Schwarzweiß - Evangelischer Kirchenkreis Gladbeck Bottrop Dorsten

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Schwarzweiß - Evangelischer Kirchenkreis Gladbeck Bottrop Dorsten
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                   schwarzweiß
          Das Magazin der Evangelischen Kirchengemeinde Bottrop
Schwarzweiß - Evangelischer Kirchenkreis Gladbeck Bottrop Dorsten
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      EDITORIAL
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          RASSISMUS MACHT NICHT VOR DER KIRCHTÜR HALT
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      STREIFLICHTER                                  EINDEUTIGKEITEN
     10                                         22
          WAFFENSTILLSTAND                           EHRENSACHE
     16                                         24
          WHATEVER HAPPENS, JUST KEEP SMILING        DIE HISTORIE EINFACHEN DENKENS
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          LESERBRIEFE

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schwarzweiß
                                                              E D I TO R I A L :
                                                              L . K R E N G E L , P FA R R E R I N

Liebe Leserin, lieber Leser,

obwohl ich ein Kind der 80er bin, hatten wir bis in meine
Jugend hinein zu Hause einen Schwarzweißfernseher. Er war
an einem Henkel tragbar und wurde für die „Sendung mit
der Maus“ und „Wetten, dass …“ am Samstagabend aus dem
Keller geholt. Eines Tages fiel er die Kellertruppe herunter,
danach zierte seine Rückseite ein langer Riss.

Ob es einen Zusammenhang zwischen meiner Fernseh-             Über vieles Andere lohnt es sich nachzudenken: Die Theo-
erfahrung aus der Kindheit und meiner heutigen Wahr-          login Sarah Vecera nähert sich dem Thema unseres Heftes
nehmung der Wirklichkeit gibt, lässt sich nicht mit Sicher-   aus der Perspektive des Alltagsrassismus. Wir fragen: Wie
heit sagen. Untersuchungen dazu gibt es jedoch eine ganze     leben eigentlich Menschen mit einer Erkrankung, die nur
Menge. Zum Beispiel fand bereits vor über zehn Jahren         Schwarz oder Weiß zulässt? Der Systemiker Wilhelm Rott-
eine britische Psychologin heraus, dass viele Menschen,       haus erklärt uns seine Sicht der Dinge, die alles andere als
die mit einem Schwarzweißfernseher aufgewachsen sind,         schwarzweiß ist. Alles in allem: eine bunte Mischung.
auch in schwarzweiß träumen. Das kann ich allerdings
nicht bestätigen.                                                              Viel Freude beim Lesen, Ihre Lisa J. Krengel

                                                                                                                              03
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     PEOPLE OF COLOR
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Rassismus                        macht nicht vor der
                                      Kirchtür halt

                                                                 Zur Autorin:
                                                                 Sarah Vecera ist evangelische Theologin und Religionspädagogin und lebt in Essen. Sie
                                                                 arbeitet als stellvertretende Leiterin der Abteilung Deutschland bei der Vereinten Evangeli-
                                                                 schen Mission (VEM). Im vergangenen Jahr moderierte sie den Eröffnungsgottesdienst des
                                                                 Ökumenischen Kirchentags in Frankfurt, der in der ARD übertragen wurde. Auf Instagram
                                                                 ist sie als @moyo.me bekannt. Am 14. März 2022 erscheint ihr erstes Buch „Wie ist Jesus
T E XT : S A R A H V E C E R A                                   weiß geworden? Mein Traum von einer Kirche ohne Rassismus“.

W
              enn ich mir Talkshows zu den Themen Rassis-        Heute wissen wir natürlich, dass es keine biologischen
              mus oder Identitätspolitik ansehe, erlebe ich      Menschenrassen gibt. Und doch gibt es immer wieder Äu-
              dort häufig ein Schwarzweiß-Denken, das die        ßerungen, die auf eben diese Klassifizierung zurückführen.
Debatten aufkochen und die Menschen streiten lässt. Dabei        Zum Beispiel, wenn in der Kirche davon gesprochen wird,
sehe ich gerade in diesen Themen eine große Chance für uns       dass unsere afrikanischen Geschwister „Rhythmus im Blut“
ChristInnen, bessere Dialoge führen zu können. Gleichzei-        haben oder die Deutschen „per se pünktlich“ sind und eine
tig ist es als Kirche gefährlich, das Thema Rassismus von        „innere Uhr sie antreibt“. Oder wenn in Medien darüber
außen zu betrachten und uns als „die Guten“ zu betrachten.       spekuliert wird, warum LäuferInnen aus Kenia bei den
Als die, die nichts mit strukturellem Rassismus zu tun ha-       Olympischen Spielen so schnell sind und sauber finanzier-
ben.                                                             te Studien dann herausfinden wollen, dass die kenianische
                                                                 Wade im Schnitt 15 Gramm leichter ist. Vergleichbare Studi-
Wenn ich von Rassismus spreche, meine ich nicht vielzitier-      en sucht man bei weißen SchwimmweltmeisterInnen verge-
ten Rechtsextremismus und auch nicht jenen Rassismus, der        bens, weil bei ihnen die Gründe „Fleiß und hartes Training“
Deutschland bis 1945 beherrschte. Ich meine eine rassistische    ausreichen.
Prägung, die sich seit der Aufklärung unbemerkt in uns ver-
ankert hat. Zur Zeit der Aufklärung brauchten die Menschen       Diese Bilder werden auch in unserer Kirche verfestigt, weil
einen Legitimationstrick, mit dem es okay war, zum einen         dort People of Color durchaus im kirchlichen Kontext zu
die Werte der Aufklärung (Freiheit, Gleichheit, Geschwis-        sehen sind, dort aber fast ausschließlich als hilfsbedürftige
terlichkeit) hochzuhalten und zum anderen die Menschen           ProtagonistInnen auftreten, beispielsweise in der Diakonie,
kolonial auszubeuten. Also haben Gelehrte aus Philosophie,       auf Spendenplakaten, bei der Arbeit mit Geflüchteten, der
Kirche und Wissenschaft dazu beigetragen, ein Rassenkon-         Hausaufgabenhilfe, auf der Fairtrade-Schokolade … Wir se-
strukt in die Welt zu tragen und aufrechtzuerhalten, in dem      hen sie aber kaum bis gar nicht auf der Kanzel, im Presby-
eins feststand: Ganz oben steht die „weiße Rasse“. Eine Rasse,   terium, der Kirchenleitung, im Mitarbeitendenkreis oder in
die die Werte der Aufklärung in sich vereint. Alle anderen       unterschiedlichsten Planungstreffen. Wenn ich heute durch
sind Menschen zweiter Klasse und wurden entmenschlicht.          die Innenstadt laufe, sehe ganz deutlich, dass unsere Gesell-

                                                                                                                                                        05
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schaft zu etwa einem Viertel aus Menschen mit Migrations-
hintergrund besteht. Der Anteil bei den Kindern unter fünf
Jahren liegt sogar bei 41 Prozent. Wenn ich sonntagsmor-
gens in den Gottesdienst gehe, sehe ich von dieser Vielfalt
nichts. Die Diskrepanz ist aber kein Zufall, denn sie hat mit
den verfestigten Bildern und Vorurteilen zu tun und mit der
mangelnden Aufarbeitung der eigenen kolonialen Verstri-
ckungen in der Entstehung des Rassenkonstrukts. Ich selbst
konnte mir zum Beispiel nie vorstellen, Pfarrerin zu wer-
den, weil es für mich in der Kirche schlichtweg keine Vorbil-
der gab. „You can only be what you can see.“ (Du kannst nur
sein, was du siehst.) – es gibt an den entscheidenden Stellen
unserer Kirche bis heute viel zu wenig People of Color.

