September 2021 Vladimir Jurowski - Rundfunk-Sinfonieorchester ...
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2 BEETHOVEN – SINFONIE NR. 7 „Und Gott der Herr gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm issest, musst du des Todes sterben.“ 1. Mose 1,16-17
4 PROGRAMM 5 4. September 2021 Igor Strawinsky Samstag / 19 Uhr (1882 – 1971) *** Symphonies d’instruments à vent Philharmonie Berlin (Bläsersinfonien) Igor Strawinsky Abo-Konzert (Fassung von 1920) Variationen für Orchester (Aldous Huxley in memoriam) Igor Strawinsky „Abraham und Isaak“ – Geistliche Paul Hindemith Ballade für Bariton und Kammer- (1895 – 1963) orchester Sinfonie „Mathis der Maler“ VLADIMIR JUROWSKI › Engelkonzert. Ruhig bewegt – Tamara Stefanovich / Klavier Igor Strawinsky Ziemlich lebhafte Halbe Georg Nigl / Bariton Konzert für Klavier und › Grablegung. Sehr langsam Ralf Sochaczewsky / Assistent des Chefdirigenten Blasinstrumente › Versuchung des heiligen Antonius Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin › Largo – Allegro – Più mosso – „Ubi eras bone Jhesu / ubi eras Maestoso (Largo del principo) quare non affuisti / ut sanares Einführung von Steffen Georgi auf rsb-online.de › Largo – L’istesso tempo. vulnera mea?“ Sehr langsam, Cadenza (poco rubato) – Più frei im Zeitmaß – Sehr lebhaft – mosso – Cadenza (poco rubato) – Ruhig – Lebhaft – Sehr lebhaft Doppio valore (Tempo I) – „Lauda Sion Salvatorem“ – › Allegro – Agitato – Lento – „Alleluja“. Breite Halbe Stringendo Das Konzert wird außerdem von der Digital Concert Hall (DCH) mit- Übertragung am 5. September 2021, 20.03 Uhr. Europaweit. In Berlin auf geschnitten und live für die Zuhörer*innen in der DCH übertragen. Die UKW 89,6 MHz; Kabel 97,55; Digitalradio Konzertaufnahme steht anschließend für 10 Tage auf der Webseite der (DAB); Satellit; online und per App. Berliner Festspiele, Musikfest On Demand, als Stream zur Verfügung. Ein Download ist nicht möglich. Konzert mit Kooperationspartner
6 7 Steffen Georgi Noch einmal Strawinsky Gestorben sei er im April vor 50 Igor Strawinsky Jahren, ist zu lesen. Aber der Symphonies d’instruments russische Komponist Igor Stra- à vent winsky ist lebendiger denn je. In den Konzertprogrammen des 21. Besetzung Jahrhunderts feiern seine Werke 3 Flöten, 2 Oboen, von jenseits der drei großen Englischhorn, 3 Klarinetten, Ballettmusiken „Feuervogel“, 3 Fagotte (3. auch Kontrafagott), „Petruschka“ und „Sacre du 4 Hörner, 3 Trompeten, Printemps“ – die ohnehin längst 3 Posaunen, Tuba Klassiker geworden sind – ihre aktive Aufnahme in das Reper- Dauer toire. Vladimir Jurowski, der mit ca. 10 Minuten dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin bereits im Frühjahr 2021 Verlag an sechs Abenden spektakuläre Boosey & Hawkes Strawinsky-Entdeckungen mög- London, Berlin u.a. lich gemacht hat, widmet seinem provokanten Landsmann noch ein Entstanden weiteres Konzert, zum Auftakt 1920, 1947 (Umarbeitung) der Saison 2021/2022 und im Rahmen des Musikfestes Berlin Uraufführung der Berliner Festspiele. 10. Juni 1921 London Igor Strawinsky, 1921
