September 2021 Vladimir Jurowski - Rundfunk-Sinfonieorchester ...

Die Seite wird erstellt Simon Hecht
 
WEITER LESEN
September 2021 Vladimir Jurowski - Rundfunk-Sinfonieorchester ...
4. September 2021
Vladimir Jurowski
September 2021 Vladimir Jurowski - Rundfunk-Sinfonieorchester ...
2   BEETHOVEN – SINFONIE NR. 7

                                 „Und Gott der Herr gebot dem Menschen und sprach:
                                 Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber
                                 von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen
                                 sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von
                                 ihm issest, musst du des Todes sterben.“

                                 1. Mose 1,16-17
September 2021 Vladimir Jurowski - Rundfunk-Sinfonieorchester ...
4   PROGRAMM                                                                                                                                   5

    4. September 2021                                               Igor Strawinsky
    Samstag / 19 Uhr                                                (1882 – 1971)                        ***
                                                                    Symphonies d’instruments à vent
    Philharmonie Berlin                                             (Bläsersinfonien)                    Igor Strawinsky
    Abo-Konzert                                                     (Fassung von 1920)                   Variationen für Orchester
                                                                                                         (Aldous Huxley in memoriam)
                                                                    Igor Strawinsky
                                                                    „Abraham und Isaak“ – Geistliche     Paul Hindemith
                                                                    Ballade für Bariton und Kammer-      (1895 – 1963)
                                                                    orchester                            Sinfonie „Mathis der Maler“
    VLADIMIR JUROWSKI                                                                                    › Engelkonzert. Ruhig bewegt –
    Tamara Stefanovich / Klavier                                    Igor Strawinsky                         Ziemlich lebhafte Halbe
    Georg Nigl / Bariton                                            Konzert für Klavier und              › Grablegung. Sehr langsam
    Ralf Sochaczewsky / Assistent des Chefdirigenten                Blasinstrumente                      › Versuchung des heiligen Antonius
    Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin                               › Largo – Allegro – Più mosso –        „Ubi eras bone Jhesu / ubi eras
                                                                       Maestoso (Largo del principo)        quare non affuisti / ut sanares
    Einführung von Steffen Georgi auf rsb-online.de                 › Largo – L’istesso tempo.             vulnera mea?“ Sehr langsam,
                                                                       Cadenza (poco rubato) – Più          frei im Zeitmaß – Sehr lebhaft –
                                                                       mosso – Cadenza (poco rubato) –      Ruhig – Lebhaft – Sehr lebhaft
                                                                       Doppio valore (Tempo I)              – „Lauda Sion Salvatorem“ –
                                                                    › Allegro – Agitato – Lento –          „Alleluja“. Breite Halbe
                                                                       Stringendo

                                                                    Das Konzert wird außerdem von der Digital Concert Hall (DCH) mit-
    Übertragung am 5. September 2021,
    20.03 Uhr. Europaweit. In Berlin auf                            geschnitten und live für die Zuhörer*innen in der DCH übertragen. Die
    UKW 89,6 MHz; Kabel 97,55; Digitalradio                         Konzertaufnahme steht anschließend für 10 Tage auf der Webseite der
    (DAB); Satellit; online und per App.
                                                                    Berliner Festspiele, Musikfest On Demand, als Stream zur Verfügung.
                                                                    Ein Download ist nicht möglich.

    Konzert mit                               Kooperationspartner
September 2021 Vladimir Jurowski - Rundfunk-Sinfonieorchester ...
6                                                                                                   7

    Steffen Georgi

    Noch einmal Strawinsky

                                        Gestorben sei er im April vor 50
    Igor Strawinsky                     Jahren, ist zu lesen. Aber der
    Symphonies d’instruments            russische Komponist Igor Stra-
    à vent                              winsky ist lebendiger denn je. In
                                        den Konzertprogrammen des 21.
    Besetzung                           Jahrhunderts feiern seine Werke
    3 Flöten, 2 Oboen,                  von jenseits der drei großen
    Englischhorn, 3 Klarinetten,        Ballettmusiken „Feuervogel“,
    3 Fagotte (3. auch Kontrafagott),   „Petruschka“ und „Sacre du
    4 Hörner, 3 Trompeten,              Printemps“ – die ohnehin längst
    3 Posaunen, Tuba                    Klassiker geworden sind – ihre
                                        aktive Aufnahme in das Reper-
    Dauer                               toire. Vladimir Jurowski, der mit
    ca. 10 Minuten                      dem Rundfunk-Sinfonieorchester
                                        Berlin bereits im Frühjahr 2021
    Verlag                              an sechs Abenden spektakuläre
    Boosey & Hawkes                     Strawinsky-Entdeckungen mög-
    London, Berlin u.a.                 lich gemacht hat, widmet seinem
                                        provokanten Landsmann noch ein
    Entstanden                          weiteres Konzert, zum Auftakt
    1920, 1947 (Umarbeitung)            der Saison 2021/2022 und im
                                        Rahmen des Musikfestes Berlin
    Uraufführung                        der Berliner Festspiele.
    10. Juni 1921
    London

                                                                            Igor Strawinsky, 1921
September 2021 Vladimir Jurowski - Rundfunk-Sinfonieorchester ...
8   IGOR STRAWINSKY – SYMPHONIES D’INSTRUMENTS À VENT                                                                                                        9

    Aufschrei der                              stück Strawinskys, das Oktett
    Blasinstrumente                            aus dem Jahre 1923, nach dem
                                               Willen des Komponisten „trocken,
    „Die Sinfonien für Blasinstrumen-          kühl, klar und spritzig wie Sekt”
    te wurden geformt als großer Ge-           klingen soll, hat er auch für die
    sang, als ein objektiver Aufschrei         Bläsersinfonien ein transparen-
    der Blasinstrumente anstelle des           tes, luftiges, hörbar abgegrenztes
    warmen menschlichen Tones                  Klangideal.
    der Violinen“, verkündete Igor
    Strawinsky gegenüber der New
    York Times, welche das Interview           Debussy in memoriam
    am 6. Januar 1925 abdruckte.
    Der bisweilen bizarre Stilakrobat          Einem Aufruf der französischen
    unter den Tonkünstlern betonte             Zeitschrift „Revue Musicale“ fol-
    immer wieder, er sei nicht auf der         gend, die alle lebenden Kompo-
    Welt, um sentimentale Bedürf-              nisten eingeladen hatte, zu Ehren
    nisse zu befriedigen. So musste            des 1918 verstorbenen Claude
    er es hinnehmen, dass ein Kri-             Debussy eine Komposition einzu-
    tiker nach der Uraufführung der            reichen, verneigte sich Igor Stra-
    Symphonies d’instruments à vent            winsky vor Claude Debussy mit
    am 10. Juni 1921 glaubte, im               einem trocken-sperrigen Choral.
    Anfangsteil den Lautäußerungen             Dieses klingende „Tombeau de
    eines Esels beigewohnt zu haben.           Debussy“ bildete später das Ende
    Ein Zehnminutenwerk aus-                   der Symphonies d’instruments
    schließlich für Blasinstrumente            à vent. Weitere Teile entnahm er     Claude Debussy
    als Sinfonie zu titulieren, gar mit        nach bewährtem Baukastenprin-
    dem Mehrzahlbegriff Sinfonien zu           zip den Skizzen, die er gerade für
    überschreiben, grenzt scheinbar            andere Werke vorbereitet hatte.
    an Blasphemie. Zu allem Über-              Diese Kompositionsmethode            1947, zwei Jahre nach Erhalt der    spieltechnische Erleichterungen
    fluss fehlt jeglicher Bezug auf            verhalf den Bläsersinfonien zu       US-amerikanischen Staatsbür-        und glättete manche sperrige
    einen Sonatenhauptsatz oder                keinem hörbaren inneren Zusam-       gerschaft, revidierte Strawins-     Passage. Seine musikalische
    auch nur auf eine traditionel-             menhang, wohl aber zu einem          ky nicht nur die Symphonies         Ästhetik hatte sich inzwischen er-
    le harmonische Entwicklung.                vielleicht fühlbaren Zusammen-       d’instruments à vent, um sich die   heblich gewandelt. Heute Abend
    Strawinsky reduziert den Begriff           hang der Temporelationen. Denn       amerikanischen Urheberrechte        jedoch erklingt die ursprüngliche
    auf seine archaischen Wurzeln:             die Metronomzahlen der drei          und damit neue, sprudelnde          Fassung von 1920.
    Zusammenklang. Nichts weiter               Teile – 72, 108 und 144 – bezie-     Tantiemen zu sichern. Er ersetzte
    bedeutet hier für ihn Sinfonie.            hen sich alle auf 36 und stehen      wenig gebräuchliche Instrumen-
    Und so, wie ein weiteres Bläser-           zueinander im Verhältnis 2:3:4.      te durch gängigere, sorgte für
September 2021 Vladimir Jurowski - Rundfunk-Sinfonieorchester ...
10                                                                                                                                                  11