Und wenn wir schon über Rassismus reden, reden wir nur
                                                                                „Wir sind alle
zu oft von den anderen und betrachten uns als Kirche viel
zu selten mit der notwendigen Selbstkritik. Dabei hängt                   gemeinsam der Leib Christi,
unsere Zukunftsfähigkeit doch auch davon ab. Gerade in
                                                                          und wenn ein Teil erkrankt,
Hinblick auf schwindende Mitgliederzahlen in einer plura-
len Gesellschaft muss sich Kirche selbstkritisch in den Blick                      leiden alle Teile.“
nehmen und so den vielfältigen Identitäten Beachtung und
Achtung entgegenbringen.                                                             (Nach 1. Korinther 12)

Um genau dies tun zu können, haben wir als ChristInnen           Leiden gemeinsam zu überwinden, um eine gemeinschaft-
gutes Handwerkszeug. In der Bibel sehen wir zum Beispiel,        liche Kirche zu werden, wie sie bereits der Apostel Paulus
wie Gott selbst sich von Anfang bis Ende an der Seite der        beschrieb. Wenn wir so den Rassismus bekämpfen und uns
Unterdrückten sieht: Gott rettet durch den Exodus, Jesus         – im Sinne der uns allen zugesprochenen Gnade – selbst in
lebt und predigt, wo er sich und Gott in der Welt sieht. Und     den Blick nehmen, ohne uns gegenseitig zu verurteilen, kön-
Paulus warnt vor Spaltung und ruft zur Liebe untereinan-         nen wir bessere Dialoge führen und versöhnlichere Wege
der auf, in einer Kirche, die schon damals nicht mono-kultu-     gehen, als Menschen es in Talkshows häufig so schwarz-
rell gedacht war. Außerdem sehen wir uns als ChristInnen         weiß tun. Darin sehe ich für uns als ChristInnen tatsächlich
als Leib Christi. Dieses Bild des Leibes zeigt eigentlich das    eine große Chance. Es mag sicherlich wehtun, Rassismus
Gegenteil dessen, was Rassismus ist: Das Rassismus-Sys-          bei sich selbst zu erkennen. Es mag schwer sein, die Din-
tem will Menschen voneinander trennen, während das               ge anders zu betrachten, als wir es gewohnt sind. Wenn ich
Bild des Leibes zeigt, dass wir gar nicht zu trennen sind.       mir aber vor Augen führe, dass uns im rassistischen System
Wir sind alle gemeinsam der Leib Christi, und wenn ein           alle eine kollektive Schuld trifft, weil wir rassistisch geprägt
Teil erkrankt, leiden alle Teile. So sehe ich das auch mit dem   wurden, noch bevor wir uns dessen bewusst waren, dann
Rassismus selbst: Keine / Keiner von uns hat sich die Rolle      können wir das sicherlich besser aushalten, indem wir uns
in dieser Welt ausgesucht. Weiße Menschen haben es sich          selbst der Gnade bewusst sind, dank derer wir miteinander
nicht ausgesucht, vom Rassismus zu profitieren, und People       ins Gespräch kommen, und dann eine gnädige Haltung
of Color haben es sich nicht ausgesucht, durch Rassismus         gegenseitig einnehmen. So können wir gemeinsam Verant-
strukturell und individuell benachteiligt zu werden.             wortung übernehmen, uns verändern und die nachfolgen-
                                                                 den Generationen prägen und zu einer Kirche werden, von
Am Ende leiden wir alle unter diesen uns zugeschriebenen         der bereits Paulus, Martin Luther King und viele andere ge-
Rollen, wobei das Bild des Leibes uns helfen kann, dieses        träumt haben.

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YOU CAN
 ONLY BE
WHAT YOU
 CAN SEE   07
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COLOR
         THE
      WORLD
                     Salz & Pfeffer                                                  Hautfarbenstifte

Was als Duo den Esstisch geschmackvoll ziert, schafft es im       Es gibt einen Stift für die Hautfarbe. Meistens rosa. So war
übertragenen Sinne auch ins Jackett. Die typisch schräge,         das, wenn man aus dem mittleren bis nördlichen Europa
treppen- oder stufenförmige, sehr kleine Musterung wird           kam oder aus Nordamerika. Dort, wo die Menschen eben
durch eine besondere Webtechnik erreicht. Die Fil à Fil-Tech-     tendenziell eine sehr helle Haut haben. Und die anderen?
nik (franz. „Faden an Faden“) verwendet helle und dunkle          Wieso haben sie keinen Hautfarbenstift? Italiener, Syrer,
Kett- und Schussfäden im Wechsel. Dadurch ergibt sich eine        Nordafrikaner, Kenianer, Chinesen, Mexikaner … So ein
aus der Distanz eher graue, bei näherer Betrachtung regel-        Blödsinn, dachten sich einige Stiftehersteller und brachten
mäßig abwechselnde Schwarzweiß-Textur, die auch Pfeffer           jüngst ein Stifte-Potpourri heraus, mit allen Hautfarben der
und Salz genannt wird. Genug des Textils, taucht das Pfef-        Menschen auf dieser Erde. Von hellem Rosa über zahlreiche
fer-Salz-Muster doch auch noch in ganz anderen Zusam-             Brauntöne bis zum Beinahe-Schwarz. Manche Editionen be-
menhängen auf. So gibt es nicht nur eine polyzystische Nie-       inhalten sogar strahlendes Weiß und echtes Tiefschwarz,
renerkrankung, die im Ultraschall ganz offiziell ein              um auch die letzten Mischtöne aufs Papier zu zaubern. Denn
Pfeffer-Salz-Muster aufweist. 1882 wurde überdies ein pin-        natürlich sollten alle Kinder alle Hautfarben kennen – nun
scherartiger Schnauzer in Pfeffer-Salz-Fellfarbe gezüchtet.       gibt es auch die passenden Stifte dazu. Damit sind diese
Und last but not least gibt es übrigens auch ein (w)irres Bild,   Stifte ein beinahe spielerischer Zugang zu einem gewachse-
wenn Pfeffer- und Salzstreuer umgeworfen werden und               nen Bewusstsein für Alltagsrassismus und Diskriminie-
ihre schwarzweiße Pracht verteilen. Netter Abschluss: Wer-        rung. „Die Welt ist vielfarbig“ wollen diese in Holz gegosse-
den im Textil hellbraune und dunkelbraune Fäden verwen-           nen Farben rufen. Sie ist nicht nur rosa, sie ist nicht
det, ergibt das ein Zucker-und-Zimt-Muster. Auch lecker.          schwarzweiß, sie ist bunt. Es sind ja auch Buntstifte. Eine

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STREIFLICHTER

                                                              tailwahrnehmung, Kreativität, Empathie ... die Liste ist
                                                              lang. Und: Etwa 4 Prozent der Bevölkerung weisen mindes-
                                                              tens eine Form von Synästhesie auf. Wer sich diesen Text
                                                              also genüsslich auf der Zunge zergehen lässt, befindet sich
                                                              in guter Gesellschaft.