8 IGOR STRAWINSKY – SYMPHONIES D’INSTRUMENTS À VENT 9 Aufschrei der stück Strawinskys, das Oktett Blasinstrumente aus dem Jahre 1923, nach dem Willen des Komponisten „trocken, „Die Sinfonien für Blasinstrumen- kühl, klar und spritzig wie Sekt” te wurden geformt als großer Ge- klingen soll, hat er auch für die sang, als ein objektiver Aufschrei Bläsersinfonien ein transparen- der Blasinstrumente anstelle des tes, luftiges, hörbar abgegrenztes warmen menschlichen Tones Klangideal. der Violinen“, verkündete Igor Strawinsky gegenüber der New York Times, welche das Interview Debussy in memoriam am 6. Januar 1925 abdruckte. Der bisweilen bizarre Stilakrobat Einem Aufruf der französischen unter den Tonkünstlern betonte Zeitschrift „Revue Musicale“ fol- immer wieder, er sei nicht auf der gend, die alle lebenden Kompo- Welt, um sentimentale Bedürf- nisten eingeladen hatte, zu Ehren nisse zu befriedigen. So musste des 1918 verstorbenen Claude er es hinnehmen, dass ein Kri- Debussy eine Komposition einzu- tiker nach der Uraufführung der reichen, verneigte sich Igor Stra- Symphonies d’instruments à vent winsky vor Claude Debussy mit am 10. Juni 1921 glaubte, im einem trocken-sperrigen Choral. Anfangsteil den Lautäußerungen Dieses klingende „Tombeau de eines Esels beigewohnt zu haben. Debussy“ bildete später das Ende Ein Zehnminutenwerk aus- der Symphonies d’instruments schließlich für Blasinstrumente à vent. Weitere Teile entnahm er Claude Debussy als Sinfonie zu titulieren, gar mit nach bewährtem Baukastenprin- dem Mehrzahlbegriff Sinfonien zu zip den Skizzen, die er gerade für überschreiben, grenzt scheinbar andere Werke vorbereitet hatte. an Blasphemie. Zu allem Über- Diese Kompositionsmethode 1947, zwei Jahre nach Erhalt der spieltechnische Erleichterungen fluss fehlt jeglicher Bezug auf verhalf den Bläsersinfonien zu US-amerikanischen Staatsbür- und glättete manche sperrige einen Sonatenhauptsatz oder keinem hörbaren inneren Zusam- gerschaft, revidierte Strawins- Passage. Seine musikalische auch nur auf eine traditionel- menhang, wohl aber zu einem ky nicht nur die Symphonies Ästhetik hatte sich inzwischen er- le harmonische Entwicklung. vielleicht fühlbaren Zusammen- d’instruments à vent, um sich die heblich gewandelt. Heute Abend Strawinsky reduziert den Begriff hang der Temporelationen. Denn amerikanischen Urheberrechte jedoch erklingt die ursprüngliche auf seine archaischen Wurzeln: die Metronomzahlen der drei und damit neue, sprudelnde Fassung von 1920. Zusammenklang. Nichts weiter Teile – 72, 108 und 144 – bezie- Tantiemen zu sichern. Er ersetzte bedeutet hier für ihn Sinfonie. hen sich alle auf 36 und stehen wenig gebräuchliche Instrumen- Und so, wie ein weiteres Bläser- zueinander im Verhältnis 2:3:4. te durch gängigere, sorgte für
10 11 Wo ist Zuflucht? näher am Text als oft sonst im Spätwerk. „Abraham und Isaak“, Linie hatten sie dem Kompo- nisten den Text oft vorzulesen, geistliche Ballade für eine Bari- damit er den Klang der Worte tonstimme und kleines Orchester, verinnerlichen konnte. wurde 1962/1963 komponiert Im letzten Moment fällt ein Engel (unmittelbar nach „The Flood“) Igor Strawinsky dem Abraham in den Arm, als und dem Volk von Israel in Wozu Opfer? „Abraham und Isaak“ – der den Dolch bereits gegen Dankbarkeit für die Gastfreund- Geistliche Ballade Isaak, seinen Sohn, erhoben hat. schaft während Strawinskys Für „Abraham und Isaak“ kommt Der Junge ist völlig unschuldig, Besuch im Jahr 1962 gewidmet. eine Zwölftonreihe zum Einsatz, Besetzung hat nichts getan, soll dennoch Neunzehn Verse des Genesis- die – wie bei den