Schulblatt5/2021 Mädchen und MINT - Freude wecken, Selbstvertrauen stärken - Kanton Zürich

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Schulblatt5/2021 Mädchen und MINT - Freude wecken, Selbstvertrauen stärken - Kanton Zürich
Kanton Zürich

Schulblatt
Bildungsdirektion

                                                   5/2021

                        Mädchen und MINT
                    Freude wecken, Selbstvertrauen stärken

                                               Bildungspreis
                                          Margrit Stamm für ihr
                                            Lebenswerk geehrt

                                                      Stafette
                                         In der Klinikschule der
                                          Tagesklinik für Kinder

                                        Begabtenförderung
                                       Der Kulturbon ermöglicht
                                           eine kreative Auszeit
Schulblatt5/2021 Mädchen und MINT - Freude wecken, Selbstvertrauen stärken - Kanton Zürich
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                                         Magazin                                            Fokus:                                                  Volksschule
                                                                                            Mädchen und MINT
                                         4                                                                                                          20
                                         Kommentar                                          12                                                      «Kulturagent.innen»
                                         Bildungsdirektorin Silvia                           Digital Days for Girls                                 Ein Projekt fördert
                                         Steiner über MINT-                                  Weibliche Lernende im                                  das künstlerische Profil
                                         Förderung, die sich auszahlt                        ICT-Bereich machen                                     von Schulen
                                                                                             Sekschülerinnen ihre Berufe
                                         5                                                   schmackhaft                                            22
                                         Im Lehrerzimmer                                                                                            Stafette
                                         Sekundarschule Bubikon                             16                                                      Die Klinikschule der
                                                                                             Im Gespräch                                            Tagesklinik für Kinder
                                         6                                                   Naturwissenschaftsdidakti­
                                         Persönlich                                          kerin Susanne Metzger                                  25
                                         Der ungewöhnliche Weg                               ­erklärt, wie man Mädchen                              In Kürze
                                         der Erziehungswissen­                                für MINT gewinnt
                                         schafterin Margrit Stamm

                                         9
                                         Meine Schulzeit
                                         Reto Lipp, Wirtschaftsjournalist
                                         und Fernsehmoderator
Schulblatt Kanton Zürich 5/2021 Inhalt

                                         Wichtige Adressen                                                   Impressum Nr. 5/2021, 10.12.2021
                                         Bildungsdirektion: www.zh.ch/bi Generalsekretariat: 043 259 23 09   Herausgeberin: Bildungsdirektion Kanton Zürich, Walcheplatz 2, 8090 Zürich Erscheinungs­
                                         Bildungsplanung: 043 259 53 50 Volksschulamt: 043 259 22 51         weise: fünfmal jährlich, 136. Jahrgang, Auflage: 19 000 Ex. Redaktion: jacqueline.olivier@
                                         M                 ­ erufsbildungsamt: 043 259 78 51 Amt für Ju­
                                         ­ ittelschul- und B                                                 bi.zh.ch, 043 259 23 07; pascal.turin@bi.zh.ch, 043 259 23 94; Sekretariat schulblatt@
                                         gend und Berufsberatung: 043 259 96 01 Lehrmittel­verlag Zürich:    bi.zh.ch, 043 259 23 09 Abonnement: ­Lehr­personen einer öffentlichen Schule im Kanton
                                         044 465 85 85 Fachstelle für Schulbeurteilung: 043 259 79 00 Bil­   Zürich können das «­ Schulblatt» in ihrem ­Schulhaus g
                                                                                                                                                                  ­ ratis beziehen (Bestellwunsch an die
                                         dungsratsbeschlüsse: www.zh.ch/bi > Bildungsrat Regierungsrats­     Schulleitung). Bestellung des «Schulblatts» an Privat­adresse s­ owie Abonne­mente für wei­
                                         beschlüsse: www.zh.ch > Organisation > Regierungsrat > Aufgaben     tere Interessierte: a
                                                                                                                                 ­ bonnemente@staempfli.com, 031 300 62 52 (Fr. 40.– pro Jahr) O ­ nline:
                                         und Beschlüsse                                                      www.zh.ch/schulblatt G  ­ estaltung: www.bueroz.ch Druck: www.staempfli.com ­Inserate:
                                                                                                             mediavermarktung@staempfli.com, 031 300 63 87 Re­          daktions- und Inserateschluss
                                         Titelbild: Sophie Stieger                                           nächste Aus­gabe: 27.1.2022 Das ­nächste «Schulblatt» erscheint am: 25.2.2022

                                         Weiterbildungsangebote
                                         Unter den nachfolgenden Links finden Sie zahlreiche Schulungs- und Weiterbildungsangebote für Lehrpersonen, Fachlehrpersonen, Schulbehörden und Schul­
                                         leitende: Volksschulamt: www.zh.ch/bi > Volksschulamt > Aus- und Weiterbildungen Pädagogische Hochschule Zürich: www.phzh.ch > Weiterbildung Unter­
                                         strass.edu: www.unterstrass.edu UZH/ETH Zürich: www.webpalette.ch > Sekundarstufe II > Gymnasium > UZH und ETH Zürich, Maturitätsschulen HfH – Inter­
                                         kantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich: www.hfh.ch > Weiterbildung ZAL – Zürcher Arbeits­gemeinschaft für Weiterbildung der Lehrpersonen
                                         des ­Kantons Zürich: www.zal.ch > Kurse EB Zürich, Kantonale Berufsschule für W     ­ eiterbildung: www.eb-zuerich.ch ZHAW Zürcher Hochschule für
                                         ­Angewandte Wissenschaften, Soziale Arbeit: www.zhaw.ch/sozialearbeit > Weiterbildung > Weiterbildung nach Thema > Kindheit, Jugend und Familie
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Mittelschule                                           Berufs­bildung                                          39
                                                                                                               Amtliches
26                                                     32
Lernnavi                                               Kulturbon                                               44
Neues Unterrichtstool hilft,                           Aussergewöhnliches                                      schule & kultur
Deutsch- und Mathematik-                               Begabungsförderungsprojekt
kenntnisse zu verbessern                               an der Schule für Gestaltung                            46
                                                                                                               Agenda
28                                                     34
Digitale                                               Berufslehre heute
Unterrichtsprojekte                                    Hauswirtschafts-
Satellitengestützte Fern­                              praktiker EBA
erkundung bereichert
den Geografie-Unterricht                               37
                                                       In Kürze
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In Kürze

    Editorial
                                                               In unserer hoch technologisierten Welt mangelt es an Fachkräften. MINT-­
                                                                                                                                                Schulblatt Kanton Zürich 5/2021 Inhalt

                                                               Förderprogramme von öffentlicher und privater Seite sind deshalb en vogue.
                                                               Und immer mehr davon richten sich explizit an Mädchen, denn Frauen sind
     Jacqueline Olivier                                        in naturwissenschaftlich-technischen Berufen teilweise stark untervertreten.
                                                               Die «Schulblatt»-Redaktion wollte wissen, warum dies so ist und wie es gelin-
                                                               gen kann, Schülerinnen für Informatik, Physik oder Mathematik zu begeistern.
                                                               Antworten darauf gibt die Physikerin und Naturwissenschaftsdidaktikerin
                                                               ­Susanne Metzger im persönlichen Gespräch. Für die zahlreichen Angebote,
                                                                von denen Mädchen Gebrauch machen können, stehen die Digital Days for
                                                                Girls der Swisscom. Wir haben uns vor Ort umgesehen und umgehört. Zudem
                                                                stellen wir weitere neue kreative Ansätze der MINT-Förderung vor. So viel ist
                                                                sicher: Junge Frauen, die sich für einen Beruf im Bereich Mathematik, Infor-
                                                                matik, Naturwissenschaften und Technik entscheiden, werden bei der Stellen-
                                                                suche die Qual der Wahl haben. 
                                                                                                                                                3

Die Redaktion freut sich über Reaktionen auf das «Schulblatt»: jacqueline.olivier@bi.zh.ch, pascal.turin@bi.zh.ch
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Kommentar                                                                                                                    renden der Geografie, Biochemie, Mathe-