                                                                                  Superschwarz

                                                              Die britische Firma Surrey NanoSystems hat das schwärzes-
                                                              te Schwarz aller Zeiten entwickelt. Das klingt skurril – und
                                                              das ist es auch. Diese Farbe besteht aus gerichteten Koh-
                                                              lenstoffnanoröhren, die in der Messtechnik für die Raum-
                                                              fahrt und das Militärwesen entwickelt wurden. Normale
                                                              schwarze Farbe ist nur schwarz. Wenn man hingegen Su-
                                                              perschwarz auf einer Fläche aufstreicht, verschwindet der
                                                              angemalte Bereich scheinbar und wirkt wie eine irritierende
                                                              Sinnentäuschung. Um diesen Effekt umzusetzen, absorbiert
                                                              diese Farbe 99,965 Prozent des einfallenden sichtbaren Lichts
                                                              und zudem noch die Ultraviolett- und die Infrarotstrahlung.
gute Entwicklung und einfach nur schöne Farben. Egal ob       Und wofür der dunkle Spuk? Teleskope, Infrarotscanner
daraus ein schlohweißes Gesicht oder ein braun-gelbes Ze-     und Kameras können hiermit ihre Leistung steigern. Es ist
bra wird.                                                     also eine absolute Spezialfarbe. Für den Malkasten dürfte
                                                              die Farbe auch zu teuer sein.
             Hör mal, wie das riecht!
                                                                                     Superweiß
Es gibt Menschen, deren Sinne von der gängigen Wahrneh-
mung abweichen. Sie können Farben hören, Wörter schme-        Forscher der Purdue Universität im US-Bundesstaat Indiana
cken, Gerüche sehen, Töne fühlen und vieles mehr. Bei den     haben ein neues „ultra-white“ hergestellt. Dieses Weiß ist so
sogenannten SynästhetInnen sind verschiedene Gehirn-          hell, dass es beinahe 100 Prozent des Sonnenlichts reflek-
areale auf besondere Art und Weise miteinander verbun-        tiert. Dadurch können Oberflächen, Wände oder Häuserdä-
den. Die Synästhesie ist aber keine Krankheit, sondern eine   cher gekühlt werden. Und genau das ist auch der Sinn der
physiologische Variante menschlichen Bewusstseins. Im         Farbe: Energieeinsparung. Ein mit diesem Weiß angestri-
Grunde sind alle Babys nach der Geburt SynästhetInnen,        chenes Dach benötigt keine Klimaanlage mehr. Normales
erst im Alter von etwa 3 Monaten differenzieren sich die      Weiß aus dem Baumarkt reflektiert nur etwa 80 bis 90 Pro-
Sinne des Menschen. Bei SynästhetInnen bleiben vereinzel-     zent des Lichts. Das US-Weiß kommt auf 98,1 Prozent. Die
te frühkindliche Hirnstrukturen bestehen. Und das hat         Wissenschaftler schaffen das mit Bariumsulfat, das man aus
scheinbar viel mehr Vor- als Nachteile, besitzen sie doch     Schwefelsäure gewinnt und das auch in Fotopapier verwen-
oftmals eine erhöhte Merkfähigkeit, Vorstellungskraft, De-    det wird. Klingt nach einem echten weißen Riesen.

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waffen
                                   stillstand
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                                                                  Jahre gedauert, bis sie wusste, dass sie eine
                                                                  Borderline-Störung besitzt, und noch viel
                                                                  mehr Jahre, gut damit zu leben.

 I
        ch hatte damals eigentlich nur einen Wunsch: Ich woll-               Fatale Aufgabenverteilung
        te Busfahrerin werden, aber das hat nicht geklappt,
        weil ich wusste, dass man dafür ärztliche Untersu-        „Ich habe ganz am Anfang, mit 13, als ich noch nicht wusste,
        chungen braucht und einen Führerschein, irgendwie         was mit mir los war, damit angefangen, mich selbst zu ver-
wurde das nichts.“ Ein offenes Gesicht blickt mich an, die wei-   letzen. Wenn ich angespannt oder traurig war oder Stress
chen Züge formen ein sympathisches Lächeln, die Worte sind        mit Leuten hatte, die mir nahestanden, dann habe ich mich
klar und leicht. Vor mir sitzt eine Frau, mit der ich im Vor-     geschnitten – das ist, was man Ritzen nennt.“ Es gibt für
feld geschrieben habe, mit der ich telefonierte und die mich      Christina einen Auslöser – den Tod des Onkels. Er war ihre
irgendwann zu diesem Gespräch einlud. Also fahre ich nach         Vertrauensperson, das Zentrum. Die Eltern arbeiteten auf
Moers und treffe Christina Mahlmann (34)* in ihrer Wohnung.       der Kirmes, er gab ihr Halt. Die Mutter verfiel nach dem
Neben ihr sitzt eine Freundin, der Lebensgefährte kümmert         Tod des Bruders in eine Depression und konnte Christina
sich um drei umherflitzende Kinder. Gleich geht er mit ihnen      und ihre jüngere Schwester nicht mehr stützen. Also küm-
spazieren. Kleine Fotos von Freunden und der Familie bieten       merte sich die 13-Jährige um ihre kleine Schwester und die
etwas Abwechslung auf den weißen Wänden. Bunte Stofftiere         Mutter gleichermaßen. Essen kochen, Hausaufgaben über-
säumen die Couch, der Fernseher läuft. Wir setzen uns. Und        prüfen – eine zweifelhafte Welt für die Heranwachsende.
Christina Mahlmann beginnt ohne Umschweife zu erzählen.           Der Vater bekam davon zunächst nichts mit, und als er es
Sie erzählt von ihrem Leben, der Familie, von den ersten Sym-     irgendwann doch bemerkte, trennte er sich von seiner Fa-
ptomen und damit von ihrer bisweilen unheimlichen Reise           milie. In dieser Zeit begannen die ersten Schnitte. „Meine
durch eine oftmals tatsächlich schwarzweiße Zeit.                 Eltern haben durch meine Vertrauenslehrerin erfahren, dass

*Name von der Redaktion geändert                                                                                           11
„Offenbar erleben
      BorderlinerInnen
     eine hohe Intensität
      an Gefühlen und
        Stimmungen.“
               Oberärztin
     Christine Lawaczeck-Matkares

ich mich selbst verletze, waren auch      Emotionen, im Selbstbild und in der        besitzen. Das sind rund 3,5 Millio-
mit mir bei Kinder- und Jugendpsy-        Stimmung. Das vielzitierte Leben in        nen Menschen. Damit handelt es sich
chologen. Viel geholfen hat es nicht.“    schwarzweiß. Häufig kommt dann             um eine der häufigsten psychischen
                                          noch eine starke Impulsivität dazu.        Erkrankungen überhaupt, deren Be-
            Detailblick                   „Diese Verdichtung an Gefühlen löst        handlung im Jahr rund vier Milliarden
                                          eine hohe Anspannung bei den Pati-         Euro kostet.
Ein zweiter Besuch, diesmal in der        entInnen aus, die kaum auszuhalten
Kinder- und Jugendpsychiatrie der         ist und damit natürlich als große Be-               Selbsthass pur
LWL Klinik Marl-Sinsen, rahmt diese       lastung empfunden wird. Symptome
Geschichte ein. Dort hat man sich be-     in der Störung führen dann leider zu       Mit dem Tod des Onkels kam die
reits vor Jahren auf die Behandlung       dysfunktionalen        Verhaltensweisen,   Trauer, dazu die Pubertät, obendrein
der Borderline-Störung bei Jugendli-      wie die Selbstschädigung oder Selbst-      das Mobbing in der Schule. Christina
chen spezialisiert. Gemeinsam mit der     verletzung, um diese hohen Anspan-         Mahlmann war schon als Kind über-
Stationsärztin Lena Berning startet die   nungszustände irgendwie auszuhalten        gewichtig und wurde gehänselt – so
Oberärztin Christine Lawaczeck-Mat-       oder sogar zu reduzieren“, erklärt La-     nannte man das früher. „Im Sport wur-
kares einen Erklärungsversuch, wo-        waczeck-Matkares. Seit vielen Jahren       den mir Bälle an den Kopf geworfen,
rum es bei der Borderline-Störung         kümmert sie sich um diese Persönlich-      im Schwimmunterricht wurde ich
eigentlich geht. Offenbar erleben Bor-    keitsstörung bei Jugendlichen und er-      unter Wasser gezogen. Und die Leh-
derlinerInnen eine hohe Intensität an     klärt weiter, dass – je nach Studienlage   rerin, die wir hatten, wurde von den
Gefühlen und Stimmungen. Zugleich         – zwischen drei und sechs Prozent al-      Zehntklässlern selbst immer geärgert,
gibt es starke Schwankungen in den        ler Menschen eine Borderline-Störung       an den Haaren gezogen und mit Kau-