     Wo ist Zuflucht?                                                      näher am Text als oft sonst im
                                                                           Spätwerk. „Abraham und Isaak“,
                                                                                                               Linie hatten sie dem Kompo-
                                                                                                               nisten den Text oft vorzulesen,
                                                                           geistliche Ballade für eine Bari-   damit er den Klang der Worte
                                                                           tonstimme und kleines Orchester,    verinnerlichen konnte.
                                                                           wurde 1962/1963 komponiert
                                     Im letzten Moment fällt ein Engel     (unmittelbar nach „The Flood“)
 Igor Strawinsky                     dem Abraham in den Arm, als           und dem Volk von Israel in          Wozu Opfer?
 „Abraham und Isaak“ –               der den Dolch bereits gegen           Dankbarkeit für die Gastfreund-
 Geistliche Ballade                  Isaak, seinen Sohn, erhoben hat.      schaft während Strawinskys          Für „Abraham und Isaak“ kommt
                                     Der Junge ist völlig unschuldig,      Besuch im Jahr 1962 gewidmet.       eine Zwölftonreihe zum Einsatz,
 Besetzung                           hat nichts getan, soll dennoch        Neunzehn Verse des Genesis-         die – wie bei den Variationen für
 Bariton solo, 2 Flöten, Altflöte,   geschlachtet werden. Denn sein        Kapitels XXII aus dem 1. Buch       Orchester – in zwei sechstönige
 Oboe, Englischhorn, Klarinette,     Vater meint, mit dem Blutopfer        Mose, zusammengefasst in zehn       Hexachorde (und deren vier- oder
 Bassklarinette, 2 Fagotte, Horn,    des eigenen Kindes den un-            musikalischen Einheiten, bilden     fünfteilige Fragmente) zerlegt,
 2 Trompeten, 2 Posaunen, Tuba,      bedingten Glauben gegenüber           die affirmative Einheit aus Text    sodann verarbeitet und wieder
 Streicher (12 Violinen, 4 Violen,   seinem Gott beteuern zu müssen,       und Musik. Das heißt, die Worte     zusammengesetzt wird. Nicht der
 3 Violoncelli, 2 Kontrabässe)       man könnte auch sagen, mit der        sind nicht nur Material, das es     Rhythmus, aber der wechselnde
                                     selbstzerstörerischen Tat seine       klingend auszuloten gilt (wie       Puls schafft Strukturen über die
 Dauer                               bedingungslose Loyalität dem          zumeist sonst bei Strawinsky),      Tonhöhen und Tondauern hinaus.
 ca. 12 Minuten                      Angebeteten gegenüber über alle       sondern sie geben die Linie und     Einmal mehr und trotz des
                                     persönlichen Skrupel zu stellen.      die Betonungen auch der Musik       packenden Dramas, das erzählt
 Verlag                              Gruselig. Geschichte. Lange her.      vor. Um diese bei ihm seltene       wird, grenzt sich Strawinsky vom
 Boosey & Hawkes                     Lange her? Es sind heutige Politi-    Kongruenz stets zuverlässig wie-    „Hineingeheimnissen“ außermu-
 London, Berlin u.a.                 ker, Väter vielleicht, weltweit und   dergegeben zu wissen, bestand       sikalischer Inhalte in seine Musik
                                     um uns herum, die junge Männer,       Strawinsky auf der ausschließ-      ab: „Ich wünsche dem Hörer
 Entstanden                          Soldaten, Söhne vielleicht, in den    lichen Aufführung der geistlichen   kein Glück, musikalische Be-
 Sommer 1962 bis 2. März 1963        Tod schicken. Für den Glauben         Ballade in hebräischer Sprache.     schreibungen oder Illustrationen
                                     an eine vermeintlich gute Sache.      Wohl erlaubte er die Nacherzäh-     zu entdecken: Meines Wissens
 Uraufführung                        Kein Engel und kein Gott fällt        lung der Geschichte in der jewei-   wurden keine komponiert, und
 23. August 1964, Jerusalem          ihnen in den Arm.                     ligen Landessprache, der Gesang     die Noten selbst sind meiner
 Robert Craft, Dirigent.                                                   selber sei jedoch so eng an die     Meinung nach das Ende des
 Ephraim Biran, Bariton              Was auch immer Igor Strawinsky        Klangfarben, den Silbenfall, die    Weges. Obwohl ich lange und
                                     fasziniert haben mag an der           Melismen und Bewegungen der         gründlich über die Bedeutung des
 Europäische Erstaufführung          biblischen Erzählung (außer           hebräischen Sprache gebunden,       Textes nachgedacht habe, ist mir
 (in Anwesenheit d. Komponisten)     der profanen Tatsache, dass in        dass er nicht übersetzt gesungen    eine Symbolik im Gebrauch von
 22. September 1964, Berlin          einem ihm zugänglichen Band           werden dürfe. Dabei verstand        Kanons oder ausdrucksstarken
 Robert Craft, Dirigent. Dietrich    mittelalterlicher „Miracle Plays“     und sprach Strawinsky selber gar    rhythmischen Mitteln nicht be-
 Fischer-Dieskau, Bariton            die Erzählung „Abraham und            kein Hebräisch. Er holte sich Rat   wusst. Wer vorgibt, so etwas zu
                                     Isaak“ unmittelbar auf „Noah’s        und Hilfe bei Freunden (Isaiah      hören, etwa in der Passage über
                                     Flood“ folgte) – seine Musik ist      Berlin, Hugo Weisgall). In erster   Isaak und die beiden Jünglinge,
September 2021 Vladimir Jurowski - Rundfunk-Sinfonieorchester ...
12   IGOR STRAWINSKY „ABRAHAM UND ISAAK“ – GEISTLICHE BALLADE                                                                                                  13

     der hat, glaube ich, zu viel aus           seed of Europe, one by one.“
     dem gemacht, was für mich nur              Die Berichte von der Aufführung
     ein Zufall ist.“ (Igor Strawinsky,         der geistlichen Ballade Igor Stra-
     Cover der Schallplatte „The New            winskys durch Dietrich Fischer-
     Stravinsky“) Anderer Meinung               Dieskau während der Berliner
     ist Robert Craft. Er unterstellt           Festspiele 1963 (in Anwesenheit
     Strawinsky gar Tonmalerei.                 des Komponisten und zahlreicher
     Nachdem Gott durch den Mund                Mitglieder der damaligen politi-
     des Engels eingelenkt und einen            schen Elite der Bundesrepublik
     Widder statt des Kindes als Opfer          Deutschland) stimmen überein in
     angenommen hat, muss man des               ihrer Faszination angesichts der
     Tieres erst einmal habhaft wer-            Wucht und Wirkung der überaus
     den: „Das Fangen des Widders im            dramatischen Darbietung – bei
     Dickicht inspirierte Programm-             gleichzeitigem kollektivem Nicht-
     musik. Die Lebhaftigkeit des               verstehen sowohl des Textes
     Tieres wird durch Sprünge und              als auch der erstmalig gehörten
     schnelle Noten in den Fagotten             Musik. Robert Craft weiß eine
     abgebildet und durch die un-               Antwort auf das Paradoxon:
     regelmäßigsten Rhythmen, die               „Strawinsky war über achtzig,
     Strawinsky je geschrieben hat              als er diese tiefempfundene und
     … Schnelle Tonrepetitionen der             sowohl dramatisch als auch mu-
     Klarinette sollten als Strawinskys         sikalisch neuartige Partitur kom-
     musikalisches Bild für die reiche          ponierte. Ihre emotionale Kraft
     Nachkommenschaft Abrahams                  überträgt sich beim ersten Hören
     verstanden werden.“ (Robert                des Werkes. Um diese Musik zu
     Craft, „Strawinsky. Einblicke in           verstehen und zu lieben, muss
     sein Leben“) Benjamin Britten,             man sie mehrere Male hören.“
     der 1962 ebenfalls das Opfer               Wohlan!
     Isaaks thematisiert hat (u.a.
     im „War Requiem“), kommt bei
     ungleich anderer musikalischer
     Umsetzung auch auf ein ungleich                                                 Das Opfer Abrahams, ca. 1631
     böseres Ende der Geschichte.                                                    Gemälde von Cornelis de Vos (ca. 1584-1651) und Jan Wildens (1586-1653)
     Vom Engel auf die Möglichkeit
     des Widderopfers hingewiesen,
     reißt Brittens Abraham (nach
     dem Libretto von Wilfred Owen)
     dennoch dem Knaben die Brust
     auf: „But the old man would not
     so, but slew his son, and half the
September 2021 Vladimir Jurowski - Rundfunk-Sinfonieorchester ...
14                                                                                                                                                 15

     Genesis XXII, 1-19

     Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm:        Und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen
     Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich.                                Sohn schlachtete.

     Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast,       Da rief ihn der Engel des HERRN vom Himmel und sprach: Abraham!
     und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer        Abraham! Er antwortete: Hier bin ich.
     auf einem Berge, den ich dir sagen werde.
                                                                              Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts;
     Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und          denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen
     nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz       Sohnes nicht verschont um meinetwillen.
     zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem
     ihm Gott gesagt hatte.                                                   Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich
                                                                              in der Hecke mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den
     Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von       Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt.
     ferne
                                                                              Und Abraham nannte die Stätte »Der HERR sieht«. Daher man noch
     Und sprach zu seinen Knechten: Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und     heute sagt: Auf dem Berge, da der HERR sieht.
     der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wol-
     len wir wieder zu euch kommen.                                           Und der Engel des HERRN rief Abraham abermals vom Himmel her

     Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen         Und sprach: Ich habe bei mir selbst geschworen, spricht der HERR:
     Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand;         Weil du solches getan hast und hast deines einzigen Sohnes nicht
     und gingen die beiden miteinander.                                       verschont,

     Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: Mein Vater! Abraham ant-        Will ich dein Geschlecht segnen und mehren wie die Sterne am Him-
     wortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer   mel und wie den Sand am Ufer des Meeres, und deine Nachkommen
     und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer?                          sollen die Tore ihrer Feinde besitzen;

     Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf          Und durch dein Geschlecht sollen alle Völker auf Erden gesegnet
     zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander.                       werden, weil du meiner Stimme gehorcht hast.

     Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute        So kehrte Abraham zurück zu seinen Knechten. Und sie machten
     Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen       sich auf und zogen miteinander nach Beerscheba und Abraham blieb
     Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz                    daselbst.
September 2021 Vladimir Jurowski - Rundfunk-Sinfonieorchester ...
‫‪16‬‬                                                                                                                                                                                                                             ‫‪17‬‬

                                                                                                                                                                                                             ‫‪DEINE‬‬
                                                                                 ‫‪Genesis XXII, 1-19, in hebräischer Sprache‬‬

                                                                                                              ‫‪Genesis XXII, 1-19, in hebräischer Sprache‬‬

                                               ‫ו ַי ְִ֗הי אַַח֙ר ַהְדָּב ִ֣רים ָהֵ֔אֶלּה ו ְ ָ ֣הֱא‪ִ֔A‬הים נִ ָ ֖סּה ֶאת־אְַבָר ָ ֑הם ו ַ ֣יּ ֹאֶמר ֵאָ֔ליו אְַבָר ָ ֖הם ו ַ ֥יּ ֹאֶמר ִהֵנּ ֽנִי׃‬

                                                                                                                                                                                                             ‫‪OHREN‬‬
                                                                             ‫שׁר־אַָ֨הְבָ֙תּ ֶאת־י ְִצָ֔חק ו ְֶל‪G‬־ְל֔‪ֶ H‬אל־‬                 ‫ו ַ ֡יּ ֹאֶמר ַקח־ ֠נָא ֶאת־ִבּנְ֙‪ֶ H‬את־י ְ ִ ֽ‬
                                                                                                                               ‫חיְד֤‪ֲ H‬א ֶ‬
                                                                                                                     ‫שׁ֙ם ְלע ָֹ֔לה ַ֚על אַ ַ ֣חד ֶ ֽ‬
                                                                                  ‫הָה ִ֔רים ֲא ֶ ֖שׁר א ַֹ֥מר ֵא ֶֽלי‪H‬׃‬                               ‫ֶ ֖אֶרץ ַהמּ ִֹר ָ֑יּה ו ְַהֲע ֵ֤להוּ ָ‬

     ‫שׁ ֵ ֤ני נְָעָרי֙ו ִא ֔תּ ֹו ו ְ ֵ ֖את י ְִצ ָ ֣חק ְבּ ֑נ ֹו ו ַי ְַבַקּ֙ע ֲע ֵ ֣צי ע ָֹ֔לה ו ַ ָ֣יָּקם ו ַ ֔יֵֶּל‪ֶ G‬אל־‬
                                                                                                                      ‫שׁ ֶאת־ֲחמ ֹ ֔ר ֹו ו ַיִַּ֞קּח ֶאת־ ְ‬
                                                                                                                                                       ‫שֵׁ֨כּם אְַבָרָ֜הם ַבּ ֗בּ ֶֹקר ַו ֽיֲַּחב ֹ ֙‬    ‫ו ַיַּ ְ‬
                                                                                                                                                    ‫הים׃‬‫אַמר־֥‪A‬ו ָהֱא‪ֽ ִ A‬‬            ‫ַהָמּ ֖ק ֹום ֲא ֶ‬
                                                                                                                                                                                ‫שׁר־ ָ ֽ‬

                                                                                         ‫שּׂא אְַבָר ָ ֧הם ֶאת־ֵעי ָ ֛ניו ו ַ ַ֥יְּרא ֶאת־ַהָמּ ֖ק ֹום ֵמָר ֽח ֹק׃‬
                                                                                                                                                            ‫שׁי ו ַיִּ ֨ ָ‬
                                                                                                                                                                       ‫שִּׁלי ֗ ִ‬
                                                                                                                                                                              ‫ַבּ ֣יּ ֹום ַה ְ‬

                                                                                                                                                                                                                  ‫‪D‬‬  ‫‪E‬‬  ‫‪N‬‬
                                                   ‫שׁבוּ־ָל ֶ ֥כם פּ ֹ֙ה ִ ֽעם־ַהֲח ֔מ ֹור ו ֲַאִ֣ני ו ְַה ֔נַַּער נְֵל ָ ֖כה ַעד־ ֑כּ ֹה ו ְִנ ֽ ְ‬
                  ‫שַׁתֲּחֶ֖וה ו ְנָ֥שׁוָּבה ֲאֵלי ֶ ֽכם׃‬                                                                                         ‫ו ַ ֨יּ ֹאֶמר אְַבָרָ֜הם ֶאל־נְָע ָ ֗ריו ְ‬

                                                                                                                                                                                                             ‫‪W‬‬ ‫‪E‬‬‫‪R‬‬
                 ‫שׁנֵי ֶ ֖הם י ְַח ָ ֽדּו׃‬                                                                                                    ‫ו ַיִַּ֨קּח אְַבָרָ֜הם ֶאת־ֲע ֵ ֣צי ָהע ָֹ֗לה ו ַ ֨יָּ ֶ‬
                                                                ‫שׂ֙ם ַעל־י ְִצ ָ ֣חק ְבּ ֔נ ֹו ו ַיִּ ַ ֣קּח ְבּי ָ ֔ד ֹו ֶאת־ָה ֵ ֖אשׁ ו ְֶאת־ ַ ֽ‬
                                       ‫הַמֲּא ֶ ֑כֶלת ו ַיְֵּל֥כוּ ְ‬

                                                                  ‫ו ַ ֨יּ ֹאֶמר י ְִצָ֜חק ֶאל־אְַבָר ָ ֤הם אִָבי֙ו ו ַ ֣יּ ֹאֶמר אִָ֔בי ו ַ ֖יּ ֹאֶמר ִה ֶ ֣נִּנּיֽ ְב ִ ֑ני ו ַ ֗יּ ֹאֶמר ִה ֵ ֤נּה ָהֵא ֙‬
                   ‫שׁ ו ְ ָ ֣הֵעִ֔צים ו ְַא ֵ֥יּה ַה ֶ ֖שּׂה ְלע ָֹֽלה׃‬

                                                                                                        ‫ו ַ ֨יּ ֹאֶמ֙ר אְַבָרָ֔הם ֱא‪ִ֞A‬הים י ְִרֶאה־֥‪e‬ו ַה ֶ ֛שּׂה ְלע ָֹ֖לה ְבּ ִ ֑ני ו ַיְֵּל֥כוּ ְ‬
                                                                                  ‫שׁנֵי ֶ ֖הם י ְַח ָ ֽדּו׃‬

                     ‫אַמר־֣‪A‬ו ָהֱא‪ִA‬הי֒ם ו ַ ֨יִֶּבן ָ ֤שׁם אְַבָרָה֙ם ֶאת־ַהִמְּזֵ֔בַּח ַו ֽיֲַּע ֖ר ֹ‪ֶ G‬את־ָהֵע ִ ֑צים ַו ֽיֲַּעק ֹ֙ד ֶאת־‬   ‫אל־ַהָמּקוֹ ֮ם ֲא ֶ ֣שׁר ָ ֽ‬          ‫ו ַיָּ ֗ב ֹאוּ ֶ ֽ‬

                                                                                                                                                                                                             ‫‪AUGEN‬‬
                                                                                                      ‫שׂם א ֹת ֹ֙ו ַעל־ַהִמְּזֵ֔בַּח ִמ ַ ֖מַּעל ָלֵע ִ ֽצים׃‬   ‫י ְִצ ָ ֣חק ְבּ ֔נ ֹו ו ַ ָ֤יּ ֶ‬

                                                                                                                   ‫הַמֲּא ֶ ֑כֶלת ִל ְ‬
                                                                                                ‫שׁ ֖ח ֹט ֶאת־ְבּנֽ ֹו׃‬                                                                  ‫ו ַיִּ ְ‬
                                                                                                                                    ‫שׁ ַ֤לח אְַבָרָה֙ם ֶאת־י ָ ֔ד ֹו ו ַיִּ ַ ֖קּח ֶאת־ ַ ֽ‬

                                                                                                                                             ‫ו ַיְִּק ָ ֨רא ֵאָ֜ליו ַמְל ַ ֤א‪ G‬י ְהו ָ֙ה ִמן־ַה ָ‬
                                                                        ‫שַּׁ֔מי ִם ו ַ ֖יּ ֹאֶמר אְַבָר ָ ֣הם׀ אְַבָר ָ ֑הם ו ַ ֖יּ ֹאֶמר ִהֵנּ ֽנִי׃‬

                                                                                                                                                 ‫ו ַ ֗יּ ֹאֶמר אַל־ִתּ ְ‬
           ‫שׁ ַ֤לח ָי ְֽד֙‪ֶ H‬אל־ַה ֔נַַּער ו ְאַל־ַ֥תַּעשׂ ֖‪A‬ו ְמ֑אוָּמּה ִ֣כּי׀ ַע ָ ֣תּה י ַָ֗דְעִתּי ִ ֽכּי־י ְ ֵ֤רא ֱא‪ִA‬הי֙ם ַ֔אָתּה ו ְ֥‪A‬א ָחַ֛שְׂכָתּ ֶאת־‬
                                                                                                                                    ‫מּנִּי׃‬‫ִבּנְ֥‪ֶ H‬את־י ְִחיְד֖‪ִ H‬מ ֶ ֽ‬

                                                                                                                                                                                                                 ‫‪C‬‬‫‪H‬‬   ‫‪E‬‬  ‫‪N‬‬ ‫‪.‬‬
                                           ‫שּׂא אְַבָרָ֜הם ֶאת־ֵעי ֗נָיו ו ַיְַּר֙א ו ְִהנֵּה־ַ֔אי ִל אַַ֕חר נֱֶאַ֥חז ַבְּסּ ַ ֖ב‪ְ G‬בַּקְר ָ ֑ניו ו ַ ֵ֤יֶּל‪ G‬אְַבָרָה֙ם ו ַיִּ ַ ֣קּח ֶאת־‬       ‫ו ַיִּ ֨ ָ‬

                                                                                                                                                                                                             ‫‪MADIO, TV, WEB.‬‬
                                                                                                                                        ‫ָהַ֔אי ִל ו ַיֲַּע ֵ֥להוּ ְלע ָֹ֖לה ַ֥תַּחת ְבּנֽ ֹו׃‬

                                                           ‫שׁ֙ר י ֵאָ ֵ ֣מר ַה ֔יּ ֹום ְבַּ֥הר י ְהָ֖וה י ֵָר ֶ ֽ‬
                                                         ‫אה׃‬                                                ‫שׁם־ַהָמּ ֥ק ֹום ַה֖הוּא י ְה ָ֣וה׀ י ְִר ֶ ֑אה ֲא ֶ‬
                                                                                                                                                            ‫ו ַיְִּק ָ֧רא אְַבָר ָ ֛הם ֵ ֽ‬

                                                                                                                 ‫מי ִם׃‬                  ‫ו ַיְִּק ָ֛רא ַמְלַ֥א‪ G‬י ְהָ֖וה ֶאל־אְַבָר ָ ֑הם ֵ‬
                                                                                                                         ‫שׁ ִ ֖נית ִמן־ַה ָ‬
                                                                                                                      ‫שּׁ ָֽ‬

