Seiten 6/7 Referenzzins: Das sollten Sie jetzt tun - Mieterverband

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Mieten + Wohnen   März 2020, Nr. 1   www.mieterverband.ch

Referenzzins:
Das sollten
Sie jetzt tun.
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Editorial                                           Inhaltsverzeichnis

Liebe Leserinnen                                    Abstimmung Ein Rückblick
und Leser                                            auf die Kampagne                                                         3
                                                    Referenzzins So sollten Sie
                                                     vorgehen                                                                6
                                                    Beringen Was ist in dieser
                                                     Siedlung los?                                                           8
                                                    Brunaupark Menschenrechte
Es hat leider nicht gereicht. Eine Mehr­             werden zu wenig beachtet                                                11
heit der Stimmberechtigten hat am
9. Februar unsere Initiative «Mehr bezahl­          Haushalt Kaffeemaschinen
bare Wohnungen» abgelehnt. Das heisst
aber nicht, dass der Einsatz umsonst
                                                     verbrauchen viel Energie                                                14
gewesen wäre und dass es jetzt nichts               Buchtipp «Die neue Krise
mehr zu tun gäbe. Was wir mit der Initia­
tive erreicht haben und wie es jetzt                 der Städte»                                                             16
weitergeht, lesen Sie in der Analyse auf
den folgenden Seiten.
                                                    Hotline Mängelrüge bei
    Für Sie als Mieterin oder Mieter gibt            Wohnungsabgabe                                                          17
es gerade jetzt konkret zu tun: Kurz
vor dem Druck dieser Ausgabe nämlich                Miettipp Umbauen in der
hat das Bundesamt für Wohnungswesen
bekannt gegeben, dass der Referenzzins­
                                                     Mietwohnung                                                             18
satz um einen Viertelpunkt auf 1,25 Pro­            Urteil Beherbergung von
zent sinkt. Das bedeutet, dass die meisten
von Ihnen jetzt eine Mietzinssenkung                 Familienmitgliedern                                                     21
verlangen können. Wir erklären Ihnen in
dieser Ausgabe, wie Sie herausfinden, ob
                                                    Rechtsberatung Hier erhalten
Sie zu den Glücklichen gehören, und                  Sie Auskunft                                                            22
was Sie tun müssen, um die Senkung auch
wirklich zu erhalten.
    So aufwändig wie bei den Bewohne­
rinnen und Bewohner der Siedlung «Har­
mony» im Kanton Schaffhausen wird es
für Sie sicher nicht werden. Nachdem                Herausgeber                             Beglaubigte Auflage
                                                    Mieterinnen- und Mieterverband          126 556 Exemplare
ihnen die Verwaltung 2016 hohe Nach­                Deutschschweiz                          Erscheinen
forderungen gestellt hatte, wendeten                                                        6-mal pro Jahr
                                                    Redaktion                               Abonnementspreis
diese zu dritt rund achthundert Stunden             Andrea Bauer,                           Fr. 40.–/Jahr
auf, um die Nebenkostenabrechnung zu                andrea.bauer@mieterverband.ch           Inserate und Beilagen
kontrollieren und neu zu machen. Der                Administration und ­Adressverwaltung    Judith Joss,
                                                    Mieterinnen- und Mieterverband          judith.joss@mieterverband.ch
Aufwand lohnte sich: Die Eigentümerin               Deutschschweiz                          T 043 243 40 40
verzichtete auf die Nachforderung                   Bäckerstrasse 52, 8004 Zürich
von gut 100 000 Franken. Damit ist die              T 043 243 40 40
                                                    info@mieterverband.ch
Geschichte aber noch lange nicht erzählt.           www.mieterverband.ch
Wie sie weitergeht, lesen Sie ebenfalls             Mitarbeit
in diesem Heft. Ich wünsche Ihnen eine              Walter Angst, Ulla Blume, Urs Geiser,
                                                    Balthasar Glättli, Fabian Gloor,
gute Lektüre!                                       Stefan Hartmann, Patric Sandri,
                                                    Carlo Sommaruga
   Herzliche Grüsse                                 Gestaltungskonzept
                                                    Hubertus Design GmbH, Zürich
   Andrea Bauer                                     Layout
                                                    Atelier Bläuer, Joel Kaiser, Bern       www.facebook.com/Mieterverband
                                                    Titelbild
                                                    Daniel Müller, Zürich
                                                    Druck
                                                    Stämpfli AG, Bern                       Gedruckt in der Schweiz

Mieten + Wohnen                  März 2020, Nr. 1                                                                             2
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Abstimmung        Text von Balthasar Glättli

                  Unsere Initiative hat leider keine Mehrheit
                  gefunden. Sie vermochte aber die drängenden
                  Probleme von Mieterinnen und Mietern in
                  den Fokus zu rücken. Ein Rückblick.

Es bleibt viel zu tun

                                                                    Reto Schlatter

Mieten + Wohnen   März 2020, Nr. 1                              3
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Neben den Kantonen Basel, Genf,                                                     Schaffhausen
Jura, Neuenburg und Waadt sagten
16 der 20 grössten Städte Ja zur
Initiative «Mehr bezahlbare                                                          Winterthur
Wohnungen».                                                  Basel         Zürich
                                                                                                         St.Gallen
                                                                                        Uster

                                                      Biel
             La-Chaux-de Fonds                                                Luzern
                       Neuchâtel
                                                         Bern
                                                                                                            Chur
                                              Köniz
                                                             Thun
                                       Freiburg

                                   Lausanne

                      Genf                             Sitten

                                                                                                Lugano

Die Kampagne für die Volksinitiative             aus der aktuellen Kampagne werden uns             und Politikern der Mitteparteien fort­
«Mehr bezahlbare Wohnungen» beschäf­             dann helfen, eine noch breitere Allianz zu        setzen und im Hinblick auf künftige
tigt den Mieterinnen- und Mieterverband          bilden.                                           Kampagnen ver­suchen, unsere Anliegen
seit sieben Jahren. Die ersten Vorberei­                                                           noch breiter abzustützen.
tungsarbeiten starteten bereits 2013. Vom             Ein Achtungserfolg
Sammelstart 2015 über die Einreichung                Am 9. Februar 2020 stimmten                      Erfahrungen gesammelt
2016 bis zur Abstimmung 2020 wurde das           schliesslich 963 610 Stimmbürgerinnen                 Der MV ist in vielen Sektionen auf
Thema Wohnpolitik in der Öffentlichkeit          und Stimmbürger für die Volksinitiative           Gemeinde- und Kantonsebene immer
immer stärker präsent. Und in der heissen        «Mehr bezahlbare Wohnungen». Das                  wieder aktiv, auch mit Initiativen und
Abstimmungsphase Anfang Jahr disku­              entspricht einem Ja-Anteil von 42,9 Pro­          Referenden. Die Abstimmungskampagne
tierte die Öffentlichkeit schweizweit wäh­       zent. Die Stimmbeteiligung betrug                 ermöglichte es, auf gesamtschweizeri­
rend mehrerer Wochen breit über die              41 Prozent. Dass es uns nicht gelungen            scher Ebene wichtiges Knowhow aufzu­
drängenden Probleme von Mieterinnen              ist, neben den Städten auch in der Agglo­         bauen und die Zusammenarbeit zu
und Mietern. Fehlende bezahlbare Woh­            meration mehr Ja-Stimmen zu gewinnen,             verbessern. Im Vergleich zur letzten Ini­
nungen, steigende und überteuerte                hat am Schluss den Ausschlag für das              tiative 2003 haben sich Kampagnen
Mieten, Leerkündigungen und die zuneh­           Nein gegeben. Immerhin stimmten neun              massiv verändert. Weiterhin wichtig
mende Renditeorientierung der Immo­              der zehn grössten Städte Ja (die Aus­             bleiben Plakate. Auch die Präsenz auf der
lobby sind in der Öffentlichkeit ange­           nahme war Lugano). Unter den 20 grös­             Strasse bleibt ein wesentliches Kampag­
kommen und stehen jetzt auf der                  sten Städten sagten 16 Ja, Nein stimmten          nenelement: Dank engagierten Sektionen
politischen Agenda.                              neben Lugano auch Thun, Uster und                 und freiwilligen Helferinnen und Helfern
    Mit der Initiative hat sich der Miete­       Sitten. Die Medien werteten dieses Re­            wurden im Januar 120 Stand- und Flyer-­
rinnen- und Mieterverband als aktiver            sultat als Achtungserfolg und verglichen          Verteilaktionen organisiert.
politischer Player auf der politischen           es mit der letzten MV-Initiative «Ja zu               Neu gibt es die Möglichkeit, kurz­
Bühne etabliert. Oft war in der Öffent­          fairen Mieten» von 2003. Diese hatte              fristig in den grösseren Bahnhöfen noch
lichkeit auch von der «Mieterverbands-           mehr als 10 Prozent weniger Ja-Stimmen            elektronische Plakate zu buchen, soge­
Initiative» die Rede. Das stärkt die             erhalten und war einzig im Kanton Genf            nannte eBoards und ePanels. Dies
Position des MV im Kampf gegen die               angenommen worden. Das Resultat liegt             nutzten wir für einen Spendenaufruf, um
vom Parlament geplante Aushöhlung des            auch deutlich über dem Stimmenanteil              in der Schlussphase vor dem 9. Februar
Mieterschutzes. Es ist möglich, dass be­         der unterstützenden Parteien SP und               im öffentlichen Raum präsent zu bleiben.
reits im nächsten Jahr ein Referendum            Grüne. Allerdings müssen wir die Über­            Gleichzeitig führten wir den Abstim­
nötig wird. Die Erfahrungen und Lehren           zeugungsarbeit bei den Politikerinnen             mungskampf auch online. Mit bezahlter