12
gummi beworfen.“ Sie wechselte die Hauptschule, machte          Sexualität (Promiskuität) aus. In allen Fällen geht es um
ihren Schulabschluss und jobbte dann – wie ihre Eltern –        Selbstschädigung. „In der Situation wird der Schmerz gar
auf der Kirmes. Zwischen Entenangeln, Kinderkarussell           nicht empfunden. D. h., wenn die Verletzung erfolgt, gibt
und Süßwaren stand eine junge Frau, die heute von sich          es keinen plötzlichen Schmerz, stattdessen lösen die En-
sagt, dass sie sich damals gehasst hat. Es vergingen Monate,    dorphine ein regelrechtes Glücksgefühl aus. Der Schmerz
Jahre, sie lernte einen jungen Mann kennen und wurde mit        kommt erst später. Die Patienten erleben also erst einmal
18 schwanger. Sie alle, die Mutter, die kleine Schwester, der   eine Entlastung und keine zusätzliche Belastung“, weiß Sta-
Vater der Neugeborenen und Christina selbst lebten nun          tionsärztin Lena Berning. Die Belastung kommt danach und
gemeinsam in der Wohnung der Mutter. Die Situation eska-        ist von Schuld- und Schamgefühlen geprägt, weil klar ist,
lierte und neben den Selbstverletzungen kamen nun auch          dass die Selbstverletzung schadet. Ein Kreislauf.
drei Suizidversuche dazu und damit der endgültige Schritt
in die Psychiatrie. Und hier endlich bekam sie ihre Diagno-                          Kehrtwende
se: Borderline-Störung.
                                                                Christina Mahlmann trennt sich vom Vater ihres Kindes
           Die Chemie des Schmerzes                             und macht eine für Borderline-PatientInnen entwickelte
                                                                Verhaltenstherapie. Diese Dialektisch-Behaviorale Therapie
Es gibt nicht die eine Selbstschädigung bei einer Border-       (DBT) verbindet klassische Ansätze der Verhaltenstherapie
line-Störung. Tatsächlich gibt es Menschen, die sich mit        und weitere Elemente, vor allem aus dem Zen-Buddhismus,
scharfen Messern verletzen (ritzen), andere greifen zu Dro-     aber auch Fragmente aus der Gestalttherapie, körperorien-
gen und/oder Alkohol, manche fahren lebensgefährlich-ex-        tierten Verfahren und der Hypnotherapie. Es geht um Acht-
zessiv Auto, wieder andere leben eine extrem wechselhafte       samkeit, den Umgang mit Gefühlen, zwischenmenschliche

                                                                                                                        13
Fertigkeiten, Stresstoleranz und Selbstwert. Ein allumfas-        Laufe des Älterwerdens zwar abnimmt, aber nie verschwin-
sender Ansatz. „Ich habe dort echte Skills gelernt und auch,      det. „Ich sage zu meiner Therapeutin immer: Ich habe mit
wie ich mich wahrnehme, reflektiere und mit anderen kom-          mir einen Waffenstillstand, der seit ein paar Jahren relativ
muniziere“, erklärt Mahlmann die Therapie. Und die war            erfolgreich ist. Ich mag mich in vielen Situationen immer
gut, aber irgendwann vorbei und dann stand sie wieder vor         noch nicht besonders, aber ich mache mich nicht mehr so
den Scherben ihres Alltags. In einer Selbsthilfegruppe fand       fertig wie früher“, schließt Christina Mahlmann. Sie lächelt,
sie schließlich den Halt, den sie so lange gesucht hatte. Jetzt   die blasse Haut hat sich rosa gefärbt, die Augen strahlen.
endlich zieht das Leben an. Sie besucht ein Bewerbungs-           Diese Frau hat ihren Erfolg mehr als verdient. So wie alle
training, erklärt dort einem Juristen, was sie schon immer        BorderlinerInnen.
werden wollte und plötzlich öffnen sich Wege. 2016 machte
sie den Busführerschein und ist nun wirklich das, was sie
immer sein wollte. Busfahrerin in Festanstellung.
                                                                            „Ich sag zu meiner
              Leben mit schwarzweiß
                                                                           Therapeutin immer:
Happy End? Fast. Die Borderline-Störung ist therapierbar,
je früher desto besser. Aber es bedarf weiterer Forschung
                                                                          Ich habe mit mir einen
und altersübergreifender Studien. Die Borderline-Störung                    Waffenstillstand ...“
hat mehr Aufmerksamkeit verdient, weil nicht nur die mo-
tivierten Therapeuten zeigen, dass es einen Ausweg gibt,
auch wenn die Symptomatik der Borderline-Störung im

14
EIN
LEBEN IN
SCHWARZ
UND
WEISS

           15
WHATEVER
     HAPPENS,
     JUST KEEP
      SMILING

16
Dr. Benjamin Eisenberg
                      Seit vielen Jahren 25 geblieben / Bottroper Kabarettist
                                              { Kammerkonzertsaal, Bottrop }

U
            m es auf den Punkt zu bringen: Ich finde das Gen-   öffentlich dagegen aus. Ich kann es kurz skizzieren: Es fing
            dern albern, wobei die Themen politische Korrekt-   damit an, dass man erst „Bürgerinnen und Bürger“ sagte.
            heit und die Grundidee unzweifelhaft gut sind.      Das ist auch völlig in Ordnung, auch wenn es bereits in der
Ich möchte auch nicht, dass Menschen für irgendwelche           Schriftsprache umständlich wird. Dann kamen Schrägstrich
Merkmale diskriminiert werden. Ich glaube aber, dass eine       und Bindestrich dazu, um das Anhängsel „-innen“ dahinter
Änderung der Sprache die Realität nicht ändert. Und das         zu schreiben. Das war eine Zeit lang okay, und dann hat man
hat sich auch mit einer Frau als Ex-Bundeskanzlerin nicht       das -Innen eingeführt, worauf nach einiger Zeit tatsächlich
geändert. Frauen verdienen beispielsweise immer noch zu         das Argument kam, dieses sei sexistisch, weil das große I
wenig. Also: Setzt die Gleichberechtigung endlich durch.        ein Phallussymbol darstelle. Bei solchen Argumentationen
Frauen bekommen das Gleiche wie Männer. Basta. Für mich         schalte ich echt ab, weil ich vernünftig reden möchte. Und
stellt sich die Frage heutzutage gar nicht mehr.                dann hat man irgendwann das Sternchen in den Diskurs ge-
                                                                worfen. Mittlerweile ist man beim Doppelpunkt angekom-
Aus meiner Sicht erreicht man mit dem Gendern sogar das         men, weil er für die Blindenschrift und auch für die maschi-
genaue Gegenteil. Wenn man den Leuten vorschreibt, ihr          nelle Verarbeitung einfacher ist. Und das ist auch für mich
müsst so oder so reden, dann entwickeln sie eine Antihal-       übrigens die erträglichste Form. Albern ist sie trotzdem.
tung, bei der sie erst recht nicht mitmachen. Das ist zumin-
dest meine Erfahrung. Außerdem kenne ich viele Frauen,
die selbst die Augen verdrehen, wenn jemand gendert. Zu-
                                                                    „Wie viele Minderheiten will man
mindest die legen da keinen Wert drauf. Es gibt übrigens                 denn noch extra benennen?
Studien, nach denen 71 Prozent der Deutschen das Gendern
ablehnen. Also schreibt es ihnen nicht vor. Die meisten wol-            Wie viele Sonderzeichen will
len es einfach nicht.                                                          ich noch einführen?“
Wenn ich möchte, dass alle gleich sind, warum brauche ich
dann eine besondere Grammatik für diese Gruppen? Für
die geschlechtsneutrale Darstellung haben wir das generi-
sche Maskulinum. Wie viele Minderheiten will man denn
noch extra benennen? Wie viele Sonderzeichen will ich noch
einführen? Da gibt es Menschen, die ihre Hautfarbe mit ih-
rem Zeichen definiert haben wollen. Und dann? Ich habe
rote Haare, ich will auch ein Extra-Zeichen?

Was bringt es den Frauen in Deutschland, wenn öffentlich
gegendert wird und sie zu Hause immer noch das Klo put-
zen müssen? Die Realität ändert sich dadurch überhaupt
nicht.