       MINT-Förderung
                                                                                                                                    matik oder Physik machen inzwischen
                                                                                                                                    knapp 18 Prozent aller Studierenden der
                                                                                                                                    UZH aus (+5 Prozent im Vergleich zu

       zahlt sich aus
                                                                                                                                    2010). Auch an den Gymnasien haben in
                                                                                                                                    den letzten Jahren mehr Jugendliche ein
                                                                                                                                    naturwissenschaftliches Profil gewählt. Auf
                                                                                                                                    diesem Weg müssen wir weitergehen –

       von Silvia Steiner, Bildungsdirektorin                                                                                       und in der Berufsbildung besonders auch
                                                                                                                                    junge Frauen für die zukunftsweisenden
                                                                                                                                    MINT-Berufe begeistern. Schaut man sich
                                                                                                                                    die Zahl der Frauen in diesen Berufsfel-
                                                                                                                                    dern an, gehören sie nämlich ­immer noch
                                          Der Moment, als diesen Sommer ein hefti-                                                  zu einer klaren Minderheit. In der Infor-
                                          ger Gewittersturm über Zürich fegte und                                                   matik beispielsweise ver­harren die Berufs­
                                          grosse Zerstörung anrichtete, bleibt wohl                                                 abschlüsse von Frauen schweizweit seit
                                          vielen noch lange in Erinnerung. Die                                                      über einem Jahrzehnt bei rund 10 Prozent.
                                          Sturmnacht kann auch als Anschauungs-                                                     Das ist bedeutsam, weil in vielen tech­
                                          beispiel für den Unterricht unter dem Ge-                                                 nischen Berufen ein Fachkräftemangel
                                          sichtspunkt «Naturphänomene konkret                                                       herrscht und gleichzeitig der Bedarf an
                                          erleben» dienen. Wir wissen aus der Päda­                                                 Fachkräften in diesem Bereich durch die
                                          gogik, wie bedeutend die praktische Er-                                                   Digitalisierung weiter steigt.
                                          fahrung für das Lernen ist. Bereits Kon­                                                      In Zürcher Schulzimmern werden
                                          fuzius soll gesagt haben: «Erkläre es mir
                                          und ich werde es vergessen. Zeige es mir
                                                                                      «Die Bemühungen                               schon viele verschiedene Ansätze erprobt
                                                                                                                                    und erfolgreich umgesetzt. Und weiterhin
                                          und ich werde mich erinnern. Lass es mich
                                          selber tun und ich werde es verstehen.»
                                                                                        zeigen bereits                              profitieren alle Kinder, wenn engagierte
                                                                                                                                    Lehrpersonen gewaltige Naturereignisse
                                              Junge Menschen für die Welt der Tech­       Wirkung.»                                 wie in diesem Sommer als anschauliches
                                          nik und der Naturwissenschaft, für Infor-                                                 Unterrichtsbeispiel zu nutzen wissen.
                                          matik und für Mathematik, also für die                                                        Ich bin davon überzeugt, dass sich die
                                          MINT-Fächer zu begeistern, ist ein Bil-     Diese Bemühungen auf den verschie-            gemeinsamen Anstrengungen in der MINT-
                                          dungsziel, das wir im Kanton Zürich schon   densten Ebenen zeigen nun Wirkung. An         Förderung positiv bemerkbar machen. Ei-
                                          seit Längerem verfolgen. Es gibt zum Bei-   den Hochschulen gibt es eine deutliche        nes wissen wir schon heute mit Sicher-
                                          spiel Programme an Mittelschulen, die       Zunahme der Studierenden in diesem Be-        heit: Junge Menschen wählen ihren Beruf
                                          das Interesse an MINT-Fächern insbeson-     reich. Allein an der Universität Zürich ist   oder ihre Ausbildung auch unter Berück-
                                          dere bei Mädchen wieder wecken sollen.      die Zahl der Studierenden an der Mathe-       sichtigung des sozialen Umfeldes, der Ar-
                                          Mit dem Projekt Gymna­sium 2022 erfolgt     matisch-naturwissenschaftlichen Fakultät      beitssituation und der Begeisterungsfähig­
                                          die Stärkung der MINT-Fächer auch for-      in den vergangenen zehn Jahren um die         keit der Lehrenden und Ausbildner. Und
                                          mell. Ganz unab­hängig davon haben mit      Hälfte gestiegen (2010: 3228 Studierende,     Mathematik, Informatik, Naturwissen-
                                          dem Lehrplan 21 MINT-Fächer an der          2020: 4877 Studierende). Auch anteilsmäs­     schaften und Technik sind genauso Mäd-
                                          Volksschule mehr Gewicht erhalten.          sig ist die Fakultät gewachsen: Die Studie-   chensache wie Bubensache. 
Schulblatt Kanton Zürich 5/2021 Magazin

                                                                                                                                                    Mein
                                                                                                                                                    Traumschulhaus
                                                                                                                                                    Noel (6),
                                                                                                                                                    1. Klasse,
                                                                                                                                                    Primarschule
                                                                                                                                                    Otelfingen
4
Schulblatt5/2021 Mädchen und MINT - Freude wecken, Selbstvertrauen stärken - Kanton Zürich
Im Lehrerzimmer

            Sekundarschule Bubikon
          Wo Lehrpersonen aus Alt- und Neubau aufeinandertreffen
                                                                                                                     Fotos: Marion Nitsch

                                                                                                                                       Schulblatt Kanton Zürich 5/2021 Magazin

 In der Mitte des Gebäudes kommen die Lehrpersonen aus dem Alt- und dem Neubau in den Pausen und zu Sitzungen zusammen.
Nicht ein, sondern zwei Räume bilden zusammen das Lehrerzimmer, ein Arbeitsraum gehört auch dazu. Ein alter massiver Werk-
tisch aus Holz im grossen Raum mit zwei Küchenfronten dient dem Team je nach Bedarf als Küchentisch oder Stehbar. Kaffee
und weitere Getränke werden von der Schulpflege gespendet. Die grosse Terrasse mit Blick ins Grüne ist der Treffpunkt an
­wärmeren Tagen. Zwei Gasgrills verraten, wozu sie ausser zum Luftschnappen sonst noch benutzt wird. Von den 200 Schülerinnen
 und Schülern der Sekundarschule Bubikon kommt fast die Hälfte aus Wolfhausen – die beiden Dörfer sind eine Gemeinde. A-, B-
 und C-Schüler werden in gemischten Klassen unterrichtet, auf Niveaufächer wird verzichtet. Der Klassenzusammenhalt sei stark,
 sagt Schulleiter Peter Brandt, die Herausforderung für die 30 Lehrpersonen aber gross. 120 bis 140 Kilometer pro Tag radeln die
 Drittklässler auf der jährlichen freiwilligen Veloreise bis nach Saintes-Maries-de-la-Mer in der Camargue. Im Freifach «Event­
 management» wird von den Drittklässlern jeweils das Frühlings- und das Abschlussfest organisiert. [jo]
                                                                                                                                      5
Schulblatt5/2021 Mädchen und MINT - Freude wecken, Selbstvertrauen stärken - Kanton Zürich
Persönlich                                                                                                                       doch an der Uni zu studieren, öffnete ihr

       Grande Dame
                                                                                                                                        aber schliesslich die entscheidende Tür.
                                                                                                                                        «Ich selbst hätte mir dies nicht zugetraut.»
                                                                                                                                            Ein Jahr lang studierte sie Psychologie,

       der Pädagogik
                                                                                                                                        anschliessend Erziehungswissenschaften.
                                                                                                                                        «Damit habe ich meine Berufung gefun-
                                                                                                                                        den.» Ihre Dissertation schrieb sie über
                                                                                                                                        Hochbegabungsförderung an Schweizer

       Die Erziehungswissenschafterin                                                                                                   Volksschulen, damals noch ein Tabuthe-
                                                                                                                                        ma. «In den Kantonen stiess ich mit mei-
       Margrit Stamm wurde mit dem Bildungs-                                                                                            nen Recherchen teilweise auf Widerstand.

       preis der PH Zürich ausgezeichnet.                                                                                               Erst als ich fragte, was man mit unterfor-
                                                                                                                                        derten Kindern machte, bekam ich Ant-
                                                                                                                                        worten.» Unterforderte Kinder – heute ein
       Text: Jacqueline Olivier Foto: Raffael Waldner
                                                                                                                                        weiteres Schlüsselthema ihrer Forschung.