Variationen für Bariton solo, 2 Flöten, Altflöte, geschlachtet werden. Denn sein Kapitels XXII aus dem 1. Buch Orchester – in zwei sechstönige Oboe, Englischhorn, Klarinette, Vater meint, mit dem Blutopfer Mose, zusammengefasst in zehn Hexachorde (und deren vier- oder Bassklarinette, 2 Fagotte, Horn, des eigenen Kindes den un- musikalischen Einheiten, bilden fünfteilige Fragmente) zerlegt, 2 Trompeten, 2 Posaunen, Tuba, bedingten Glauben gegenüber die affirmative Einheit aus Text sodann verarbeitet und wieder Streicher (12 Violinen, 4 Violen, seinem Gott beteuern zu müssen, und Musik. Das heißt, die Worte zusammengesetzt wird. Nicht der 3 Violoncelli, 2 Kontrabässe) man könnte auch sagen, mit der sind nicht nur Material, das es Rhythmus, aber der wechselnde selbstzerstörerischen Tat seine klingend auszuloten gilt (wie Puls schafft Strukturen über die Dauer bedingungslose Loyalität dem zumeist sonst bei Strawinsky), Tonhöhen und Tondauern hinaus. ca. 12 Minuten Angebeteten gegenüber über alle sondern sie geben die Linie und Einmal mehr und trotz des persönlichen Skrupel zu stellen. die Betonungen auch der Musik packenden Dramas, das erzählt Verlag Gruselig. Geschichte. Lange her. vor. Um diese bei ihm seltene wird, grenzt sich Strawinsky vom Boosey & Hawkes Lange her? Es sind heutige Politi- Kongruenz stets zuverlässig wie- „Hineingeheimnissen“ außermu- London, Berlin u.a. ker, Väter vielleicht, weltweit und dergegeben zu wissen, bestand sikalischer Inhalte in seine Musik um uns herum, die junge Männer, Strawinsky auf der ausschließ- ab: „Ich wünsche dem Hörer Entstanden Soldaten, Söhne vielleicht, in den lichen Aufführung der geistlichen kein Glück, musikalische Be- Sommer 1962 bis 2. März 1963 Tod schicken. Für den Glauben Ballade in hebräischer Sprache. schreibungen oder Illustrationen an eine vermeintlich gute Sache. Wohl erlaubte er die Nacherzäh- zu entdecken: Meines Wissens Uraufführung Kein Engel und kein Gott fällt lung der Geschichte in der jewei- wurden keine komponiert, und 23. August 1964, Jerusalem ihnen in den Arm. ligen Landessprache, der Gesang die Noten selbst sind meiner Robert Craft, Dirigent. selber sei jedoch so eng an die Meinung nach das Ende des Ephraim Biran, Bariton Was auch immer Igor Strawinsky Klangfarben, den Silbenfall, die Weges. Obwohl ich lange und fasziniert haben mag an der Melismen und Bewegungen der gründlich über die Bedeutung des Europäische Erstaufführung biblischen Erzählung (außer hebräischen Sprache gebunden, Textes nachgedacht habe, ist mir (in Anwesenheit d. Komponisten) der profanen Tatsache, dass in dass er nicht übersetzt gesungen eine Symbolik im Gebrauch von 22. September 1964, Berlin einem ihm zugänglichen Band werden dürfe. Dabei verstand Kanons oder ausdrucksstarken Robert Craft, Dirigent. Dietrich mittelalterlicher „Miracle Plays“ und sprach Strawinsky selber gar rhythmischen Mitteln nicht be- Fischer-Dieskau, Bariton die Erzählung „Abraham und kein Hebräisch. Er holte sich Rat wusst. Wer vorgibt, so etwas zu Isaak“ unmittelbar auf „Noah’s und Hilfe bei Freunden (Isaiah hören, etwa in der Passage über Flood“ folgte) – seine Musik ist Berlin, Hugo Weisgall). In erster Isaak und die beiden Jünglinge,
