Kontext des gesamtgesellschaftlichen
                                          das Gymnasium ein Informatik-Obligato­      änderten Bedürfnissen von Gesellschaft    Wandels weiterzuentwickeln und für die
                                          rium beschlossen. Dieses gilt es jetzt in   und Berufswelt auch am Gymnasium mit      Zukunft gut aufzustellen. 
Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Magazin

                                                                                                                                                Mein
                                                                                                                                                Traumschulhaus
                                                                                                                                                Enea Ober-
                                                                                                                                                holzer (10),
                                                                                                                                                4. Primarklasse,
                                                                                                                                                Schulhaus
                                                                                                                                                Schwerzgrueb,
                                                                                                                                                Uitikon
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Schulblatt2/2019 Nimms mit Humor - Wie Lachen den Unterricht bereichert - Kanton Zürich
Im Lehrerzimmer

                   Schulhaus Nassenmatt,
                                  Aesch
                                                                                  Die Landschaft vor Augen.
                                                                                                                       Fotos: Marion Nitsch

                                                                                                                                         Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Magazin

Reste des Mittagstisch-Menüs: werden täglich ins Lehrerzimmer des Schulhauses Nassenmatt geliefert. Viele Lehrpersonen schät­
zen den unkomplizierten Zmittag im hellen, freundlichen Raum. Heute stehen Spaghetti Carbonara auf dem Speiseplan. Ein Blickfang:
sind die grünen Stoffsessel. Doch nicht nur das: Sie sind auch bequem. Die meisten ziehen sie den lang gezogenen schwarzen Leder­
sofas vor. Die riesigen Fensterfronten: sorgen für blendend helle Lichtverhältnisse im Raum. Sie laden aber auch ein, den Blick in
die Ferne schweifen zu lassen; über die leicht verschneiten Wiesen und Felder bis hin zu einem Hügelzug. Die Häuser auf der ­Krete,
die wie hingetupft wirken, gehören zum aargauischen Islisberg. Für Gesprächsstoff und fröhliche Stimmung: sorgen heute die Frei­
zeitthemen «Poetry Slam» und «Theatersport». Eine Lehrerin zeigt sich begeistert und schlägt den gemeinsamen Besuch eines
einschlägigen Theaterabends in Zürich vor. Hinter der Sitzgruppe: warten die neu erworbenen Bücher der Schulbibliothek auf eine
erste Begutachtung. Schulleiter Bernhard Schmidt blättert in «Icon Poet», einem Spielbuch mit 32 Bilderwürfeln, zu denen innert
kürzester Zeit Geschichten erfunden werden müssen. Ein kreatives Feuerwerk im Klassenzimmer scheint garantiert. [rh]
                                                                                                                                        5
Schulblatt2/2019 Nimms mit Humor - Wie Lachen den Unterricht bereichert - Kanton Zürich
Persönlich                                                                                                                       len. Die Kunst der Methode liegt dabei am

       Wenn Scheitern
                                                                                                                                        Design der Aufgabenstellung, das er selbst
                                                                                                                                        entwickelt hat. Die Aufgaben dürfen nicht
                                                                                                                                        zu schwierig sein. Das würde Lernende

       Schüler weiter-
                                                                                                                                        demotivieren. Aber sie dürfen auch nicht
                                                                                                                                        zu einfach sein. «Es braucht das richtige
                                                                                                                                        Mass an Überforderung.» Zudem muss das

       bringt
                                                                                                                                        Setting so angelegt sein, dass ein Schei­
                                                                                                                                        tern angstfrei möglich ist.

                                                                                                                                        Erfinde deinen Job
       Manu Kapur ist ETH-Professor für Lern­                                                                                           Das Verfahren hat Kapur aus seinem Un­
                                                                                                                                        behagen gegenüber klassischen Unter­
       wissenschaften und eine internationale                                                                                           richtsmethoden entwickelt. Als er selbst

       ­Kapazität. Dank seiner Lern­methode wird                                                                                        Schüler war, erklärte die Lehrperson erst
                                                                                                                                        eine mathematische Operation – und da­
        Scheitern bewusst in den Lernprozess                                                                                            nach hätten sie geübt. Kapur bezeichnet
                                                                                                                                        dies als «direkte Instruktion». Nach dem
        ­einbezogen.                                                                                                                    Studium unterrichtete er in Singapur fünf
                                                                                                                                        Jahre Mathematik an einem Gymnasium.
       Text: Walter Aeschimann Foto: Stephan Rappo
                                                                                                                                        Dabei habe er sich instinktiv von dieser
                                                                                                                                        Methode zurückgezogen. Er habe Aufga­
                                                                                                                                        ben gestellt, ohne die Formel preiszuge­
                                                                                                                                        ben. Erst wenn die Schüler nicht mehr
                                                                                                                                        weiterwussten, erklärte er, wo sie mit ihren
                                          Als junger Mann wollte Manu Kapur Fuss­       Kultur der Zusammenarbeit und die Qua­          Versuchen gescheitert waren. Als Lern­
                                          ballprofi werden. Er trainierte täglich und   lität der Forschung.» Die ETH sei welt­         forscher in Hongkong und Singapur er­
                                          spielte wettkampfmässig in Singapur. Ein      weit eine der besten Universitäten.             kannte er, dass seine Praxiserfahrungen
                                          zentrales Motto durchdrang die Übungs­                                                        dem Dogma der Lernwissenschaften – der
                                          lektionen: «Trainiere, bis du nicht mehr      Angstfrei scheitern                             direkten Instruktion – nicht entsprachen.
                                          kannst – und dann noch etwas mehr.» Die       Grosse Anerkennung und die Aura der             Also ging er nach der Devise vor: «Wenn
                                          Idee war, seinen Körper bis ans Limit zu      ETH im Hintergrund bringen auch eine            es keinen passenden Job für dich gibt,
                                          fordern und die Kraft zu finden, dieses       Ein­ladung ans World Economic Forum             ­erfinde einen neuen.»
                                          noch weiter auszudehnen. «Die wirklich        (WEF) nach Davos. Dort erklärte er kürz­             Der gebürtige Inder entwickelte kon­
                                          guten Dinge passieren auf der anderen         lich den Eliten aus Wirtschaft und Politik,      krete, für mathematische Fragen passende
                                          Seite des Scheiterns», sagt Kapur. Auf der    wie junge Talente auf die Zukunft vorbe­         Einstiegsaufgaben. Er verglich die Me­
                                          anderen Seite ist dort, wo man trotz Wi­      reitet werden. Der traditionelle Frontal­        thoden in kontrollierten Laborversuchen
                                          derständen weitermacht.                       unterricht würde zwar elementares Wissen         und mit empirischen «Quasi-Experimen­
                                              Eine Knieverletzung zwang Kapur mit       und Fähigkeiten vermitteln, die momen­           ten in echten Klassenzimmern mit echten
                                          22 Jahren, seinen ersten Karrierewunsch       tan überlebenswichtig sind. Aber für die         Lehrpersonen». Dabei zeigte sich, dass
                                          aufzugeben. Gut 20 Jahre nach der ge­         Zukunft seien die Jugendlichen noch nicht        beide Methoden gute Ergebnisse liefern,
                                          scheiterten Sportlerlaufbahn ist er welt­     gerüstet. «Unser Bildungsziel muss höher         wenn es um den Erwerb von Basiswissen
                                          weit anerkannt für seine Forschung über       liegen, als blosses Wissen anzuhäufen            geht. Sobald die Schüler das Gelernte auf
                                          «Produktives Scheitern». So nennt der         und in internationalen Tests gut abzu­           neue, kompliziertere Probleme anwenden
                                          44-jährige gelernte Maschineningenieur        schneiden», sagt Kapur. Deshalb müssten          mussten, führte seine Idee zu deutlich
                                          seine von ihm entwickelte Lernmethode.        Schulen auf allen Stufen zwingend Fähig­         besseren Ergebnissen. Dieser Lernprozess,
                                          Universitäten auf der ganzen Welt laden       keiten wie Kreativität, kritisches Denken,       vorab auf der gymnasialen Stufe und in
                                          ihn ein, die zentralen Gedanken der Me­       geis­tige Flexibilität und Erfindergeist för­    naturwissenschaftlichen Zusammenhän­
                                          thode vorzutragen. Angesehene Medien          dern. Das bedeute, die Unterrichtsmetho­         gen erforscht, funktionierte bei Mädchen
                                          skizzieren seine Vita. Und die renommier­     den der aktuellen Lernforschung anzu­            gleich gut wie bei Knaben Die Ergebnisse
                                          testen Zeitschriften seines Fachgebiets       passen. Denn: «Wer ein Problem nicht             seiner Versuche konnten Forschergrup­
                                          edieren seine Studien.                        lösen kann, das er vorher nie gesehen hat,       pen in den Vereinigten Staaten, Kanada,
                                              Seit Anfang 2017 ist Kapur Professor      wird keinen Job mehr finden.»                    Deutschland, Australien, Hongkong und
Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Magazin