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Werbung erreichten wir auf Facebook                 Kommentar
3,2 Millionen Kontakte mindestens
einmal. Das sind achtzig Prozent aller
Schweizer Facebook-Nutzerinnen
                                                    Eine Niederlage, aber
und -Nutzer. An verschiedenen Orten
schalteten wir Online-Banner, unter
                                                    auch Fortschritte
anderem auch auf Wohnplattformen.
Also dort, wo Mieterinnen und Mieter
auf Wohnungssuche ganz konkret mit viel
zu hohen Mieten konfrontiert sind.

   Es bleibt viel zu tun
    Mit dem Nein zu unserer Initiative
tritt nun automatisch der Gegenvorschlag
in Kraft. Das bestehende Instrument für             Im Jahr 2003 erhielt die Initiative «Ja zu fairen
Darlehen an gemeinnützige Wohnbau­                  Mieten» des Mieterinnen- und Mieterverbands
träger («Fonds de Roulement») wird um               32,7 % der Stimmen, Genf sagte als einziger
250 Millionen Franken aufgestockt. Dies             Kanton Ja. Anfang Februar wurde unsere Initia­
wird bei weitem nicht reichen, um den               tive «Mehr bezahlbare Wohnungen» von 42,9 %
Anteil der gemeinnützigen Wohnbau­                  der Bürgerinnen und Bürger und fünf Kantonen
träger zu erhöhen. Darum verlangen wir,             unterstützt. Das ist eine deutliche Steigerung. In
dass die Mittel für den «Fonds de Roule­            der Westschweiz sagten nicht nur die Mehrheit
ment» zusätzlich aufgestockt werden.                der Kantone, sondern auch 50,4 % der Stimmbe­
Wir werden entsprechende Vorstösse im               rechtigten Ja. Darüber hinaus unterstützten alle
Parlament unterstützen. Aus Anlass der              grossen Städte des Landes unsere Forderungen.
Senkung des Referenzzinssatzes appel­               Natürlich hofften wir insgeheim, eine Mehrheit
lieren wir zudem an die Vermieterinnen              der Schweizer Bevölkerung überzeugen zu
und Vermieter, die Mieten automatisch               können. Leider blieb die Hoffnung unerfüllt.
und korrekt zu senken.                                  Einer der Gründe für das Scheitern ist in
                                                    der massiven Gegenkampagne zu suchen.
                                                    Nachdem die ersten Umfragen sehr positiv
Die Kampagne in Zahlen                              ausgefallen waren, mobilisierte die Immobi­
                                                    lienlobby mehrere Millionen Franken. Trotz
           1 dreisprachige Webseite                 einer guten eigenen Kampagne war es unmög­
                                                    lich, ein Gegengewicht zu schaffen. Aber es war
           8 grosse Inserate                        sicherlich auch die Wahrnehmung der Rolle des
                                                    Staates in der Deutschschweiz, die entschei­
       120 Verteilaktionen der Sektionen            dend ins Gewicht fiel. Es ist nun Aufgabe der
        145 ePanels und eBoards in Bahnhöfen        progressiven politischen Kräfte, die Bevölke­
                                                    rung davon zu überzeugen, dass der Staat ange­
        518 Online-Testimonials                     sichts des erwiesenen Versagens des Marktes
                                                    und der herrschenden Ungerechtigkeiten eine
      1260 Social-Media-Posts                       regulierende Rolle spielen muss.
                                                        Trotz allem haben wir während dieser Kam­
     1400 Plakate                                   pagne einige wichtige politische Ziele erreicht.
   55 000 Taschentücher                             Einerseits wurde der Mangel an erschwingli­
                                                    chem Wohnraum für alle thematisiert und von
   77 000 Interaktionen auf Social Media            allen anerkannt. Auf der anderen Seite konnte
                                                    sich der Mieterinnen- und Mieterverband
 700 000 Flyer in 13 Varianten                      als nationaler politischer Akteur etablieren. Und
                                                    wir konnten zeigen, dass wir in der Lage sind,
  963 610 Ja-Stimmen in der ganzen Schweiz          eine wirksame nationale Kampagne zu führen,
1,25 Mio. sahen das Spekulanten-Video               was gute Voraussetzungen für Referenden
                                                    gegen die Demontage des Mietrechts ist.
 3,2 Mio. auf Facebook erreicht (von 4 Millionen)       Diese Gedanken sollen uns einen Energie­
                                                                                                         Christine Blaser

                                                    schub verleihen für die kommenden Kämpfe
15,4 Mio. Online Banner-Anzeigen u. a.              im Interesse der Mieterinnen und Mieter.
          auf Wohnplattformen                              Carlo Sommaruga, Präsident MV Schweiz

Mieten + Wohnen                März 2020, Nr. 1                                                      5
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Referenzzins

                     Mietzinssenkung:
                  So müssen Sie vorgehen
Der Referenzzinssatz ist auf 1,25 Prozent
gesunken. Die meisten Mieterinnen und Mieter
haben jetzt Anrecht auf eine Mietzinssenkung.

Erster Schritt                                Dabei gilt es einige Punkte zu beachten:2. Teuerung, Betriebs- und
                                                                                         Unterhaltskosten
Anspruch überprüfen                       1. Auf welchem Referenzzins beruht          Zu berücksichtigen sind bei der Berech­
und berechnen                                  Ihre jetzige Miete?                    nung des Senkungsanspruchs auch 40 %
                                          Um überprüfen zu können, wie hoch Ihr       der Teuerung. Die Vermieterschaft kann
                                          Anspruch ist, müssen Sie wissen, auf        zudem gestiegene Betriebs- und Unter­
                                          welchem Referenzzins Ihr jetziger Netto­ haltskosten (Gebühren, Objektsteuern,
                                          mietzins basiert. Massgebend ist die        Versicherungsprämien, Gebäudeunter­
                                          letzte Mietzinserhöhung oder der zum        halt) mit dem Senkungsanspruch ver­
                                          Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gültige rechnen, sofern diese nicht bereits auf die
                                          Referenzzins, wenn der Mietzins nie         Mieterinnen und Mieter überwälzt
                                          verändert wurde (steht im Mietvertrag       werden.
                                          nichts, gilt der bei Vertragsabschluss gül­
                                          tige Zinssatz).                             3. Holen Sie unsere Einschätzung ein
                                               Die Höhe des Senkungsanspruchs         Wir empfehlen, unsere Einschätzung ein­
Überprüfen Sie als Erstes, ob Sie einen   können Sie der folgenden Tabelle ent­       zuholen, wenn
Senkungsanspruch für Ihren Nettomiet­     nehmen (Beispiel: Wenn Ihr Mietzins auf – im Mietvertrag oder in der letzten
zins haben. Dies hängt neben dem          einem Referenzzinssatz von 2,00 Prozent        Mietzinsänderung ein «Vorbehalt»
Referenzzinssatz auch von der Teuerung    beruht, können Sie eine Senkung des            oder eine «Reserve» vermerkt ist
und allenfalls gestiegenen Betriebs-      Mietzinses von 8,26 Prozent verlangen).     – Sie den Eindruck haben, dass in Ihrem
und Unterhaltskosten ab. Je nachdem,                                                     Mietvertrag falsche Zahlen zu Refe­
wie sich diese Faktoren seit Vertrags­    Zinssatz               Senkungsanspruch        renzzins etc. aufgeführt sind oder
abschluss oder seit der letzten gültigen  2,00  %                – 8,26 %                dass die letzte Senkung zu tief ausge­
Mietzins­änderung verändert haben, fällt  1,75 %                 – 5,66 %                fallen ist
der Senkungsanspruch anders aus. In       1,50 %                 – 2,91 %             – Sie in einer Genossenschaft oder einer
den meisten Fällen ist jedoch eine Reduk­                                                Wohnung mit behördlich kontrol­
tion zugunsten der Mieterinnen und                                                       liertem Mietzins wohnen (WEG-
Mieter fällig.                                                                           Mieten, städtische Liegenschaften,
   Ob Sie Anrecht auf eine Mietzins­                                                     subventionierter Wohnungsbau)
senkung haben respektive wie hoch der                                                 – Sie ein Geschäft mieten und Ihr Miet­
Anspruch ist, können Sie mit unserer                                                     vertrag auf der Indexmiete basiert
Hilfe unter www.mieter­verband.ch/check                  Mietzinsrechner                 (Mietvertrag mit fester Dauer von
berechnen.                                               www.mieter­verband.ch/check     mindestens 5 Jahren).