                             ‫שׂיָ֙ת ֶאת־ַהָדּ ָ ֣בר ַהֶ֔זּה ו ְ֥‪A‬א ָח ַ ֖שְׂכָתּ ֶאת־ִבּנְ֥‪ֶ H‬את־י ְִחי ֶ ֽד‪H‬׃‬                                                      ‫ו ַ ֕יּ ֹאֶמר ִ֥בּי נִ ְ‬
                                                                                                       ‫שׁ ַ ֖בְּעִתּי נְֻאם־י ְה ָ֑וה ִ֗כּי ֚י ַַען ֲא ֶ ֤שׁר ָע ֨ ִ‬

     ‫ביו׃‬                                                          ‫שַּׁ֔מי ִם ו ְַכ ֕ח ֹול ֲא ֶ ֖שׁר ַעל־ ְ‬
        ‫שׂ ַ ֣פת ַה ָ֑יּם ו ְי ִ ַ֣רשׁ ַזְרֲע֔‪֖ ֵ H‬את ַ֥שַׁער א ֹי ְ ָ ֽ‬                                   ‫את־ַזְרֲע֙‪ְ H‬כּכ ֹוְכ ֵ ֣בי ַה ָ‬
                                                                                                                                     ‫ִ ֽכּי־ָב ֵ֣ר‪ֲ G‬אָבֶרְכ֗‪ H‬ו ְַהְרָ֨בּה אְַר ֶ ֤בּה ֶ ֽ‬

                                                                                                                                                                                                              ‫‪IM RA‬‬
                                                                                                                           ‫ו ְִהְתָבֲּר֣כוּ ְבַזְרֲע֔‪֖ H‬כּ ֹל גּ ֹו ֵ֣יי ָה ָ ֑אֶרץ ֵ֕עֶקב ֲא ֶ ֥שׁר ָ‬
                                                                                                      ‫שׁ ַ ֖מְעָתּ ְבּק ֹ ִֽלי׃‬

                                                  ‫שַׁבע׃ פ‬
                                                        ‫שׁב אְַבָר ָ ֖הם ִבְּבֵ֥אר ָ ֽ‬
                                                                                  ‫שׁב אְַבָרָה֙ם ֶאל־נְָע ָ ֔ריו ו ַיָּ ֻ ֛קמוּ ו ַיְֵּל֥כוּ י ְַח ָ ֖דּו ֶאל־ְבּ ֵ ֣אר ָ ֑שַׁבע ו ַ ֵ֥יּ ֶ‬
                                                                                                                                                                                ‫ו ַ ָ֤יּ ָ‬
September 2021 Vladimir Jurowski - Rundfunk-Sinfonieorchester ...
18                                                                                                                                                      19

     Üppig aber trocken                                                      ein, um sich – unter ähnlichen
                                                                             Schwierigkeiten – dem Dirigieren
                                                                                                                 Stück schrieb, merkte ich, dass
                                                                                                                 das musikalische Material sich
                                                                             zu widmen, was er zuvor nicht       besonders gut für das Klavier
                                                                             getan hatte. Phasenweise kom-       eignete, dessen sauberer, klarer
                                                                             ponierte er fast ausschließlich     Klang und dessen polyphone
                                                                             für Bläser, auch das Concerto für   Möglichkeiten zu der trockenen
                                                                             Klavier und Bläser gehört dazu,     Klarheit passten, die mir in der
                                                                             um sich später mit gleicherma-      Musik vorschwebte, die ich ge-
                                                                             ßen unabweisbaren Argumenten        schrieben hatte...“
                                                                             dem Klang der Streichinstrumen-     Da Strawinsky zunächst weder
                                        Phasenweise, so scheint es,          te zuzuwenden. Ebenso verhielt      die Absicht hatte, das Concerto
     Igor Strawinsky                    ordnete Strawinsky sein Leben,       er sich gegenüber den musika-       selbst zu spielen, noch es einem
     Konzert für Klavier und            seine Arbeit, seine Ästhetik neu.    lischen Gattungen, vermied einer-   bestimmten Solisten zudachte,
     Blas­instrumente                   Die Hinwendung zu einer Person       seits den klassisch-romantischen    blieb es erfreulich frei von selbst-
                                        oder einer Sache schloss meist       Kanon, um ihn andererseits doch     darstellerischen Ambitionen.
     Besetzung                          eine vehemente Ablehnung einer       zu bedienen. Schließlich erfasste   Musikalische Linien, Struktur
     Klavier solo, Piccolo, 2 Flöten,   anderen ein. Einige Jahre später     eine strikte Polarisierung auch     und Machart bestimmten allein
     2 Oboen, Englischhorn,             konnte es genau umgekehrt            sein Verhältnis zu weltlicher und   die Intention. Dies war ganz
     2 Klarinetten, 2 Fagotte           sein. Unter dieses Prinzip fielen    zu geistlicher Musik.               im Sinne des kategorischen
     (2. auch Kontrafagott),            Strawinskys Lebenspartnerinnen                                           Antiromantizismus, dem sich der
     4 Hörner, 4 Trompeten,             und seine Familie, sein Geiz und                                         Neoklassizist Strawinsky damals
     3 Posaunen, Tuba, Pauken,          seine Großzügigkeit genauso wie      Das Prinzip Kontrast                verschrieben hatte. So enthalten
     Kontrabässe                        kompositorische Vorlieben: Einer                                         sich die Bläser der farblichen
                                        von russischen Themen inspi-         Schwarz und weiß, wohin man         Ausschmückung des Tonraumes,
     Dauer                              rierten Opern- und Ballettphase      schaut. Das gilt – nicht nur we-    um stattdessen den konzertieren-
     ca. 20 Minuten                     folgte ab ca. 1920 im Schweizer      gen der Tasten des Soloinstru-      den Wettstreit zwischen Einzel-
                                        Exil und danach in Frankreich die    mentes – auch für das Konzert       nen und Gruppen zu forcieren.
     Verlag                             neobarocke/neoklassizistische        für Klavier und Blasinstrumente.    „Das führte an die historischen
     Boosey & Hawkes                    Begeisterung, die auf ein Schlüs-    Ursprünglich angeblich weder        Wurzeln der Gattung zurück, und
     Berlin, London, New York u.a.      selerlebnis in Italien, auf die      für Klavier noch für Bläser, ja     es ist wohl kein Zufall, dass Stra-
                                        Begegnung mit Pergolesis „Pul-       noch nicht einmal als Konzert-      winskys Instrumentalkonzerte in
     Entstanden                         cinella“ zurückging. Außerdem        stück geplant, kristallisierten     seiner neoklassizistischen Phase
     1923/1924                          entschloss sich Strawinsky, der      sich Ziel und Zweck des Werkes      entstanden sind. (Olaf Wilhelmer)
                                        in Europa vor allem eines spürte:    erst im Laufe des Entstehens        Wenngleich der Titel „Konzert
     Uraufführung                       das Loch in seinem Geldbeutel,       heraus. „Am Anfang des Schaf-       für Klavier und Blasinstrumen-
     22. Mai 1924, Paris                trotz erheblichen Lampenfiebers      fensprozesses sah ich noch          te“ die ebenfalls mitwirkenden
     Igor Strawinsky, Klavier           und mühsam erarbeiteter klavier-     nicht, dass das Stück die Form      Kontrabässe und die Pauken
     Sergei Kussewitzky, Dirigent       technischer Fertigkeiten, als Pia-   eines Konzerts für Klavier und      unterschlägt, so weist er doch
                                        nist aufzutreten. Nach ca. fünf-     Orchester annehmen würde.           auf ein wichtiges Detail hin, das
                                        zehn Jahren stellte er dies wieder   Erst allmählich, während ich das    oft übersehen wird. Strawinsky
20   MOZART – SINFONIE C-DUR KV 551                                                                                                                  21