                                          für Lernwissenschaften an der ETH in Zü­          Eine Jobgarantie kann das Konzept            Singapur bestätigen. Für neue Testreihen
                                          rich. Er empfängt das «Schulblatt» in sei­    des «Produktiven Scheiterns» auch nicht          möchte Kapur in Zukunft auch mit den
                                          nem wohnlich eingerichteten Büro. Man         geben. Aber es scheint bestechend ein­           Neurowissenschaften zusammenarbeiten.
                                          sieht ihm die sportliche Athletik an. Mit     fach und wirkungsvoll. Dass man aus Feh­             Die Botschaft ist für den Forscher klar:
                                          dynamischer Leichtigkeit erhebt er sich       lern lernt, ist bekannt. Neu an Kapurs Me­       «Beim Lernen ist es viel zu einfach, den
                                          vom Bürostuhl und streckt mit freundli­       thode ist, diese Weisheit umzukehren. Das        Weg des geringsten Widerstandes zu ge­
                                          chem Schwung die Hand entgegen. Er            Scheitern wird bewusst ins Lernen einge­         hen.» Das betreffe die Aneignung von
                                          zeigt mir vorerst den Blick zum hell-glän­    baut. Die Schüler werden konfrontiert mit        geistigen wie auch von körperlichen Fä­
                                          zenden Zürichsee und zum dekorativ ver­       Aufgaben, die sie nicht gänzlich und allein      higkeiten. Im Fussball kann Kapur seine
                                          schneiten Uetliberg. Unser Gespräch fin­      lösen können. Das wissen die Schüler             Fähigkeiten leider nicht mehr maximie­
                                          det in Englisch statt. Er sei nicht wegen     aber nicht. Kapur interessiert sich nun für      ren. Aber manchmal geht er noch als Zu­
                                          der schönen Aussicht nach Zürich ge­          die Ideen der Lernenden: wie sie versu­          schauer ins Stadion. Besonders «span­
                                          kommen, meint er schmunzelnd. Seine           chen, diese Aufgabe zum ersten Mal zu            nend und intensiv» ist für den Experten
                                          Forschung sei sehr komplex. Er arbeite        lösen. Die Erfahrung des Scheiterns zeige        jeweils das Derby zwischen dem FC Zürich
                                          mit ver­ schiedenen Fachrichtungen zu­        den Schülern ihre Lücken auf und könne           und dem Grasshopper Club Zürich. «Ich
                                          sammen. «Entscheidend sind für mich die       zugleich nachhaltiges Lernen sicherstel­         bin aber neutral», sagt er lächelnd. 
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Schulblatt2/2019 Nimms mit Humor - Wie Lachen den Unterricht bereichert - Kanton Zürich
ETH-Professor Manu Kapur
      beschäftigt sich unter
­anderem mit dem «richtigen
    Mass an Überforderung».

                               Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Magazin
                               7
Schulblatt2/2019 Nimms mit Humor - Wie Lachen den Unterricht bereichert - Kanton Zürich
Die Schule für Sprachen
                                    und Integration
                                     Was wir bieten
                                     Unsere Integrationskurse gewährleisten einen optimalen
                                     Start, sei es beim Übertritt in eine Schule oder für den Ein-
                                     stieg ins Berufsleben.

                                                                                                       • Intensivkurse für die schulische und kulturelle Integration
                                                                                            Menschen
                                                                            Wir integrieren            • Intensivkurse für die kulturelle und soziale Integration
                                                                                                       • Intensivkurse für die berufliche Integration
                                                                                                       • Deutsch- und Fremdsprachenkurse
                                                                                                       • Sprachkurse mit Berufs- und Branchenschwerpunkt
                                              T 043 888 70 70 | www.allegra-sprachen.ch                • Prüfungszentrum für telc, KDE und Bulats Tests
                                                                                                       • Computeranwenderkurs ECDL mit Zertifikat
                                                                                                       • Kantonaler Deutschtest im Einbürgerungsverfahren (KDE)

                                  171103_Allegra_AZ_Schulblatt-Kt-Zuerich_178x90mm.indd 1                                                                  03.11.17 10:58

                                                         Bildung liegt uns
                                                         am Herzen
                                                         www.lmvz.ch
Schulblatt Kanton Zürich 2/2019
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Schulblatt2/2019 Nimms mit Humor - Wie Lachen den Unterricht bereichert - Kanton Zürich
Welche Schulreise ist Ihnen speziell                                                                                  Meine Schulzeit

                                                                         «Ich hatte kein
in Erinnerung und warum?
Das war eine zweitägige Schulreise über
den Gotthardpass. Ich fand die Landschaft

                                                                           Interesse am
wahnsinnig schön. Die Nacht allerdings
war schrecklich. Mehrere Mitschülerin­
nen im Massenschlag mussten sich über­

                                                                               Stricken»
geben. Und da ich fast als Einzige kein
Problem hatte, den Schlamassel wegzu­
putzen, ohne selbst erbrechen zu müssen,
waren es recht anstrengende Stunden.
     Welche Lehrperson werden Sie                                     Fünf Fragen an Nicoletta Cimmino,
nie vergessen?
Mich haben verschiedene Lehrpersonen                                       Moderatorin «Echo der Zeit».
geprägt. Ich weiss nicht, ob den Lehrerin­
nen und Lehrern bewusst ist, wie sehr sie
einen Lebensweg beeinflussen können.
Gerade bei Arbeiterkindern mit Migra­            Methoden. Und der unschätzbare Wert
tionshintergrund wie mir.                        von Menschen, die an dich glauben. Mir
     Zwei Lehrern möchte ich Danke sa­           hat mein Mathematiklehrer einmal ge­
gen: Ruedi Howald, der mir den Auftrag           sagt, nachdem ich wieder einmal eine
gab, für das «Bieler Tagblatt» über das          sehr schlechte Prüfung geschrieben hatte
­Abschlussfest meiner Schule in Brügg zu         und deshalb weinte: «Nicoletta, Mathe­
 schreiben. Mein erster Reporterinnen-           matik ist nicht das Wichtigste. Du machst
 Einsatz! Und Jean-Pierre Nemeth, der mir        auch so deinen Weg.»
 das Gefühl für Sprache als solches ver­             Was hat Ihnen in der Schule gar
 mittelte. Die Liebe zum Schreiben. Und          nicht gefallen?
 das Ohr für Poesie.                             Mathematikprüfungen. Und Handarbei­
     Welches war Ihr liebstes Fach               ten. Ich hatte kein Interesse am Stricken
 und weshalb?                                    und Nähen, was schade ist, denn heute
 Deutsch. Weil wir Bücher lesen mussten          ist es jedes Mal eine Herausforderung,
 und ich das sowieso am liebsten den gan­        wenn ich einen Knopf annähen muss.
 zen Tag tat. Und weil wir viele Aufsätze
 schreiben durften.
     Was haben Sie in der Schule                                Nicoletta Cimmino (44) ist in Biel geboren.
                                                            In Brügg bei Biel besuchte sie die Primar- und
 fürs Leben gelernt?                                     Sekundarschule. Nach der Handelsschule und zwei
 Eine gewisse Widerspenstigkeit. Miss­                Jahren in einem Büro stieg sie in den Journalismus ein –
                                                           und kam seither nicht mehr davon los. Sie kann sich
 trauen gegenüber Autoritäten. Den «Erl­               immer noch an den Mandelgeruch des Leimsticks erinnern,
 könig». Ein paar extrem diskrete Spick-                den sie am ersten Schultag von ihrer Klassenlehrerin bekam.