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Zweiter Schritt                                 Orts- und Quartierüblichkeit oder aus
                                                anderen unhaltbaren Gründen ab. Lassen
                                                                                             Jetzt aktiv werden!
Herabsetzungsbegehren                           Sie das Antwortschreiben im Zweifelsfall
schreiben                                       unbedingt innert 30 Tagen vom Miete­         Vor wenigen Tagen hat das Bundesamt
                                                rinnen- und Mieterverband überprüfen.        für Wohnungswesen den neuen Refe­
                                                                                             renzzinssatz bekannt gegeben: 1,25 %.
                                                                                             Die durchschnittlichen vergebenen
                                                Vierter Schritt                              Hypotheken sind also nochmals so
                                                                                             weit gesunken, dass der geltende
                                                Herabsetzungsbegehren                        Referenzzinssatz auf den nächsten
                                                an Schlichtungsbehörde                       Viertel abgerundet wird.
                                                                                                  Für die meisten Mieterinnen und
                                                                                             Mieter ist dies eine gute Nachricht. Es
                                                                                             bedeutet, dass sie eine Mietreduktion
Ergibt Ihre Prüfung einen Senkungsan­                                                        zugute haben. Faire Vermieterinnen
spruch, schreiben Sie der Vermieterschaft                                                    und Vermieter senken deshalb die
ein entsprechendes Herabsetzungsbe­                                                          Mieten jetzt von sich aus um 2,9 % –
gehren. Dieses wird jeweils auf den                                                          wenn sie Abzüge für Teuerung oder
nächstmöglichen Kündigungstermin                                                             Betriebs- und Unterhaltskosten
wirksam. Wenn Sie Ihren Brief also im                                                         geltend machen, kann es etwas weni­
März abschicken, muss der Mietzins                                                           ­ger sein.
erst ab Juli gesenkt werden. Schicken Sie                                                         Leider tun dies nur die wenigsten.
den Brief zu Beweiszwecken unbedingt                                                          Die meisten ändern gar nichts, so­
per Einschreiben.                          Wenn Sie mit der Antwort der Vermieter­            lange niemand reklamiert. Genau
                                           schaft nicht einverstanden sind, können            darin liegt einer der Gründe dafür,
                                           Sie das Herabsetzungsbegehren bei der              dass die Mieten in der Schweiz gegen­
Dritter Schritt                            Schlichtungsbehörde Ihres Wohnbezirks              wärtig viel zu hoch sind. Wären sie
                                           einreichen. Die Frist dafür beträgt                nämlich seit der Einführung des Refe­
Antwort prüfen                             30 Tage ab Erhalt des Antwortschreibens            renzzinses 2008 bei einer Senkung je­
                                           der Vermieterschaft.                               weils angepasst worden, müssten sie
                                               Reagiert die Vermieterschaft nicht             heute um 8,5 Milliarden tiefer sein.
                                           oder erst nach Ablauf der Frist von                    Es liegt an Ihnen, jetzt aktiv zu
                                           30 Tagen, haben Sie trotzdem die Mög­              werden. Da der Senkungsanspruch je­
                                           lichkeit, sich mit dem Herabsetzungs­              weils erst auf den nächstmöglichen
                                           begehren an die Schlichtungsbehörde zu             Kündigungstermin gemacht werden
                                           wenden. In diesem Falle müssen Sie dies            kann, sollten Sie rasch prüfen, ob Sie
                                           innerhalb von 60 Tagen erledigen, und              einen Anspruch haben, und einen all­
                                           zwar ab dem Zeitpunkt, an dem Sie das              fälligen Brief an die Vermieterschaft
                                           erste Herabsetzungsbegehren abgesendet             noch diesen Monat abschicken. Wenn
Die Vermieterschaft muss innert 30 Tagen haben.                                               Sie unsicher sind, sollten Sie sich
zu Ihrem Schreiben Stellung beziehen.                                                         unbedingt von Ihrer Sektion des Mie­
Wird Ihr Mietzins gesenkt, sollten Sie                                                        terinnen- und Mieterverbands be­
kontrollieren, ob die Senkung richtig                                                        raten lassen.
berechnet wurde. Oft ziehen Vermiete­                                                                                    Andrea Bauer
rinnen und Vermieter für die Kostenstei­          Lassen Sie sich von uns beraten
gerung Pauschalen von bis zu 1 % der              Wir raten allen Mieterinnen und Mietern,
Nettomiete ab, was laut Rechtsprechung         sich vor dem Einreichen eines Herabset­
                                               zungsbegehrens, spätestens aber vor der                          Broschüre:
nicht zulässig ist, in der Praxis aber oft
                                               Verhandlung bei der Schlichtungsbehörde,                         «Mietzinssenkung
angewendet wird. Die Kostensteigerung          von einer Fachperson des Mieterinnen- und                        bei Veränderung des
muss konkret nachgewiesen werden.              Mieterverbands beraten zu lassen. Den                            Referenzzinssatzes»
Pauschalen von über 0,5 % müssen Miete­        Kontakt zu Ihrer lokalen Sektion finden Sie                      Musterbriefe und Check­
rinnen und Mieter nicht akzeptieren.           unter www.mieterverband.ch.                                      listen für die Überprüfung
Sind die meisten Betriebskosten in den                                                                          des Mietzinses (28 Seiten).
Nebenkosten enthalten, ist bereits ein            Musterbriefe
                                                  Musterbriefe für das Herabsetzungs­
Satz von über 0,25 % zu hoch. Oft weisen       begehren an die Vermieterschaft respektive    Mitglieder: Fr. 6.–; Nichtmitglieder: Fr. 8.–
Vermieterinnen und Vermieter das Her­          die Schlichtungsbehörde können Sie unter      (zuzüglich Versandkosten).
absetzungsbegehren mit dem Einwand             www.mieterverband.ch/referenzzins             Bestellung tele­fonisch (043 243 40 40) oder
der mangelnden Rendite, der fehlenden          herunterladen.                                unter www.mieterverband.ch/url/webshop.

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Beringen                            Text von Andrea Bauer

                                                                                             Reto Schlatter

Daniela Späth und Markus van Riel fanden in den Abrechnungen von Wincasa grobe Fehler.

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Was ist in dieser Siedlung los?

                                   In einer Schaffhauser Siedlung verlangt Wincasa
                                   seit drei Jahren ungerechtfertigte Nebenkosten
                                   und zahlt sie später an die Mieterinnen und Mieter
                                   zurück. Was steckt hinter diesem Vorgehen?