                                                                                                                                        Tanzen als Ausgleich
                                                                                                                                        Nach mehreren Jahren, in denen sie als
                                                                                                                                        Dozentin an verschiedenen Hochschulen
                                                                                                                                        unterrichtete, war es der bekannte P    ­ äda-
                                          Für das eigene Lebenswerk geehrt zu           jungen Mann aus einer bildungsnahen             goge und Professor Fritz Oser, der sie an
                                          werden, dürfte für eine emeritierte Pro-      Familie, wurde Mutter. Und legte eine acht­     die Universität Freiburg einlud. «Er wurde
                                          fessorin eher ungewöhnlich sein. Umso         jährige Familienpause ein. Das sei für sie      mein Mentor und setzte mir in den Kopf,
                                          mehr hat sich Margrit Stamm gefreut, als      nicht nur einfach gewesen. «Ich verspürte       ich sollte doch habilitieren.» Was sie 2004,
                                          ihr Ende Oktober der diesjährige Bil-         immer den Drang nach mehr, wusste aber          mit über 50, tat. Ein grosser Schritt für sie,
                                          dungspreis der Pädagogischen Hochschu-        nicht, was aus mir noch werden sollte.»         wie sie sagt. 2011 gründete sie das Zent-
                                          le Zürich explizit unter dieser Prämisse      Für ihre Kinder sei es sicher von Vorteil       rum für frühkindliche Bildung, ein Jahr
                                          überreicht wurde. Denn ihre Forschung         gewesen, dass sie in den ersten Jahren zu       später wurde sie emeritiert – vorzeitig und
                                          hat die Erziehungswissenschafterin nie        Hause war, meint sie. «Mein Mann und ich        auf eigenen Wunsch. Die zeitliche Belas-
                                          im Elfenbeinturm betrieben, wie sie sel-      hatten keinen Stress, beide gleichzeitig        tung war zu hoch geworden. Seither ma-
                                          ber sagt. An der Preisverleihung sei dies     unsere Karrieren vorantreiben zu müssen.»       che sie nur noch das, was sie gern mache.
                                          erwähnt worden. Und ebenso, dass sie          Noch ein Thema, das sie heute beschäf-          «Ich habe den schönsten Beruf der Welt.»
                                          keinen geradlinigen Bildungsweg gegan-        tigt. «Als Paar müsste man eine Lebens-         Und das heisst für sie, an dem von ihr ge-
                                          gen sei. «Das hat mich auch sehr gefreut.»    planung vornehmen und die eigenen Kar-          gründeten und geleiteten Forschungsins-
                                               Wobei wir bei einer ihrer wichtigsten    riereschritte abwechselnd angehen, so-          titut Swiss Education ihrer wissenschaft-
                                          Botschaften wären: Auch mit einem nicht       dass sich immer ein Elternteil zugunsten        lichen Arbeit nachzugehen, in der sie
                                          linearen Bildungsweg kann man seine           der Familie etwas zurücknehmen könnte.»         auch mit 71 noch immer völlig aufgeht.
                                          Ziele erreichen. «Heute ist der Druck         Wenn immer beide alles gleich­zeitig er-             Was ist es, was sie antreibt? «Die Ab-
                                          gross, dass man schon in jungen Jahren        reichen wollten, nützten die besten Kitas       weichung von der Norm interessiert
                                          möglichst viel erreicht haben muss», sagt     nichts. Den Stress der Eltern zu spüren,        mich.» Auch der Begriff «Chancengerech-
                                          sie und hält gleich dagegen: «Nein! Man       sei für Kinder belastender, als wenn            tigkeit» fällt im Gespräch öfter. Diese
                                          muss einfach stets neugierig und hartnä-      Mama und Papa wenig zu Hause seien.             funktioniere nach wie vor nicht. Mehr be-
                                          ckig bleiben.» Und ja, Margrit Stamm                                                          gabten Kindern aus Arbeiter- und Mig-
                                          weiss genau, wovon sie spricht. Dass sie      Mit über 30 an die Uni                          rantenfamilien den Weg ans Gymnasium
                                          heute als «Grande Dame der Pädagogik»         Margrit Stamm hatte ihre eigene Karriere        zu ebnen, ist für Margrit Stamm eine Her-
                                          gilt, wie es in der Medienmitteilung der      nicht geplant, jedenfalls nicht so, wie sie     zensangelegenheit. Natürlich könne man
                                          PH Zürich hiess, wurde ihr nicht in die       schliesslich verlief. Sie habe das Glück ge-    heute dank des durchlässigen Bildungs-
                                          Wiege gelegt. Als Tochter einer Arbeiter-     habt, immer wieder auf Menschen getrof-         systems auch später noch durchstarten.
                                          familie im Kanton Aargau stiess sie mit       fen zu sein, die ihr den Rücken gestärkt        «Aber das darf keine Ausrede sein.» Auf
                                          ihrem Wunsch, Lehrerin zu werden, zu          hätten. Allen voran ihr Mann, Arzt mit ei-      der anderen Seite liessen heute manch
                                          Hause zunächst auf taube Ohren. «Bil-         gener Praxis. Als sie mit über 30 beschloss,    gut situierte Eltern nicht locker, bis sie für
                                          dung hatte bei uns einen eher schweren        ein Studium in Angriff zu nehmen, habe          ihr Kind die Diagnose Hochbegabung er-
                                          Stand.» Rückblickend meint sie, ihre          er sie «uneingeschränkt unterstützt». Dies      hielten. «Sie ist zu einem Statussymbol ge-
Schulblatt Kanton Zürich 5/2021 Magazin

                                          Eltern hätten wohl Angst gehabt, ihre
                                          ­                                             sei damals, in den 1980er-Jahren, nicht         worden.» Entscheiden über eine akademi-
                                          Tochter könnte sich von ihnen entfernen.      selbstverständlich gewesen. «Die Frau ge-       sche Ausbildung sollten aber ausschliess-
                                          Und sie schlägt gleich den Bogen zu ihrem     hörte zur Familie oder bestenfalls in die       lich Neigungen und intellektuelle Fähig-
                                          jüngsten Forschungsprojekt. Dieses be-        Praxis ihres Mannes. Ich war immer nur          keiten, lautet ihr unumstössliches Credo.
                                          schäftigt sich mit Kindern aus Arbeiter­      die Frau Doktor.» An der Universität Zü-             Sie selbst achtet mittlerweile mehr auf
                                          familien, die es ins Gymnasium geschafft      rich sei sie jedoch gut aufgenommen wor-        ihre Work-Life-Balance, auf die sie stolz
                                          haben. «Obwohl sich die Zeiten geändert       den. «Für mich war es eine wunderschöne         ist. «Das jetzt sind meine besten Jahre»,
                                          haben, gibt es immer noch viele Eltern,       Zeit. Ich war wie ein Schwamm, habe alles       erklärt sie. Im Element fühlt sie sich bei-
                                          die gegenüber einer höheren Bildung           aufgesogen.» Dabei hatte sie eigentlich         spielsweise beim Tanzen, sei es beim Ge-
                                          skeptisch sind, und junge Menschen, die       vorgehabt, am C.G.-Jung-Institut eine Aus-      sellschaftstanz mit ihrem Mann, sei es
                                          es mit ihren Ambitionen in der Familie        bildung in Kinderpsychologie zu absolvie-       beim Ballett, mit dem sie vor fünf Jahren
                                          schwer haben.»                                ren. Doch nach dem Assessment, auf das          angefangen hat. Natürlich mache sie kei-
                                               Ihr Traum wurde schliesslich doch        sie sich lange vorbereitet hatte, teilte man    nen Spitzentanz, «aber das Training ist
                                          Wirklichkeit: Sie absolvierte das Lehrer-     ihr mit, sie sei dafür noch nicht reif genug.   wunderbar, man lernt den eigenen Körper
                                          seminar in Aarau, unterrichtete sechs Jah-    In jenem Moment sei für sie eine Welt zu-       kennen. Und es ist eine gesundheitliche
                                          re lang als Primarlehrerin, heiratete einen   sammengebrochen. Der Rat, stattdessen           Altersvorsorge.» 
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Schulblatt5/2021 Mädchen und MINT - Freude wecken, Selbstvertrauen stärken - Kanton Zürich
In der Erziehungswissen-
schaft hat Margrit Stamm
ihre Berufung gefunden.
Nun wurde die emeritierte
Professorin der Universität
Freiburg für ihr Lebens-
werk ausgezeichnet.

                              Schulblatt Kanton Zürich 5/2021 Magazin
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Finanzkompetenz
                                  spielerisch
                                  vermitteln

                                  FinanceMission World
                                  Das eLearning-Angebot
                                  für die Sekundarstufe I

                                  • Entwickelt von Lehrpersonen
                                  • Digital und pfannenfertig
                                  • Individuell auf das Niveau der
                                    Schüler*innen anpassbar
                                  • Entspricht dem Lehrplan 21

                                  Infos und Musterlektionen auf:
                                  www.financemission.ch
Schulblatt Kanton Zürich 5/2021
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Schulblatt5/2021 Mädchen und MINT - Freude wecken, Selbstvertrauen stärken - Kanton Zürich
Welche Schulreise ist Ihnen speziell                                                                                   Meine Schulzeit

                                                        «Ich hatte gute
in Erinnerung und warum?
Eine Schulreise führte in den 1970er-­
Jahren zu den Burgen ins Bündnerland.