Bildungs-Slang
Ruedi Widmer, Cartoonist, interpretiert Begriffe aus Bildung und Schule – diesmal: Erfolgsschwelle
                                                                                                                                   9Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Magazin
Schulblatt2/2019 Nimms mit Humor - Wie Lachen den Unterricht bereichert - Kanton Zürich
10   Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Fokus
Fokus

Nimms
mit Humor
Humor in der Schule? Unbedingt, findet
­Humorexperte Willibald Ruch. Natürlich der
 richtige und dann, wenn es passt. Wie eine
 ­Geschichtenerzählerin Schülerinnen und
  Schüler zum Lachen bringt und warum die
  Lehrerin sie engagiert hat, zeigt ein Besuch
  an einer Primarschule. Ein anderer Primar-
  lehrer hat sich während seines Studiums
  damit b ­ eschäftigt, wie Humor dem Lernen
  hilft. Nach zwei Jahren in der Praxis findet er:
  Lehrpersonen sollten Humor im Unterricht
  ausprobieren.
Fotos: Hannes Heinzer

                                                     Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Fokus
                                                     11
Im Gespräch                                                                                                                 gross am Ende die Schulzufriedenheit

       «Gemeinsam
                                                                                                                                   und die Noten waren. Dabei stellten wir
                                                                                                                                   klar fest: Positive Emotionen führen zu
                                                                                                                                   höheren Lernleistungen. Und Humor ist

       über etwas lachen
                                                                                                                                   ja eine leichte Art, um positive Emotionen
                                                                                                                                   und Heiterkeit zu wecken.
                                                                                                                                          Können Sie das etwas ausführen?

       öffnet viele Tore»
                                                                                                                                   Positive Emotionen ermöglichen es mir,
                                                                                                                                   neue Fähigkeiten und Ressourcen auf­
                                                                                                                                   zubauen, alternative Handlungen auszu-
                                                                                                                                   probieren, die dann langfristig nützlich
       Der Humorexperte Willibald Ruch                                                                                             sind. Anders gesagt: Wenn die Leute etwas
                                                                                                                                   Lustiges tun, dann wird ihre Kreativität
       erklärt, weshalb durch Humor                                                                                                gesteigert. In diesem Sinne ist Humor

       das Leben leichter wird, wie er trainiert                                                                                   auch ein Spiel mit Ideen. Denken Sie zum
                                                                                                                                   Beispiel an kleine Kinder, die mit einer
       werden kann und was er in der Schule                                                                                        Zahnbürste spielen und so tun, als ob
                                                                                                                                   ­diese ein Kamm wäre und sich damit die
       zu suchen hat.                                                                                                               Haare kämmen. Durch den alternativen
                                                                                                                                    Gebrauch von Gegenständen lerne ich,
       Text: Reto Heinzel Foto: Hannes Heinzer
                                                                                                                                    mich mit meiner Umgebung auseinan­
                                                                                                                                    derzusetzen, sehe andere Möglichkeiten.
                                                                                                                                    Spiel, das mit Humor verbunden ist, macht
                                                                                                                                    auch fitter für später.
                                                                                                                                          Wie früh lernt denn ein Kind,
                                                                                                                                    ­Humor zu verstehen?
                                                                                                                                     Da gibt es verschiedene Phasen. Es ist oft
                                                                                                                                     so, dass etwas Unerwartetes, Unstimmi-
                                                                                                                                     ges, das in einem sicheren Kontext, also
                                                                                                                                     ohne Angst zu haben, erlebt wird, zu La-
                                                                                                                                     chen führt. Die Kuckucksspiele mit klei-
                                                                                                                                     nen Kindern zum Beispiel oder das In-
                                                                                                                                     die-Luft-Werfen und Fangen stehen für
                                                                                                                                     frühe Momente der Aufregung und sind
                                                                                                                                     oft mit Lachen verbunden. Mit der Zeit ist
                                        Sie beschäftigen sich seit bald vierzig       zugehen. Humor ist auch gut für die Nähe       Humor dann immer stärker mit dem Den-
                                        Jahren mit Humor. Was genau verbirgt          zwischen Personen. Gemeinsam über ir-          ken verknüpft. Es gibt eine Phase, in der
                                        sich eigentlich hinter diesem Begriff?        gendetwas zu lachen, öffnet viele Tore.        allein schon das Aussprechen von Tabu-
                                        Ich halte mich an die Definition im              Dient Humor auch noch einem                 wörtern lustig ist. Grundsätzlich ist das,
                                        deutschsprachigen Raum. Humor ent-            anderen Zweck?                                 was schräg, unstimmig oder unerwartet
                                        spricht demnach einer Fähigkeit, die es       Mit Humor lässt sich zum Beispiel ein          ist, in dieser Phase komisch. So funktio-
                                        erlaubt, selbst widrigen Umständen noch       Phänomen oder eine Idee pointiert, witzig      niert Komik: Da ist immer etwas Unsinni-
                                        eine heitere Note abzugewinnen. Es geht       und kompakt zusammenfassen. Damit              ges, das dann aber aufgelöst wird. Wenn
                                        auch darum, Gelassenheit zu üben gegen-       kommen wir auch zur Schule: Wenn ein           das Ganze in einem sicheren Rahmen ge-
                                        über den Übeln der Welt, gegenüber den        Lehrer irgendeinen Inhalt, der gelernt         schieht, also wenn ich mich nicht ängstige,
                                        Mitmenschen, die nicht immer so sind,         werden soll, in einen lustigen Reim klei-      führt das zu Erheiterung.
                                        wie man sie gern hätte.
                                              Wer Humor hat, ist also in der
                                        Lage, auf Widrigkeiten mit einem
                                        ­Lachen zu reagieren?
                                         Wenn ich in Momenten der Angst, des
                                         Ärgers oder der Wut noch etwas Komi-
                                         ­                                                       «Wenn die Leute etwas
                                         sches entdecke, kann ich dem Ganzen die
                                         Schärfe nehmen, es erträglicher machen.
                                                                                                    Lustiges tun, dann
                                                                                             wird ihre Kreativität gesteigert.»
Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Fokus

                                         Und vielleicht kann ich mich ja darüber
                                         amüsieren. Das muss nicht zwingend mit
                                         einem brüllenden Lachen einhergehen.
                                              Wie würde es uns ohne Humor
                                         ­ergehen?
                                          Wenn wir Menschen den Humor nicht           det oder verknappt darstellt, ist er präg-       Welchen Stellenwert hat Humor
                                          hätten, würde uns vieles im Leben in ne-    nanter, man versteht besser, was damit       in der Schule?
                                          gative Gefühle versetzen. Wir würden uns    gemeint ist. Zudem erhöht sich dadurch       Schülerinnen und Schüler bringen be-
                                          aufregen, ärgern, uns fürchten. Humor ist   die Merkfähigkeit. «Drei-drei-drei, bei      kanntlich verschiedene Charakterstärken
                                          eine sehr reife Art, mit Schwierigkeiten    ­Issos grosse Keilerei» kann man sich viel   mit. An unserem Institut haben wir unter-
                                          umzugehen, weil man zumindest leicht         schneller merken als «Im Jahr 333 gab es    sucht, welche Stärken für die Schülerin-
                                          belastende Dinge in Erheiterung umwan-       bei Issos eine grosse Schlacht».            nen und Schüler besonders wichtig sind.
                                          deln kann. Das ist wichtig, weil es uns          Mit Humor lernt sich also leichter?     Insgesamt haben wir neun solcher Stär-
                                          hilft, mit Stress, Spannungen oder zwi-      Wir haben untersucht, welche Prozesse       ken identifiziert. Dazu gehören unter
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                                          schenmenschlichen Problemen besser um-       sich im Klassenzimmer abspielen und wie     anderem Liebe zum Lernen, Ausdauer,
                                                                                                                                   ­
Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Fokus