Vor kurzem wurde die Siedlung «Genesis» in Beringen (SH)              liche Belange kümmerte, erstellte van Riel für alle 39 Parteien,
umgetauft. Die fünf Wohnblöcke mit den 75 Wohnungen                   die dabei waren, eine neue Abrechnung. Denn die Mieterinnen
heissen jetzt «Harmony». Genützt hat die Namensänderung               und Mieter sollten den Teil der Nachforderungen, den sie aner­
bislang nichts. Ein Teil der Mieterinnen und Mieter liegt nach        kannten, bezahlen. Sonst hätte eine Betreibung gedroht. Von
wie vor im Streit mit der Verwaltung Wincasa. Der Grund:              Wincasa die nötigen Unterlagen zu erhalten, habe sich als müh­
Wincasa stellt seit dem Bezug 2015 jedes Jahr happige Nach­           sames Unterfangen herausgestellt, sagt van Riel: Mails seien
forderungen für die Nebenkosten. Und zwar unberechtigt.               unbeantwortet geblieben, Unterlagen erst nach mehrmaligem
Mittlerweile beläuft sich die Summe auf 420 000 Franken.              Nachhaken ausgehändigt worden, die Einsicht in Verträge sei
                                                                      ihnen verwehrt worden. Späth und van Riel kommunizierten
   Nachforderungen bis 2000 Franken                                   nur noch per Einschreiben mit der Verwaltung und drohten mit
    Seinen Anfang nahm der Streit 2016, als die Bewohnerinnen         dem Gang vor die Schlichtungsstelle, was schlussendlich nützte.
und Bewohner ihre erste Nebenkostenabrechnung erhielten.
Je nach Grösse der Wohnung sollten sie bis zu 2000 Franken               Grobe Fehler in der Abrechnung
nachzahlen. Während die einen die Faust im Sack machten und               Die Verwaltung hatte ihre Gründe, nicht zu kooperieren. Je
zahlten, taten sich die anderen zusammen. Zu ihnen gehören            mehr sich van Riel in die Dokumente vertiefte, desto mehr
Daniela Späth und Markus van Riel. «Die Verwaltungen stützen          Fehler kamen zum Vorschein. «Die Schweinereien, die in diesen
sich darauf ab, dass die Leute so etwas einfach hinnehmen»,           Abrechnungen drin sind, sind kaum zu glauben», sagt er.
sagt Späth, «und wer doch nachfragt, wird abgewimmelt. Am                 Die grösste «Schweinerei» betrifft die Heizung. Die Siedlung
Schluss bleiben nur die Harten übrig. Mit uns haben sie dum­          hat einen sogenannten Contracting-Vertrag mit der Energiever­
merweise gleich drei von der Sorte gehabt.»                           sorgungsfirma Etawatt. Beim Contracting darf der Hauseigen­
    Zusammen mit einer dritten Mieterin machten sich Späth            tümer die Kosten für die Anlage, die er an die Energieversor­
und van Riel an die Arbeit. In ihrer Freizeit schrieben sie Briefe,   gungsfirma zahlt, auf die Mieterinnen und Mieter überwälzen.
forderten Belege an, kontrollierten Abrechnungen, lasen Ver­          Diese Kosten umfassen nicht nur den Energiebezug, sondern
träge durch. Alle sechs bis zehn Wochen trafen sie sich mit den       auch die Aufwendungen für den Unterhalt, die Verzinsung und
anderen zu einer Mieterversammlung. «Dort konnten wir uns             die Amortisation der Anlage – Kosten also, die eigentlich nicht
austauschen, uns das Erlebte erzählen. Und auch mal zu­               als Nebenkosten in Rechnung gestellt werden dürften. Nur: Die
sammen lachen», sagt Daniela Späth. Die Gemeinschaft sei              Heizung der Siedlung «Harmony» gehört gar nicht der Etawatt,
wichtig gewesen: «Alleine hätten wir das nicht geschafft.» Wäh­       sondern der Eigentümerin – der Credit Suisse selber. So steht
rend sich Späth vor allem um die Verträge und um mietrecht­           es im Vertrag, der M+W vorliegt. Die Eigentümerin bezahlt der

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weder von Wincasa noch von Credit Suisse. Die Verwaltung
                                                                         schreibt in ihrem Brief an die Mieterinnen und Mieter, der
                                                                         M+W vorliegt, vielmehr, die Eigentümerin verzichte nur «aus
                                                                         Kulanz» und der Verzicht sei keinesfalls ein «Präjudiz» für
                                                                         kommende Abrechnungen.
                                                                            Mittlerweile sind zwei weitere Briefe eingetroffen, der letzte
                                                                         Mitte Januar 2020. Die Credit Suisse verzichtet auch für die
                                                                         weiteren Abrechnungsperioden auf ihre Nachforderungen.

                                                                            Steckt System dahinter?
                                                                            Doch warum anerkennt Wincasa die Fehler nicht? Und
                                                                         warum verzichtet die Credit Suisse wiederholt darauf, ihre For­
                                                                         derungen einzutreiben? Könnte es sein, dass «Harmony» nicht
                                                                         die einzige Siedlung ist, bei der diese Abrechnungsweise zur
                                                                         Anwendung kommt?
                                                                            Wincasa schreibt dazu, ihre Abrechnungen entsprächen den
                                                                         Grundsätzen des Schweizer Mietrechts. Es sei ihnen «stets
Die Siedlung «Harmony» hat einen schlechten Ruf: Zurzeit stehen gemäss   ein Anliegen, die Nebenkosten zu optimieren und die Höhe der
Webseite 27 der 75 Wohnungen leer.                                       veranschlagten Beträge möglichst nicht zu überschreiten.»
                                                                            Späth und van Riel stehen in Kontakt mit Mieterinnen und
                                                                         Mietern anderer Siedlungen, die sich mit fehlerhaften Neben­
Energieversorgungsfirma also gar keine Kosten für Unterhalt,             kostenabrechnungen bei ihnen gemeldet haben, nachdem der
Verzinsung und Amortisation der Anlage. Trotzdem stellt sie              «Blick» letzten Sommer ihre Geschichte veröffentlicht hatte. In
den Mieterinnen und Mietern diese in Rechnung und lässt sich             einem Fall hat van Riel mittlerweile die Abrechnung durchge­
so die Heizungsanlage bezahlen. Dieser Posten macht mit                  sehen – und bei der Tiefgarage die gleichen Fehler gefunden,
50 000 Franken pro Jahr rund die Hälfte der Nebenkosten­                 die Wincasa bei ihrer Abrechnung gemacht hat.
abrechnung aus.
   Weitere 35 000 Franken pro Jahr gehen auf das Konto der                  Wincasa bestreitet Fehler
Tiefgarage. Die Kosten für deren Reinigung und Wartung                      Auf Anfrage von M+W bestreitet Wincasa plötzlich, dass
werden von Wincasa jeweils auf die Nebenkosten geschlagen.               die Kosten für die Heizung den Mieterinnen und Mietern unge­
Dies obwohl es für die Garage separate Verträge gibt, in denen           rechtfertigt in Rechnung gestellt würden. Die Anlage sei Ei­
die Kosten ebenfalls inbegriffen sind. Das heisst: Wer kein Auto         gentum der Etawatt und es handle sich um einen Contrac­
hat, soll trotzdem für die Tiefgarage zahlen. Und wer ein Auto           ting-Vertrag, schreibt sie. Diese Aussage steht im Widerspruch
hat, soll doppelt zahlen.                                                zu dem weiter oben erwähnten Schreiben, in dem Wincasa noch
   Neben diesen beiden grossen Posten fanden Späth und van               mitgeteilt hatte, auf die Nachforderung für die Heizung zu
Riel weitere Fehler in der Abrechnung. Mit einer Liste von               verzichten.
28 Punkten sprachen sie bei der Verwaltung vor. «Der Herr von               Bei der Frage der Tiefgarage gibt Wincasa zwar teilweise zu,
Wincasa hat schier die Krise gekriegt», sagt Späth und lacht.            Fehler gemacht zu haben: «Den Mieterinnen und Mietern
«Mich hat er während der Besprechung zweimal gefragt, ob ich             wurden fälschlicherweise einmalig rund CHF 10 000 für die
denn keine Kinder hätte und am Abend nichts Besseres zu tun              Tiefgarage verrechnet. Dies bedauern wir sehr. Nachdem
habe, als die Abrechnungen zu kontrollieren», sagt van Riel und          der Fehler erkannt wurde, wurde die Abrechnung umgehend
stimmt in das Lachen ein.                                                korrigiert.» Auf die Hauptkritik der Mieterinnen und Mieter
                                                                         geht sie jedoch nicht ein.
   Credit Suisse verzichtet                                                 Von den bisherigen Abrechnungen steht jetzt noch die von
   Anfang 2018 reagierte die Verwaltung auf die Vorwürfe.                18/19 aus. Späth und van Riel rechnen damit, dass die Credit
Bei rund der Hälfte der 28 bemängelten Punkte anerkannte                 Suisse erneut verzichtet. Und dann ist schon wieder die neue
Wincasa Fehler und war bereit, auf die Nachforderungen                   Abrechnung fällig. Wie lange wollen Wincasa und Credit Suisse
zu verzichten. So auch bei der Heizung. Auf die Fehler bei der           noch so weitermachen?
Tief­garage ging die Verwaltung jedoch nicht ein, weshalb die               Dazu schreibt Wincasa: «Zurzeit werden verschiedene Mass­
Mieterinnen und Mieter den gesamten Vorschlag der Verwal­                nahmen geprüft, um die Nebenkosten in Zukunft weiter nach­
tung ablehnten. Danach herrschte ein Jahr lang Sendepause.               haltig zu reduzieren. Wir werden die Mieterinnen und Mieter zu
Anfang 2019 dann traf ein Brief ein: Wincasa gab Bescheid, die           gegebener Zeit informieren.» Während die Verwaltung noch
Eigen­tümerin Credit Suisse verzichte auf sämtliche Nachforde­           prüft, hat Daniela Späth die Initiative ergriffen und einen Brief
rung der Berechnungsperiode 2015/16. Auch auf diejenigen,                an Wincasa geschrieben. Sie schlägt vor, eine Pauschale für die
welche die Mieterinnen und Mieter anerkannt und bereits be­              Nebenkosten einzuführen. Damit gäbe es künftig keine Abrech­
zahlt hätten. Hätte die Eigentümerin dieses Geld behalten,               nungen mehr. Und für ihren Aufwand – zu dritt kommen sie
hätte das bedeutet, dass sie die Abrechnung der Mieterinnen              mittlerweile auf rund acht­hundert Stunden – möchte sie eine
und Mieter anerkennt. Anerkannt wird hier aber gar nichts,               Entschädigung von der Verwaltung.

