Schutz der Meere: Internationale Ministerkonferenz in Bremen Erste Gemeinsame Ministersitzung der OSPAR- und HELCOM-Kommissionen (25./26. Juni 2003)

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Berlin, Juni 2003

Hintergrund
Schutz der Meere:
Internationale Ministerkonferenz in Bremen
Erste Gemeinsame Ministersitzung der
OSPAR- und HELCOM-Kommissionen (25./26. Juni 2003)

Einleitung

Am 25./26. Juni 2003 finden in Bremen Ministersitzungen der „Helsinki-Kommission“
(HELCOM) sowie der „Oslo/Paris-Kommission“ (OSPAR) statt. Erstmals schließt sich, einer
deutschen Anregung folgend, eine gemeinsame Sitzung beider Kommissionen, ebenfalls
auf Ministerebene an.

Wer die in diesem Rahmen zu erwartenden Diskussionen im internationalen Meeresum-
weltschutz richtig einordnen will, muss die Entwicklungen der letzten 25 Jahre zugrunde-
legen. Seit Einrichtung der Regionalen Kooperationen zum Schutz der Europäischen Meere
(Oslo-/Paris-Kommission [Nordostatlantik], Helsinki-Kommission [Ostsee], Barcelona-
Kommission [Mittelmeer] Anfang /Mitte der 70er Jahre) sind nennenswerte Fortschritte
erreicht worden. Durch die Reduzierung bzw. Eliminierung der „klassischen“ Meeresver-
schmutzung (z.B. Einstellung der Dünnsäureverklappung; Verbrennung auf hoher See;
Generationenziel zur Eliminierung der Einträge Gefährlicher Stoffe) ist es im Bereich der
chemischen Gewässerbelastung bereits zu spürbaren Verbesserungen gekommen.

Gleichwohl hat sich flächendeckend die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Meere trotz
ihrer dem Menschen unerschöpflich erscheinenden Weite und Ressourcenfülle und trotz
der beschriebenen Fortschritte nur begrenzt in der Lage sind, den auf ihnen lastenden
Nutzungsdruck „auszuhalten“.

Spektakuläre Ereignisse wie die um die ausgediente Bohrinsel Brent Spar in 1995 oder die
Schiffsunfälle der Amoco Cadiz oder der Prestige vor der bretonischen und spanischen
Küste erzeugen regelmäßig großen politischen Druck mit dem Ergebnis, dass Meeres-
schutz für kurze Zeit ganz oben auf der Tagesordnung steht. Ein nachhaltiger Schutz der
Meere verlangt jedoch kontinuierliche Aktivitäten der Regionalkooperationen sowie in Zu-
kunft der EU.

Der im Auftrag Deutschlands vom ‚International Council for the Exploration of the Sea’
(ICES) erstellte Bericht zum Zustand der Europäischen Meere, der allen Vertragsstaaten
und Beobachterorganisationen zur Verfügung gestellt wird, beschreibt anschaulich den

derzeitigen status quo der Meeresumwelt. Er wird bestimmt von Überfischung, Abnahme

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der Biodiversität, Eutrophierung, Belastung durch Chemikalien und durch die Schifffahrt.
Der Bericht setzt Ziele für künftige Maßnahmen der EU und der Regionalkommissionen
zum Schutz der europäischen Meere.

Die Aufgabe moderner Meeresschutzpolitik besteht darin, über die Verbesserung des che-
mischen Zustandes hinaus das gesamte Meeresökosystem zu betrachten und Nutzungs-
ansprüche und Schutzinteressen zum Ausgleich zu bringen. Die Europäische Politik- und
Rechtsentwicklung muss sich dabei die Erfahrungen der Regionalen Meeresschutzkoope-
ration zu Nutzen machen.