Ich als Kabarettist thematisiere die Genderthematik na-
türlich in meinem Programm und spreche mich auch dort

                                                                                                                         17
Prof. Dr.-Ing. Susanne Staude
         51 Jahre / Präsidentin der Hochschule Ruhr West (Bottrop + Mülheim)
                                                    { Campus Mülheim }

F
       inde ich das Gendern gut? Nun, ich bin eine Befür-
       worterin des Genderns. „Gut“ klingt so ähnlich wie
       „schön“, und schön finde ich das Gendern oftmals
nicht. Praktischer wäre es, wir würden in England wohnen,
dann müssten wir uns viel weniger Gedanken machen,
weil die Geschlechterzuordnung dort höchstens in den Per-
sonalpronomen auftaucht.

Ich bin Ingenieurin, und wenn wir über Ingenieure spre-
chen, dann assoziieren wir damit vor allem Männer. Das
ist wissenschaftlich auch seit Langem nachgewiesen. Man
kann argumentieren, dass das generische Maskulinum
grammatikalisch was ganz anderes ist als das Geschlecht
von Personen. Aber das trennt unser Kopf nicht. Unsere
Assoziationen folgen nun mal keiner sprachwissenschaft-
lichen Abhandlung, sondern wir assoziieren frei. Da sind              „Ich bin Ingenieurin, und wenn
Ingenieure Männer, egal, ob wir Frauen mitmeinen oder             wir über Ingenieure sprechen, dann
nicht.
                                                                      assoziieren wir damit vor allem
Es gibt umgekehrt Berufe, die früher nur in der weiblichen
Form auftraten, zum Beispiel die Krankenschwester. Seit-
                                                                                       Männer.“
dem wir wollen, dass mehr Männer in diesem Bereich ar-
beiten, sprechen wir nicht mehr von der Krankenschwester,       Übrigens können wir unseren Lehrenden nicht vorschrei-
sondern vom Krankenpfleger. Das ist doch skurril. Wenn          ben, wie sie sprechen, dann müssten wir ja jede Äußerung
wir auch Männer ansprechen wollen, dann gibt es auf ein-        kontrollieren. Das geht gar nicht. Aber wir haben natürlich
mal einen männlichen Ausdruck, aber andersherum ist es          eine Haltung, in der wir respektvoll mit allen umgehen.
nicht möglich?                                                  Dazu gehört für mich, dass wir wirklich versuchen, alle
                                                                Menschen einzubeziehen.
Ein Beispiel aus eigener Erfahrung: Als ich hier als Präsi-
dentin anfing, wurde ich einem Lehrbeauftragten nur mit         Ich mache es meistens so, dass ich beides ausspreche,
meinem Namen und ohne Titel und Funktion vorgestellt.           manchmal auch mit Genderpause – also: Student(Pause)
Und der wollte mir erst einmal irgendwelche Papiere ge-         innen. Das fällt mir auch noch ein bisschen schwer, ist aber
ben, damit ich diese als Sekretärin für ihn sortiere. Das war   reine Übungssache. Ich finde es übrigens am elegantesten,
2010. Diese Stereotypen existieren noch. Ich glaube, wenn       wenn man versucht, Wörter zu vermeiden, die geschlechts-
wir die aufbrechen wollen, dann auch über die Sprache.          spezifisch sind. Wir reden also nicht mehr von StudentIn-
Ich kann nachvollziehen, dass einem das mit Sternchen,          nen, sondern von Studierenden. Dann ist es egal. Und ich
Strich oder großem I hässlich vorkommt. Ich finde aber die      spreche auch nicht mehr von ProfessorInnen, sondern von
geschriebene Form mit Doppelpunkt eigentlich ganz nett.         Profs, das ist schön einfach. Da kann man ruhig ein biss-
Und wir als Hochschule machen das konsequent.                   chen kreativ sein.

18
Ihre Meinung                                                                                         Leserbriefe
Seit der ersten einwort-Ausgabe erhalten wir Rückmeldungen von unseren
LeserInnen. Briefe, die wir gerne (gekürzt) abdrucken.                                               Offen und ehrlich

01 / „Ich bin beeindruckt, dass Sie immer spannende                      nicht unüblich, von Thema zu Thema zu hüpfen und so nur
Heft-Themen finden, eine Mischung an Beiträgen zusam-                    an der Oberfläche zu bleiben. Dass Gott in all diesen The-
mentragen, die Freude macht, wenn man sie liest. Sie                     men eine wichtige Rolle spielt, überrascht bei einem christ-
machen es echt gut.“                                                     lichen Magazin nicht, ist aber für mich ebenso wohltuend
Barbara Smielowski, Bochum                                               zu lesen. Denn es entspricht meinem Glauben und viel zu
                                                                         häufig habe ich das Gefühl, dass die Dimension Gott in den
02 / „Auf diesem Wege möchten wir Ihnen unseren herz-                    Dingen viel zu kurz kommt. Das ist im einwort-Magazin
lichen Glückwunsch zu der gelungenen Ausgabe des                         nicht so. Dabei wirkt die ‚Gott-Dimension‘ hier nicht wie
Magazins einwort aussprechen. Das Magazin lag heute bei                  ein evangelischer Schlagbohrer, sondern eher als Einla-
uns im Briefkasten und hat uns sehr positiv überrascht.                  dung, Gott in den Dingen zu sehen und seine Unterstüt-
Inhaltlich hat uns die vielseitige Themenauswahl und der                 zung anzunehmen. Ich freue mich auf jede Ausgabe und
inspirierende Ton gefallen, der zu keinem Zeitpunkt beleh-               entdecke immer wieder neue Gedanken zu den Dingen, die
rend wirkt. Auch gestalterisch genügt das Magazin hohen                  dort besprochen werden. Als Hobbyfotograf ist mir auch
Ansprüchen. Wir wünschen Ihnen bei Ihrer Tätigkeit wei-                  die besondere Foto-Ästhetik eine Freude. Sie unterstreicht
terhin viel Kraft und Freude.“                                           die hohe Wertigkeit der Aufmachung und unterstützt die
Lara Prevolnik und Marco Boksteen, Bottrop                               Texte optimal.“
                                                                         Michael Horst, Diakonisches Werk Gladbeck-Bottrop-Dorsten
03 / „Das einwort-Magazin der Evangelischen Kirchen-
gemeinde Bottrop ist sehr außergewöhnlich. Neben der                     04 / „Feedback ist wichtig und um ein solches Magazin zu
modernen und sehr attraktiven Aufmachung ist es vor                      erstellen, es ansprechend für jedermann zu halten, es aktu-
allem der Inhalt, der beeindruckt. Komprimiert auf ein                   ell und zeitgemäß zu gestalten, braucht es auch Menschen,
Leitwort wie Liebe oder Morgen, beleuchtet das Magazin                   die ein Feedback zum Ausdruck bringen. Dies möchte ich
die unterschiedlichen Dimensionen des jeweiligen Wor-                    hiermit nun tun, denn ich bin sehr angetan von einwort.
tes. Hierbei kommen BottroperInnen genauso zu Wort wie                   Ein Wort bewegt so vieles in uns und es macht Freude, beim
überregionale Experten. Die Texte sind gut recherchiert                  Lesen der Artikel auf die gleichen, aber auch manchmal auf
und sehr ansprechend geschrieben. Im täglichen Lesed-                    gänzlich andere Blickwinkel zu stoßen als die, die ich selbst
schungel stellt das einwort-Magazin eine echte Wohltat dar,              habe. Einwort bewegt und gibt uns die Möglichkeit, uns zu
weil es mich entschleunigt und einlädt, mich auf eine kurze              bewegen. Ein tolles, sehr gut recherchiertes und anspre-
Reise in die Bedeutungsdimensionen von Worten einzu-                     chendes Magazin, christlich und modern, ansprechend für
lassen und mir so häufig ihre wirkliche Tiefe vor Augen                  Jung und Alt und alle dazwischen. Ganz anders als das
führt. Es tut gut, sich die Zeit zu nehmen, mal ‚nur‘ über               ‚Kirchenblättchen‘ von gestern …“
eine Sache Gedanken zu machen und nicht, wie im Alltag                   Anja Surmann, Kirchhellen

                                                                                                                                     19
Colour of the year 2022

          PANTONE®                            PANTONE®                             PANTONE®                        PANTONE®
          17-3938                             15-1905                              14-1905                         14-1330
          Very Peri                           Burnished Lilac                      Lotus                           Muted Clay

          PANTONE®                            PANTONE®                             PANTONE®                        PANTONE®
          14-0626                             16-5907                              18-1718                         17-1605
          Dried Moss                          Granite Green                        Hawthorn Rose                   Elderberry

     Colour Harmonies
     Eine komplementäre Farbpalette, deren Farben sich gegenseitig durch das natürliche Gleichgewicht
     von warmen und kühlen Tönen unterstützen und verstärken.