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Brunaupark/Schorenweg   Text von Walter Angst

       CS und Behörden
       in Erklärungsnot
       Verletzen Investoren mit Leerkündigungen
       das vom Sozialpakt der UN geschützte Recht
       auf angemessenes Wohnen?
                                                         Ursula Häne

Mieten + Wohnen         März 2020, Nr. 1            11
Am 21. Juni 2019 besuchte Leilani Farha, die UN-Sonderbe­             wie der Kinofilm «Push», der ihre Arbeit dokumentiert, und die
richterstatterin für das Recht auf Wohnen, verschiedene Miete­        von ihr und Ada Colau, der Stadtpräsidentin von Barcelona, or­
rinnen und Mieter im Zürcher Brunaupark. Fünf Monate später           ganisierten Treffen mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeis­
wandte sie sich mit einem offiziellen Schreiben an Bund, CS           tern vieler Megacities zeigen.
und die Pensionskasse der CS. Sie verlangte Auskunft darüber,            Es ist deshalb nachvollziehbar, dass die UN-Sonderbericht­
ob die in zwei grosse Bauprojekte in Zürich (Brunaupark,              erstatterin für das Recht auf Wohnen von den Behörden und
Ersatzneubau) und Basel (Schorenweg, Gesamtsanierung) invol­          den Eigentümern des Schorenwegs in Basel und des Brunau­
vierten Behörden sowie die CS die von ihnen eingegangenen             parks in Zürich nicht nur wissen will, ob die rausgeworfenen
Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte eingehalten             Mieterinnen und Mieter eine neue Wohnung finden werden. Sie
haben.                                                                weist auch darauf hin, dass die Menschenrechte im Kontext der
                                                                      Umbrüche auf dem Immobilienmarkt bisher viel zu wenig be­
   CS hat UNO-Leitprinzipien anerkannt                                leuchtet worden sind.
   Farhas Schreiben wie auch die Antworten von Bund, CS-
Group, CS-Pensionskasse und CS-Asset-Management-AG                       Fragen an Behördern und Eigentümer
können seit einigen Wochen auf der Website des UN-Hoch­                   Farha spricht vom psychischen Druck, der auf Mieterinnen
kommissariats für Menschenrechte eingesehen werden. Die               und Mieter ausgeübt wird, denen die Wohnung gekündigt wird.
Publikation ist Teil des vom UN-Hochkommissariats für Men­            Sie weist darauf hin, dass die Betroffenen nicht nur eine neue
schenrechte und den Mitgliedstaaten anerkannten Verfahrens            Wohnung suchen müssen, sondern auch eine neue Nachbar­
zur Durchsetzung der einschlägigen internationalen Verträge.          schaft, dass sie neue Ressourcen und neue Netzwerke aufbauen
   Im vorliegenden Fall geht es um den von der Schweiz Anfang         müssen. Und sie wird konkret: «Im Brunaupark haben viele äl­
1990er-Jahre unterzeichneten Internationalen Pakt über wirt­          tere Mieterinnen und Mieter ihre Kinder und Grosskinder in der
schaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Artikel 11 dieses Pakts   Nachbarschaft. Wenn sie ausziehen müssten, würde ihr Famili­
sieht vor, dass die Vertragsstaaten das Recht eines jeden auf         enleben auseinandergerissen und die nachbarschaftliche Hilfe
angemessene Unterbringung gewährleisten und geeignete                 aufgebrochen.» Farha will von den Behörden und den Eigen­
Schritte zur Verwirklichung dieses Rechts unternehmen. Mit            tümern wissen, wie die Betroffenen in die Projektentwicklung
den UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte              einbezogen worden sind. Sie fragt nach dem Angebot an preis­
kommt die CS und die ihr angegliederten Unternehmen ins               lich vergleichbaren Wohnungen, die in den neuen oder sanierten
Spiel. Denn die CS hat diese Leitprinzipien – wie viele andere        Wohnungen zur Verfügung stehen. Sie will in Erfahrung bringen,
multinationale Konzerne – anerkannt.                                  weshalb nicht Projekte favorisiert worden sind, die das Bleibe­
                                                                      recht der Mieterinnen und Mieter sichergestellt hätten. Dabei
   Menschenrechte bisher zu wenig beachtet                            kann sie auf die von ihrer Vorvorgängerin Miloon Kothari erar­
   Warum nimmt sich Leilani Farha am Ende ihrer zweiten               beiteten «Basic Principles on Development-based Evictions»
Amtszeit als UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf            verweisen, die eine Partizipation der bisherigen Mieterinnen
Wohnen zwei Leerkündigungen in Zürich respektive Basel zum            und Mieter während des ganzen Entwicklungsprozesses zu
Gegenstand eines «Special Procedure» genannten Austauschs             einem Grundrecht von Menschen erklären, die von Vertreibung
von Briefen mit der Schweiz und einer Grossbank?                      bedroht sind. Und auf das Grundrecht dieser Menschen, im
   Ein Blick in den Anhang ihrer Schreiben an die Schweizer           Notfall eine Ersatzwohnung in unmittelbarer Nähe zum bishe­
Behörden und die CS gibt Auskunft. Während die Vorgänge­              rigen Wohnort zu erhalten.
rinnen von Farha sich vor allem mit «Forced Evictions» und
Zwangsräumungen von informellen Siedlungen in Schwellen­                 «Spezielle» Antworten von Credit Suisse …
ländern zu Wort gemeldet haben, standen für die 2014 gewählte            Die Antworten, die Leilani Farha aus er Schweiz erhalten
Farha auch die Zwangsräumungen in Spanien und die Explo­              hat, sind – um es zurückhaltend auszudrücken – speziell.
sion der Boden- und Mietpreise in den Megacities des Nordens             Die in Menschenrechtsfragen offensichtlich geschulten
im Fokus. Sie hat die Durchdringung der Wohnungsmärkte                CS-Leute geben immerhin zu, dass die beiden Bauprojekte in
durch Finanzdienstleister und Immobilienfonds kritisiert und          Zürich und Basel das Recht der Mieterinnen und Mieter auf an­
politische Antworten auf die wachsende Markmacht von insti­           gemessenen Wohnraum tangieren. Im Rahmen der aufgrund
tutionellen Anlegern gefordert. Und sie macht öffentlich Druck,       des Schreibens von Farha durchgeführten Sorgfaltspflichtprü­

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Ursula Häne
Die UNO-Sonderberichterstatterin Leilani Farha im Gespräch mit einer Bewohnerin des Brunauparks in Zürich.