                                                                                             Willibald Ruch (62) ist Professor für
                                                                                                  Persönlichkeitspsychologie und
                                                                                           ­Diagnostik an der Universität Zürich.
                                                                                           Zu seinen Forschung­sschwerpunkten
                                                                                               zählt die Positive Psychologie, die
Umsicht und Selbstregulation. Die Kinder,   der Ehrlichkeit als zweitwichtigste Cha-           sich im Gegensatz zur traditionell
                                                                                             defizitorientierten Disziplin mit den
die diese Stärken mitbringen, haben bes-    rakterstärke einstufen. Humor kann einen
                                                                                           positiven Aspekten der menschlichen
sere Noten, zeigen ein besseres Klassen-    also beliebt machen, er kann Freund-                  Psyche befasst, darunter Glück,
zimmerverhalten und sind zufriedener        schaften unterfüttern und Leute einander         Optimismus, Stärken und Tugenden.
                                                                                            Ruch selbst forscht seit vielen Jahren
in der Schule. Humor gehört nicht dazu,     näherbringen.                                    zu den Themen Lachen und Humor
hat dafür aber sehr viel mit Beziehungen        Wie sieht es im Verhältnis zwischen              und gilt als einer der führenden
                                                                                                        ­Humorexperten Europas.
zu tun. Kinder mit Humor haben nämlich      Lehrperson und Schülern aus?
mehr Freunde. Interessant ist auch, dass    Für die Lehrperson stellt sich ja die Frage,
Jugendliche, sobald sie romantische Be-     wie sie mit ihrem Verhalten im Klassen-
                                                                                                                                     13

ziehungen eingehen, den Humor nach          zimmer möglichst vielen der in der Klasse 
vorhandenen Stärken Raum geben kann.          Weise erklärt oder pointiert darstellt und      kinder Ironie noch gar nicht verstehen
                                        Wenn sie dem konstruktiven Gebrauch           den Schülerinnen und Schülern Raum              können.
                                        von Humor Platz einräumt, dann fühlen         gibt zu lachen, dann kooperiere ich mit                Zu welchem Vorgehen raten Sie
                                        sich jene Kinder, für die Humor enorm         ihm, anstatt ihn infrage zu stellen.            also Kindergarten- und Primarlehr­
                                        wichtig ist, stärker zugehörig. Sonst könn-       Konstruktiver Humor im Klassen­             personen?
                                        ten sich diese ausgeschlossen fühlen. Die     zimmer schafft also Mehrheiten?                 Sie könnten sich zum Beispiel am Kon-
                                        Lehrperson sollte also schauen, dass sie      Genau.                                          zept des korrektiven Humors orientieren.
                                        möglichst auch diese Kinder ins Boot holt.        Und das Gegenteil wäre destruk­             Das heisst: Ich spreche Fehlverhalten an
                                            Wie gelingt das?                          tiver Humor?                                    und zeige, dass das jetzt nicht schlau war,
                                        Zugegeben, das ist nicht ganz risikolos.      Ja. Dabei geht es um Ausgrenzung und            erhalte dabei aber die gute Beziehung. Ein
                                        Denken Sie an die sogenannten Klassen-        ­darum, die Schwächen Einzelner hervor-         bisschen lustig kommentieren und damit
                                        clowns. Diese fallen ja vor allem dann auf,    zukehren. Solange ich über meine Schwä-        den Ernst und die Schärfe nehmen, aber
                                                                                                                                      gleichzeitig auch sagen, was nicht gut ge-
                                                                                                                                      laufen ist. Wenn einem dieses Vorgehen
                                                                                                                                      liegt, ist das sehr effektiv und auch päda-
                                                                                                                                      gogisch wertvoll. Allerdings darf es nicht

                                                          «Mit Humor lassen                                                           ins Spöttische kippen.
                                                                                                                                             Dem Humor kann im Lernprozess
                                                     sich Menschen ­jeden Alters                                                      also durchaus eine unterstützende
                                                                                                                                      Funktion zukommen und er kann die
                                                         besser integrieren.»                                                         ­Motivation der Kinder stärken. Hat es
                                                                                                                                       ein humorvoller Lehrer auch leichter
                                                                                                                                       im Berufsalltag?
                                                                                                                                       Das vermute ich. Wenn ich aber zum
                                                                                                                                       ­Beispiel einen Humor einsetze, der nicht
                                        wenn sie sich lustige Dinge nicht nur aus-    chen lache oder wir gemeinsam über un-            authentisch ist, wird mir das im Unter-
                                        denken, sondern gleich damit heraus­          sere Missgeschicke schmunzeln, gibt es            richt nicht helfen. Andersherum kann ich
                                        platzen und somit den Unterricht stören.      in der Regel keine Probleme. Wenn ich             auch als durchaus ernster, trockener Leh-
                                        Das passt zu unseren Ergebnissen, die         als Lehrer aber über Schwächen eines              rer geschätzt werden. Ein solcher Lehrer
                                        zeigen, dass diese Kinder Humor und           ­anderen lache, beginnt es heikel zu wer-         wird sicherlich glaubwürdiger als einer,
                                        Führungsvermögen als Stärke haben, wo-         den. Humor führt dann die Leute nicht            der krampfhaft versucht, lustig zu sein.
                                        bei aber Umsicht und Selbstregulation ge-      mehr zusammen, sondern isoliert sie. Er               Kann Humor schwächeren Schul­
                                        ringer ausgeprägt sind. Stört ein solches      gibt Einzelne zum Gespött frei, macht            kindern helfen, die Lernleistungen zu
                                        Kind immer dann, wenn ich als Lehrer           sie zum Opfer. In den heutigen Schulzim-         verbessern?
                                        einen Fehler mache, besteht die Gefahr,        mern herrscht diesbezüglich sicherlich           Generell kann man dies natürlich nicht
                                        dass es zu meinem Gegner wird.                 mehr Fingerspitzengefühl als früher, als         sagen, aber die Schule kann gewissen Kin-
Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Fokus

                                             Wie lässt sich das verhindern?            viele Lehrpersonen es noch gut und rich-         dern Angst machen und negative Emo­
                                        Ich könnte dem Klassenclown jeweils            tig fanden, individuelles Fehlverhalten in       tionen wecken. Da hilft es, wenn es mir
                                        ­erlauben, während kurzer Phasen Spass         der Klasse zu tadeln und einzelne Schüler        gelingt, diese Ängste durch Humor und
                                         und Humor Platz einzuräumen und diese         an den Pranger zu stellen.                       Lachen zu zerstreuen. Das fördert positive
                                         Stärke auszuleben und zu anderen Zeiten            Wer sich der Ironie bedient oder            Emotionen, und diese wiederum sind för-
                                         mitzuarbeiten. Möglicherweise gelingt es      sich sarkastisch äussert, bewegt sich            derlich für die Lernleistung. Ein humor-
                                         mir dadurch, ihn zu meinem Verbündeten        oft zwischen konstruktivem und                   volles Kind wird mehr geschätzt, dasselbe
                                         zu machen. Anders betrachtet: Wenn ich        ­destruktivem Humor. Wo liegt da                 gilt für ein Kind, das andere zum Lachen
                                         als Schüler humorbegabt bin, kann ich          die Grenze?                                     bringt. Das dürfte sich indirekt auf die
                                         zum Klassenclown, Klassenkasper, zum           Mit der Ironie ist es ja so, dass ich loben     Lernleistung auswirken. Ein Kind, das
                                         Saboteur werden, wenn es mir unter den         kann, indem ich tadle, oder umgekehrt           Humor hat, wird wahrscheinlich beliebter
                                         Nägeln brennt und es im Unterricht kei-        kann ich tadeln, indem ich übertriebenes        sein und weniger angegriffen werden.
                                         nen Platz gibt, auch einmal zu lachen.         Lob äussere. Das Uneindeutige hat eine          Humor ist also sicher ein Mittel, mit dem
                                         Wenn ich aber einen Lehrer habe, der           gute und eine schlechte Seite. Die schlech-     sich Menschen jeden Alters besser integ-
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                                         Dinge auch einmal auf komische Art und         te Seite ist sicher, dass kleinere Schul­       rieren lassen. 
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Primarschule                                                                                                                   ironie, Mimik, Extravaganz, «vielleicht