Europäische Meeresschutzstrategie (‘EU-Marine-Strategy’)

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften (KOM) entwickelt derzeit eine „Euro-
päische Strategie zum Schutz und zur Erhaltung der Meeresumwelt“. Erstmals unternimmt
es damit die KOM, ein Konzept für eine europaweit einheitliche Meerespolitik vorzulegen.
Der Meeresschutz steht erstmals bei der Brüsseler Politik ganz oben auf der Agenda. Ziel
dieser Strategie ist es u.a., Querbezüge zu allen meeresrelevanten Politikbereichen auf
Europäischer Ebene herzustellen sowie das Zusammenwirken der relevanten Akteure
(KOM/Regionalkooperationen) zu regeln.

Deutschland begrüßt diesen Ansatz, insbesondere die erstrebte Einbindung von Mittel-
meer, Schwarzem Meer, Arktis und Barentssee.

Wir unterstützen nachhaltig eine klare Aufgabenteilung zwischen der KOM und den Regi-
onalkooperationen mit dem Ziel, Aufgaben dorthin zuzuweisen, wo sie am effektivsten
behandelt werden können. Wir erwarten jedoch von der zukünftigen europäischen Mee-
resschutzpolitik, dass sie nicht den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ zum europäischen
Umweltstandard erhebt. Wir werden uns dafür einsetzen, dass für ökologisch besonders
sensible Meere wie z.B. die Ostsee weiterhin anspruchsvolle individuelle Schutzmaßnah-
men angewendet werden.

Deutschland wird sich dafür einsetzen, dass die Gemeinsame EU-Fischereipolitik (Common
Fisheries Policy, CFP), die Gemeinsame EU-Landwirtschaftspolitik (Common Agricultural
Policy, CAP) sowie die EU-Chemikalienpolitik zukünftig Vorgaben der Meeresschutzstrate-
gie berücksichtigen und eine klare Orientierung hin zum Schutz des Meeresökosystems
erfahren; hierzu vermissen wir bislang eine klare Positionierung der EU.

OSPAR und HELCOM formulieren ihren möglichen Beitrag zur Strategie in einer gemein-
samen Erklärung „What HELCOM and OSPAR can bring to the European Marine Strategy“.

Mit Blick auf die Ostsee kommt HELCOM nach erfolgter EU-Erweiterung im Mai 2004 eine
Sonderrolle zu. Mit Ausnahme Russlands gehören dann alle Vertragsstaaten der EU an.
Wir erwarten von der Bremer Konferenz, dass die Brückenfunktion HELCOMs zwischen EU
und Russischer Föderation verbindlich festgelegt wird.

Die beschriebenen strategischen Überlegungen gründen sich auf konkrete fachliche The-
men. Auf der Bremer Agenda sind aus deutscher Sicht die folgenden Themen von beson-
derem Interesse:
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Meeresschutzgebiete (Marine Protected Areas, MPAs)

Verstärkte Meeresnutzung (Fischerei/Schifffahrt/Offshore-Windparks und Offshore Öl- und
Gasförderung, Sand- und Kiesentnahme/“Marine Litter“ sowie die neuerdings diskutierte
CO2-Sequestrierung) bleiben nicht ohne Einfluss auf das Meeresökosystem und seine Ar-
tenvielfalt.

Die Notwendigkeit, das Meer als ganzes –eben als Ökosystem- zu schützen, verlangt nach
übergreifenden Schutzmechanismen. Die Einrichtung eines ökologisch kohärenten Netz-
werks von Meeresschutzgebieten wie dies von HELCOM und OSPAR bis 2010 aufgebaut
werden soll, wird übergreifende Schutzfunktion haben.

Mit Inkrafttreten der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) zur Er-
haltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen ver-
pflichteten sich die EU-Mitgliedsstaaten bereits 1992, ein zusammenhängendes Netz von
Schutzgebieten zu schaffen. Diese Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (Special
Areas of Conservation, SAC) gemäß der FFH-Richtlinie (Fauna-Flora-Habitat Richtlinie,
92/43/EWG vom 21. Mai 1992) bilden zusammen mit den Europäischen Vogelschutzgebie-
ten (Special Protected Areas, SPA) gemäß der EU-Vogelschutzrichtlinie (Vogelschutzricht-
linie, 79/409/EWG vom 2. April 1979) das Schutzgebietssystem NATURA 2000. Ziel dieses
Netzes ist der Erhalt der biologischen Vielfalt an Land und im Meer. Zu den Schutzzielen
gehören beispielsweise die Sicherung ungestörter Bereiche für rastende Seevögel sowie
für wandernde und nahrungssuchende Meeressäugetiere oder für Fische, der Erhalt von
Rast- und Mauserplätzen für Zugvögel. Die bisherige europaweit erfolgende Ausweisung
von Schutzgebieten umfasst bisher lediglich solche an Land bzw. in den Hoheitsgewäs-
sern.