     schreibt nicht „Blasorchester“       Male über jazzige Synkopen, ver-     wieder um auf unermüdliche          winsky bemängeln ließ, während
     und schon gar nicht einfach          heddert sich kurz im raffinierten    Motorik. „Der knappe, trockene      die Modernisten geringschätzig
     „Orchester“. Die Bezeichnung         Kontrapunkt und stürmt über          Tanzcharakter der Toccata, der      auf den vermeintlich zopfigen
     „Blasinstrumente“ erhebt die         eine rauschende Verbreiterung in     durch den Perkussionsklang des      Bach-Nachfolger herablächelten.
     beteiligten 24 Bläser in den Rang    ein mächtiges Maestoso. Wie am       Klaviers entstand, brachte mich     „Strawinskys Wiederentdeckung
     von mit dem Klavier konzertieren-    Schluss von Bachs d-Moll-Toccata     auf die Idee, dass ein Bläser-      des 18. Jahrhunderts war eine
     den Solisten.                        laufen alle musikalischen Fäden      ensemble besser dazu passen         leidenschaftliche Anverwand-
                                          noch einmal gehörig zusammen,        würde als irgendeine andere         lung, glich eher musikalischen
                                          um sich in einem historisch kor-     denkbare Kombination von Inst-      Raubzügen und Einvernahmen.“
     Toccata – Largo – Toccata            rekten A-Dur-Schluss zu lösen.       rumenten“, erläutert Strawinsky     (Wolfgang Burde)
                                          Denkbar eindrucksvoll wandelt        nochmals sein Anliegen. Mit
     Dem klassischen Satz-Drei-           sich das Klangbild im zweiten        hörbarer Bach-Begeisterung
     gespann schnell-langsam-             Satz. Vom eben noch präsenten        startet er ein sperriges Fugato,
     schnell schickt Strawinsky eine      perkussiven Element des Klaviers     das allerdings einen lapidaren
     Largo-Einleitung voraus, die         ist nichts mehr übrig. Vielmehr      Kindermarsch zum Thema hat.
     mit Händelscher Gravität in ver-     lauten jetzt die Vortragsan-         Sogar Carl Czernys Etüden haben
     fälschtem a-Moll an französische     weisungen „legato possibile“,        ihre unerbittlichen Klangspuren
     Barock-Ouvertüren erinnern           „legatissimo“ und „dolcissimo“.      in dem Konzert hinterlassen
     mag. Doch die barockisierende        Das Klavier vermag nicht nur bei     (Strawinsky übte sie, um seine
     Einleitung ist nur Portal: für ein   Beethoven, sondern auch bei          Klavierleistung für die Urauf-
     sportliches Wechselspiel kantiger    Strawinsky zu singen – wer hätte     führung zu trainieren), bevor die
     „Rhythmus-Bälle“ zwischen den        das gedacht! Das Soloinstrument      gravitätische Einleitung aus dem
     asketisch gehandhabten Instru­       beflügelt mit einer überraschend     ersten Satz das Finale zugleich
     mentengruppen und der trocke-        an Chopin orientierten Kadenz        ausbremst und bogenförmig mit
     nen Klarheit des Soloklaviers.       das Bläserensemble zu erheb-         dem Anfang verklammert. Noch
     Das poltert mit rhythmischer         licher Klangpoesie, woraus sich      einmal nimmt der Zug Fahrt auf,
     Verve dazwischen und attackiert      ein aparter Schlussdialog ent-       rattert in einem übermütigen
     sein Umfeld mit vertrackten Me-      spinnt, der nun doch einmal auf      Stringendo auf ein heiteres Ziel
     trumwechseln zwischen Zweier-        ein russisches Volkslied zuzugrei-   zu.
     und Dreier-Takt. Die Bläser sind     fen scheint. Bei der Uraufführung    Strawinskys „concertare“ ent-
     gleichsam zu Orgelregistern          spielte Strawinsky auf Bitten        deckte das Konzertieren im Sinne
     verschmolzen, während Pauken         des Dirigenten Kussewitzky den       Vivaldis und Bachs für sich neu.
     und Kontrabässe gemeinsam mit        Solopart, wobei er prompt den        Dabei bediente er sich allein der
     dem Klavier um die Schlagzeug-       Beginn des zweiten Satzes ver-       Prinzipien und Ideen, nicht aber
     krone wetteifern. Die Bewegung       gaß. Kussewitzky musste dem          der unmittelbaren musikalischen
     ist eine nimmermüde – wie im         Komponisten helfen und ihm den       Details. Rigoros baute er in das
     Finale von Bachs berühmtem           Anfang vorsummen. Strawinsky         neoklassizistische Gerüst seine
     Doppelkonzert. Das nähmaschi-        erinnerte sich und das Konzert       eigene Sprache ein, was die Tra-
     nenartige Surren des Perpetuum       konnte weitergehen.                  ditionalisten immer das Fehlen
     mobile stolpert lediglich einige     Das Finale legt den Schalter         Bachscher Intonationen bei Stra-
22                                                                                                                 23

     Kurz und bündig

                                                                                    Aus Opernhäusern,
                                          Die fünfminütigen Variationen             Philharmonien
     Igor Strawinsky                      für Orchester aus den Jahren              und Konzertsälen.
     Variationen für Orchester            1963/1964 sind das letzte Werk
     (Aldous Huxley in memoriam)          für großes Sinfonieorchester, das
                                          Igor Strawinsky komponiert hat.
     Besetzung                            Sie basieren zwar nicht auf einem
     2 Flöten, Altflöte, 2 Oboen,         herkömmlichen Thema, wie das
     Englischhorn, 2 Klarinetten,         sonst bei Variationen üblich ist,
     Bassklarinette, 2 Fagotte,           wohl aber liegt ihnen eine Ton-
     4 Hörner, 3 Trompeten,               folge zugrunde, die Strawinsky
     3 Posaunen, Harfe, Klavier,          „als Melodie in den Sinn gekom-
     Streicher (12 Violinen, 10 Violen,   men ist“. Es handelt sich dabei
     6 Violoncelli, 4 Kontrabässe)        um eine Folge aus zwölf Tönen
                                          ganz nach den Bauprinzipien,

                                                                              Konzerte,
     Dauer                                wie sie Arnold Schönberg und
     ca. 5 Minuten                        die Komponisten der Zweiten
                                          Wiener Schule angewandt haben.

                                                                              jeden Abend.
     Verlag                               Gleichwohl berichtet Robert
     Boosey & Hawkes                      Craft, Dirigent der Uraufführung
     London, Berlin u.a.                  der Orchestervariationen und seit

                                                                              Jederzeit.
                                          1949 engster Mitarbeiter und
     Entstanden                           Vertrauter Strawinskys: „Als ich
     1963-1964                            Strawinsky traf, kannte er keinen
                                          einzigen Takt der Musik von
     Uraufführung                         Schönberg, Berg oder Webern,
     17. April 1965, Chicago              hatte nicht eine Kopie ihrer
     Robert Craft, Dirigent               Werke in seiner Bibliothek und
                                          wusste nichts von der Bedeutung
                                          des Begriffes ‚Reihe‘“.
                                                                                    In der Dlf Audiothek App, im
                                                                                    Radio über DAB+ und UKW
                                                                                    deutschlandfunkkultur.de/
                                                                                    konzerte
24   IGOR STRAWINSKY – VARIATIONEN FÜR ORCHESTER                                                                                                                  25

     Das sollte sich alsbald gründlich             Übrigen freut er sich wie ein Kind
     ändern, denn Strawinsky, stets                über eine neue klangsinnliche
     hungrig auf neue Erfahrungen,                 Instrumentalfarbe, die er in den
     lernte schnell – bis hinein ins               Variationen erstmals ausprobiert:
     hohe Alter. Er erkannte den                   zwölf Geigen tönen hauchzart
     methodischen Wert der Zwölfton-               wie zerbrochenes Glas im ersten
     musik und erfreute sich an ihrem              Hauptteil der Variationen. „Man
     handwerklichen Reiz – ohne den                könnte sich diese Konstruktionen
     Kollegen Schönberg als Mensch                 als musikalische Mobiles vorstel-
     je besonders gemocht zu haben.                len, da die Muster in ihnen beim
     Was Strawinsky denn auch                      wiederholten Hören die Perspek-
     ausdrücklich nicht übernahm,                  tive zu ändern scheinen.“ (Igor
     war die asketische Strenge, mit               Strawinsky) Dem voraus geht
     der das Wiener Triumvirat, am                 eine kurze Einleitung, welche
     meisten Anton Webern, etwas                   spielerisch die Zwölftonreihe zu-
     weniger Arnold Schönberg und                  gleich exponiert und verschleiert.
     am wenigsten Alban Berg, die                  Auf die klirrenden Violinen folgen   Aldous Huxley mit Igor und Vera Strawinsky, New York, 1959
     Zwölftonmethode befrachtet                    nach einer trennenden Episode
     hatte.                                        zwölf solistische Bläser im zwei-    meisten Musik des späten letzten     Chicago aufgeführt. Seitdem wur-
     Die zwölftönig konzipierten                   ten Hauptteil. Sodann finden sich    Jahrhunderts“ sind und dass die      de die Musik natürlich mehr ana-
     Kompositionen in Strawinskys                  im dritten Hauptteil erneut zwölf    Zuhörer Schwierigkeiten haben        lysiert als aufgeführt. Dennoch,
     Spätwerk erweisen sich bei aller              Instrumente zusammen: zehn           würden, seinen strukturellen         als Balanchine-Ballett, bei dem
     Virtuosität in der Beherrschung               Bratschen und zwei Kontrabässe.      Intentionen zu folgen. Achsel-       die Musik dreimal durchgespielt
     der Technik stets als harmonisch              Sie transformieren den gläsernen     zuckend schlug er vor: „Ich weiß     wurde, konnten zumindest Ein-
     luzide, rhythmisch pointiert und              Klang in tiefere Register. Weitere   nicht, wie ich die Zuhörer an-       wohner von New York sie hören.
     ausgesprochen unakademisch.                   kurze Episoden/Variationen mit       leiten kann, außer ihnen zu raten,   Obwohl die Variationen vom
     Die Zwölftonreihe der Variatio-               nur losem Bezug auf die Reihe,       nicht einmal, sondern wiederholt     Musikgeschmack meines lieben
     nen besteht aus zwei Hälften,                 dafür aber mit delikaten Instru-     zuzuhören. Ich darf sagen, dass      Freundes, des verstorbenen
     sogenannten Hexachorden zu                    mentenkombinationen und apar-        sie meiner Meinung nach nicht        Aldous Huxley, weit entfernt sind,
     je sechs Tönen, die Strawins-                 ten Farbcharakteren, wie man sie     nach den Grenzlinien der einzel-     konnte ich nicht umhin, sie sei-
     ky förmlich herausfordern zu                  von Strawinskys Balletten kennt,     nen Variationen suchen sollten,      nem Andenken zu widmen.“ Der
     Variantenreichtum. Auf dem                    münden in ein so knappes wie         sondern versuchen, die Form          britische Schriftsteller Aldous
     Cover der Schallplatte, welche                trockenes Nachspiel, wo Klavier      als Ganzes zu hören. Und wenn        Huxley, Igor Strawinskys Nachbar
     die Uraufführung von 1965                     und Harfe gemeinsam die Rolle        ich darüber nachdenke, kann          im Exil in Hollywood, dem Kom-
     dokumentiert, heißt es mit den                von Schlaginstrumenten ein-          ich einen Führer empfehlen, das      ponisten zufolge ein „Aristokrat
     Worten des Komponisten: „Die                  nehmen.                              Orchester selbst. …                  des guten Benehmens – sanft,
     Hälften sind sowohl Einheiten                 Strawinsky war sich wohl             Die Komposition wurde im Juli        bescheiden, mutig, intellektuell,
     als auch Fragmente und daher                  bewusst, dass die Variationen        1963 in Santa Fe begonnen, im        wohltätig“, war am 22. November
     teilbar und umkehrbar. Außerdem               „ein radikaler Kontrast zu der       Oktober 1964 in Los Angeles          1963 gestorben, am selben Tag
     eignen sie sich zum Spiegeln.“ Im             weitschweifigen Sprechweise der      fertiggestellt und am 17. April in   wie John F. Kennedy.
26                                                                                          27