fung seien «verschiedene mögliche menschenrechtsbezogene                    Aus Basel ist die Mitteilung eingetroffen, dass man mit der
Auswirkungen festgestellt» worden wie «unfreiwilliger Umzug»,            Eigentümerschaft Kontakt aufgenommen habe, um zu klären,
«Schwierigkeiten bei der Wohnraumsuche in der Stadt» und                 ob ein Verkauf der Liegenschaft ein denkbarer Weg sei. Eine An­
«Verlust des sozialen Netzes». Daneben seien aber auch die               frage, die bei einem auf langfristige Anlagen fokussierten Im­
Rechte anderer Anspruchsgruppen berücksichtigt worden. Im                mobilienfonds wenig Sinn macht.
Fall der Pen­sionskasse seien das vor allem die Versicherten, im            Nur noch den Kopf schütteln kann man über die Antwort,
Fall der Credit Suisse Asset Management Switzerland AG die               die von der Stadt Zürich kommt. Der Stadtrat weist auf sein
Investoren, die hinter dem SIAT-Immobilienfonds stehen, zu               Wohnprogramm hin, fügt aber hinzu, dass sich «im Kanton Zü­
dessen Portfolio die Häuser am Schorenweg in Basel gehören.              rich und in der Agglomeration die Leerwohnungsziffer spürbar
Beide Gruppen hätten ein Recht auf einen angemessenen Le­                erhöht habe und angemessener Wohnraum zu akzeptablen
bensstandard und soziale Sicherheit. Was das Ergebnis dieser             Konditionen verfügbar sei». Das ist die offizielle Version der
Prüfung war, braucht hier nicht explizit erwähnt zu werden.              berüchtigten Aussage der Hauseigentümer-Lobbyistin Regine
                                                                         Sauter. Im Abstimmungskampf zur Wohninitiative hatte sie
   … und Behörden                                                        gegenüber den Medien gesagt, die Mieterinnen und Mieter
   Die im Schreiben von Aussenminister Ignazio Cassis zusam­             müssten halt dort hinziehen, wo sie sich eine Wohnung leisten
mengefassten Antworten der Behörden sind voller Wider­                   könnten.
sprüche. Für den Bund weist Cassis unter anderem auf das
Mietrecht hin. Das Problem: Dieses bietet leider keinen wirk­               Nicht mit weniger zufrieden geben
samen Schutz vor Kündigungen, die Mieterinnen und Mieter zu                  Die Latte, die Leilani Farha für eine sich an der Wahrung der
einem unfreiwilligen Umzug zwingen. Es gibt insbesondere                 Menschenrechte orientierenden Stadtentwicklung gesetzt hat,
keine gerichtliche Abwägung zwischen den Rechten der von                 ist hoch: Sanierungen müssen in bewohntem Zustand, Ersatz­
den Compliance-Spezialisten der CS aufgeführten Anspruchs­               neubauten in Etappen durchgeführt werden und einen mög­
gruppen. Es gibt kein Kündigungsschutzverfahren, in dem der              lichst hohen Prozentsatz an Wohnungen enthalten, die für die
Verlust des sozialen Netzes einer 80-jährigen Mieterin gegen             bisherigen Mieterinnen und Mieter preislich erschwinglich
das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard eines von                sind. Bei grossen Planungen müssen die betroffenen Miete­
den Ausschüttungen des SIAT-Immobilienfonds profitierenden               rinnen und Mieter einbezogen werden. Mit weniger dürfen wir
Investors abgewogen wird.                                                uns jedoch nicht zufrieden geben.

Mieten + Wohnen                     März 2020, Nr. 1                                                                                     13
Haushalt          Text von Stefan Hartmann, Topten

      Mit gutem Gewissen
      Kaffee trinken

                                                          iStock

Mieten + Wohnen   März 2020, Nr. 1                   14
Die Kaffeemaschine ist wohl das beliebteste
Haushaltsgerät, sie verbraucht jedoch viel Energie.
Worauf man beim Kauf und bei der Nutzung
achten sollte.

Der Sound der Kaffeemaschine ist wie                  Auf Energieetikette achten              scheid folgende Faktoren spielen: Alter
Musik in unseren Ohren. Er begleitet uns         Kaffeemaschinen sind das wohl belieb­        und Energieklasse des defekten Geräts,
durch den ganzen Tag – beim Frühstück            teste Haushaltsgerät der Schweizer:          die Höhe der zu erwartenden Reparatur­
und später an der Arbeit. Wenn der unver­        In Haushalten und Büros sind rund 3 Mil­     kosten und der Einfluss der sogenannten
gleichliche Duft frischen Kaffees durch          lionen von ihnen im Einsatz. Zudem           grauen Energie auf die Ökobilanz. In der
die Büroräume strömt, verfliegt die              gehen jährlich zirka 500 000 neue Geräte     Schweiz gibt es 138 «Repair Cafés», die
Müdigkeit, sprudeln die guten Ideen.             über den Ladentisch. Pro Jahr verbrau­       beraten und flicken (siehe Link unten).
Durchschnittlich drei Tassen schlürfen           chen Kaffeemaschinen etwa 400 Mil­           Alte, defekte Geräte können – wie alle
wir Schweizerinnen und Schweizer                 lionen Kilowattstunden Strom im Wert         elektrischen Haushaltsgeräte – kostenlos
pro Tag. Nur in Deutschland und Nor­             von 80 Millionen Franken. Weniger            bei jeder Verkaufsstelle zurückgegeben
wegen wird mehr Kaffee getrunken.                schön: Der grösste Teil der Energie wird     werden, auch wenn man kein neues Gerät
                                                 immer noch für das unnötige Warmhalten       kauft.
   Kaffeekapseln weit verbreitet                 und den Standby-Betrieb verschwendet.
Entsprechend wichtig ist die Wahl der                Immerhin sind heute fast alle mo­           Kaffee aus nachhaltigem Anbau
Kaffeemaschine. Für viele geht nichts            dernen Geräte programmierbar, sodass         Beim Kauf des Kaffees sollte darauf
über den guten alten Espressokocher              sie zum Beispiel nach zehn oder fünfzehn     geachtet werden, dass er aus nachhal­
mit Drehverschluss. Inzwischen hat aber          Minuten automatisch abstellen. So            tigem Anbau stammt, also das Bio-
die Portionen-Maschine ihren Siegeszug           können rund sechzig Prozent Strom ein­       und Fair-Trade-Label trägt. Kaffeeanbau
angetreten. Sie macht heute rund sechzig         gespart werden!                              ist nicht ganz harmlos. Zur Herstellung
Prozent aller Geräte aus. Die besten Por­            Beim Kauf sollte man auf die Energie­    einer Tasse Kaffee braucht es zum Bei­
tionen-Maschinen mit Qualitätslabel A++          etikette achten. Die Energieetikette für     spiel 132 Liter Wasser. Über zwei Drittel
sind bereits für um die hundert Franken          Kaffeemaschinen ist in der Schweiz seit      der Umweltbelastung des Kaffees fallen
zu kaufen. Sie funktionieren mit Alu­            2015 obligatorisch – im Gegensatz zur        bei seiner Kultivierung und der Verar­
kapseln oder sogenannten Pads – abge­            EU. Für einmal geht die Schweiz hier also    beitung (Rösten) sowie beim Transport
packten Einzeldosen mit gepresstem               mit gutem Beispiel voran. Ein modernes       und der Verpackung an. Im letzten Jahr
Kaffeepulver in dünnen Schichten Filter­         Gerät der Effizienzklasse A++ verbraucht     hat die Schweiz 138 000 Tonnen Kaffee im
papier. Kaffeepads sind kompostierbar,           heute noch 35 Kilowattstunden pro Jahr.      Wert von 379 Millionen Franken impor­
während die Kaffeekapseln aus Alu recy­          Wer solche Geräte anbietet und was sie       tiert, vorab aus Brasilien und Kolumbien.
celt werden können. In der Schweiz wird          kosten, ist aus der Webseite des Energie­    Rund die Hälfte des Kaffees wird in der
allerdings nur rund die Hälfte aller Alu­        portals Topten zu ersehen. Die Auswahl       Schweiz veredelt und für 2,1 Milliarden
kapseln recycelt. Kaffeevollautomaten            ist gross.                                   Franken wieder exportiert. Ein gutes
(17 Prozent aller Geräte) dagegen mahlen                                                      Geschäft.
die Kaffeebohnen frisch. Sie können                   Reparieren oder ersetzen?
per Knopfdruck diverse Kaffeevarian­             Bockt eine Kaffeemaschine, stellt sich wie      Info:
                                                                                                 www.topten.ch/kaffeemaschinen
­ten zubereiten. Vollautomaten sind              bei allen elektrischen Geräten die Frage:       repair-cafe.ch/de
 allerdings rund drei Mal so teuer wie           Reparieren oder durch ein Neugerät
 Portionenmaschinen.                             ersetzen? Eine Rolle sollten beim Ent­