     Pantone® Matching System
     Das Unternehmen Pantone® fertigte ursprünglich Farbkarten für die Kosmetik- und Modebranche an. Lawrence Herbert, der
     seit 1956 Angestellter des Unternehmens war, kaufte 1962 die Firma und begann mit der Entwicklung eines eigenen Systems
     zur Farbauswahl, das er 1963 als Pantone® Matching System auf den Markt brachte. Das Pantone Matching System beruht
     auf 18 Basisfarben, die in verschiedenen Farbanteilen miteinander gemischt alle weiteren Farben des Systems ergeben.
     Es hat sich weltweit in der Design- und Druckbranche im Bereich der Sonderfarben etabliert.

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T E XT : L . K R E N G E L , P FA R R E R I N

                              Ein|deu|tig|kei|ten
                Mit schwarzweiß hat das gar nichts zu tun. Gott sei Dank!

Ich bekenne freimütig: Ich mag             die ganze Farbpalette geben. In aller                 auch gesagt, wie es geht:
schwarzweiß. Nicht nur, was die            Fülle und Pracht!
Optik betrifft. Sondern auch als Denk-                                                           „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben
ansatz. Ob es an meinen Fernsehge-         „Es spielt keine Rolle mehr, ob ihr Juden             mit deinem ganzen Herzen, mit deiner
wohnheiten als Kind liegt, lässt sich      seid oder Griechen, Sklaven oder freie                ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und
heute wahrscheinlich nicht mehr mit        Menschen, Männer oder Frauen. Denn                    mit deinem ganzen Denken. Und: Liebe
Sicherheit sagen. Aber ich mag ein-        durch eure Verbindung mit Christus Jesus              deinen Mitmenschen wie dich selbst.“
fache, klare Antworten. Eindeutig-         seid ihr alle wie ein Mensch geworden.“               (Lukas 10,27)
keiten. Offene Bekenntnisse. Ent-          (Galater 3,28)
scheidungen. Für oder gegen etwas.                                                               Damit ist eigentlich alles gesagt. Uns
Schwarz oder weiß. Das macht vieles        Ich übe mich darin. Jeden Tag neu.                    ist alles gesagt. Wusste auch schon
einfacher, leichter, überschaubarer.       Mal gelingt es besser, mal schlechter.                mein Lieblingsprophet aus dem Alten
Zumindest für mich. Mit einem „Ja,         Leben eben. Einer, von dem man das                    Testament, Micha:
vielleicht …“ oder „das lässt sich nicht   „Farben sehen“ lernen kann, ist nie-
so klar sagen“ gebe ich mich deshalb       mand anderes als Jesus selbst. Er war                 „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist
nicht gerne zufrieden. Und kann es         einer, der die Farben gesehen hat. Und                und was der Herr von dir fordert, nämlich
mitunter nur schwer aushalten.             zwar alle! Auch dann, wenn alle ande-                 Gottes Wort halten und Liebe üben und
                                           ren längst schwarzgesehen haben. Bei                  demütig sein vor deinem Gott.“
Dabei weiß ich natürlich, dass unsere      Zachäus, dem Zöllner. Bei der Frau,                   (Micha 6,8)
Welt nicht schwarzweiß ist. Wahr-          die beim Ehebruch überrascht worden
scheinlich niemals gewesen ist. Und        war und bei der die ersten schon die                  Herrlich eindeutig. So mag ich das!
meine Erfahrung sagt mir immer wie-        Steine zur Hand genommen hatten.                      Mit schwarzweiß hat das gar nichts zu
der neu, dass keinem Konflikt, keinem      Jesus konnte sogar dafür sorgen, dass                 tun. Gott sei Dank! Sondern mit Liebe,
Problem, keiner Auseinandersetzung         auch Blinde wieder Farben sehen.                      Zuneigung, Vertrauen, Hoffnung,
beizukommen ist mit Schwarzweiß.                                                                 Zuversicht, Mut, Courage, Gemein-
Wenn es ums Miteinander geht, ums          Er hat vorgemacht, wie es ist, bunt                   schaft ... All die Dinge, die unser
Lieben, ums Leben, dann kann es nur        und vielfältig zu leben. Und er hat                   Leben bunt machen.

                                                                                                                                       21
EHRENSACHE
         In Deutschland üben 23 Millionen Menschen ein Ehrenamt aus.
     Sie engagieren sich freiwillig und übernehmen wichtige gesellschaftliche
                  Aufgaben. Auch in unserer Kirchengemeinde.

Anja Hoppe                                Christopher Wittmers                     Rüdiger Hoffmann
37 Jahre                                  47 Jahre                                 59 Jahre

Als Jugendliche ist sie mit der           Bereits mit 16 Jahren hat Christopher    Die Freundschaft zur ehemaligen
Gemeinde in die Ferien gefahren und       Wittmers im Fuhlenbrock ehrenamt-        Bottroper Pfarrerin Anne Hanhörster
war bei den Puellas in der ehemaligen     lich gearbeitet und dort vor allem       und der Kontakt zum damals frisch
Casa – einer waschechten Mädchen-         zahlreiche Jugendfreizeiten begleitet.   gewählten Pfarr-Ehepaar Rödel hat
gruppe. 2013 stieß sie als Sängerin zu    Später schloss er beinahe sein           ihn vor rund 20 Jahren ins Ehrenamt
den Martin-Gospel-Singers. Wenig          Studium der ev. Theologie ab, die        geführt. Bis heute ist er nicht nur im
später veranstaltete Hoppe dann den       endlose Wartezeit aufs Vikariat          Kindergottesdienst-Vorbereitungs-
ersten Mitsing-Abend. Die Gemeinde        sorgte jedoch für einen Studienwech-     kreis, sondern auch im Bezirksaus-
wünscht sich was, sie singt. Dazu         sel in die Sozialwissenschaft. 1998      schuss Kirchhellen aktiv. Darüber
kamen dann später noch ein Wor-           übernahm er bis 2018 die Veranstal-      hinaus begleitet er die Familiengottes-
ship-Ensemble namens Fo(u)r Fun           tung „Heilig Abend nicht allein“. Seit   dienste mit der Gitarre, kümmert sich
und das Bandprojekt Rise. Und last        2009 ist er Mitglied des Presbyteri-     um die Adventsfenster und bereitet
but not least ist sie im Musikausschuss   ums, seit 2017 zudem Finanzkirch-        die Nimm-Dir-Zeit-Gottesdienste am
des Altstadtbezirks tätig.                meister.                                 Samstagabend vor.

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Anja Hoppe                          Christopher Wittmers                         Rüdiger Hoffmann

         Es ist eine tolle                      Schwarzweiß spielt in                  Wenn ich über schwarzweiß
      Herausforderung für                     meinem Leben immer dann                  nachdenke, fällt mir zunächst
  jemanden, der gerne Musik                    eine Rolle, wenn ich mir                der Gegenpol ein – die Farbe.
   macht, mit Klangfarben zu                  einen alten Film angucke.                 Unsere Kindergottesdienste
   spielen, während die Töne                                                            sind so wunderschön bunt,
    faktisch auf dem Papier                                                            alleine die begleitende Fahne
          notiert sind.                                                                    ist herrlich vielfarbig.