     Die Lust am
     Nichtabschneiden

                                      Was für eine Zeit! Nur wenige
     Paul Hindemith                   Jahre trennen die Lebensspannen
     Sinfonie „Mathis der Maler“      von Igor Strawinsky und Paul Hin-
                                      demith voneinander. Parallel dazu
     Besetzung                        schreibt Kurt Weill Songspiele,
     2 Flöten (2. auch Piccolo),      hält Richard Strauss an der Oper
     2 Oboen, 2 Klarinetten,          fest, manifestiert Arnold Schön-
     2 Fagotte, 4 Hörner,             berg die Zwölftonmusik, gehen
     3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba,   Enescu und Janáček dezidiert
     Pauken, Schlagzeug, Streicher    eigene Wege, hämmern Varése,
                                      Prokofjew oder Bartók den Takt
     Dauer                            des Industriezeitalters. Strawins-
     ca. 26 Minuten                   kys und Hindemiths Musik in
                                      einem Konzert, an einem Abend
     Verlag                           erhellt sich verblüffend gegensei-
     Schott Music                     tig. Kraft und Glanz, harmonische
     Mainz                            Archaik, antiklerikale Haltung
                                      sind nur einige der vergleichba-
     Entstehung                       ren Aspekte – bei aller Verschie-
     1933/34                          denheit von Herkunft und Zielen
                                      der beiden Komponisten.
     Uraufführung
     12. März 1934, Berlin
     Wilhelm Furtwängler, Dirigent

                                                                           Paul Hindemith
28   PAUL HINDEMITH – SINFONIE „MATHIS DER MALER“                                                                                                                 29

     Unsittlicher                                   Goebbels brandmarkte neben der       brachte das Oratorium „Das          Arbeit begnadet, dafür aber
     Geräuschemacher                                angeblich mangelnden Sittlich-       Unaufhörliche“ hervor (1931,        offenbar von allen Höllenqualen
                                                    keit des Librettos ausdrücklich      Uraufführung im Berliner Sender     einer zweifelnden, suchenden
     Paul Hindemith war 1927 von                    „misstönende Dissonanzen eines       mit dem RSB und dem Rund-           Seele geplagt, erlebt mit der
     Frankfurt am Main nach Berlin                  musikalischen Nichtkönnens“          funkchor unter Leitung von Otto     ganzen Empfänglichkeit einer
     gekommen, wo er von Leo                        und nannte Paul Hindemith 1934       Klemperer). Es leitete Hindemiths   solchen Natur am Beginn des 16.
     Kestenberg an die Hochschu-                    in seiner berüchtigten Rede          Rückwendung zur traditionellen      Jahrhunderts den Einbruch einer
     le für Musik berufen worden                    im Berliner Sportpalast einen        Musik ein. 1932 machte Willy        neuen Zeit mit ihrem unvermeid-
     war. Er leitete neben Direktor                 „atonalen Geräuschemacher“. „O       Strecker vom Schott-Verlag ihm      lichen Umsturz der bisher gelten-
     Franz Schreker eine Klasse für                 wie schauderhaft modern, wie         den Vorschlag, eine Oper über       den Anschauungen. Obwohl er
     Komposition. Hindemith war ein                 schauderhaft modern, o wie mo-       einen großen Deutschen aus          die folgenschweren Kunstleistun-
     Universalgenie: Berufsmusiker                  dern“ hatte ein hörbar vergnügter    der Vergangenheit zu schreiben,     gen der angehenden Renaissance
     (Geige, Bratsche, Kammermusik),                Hindemith den Chor in seiner         etwa Gutenberg oder Grünewald.      voll erkennt, entscheidet er sich
     Komponist, Musikwissenschaft-                  Oper solche Schmährufe bereits       Hindemith lehnte ab, zu Guten-      in seiner Arbeit doch zu äußers-
     ler, Lehrer, aber auch Zeichner                vorwegnehmen lassen.                 berg fand er keinen Zugang,         ter Entfaltung des Überlieferten,
     von witzigen Karikaturen. Er galt                                                   Grünewald schien ihm praktisch      ähnlich wie zwei Jahrhunderte
     als „Repräsentant einer gewan-                                                      ungeeignet, zu sehr Maler, zu we-   später sich J. S. Bach im Strome
     delten Ästhetik, als Künstler des              Mehrfacher Rückzieher                nig Musiker. Stattdessen begann     des musikalischen Fortschritts
     Experiments und der Verbindung                                                      er einen Entwurf für eine Liebes-   als ein Bewahrer erweist. Er gerät
     zur technischen Welt“ (d.h. zum                Das Vergnügen hatte der herauf-      geschichte – zwischen einem         in die damals gewaltig arbeiten-
     Rundfunk). So urteilte Hans Heinz              ziehende Faschismus schnell ver-     französischen Kriegsgefangenen      den Maschinerien des Staates
     Stuckenschmidt über den damals                 trieben. Seit Anfang der 1930er-     und einem deutschen Mädchen.        und der Kirche, hält mit seiner
     wohl bedeutendsten deutschen                   Jahre suchte Hindemith nach          Jetzt erschrak Strecker: Pazi-      Kraft dem Drucke dieser Mächte
     Vertreter der Neuen Musik. Der                 einem politisch-ästhetischen         fismus und Internationalismus       wohl stand, in seinen Bildern be-
     hatte sich längst einen Ruf als                Standort außerhalb der bedrän-       anno 1933? War Hindemith            richtet er jedoch deutlich genug,
     Bürgerschreck erworben. „O wie                 genden Tagesprobleme. Dabei          von Sinnen? In bitterer Einsicht    wie die wildbewegten Zeitläufe
     schauderhaft modern“ empörten                  begegnete er Gottfried Benn,         plante der nun eine Oper über die   mit all ihrem Elend, ihren Krank-
     sich die Spießbürger in seiner                 möglicherweise auf dessen 1930       Anfänge der Eisenbahn, schön        heiten und Kriegen ihn erschüt-
     lustigen Oper „Neues vom Tage“.                im Rundfunk geäußerte Meinung        unpolitisch. Doch im Juni 1933      tert haben.“ Die Zusammenfas-
     „Das Nusch-Nuschi“ und „Mör-                   hin, der Dichter habe andere         siegte Hindemiths Gewissen, kei-    sung seines Grünewald-Bildes,
     der, Hoffnung der Frauen“, vor                 Ziele anzustreben als „praktisch     ne Eisenbahngeschichte, sondern     welches Hindemith für das
     allem aber das Bad der Susanna                 wirksame und dem sogenannten         doch Grünewald.                     Programmheft der Uraufführung
     („Sancta Susanna“) auf offener                 Aufstieg dienende“. Geradezu                                             seiner Oper in Zürich am 28. Mai
     Bühne – eine unschuldige, frivol-              schizophren mutet Hindemiths                                             1938 formulierte, offenbart den
     neckische Nacktszene (damals                   Spagatversuch an: Er, Pädagoge,      Prophezeiungen                      starken autobiographischen Be-
     freilich in fleischfarbenem                    Praktiker, Spielmusiker, im Alltag   aus Erinnerungen                    zug, den der Komponist des 20.
     Kostüm) – brachten das Fass                    verwurzelt, widmet sich dem                                              Jahrhunderts zum Maler des 16.
     zum Überlaufen. Die Szene hatte                weltabgehobenen Mystizismus,         „Dieser Mensch, mit der denkbar     Jahrhunderts herzustellen ver-
     auch Adolf Hitlers Missfallen                  dem rein ideellen Ästhetizismus      höchsten Vollkommenheit und         mochte. Man muss nur wenige,
     erregt; sein Propagandaminister                Benns. Die Zusammenarbeit            Erkenntnis seiner künstlerischen    die Historie betreffende Begriffe
30   PAUL HINDEMITH – SINFONIE „MATHIS DER MALER“                                                                                                                      31