       Wann Humor
                                                                                                                                      auch Hässlichkeit». Den 40 Schülern und
                                                                                                                                      Schülerinnen der 6. Primarklassen hat die
                                                                                                                                      Darbietung sehr gut gefallen. Vor allem,

       der Schule hilft
                                                                                                                                      weil die Künstlerin «immer lachte und
                                                                                                                                      ihre Kapriolen die Geschichte viel besser
                                                                                                                                      machten». Aus diesem Grund hat Lehre-
                                                                                                                                      rin Jehona Vataj die Erzählerin auch enga-
                                                                                                                                      giert. Sie wünschte sich eine lebendige,
       Humor hilft in allen Lebenslagen. Diese                                                                                        humorvolle und keine getragene Darstel-

       Einsicht scheint so richtig wie banal.                                                                                         lung. Genauso sei es gewesen.

       Nur die Pädagogik steht dem Thema                                                                                              «Nicht alle auf einmal …»

       ­reserviert gegenüber. Dabei deutet vieles
                                                                                                                                      «Die Kunst des Humors liegt in der opti-
                                                                                                                                      malen Dosierung», sagt Vataj. Das gelte

        darauf hin, dass pädagogischer Humor                                                                                          auch für sie im Unterricht, wo sie gern
                                                                                                                                      mit Humor arbeite. Im Gegensatz zum
        im Unterricht viele Chancen bietet.                                                                                           perfekt vorgetragenen Humor der Profi-
                                                                                                                                      Erzählerin setzt sie ihn eher «ungeplant
       Text: Walter Aeschimann Fotos: Hannes Heinzer                                                                                  und situativ» ein. Dabei müsse sie die
                                                                                                                                      Klasse aber sehr gut kennen. Stelle sie
                                                                                                                                      eine Frage und niemand melde sich, ver-
                                                                                                                                      suche sie das mit einem Spruch aufzu­
                                                                                                                                      fangen: «Bitte nicht alle auf einmal …»
                                                                                                                                      Das klappe meistens recht gut. Schön sei
Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Fokus

                                                                                                                                      auch, wenn Kinder ihren eigenen Humor
                                                                                                                                      aufnehmen würden. Im Englischunter-
                                        «Es isch emal en blöde Müller gsi. (…)» So      Andrea Fischer Schulthess ist Geschich-       richt etwa darf nur Englisch gesprochen
                                        beginnt das Märchen vom Rumpelstilz-            tenerzählerin und performt im Rahmen          werden. Spricht ein Kind deutsch, stelle
                                        chen. Oder heisst es «Schrumpelfilzli», gar     des Angebots «Literatur aus erster Hand»      sie sich unwissend: «I am sorry, I don’t
                                        «Grümpelsülzli»? Egal. Die Geschichten-         von «schule&kultur». Heute ist sie im Pri-    understand.» Als sie kürzlich am Ende
                                                                                                                                      ­
                                        erzählerin entwickelt ihre eigenwillige,        marschulhaus Bachtel in Oberglatt zu          einer Englischlektion die Aufgaben auf
                                                                                                                                      ­
                                        eine wunderbare, lustige Vorstellung. Sie       Gast. Das Wichtigste sei für sie, den Schü-   Deutsch aufgetragen habe, habe sich ein
                                        sitzt und steht, fletscht und flüstert. Sie     lerinnen und Schülern eine Beziehung          Schüler gemeldet: «I am sorry, I dont’t
                                        wechselt die Mimik von zuckersüss in            für das «analoge Erzählen von Geschich-       understand.» Das sei ein schönes Bei-
                                                                                                                                      ­
                                        ­unverschämt, schürzt die Lippen und ver-       ten» zu vermitteln. Dafür brauche es nicht    spiel, dass Humor die Beziehung mit den
                                         dreht die Augen, ändert die Melodie der        viel – vor allem Mut zur Selbstdarstellung    Kindern fördere. Je nach Kind könne man
                                         Stimme und den Akzent, wird rasend             und zum Humor. Humor könne «die Angst         aber nicht den gleichen Humor verwen-
                                         schnell und zugleich laut, ehe sie schliess-   vor dem Schämen» nehmen. Humor sei            den. Unterschiede, wie er verstanden wer-
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                                         lich nur noch haucht.                          nicht nur Lachen, sondern auch Selbst­        de, sehe sie weniger zwischen Mädchen
Die Geschichtenerzählerin
                                                                                    Andrea Fischer Schult­hess
                                                                                    packt die Kinder mit Witz
                                                                                    und Kapriolen.

                                                                                                                                          Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Fokus

oder Knaben, sondern eher im Charakter         Clown institutio­  nalisierter Bestandteil    Kein Wunder also, dass selbst Ausbil-
und im Alter.                                  medizinischer Pflege. Erstaunlich ist des-    dungsinstitute kaum auf das Thema rea­
     Humor hilft in allen Lebenslagen.         halb, dass Humor als pädagogische Tech-       gieren. An der Pädagogischen Hochschule
­Diese Einsicht scheint vorerst banal. Hu-     nik im schulischen Unterricht bisher kei-     Zürich beispielsweise ist das Sujet im
 mor ist die Begabung, den Schwierig­          ne nachhaltige Akzeptanz gefunden hat.        Lehrplan nicht traktandiert.
 keiten und Missgeschicken mit heiterer        Die Erziehungswissenschaft unterstützt
 Gelassenheit zu begegnen, meint sinnge-       sie dabei kaum. Der neuseeländische Bil-      Humor birgt viele Chancen
 mäss der Duden. Die Psychologie formu-        dungswissenschaftler John Hattie etwa         Dies wiederum irritierte Pascal Buch-
 liert weitere Befunde: Humor kräftigt das     vergisst in seiner 2013 publizierten, stark   mann im Studium zum Primarlehrer. Vor
 seelische Wohlbefinden und ist ein wert-      beachteten Meta-Analyse «Visible Lear-        allem deshalb, weil er in seinem ersten
 volles Mittel gegen Leiden aller Art. Diese   ning» («Lernen sichtbar machen») den          Praktikum gesehen hat, dass Kinder viel
 Rezepte sind in die Gesundheitslehre          Humor als Kategorie auszuwerten. Er           und gern lachen. «Das war der Moment,
                                                                                                                                          19