                                                     Noten im Aufsatz»
Weniger die Burgen sind mir in Erinne-
rung geblieben als ein Klassenkamerad,
der auf der ganzen Reise immerzu den
damals aktuellen Hitparadenhit «It’s a
Heartache» von Bonnie Tyler sang. Schon
komisch, dass einem das auch mehr als
                                                             Fünf Fragen an Reto Lipp, Wirtschafts­
30 Jahre später noch in Erinnerung ist.                           journalist und Fernsehmoderator
Während sonst alles hinter dem Schleier
des Vergessens verschwunden ist.
     Welche Lehrperson werden Sie
nie vergessen?
Meinen Sekundarlehrer Schranz: Er war
ein Mann von Prinzipien und gnaden­
losem Drill. Dass ich heute noch französi-
sche Verben vor- und rückwärts konjugie-         dabei geht es doch immer um einen selbst.
ren kann, habe ich nur ihm zu verdanken.         Gelernt habe ich vor allem einiges über
Damals habe ich das natürlich gehasst,           mich – dass ich beispielsweise gut im
heute weiss ich, dass «üben, üben, üben»         Kommunizieren und schlecht in mathe-
ein Prinzip ist, das hilft, eine ge­ wisse       matischen Fächern bin. Und ich habe ge-
Meisterschaft in einem Fach zu erreichen.        lernt, dass man immer dann erfolgreich
     Welches war Ihr liebstes Fach               ist, wenn man etwas mit Leidenschaft und
und weshalb?                                     Engagement macht. Sonst sollte man es
Deutsch und Geschichte waren schon               gleich lassen.
­immer meine Lieblingsfächer – später die             Was hat Ihnen in der Schule
 Sprachen Französisch und Englisch. Ich          gar nicht gefallen?
 hatte stets gute Noten im Aufsatz und           In den 1970er-Jahren gab es den Begriff
 habe mich immer gemeldet, wenn es galt,         «Mobbing» noch nicht, aber es gab zwei
 etwas vorzulesen. Obwohl ich eigentlich         ­Typen in oberen Klassen, die sich gerne
                                                                                                     Reto Lipp (61) studierte Ökonomie an der
 schüchtern war. Manchmal denke ich, be-          mal an den Kleinen «abgearbeitet» haben,           Universität Zürich und stieg parallel dazu
 ruflich mache ich heute immer noch das           sprich, sie haben sie gemobbt. Dieses              beim ­damaligen Lokalsender Radio Z in
                                                                                                     den Journalismus ein. Nach Stationen bei
 Gleiche wie in der Schule. Ich präsentiere       ohn­ mächtige Gefühl, als Kleiner von              der «Handelszeitung», dem Anlegermagazin
 Themen und Texte, jetzt einfach am TV.           ­Grösseren bedrängt zu werden, war eine            «Stocks» und der UBS wurde er 2007 Mode-
                                                                                                     rator von «Eco», dem Wirtschaftsmagazin
     Was haben Sie in der Schule                   der schlechtesten Erfahrungen in meiner           des Schweizer Fernsehens. Seit August 2021
 fürs Leben gelernt?                               gesamten Schulzeit. Glücklicherweise war          präsentiert er mit «Eco Talk» die neue
                                                                                                     ­Wirtschafts-Talkshow. Daneben moderiert
 Leider hat man als Schüler oft das Gefühl,        der Spuk nach einem Klassenwechsel                 er «SRF Börse» und ist öfter präsent in der
 man lerne für den Lehrer oder die Noten,          vorbei.                                            «Tagesschau» und in «10 vor 10».

Bildungs-Slang
Ruedi Widmer, Cartoonist, interpretiert Begriffe aus Bildung und Schule – diesmal: Lernarchitektur
                                                                                                                                                    Schulblatt Kanton Zürich 5/2021 Magazin
                                                                                                                                                    9
Schulblatt5/2021 Mädchen und MINT - Freude wecken, Selbstvertrauen stärken - Kanton Zürich
10   Schulblatt Kanton Zürich 5/2021 Fokus
Fokus

Mädchen
und MINT
   Fotos: Sophie Stieger hat die Digital Days for Girls besucht.

                                                             Schulblatt Kanton Zürich 5/2021 Fokus
                                                             11
Die Mediamatik-Lernende Nadja Schuler hat die Digital Days for Girls mitorganisiert und die Schülerinnen drei Tage lang begleitet.

                                        Digital Days for Girls                                                                             Mehrere gestanzte Platten mit winzigen

                                        Mädchen
                                                                                                                                           Erhebungen, legoartige Kunststoffteil-
                                                                                                                                           chen, Schrauben, Drähte, Lämpchen und
                                                                                                                                           ein Gewirr von feinen Kabeln in allen Far-

                                        für ICT-Berufe
                                                                                                                                           ben: Beim Blick in die geöffnete schwarze
                                                                                                                                           Kiste präsentiert sich Laien ein ziemlich
                                                                                                                                           rätselhaftes Bild. Doch genau das aus­

                                        ­gewinnen
                                                                                                                                           geklügelte Zusammenspiel dieser zahl­
                                                                                                                                           reichen technischen Elemente erlaubt
                                                                                                                                           unseren unentbehrlich gewordenen Ar-
                                                                                                                                           beits- und Spielgeräten wie Handys oder

                                        MINT-Förderprogramme haben                                                                         Tablets, all die erstaunlichen Funktionen
                                                                                                                                           auszuüben. Wie die meisten Menschen
                                        zurzeit Konjunktur. Diverse richten                                                                haben auch die acht Mädchen im Schu-

                                        sich zudem explizit an Mädchen.                                                                    lungsraum wohl noch nie gewagt, ihren
                                                                                                                                           Computer zu öffnen und sich das Innen­

                                        So will etwa die Swisscom mit den                                                                  leben anzuschauen. «Das sieht kompli-
                                                                                                                                           ziert aus», sagt Sara. «Es ist spannend zu
                                        ­Digital Days for Girls den Frauen­                                                                erfahren, wo die Daten gespeichert wer-
Schulblatt Kanton Zürich 5/2021 Fokus

                                         anteil im Computerbereich erhöhen.                                                                den und wie das alles funktioniert.»
                                                                                                                                                Ende Oktober hat die Swisscom in
                                         Das Konzept: Weibliche Lernende                                                                   ­Zürich die Digital Days for Girls durch­
                                                                                                                                            geführt, die seit 2012 jährlich in verschie-
                                         ­bringen Sekundarschülerinnen                                                                      denen Schweizer Städten stattfinden.

                                          ihre Berufe näher.                                                                                Während dreier Tage stellt sie Sekundar-
                                                                                                                                            schülerinnen ihre ICT-Ausbildungen vor:
                                                                                                                                            Informatikerin, Mediamatikerin, ICT-
                                        Text: Andrea Söldi
                                                                                                                                            Fach­frau und Interactive Media Designe-
                                                                                                                                            rin. Damit will die Telecom-Firma den
                                                                                                                                            Frauen­anteil erhöhen in diesen Berufen,
                                                                                                                                            die immer noch stark männlich dominiert
                                                                                                                                            sind. Mittlerweile sind bei der Swisscom
                                                                                                                                            gut ein Viertel der knapp 500 ICT-Ler­
12

                                                                                                                                            nenden Frauen – Tendenz leicht steigend.
Informatikerin Alice Gregus (rechts) erklärt Sara das Innenleben eines Computers.

In der Mediamatik und im Interactive
­Media D­ esign, die einen hohen gestalte­
 rischen Anteil aufweisen, sind Frauen
                                             «Mint & Pepper» fördert Nachwuchs
 besser vertreten als etwa in der Infor­     Sie lernen, wie man einen Roboter zum Tanzen bringt, oder erleben die Faszina-
 matik, bei der es hauptsächlich um den      tion der Elektrotechnik: «Dance-Bots» und «Magic Cube» sind nur zwei Kurse
 Aufbau und Betrieb der Netzwerke und        von «Mint & Pepper» für Schülerinnen und Schüler. Entstanden ist dieses Ange-
 Serversysteme geht. Frauen würden bei       bot an der ETH Zürich. Erste Pilotprojekte an Schulen starteten im Jahr 2011.
 der Bewerbung aber nicht bevorzugt, um      Seit 2018 ist man als Nachwuchsförderungsprojekt Teil von Wyss Zurich, einem
 die Quote zu e
              ­ rhöhen, versichert Medien-   Start-up-Förderer von ETH und Universität Zürich. Finanziell ermöglicht wurde
 sprecherin ­ Sabrina Hubacher: «Aus-        der Aufbau von Wyss Zurich durch den Unternehmer und Mäzen Hansjörg Wyss.
 schlaggebend ist das persönliche Rekru-     «Mint & Pepper» hat zum Ziel, Kinder und Jugendliche für die MINT-Fächer,
 tierungsgespräch.» Auf jährlich 160 aus-    also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, zu begeistern.
 geschriebene ICT-Lehrstellen gehen in       «Wir richten uns an Schulen, aber auch an Vereine oder Freizeitangebote», sagt
 der Regel etwa 2500 Bewerbungen ein.        Projektleiterin Hanna Behles. Im Projekt «Magic Cube» lernen Schülerinnen
                                             und Schüler beispielsweise, was eine elektronische Schaltung ist, wie Energie
Von Lernenden organisiert                    umgewandelt, verteilt und gespeichert wird. Die Kinder und Jugendlichen ar­
Die Digital Days for Girls werden laut       beiten in Zweierteams an unterschiedlichen Aufgabenstellungen, etwa an einem
Sabrina Hubacher oft von Schülerinnen
­                                            kleinen Elektroauto, das, von Solarstrom angetrieben, eine definierte Strecke
besucht, die sich grundsätzlich für die      ­abfahren soll. Angeleitet werden sie von MINT-Studierenden. «Es geht nicht
                                                                                                                                               Schulblatt Kanton Zürich 5/2021 Fokus

vorgestellten ICT-Berufe interessieren. Es    nur darum, zu programmieren. Wir wollen einen sinnvollen Einsatz der Technik
hätten jedoch durchaus schon Mädchen          zeigen», erklärt Behles. Die Kurse können gemischt oder geschlechtergetrennt
teilgenommen, die eigentlich mit einer        durchgeführt werden.
kaufmännischen Ausbildung oder ande-          Der Testlauf zum Angebot «Magic Cube» fand mit einer Schulklasse am Mathe­
ren Berufen liebäugelten, sich aber einen     matisch-Naturwissenschaftlichen Gymnasium Rämibühl statt. «‹Magic Cube› ist
Überblick über weitere Optionen ver-          ein cooles Projekt, um Jugendliche für die MINT-Fächer zu begeistern», sagt
schaffen wollten. Ihre Teilnahme findet       Physiklehrerin Axelle Krayenbühl. Es sei sehr gut durchdacht. Von den Anforde-
in der Regel im Rahmen des Berufswahl-        rungen eigne es sich für die Sekundarschule und die gymnasiale Unterstufe.
prozesses statt, die drei Tage gelten oft     Auch die Schülerin Felicita Rasscevska empfand die Zusammenarbeit mit Leuten
als Schnuppertage. Einige Schülerinnen,       von der ETH sehr interessant: «Es hat uns Spass gemacht, die Aufgaben zu lösen,
erzählt die Mediensprecherin, gäben zum       weil alles verständlich war und wir in gutem Tempo vorankamen.» Für sie sei
Schluss den Verantwortlichen einen Be-        der Höhepunkt gewesen, dass sie «Magic Cube» zu viert im Rahmen der Schwei-
urteilungsbogen zum Ausfüllen ab, um ihn      zer Digitaltage 2020 im Livestream hätten vorstellen dürfen. [pat]
in der Schule vorweisen zu können. Eini-      www.mintpepper.ch
                                                                                                                                               13

ge Schulen machten die Schülerinnen                                                                                                        
Mit der Rundum-Kamera fangen die Schülerinnen ungewohnte Bilder ein. Alyssa, Julia und
                                        Emma (von links) haben sie bei der Tramhaltestelle Toni-Areal auf dem Perron platziert.