In Deutschland wurden mit der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG)
im April 2002 die bundesrechtliche Voraussetzung dafür geschaffen, marine Schutzgebiete
auch jenseits der Hoheitsgewässer in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) auszu-
weisen. Die ausgewählten und zur Zeit in Abstimmung befindlichen Vorschlagsgebiete
werden in kürze auf den Internetseiten des Bundesamtes für Naturschutz veröffentlicht
(www.HabitatMareNatura2000.de). Deutschland ist damit europaweit Schrittmacher und
leistet gleichzeitig den ersten konkreten Beitrag zur Schaffung eines regional übergreifen-
den Netzwerks.

Auch die derzeit diskutierte Öffnung exklusiver Fischereizonen rund um die Azoren für die
europäische Industriefischerei, die unkalkulierbare ökologische Folgen in diesem Gebiet
mit sich bringen würde, müsste dann an Schutzkriterien gemessen werden.

Wir fordern die übrigen europäischen Staaten auf, dem deutschen Beispiel zu folgen und
schnellstmöglich auch marine Schutzgebiete auszuweisen. Diese müssen bereits beste-
hende Schutzgebiete, z.B. Baltic Sea Protected Areas (BSPAs), in das Netzwerk einbinden.
Deutschland würde es begrüßen, wenn die in Erarbeitung befindliche EU-Meeresschutz-
strategie an dieser Stelle aktionsorientiert und konkret formuliert werden könnte.
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Umweltauswirkungen der Fischerei
(auf der Grundlage des Ökosystemansatzes)

Im Nordostatlantik gelten 2/3 der kommerziell genutzten Bestände als überfischt, in der
Ostsee liegt das Verhältnis mit 70% ähnlich hoch. Dabei wird immer deutlicher, dass die
Fischerei nicht nur Auswirkungen auf die kommerziell befischten Bestände hat. Auch die
Entnahme großer Mengen an Biomasse, der Beifang sogenannter Nicht-Zielarten (nicht
kommerziell genutzte Fischarten, marine Säugetiere (z.B. Schweinswale und Robben),
Seevögel sowie Haie und Rochen) und die physischen Auswirkungen der Fischerei auf die
marinen Lebensräume bewirken erhebliche Schädigungen des Ökosystems Meer. Dies
bedeutet mittelfristig auch erhebliche wirtschaftliche Einbußen für die Fischerei.

Die von OSPAR erstellten Listen bedrohter und gefährdeter Arten und Lebensräume zei-
gen sehr deutlich, dass die Ursachen der Gefährdung zu einem Großteil im Bereich der
Fischerei liegen. Die Identifizierung dieser bedrohten Arten und Lebensräume einschließ-
lich einer Beschreibung der Ursachen stellt eine wichtige Grundlage für notwendige Maß-
nahmen (u.a. beim Fischereimanagement in Schutzgebieten) dar.

Das Intermediate Ministerial Meeting der Umwelt- und Fischereiminister (IMM) in Bergen,
1997, sowie die 5. Internationale Nordseeschutzkonferenz (INK) in Bergen, 2002, waren
Meilensteine in der Entwicklung der Fischereipolitik in Europa. Die Bremer Konferenz wird
deren Forderungen bestätigen. Wir sind der Auffassung, dass nun eine zügige und
konsequente Umsetzung der eingegangenen Verpflichtungen erfolgen muss. Deutsch-
land ist der festen Überzeugung, dass der gegenwärtige wissenschaftliche Erkenntnis-
stand, wie er auch offiziell in den Empfehlungen des ICES gegenüber der Europäischen
Kommission dargestellt wird, in Verbindung mit dem Vorsorgeprinzip ausreicht, Maßnah-
men zu ergreifen, um Veränderungen in der Fischereipolitik einzufordern und die derzeiti-
gen negativen Auswirkungen der Fischerei auf die Meeresumwelt zu vermindern. Die EU-
Fischereipolitik muss zukünftig auch auf dem Meeres- und Artenschutz aufbauen. Die
Einbeziehung dieser Umweltaspekte in die Common Fisheries Policy (CFP) muss ver-
stärkt werden, damit mittelfristig die Überfischung beendet und bedrohten Beständen eine
Erholung ermöglicht wird.