12 IGOR STRAWINSKY „ABRAHAM UND ISAAK“ – GEISTLICHE BALLADE 13 der hat, glaube ich, zu viel aus seed of Europe, one by one.“ dem gemacht, was für mich nur Die Berichte von der Aufführung ein Zufall ist.“ (Igor Strawinsky, der geistlichen Ballade Igor Stra- Cover der Schallplatte „The New winskys durch Dietrich Fischer- Stravinsky“) Anderer Meinung Dieskau während der Berliner ist Robert Craft. Er unterstellt Festspiele 1963 (in Anwesenheit Strawinsky gar Tonmalerei. des Komponisten und zahlreicher Nachdem Gott durch den Mund Mitglieder der damaligen politi- des Engels eingelenkt und einen schen Elite der Bundesrepublik Widder statt des Kindes als Opfer Deutschland) stimmen überein in angenommen hat, muss man des ihrer Faszination angesichts der Tieres erst einmal habhaft wer- Wucht und Wirkung der überaus den: „Das Fangen des Widders im dramatischen Darbietung – bei Dickicht inspirierte Programm- gleichzeitigem kollektivem Nicht- musik. Die Lebhaftigkeit des verstehen sowohl des Textes Tieres wird durch Sprünge und als auch der erstmalig gehörten schnelle Noten in den Fagotten Musik. Robert Craft weiß eine abgebildet und durch die un- Antwort auf das Paradoxon: regelmäßigsten Rhythmen, die „Strawinsky war über achtzig, Strawinsky je geschrieben hat als er diese tiefempfundene und … Schnelle Tonrepetitionen der sowohl dramatisch als auch mu- Klarinette sollten als Strawinskys sikalisch neuartige Partitur kom- musikalisches Bild für die reiche ponierte. Ihre emotionale Kraft Nachkommenschaft Abrahams überträgt sich beim ersten Hören verstanden werden.“ (Robert des Werkes. Um diese Musik zu Craft, „Strawinsky. Einblicke in verstehen und zu lieben, muss sein Leben“) Benjamin Britten, man sie mehrere Male hören.“ der 1962 ebenfalls das Opfer Wohlan! Isaaks thematisiert hat (u.a. im „War Requiem“), kommt bei ungleich anderer musikalischer Umsetzung auch auf ein ungleich Das Opfer Abrahams, ca. 1631 böseres Ende der Geschichte. Gemälde von Cornelis de Vos (ca. 1584-1651) und Jan Wildens (1586-1653) Vom Engel auf die Möglichkeit des Widderopfers hingewiesen, reißt Brittens Abraham (nach dem Libretto von Wilfred Owen) dennoch dem Knaben die Brust auf: „But the old man would not so, but slew his son, and half the
14 15 Genesis XXII, 1-19 Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: Und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich. Sohn schlachtete. Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, Da rief ihn der Engel des HERRN vom Himmel und sprach: Abraham! und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. auf einem Berge, den ich dir sagen werde. Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz Sohnes nicht verschont um meinetwillen. zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte. Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich in der Hecke mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt. ferne Und Abraham nannte die Stätte »Der HERR sieht«. Daher man noch Und sprach zu seinen Knechten: Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und heute sagt: Auf dem Berge, da der HERR sieht. der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wol- len wir wieder zu euch kommen. Und der Engel des HERRN rief Abraham abermals vom Himmel her Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Und sprach: Ich habe bei mir selbst geschworen, spricht der HERR: Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand; Weil du solches getan hast und