 eingeflossen. In vielen Spitälern ist der
 ­                                             ­beruft sich immerhin auf 80 000 Studien.     mich über Humor in der Pädagogik schlau­ 
zumachen», sagt er heute. Er schrieb            angekommen», sagt Buchmann. Anhand              mann besonders schön. Kürzlich hat er
                                        2016 eine Vertiefungsarbeit mit dem Titel       des Satzes werde nicht nur der Inhalt           ein Wochen-Rätsel für logisches Denken
                                        «Wo der Humor dem Lernen hilft». Darin          nachhaltig gespeichert, sondern auch die        aufgetragen. Am Ende der Woche hat nie-
                                        wertete er theoretische Studien aus und         Beziehung gefördert. «Denn alle Kinder          mand eine Lösung abgegeben. Dies war
                                        verglich sie mit eigenen, qualitativen Um-      lachen gern mit der Lehrperson.» Wenn           nicht erstaunlich. Er hatte die Aufgabe
                                        fragen bei Lehrpersonen. Er stellte fest,       der geplante Humor gelinge, könne man           falsch aufgeschrieben. Das Rätsel war zur
                                        dass Humor in der Schule viele Chancen          auch forcieren und allenfalls spontane          Erheiterung aller unlösbar gewesen.
                                        bietet. Er kann die Beziehung zwischen          Einlagen wagen.                                         Nicht jede Situation und jeder Humor
                                        Lernenden und Lehrenden verbessern,                                                             ist lustig und lernwirksam. Die grössten
                                        motivierend wirken und genutzt werden,          «Lustig sein» ist top                           Unterschiede zwischen Theorie und Pra-
                                        um die Klasse anzuleiten. Diese Aspekte         Die Angst vor Autoritäts- oder Kontroll-        xis zeigen sich bei der Ironie. Die meis-
                                        wirken sich positiv und indirekt auf das        verlust findet Buchmann unbegründet.            ten wissenschaftlichen Studien raten für
                                        Lernen aus. Humor könne das Lernen              «Autorität kommt nicht über die Absenz          die ganze Primarstufe, Ironie im Unter-
                                        auch direkt verbessern. Er steigert die         von Humor, sie kommt von Kompetenz,             richt mit grosser Vorsicht einzusetzen.
                                        Aufmerksamkeit und sorgt dafür, dass In-        Wertschätzung und guter Klassenfüh-             Die befragten Lehrpersonen sehen dies
                                        halte nachhaltiger gespeichert werden.          rung.» Dabei könne auch der gewollt             entspannter. Jehona Vataj findet Ironie
                                            Theoretische Grundlagen musste er           eingesetzte Nichthumor helfen. Wichtig
                                                                                        ­                                               eine gute Technik, allerdings erst im
                                        zusammensuchen. Humor ist in der Pä­            sei, dass der Humor «lernwirksam» sei           ­späten Primarschulalter. In der 6. Klasse
                                        dagogik nur marginal erforscht. Erst seit       und die Kinder merkten, wann «ich voll           würden viele Kinder Ironie verstehen
                                        der Jahrtausendwende steigen einzelne           fokussiert bin und den Unterricht wieder         und gern auch selbst ironische Gags
                                        Bildungsforscher vertiefter in das Sujet        auf die ernste Ebene lenke». Buchmann            ­entwickeln. Dies bestätigen Schüler und
                                        ein und stellen fest, wie komplex es ist. Sie   thematisiert den Humor auch bewusst.              Schülerinnen in Vatajs Klasse – bringen
                                        formulierten erst eigene Theorien zum           Wann ist er angebracht und wann nicht?            aber zugleich einen Vorbehalt an: «Es
                                        pädagogischen Humor. Der Erziehungs-            Wann ist Schluss? Dabei müsse er auch             muss klar sein, ob wir auch ironisch zu-
                                        wissenschaftler Dieter Kassner benannte         seinen eigenen Humor filtern, damit er            rückgeben dürfen.»
                                        Formen des Humors, etwa lautes Lachen,          für den Unterricht kompatibel werde.                    Pascal Buchmann stellte fest, dass
                                        «innerliche Erheiterung», Gestik, Mimik             Während viele Lehrpersonen dem                Wortwitze schon in der Mittelstufe gut
                                        oder eine Situation. Er unterschied zwi-        Humor im Unterricht mit Respekt be­               funktionieren. Allerdings nicht für die
                                        schen positiv und negativ wirkendem             gegnen, scheint er aus Schülersicht die           ganze Klasse. Wenn er merke, dass Ein­
                                                                                                                                          zelne verwundert reagieren würden, löse
                                                                                                                                          er die Ironie sofort auf. In Buchmanns
                                                                                                                                          Vertiefungsarbeit zeigen qualitative Inter-
                                                                                                                                          views mit Lehrpersonen auch, dass Iro-
                                                                                                                                          nie schon in der unteren Primarstufe
                                                                                                                                          ­angewendet und gefördert werden kann.
                                                    «Die Kunst des Humors                                                                  Einzelne haben gute Erfahrung mit dem

                                              liegt in der optimalen Dosierung.»                                                           «Gegenteil»-Spiel gemacht. Sie bringen
                                                                                                                                           Kin­der zum Lachen, indem sie etwa bei
                                                                        Jehona Vataj, Primarlehrerin                                       Korrekturen sagen, die Aufgabe sei falsch
                                                                                                                                           gelöst, aber ein «Richtig-Häkchen» setzen.
                                                                                                                                                Einig sind sich Theorie und Praxis
                                                                                                                                           hingegen, dass Humor im Unterricht auch
                                                                                                                                           viele Gefahren birgt. Er kann misslingen
                                                                                                                                           und verletzen. Er darf nicht übertrieben
                                        ­ umor. Sobald Humor negativ aufge­
                                        H                                               wichtigste Eigenschaft einer Lehrperson            werden und muss einen pädagogischen
                                        nommen werde, gelte er nicht mehr als           zu sein. Dies belegt Birgit Rissland in            Inhalt haben. Anerkannt scheint eben-
                                        pädagogisch relevant. Schliesslich diffe-       ­einer Studie von 2002, in der sie Schüler         falls, dass er keinen direkten Einfluss hat,
                                        renzierte er zwischen geplantem und              und Schülerinnen dazu befragte. Das               ob ein Lerninhalt verstanden wird. Von
                                        spontanem Humor. Spontaner Humor                 Ergebnis bestätigte eine Ermittlung bei
                                                                                         ­                                                 Humor auf Intelligenz zu schliessen, ist
                                        werde eher «flächendeckend» eingesetzt,          12 000 Schülerinnen und Schülern in den           deshalb heikel und äusserst schwierig.
                                        während der geplante «fachspezifisch»            USA. Humor rangiert vor «nett», «nicht            Und nicht zuletzt ist unbestritten: Humor
                                        sei. Die Psychologin Birgit Rissland fragte      zu streng» oder «gut erklären können».            ist keine zwingende Qualität für eine gute
                                        zusätzlich nach Merkmalen einer Lehr-            Selbst in der nicht repräsentativen schrift-      Lehrperson.
                                        person und kam zum Schluss, dass Humor           lichen Umfrage von Pascal Buchmann                     Das Rumpelstilzchen ist vor Zorn ge-
Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Fokus

                                        als Charaktereigenschaft äusserst hilf-          bei seiner Klasse – als Vorbereitung auf          storben. Bevor Andrea Fischer Schulthess
                                        reich sei.                                       den «Schulblatt»-Besuch – zeigte sich ein         im Schulhaus Bachtel in Oberglatt eine
                                             Pascal Buchmann unterrichtet nun            ähnliches Resultat. «Lustig sein / Witze          neue Geschichte spielt, fragt sie in die
                                        eine 5. Klasse im Primarschulhaus Auen-          machen / mit den Kindern Spass haben»             Runde: «Was ist der Unterschied zwischen
                                        rain in Neftenbach. Nach bald zwei Jahren        wurde als Charakter-Merkmal am häu-               mir und einem Fernseher?» Ein Knabe
                                        Praxis ist er überzeugt, dass man Humor          figsten genannt. Im direkten Gespräch             meldet sich: «Sie sind nicht verkabelt.»
                                        im Unterricht ausprobieren soll. Wer             führen die Schüler und Schülerinnen sei-          Alle lachen. Selbst die Geschichten­
                                        ­Respekt davor habe, soll erst mit geplan-       ner Klasse aus, was sie «cool» finden,            erzählerin, die sofort mit einer Antwort
                                         tem Humor beginnen. Kürzlich habe er            wenn ihr Lehrer «mängisch» lustig ist.            kontert: «Ich bin nicht flach.» Ein Mäd-
                                         Verbformen repetiert. Dabei regte er die        Nachhaltig geblieben ist fast allen das           chen ruft: «Der Fernseher kann nicht
                                         Schüler an, einen Satz zu bilden, der           Satzbeispiel mit dem «furzen». Ausser-            ­sehen.» Manchmal würden solche Dialoge
                                         lustig wird. «Wir furzen …», begann ein
                                         ­                                               dem, wenn der Lehrer nach einer inten­             völlig abdriften. Das sei besonders schön,
                                         Schüler. Die anderen stiegen sofort ein         siven Lernphase einen Witz erzählt oder            sagt Fischer Schulthess. «Dann bin ich
                                         und kreierten etliche Satzbeispiele. «Die-      selbst einen Fehler macht und darüber              auch ein Katalysator für die Fantasie und
20