Wir hoffen, dass Bremen ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung hin zu einer am
Schutzgedanken orientierten EU-Fischereipolitik sein wird und leisten damit gleichzeitig
einen aktiven Beitrag zur inhaltlichen Vorbereitung der für 2006 in Schweden geplanten
Konferenz zu Umweltauswirkungen der Fischerei (und der Schifffahrt).

Konkrete Beispiele und Zahlen:
Ein gravierendes Problem der Fischerei sind die Beifänge von marinen Säugern,
Schweinswalen, Seevögeln und Jungfischen. In der Nordsee werden zudem etwa 725.000
Tonnen der Fänge als „Discards“ in das Meer zurückgeworfen, was etwa 22% der kom-
merziell angelandeten Fänge entspricht und in erster Linie Jungfische betrifft. Diese ste-
hen für die Reproduktion der Bestände nicht mehr zur Verfügung. Die Anzahl der zurück-
geworfenen Fische übersteigt in manchen Fischereien die Anzahl der angelandeten
kommerziell verwerteten Fische. Dies gilt auch für einige Arten, die in der OSPAR-Liste
genannt sind.
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Es werden kaum noch große Fische gefangen. Dem stetigen Rückgang der Bestände wur-
de mit geringeren Maschenweiten und geringeren Mindestanlandelängen begegnet, was
in der Vergangenheit zu einer selektive Entnahme großer Fische führte. Inzwischen sind
beispielsweise 90% der gefangenen Dorsche in der Ostsee unter 4-jährige Fische. Da der
Dorsch aber erst mit 4 bis 5 Jahren seine volle Laichfähigkeit erreicht, ist eine ausrei-
chende Reproduktion bzw. Wiederauffüllung nicht gewährleistet.

Auch Rochenarten sind durch Beifang in der Fischerei gefährdet. Insbesondere der Glatt-
rochen („Common Skate“) und der Fleckrochen (Spotted Skate“), beide auch in der
OSPAR-„Liste“ enthalten, sind gefährdet.

Die Schweinswalbestände in der Ostsee befinden sich auf einem so niedrigen Niveau
(>600 Individuen), dass jeder Fang eines Schweinswals eine Gefahr für den Erhalt der
Population darstellt. In der Nordsee verenden jährlich 5000-7000 Schweinswale als Bei-
fang in der Stellnetzfischerei (hauptsächlich von Dänemark aber auch UK betrieben). Die
Anzahl der als Beifang endenden Schweinswale liegt weit über dem von dem ‚Agreement
on the Conservation of Small Cetaceans of the Baltic and North Seas (ASCOBANS) emp-
fohlenen und auch auf der 5. Nordseeschutz-Konferenz angenommen Anteil von weniger
als 1% des Bestandes als akzeptabler jährlicher Beifangmenge.Deutschland setzt sich
aktiv für die Erstellung und Annahme dieser Pläne ein. Der „Jastarnia-Plan“ für die
Schweinswalbestände der Ostsee soll auf der in Kürze stattfindenden 4. Sitzung der Ver-
tragparteien (Esbjerg, Dänemark, 18.-22. August 2003) verabschiedet werden.