Mieten + Wohnen                    März 2020, Nr. 1                                                                                  15
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                                          Krise der Städte ausgelöst und deren
                                          Peripherien veröden lassen.
                                               In ganz Europa kauft das Grosskapi­

Krise
                                          ­tal Immobilien als Spekulationsobjekte
                                           auf. In Städten wie München oder
                                           Zürich, Stuttgart oder Berlin ist der

der Städte                                 Wohnungsmarkt zu einem Glücksspiel
                                           geworden, bei dem man froh sein kann,
                                           wenn am Ende ein Trostpreis winkt.
Zur Wohnungsfrage                          Wien hat einiges besser, aber auch nicht
im 21. Jahrhundert.                        alles richtig gemacht. Und in den USA
                                           hat der Traum vom Eigenheim auf Pump
                                           eine Schuldenkrise ausgelöst, die das
Das Wohnen ist heute in mehrfacher Hin­ globale Finanzsystem an die Grenze des
sicht zum Problemfall geworden. Das ver­ Kollapses geführt hat.
anschaulicht der Architekt und Stadt­          Doch das Recht auf Wohnen ist ein                                                                   Rotpunktverlag
planer Ernst Hubeli in dieser pointierten Menschenrecht, für das es zu kämpfen                                                                     192 Seiten, 16,8 × 10,7 cm, Broschur
Streitschrift, die die Wohnungsfrage,      gilt, denn es steht mehr auf dem Spiel als                                                              ISBN 978-3-85869-865-0, 1. Auflage
schon von Friedrich Engels gestellt, für   nur die eigenen vier Wände. In zehn grif­
das 21. Jahrhundert neu verhandelt. Ein    figen Thesen beleuchtet Ernst Hubeli                                                                    Mitgliederaktion
Problemfall ist das Wohnen in architekto­ den Zusammenhang zwischen Wohnen                                                                         Mitglieder des Mieterinnen- und
nischer Hinsicht: Die Vielfalt unserer     und Gesellschaft, privatem und öffent­                                                                  Mieterverbands erhalten das Buch für
Lebensentwürfe passt längst nicht mehr     lichem Raum, Urbanität und Demo­                                                                        15 Franken (statt 17.–). Bestellungen
in den Einheitsbrei von «3 Zimmer/         kratie und zeigt anhand des aktuellen                                                                   bitte mit dem Vermerk «Mitglieder­
Küche/Bad». Vor allem aber hat der         Beispiels Berlin, wie eine Stadtgesell­                                                                 aktion Mieter­verband» per Mail an
Gebrauch beziehungsweise Verbrauch         schaft ein Grundrecht auf eindrückliche                                                                 vertrieb@rotpunktverlag.ch oder
von Boden in den letzten zwanzig           Weise zurückfordern kann.                                                                               unter 043 243 40 40.

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Mieten + Wohnen                                   März 2020, Nr. 1                                                                                                                        16
Hotline

                   Müssen                                                          Ist diese Kündigung rechtens?
                   wir zahlen?
                   Zwei Wochen nach der Wohnungs-                                  Ich habe die Nebenkostenabrech-         zudem ein Zusammenhang, ein
                   abgabe haben wir ein Schreiben von                              nung meines Vermieters bean-            sogenannter Kausalzusammen­
                   unserem Vermieter erhalten, in dem                              standet, da sie meines Erachtens        hang, bestehen. Eindeutig
Fabian Gloor
beantwortet Ihre
                   er uns den Austausch der Bade-                                  zahlreiche Positionen enthält, die      beweisen lässt sich ein solcher
Fragen             wanne zu unseren Lasten ankün-                                  in meinem Mietvertrag gar nicht         natürlich nicht. Indizien und
                   digte. Bei genauer Betrachtung habe                             erwähnt sind. Der Vermieter             Umstände, welche auf diesen
                   er einen Schaden in der Glasur ent-                             wollte nichts davon wissen und          Zusammenhang hinweisen, rei­
                   deckt. Im Protokoll wurde dieser                                kündigte mir kurzerhand. Ist diese      chen jedoch aus. Je kürzer der
                   Schaden nicht vermerkt. Kann er                                 Kündigung rechtens?                     zeitliche Abstand zwischen
                   uns dafür noch zur Rechenschaft                                                                         Geltend­machung des Rechts und
                   ziehen?                                                         Der Vermieter darf grundsätzlich        der Kündigung ist, desto wahr­
                                                                                   aus jedem beliebigen Grund              scheinlicher ist ein solcher
                   Nein. Zwar dürfte es sich beim                                  kündigen. Verstösst eine Kündi­         Zusammenhang. So auch in
                   Schaden in der Glasur um über­                                  gung aber gegen Treu und                Ihrem Fall. Es ist Ihr gutes Recht,
                   mässige Abnutzung handeln,                                      Glauben, so ist sie missbräuch­         eine fehlerhafte Nebenkosten­
                   wofür Sie als Mieterin grundsätz­                               lich und damit anfechtbar. Typi­        abrechnung zu beanstanden.
                   lich haftbar wären. Damit der Ver­                              scherweise missbräuchlich ist           Weil darauf gleich die Kündigung
                   mieter jedoch diesen Schaden­                                   etwa eine Kündigung, die der            folgte, dürfte es sich tatsächlich
                   ersatzanspruch gegen Sie geltend                                Vermieter aus Rache ausspricht,         um eine Rachekündigung und
                   machen kann, muss er zwei Moda­                                 weil die Mieterschaft gutgläubig        damit um eine missbräuchliche
                   litäten – sogenannte Obliegen­                                  ein Recht aus dem Mietver­              Kündigung handeln. Fechten Sie
                   heiten – einhalten. Zum einen                                   hältnis geltend gemacht hat.            diese Kündigung unbedingt
                   muss er bei der Wohnungsabgabe                                  Gutgläubig bedeutet dabei, dass         innert 30 Tagen nach Erhalt bei
                   den Zustand der Wohnung sorg­                                   der Mieter annimmt, wirklich            der Schlichtungsbehörde an und
                   fältig überprüfen. Zum anderen                                  über dieses Recht gegenüber             lassen Sie sich vor der Schlich­
                   muss er Schäden, für welche er die                              dem Vermieter zu verfügen. Zwi­         tungsverhandlung eingehend
                   ausziehende Mieterschaft haftbar                                schen der Kündigung und dem             vom Mieterinnen- und Mieter­
                   machen will, dieser sofort mit­                                 geltend gemachten Recht muss            verband beraten.
                   teilen. Diese Meldung, im Fach­
                   jargon «Mängelrüge» genannt,
                   muss einerseits klar, präzise und
                   detailliert sein. Andererseits muss
                   sie sofort erfolgen, das heisst
                   innerhalb von 2 bis 3 Arbeitstagen
                   nach der Abgabe. Versteckte
                   Mängel, also solche Schäden, die
                   der Vermieter trotz sorgfältiger
                   Prüfung nicht bemerken konnte,
                   muss er innert der gleichen Frist
                   nach deren Entdeckung rügen. Bei
                   der beschädigten Glasur handelt
                   es sich nicht um einen versteckten
                   Mangel. Hätte der Vermieter
                   genauer hingeschaut, hätte er den
                   Schaden problemlos erkennen und
                   Ihnen innerhalb der 2 bis 3 Tage
                   melden können. Seine Mängelrüge
                                                          Phil & Liz on Unsplash

                   erfolgte aber erst zwei Wochen
                   nach der Abgabe und damit viel zu
                   spät. Der Schadenersatzanspruch
                   Ihres Vermieters ist deshalb bereits
                   verwirkt.                                                       Egal, wer es war: Kratzer in der Badewanne muss der Vermieter innerhalb von
                                                                                   zwei bis drei Tagen nach der Wohnungsabgabe beanstanden.

Mieten + Wohnen               März 2020, Nr. 1                                                                                                                   17
Miettipp          Text von Fabian Gloor
Illustration Patric Sandri

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Bevor Mieterinnen und Mieter den Pinsel in die
Farbe tunken oder den Hammer schwingen, sollten
sie sich mit der Rechtslage auseinandersetzen.