hast deines einzigen Sohnes nicht und gingen die beiden miteinander. verschont, Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: Mein Vater! Abraham ant- Will ich dein Geschlecht segnen und mehren wie die Sterne am Him- wortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer mel und wie den Sand am Ufer des Meeres, und deine Nachkommen und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer? sollen die Tore ihrer Feinde besitzen; Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf Und durch dein Geschlecht sollen alle Völker auf Erden gesegnet zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander. werden, weil du meiner Stimme gehorcht hast. Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute So kehrte Abraham zurück zu seinen Knechten. Und sie machten Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen sich auf und zogen miteinander nach Beerscheba und Abraham blieb Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz daselbst.
16 17 DEINE Genesis XXII, 1-19, in hebräischer Sprache Genesis XXII, 1-19, in hebräischer Sprache ו ַי ְִ֗הי אַַח֙ר ַהְדָּב ִ֣רים ָהֵ֔אֶלּה ו ְ ָ ֣הֱאִ֔Aהים נִ ָ ֖סּה ֶאת־אְַבָר ָ ֑הם ו ַ ֣יּ ֹאֶמר ֵאָ֔ליו אְַבָר ָ ֖הם ו ַ ֥יּ ֹאֶמר ִהֵנּ ֽנִי׃ OHREN שׁר־אַָ֨הְבָ֙תּ ֶאת־י ְִצָ֔חק ו ְֶלG־ְלֶ֔ Hאל־ ו ַ ֡יּ ֹאֶמר ַקח־ ֠נָא ֶאת־ִבּנְֶ֙ Hאת־י ְ ִ ֽ חיְדֲ֤ Hא ֶ שׁ֙ם ְלע ָֹ֔לה ַ֚על אַ ַ ֣חד ֶ ֽ הָה ִ֔רים ֲא ֶ ֖שׁר א ַֹ֥מר ֵא ֶֽליH׃ ֶ ֖אֶרץ ַהמּ ִֹר ָ֑יּה ו ְַהֲע ֵ֤להוּ ָ שׁ ֵ ֤ני נְָעָרי֙ו ִא ֔תּ ֹו ו ְ ֵ ֖את י ְִצ ָ ֣חק ְבּ ֑נ ֹו ו ַי ְַבַקּ֙ע ֲע ֵ ֣צי ע ָֹ֔לה ו ַ ָ֣יָּקם ו ַ ֔יֵֶּלֶ Gאל־ שׁ ֶאת־ֲחמ ֹ ֔ר ֹו ו ַיִַּ֞קּח ֶאת־ ְ שֵׁ֨כּם אְַבָרָ֜הם ַבּ ֗בּ ֶֹקר ַו ֽיֲַּחב ֹ ֙ ו ַיַּ ְ הים׃אַמר־֥Aו ָהֱאֽ ִ A ַהָמּ ֖ק ֹום ֲא ֶ שׁר־ ָ ֽ שּׂא אְַבָר ָ ֧הם ֶאת־ֵעי ָ ֛ניו ו ַ ַ֥יְּרא ֶאת־ַהָמּ ֖ק ֹום ֵמָר ֽח ֹק׃ שׁי ו ַיִּ ֨ ָ שִּׁלי ֗ ִ ַבּ ֣יּ ֹום ַה ְ D E N שׁבוּ־ָל ֶ ֥כם פּ ֹ֙ה ִ ֽעם־ַהֲח ֔מ ֹור ו ֲַאִ֣ני ו ְַה ֔נַַּער נְֵל ָ ֖כה ַעד־ ֑כּ ֹה ו ְִנ ֽ ְ שַׁתֲּחֶ֖וה ו ְנָ֥שׁוָּבה ֲאֵלי ֶ ֽכם׃ ו ַ ֨יּ ֹאֶמר אְַבָרָ֜הם ֶאל־נְָע ָ ֗ריו ְ W ER שׁנֵי ֶ ֖הם י ְַח ָ ֽדּו׃ ו ַיִַּ֨קּח אְַבָרָ֜הם ֶאת־ֲע ֵ ֣צי ָהע ָֹ֗לה ו ַ ֨יָּ ֶ שׂ֙ם ַעל־י ְִצ ָ ֣חק ְבּ ֔נ ֹו ו ַיִּ ַ ֣קּח ְבּי ָ ֔ד ֹו ֶאת־ָה ֵ ֖אשׁ ו ְֶאת־ ַ ֽ הַמֲּא ֶ ֑כֶלת ו ַיְֵּל֥כוּ ְ ו ַ ֨יּ ֹאֶמר י ְִצָ֜חק ֶאל־אְַבָר ָ ֤הם אִָבי֙ו ו ַ ֣יּ ֹאֶמר אִָ֔בי ו ַ ֖יּ ֹאֶמר ִה ֶ ֣נִּנּיֽ ְב ִ ֑ני ו ַ ֗יּ ֹאֶמר ִה ֵ ֤נּה ָהֵא ֙ שׁ ו ְ ָ ֣הֵעִ֔צים ו ְַא ֵ֥יּה ַה ֶ ֖שּׂה ְלע ָֹֽלה׃ ו ַ ֨יּ ֹאֶמ֙ר אְַבָרָ֔הם ֱאִ֞Aהים י ְִרֶאה־֥eו ַה ֶ ֛שּׂה ְלע ָֹ֖לה ְבּ ִ ֑ני ו ַיְֵּל֥כוּ ְ שׁנֵי ֶ ֖הם י ְַח ָ ֽדּו׃ אַמר־֣Aו ָהֱאִAהי֒ם ו ַ ֨יִֶּבן ָ ֤שׁם אְַבָרָה֙ם ֶאת־ַהִמְּזֵ֔בַּח ַו ֽיֲַּע ֖ר ֶֹ Gאת־ָהֵע ִ ֑צים ַו ֽיֲַּעק ֹ֙ד ֶאת־ אל־ַהָמּקוֹ ֮ם ֲא ֶ ֣שׁר ָ ֽ ו ַיָּ ֗ב ֹאוּ ֶ ֽ AUGEN שׂם א ֹת ֹ֙ו ַעל־ַהִמְּזֵ֔בַּח ִמ ַ ֖מַּעל ָלֵע ִ ֽצים׃ י ְִצ ָ ֣חק ְבּ ֔נ ֹו ו ַ ָ֤יּ ֶ הַמֲּא ֶ ֑כֶלת ִל ְ שׁ ֖ח ֹט ֶאת־ְבּנֽ ֹו׃ ו ַיִּ ְ שׁ ַ֤לח אְַבָרָה֙ם ֶאת־י ָ ֔ד ֹו ו ַיִּ ַ ֖קּח ֶאת־ ַ ֽ ו ַיְִּק ָ ֨רא ֵאָ֜ליו ַמְל ַ ֤א Gי ְהו ָ֙ה ִמן־ַה ָ שַּׁ֔מי ִם ו ַ ֖יּ ֹאֶמר אְַבָר ָ ֣הם׀ אְַבָר ָ ֑הם ו ַ ֖יּ ֹאֶמר ִהֵנּ ֽנִי׃ ו ַ ֗יּ ֹאֶמר אַל־ִתּ ְ שׁ ַ֤לח ָי ְֽדֶ֙ Hאל־ַה ֔נַַּער ו ְאַל־ַ֥תַּעשׂ ֖Aו ְמ֑אוָּמּה ִ֣כּי׀ ַע ָ ֣תּה י ַָ֗דְעִתּי ִ ֽכּי־י ְ ֵ֤רא ֱאִAהי֙ם ַ֔אָתּה ו ְ֥Aא ָחַ֛שְׂכָתּ ֶאת־ מּנִּי׃ִבּנְֶ֥ Hאת־י ְִחיְדִ֖ Hמ ֶ ֽ CH E N . שּׂא אְַבָרָ֜הם ֶאת־ֵעי ֗נָיו ו ַיְַּר֙א ו ְִהנֵּה־ַ֔אי ִל אַַ֕חר נֱֶאַ֥חז ַבְּסּ ַ ֖בְ Gבַּקְר