Besondere Bedeutung für die in der Meeresumwelt entstehenden physischen Schädigun-
gen haben bestimmte Fischereipraktiken. Die schwere Baumkurrenfischerei z.B., bei der
schwerstes Fischereigeschirr über den Meeresboden geschleppt wird und dabei im Durch-
schnitt 8 cm tief eindringt, hat eine deutliche Verschiebung der Bodenlebewesen von gro-
ßen und langlebigen Arten hin zu kleineren Arten bewirkt. Bestimmte Bereiche der südli-
chen Nordsee werden auf diese Weise bis zu 10 mal pro Jahr „umgepflügt“.

Ähnlich dramatisch stellt sich die Situation bei den Kaltwasserkorallenriffen vor Norwegen,
Schottland und Irland dar. Auch hier hat die Fischerei große Bereiche dieser für die Tief-
seelebewesen äußerst wichtigen Habitatstrukturen durch destruktive Fischereipraktiken
nachhaltig zerstört. Da diese Korallen nur sehr langsam nachwachsen, bedürfen sie um-
gehend eines wirksamen Schutzes.

Umweltauswirkungen der Schifffahrt

Umweltauswirkungen der Schifffahrt treten immer dann ins Bewusstsein der Bevölkerung,
wenn ein Öltanker, oder wie zuletzt in der Ostsee vor Bornholm ein Frachtschiff mit ge-
fährlicher Ladung havariert und Stoffe wie Öl oder Chemikalien in die Meeresumwelt ge-
langen. Als Folge einer Vielzahl von der Schiffshavarien in den letzten Monaten bemühen
sich derzeit die verantwortlichen Akteure weltweit und regional um Maßnahmen zur Ver-
besserung der Schiffssicherheit. Anlaß zur Sorge in der Ostsee bereiten vor diesem Hin-
tergrund die zunehmenden Öltransporte insbesondere aus russischen Ölhäfen, häufig in
veralteten Schiffen.
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Die Umwelt- und Verkehrsminister haben anlässlich der HELCOM EXTRA-Sitzung im Sep-
tember 2001 die „Kopenhagen-Deklaration“ erlassen. Sie umfasst u.a. konkrete Beschlüs-
se zu Verkehrswegeführung, zügiger Ausmusterung von Einhüllentankern, Navigations-
technik, Schiffsidentifikation, Notliegeplätzen, Bekämpfungsmaßnahmen etc. Der Umset-
zungsstand im Kreis der HELCOM-Staaten ist erfreulich gut. Im März dieses Jahres hat
Deutschland bereits in Rostock-Warnemünde einen Follow-up Workshop durchgeführt, in
dessen Rahmen weitere Maßnahmen zur Konkretisierung der in Kopenhagen gefassten
Beschlüsse verabredet wurden. Derzeit diskutieren Experten aus den HELCOM-Vertrags-
staaten die Einrichtung einer ostseeweiten Transitroute (Vorsitz Deutschland), einer ein-
heitlichen Eisklassifizierung (Vorsitz Finnland) sowie Regelungen zur Lotsenannahme-
pflicht (Vorsitz Dänemark).

Die Ausweisung besonders sensibler Meeresgebiete (Particularly Sensitive Sea Areas,
PSSAs) mit Hilfe der Seeschifffahrts-Organisation (International Maritime Organisation,
IMO) bestimmt derzeit die schifffahrtspolitische Diskussion an der Atlantikküste sowie an
der Ostsee. Wir unterstützen diese Initiativen und machen uns dafür stark, dass einer
Ausweisung konkrete Schutzmaßnahmen z.B. zur Verkehrswegeführung oder zur Lot-
senannahmepflicht folgen.

Deutschland hat sich bereits bei der HELCOM EXTRA-Konferenz in Kopenhagen für eine
Lotsenannahmepflicht in der Kadetrinne eingesetzt. Wir gehen davon aus, dass die Aus-
weisung der Ostsee (oder von Teilen hiervon) als PSSA auch die Lotsenannahmepflicht
voranbringen wird. Die einschlägige Formulierung des G 8-Gipfels , Lotsenannahmeflicht
in engen, beschränkten und ‚überfüllten’ Meeresgebieten einzurichten sowie die Zustim-
mung der Russischen Föderation zum HELCOM PSSA-Antrag sind ein positives Signal.