     durch aktuelle ersetzen, um                    Grünewald, bei Beethoven und        legung“, ein weiteres
     in dem Text ein künstlerisches                 Schostakowitsch. Hindemith          Bildmotiv des Isenhei-
     Selbstporträt von Paul Hindemith               nahm den Kampf um persönliche       mer Altars, ging später
     zu erkennen.                                   Integrität auf, indem er sich       notengetreu in die
                                                    in die Arbeit stürzte. Als ihn      Oper ein und beklagt
                                                    Wilhelm Furtwängler um ein Werk     dort als instrumenta-
     Mathis, der Katalysator                        für die Konzertsaison 1933/1934     les Zwischenspiel den
                                                    bat, bündelte Hindemith musika-     Tod von Grünewalds
     Mathias Nithart, der sich später               lische Ideen, die er der Mathis-    Muse Regina. Das
     Mathis Gothart nannte, ist seit                Oper zugedacht hatte, sozusagen     Wiederkehren der Mu-
     1675 unter dem irrtümlichen                    vorab zu einer Sinfonie. Das Werk   sik am Ende der Oper
     Namen Matthias Grünewald als                   ist dreisätzig, wobei jeder Satz    erschließt ihre Doppel-
     Schöpfer des Isenheimer Altars                 eine programmatische Über-          funktion als Requiem
     (heute in Colmar), der Karlsruher              schrift trägt.                      für den Maler selbst.
     Kreuzigung und der Stuppacher                                                      Hindemith hat der zu-
     Madonna in die Geschichte ein-                                                     nehmenden Müdigkeit,
     gegangen. Geboren um 1480 in                   Wo bist du, guter Jesus?            dem Erlahmen aller
     Würzburg, sympathisierte der                                                       Kräfte sinnfällig Aus-
     Meister der Spätgotik, der einen               Das „Engelskonzert“ nimmt Be-       druck verliehen. Der         Isenheimer Altar von Mathias Nithart
     ausgeprägten Gerechtigkeitssinn                zug auf eine Tafel des Isenheimer   Tod tritt jedoch nicht       (um 1480-1528, genannt Grünewald) in Colmar.
     besaß, mit den Bauern, welche                  Altars und ist durchaus wörtlich    als Katastrophe auf,         Tafel „Versuchung des Hl. Antonius“, Ausschnitt
     er in ihrem Krieg gegen den                    zu nehmen. In einer überirdisch     sondern als unspek-
     Feudaladel unterstützte und mit                verklärten Atmosphäre stimmen       takuläres Ende allen
     den Ideen Martin Luthers, der                  nacheinander Posaunen, Hörner       Mühens. Entsprechend
     dem gierigen Klerus in Rom die                 und Trompeten/ Klarinetten/         tönt die Verklärung                     Die Frage an den Heiland „Wo
     Stirn bot. Umfassend gebildet,                 Oboen ein altes Kirchenlied an,     ganz und gar unsentimental.             warst du, guter Jesus, wo warst
     künstlerisch begnadet, technisch               den cantus firmus „Es sungen        Um den dritten Satz hat Hinde-          du? Warum bist du nicht dagewe-
     versiert und hoch geschätzt                    drei Engel“. Hindemith vernetzt     mith lange gerungen. Zum ersten         sen, um meine Wunden zu hei-
     von Philipp Melanchton, ging                   die Melodie mit einem kunst-        Mal benötigte er eine längere           len?“ erinnert natürlich stark an
     Grünewald später dem Beruf                     vollen polyphonen Geflecht. Im      schöpferische Pause, bis ihm ein        die sieben letzten Worte, die der
     eines Wasserkunstmachers und                   schnellen Teil erhalten die drei    schlüssiger Einfall für das Finale      Erlöser selbst am Kreuz gespro-
     Mühlenbauers nach. Er starb am                 musizierenden Engel der Bildtafel   der Sinfonie kam. Er nannte den         chen haben soll, allen voran das
     31. August 1528 in Halle/Saale                 jeder ein eigenes Thema, welche     Satz „Die Versuchung des Hl. An- „Eli, eli lama asabthani“ (Mein
     an der Pest.                                   nach Prinzipien des Sonaten-        tonius“ und stellte ihn unter das       Gott, mein Gott, warum hast
     Die Rolle des Künstlers als                    satzes, die im konkreten Fall an    auf einem kleinen Zettel am Ran-        du mich verlassen?). Insgesamt
     intellektueller Seismograph                    Anton Bruckner erinnern, musika-    de der Antoniustafel versteckte         elf Anfechtungen plagen den
     drohenden oder vorhandenen                     lisch verarbeitet werden. Hinde-    Motto des Isenheimer Altars „Ubi Antonius auf der entsprechenden
     gesellschaftlichen Unheils, sie                mith stellte das „Engelskonzert“    eras bone Jhesu / ubi eras quare        Bildtafel des gotischen Altars.
     existierte bei Michelangelo und                als Vorspiel der Oper voran.        non affuisti / ut sanares vulnera       Dieser Darstellung ist die musika-
     Shakespeare, bei Goya und                      Auch der zweite Satz, „Grab-        mea?“                                   lische Form nachempfunden. Wie
32   PAUL HINDEMITH – SINFONIE „MATHIS DER MALER“                                                                                 33

     im wirklichen Leben nimmt die                  können. Dennoch entzündete die
     Verführung immer neue Züge an,                 Uraufführung der „Mathis“-Sinfo-
     lockt den Menschen, bedrängt                   nie die Wut der Nazis gegenüber
     und bedroht ihn. Hindemith                     dem Komponisten. Furtwängler
     verleiht etwa dem Chor der Dä-                 hatte das Konzert am 12. März
     monen oder den Versuchungen                    1934 zu einer Demonstration der
     des Fleisches, der Macht und des               künstlerischen Macht über die
     Reichtums suggestive Bildkraft                 politische stilisiert und Hinde-
     und gestische Eindringlichkeit.                miths gedeihende Oper demonst-
     Das Werk gipfelt in einer Choral-              rativ in den Spielplan 1934/1935
     bearbeitung über die Fronleich-                aufgenommen. Diesen Macht-
     namssequenz des Thomas von                     kampf mussten er und Hindemith
     Aquino „Lauda Sion Salvatorem“,                verlieren. Überzeugt von seiner

                                                                                        DEUTSCHLANDS
     die ihrerseits in eine zur Hymne               Unantastbarkeit, verfasste der
     gesteigerten „Halleluja“-Apotheo-              renommierte Staatskapellmeister
     se mündet. Das dröhnende Ende                  und Chef des Berliner Philharmo-

                                                                                        BESTES KINO
     kündet in gleißendem Dur vom                   nischen Orchesters einen Artikel
     Sieg des Stärkeren. Doch wer ist               über Hindemiths Verdienste
     der Stärkere?                                  für die Musik der Gegenwart.
                                                    Der Artikel erschien am 25.
                                                    November 1934. Wenige Tage
     Macht Kunst Politik                            später antwortete Goebbels mit
                                                    der berühmt-berüchtigten Rede
     Das Fragezeichen hinter dem Ver-               im Sportpalast. Furtwängler de-
     hältnis der drei Begriffe schwebt              missionierte, Hindemith ging ins
                                                                                        FÜR EIN KULTURELL HERAUSRAGENDES KINOPROGRAMM
     im Raum. Hindemith hatte vor                   Ausland. Das überflüssige Macht-
     und nach 1930 mit barocken und                 spiel hatte sowohl Hindemith
     noch älteren musikalischen For-                als auch Furtwängler den Blick
     men experimentiert. Er verband                 verstellt auf die wahre Dimension
     diese Rückwendung auf tradierte                des Nationalsozialismus. Dessen
     Modelle mit einer Vereinfachung                verbrecherische Dynamik nicht
     seiner kompositorischen Mittel                 ernst zu nehmen hieß, sie hinzu-
     hin zu mehr Sanglichkeit der                   nehmen.
     Themen und durchhörbarer
     tonaler Harmonik – eine auch aus
     der Arbeit mit Laienensembles
     resultierende Entscheidung. Den
     Vorwurf eines „atonalen Geräu-
     schemachers“ hätte ihm 1934 in
     Wahrheit niemand mehr machen
35

                                                                         außerdem Künstlerischer Leiter        Spanien, Ungarn, Österreich,
                                                                         des Internationalen George-Enes-      Korea, China und Hongkong zu
                                                                         cu-Festivals in Bukarest. Er arbei-   erleben sein.
                                                                         tet regelmäßig mit dem Chamber        Die erste gemeinsame CD von
                                                                         Orchestra of Europe und dem           Vladimir Jurowski und dem RSB
                                                                         ensemble unitedberlin. Begin-         aus dem Jahre 2015 wurde
                                                                         nend mit der Saison 2021/2022         sogleich zu einem Meilenstein.
                                                                         ist Vladimir Jurowski – parallel      Alfred Schnittkes Sinfonie Nr. 3
                                                                         zu seinem Engagement beim             folgten 2017 eine Strauss-Mah-
                                                                         Rundfunk-Sinfonieorchester Ber-       ler-Aufnahme und Violinkonzerte
                                                                         lin – Generalmusikdirektor der        von Britten und Hindemith mit
                                                                         Bayerischen Staatsoper in Mün-        Arabella Steinbacher und dem
                                                                         chen und bekleidet damit eine         RSB. 2020 erschien eine von der
Vladimir Jurowski                                                        der renommiertesten Positionen
                                                                         im deutschen und internationalen
                                                                                                               Kritik hochgelobte Einspielung
                                                                                                               von Gustav Mahlers „Das Lied
                                                                         Musikleben.                           von der Erde“, im August 2021
                                                                         Vladimir Jurowski ist rund um die     Richard Strauss‘ „Eine Alpensin-
                                                                         Welt als Gastdirigent gefragt. Er     fonie“.
                                                                         hat Konzerte der bedeutendsten        Vladimir Jurowski wurde vielfach
Vladimir Jurowski ist seit 2017      sakows „Mainacht“ und im selben     Orchester Europas und Nord-           für seine Leistungen ausgezeich-
Chefdirigent und Künstlerischer      Jahr am Royal Opera House           amerikas geleitet, darunter die       net, darunter mit zahlreichen
Leiter des Rundfunk-Sinfonie-        Covent Garden mit „Nabucco“.        Berliner, Wiener und New Yorker       internationalen Schallplatten-
orchesters Berlin (RSB). Der         Anschließend war er u.a. Erster     Philharmoniker, das Königliche        preisen. 2018 kürte ihn die Jury
Dirigent, Pianist und Musikwis-      Kapellmeister der Komischen         Concertgebouworchester Amster-        der Royal Philharmonic Society
senschaftler stellt sich allen mu-   Oper Berlin (1997– 2001) und        dam, das Cleveland und das            Music Awards zum Dirigenten
sikgeschichtlichen, stilistischen    Musikdirektor der Glyndebourne      Philadelphia Orchestra, die Sin-      des Jahres. 2016 erhielt er aus
oder dirigiertechnischen Heraus-     Festival Opera (2001–2013).         fonieorchester von Boston und         den Händen von Prince Charles
forderungen.                         2003 wurde Vladimir Jurowski        Chicago, das Tonhalle-Orchester       die Ehrendoktorwürde des Ro-
Ausgebildet zunächst an der          zum Ersten Gastdirigenten des       Zürich, die Sächsische Staatska-      yal College of Music in London.
Musikhochschule des Konserva-        London Philharmonic Orchestra       pelle Dresden und das Gewand-         2020 wurde Vladimir Jurowski
toriums in Moskau, kam Vladimir      ernannt und war von 2007 bis        hausorchester Leipzig. Er gastiert    in Anerkennung seiner Tätigkeit
Jurowski 1990 nach Deutsch-          Sommer 2021 dessen Principal        zudem regelmäßig bei den BBC          als Künstlerischer Leiter des
land, wo er sein Studium an den      Conductor. Ebenfalls bis Sommer     Proms, dem Musikfest Berlin           George-Enescu-Festivals vom
Musikhochschulen in Dresden          2021 war er Künstlerischer Leiter   sowie bei den Musikfestivals in       Rumänischen Präsidenten mit
und Berlin fortsetzte – Dirigieren   des Staatlichen Akademischen        Dresden, Luzern, Schleswig-Hol-       dem Kulturverdienstorden aus-
bei Rolf Reuter, Korrepetition und   Sinfonieorchesters „Jewgeni         stein und Grafenegg sowie beim        gezeichnet.
Liedbegleitung bei Semion Ski-       Swetlanow“ der Russischen           Rostropowitsch-Festival. Mit
gin. 1995 debütierte er auf inter-   Föderation und Principal Artist     dem Rundfunk-Sinfonieorchester
nationaler Ebene beim britischen     des Orchestra of the Age of         Berlin wird er 2021/2022 bei
Wexford Festival mit Rimski-Kor-     Enlightenment in Großbritannien,    mehreren Konzerten in Bukarest,
36   SOLISTIN                                                                                                                                              37