ָ ֑ניו ו ַ ֵ֤יֶּל Gאְַבָרָה֙ם ו ַיִּ ַ ֣קּח ֶאת־ ו ַיִּ ֨ ָ MADIO, TV, WEB. ָהַ֔אי ִל ו ַיֲַּע ֵ֥להוּ ְלע ָֹ֖לה ַ֥תַּחת ְבּנֽ ֹו׃ שׁ֙ר י ֵאָ ֵ ֣מר ַה ֔יּ ֹום ְבַּ֥הר י ְהָ֖וה י ֵָר ֶ ֽ אה׃ שׁם־ַהָמּ ֥ק ֹום ַה֖הוּא י ְה ָ֣וה׀ י ְִר ֶ ֑אה ֲא ֶ ו ַיְִּק ָ֧רא אְַבָר ָ ֛הם ֵ ֽ מי ִם׃ ו ַיְִּק ָ֛רא ַמְלַ֥א Gי ְהָ֖וה ֶאל־אְַבָר ָ ֑הם ֵ שׁ ִ ֖נית ִמן־ַה ָ שּׁ ָֽ שׂיָ֙ת ֶאת־ַהָדּ ָ ֣בר ַהֶ֔זּה ו ְ֥Aא ָח ַ ֖שְׂכָתּ ֶאת־ִבּנְֶ֥ Hאת־י ְִחי ֶ ֽדH׃ ו ַ ֕יּ ֹאֶמר ִ֥בּי נִ ְ שׁ ַ ֖בְּעִתּי נְֻאם־י ְה ָ֑וה ִ֗כּי ֚י ַַען ֲא ֶ ֤שׁר ָע ֨ ִ ביו׃ שַּׁ֔מי ִם ו ְַכ ֕ח ֹול ֲא ֶ ֖שׁר ַעל־ ְ שׂ ַ ֣פת ַה ָ֑יּם ו ְי ִ ַ֣רשׁ ַזְרֲע֖֔ ֵ Hאת ַ֥שַׁער א ֹי ְ ָ ֽ את־ַזְרֲעְ֙ Hכּכ ֹוְכ ֵ ֣בי ַה ָ ִ ֽכּי־ָב ֵ֣רֲ Gאָבֶרְכ֗ Hו ְַהְרָ֨בּה אְַר ֶ ֤בּה ֶ ֽ IM RA ו ְִהְתָבֲּר֣כוּ ְבַזְרֲע֖֔ Hכּ ֹל גּ ֹו ֵ֣יי ָה ָ ֑אֶרץ ֵ֕עֶקב ֲא ֶ ֥שׁר ָ שׁ ַ ֖מְעָתּ ְבּק ֹ ִֽלי׃ שַׁבע׃ פ שׁב אְַבָר ָ ֖הם ִבְּבֵ֥אר ָ ֽ שׁב אְַבָרָה֙ם ֶאל־נְָע ָ ֔ריו ו ַיָּ ֻ ֛קמוּ ו ַיְֵּל֥כוּ י ְַח ָ ֖דּו ֶאל־ְבּ ֵ ֣אר ָ ֑שַׁבע ו ַ ֵ֥יּ ֶ ו ַ ָ֤יּ ָ
18 19 Üppig aber trocken ein, um sich – unter ähnlichen Schwierigkeiten – dem Dirigieren Stück schrieb, merkte ich, dass das musikalische Material sich zu widmen, was er zuvor nicht besonders gut für das Klavier getan hatte. Phasenweise kom- eignete, dessen sauberer, klarer ponierte er fast ausschließlich Klang und dessen polyphone für Bläser, auch das Concerto für Möglichkeiten zu der trockenen Klavier und Bläser gehört dazu, Klarheit passten, die mir in der um sich später mit gleicherma- Musik vorschwebte, die ich ge- ßen unabweisbaren Argumenten schrieben hatte...“ dem Klang der Streichinstrumen- Da Strawinsky zunächst weder Phasenweise, so scheint es, te zuzuwenden. Ebenso verhielt die Absicht hatte, das Concerto Igor Strawinsky ordnete Strawinsky sein Leben, er sich gegenüber den musika- selbst zu spielen, noch es einem Konzert für Klavier und seine Arbeit, seine Ästhetik neu. lischen Gattungen, vermied einer- bestimmten Solisten zudachte, Blasinstrumente Die Hinwendung zu einer Person seits den klassisch-romantischen blieb es erfreulich frei von selbst- oder einer Sache schloss meist Kanon, um ihn andererseits doch darstellerischen Ambitionen. Besetzung eine vehemente Ablehnung einer zu bedienen. Schließlich erfasste Musikalische Linien, Struktur Klavier solo, Piccolo, 2 Flöten, anderen ein. Einige Jahre später eine strikte Polarisierung auch und Machart bestimmten allein 2 Oboen, Englischhorn, konnte es genau umgekehrt sein Verhältnis zu weltlicher und die Intention. Dies war ganz 2 Klarinetten, 2 Fagotte sein. Unter dieses Prinzip fielen zu geistlicher Musik. im Sinne des kategorischen (2. auch Kontrafagott), Strawinskys Lebenspartnerinnen Antiromantizismus, dem sich der 4 Hörner, 4 Trompeten, und seine Familie, sein Geiz und Neoklassizist Strawinsky damals 3 Posaunen, Tuba, Pauken, seine Großzügigkeit genauso wie Das Prinzip Kontrast verschrieben hatte. So enthalten Kontrabässe kompositorische Vorlieben: Einer sich die Bläser der farblichen von russischen Themen inspi- Schwarz und weiß, wohin man Ausschmückung des Tonraumes, Dauer rierten Opern- und Ballettphase schaut. Das gilt – nicht nur we- um stattdessen den konzertieren- ca. 20 Minuten folgte ab ca. 1920 im Schweizer gen der Tasten des Soloinstru- den Wettstreit zwischen Einzel- Exil und danach in Frankreich die mentes – auch für das Konzert