                                         ser unerwartete Tabubruch ist sehr gut          lacht. Letztere Situation ist auch für Buch-       den Humor der Kinder.» 
21   Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Fokus
Schulpflege                                                                                                                        schulamts besucht. «Der Besuch dieser

        Die gute Schule
                                                                                                                                           Kurse war mir wichtig, auch wenn es zeit­
                                                                                                                                           lich eine Herausforderung für mich war.»
                                                                                                                                               «Überhaupt sollte man den Aufwand

        vor Augen
                                                                                                                                           für das Amt nicht unterschätzen», sagt
                                                                                                                                           Thommen. Wer im Beruf Vollzeit arbeite
                                                                                                                                           und sich zusätzlich in der Schulpflege
                                                                                                                                           stark engagieren möchte, der könne an

        Die Schulpflegen im Kanton Zürich                                                                                                  Grenzen stossen. «Für mich waren zum
                                                                                                                                           Beispiel die Organisation der obligato­
        zählen derzeit knapp 1100 Mitglieder.                                                                                              rischen Schulbesuche und der MAB in

        Was motiviert Menschen, sich in                                                                                                    zeitlicher Hinsicht eine enorme Heraus­
                                                                                                                                           forderung», erzählt sie. Aber nicht nur das:
        der Laienbehörde zu engagieren?                                                                                                    Thommen lässt auch durchblicken, dass
                                                                                                                                           sie eine gewisse Zeit brauchte, um in ihre
        Und wo liegen die Herausforderungen?                                                                                               neue Rolle hineinzufinden. Es sei auch
                                                                                                                                           nicht so, dass man gleich überall von den
        Text und Fotos: Reto Heinzel                                                                                                       Lehrpersonen mit offenen Armen emp­
                                                                                                                                           fangen werde. Doch dafür habe sie volls­
                                                                                                                                           tes Verständnis: «Schliesslich schaue ich
                                                                                                                                           als Laie von aussen in den Alltag von Pro­
                                                                                                                                           fis hinein.» Aber auch für die Schullei­
                                                                                                                                           tenden sei es nicht immer einfach, dass
                                                                                                                                           sie als Fachleute in alltäglichen Belangen
                                                                                                                                           bisweilen nicht selbstständig entscheiden
                                                                                                                                           könnten, sondern den Entscheid der
                                              In die Schulpflege führen viele Wege. Für      gleichzeitig dem Stadtrat angehört. Die       Schulpflege abwarten müssten.
                                              die Dietikerin Claudia Thommen verlief         Erneuerungswahlen im letzten Mai schlu­           Mittlerweile, sagt Thommen, sei sie im
                                              dieser Weg unspektakulär. Eine befreun­        gen keine Wellen. Da sich exakt 17 Kan­       Amt angekommen. «Ich bin sehr moti­
                                              dete Schulpflegerin hatte sie im vergan­       didierende bewarben, kam es zu einer          viert, die Arbeit ist sehr interessant.» Ge­
                                              genen Frühling angesprochen, ob sie sich       stillen Wahl. Gewählt wurden Menschen         bremst sieht sie sich manchmal durch
                                              als Nachfolgerin zur Verfügung stellen         mit unterschiedlichem Hintergrund, bei­       die «trägen politischen Prozesse». Wenn
                                              würde. Welche Aufgaben die Behörde ge­         spielsweise Hausfrauen, ein Weinhändler,      man wie sie aus der Privatwirtschaft
                                              nau hat, war der Architektin und drei­         eine Bankerin, eine Anwaltsassistentin,       komme, könne man angesichts der nur
                                                                                                                                           ­
                                              fachen Mutter zu diesem Zeitpunkt kaum         eine Studentin, ein Schulleiter und ein       monatlich stattfindenden Sitzungen und
                                              bekannt. Damit erging es Thommen wie           SBB-Angestellter. «Ich erlebe die Schul­      der auf vier Jahre ausgerichteten Legis­
                                              vielen Eltern schulpflichtiger Kindern.        pflege als gut durchmischt, ein Querschnitt   laturziele schon ungeduldig werden.
                                              «In der Regel hat man als Mutter ja nur        unserer Gesellschaft, auch in politischer
                                              mit Lehrpersonen und gelegentlich noch         Hinsicht. Das macht es spannend und viel­     Der andere Einstieg
                                              mit der Schulleitung zu tun. Mit der Schul­    seitig, auch wenn dies teilweise zu Dis­      Einen anderen Einstieg wählte Carla Lo­
                                              pflege kommt man erst in Kontakt, wenn         kussionen führt», findet Thommen.             retz. Beim Durchblättern des Lokalblatts
                                              es in der Schule grössere Probleme gibt.»                                                    stiess die Soziologin im Januar 2017 auf
                                              Die Tätigkeit reizte die 42-Jährige aus per­   Aufwand nicht unterschätzen                   eine Wahlausschreibung. Gesucht wurde
                                              sönlichen Gründen. Einerseits gab es we­       Sie selbst gehört dem Ressort «Finanzen       ein Ersatzmitglied für die neunköpfige
                                              gen der drei Kinder bereits viele Berüh­       und Infrastruktur» an. Der Start sei          Schulpflege Horgen. «Das wäre doch etwas
                                              rungspunkte mit der Institution Schule,        schwierig gewesen, erinnert sie sich, denn    für mich», dachte sich die damals 38-Jäh­
                                              zugleich verspürte sie das Bedürfnis, sich     eine Übergabe habe nicht stattgefunden.       rige spontan und stellte sich selbst als
                                              in Dietikon noch stärker zu engagieren.        Allerdings habe sie bald einen freiwilligen   Kandidatin auf – an den Parteien vorbei.
                                                  Die Schulpflege Dietikon ist ver­          zweitägigen Grundlagenkurs für Schul­         Dass sie mit diesem Vorgehen langjährige
                                              gleichsweise umfangreich. Sie besteht aus      behörden sowie eine Einführung in die         Gewohnheiten infrage gestellt habe, sei
                                              17 Mitgliedern, wobei der Schulpräsident       Mitarbeiterbeurteilung (MAB) des Volks­       ihr zunächst gar nicht bewusst gewesen.
                                                                                                                                           Tatsächlich hatten die Grünliberalen An­
Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Volksschule