                                                                                                                                  auch aktiv auf das Angebot aufmerksam

                                          «It’s MINT» sucht noch Partner­schulen                                                  und motivierten sie dazu, davon Gebrauch
                                                                                                                                  zu machen.
                                          Mädchen sollen fernab von Geschlechterstereotypen mit den Themen Mathe­                     Besonders ansprechend für die Schü-
                                          matik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – kurz: MINT – vertraut              lerinnen: Von der Organisation bis zur
                                          ­gemacht werden. Das Projekt «It’s MINT» wurde im Sommer lanciert und spricht           Durchführung werden die Digital Days
                                           Schülerinnen von der 3. bis 6. Klasse an. Angeboten werden die freiwilligen            for Girls vollumfänglich von weiblichen
                                           ­Kurse von der Fachstelle Jumpps (Jungen- und Mädchenpädagogik, Projekte für           Lernenden gestaltet, mit Unterstützung
                                            Schulen). Jeder Kurs wird laut der Fachstelle von einer geschulten MINT-Stu-          einer ausgebildeten Fachfrau. Die Ler-
                                            dentin oder einer Frau aus einem MINT-Beruf betreut. Die Mädchen erhalten             nenden stellen den Schülerinnen ihren
                                            von weiblichen Vorbildern auf eine spielerische Art Zugang zu MINT-Themen.            Berufsalltag vor und beantworten ihre
                                            Sie dürfen experimentieren und selber kleine Forschungsprojekte durchführen.          Fragen. Zudem dürfen die Teilnehmerin-
                                            So haben die Teilnehmerinnen eines Kurses beispielsweise mit Salzteig einen           nen selber Hand anlegen: Sie erstellen
                                            Stromkreislauf erstellt und LED-Lämpchen zum Leuchten gebracht. Das Ziel ist,         eigene Videos, fotografieren, gestalten
                                                                                                                                  ­
                                            dass die Mädchen Spass haben und ihr Interesse geweckt wird. Vielleicht wird          eine Website und machen erste Gehver-
                                            aus einigen dann später eine Informatikerin oder eine Naturwissenschafterin.          suche im Programmieren. Weiter gibt es
                                            Projektleiterin Franziska Schwab ist mit dem Start zufrieden. «Aktuell laufen         einen Bewerbungsworkshop, in dem sie
Schulblatt Kanton Zürich 5/2021 Fokus

                                            zwölf Kurse, die meisten davon im Kanton Zürich», sagt sie. Aber auch in Basel        Tipps und Tricks erhalten.
                                            seien Schulen dabei. «It’s MINT» ist vorerst bis Ende 2022 angelegt und wird              Im Schulungsraum greift Alice Gregus
                                            von der Pädagogischen Hochschule Bern evaluiert. Schwab ist aber optimistisch,        nun in die offene Kiste und nimmt eine
                                            dass die Kurse über das nächste Jahr hinaus angeboten werden können.                  kleine Platte heraus. «Das ist der Haupt-
                                            Für kommendes Jahr werden weitere Partnerschulen gesucht, die bereit sind,            prozessor», erklärt die Informatikerin, die
                                            sogenannte MINT-Treffs durchzuführen. Ein Kurs besteht jeweils aus zehn               selber vor 21 Jahren bei der Swisscom als
                                            ­Terminen à 90 Minuten, die ausserhalb der regulären Schulzeiten stattfinden.         Mediamatik-Lernende begonnen hat. «Es
                                             Die Planung erfolgt gemeinsam mit den Schulen. Diese bestimmen zusammen              ist sozusagen das Herzstück jedes Com-
                                             mit der Fachstelle die Rahmenbedingungen.                                            puters. Darüber laufen alle Rechenauf­
                                             Gefördert wird «It’s MINT» vom Eidgenössischen Büro für Gleichstellung von           gaben.» Weiter zeigt Gregus den Mädchen
                                             Frau und Mann sowie von der Werner-Siemens-Stiftung. Interessierte können            die Festplatte, auf der die Daten nach dem
                                             sich direkt bei Projektleiterin Franziska Schwab unter f.schwab@jumpps.ch            Herunterfahren des Computers abgespei-
                                             melden. [pat]                                                                        chert werden, sowie den Arbeitsspeicher –
                                           www.jumpps.ch                                                                         ein etwa 15 Zentimeter langer Streifen,
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                                                                                                                                  der ein wenig wie ein Massstab aussieht.
Darauf würden die aktuell ausgeführten
Programme sowie die Daten vorüberge-
hend gespeichert, erklärt Gregus. «Etwa so
                                                Geschlechtergetrennter Unterricht
wie im Kurzzeitgedächtnis des Gehirns.»         an der Kantonsschule Büelrain
Anschliessend gibt es ein Hardware-Quiz,        Naturwissenschaften und Technik vereint: «NaTech» nennt sich das Fach,
bei dem eine Packung Schokolade zu ge-          ­welches an der Kantonsschule Büelrain Winterthur (KBW) seit 2015 im ersten
winnen ist. Eine Frage lautet zum Beispiel:      Jahr des Kurzzeitgymnasiums auf dem Stundenplan steht. Es hat zum Ziel, das
Welche physische Verbindung ist aktuell          Interesse der Schülerinnen und Schüler an den Naturwissenschaften zu fördern.
die universellste? Die meisten Mädchen           Generell sollen mit dem Fach «NaTech» positive Erfahrungen ermöglicht wer-
tippen richtig: der USB-Anschluss.               den. Ausserdem haben Schülerinnen und Schüler aus der Sekundarschule und
                                                 solche aus dem Untergymnasium teilweise recht unterschiedliches Vorwissen.
Mit Rundum-Kamera unterwegs                      Sie können darum in Lerngruppen passende Aufgaben wählen. Speziell ist, dass
Unterdessen darf die andere Hälfte der           Mädchen und Jungen separat in Halbklassen unterrichtet werden. «Die Mädchen
Teilnehmerinnen mit einer 360-Grad-­             sollen nicht in ihre geschlechtertypischen Rollen zurückfallen», sagt Christina
Kamera experimentieren. Auf dem Kopf             Nef. Sie ist die MINT-Koordinatorin (Mathematik, Informatik, Naturwissen­
des handgrossen Geräts sind drei runde,          schaften und Technik) an der KBW. Häufig übernähmen die Jungen das Experi-
gewölbte Linsen angebracht, die in ver-          mentieren, während die Mädchen alles feinsäuberlich aufschreiben würden.
schiedene Richtungen zeigen und Ansich-          ­Sogenannter monoedukativer Unterricht im Chemie- oder Physikpraktikum
ten gleichzeitig von vorne, hinten und            stärke das Selbstbild bezüglich der eigenen Fähigkeiten. «Mädchen gehen an-
oben abbilden. 360-Grad-Kameras kom-              ders an Themen heran, wenn sie unter sich sind», erklärt Nef. Die praktischen
men zum Beispiel bei Aufnahmen eines              Aufgaben hätten immer einen Alltagsbezug, zum Beispiel die Untersuchung
Areals oder von Gebäudeinneren zum                der Wasserqualität des Flusses Töss und ein Vergleich mit jener eines Bachs.
Einsatz. Betrachter können danach mit             Doch trotz des geschlechtergetrennten Unterrichts: Ein direkter Effekt auf das
der Maus oder einer VR-Brille navigieren          Interesse der Mädchen an Naturwissenschaften und Technik konnte bis jetzt
und sich um die eigene Achse drehen, wie          nicht nachgewiesen werden. «Ein Erfolg ist es schon, wenn die Schülerinnen
wenn sie mittendrin stehen würden.                nicht die Lust verlieren, bevor sie dann ab dem zweiten Jahr den regulären
    Julia, Emma, Kylee und Alyssa haben           MINT-Unterricht besuchen», sagt die Biologielehrerin.
ihre Kamera bei der Tramhaltestelle Toni-         Von der Akademie der Wissenschaften Schweiz hat die KBW – als erstes reines
Areal auf dem Perron platziert. Auf dem           Wirtschaftsgymnasium – das Label «MINT-aktives Gymnasium» erhalten. Mit
Bildschirm des Smartphones beobachten             der Auszeichnung sollen auch Kantonsschulen ohne mathematisch-naturwissen­
sie, wie das Tram heranfährt, die Leute           schaftliches Profil zur Förderung der MINT-Fächer motiviert werden. [pat]
aussteigen und die Gleise überqueren.
Die beiden Bilder zeigen das Tram zuerst
von der einen und dann von der anderen
Seite. Durch die runden Linsen ergibt sich    in Frage. In diesem Beruf geht es haupt-     seln halbjährlich in ein anderes Team und
ein ungewohnt verzerrtes Bild: Riesen-        sächlich um das Entwickeln interaktiver      arbeiten an verschiedenen Projekten für
grosse Schuhe und Hosenbeine an klei-         digitaler Kommunikationsmittel. «Dabei       Kunden mit. Sie verbringe viel Zeit am
nen Körpern mit noch kleineren Köpfen         kommt man auch mit anderen Leuten in         Computer, erzählt die junge Frau, k ­ önne
bewegen sich von der Kamera weg und           Kontakt», weiss Alyssa. «Man teilt Ideen     aber auch immer wieder an externe An-
auf sie zu.                                   und tauscht sich aus.» Dieser Aspekt ist     lässe gehen, um zu filmen und zu foto­
                                              ihr wichtig. In Betracht gezogen hat sie     grafieren. Die Berufsschule besucht Nadja
Gern am Computer                              zuvor auch eine Lehre als Konditorin.        Schuler in Biel. In ihrer Klasse sind im-
«Oh my God», entfährt es Kylee. «Das          Doch wegen der frühen Arbeitszeiten und      merhin ein Drittel Frauen.
sieht ja cool aus.» Die 3.-Sek-Schülerin      der spärlichen sozialen Kontakte ist sie         Zur Auflockerung steht am Ende des
aus Glattfelden möchte am liebsten Me­        wieder von dieser Idee abgekommen.           Morgens noch ein Powerpoint-Karaoke
diamatikerin lernen. Der Beruf beinhaltet                                                  auf dem Programm: In Gruppen müssen
das Aufbereiten von Inhalten für elektro-     Abwechslungsreicher Beruf                    die Mädchen aus dem Stegreif möglichst
nische und andere Medien – etwa Bilder,       Nach zwei Stunden versammeln sich alle       humorvoll zu einer vorgefertigten Power-
Tonaufnahmen, Videos und Texte – sowie        wieder im selben Raum und schauen            point-Präsentation referieren – etwa zu
das Gestalten und Pflegen von Websites.       sich die entstandenen 360-Grad-Filme an.     Themen wie Fische, Formel-1-Rennen
«Der Job ist vielfältig und kreativ», fin-    Rund um das Swisscom-Gebäude sind die        oder Informatik. Sara erklärt zum Bei-
det Kylee. Lange Stunden vor dem Bild-        verschiedenen Gruppen über die Kamera        spiel gerade den Begriff «Hardware»:
schirm zu sitzen, mache ihr überhaupt         gesprungen, haben ein Bäumchen mit           «Früher war es schwierig, passende Klei-
nichts aus, im Gegenteil: «Ich arbeite,       Herbstlaub geschüttelt oder sich auf einer   der zum Anziehen zu finden.» Doch spä-
                                                                                                                                        Schulblatt Kanton Zürich 5/2021 Fokus