    „Und damit sind wir mitten im               „Dort wird eine ganz besondere               „Und wir haben ja auch –
 Gegensatzpaar schwarzweiß – Farbe.            Stimmung vermittelt, die mir hilft,     ehrlicherweise eher vor Corona – mit
 Bis vor zwei Jahren konnte ich noch        mich ein Stück weit zurückzuversetzen.      den Kindern in der Katechesephase
   gar keine Noten lesen, jetzt lerne         Filme von gestern eben. Schindlers        viel gebastelt. Da ging es natürlich
 ich das Notenlesen. Und Noten sind          Liste könnte man sich kaum in Farbe              ebenfalls richtig bunt zu.
wirklich schwarzweiß und starr. Aber           vorstellen. Zugleich genieße ich es
sobald man anfängt, den Tönen Leben          natürlich, dass wir heute eine farbige,   Beim Schwarzweiß-Denken bemerke
 einzuhauchen, haben diese Töne alle        bunte Welt haben, die uns sichtbar viele     ich, dass gerade in der Coronazeit
       Farben des Regenbogens.              Möglichkeiten bietet. Zugleich erlauben       diese Denkmuster zugenommen
                                               beispielsweise Schwarzweiß-Fotos           haben. Geimpft – ungeimpft. Die
Es gibt also Personen, die die Sicherheit    einen unverstellten direkten Blick auf       einen sind schwarz, die anderen
    der feststehenden Note brauchen,          das Motiv, ohne ablenkende Farben.         weiß. Die Guten sind geimpft, die
  und es gibt jene, die die Freiheit der                                                 Schlechten sind ungeimpft. Dabei
    Improvisation suchen, so wie ich              Natürlich habe ich gerade als            gibt es durchaus Gründe, nicht
eigentlich. Ich gucke mir das Notenblatt    Finanzkirchmeister die Zahlen schwarz      geimpft werden zu können – das wäre
   an, der Ton geht runter, der andere       auf weiß. Damit findet ja ein massiver    schlichtweg ein Grauton. Abseits der
geht hoch, und dann mache ich es doch          Fokus auf die reinen Werte statt –             Verweigerer aus Prinzip.
            wieder nach Gehör.                  und das ist auch gut so. Dennoch
                                              habe ich innerhalb der Gremien und           Ich lese gerade ein Buch von
 Überhaupt ist die musikalische Arbeit          in der Gemeinde die Möglichkeit,         Ex-Beatle Paul McCartney über
  in der Gemeinde vielseitig und bunt.        diese Zahlen farbenfroh umzusetzen.        seine Lieder und die Geschichten
   Es gibt ja auch für jede Klangfarbe             Außerdem bietet die farbige         dahinter. Das Buch ist gespickt mit
    eine Entsprechung, zum Beispiel           Interpretation auch Spielräume, um         unveröffentlichten Schwarzweiß-
    den Gospel- und den Frauenchor,         aus Krisen herauszukommen. Während          Fotos. Ich finde es schade, dass ich
  die Kantorei, es gibt Musikgruppen,           die roten Zahlen den finanziellen      erst 1962 geboren wurde und damit
   Projekte, Workshops. Überall wird             Alarm signalisieren, können die          nie die Chance hatte, die Band
     gesungen. Und wenn man viele               bunten Zahlen für Offenheit und                    live zu sehen.
   Stimmen miteinander mischt, kann                   Möglichkeiten stehen.
  – wie bei den Farben im Malkasten –                                                     Daher bin schlicht begeistert,
etwas ganz Tolles dabei herauskommen.             Schwarzweiß hat so etwas                wenn ich dann in schwarzweiß
    Wenn man weiß, wie man richtig             endgültiges. Farbe zeigt da schon              sehe, wie er damals
                 mischt.“                             mehr Hoffnung.“                           komponiert hat.“

                                                                                                                           23
Schwarzweiße Denkmuster sind bequem. Lösung A ist richtig, Lösung
     B ist falsch. Ein Verhalten ist richtig, ein anderes falsch. Diskussionen,
          Streit, Kriege. Wie kommt es nur, dass wir so leidenschaftlich
                                   denkfaul sind?
24
S
        chrödingers Katze ist ein Denkmodell. Da sitzt eine      selben Zeit am selben Ort       das eine sein und nicht sein.
        Katze zusammen mit einem Fläschchen Gift in einem        Im Grunde heißt das nichts anderes als, es kann etwas nicht
        geschlossenen Karton. Der Betrachter steht außerhalb     richtig und falsch zugleich sein. Damit ist der große Grieche
und rätselt nun, ob die Katze schon tot oder noch lebendig       ein offizieller Begründer unseres so zweifelhaft selbstver-
ist. Strenggenommen ist sie – dem Modell folgend – beides.       ständlichen Schwarzweiß-Denkens. Zumindest hat er es als
Weil beides möglich ist. Niemand kann es sehen, damit            Erster präzise formuliert. „Der Idee folgend gibt es genau
kann niemand den innenliegenden Versuchsaufbau beob-             eine Wahrheit. Darum ist dieses Entweder-oder-Denken die
achten. Man kann nichts beweisen, man kann nichts wider-         Grundlage aller Konflikte und die Grundlage aller großen
legen. Natürlich ist die Katze nur eine Übertragung, denn        Kriege. Auch die ersten Kreuzzüge drehten sich um die Ent-
im Grunde ging es um ein fassbares Beispiel zur Beschrei-        weder-oder-Frage, denn es konnte nur einen Gott geben“,
bung eines Problems der Quantenmechanik, ob Licht nun            erklärt der bundesweit anerkannte, systemisch orientierte
aus Teilchen oder Wellen bestünde. Darüber stritten die bei-     Psychotherapeut Dr. Wilhelm Rotthaus. Rotthaus hat rund
den Physiker Schrödinger und Bohr vortrefflich und kamen         25 Bücher über Menschen in Systemen geschrieben. Auch
zum Schluss, dass beides stimmt. Licht ist ein Teilchen und      Familien sind Systeme – sein Fokusthema. Richtig und
eine Wellenlänge. Die Katze ist tot und lebendig. Es ist ein     falsch, Bestrafung und Lob sind Tagesthemen seiner Arbeit
Paradebeispiel für die beschränkte Gültigkeit binärer Denk-      und kein Rezept für ein erfolgreiches Miteinander.
modelle. Nicht nur die Naturwissenschaften haben in den
zurückliegenden Jahrzehnten endlose Male feststellen müs-                          Die Echokammer
sen, dass alte Theorien einer einfachen Sortierung nicht
mehr funktionieren. Die Welt ist – ob man will oder nicht        Schwarzweißes Denken ist eine heftige Vereinfachung, die
– bunter als schwarzweiß.                                        zugleich Sicherheit schafft. Es ist durchaus gut zu erkennen,
                                                                 dass A ein Angreifer ist – oder eben nicht. In solchen bei-
          Am Anfang war schwarzweiß                              nahe archaischen Situationen gibt es nur 1 oder 0. Und das
                                                                 ist zugleich die Grundlage für Auseinandersetzungen. Die
Dabei fing es so geistreich an, als Aristoteles seinen berühm-   wiederum sind grundsätzlich etwas Gewinnbringendes,
ten Satz vom Widerspruch formulierte: Es kann nicht zur          wenn man an der Meinung des anderen auch wirklich inte-