                        Aufgepasst beim Umbauen

Der Frühling weckt bei vielen Miete­      folglich darf sie auch keine substanziellen   nimmt er andere gefährliche Eingriffe in
rinnen und Mietern die Lust nach einem    Veränderungen daran vornehmen.                die Bausubstanz vor, ist sogar eine frist­
Tapetenwechsel. So auch bei Eva Kunz.         Selbstverständlich braucht es aber        lose Kündigung möglich.
Als leidenschaftliche Hobby-Köchin        nicht für jede minimale Veränderung das
träumt sie von einer moderneren Küche.    Einverständnis der Vermieterschaft. Die          Vorsicht vor Fehlinvestitionen
Die ihrige stammt noch aus dem letzten    Mieterin hat das Recht, das Mietobjekt        Der Vermieter von Eva Kunz hat schliess­
Jahrhundert. Obwohl «Vintage» im Trend    zu gebrauchen. Dazu gehört auch, dass         lich doch noch Verständnis für ihr
liegt, wären ein Induktionsherd oder ein  etwa ein Gestell an die Wand geschraubt       Anliegen. Er gestattet ihr den Küchen­
Backofen mit integriertem Steamer das     werden darf. Solange solche Eingriffe die     umbau, allerdings auf ihre eigenen
Mass aller Dinge. Ihr Vermieter hat dafür Bausubstanz nicht verändern, keine            Kosten. Und so entschliesst sich Eva
leider kein Gehör. Er habe weder Lust     Schäden verursachen und leicht wieder         Kunz, ihren Traum zu verwirklichen. Kos­
auf noch Geld für eine Küchensanierung,   rückgängig gemacht werden können, sind        tenpunkt: 12 000 Franken. Das ist nicht
hat er sie wiederholt abgewimmelt.        sie unproblematisch. Um spätere Strei­        ganz billig, doch so viel ist ihr der zusätz­
                                          tigkeiten zu verhindern, ist es jedoch        liche Komfort allemal wert.
    Renovieren nur mit Zustimmung         ratsam, im Zweifelsfall trotzdem die Ein­         Doch was passiert, falls Eva Kunz
Eva Kunz ärgert sich über ihr Vorgehen:   willigung des Vermieters einzuholen.          einmal ausziehen sollte – weil ihr der Ver­
Hätte sie doch besser gar nicht gefragt,      Doch welche Konsequenzen haben            mieter kündigt oder andere Gründe sie
sondern die Küche einfach ohne Einwilli­ Mieterinnen und Mieter zu befürchten,          zwingen, eine neue Bleibe zu suchen?
gung des Vermieters umgebaut!             wenn sie ohne Zustimmung der Vermie­          Ihre Traumküche könnte sie unmöglich
    Davon ist ihr dringend abzuraten.     terschaft die Wohnung renovieren? Sie         mitnehmen. Es bliebe ihr nichts anderes
Laut Gesetz ist es Eva Kunz nämlich nicht riskieren meistens nur, dass der Vermieter    übrig, als sie dem Vermieter zu über­
erlaubt, ohne schriftliche Zustimmung     von ihnen verlangt, die Veränderung am        lassen. Dieser könnte die Wohnung
des Vermieters bauliche Veränderungen     Ende des Mietverhältnisses rückgängig zu      wegen der Investition womöglich sogar
vorzunehmen. In Art. 266a OR steht:       machen. Grundsätzlich könnte der Ver­         zu einem höheren Mietzins weiter­-
«Der Mieter kann Erneuerungen und Än­ mieter aber auch eine Kündigung aus­              vermieten.
derungen an der Sache nur vornehmen,      sprechen. Dies allerdings nur, wenn die           Eva Kunz muss also aufpassen,
wenn der Vermieter schriftlich zuge­      Renovationen dem Mietobjekt einen             dass sie sich die Investition von 12 000
stimmt hat.» Das hat einen guten Grund: ernsthaften Schaden zufügen. Reisst ein         Franken im Falle eines Auszugs nicht ans
Die Liegenschaft gehört nicht Eva Kunz,   Mieter tragende Wände heraus oder             Bein streichen muss. Gesetzlich schuldet

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ihr der Vermieter nämlich nur dann eine         dem Auszug nach eigenem Gusto sanie­       vestition von 12 000 Franken pro Jahr, das
Entschädigung für den Mehrwert, wenn            ­ren will. Dann könnten die von der        zwischen der Küchensanierung und dem
er der Renovation schriftlich zugestimmt         Mieterschaft selbst eingebauten Einrich­  Auszug vergeht, ein Zwanzigstel abzu­
hat. «Schriftlich» ist dabei absolut wört­       tungen vielleicht stören und deren        ziehen. Das macht nach Adam Riese
lich gemeint. Eine mündliche Zusage,             Entfernung erhebliche Mehrkosten          600 Franken pro Jahr. Sollte Eva Kunz
mag sie noch so aufrichtig erfolgt sein,         verursachen.                              also 8 Jahre nach der Küchensanierung
lassen die Schlichtungsbehörden und Ge­                                                    ausziehen, so muss ihr der Vermieter
richte bei einem Rechtsstreit nicht gelten.         Nur mit schriftlicher Zustimmung       noch 7200 Franken zurückbezahlen.
    Im Einzelfall kann das natürlich stos­      Eva Kunz kann sich gegen dieses finan­         Gewisse Vermieter erteilen zwar die
send sein. Deshalb gibt es in der Rechts­       zielle Risiko absichern, indem sie eine    schriftliche Zustimmung zu einer bau­
ordnung den Notbehelf des Rechtsmiss­           schriftliche Vereinbarung aufsetzt und     lichen Veränderung, halten aber fest, dass
brauchs. Gemäss Art. 2 ZGB findet der           von ihrem Vermieter unterschreiben lässt. die Mieterin oder der Mieter diese rück­
offenbare Missbrauch eines Rechts               In dieser Vereinbarung sollte sie den      gängig machen muss. Laut Gesetz ist das
keinen Rechtsschutz. Darauf kann sich           genauen Betrag ihrer Investition fest­     nur zulässig, wenn die Mieterschaft der
die Mieterschaft zwar berufen, wenn sie         halten und die Höhe der Vergütung, die     Rückbauverpflichtung ausdrücklich zu­
gestützt auf eine mündliche Zustimmung          ihr der Vermieter im Falle eines Auszugs   stimmt. Der Vermieter kann folglich
des Vermieters viel Geld in den Umbau           unter Berücksichtigung der Altersent­      nicht auf den Rückbau bestehen, wenn er
der Wohnung investiert hat. Darauf ver­         wertung zurückbezahlt. So werden klare     seine schriftliche Zustimmung bloss mit
lassen sollte man sich allerdings nicht,        Verhältnisse geschaffen.                   einem entsprechenden Vorbehalt ver­
denn dass ein Rechtsmissbrauch festge­              Eine Mehrwertentschädigung ist aller­ sehen hat. Voraussetzung ist, dass die
stellt wird, ist eher die Ausnahme.             dings auch dann geschuldet, wenn in der Mieterschaft der Rückbaupflicht per
    Ohne schriftliche Zustimmung könnte         Vereinbarung kein genauer Betrag bezif­    Unterschrift zugestimmt hat oder der
der Vermieter sogar verlangen, dass Eva         fert ist, sondern der Vermieter mit seiner Vermieter anderweitig nachweisen kann,
Kunz die Küche am Ende der Mietdauer            Unterschrift nur dem Küchenumbau           dass die Mieterschaft damit einver­
auf eigene Kosten wieder herausreisst.          zustimmt. In einem solchen Fall be­        standen war.
Aber so doof wird er kaum sein. Aller­          rechnet sich die Mehrwertentschädigung         Nachdem der Vermieter bereitwillig
dings gibt es durchaus Gründe, weshalb          folgendermassen: Eine Küche ist laut der die Zustimmung samt der exakt bezif­
der Vermieter trotzdem an einem                 Paritätischen Lebensdauertabelle nor­      ferten Mehrwertentschädigung unter­
Rückbau der Küche interessiert sein             malerweise innert 20 Jahren amortisiert.   schrieben hat, ist Eva Kunz ihrer Traum­
könnte. Zum Beispiel dann, wenn er nach         Demnach ist von der ursprünglichen In­     küche ein gutes Stück näher.

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