lerne und spiele gern am Computer und         Rutschbahn gefilmt. «Das ist eine coole      ter sei zum Glück die Software erfunden
fühle mich dabei wohl.» Sie habe schon        Idee», lobt Moderatorin Nadja Schuler.       worden, fährt sie unter Gelächter des
lange schnuppern wollen, sagt sie, doch       Die Mediamatik-Lernende im dritten           Pub­likums fort: «Endlich hat man weiche-
wegen der Pandemie sei es letztes Jahr        Lehrjahr ist eine der Organisatorinnen       re Materialien erfunden, die angenehm zu
nicht möglich gewesen. Sollte es mit der      der Digital Days und hat die Teilneh-        tragen sind.» 
Lehrstelle als Mediamatikerin nicht klap-     merinnen während der ganzen drei Tage
pen, wäre das KV ihr Plan B.                  begleitet.
    Auch Alyssa ist fasziniert von den            «Ich war überrascht, wie offen sie
dreidimensionalen Bildern der Kamera.         waren und wie gut sie mitgemacht ha-
                                              ­
Die 14-Jährige ist aus dem aargauischen       ben», sagt die 17-Jährige. Vor vier Jahren
Beinwil am See angereist. «Das ist eine       hat sie die Digital Days selbst als Teil­
super Gelegenheit, diese Berufe kennen-       nehmerin besucht und daraufhin eine
zulernen», sagt die Jugendliche. Neben der    Lehrstelle bei der Swisscom in Bern er-
Ausbildung zur Mediamatikerin kommt           halten. «Es gefällt mir sehr gut», erzählt
                                                                                                                                        15

für sie auch Interactive Media Designerin     die Solothurnerin. Die Lernenden wech-
Im Gespräch                                                                                                                vermitteln und das Interesse der Kinder

       «Die Förderung
                                                                                                                                  dafür früh zu wecken. Denn dies ist etwas,
                                                                                                                                  was man später kaum mehr nachholen
                                                                                                                                  wird. Wer eine Sprache in der Schule

       muss institutiona-
                                                                                                                                  nicht oder nicht gut lernt und dies später
                                                                                                                                  nachholen möchte, findet ein riesiges An-
                                                                                                                                  gebot an entsprechenden Kursen. Für

       lisiert werden»
                                                                                                                                  MINT ist dies anders, das muss man in der
                                                                                                                                  obligatorischen Schulzeit lernen.
                                                                                                                                          Hat man MINT in der Vergangen-
                                                                                                                                  heit vernachlässigt, dass heute der
       Die Physikerin und Naturwissenschafts­                                                                                     Nachholbedarf offenbar so gross ist?
                                                                                                                                  In den vergangenen Jahren wurden di­
       didaktikerin Susanne Metzger sieht                                                                                         verse Themen in die Schule getragen, die

       in ­Sachen MINT-Förderung für Mädchen                                                                                      früher Sache des Elternhauses waren.
                                                                                                                                  Dies ging sicher ein Stück weit auch zu-
       noch diverse Baustellen. Welche dies                                                                                       lasten der naturwissenschaftlich-techni-
                                                                                                                                  schen Fächer. Wobei diese anderen The-
       sind, wie man sie beheben könnte und                                                                                       men natürlich genauso ihre Berechtigung

       was bereits gut gemacht wird, erklärt                                                                                      haben. Ein weiterer Punkt ist, dass heute
                                                                                                                                  viele Kinder mit den Eltern kaum mehr
       sie im Gespräch.                                                                                                           in die Natur gehen, wo sie beispielsweise
                                                                                                                                  beobachten könnten, was in der Pfütze
       Interview: Jacqueline Olivier Foto: Sophie Stieger                                                                         im Wald passiert: Was schwimmt obenauf,
                                                                                                                                  was sinkt auf den Grund? Für solche
                                                                                                                                  ­Dinge bleibt im Familienalltag oft keine
                                                                                                                                   Zeit mehr. Ausserdem sind im Kindergar-
                                                                                                                                   ten und in der Primarschule heute mehr-
                                                                                                                                   heitlich Frauen tätig, und diese wählen
                                                                                                                                   den Beruf in der Regel nicht, weil sie
                                                                                                                                   ­Mathematik oder Naturwissenschaften so
                                                                                                                                    toll finden. Deshalb kommen – mit Aus-
                                                                                                                                    nahme vielleicht von biologischen The-
                                                                                                                                    men – naturwissenschaftliche und tech­
                                                                                                                                    nische Phänomene auf diesen Stufen oft
                                        Haben Sie sich in der Schule für Mathe       etwa geht es darum, dem Fachkräfte­            wenig zur Sprache, obwohl sie für die Kin-
                                        und Naturwissenschaften interessiert?        mangel entgegenzuwirken. Aber MINT-            der sehr spannend wären und sie auch
                                        Ja, bereits vor der Schule. Mein Vater war   Förderung dient eben auch dem Ziel, dass       interessieren würden.
                                        Physiker und hat in mir früh die Liebe zur   die jungen Leute die Welt besser ver­                Auch die Mädchen? Fakt ist doch,
                                        Mathematik, zu den Zahlen, zur Physik ge­    stehen. Es ist heute extrem wichtig, Zu-       dass junge Frauen deutlich weniger
                                        weckt. Ich habe mit seinem alten Metall-     sammenhänge verstehen, Folgen abschät-         naturwissenschaftlich-technische
                                        baukasten aus den 1950er-Jahren Strom-       zen oder Problemlösungen erarbeiten zu         ­Berufe wählen als junge Männer.
                                        kreise zusammengesteckt, um Lämpchen         können.                                         Am Interesse liegt es sicher nicht, der
                                        zum Leuchten zu bringen, oder mit Lego-          Was trägt MINT zum Verständnis              ­Anteil der Kinder, die sich für Naturwis-
                                        steinen allerlei Sachen gebaut. In der       der Welt denn konkret bei?                       senschaften und Technik interessieren,
                                        Schule fand ich Physik zunächst aber         In der aktuellen Pandemie zum Beispiel           ist bei Buben und Mädchen etwa gleich
                                        langweilig. Erst in der 8. Klasse habe ich   würde ein solides MINT-Verständnis – man         gross. Die Probleme sind viel mehr ge­
                                        festgestellt, dass dieses Fach durchaus      könnte auch sagen «scientific literacy» –        sellschaftlicher Natur. Die Vorstellung,
                                        spannend ist. Dies hatte auch mit einem      viel helfen. Zu wissen, wie in der Wissen-       Naturwissenschaften und Technik seien
                                        Lehrerwechsel zu tun.
                                             Später haben Sie Physik studiert –
                                        wahrscheinlich als eine von wenigen
                                        Frauen?
                                        Im Physikstudium lag der Frauenanteil
                                                                                             «Die Vorstellung, Naturwissen­
Schulblatt Kanton Zürich 5/2021 Fokus