                                                                                                                                           spruch auf den Sitz erhoben und wohl
                                                Grosse Verantwortung, viel Einfluss                                                        ­bereits mit einer stillen Wahl gerechnet,
                                                Die Schulpflegen sind ein fester Bestandteil des Zürcher Gemeindelebens. Sie                als plötzlich die parteilose Loretz auf den
                                                leiten und beaufsichtigen die Volksschulen, führen regelmässig Schulbesuche                 Plan trat und die Ersatz- zur Kampfwahl
                                                durch und genehmigen das Schulprogramm. Sie entscheiden auch über die                       wurde. Überraschend entschied die Un­
                                                ­Anstellung und Entlassung von Schulleitungen und Lehrpersonen oder regeln                  abhängige das Rennen für sich.
                                                 die Zuteilung der Schülerinnen und Schüler.                                                    Anders als Mütter oder Väter, die über
                                                 Die Organisation der Schulpflege unterscheidet sich von Gemeinde zu Gemein­                die Kinder mit der Schule in Kontakt
                                                 de. In jedem Fall ist die Verantwortung der Laienbehörde beträchtlich, ebenso              kommen und dadurch motiviert werden,
                                                 ihr Einfluss auf die Entwicklung der Schule, was mitunter Konfliktpotenzial                sich in der Schulpflege zu engagieren,
                                                 birgt. Eindrücklich ist die stattliche Grösse: Derzeit gehören im Kanton Zürich            verfügt Loretz über einen professionellen
                                                 1086 Personen einer Schulpflege an, darunter 90 Schulpräsidentinnen und                    Bezug zur Schule – seit 2011 arbeitet sie
                                                 -präsidenten, die ihr Amt in einer Einheitsgemeinde ausüben und gleichzeitig               als wissenschaftliche Mitarbeiterin im
                                                 Mitglied des Gemeinde- oder Stadtrats sind. Wie der Gemeindevorstand wird                  Zentrum für Evaluation der Pädagogi­
                                                 die Schulpflege von den Stimmberechtigten gewählt. Zu Kampfwahlen kommt                    schen Hochschule Zürich (PHZH). «Mein
                                                 es selten, stille Wahlen sind die Regel. [rh]                                              beruflicher Hintergrund war für meine
22

                                                                                                                                            Kandidatur entscheidend», sagt sie. «Ich
Claudia Thommen
                                     schätzt die sozial gute
                                       Durchmischung der
                                      Schulpflege Dietikon.

Die Horgner Schulpräsidentin
Carla Loretz wünscht sich
eine Professionalisierung der
Schulpflege.

                                                                                            Was sagt eine erfahrene Schulpräsidentin
                                                                                            zu den Überlegungen, die Schulpflege
                                                                                            durch eine professionelle Behörde zu er­
                                                                                            setzen? Braucht es das? «Nein», sagt Vera
                                                                                            Lang. Sie ist seit 14 Jahren Kreisschul­
                                                                                            präsidentin des Stadtzürcher Schulkrei­
                                                                                            ses Glattal und Präsidentin des Verbands
                                                                                            Zürcher Schulpräsidien (VSZ). Aus ihrer
                                                                                            Sicht funktionieren die Schulpflegen im
                                                                                            Kanton Zürich grundsätzlich gut. «Eine
                                                                                            stärkere Professionalisierung braucht es
                                                                                            aus meiner Sicht nicht, denn sie hat be­
                                                                                            reits früher stattgefunden – durch die Ein­
                                                                                            führung der Schulleitungen», sagt sie. Viel
                                                                                            wichtiger sei eine gute, effi­ziente Arbeits­
                                                                                            teilung. Lang, die selbst FDP-Mitglied ist,
                                                                                            gibt sich als Verfechterin der Milizbehör­
                                                                                            de zu erkennen. Sie befürchtet, dass bei
wollte mein Wissen und meine Erfahrung        riger Prozess» begonnen, verbunden mit        einer Professionalisierung der Schule ein
in die Praxis einbringen.»                    dem Ziel, in der Behörde einen Kultur­        Verlust von Volksnähe droht. Auch beste­
    Durch die Einführung der geleiteten       wandel einzuleiten. Der Start sei geglückt,   he die Gefahr, dass die Schulen nur noch
Schulen hat sich das Aufgabengebiet der       es laufe richtig gut, freut sie sich. «All­   verwaltet würden.
Schulpflege verändert. Hatte sie früher       mählich stellt sich das Bewusstsein ein,
stark in die betrieblich-operativen Abläufe   dass die Schulführung eine gemeinsame         Wichtige Drehscheibenfunktion
eingegriffen, soll sie sich heute vor allem   Aufgabe von Behörde, Verwaltung und           Lang ist sich sehr wohl bewusst, wie sehr
auf die politisch-strategischen Aufgaben      Schulleitungen ist und eine erfolgreiche      sich das System Schule in den vergange­
konzentrieren. Das ist indes nicht in allen   Entwicklung der Schule nur dann gelingt,      nen Jahren verändert hat. «Anders als frü­
Gemeinden gleichermassen der Fall. Als        wenn alle zusammenarbeiten.» Ein gros­        her ist die Schule heute omni­       präsent,
sie ihr Amt angetreten habe, sagt Loretz,     ses Thema seien deshalb auch die Wei­         rechtliche Schritte sind rasch ergriffen.
habe sie in der Behörde zwar viel Engage­     terentwicklung der Organisationsstruktur      Gleichzeitig ist das Schulsystem viel stär­
ment gespürt, doch über strategische Fra­     und die Einführung eines Rektorats. Ziel      ker strukturiert. Das alles stellt die Schu­
gen der Schulentwicklung sei wenig ge­        sei, fundiertere Lösungen erarbeiten zu       len, aber auch die Schulpflegen vor grosse
sprochen worden. Dafür habe man sich          können, Entscheide breiter abzustützen        Herausforderungen.» Entschei­dend ist ge­
stark für die operativen Belange interes­     und dadurch auch das Präsidium und die        mäss Lang deshalb, dass das Zusammen­
                                                                                                                                            Schulblatt Kanton Zürich 2/2019 Volksschule

siert, also für das Kerngeschäft der Schul­   Schulleitungen zu entlasten.                  spiel zwischen Schule, Schulpflege und
leitungen. «Das stimmte für mich nicht.»          «Das Schulpräsidium macht mir gros­       Verwaltung reibungslos klappt. Auf allen
    Als wenige Monate später die Gesamt­      sen Spass», sagt Loretz. «Ich kann viel ge­   Ebenen sei heute sehr viel Fachwissen ge­
erneuerungswahlen anstanden und man           stalten.» Das Amt sei sehr anspruchsvoll,     fragt, der Druck zur Professionalisierung
sich in der Schulpflege Gedanken machte       doch «unter dem Strich halten sich Freu­      sei auch in der Schulpflege spürbar. Die
über den künftigen Kurs, habe sie sich        de und Belastung die Waage». Die Schul­       Schaffung einer zusätzlichen Hierarchie­
entschieden, fürs Schulpräsidium zu kan­      präsidentin und Gemeinderätin hat ein         stufe zwischen Schulleitung und Schul­
didieren. Es kam zur Kampfwahl, die Lo­       Pensum von 35 Prozent, arbeitet nach          pflege könne hier deshalb entlastend wir­
retz schliesslich im 2. Wahlgang vom ver­     eigenen Angaben aber über 90 Prozent.
                                              ­                                             ken, sagt sie.
gangenen Juni mit haushohem Vorsprung         Das Pensum an der PHZH hat sie Anfang             Für die Präsidentin des VSZ ist aber
gewann. Seither ist sie zugleich Mitglied     Jahr deshalb auf 25 Prozent reduziert.        unbestritten, dass die Schulpflege eine
in der neunköpfigen Horgner Exekutive,        «Der Aufwand fürs Schulpräsidium ist          wichtige Drehscheibenfunktion zwischen
dem Gemeinderat.                              enorm und steht in keinem Verhältnis          Schule, Politik und Bevölkerung erfüllt.
    Ihre neue Aufgabe sei sie mit «viel       zur Entschädigung», sagt sie. Eine Profes­    «Zwar ist jede Schulpflege anders organi­
Energie, gesundem Menschenverstand und        sionalisierung der Behörde würde sie be­      siert, doch am Ende verfolgen alle dassel­
grossem Respekt» angegangen, sagt Lo­         grüssen, zumindest brauche es eine breite     be Ziel: eine gute Schule zu haben. Und
                                                                                                                                            23

retz. Tatsächlich habe damals ein «schwie­    politische Diskussion darüber.                genau darum geht es.» 
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