nen und Gruppen zu forcieren. Verlag neobarocke/neoklassizistische für Klavier und Blasinstrumente. „Das führte an die historischen Boosey & Hawkes Begeisterung, die auf ein Schlüs- Ursprünglich angeblich weder Wurzeln der Gattung zurück, und Berlin, London, New York u.a. selerlebnis in Italien, auf die für Klavier noch für Bläser, ja es ist wohl kein Zufall, dass Stra- Begegnung mit Pergolesis „Pul- noch nicht einmal als Konzert- winskys Instrumentalkonzerte in Entstanden cinella“ zurückging. Außerdem stück geplant, kristallisierten seiner neoklassizistischen Phase 1923/1924 entschloss sich Strawinsky, der sich Ziel und Zweck des Werkes entstanden sind. (Olaf Wilhelmer) in Europa vor allem eines spürte: erst im Laufe des Entstehens Wenngleich der Titel „Konzert Uraufführung das Loch in seinem Geldbeutel, heraus. „Am Anfang des Schaf- für Klavier und Blasinstrumen- 22. Mai 1924, Paris trotz erheblichen Lampenfiebers fensprozesses sah ich noch te“ die ebenfalls mitwirkenden Igor Strawinsky, Klavier und mühsam erarbeiteter klavier- nicht, dass das Stück die Form Kontrabässe und die Pauken Sergei Kussewitzky, Dirigent technischer Fertigkeiten, als Pia- eines Konzerts für Klavier und unterschlägt, so weist er doch nist aufzutreten. Nach ca. fünf- Orchester annehmen würde. auf ein wichtiges Detail hin, das zehn Jahren stellte er dies wieder Erst allmählich, während ich das oft übersehen wird. Strawinsky
20 MOZART – SINFONIE C-DUR KV 551 21 schreibt nicht „Blasorchester“ Male über jazzige Synkopen, ver- wieder um auf unermüdliche winsky bemängeln ließ, während und schon gar nicht einfach heddert sich kurz im raffinierten Motorik. „Der knappe, trockene die Modernisten geringschätzig „Orchester“. Die Bezeichnung Kontrapunkt und stürmt über Tanzcharakter der Toccata, der auf den vermeintlich zopfigen „Blasinstrumente“ erhebt die eine rauschende Verbreiterung in durch den Perkussionsklang des Bach-Nachfolger herablächelten. beteiligten 24 Bläser in den Rang ein mächtiges Maestoso. Wie am Klaviers entstand, brachte mich „Strawinskys Wiederentdeckung von mit dem Klavier konzertieren- Schluss von Bachs d-Moll-Toccata auf die Idee, dass ein Bläser- des 18. Jahrhunderts war eine den Solisten. laufen alle musikalischen Fäden ensemble besser dazu passen leidenschaftliche Anverwand- noch einmal gehörig zusammen, würde als irgendeine andere lung, glich eher musikalischen um sich in einem historisch kor- denkbare Kombination von Inst- Raubzügen und Einvernahmen.“ Toccata – Largo – Toccata rekten A-Dur-Schluss zu lösen. rumenten“, erläutert Strawinsky (Wolfgang Burde) Denkbar eindrucksvoll wandelt nochmals sein Anliegen. Mit Dem klassischen Satz-Drei- sich das Klangbild im zweiten hörbarer Bach-Begeisterung gespann schnell-langsam- Satz. Vom eben noch präsenten startet er ein sperriges Fugato, schnell schickt Strawinsky eine perkussiven Element des Klaviers das allerdings einen lapidaren Largo-Einleitung voraus, die ist nichts mehr übrig. Vielmehr Kindermarsch zum Thema hat. mit Händelscher Gravität in ver- lauten jetzt die Vortragsan- Sogar Carl Czernys Etüden haben fälschtem a-Moll an französische weisungen „legato possibile“, ihre unerbittlichen Klangspuren Barock-Ouvertüren erinnern „legatissimo“ und „dolcissimo“. in dem Konzert hinterlassen mag. Doch die barockisierende Das Klavier vermag