Wir unterstützen darüber hinaus die Forderung, Schweröl in der Ostsee nur noch in Dop-
pelhüllentankern zu transportieren und die Ausmusterung von Einhüllentankern zu be-
schleunigen.

Die Gremien der EU haben die Verordnung zur beschleunigten Einführung von Doppelhül-
len-Öltankschiffen soeben verschärft, das heißt, die Aussonderungsfristen werden im We-
sentlichen auf 2005 bzw. 2010 verkürzt. In dieser Verordnung ist außerdem ab Inkrafttre-
ten (spätestens am 1. 9. 2003) ein An- und Auslaufverbot für Einhüllen-Öltankschiffe zu
und von Häfen der Mitgliedstaaten der EU enthalten, die Schweröle transportieren.

Die Bundesregierung strebt gemeinsam mit den übrigen EU-Mitgliedstaaten an, in der
IMO eine Übernahme dieser ,Regelung in das maßgebende internationale Übereinkommen
zu erreichen.

Ferner haben die G8-Staaten im Aktionsplan des G8-Gipfels „Meeresumwelt und Tank-
schiffsicherheit“ aufgrund einer deutschen Initiative am 3. Juni 2003 u. a. vereinbart, die
Bemühungen der IMO zu unterstützen und in ihr eine Führungsrolle zu übernehmen, um
einwandige Tankschiffe noch schneller aus dem Verkehr zu nehmen und mit geeigneten
Maßnahmen die besonderen Risiken anzugehen, die mit dem Transport von Schwerstöl in
einwandigen Tankschiffen verbunden sind. Vor diesem Hintergrund setzen wir uns dafür
ein, dass sich OSPAR ebenfalls mit Umweltauswirkungen der Schifffahrt beschäftigt. HEL-
COM- und OSPAR-Staaten müssen ihre Kräfte in der IMO bündeln, um zu zeitnahen und
den Anforderungen der jeweiligen Meeresregion angemessenen Beschlüssen zu gelangen.
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Begrenzung radioaktiver Ableitungen

Auf der letzten OSPAR-Ministerkonferenz 1998 in Sintra (Portugal) wurde bei der Begren-
zung der Einleitung radioaktiver Stoffe in den Nordost-Atlantik ein Meilenstein erreicht, da
erstmals auch bei der Radioaktivität der Schutz der Umwelt (also hier des Meeres) – und
nicht nur des Menschen - als eigenständiges Schutzziel anerkannt wurde. Die Vereinba-
rung sieht vor, dass bis 2020 die Ableitungen radioaktiver Stoffe nahe Null reduziert sind.

In der Folge des Beschlusses von Sintra einigte sich die Kommission darauf, für die Be-
wertung der Fortschritte bei der Umsetzung der Strategie Bezugswerte (Baselines) festzu-
legen, an denen gemessen werden kann, ob die Ableitungen tatsächlich einen fallenden
Trend zeigen. Eine Arbeitsgruppe unter deutscher Federführung erarbeitete unterschiedli-
che Vorschläge für die Definition von „Baselines“, die kontrovers diskutiert und mehrfach
modifiziert wurden, ohne dass jedoch ein endgültiges Einvernehmen über das Verfahren
erreicht werden konnte. Zuletzt lagen zwei unterschiedliche Vorschläge auf dem Tisch,
einer unterstützt von den Ländern, die auch in Zukunft noch Wiederaufarbeitungsanlagen
betreiben wollen (England und Frankreich), der andere getragen insbesondere von den
Ländern, die durch den Eintrag von radioaktiven Stoffen ihre Meeresgebiete bedroht se-
hen (Irland, Norwegen, Dänemark).

Mit dem Beschluss zur Beendigung der Wiederaufarbeitung hat Deutschland deutlich ge-
macht, dass es ein großes Interesse an der raschen Reduzierung der Einträge aus Sella-
field und La Hague hat. Für den Verlauf der Konferenz deuten sich in dieser Frage schwie-
rige Verhandlungen an, die, sollte es nicht zu einer Einigung kommen, die Sintra-
Beschlüsse in Frage stellen.
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