     Tamara Stefanovich
     Die Pianistin Tamara Stefanovich     gastierte beim Orchestre Philhar-
     begeistert das Konzertpublikum       monique du Luxembourg, beim
     weltweit mit klug kombinierten       Philharmonischen Orchester
     Soloprogrammen, als Kammer-          Island und beim Radio Filharmo-
     musikerin oder als Solistin der      nisch Orkest der Niederlande. Im
     bedeutenden internationalen Or-      April 2021 gab sie ihr Debut beim
     chester. Sie konzertierte u.a. mit   Oregon Symphony Orchestra.
     dem Cleveland Orchestra, dem         Zuvor war sie nach Tokio, Leipzig,
     Chicago Symphony Orchestra,          Köln und São Paulo zu Konzerten
     dem London Symphony und Phil-        eingeladen. Ihre ausgedehnte
     harmonic Orchestra, dem Cham-        Rezital-Tournee durch die USA
     ber Orchestra of Europe und der      anlässlich von Pierre Boulez‘ 90.
     Deutschen Kammerphilharmonie         Geburtstag wurde von Kritikern
     Bremen. Regelmäßig tritt sie in      hoch gelobt.
     den renommiertesten Konzert-         Eine fruchtbare Zusammenarbeit
     sälen und bei hochkarätigen Fes-     verband und verbindet Tamara
     tivals auf, darunter die Carnegie    Stefanovich mit Komponisten wie
     Hall in New York, die Berliner       György Kurtág, Pierre Boulez,        für die Einspielung von Bartóks      Freiburg bis hin zu ihrer Berufung
     Philharmonie, die Wigmore Hall       Hans Abrahamsen und Sir George       Konzert für zwei Klaviere, Schlag-   als Jurorin internationaler Klavier-
     in London, Lucerne Festival und      Benjamin. Zu ihren kammer-           zeug und Orchester mit Pierre-       wettbewerbe. In Zusammenarbeit
     die Salzburger Festspiele. Als       musikalischen Partnern zählen        Laurent Aimard und dem London        mit dem Klavier-Festival Ruhr hat
     Kammermusikerin wird sie in der      Patricia Kopatchinskaja, Pierre-     Symphony Orchestra unter der         sie ein innovatives Online-Projekt
     laufenden Saison beim Musikfest      Laurent Aimard und Matthias          Leitung von Pierre Boulez auf        veröffentlicht (www.explorethe-
     Berlin, im Muziekgebouw Amster-      Goerne; regelmäßig arbeitet sie      Deutsche Grammophon für einen        score.org), in dem sie interaktiv
     dam und beim Musikfest Herren-       auch mit Dirigentinnen und Diri-     Grammy nominiert. Nach ihrem         Boulez‘ „Notations“ analysiert.
     hausen zu Gast sein.                 genten wie Esa-Pekka Salonen,        ersten Soloalbum, auf dem sie        Außerdem war sie Kuratorin des
     Nach einem umjubelten Debüt          Vladimir Jurowski und Susanna        Werke von Bach und Bartók            Festivals „The Clearing“ im Rah-
     beim Israel Philharmonic Orches-     Mälkki.                              präsentierte, widmete sie sich       men der Portland International
     tra mit Kirill Petrenko im Dezem-    Ihre preisgekrönte Diskographie      auf ihrem zweiten Album „Influ-      Piano Series. Die überzeugte
     ber 2019 war Tamara Stefanovich      umfasst u.a. eine Aufnahme von       ences“ Werken von Ives, Bartók,      Europäerin wurde an der Uni-
     in der Saison 2020/2021 mit          Kurtágs „Quasi una Fantasia“         Messiaen und Bach (März 2019,        versität Belgrad ausgebildet, wo
     dem Niederländischen Philharmo-      und seines Doppelkonzerts mit        Pentatone).                          sie Psychologie, Soziologie und
     nischen Orchester und Markus         dem Asko | Schönberg Ensemble        Tamara Stefanovichs pädago-          Pädagogik studierte, ehe sie am
     Stenz bei der Zaterdag Matinee       unter Reinbert de Leeuw bei          gisches Engagement erstreckt         Curtis Institute (USA) und an der
     in Amsterdam und in der Phil-        ECM. Sie wurde mit dem Edison        sich von einer langjährigen          Musikhochschule Köln ihr Musik-
     harmonie Essen zu erleben. Sie       Award ausgezeichnet und war          Lehrtätigkeit in Belgrad, Köln und   studium absolvierte.
38   SOLIST

     Georg Nigl                                                               „Orfeo“ und die Uraufführung von
                                                                              Beat Furrers „Violetter Schnee“
                                                                                                                   der „Zauberflöte“ an der Berliner
                                                                                                                   Staatsoper Unter den Linden und
                                                                              an der Staatsoper Unter den          der Wiener Staatsoper, sowie
                                                                              Linden Berlin, die Titelpartie in    Konzerten und Liederabenden
     Georg Nigl begeistert Publikum       Kirill Petrenko und Sir Simon       Trojahns „Orest“ und Eisenstein      u.a. in München, Wien, Amster-
     und Presse stets durch leiden-       Rattle sowie mit den wichtigen      in „Die Fledermaus“ an der Wie-      dam, Brüssel und Köln. In der Kri-
     schaftliche und authentische         Regisseuren unserer Zeit zusam-     ner Staatsoper, die Titelpartie in   tikerumfrage 2015 der Zeitschrift
     Auftritte, sei es bei seinem         men. Besondere Anerkennung          Mozarts „Le Nozze di Figaro“ an      Opernwelt wurde Georg Nigl für
     gefeierten „Wozzeck“ an der Mai-     verschaffte sich Georg Nigl nicht   der Hamburgischen Staatsoper,        seine Interpretation von Rihms
     länder Scala, bei Rihms „Lenz“       nur als ausführender Solist zahl-   sein bei Presse und Publikum         Lenz zum „Sänger des Jahres“
     in Brüssel und Berlin oder seinen    reicher Uraufführungen, sondern     gefeierter „Lenz“ beim Festival      gekürt.
     Bach-Interpretationen mit Luca       auch als Impulsgeber für Kompo-     von Aix-en-Provence, eine Neu-
     Pianca. Seine tiefgründige und       sitionen und Publikationen, unter   produktion von Reimanns „Lear“
     umfassende Auseinandersetzung        anderem von Friedrich Cerha,        an der Bayerischen
     mit allen aufgeführten Werken,       Pascal Dusapin, Georg Friedrich     Staatsoper sowie
     seine enge Verbundenheit mit         Haas, Wolfgang Mitterer, Olga       die Interpretation
     dem Sprechtheater und die damit      Neuwirth und Wolfgang Rihm.         des Pilatus in Bachs
     einhergehende Gewichtung von         Georg Nigls kammermusikali-         Johannespassion unter
     Text und Rhetorik sowie seine        sches Repertoire weist ein weites   Sir Simon Rattle in der
     ausdrucksstarken darstelleri-        Spektrum vom Barock über die        Inszenierung von Peter
     schen Fähigkeiten auf der Bühne      Wiener Klassik bis zu neuester      Sellars mit den Berli-
     machen Georg Nigl zu einem ge-       Musik auf – gemeinsam erarbei-      ner Philharmonikern
     feierten Bariton weltweit. Bereits   tet und aufgeführt mit Alexander    und auf Tournee mit
     im Kindesalter war Georg Nigl        Melnikov, Olga Pashchenko, Luca     dem Orchestra of the
     eng mit der Musik verbunden. Als     Pianca und Gérard Wyss. Seine       Age of Enlightenment.
     Sopransolist der Wiener Sänger-      Aufnahme „Bach privat“ mit Anna     Die Saison 2021/2022
     knaben trat er auf bedeutenden       Lucia Richter wurde im November     beginnt für Georg Nigl
     Bühnen in Erscheinung. Im Stu-       2017 mit dem Diapason d’or          mit Konzerten bei den
     dium bei Kammersängerin Hilde        ausgezeichnet, sein Album „Va-      Salzburger Festspielen
     Zadek erhielt er wichtige Impulse    nitas“ mit Olga Pashchenko und      und dem Musikfest
     für seine spätere Laufbahn. Sein     Liedern von Beethoven, Schubert     Berlin, gefolgt von
     unverwechselbares Timbre führt       und Rihm wurde vielstimmig als      der Neuproduktion
     ihn an alle wichtigen Opernbüh-      Entdeckung des Jahres gefeiert.     „Rappresentatione di
     nen und Festivals in Europa. Da-     Höhepunkte der letzten Jahre        anima e di corpo“ am
     bei arbeitet er unter der Leitung    waren u.a. Papageno sowie die       Theater an der Wien,
     von renommierten Dirigenten          Titelpartie in der Uraufführung     der Titelpartie in der
     wie Daniel Barenboim, Teodor         von Pascal Dusapins neuer           Neuproduktion von
     Currentzis, Valery Gergiev, Daniel   Oper „Macbeth Underworld“ am        Monteverdis „Orfeo“
     Harding, Nikolaus Harnoncourt,       Théatre de la Monnaie in Brüssel,   an der Wiener Staats-
     René Jacobs, Kent Nagano,            die Titelpartie in Monteverdis      oper, Vorstellungen
Sie können auch lesen