                                                                                                                          25
ressiert ist. Wenn ich aber die eine und damit einzige Wahr-     Mehr Meinung ist unerwünscht, gar anstrengend. Die Dis-
heit habe, bin ich an der anderen nicht mehr interessiert, es    kussion ist beendet, die Konvention fordert nur zu oft ihre
gibt gar keine Auseinandersetzung. Ein viel zu gängiges          Fortsetzung. Noch ein Wissenschaftler, der Atomphysiker
Modell unzähliger Menschen, nicht nur bei den offensicht-        Heisenberg, sagte: Das auf Descartes zurückzuführende
lich einfach zu gruppierenden Rechtspopulisten, die eine         Entweder-oder-Denken hat sich tief in den menschlichen
Meinung haben und gegen jede andere immun sind, weil             Geist eingenistet. Es wird noch sehr viel Zeit vergehen, bis
schließlich nur ihre stimmt. Beinahe jeder unterhält sich        sie durch eine wirklich andersartige Haltung gegenüber
lieber mit Menschen, die die eigene Meinung teilen. „Das         der Wirklichkeit ersetzt wird. Genau so wird es sein. Beim
ist erst einmal selbstbestätigend. Dafür gibt es die wunder-     Lesen der Zeilen werden Sie feststellen, dass Sie genügend
schöne Formulierung eines Lebens in der Echokammer.              Gründe für eine Zustimmung zum schwarzweißen Modell
Da kann man sich wunderbar fühlen.“ Man hört, was man            finden – in Ihrer eigenen Echokammer. Irgendwie folgt die-
hören will. Richtig und falsch.                                  sem offenbar uralten Ansatz das moderne Simplify-your-
                                                                 Life-Ideal. Mach ich es mir doch einfach mal einfach, indem
             Schwierige Zwischentöne                             ich das lebenserhaltende Schwarzweiß verfolge. Ist der Pilz
                                                                 essbar oder nicht? Ja, Nein. Basta.
Es fällt so leicht, in der Historie schlaue Menschen zu zitie-
ren, lagen sie doch offenbar immer so herrlich richtig. So                      Loblied auf die Einfachheit
sprach auch der Philosoph und Naturwissenschaftler René
Descartes davon, dass Körper und Geist zwei völlig ver-          Das Sowohl-als-auch-Denken erfordert hingegen die ehr-
schiedene Dinge seien. Störungen derselben seien daher           liche Lust auf ein wertschätzendes Gedankenmiteinander.
entweder körperlich oder psychisch. Der Streit, wann             Eitelkeiten, Hierarchiedenken, gelernte Firmen- und/oder
Beschwerden körperlich oder seelisch bedingt sind, hält bis      Familienstrukturen und ein gehöriges Maß an waschech-
heute an. Und da im Grunde alles biopsychosozial ist, sind       ter Denkfaulheit sind nur einige Störfelder für eine Welt in
die Ärzte der Gegenwart mit diesem einen Begriff fein raus,      Mischtönen. Geschweige denn für eine Welt in schillernden
denn hier steckt im Grunde alles drin, was w/richtig ist. Tat-   Farben. Sowohl-als-auch ist zwar irgendwie cleverer als
sächlich ist man heute auch selten ein bisschen krank oder       schwarzweiß, aber auch nur, solange man nicht wirklich
ein bisschen gesund. Entweder-oder. Binär-schwarzweiß.           drüber nachdenken muss. Wir sind halt alle gerne einfach.
Selbst unsere Moral ist einseitig. Entweder hält man sich        „Und das ist auch überlebenswichtig“, schließt Wilhelm
an die Gebote oder nicht. Es gibt zweifelsohne unzweifel-        Rotthaus. „Auch Vorurteile sind nichts anderes als einge-
hafte Werte, aber sie sind immer alle konstruiert, und viele     brannte Schwarzweiß-Meinungen. Und wir können nicht
sind eben alles andere als eindeutig definiert. Warum fällt      ständig jedes Vorurteil bis ins letzte Detail überprüfen. Da
es uns also so schwer, die Zwischentöne zu sehen? „Es ist        wird man ja verrückt.“
anstrengend und erfordert eine Neugierde auf den anderen,
auf den, der anders denkt. Und ich glaube, dass genau diese
Neugierde nicht weit verbreitet ist. Da sind wir wieder in
der Echokammer, in der wir uns nun mal am sichersten und
wohlsten fühlen. Leider bleibt uns damit ein Großteil des
Lebens verschlossen“, so Rotthaus.

            Eingenistetes Schwarzweiß
                                                                                          Dr. Wilhelm Rotthaus
Wer kennt die Situation nicht: Man unterhält sich mit jeman-
                                                                   Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Systemischer Berater
dem über etwas, tauscht Meinung aus und bemerkt irgend-
                                                                    (DGSF), systemischer Therapeut (DGSF) und systemischer Supervisor (DGSF).
wann, dass der andere eigentlich nicht mehr richtig zuhört,         Lehrender für Systemische Beratung und Systemische Therapie (DGSF) und für
weil dessen Bild vom diskutablen Thema längst feststeht.                           Systemische Kinder- und Jugendlichentherapie.

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· liegt in allen Gemeindehäusern aus
· ist online als Newsletter zu abonnieren
· kann auf Wunsch postalisch zugestellt werden

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                                            Newsletter abonnieren unter:
                                            www.kirchenkreis.org/newsletter-gemeinde-bottrop.html

In einwortAktuell finden Sie aktuelle       sich einwortAktuell aus einer unserer          Seniorentreff. Ein bunter Strauß an
Daten, Fakten und Servicehinweise           Einrichtungen mitzunehmen? Dann                Terminen, Kontakten, Adressen
nach unseren Gemeindebezirken               teilen Sie uns doch im Gemeinde-               und Hinweisen.
sortiert und inklusive einer über-          büro Ihres Bezirks Ihre postalische
sichtlichen Liste der Beratungsstellen      Adresse mit und ab sofort erhalten             Und nicht zuletzt verändert sich
und Einrichtungen unserer Kirchen-          Sie eine gedruckte Ausgabe von                 einwortAktuell kontinuierlich.
gemeinde in Bottrop.                        einwortAktuell per Post.                       Wir haben hier ein neues Medium
                                                                                           erchaffen, das wir mit jeder
Dabei liegt einwortAktuell nicht nur        Grundsätzlich begleitet einwortAktu-           Ausgabe immer weiter für unsere
in allen Gemeindehäusern aus,               ell unser Gemeindemagazin einwort              Leser optimieren – gleich, ob sie
sondern kann auch als digitaler             mit vielen frischen Details. Wo                einwortAktuell digital oder analog
Newsletter über www.ev-kirche-              einwort die uns umgebende Welt aus             nutzen. Damit Sie immer wissen,
bottrop.de abonniert werden.                interessanten Perspektiven betrach-            wo die evangelische Kirche in
Vielleicht blättern Sie aber auch           tet, informiert einwortAktuell vom             Bottrop wann was anbietet und/
lieber oder haben keine Möglichkeit,        Kinderspielzeugflohmarkt bis zum               oder veranstaltet.

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EmpfängerIn:

einwort ist das Magazin der Evangelischen Kirchengemeinde Bottrop.
Für jede Ausgabe wählen wir ein Wort, dessen Breite und Länge und
Tiefe und Höhe wir ausloten. Wir glauben, dass ein Wort die Seele
gesund machen kann. Auf der Suche nach den richtigen Wörtern
erzählt einwort von Gott und der Welt. Denn am Anfang von allem
war das Wort, und das Wort war bei Gott.

Ehrenamt:
Sie wollen sich ehrenamtlich für die Evangelische Kirchengemeinde in Bottrop engagieren?
Wir würden uns freuen! Melden Sie sich einfach im Referat für Öffentlichkeitsarbeit.
Wir bringen Sie mit den richtigen Ansprechpartnern zusammen.
Kontakt: Pfarrerin Dr. L. Krengel, Tel. 02041 46 28 947 oder redaktion@ev-kirche-bottrop.de

Herausgeber:
Evangelische Kirchengemeinde Bottrop
An der Martinskirche 1
46236 Bottrop

Redaktion:
Pfarrerin Dr. L. Krengel (verantwortlich)
M. Bokelmann / WORT:LAUT
Kontakt: redaktion@ev-kirche-bottrop.de

Fotografie und Videoproduktion:
M. Bokelmann / WORT:LAUT
Design & Satz:
M. Holtkamp / Firestone Design
Lektorat:
S. Wagner
Auflage:
12.500 Exemplare

Druck:
HEWEA-Druck GmbH, Gladbeck
Gedruckt auf PEFC-zertifiziertem Papier aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung
Klimaneutral gedruckt

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