                                        damals, in den 1990er-Jahren, bei acht bis          schaften und Technik seien eine
                                        zehn Prozent. In der Mathematik war der
                                        Anteil ein bisschen höher. Ich habe aber               Männerdomäne, ist in der
                                        keine Nachteile erlebt. Einen Professor
                                        hatten wir zwar, der fand, Frauen sollten
                                                                                              Gesellschaft stark verankert.»
                                        besser nicht Physik studieren. Und wenn
                                        ich in einem Seminar gefehlt oder etwas
                                        anders gemacht habe als die anderen,
                                        ist das immer aufgefallen. Aber sonst war    schaft gearbeitet wird, wie man an ein       eine Männerdomäne, ist in der Gesell-
                                        alles in Ordnung. Und für meine Eltern       Problem herangeht, wie Ergebnisse zu-        schaft nach wie vor stark verankert. Und
                                        war meine Studienwahl nur folgerichtig.      stande kommen und was man daraus ab-         dies spiegelt sich auch in den Peergroups.
                                             Heute ist MINT-Förderung in aller       leiten kann – das sind grundlegende Din-     Mädchen, die sich für naturwissenschaft-
                                        Munde. Warum eigentlich?                     ge, die man im täglichen Leben braucht.      liche und technische Themen interes­
                                        Die verschiedenen Akteure haben sicher       Darum finde ich es wichtig, angewandte       sieren, bekommen von ihren Freundin-
16

                                        unterschiedliche Gründe. Der Wirtschaft      Wissenschaften in der Schule breit zu        nen schnell einmal zu hören: Das ist doch
Bubenzeug. Und wenn die Eltern und die
Lehrpersonen ähnlich denken, lässt man
es dann halt lieber bleiben.
      Was ist denn so schlimm daran,
wenn die Mädchen andere Themen
und andere Berufe bevorzugen?
Wenn junge Frauen den Beruf der Pflege-
fachfrau lernen oder Sprachen studieren
möchten, weil dies ihrem Interesse ent-
spricht, ist das natürlich völlig in Ord-
nung. Meine Vermutung ist jedoch, dass
es viele Mädchen gibt, die erstens das
­Potenzial und zweitens das Interesse für
 MINT-Fächer hätten und sich dafür ent-
 scheiden würden, wenn man sie früher
 förderte. Es geht also viel Potenzial ver­
 loren, was wir uns in Zeiten des Fach­
 kräftemangels in diesen Berufen nicht
 leisten können. Kommt hinzu, dass ge-
 mischte Teams effizienter arbeiten, weil
 mehr Sichtweisen einfliessen. Auch des-
 halb wäre es wichtig, dass mehr Frauen
 in diesen Bereichen tätig würden. Das
 heisst, es geht um die Frauen, die sich für
 diese Themen interessieren, aber einen
 anderen Weg einschlagen, weil sie nicht
 die nötige Unterstützung erfahren haben.
 Das ist schade für die betroffenen Frauen
 und ein Verlust für uns als Gesellschaft.
 Und ebenso für den Technologiestandort
 Schweiz.
      Es gibt in den Naturwissenschaften
 durchaus Fächer, die Mädchen anspre-
 chen, vor allem Biologie. Was macht
 Biologie im Vergleich zu Physik für sie
 attraktiver?
 Biologie hat mehr mit dem Leben zu tun
                                                                         Susanne Metzger (49) studierte und promovierte an der Universität Mainz. Ab 2006
 und wird auch häufig alltagsnäher unter-                                 war sie als Dozentin für Physik- und Naturwissenschaftsdidaktik an der PH Zürich
 richtet als andere naturwissenschaftliche                          ­tätig und leitete das Zentrum für Didaktik der Naturwissenschaften. Seit 2017 leitet sie
                                                                             an der Fachhochschule Nordwestschweiz das Zentrum Naturwissenschafts- und
 Fächer. Die Schülerinnen und Schüler                                   ­Technikdidaktik. Sie arbeitete unter anderem im Fachbereichsteam «Natur, Mensch,
 verstehen, dass dies etwas mit ihnen, mit                                 Gesellschaft» am Lehrplan 21 mit und war Projektleiterin bei der Entwicklung des
                                                                               Lehrmittels «NaTech 7–9» des Lehrmittelverlags Zürich. Seit 2021 leitet sie das
 ihrem Körper, mit ihrer Umwelt zu tun                                    ­Nationale Netzwerk MINT-Bildung und ist Vorsitzende der Fachkommission MINT
 hat. Gerade für die Mädchen sind solche                                                                        der Akademien der Wissenschaften Schweiz.
 Bezüge wichtig. Physikunterricht hinge-
 gen ist oft viel theoretischer und abstrak-
 ter. Dabei liesse sich auch in der Physik
 ganz viel Lebensrealität herstellen. In       Ansatz, beginnend mit der Frage, was             dem fördern sie die Exzellenz, was eben-
 unserem Körper zum Beispiel spielen
 ­                                             ­Naturwissenschaften sind, welche Eigen-         falls wichtig ist. Aber damit die breite
 verschiedene physikalische Phänomene           schaften die einzelnen Wissenschaften           Masse zu erreichen, ist schwierig.
 eine Rolle. Geht es im Unterricht um das       auszeichnen und was sie eint. Themen,               Wo hakt es denn?
 Funktionieren von Pumpen, könnte man           die mehrere Naturwissenschaften ein-            Das Problem ist, dass es sich oft um Ein-
 dies am Beispiel des Herzens veranschau-       schliessen, werden auch so betrachtet. In       zelinterventionen handelt. Wichtig wären
 lichen, die Hebelgesetze an jenem des          der Forschung wird heute stark inter­           aber Angebote, die kontinuierlich in die
 Kiefers oder der Arme. In der Chemie           disziplinär gearbeitet, und das muss man        Schullaufbahn eingebunden und im Un-
                                                                                                                                                           Schulblatt Kanton Zürich 5/2021 Fokus

 wiederum könnte man die Verdauung the-         in die Schule bringen. Dies bedingt ein         terricht laufend vertieft würden. Die För-
 matisieren. Das würde Mädchen vermehrt         Umdenken und braucht deshalb sicher             derung muss institutionalisiert werden.
 ansprechen.                                    ­etwas Zeit. Dies gilt im Übrigen ebenso        Das ist bis anhin noch zu wenig der Fall.
      Wäre also mehr interdisziplinärer          für den Ansatz, die Themen in alltagsnahe,     Inzwischen hat man dies seitens Politik
 Unterricht ein möglicher Ansatz?                spannende Kontexte einzubinden.                aber erkannt. Im Rahmen des MINT-
 In der Volksschule wird dieser Ansatz                 Es gibt heute eine Vielzahl von          Mandats 2021– 2024 hat das Staatssekre-
 heute schon verfolgt. Im Lehrplan 21 sind       ­Initiativen und Projekten, um Mädchen         tariat für Bildung, Forschung und Innova-
 die Naturwissenschaften im ersten und            gezielt anzusprechen. In den Zahlen           tion die Akademien der Wissenschaften
 zweiten Zyklus Teil von «Natur, Mensch,          schlägt sich das bisher aber kaum             Schweiz beauftragt, zusätzliche überregi-
 Gesellschaft», und auf Sekundarstufe I,          ­nieder. Da könnte man es doch grad           onale Projekte – nicht nur für Mädchen –
 also im dritten Zyklus, werden Biologie,          so gut lassen?                               im Bereich der MINT-Bildung zu fördern.
 Chemie und Physik unter «Natur und                Mit solchen Projekten werden oft die         Dabei ist klar vorgegeben, dass der Kon-
 Technik» zusammengefasst. Das vor Kur-            Mädchen angesprochen, die sowieso schon      takt mit den kantonalen Behörden und
 zem erschienene Lehrmittel «NaTech 7–9»           ein Interesse für MINT haben. Für sie        den Schulen gesucht werden soll, damit
                                                                                                                                                          17

 verfolgt genau einen solch integrativen           sind diese Angebote sicher gut, ausser-      solche Projekte im Anschluss in die kan- 
tonalen Strukturen übernommen werden               Was halten Sie denn von der Idee,         Ist man dort genügend für das
                                        können und so eine langfristige Imple-         MINT zumindest teilweise geschlech-           Thema MINT-Berufe für Mädchen
                                        mentierung erfolgt.                            tergetrennt zu unterrichten?                  sensibilisiert?
                                             ICT Switzerland fordert mehr              Ich halte das für eine gute Idee. Es gibt     Man ist an dem Thema auf jeden Fall dran.
                                        ­gendergerechten MINT-Unterricht.              eine Untersuchung für den Physikunter-        Die Sensibilisierung muss schon in der
                                         Unterstützen Sie das?                         richt. Sie stammt zwar aus den 1990er-        Primarschule beginnen, natürlich nicht
                                         Gendergerechten Unterricht braucht es         Jahren, aber daran hat sich vermutlich        die der Kinder, sondern jene der Eltern
                                         auf jeden Fall, das ist eine Grundlage. Man   nichts geändert. Demnach wird der grösste     und der Lehrpersonen. Es geht schlicht
                                         kann auch noch weitergehen und sagen,         Erfolg betreffend Motivation oder Lern-       um Offenheit. Ich höre immer wieder
                                         es braucht einen diversitygerechten Unter­    zuwachs erreicht, wenn Mädchen und            von Lehrpersonen, dass sich eine ihrer
                                         richt. Denn es geht nicht ausschliesslich     Buben teilweise getrennt und teilweise
                                                                                       ­                                             Schülerinnen für einen technischen Be-
                                         um Buben und Mädchen, sondern darum,          gemeinsam unterrichtet werden.                ruf interessiert, die Eltern ihr dies aber
                                         ganz unterschiedliche Zugänge zu ermög-           Wie lässt sich das begründen?             auszureden versuchen. Und auch die
                                         lichen.                                       In der Untersuchung wurde dies nicht er-      Wirtschaft ist gefordert. Ein ganz simples
                                             Wie sieht denn ein solcher Unter-         örtert, aber als ich noch unterrichtete,      Beispiel: Wo sind in einem technischen
                                         richt konkret aus?                            habe ich gemerkt: Wenn Mädchen unter          Betrieb die Frauentoiletten? Gedanken
                                         Am Anfang steht sicher das Erleben von        sich an einem Projekt arbeiten, müssen        machen sollte man sich beispielsweise
                                         naturwissenschaftlichen Phänomenen, also      sie alles selbst machen. Sie müssen mes-      über Informationen, Präsentationen oder
                                         das Experimentieren. Weiter geht es um        sen, pröbeln, etwas herausfinden. Und         Schnuppertage, die auch die Mädchen
                                         die Themen, in die diese Experimente          mit der Zeit machen sie das richtig gern      ansprechen. Man versucht viel und die
                                                                                                                                     ­
                                         eingebettet werden – dies macht es dann       und merken: Ich kann das ja auch. Wenn        Bereitschaft der Betriebe ist vorhanden,
                                         häufig gendergerecht. Dazu gehört auch        Mädchen und Jungen hingegen zusam-            aber es bedarf zweifellos weiterer An-
                                         die Sprache. Statt immer nur «der Pro-        menarbeiten, begnügen sich die Mädchen        strengungen.
                                         grammierer» oder «der Informatiker» zu        vielmals mit der Dokumentation oder                 Immer wieder hört man, Mädchen
                                         sagen, sollte man beide Geschlechter          gestalten am Schluss das Poster für die
                                                                                       ­                                             brauchen weibliche Vorbilder. Beisst
                                         ­nennen. Man kann auch abwechseln: der        Klasse. Mädchen und Jungen gehen oft          sich hier die Katze nicht in den
                                                                                                                                     Schwanz, weil es in diesen Berufen
                                                                                                                                     eben nur wenige Frauen gibt?
                                                                                                                                     Das ist sicher ein Problem. Zudem ha-

                                             «Es geht nicht ausschliesslich                                                          ben die wenigen Frauen, die solche Vor-
                                                                                                                                     bilder sein können, kaum Zeit. So muss
                                               um Buben und Mädchen,                                                                 beispielsweise eine Physik-Professorin
                                                                                                                                     an einer Universität häufig in vielen Kom-
                                         sondern darum, ganz unterschiedliche                                                        missionen sitzen, weil sie als Frau derart

                                              Zugänge zu ermöglichen.»                                                               gefragt ist.
                                                                                                                                           Der geringe Frauenanteil in MINT-
                                                                                                                                     Berufen ist in grossen Teilen Europas
                                                                                                                                     ein Problem, nicht nur in der Schweiz.
                                                                                                                                     Bei den Informatikerinnen schneidet
                                        Biologe, die Physikerin, der Arzt, die Che-    auch unterschiedlich an eine Aufgabe he-      laut ICT-Switzerland Bulgarien mit
                                        mikerin. Und auch neutrale Formulie­           ran: Während die Mädchen die Aufgabe          28 Prozent noch am besten ab, die
                                        rungen wählen, statt «der Physiker sagt        erst genau durchlesen und sich über­          Schweiz liegt mit 14,5 Prozent im
                                        dazu» vielleicht «in der Physik sagt man».     legen, wie sie vorgehen sollen, legen die     ­unteren Drittel, unsere Nachbarstaaten
                                        Das heisst, wegkommen von den Stereo-          Jungen los und machen einfach mal. Wenn        liegen irgendwo zwischen 15 und
                                        typen, denn wenn ein Kind immer nur            man Mädchen und Buben zwischendurch            ­etwas über 18 Prozent. Gibt es gemein-
                                        hört «der Physiker», setzt sich das fest.      trennt oder ihnen unterschiedliche Auf-         same Anstrengungen?
                                        Wegkommen muss man auch von stereo-            gaben stellt, können alle ihre eigene Kom-      Man tauscht sich zumindest aus. Im in­
                                        typen Kontexten.                               petenz erleben. Das ist ganz wichtig.           ternationalen Vergleich lassen sich zwei
                                             Was meinen Sie damit?                          Und warum denn nicht nur                   Faktoren ausmachen, die den Anteil der
                                        Gendergerechter Unterricht heisst eben         ­getrennten Unterricht?                         Frauen im MINT-Bereich erhöhen. Zum
                                        nicht, dass man in der Physik für die           Wenn die Mädchen das im getrennten Ar-         einen ist dies die Kinderbetreuung. In
                                        ­Mädchen irgendwelche Küchengeräte zur          beiten gewonnene Selbstvertrauen mit-          Frankreich zum Beispiel, wo es schon
                                         Anschauung beizieht. Es braucht span-          nehmen in die Klasse, werden sie merken,       lange ganz normal ist, dass die Kinder
                                                                                                                                       ­
                                         nende Themen, die mit der Lebensrealität       dass sie auch dort bestehen können, und        früh in einer Kita betreut werden, gibt es
Schulblatt Kanton Zürich 5/2021 Fokus

                                         der Kinder und Jugendlichen zu tun ha-         werden zusätzlich gestärkt. Ich habe das       deutlich mehr Frauen in MINT-Berufen –
                                         ben, dann ist es gendergerecht. In der         selbst erlebt. In Deutschland habe ich ein     weil sie keine langen Berufsunterbrüche
                                         Informatik zum Beispiel ist es wichtig,
                                         ­                                              Mädchengymnasium besucht, das in den           haben und am Ball bleiben können, was
                                         aufzuzeigen, dass dies nicht primär etwas      oberen Klassen gemeinsame Leistungs-           gerade für Wissenschafterinnen ganz ent-
                                         für Nerds ist, die irgendwo im Keller sit-     kurse mit der benachbarten Schule anbot,       scheidend ist. Zum anderen – und das
                                         zen und nur 0 und 1 denken, sondern dass       in der vorwiegend Jungen waren. In dem         könnte auf Bulgarien zutreffen – nimmt
                                         Informatik sehr viel dazu beiträgt, echte      Physikleistungskurs, den ich besuchte,         der Frauenanteil zu, wenn die Wahl eines
                                         Probleme zu lösen, damit es der Welt und       konnten wir Mädchen problemlos be­             MINT-Berufs für die Frauen einen wirt-
                                         den Menschen besser geht. Dann wird es         stehen, waren sogar oft die besten. Und        schaftlichen und sozialen Aufschwung
                                         Mädchen und Jungen ansprechen. Denn            ich denke, dies hatte genau damit zu tun,      bedeutet, es ihnen allenfalls ermöglicht,
                                         was Mädchen anspricht, spricht in der          dass wir zuvor unter uns gewesen waren         im Ausland zu arbeiten. Ich denke, dass
                                         Regel auch die Jungen an, das hat der
                                         ­                                              und Vertrauen in unsere eigenen Fähig-         wir in Sachen MINT auch ein Wohlstands-
                                         deutsche Physiker und Pädagoge Martin          keiten gewinnen konnten.                       problem haben. Bei uns gibt es so viele
                                         Wagenschein schon in den 1960er-Jahren             Für die Berufswahl spielt die              andere Möglichkeiten, das eigene Leben
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                                         erkannt.                                       ­Berufsberatung eine wichtige Rolle.           zu gestalten. 
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