nicht nur bei (Strawinsky übte sie, um seine Einleitung ist nur Portal: für ein Beethoven, sondern auch bei Klavierleistung für die Urauf- sportliches Wechselspiel kantiger Strawinsky zu singen – wer hätte führung zu trainieren), bevor die „Rhythmus-Bälle“ zwischen den das gedacht! Das Soloinstrument gravitätische Einleitung aus dem asketisch gehandhabten Instru beflügelt mit einer überraschend ersten Satz das Finale zugleich mentengruppen und der trocke- an Chopin orientierten Kadenz ausbremst und bogenförmig mit nen Klarheit des Soloklaviers. das Bläserensemble zu erheb- dem Anfang verklammert. Noch Das poltert mit rhythmischer licher Klangpoesie, woraus sich einmal nimmt der Zug Fahrt auf, Verve dazwischen und attackiert ein aparter Schlussdialog ent- rattert in einem übermütigen sein Umfeld mit vertrackten Me- spinnt, der nun doch einmal auf Stringendo auf ein heiteres Ziel trumwechseln zwischen Zweier- ein russisches Volkslied zuzugrei- zu. und Dreier-Takt. Die Bläser sind fen scheint. Bei der Uraufführung Strawinskys „concertare“ ent- gleichsam zu Orgelregistern spielte Strawinsky auf Bitten deckte das Konzertieren im Sinne verschmolzen, während Pauken des Dirigenten Kussewitzky den Vivaldis und Bachs für sich neu. und Kontrabässe gemeinsam mit Solopart, wobei er prompt den Dabei bediente er sich allein der dem Klavier um die Schlagzeug- Beginn des zweiten Satzes ver- Prinzipien und Ideen, nicht aber krone wetteifern. Die Bewegung gaß. Kussewitzky musste dem der unmittelbaren musikalischen ist eine nimmermüde – wie im Komponisten helfen und ihm den Details. Rigoros baute er in das Finale von Bachs berühmtem Anfang vorsummen. Strawinsky neoklassizistische Gerüst seine Doppelkonzert. Das nähmaschi- erinnerte sich und das Konzert eigene Sprache ein, was die Tra- nenartige Surren des Perpetuum konnte weitergehen. ditionalisten immer das Fehlen mobile stolpert lediglich einige Das Finale legt den Schalter Bachscher Intonationen bei Stra-
22 23 Kurz und bündig Aus Opernhäusern, Die fünfminütigen Variationen Philharmonien Igor Strawinsky für Orchester aus den Jahren und Konzertsälen. Variationen für Orchester 1963/1964 sind das letzte Werk (Aldous Huxley in memoriam) für großes Sinfonieorchester, das Igor Strawinsky komponiert hat. Besetzung Sie basieren zwar nicht auf einem 2 Flöten, Altflöte, 2 Oboen, herkömmlichen Thema, wie das Englischhorn, 2 Klarinetten, sonst bei Variationen üblich ist, Bassklarinette, 2 Fagotte, wohl aber liegt ihnen eine Ton- 4 Hörner, 3 Trompeten, folge zugrunde, die Strawinsky 3 Posaunen, Harfe, Klavier, „als Melodie in den Sinn gekom- Streicher (12 Violinen, 10 Violen, men ist“. Es handelt sich dabei 6 Violoncelli, 4 Kontrabässe) um eine Folge aus zwölf Tönen ganz nach den Bauprinzipien, Konzerte, Dauer wie sie Arnold Schönberg und ca. 5 Minuten die Komponisten der Zweiten Wiener Schule angewandt haben. jeden Abend. Verlag Gleichwohl berichtet Robert Boosey & Hawkes Craft, Dirigent der Uraufführung London, Berlin u.a. der Orchestervariationen und seit Jederzeit. 1949 engster Mitarbeiter und Entstanden Vertrauter Strawinskys: „Als ich 1963-1964 Strawinsky traf, kannte er keinen einzigen Takt der Musik von Uraufführung Schönberg, Berg oder Webern, 17. April 1965, Chicago hatte nicht eine Kopie ihrer Robert Craft, Dirigent Werke in seiner Bibliothek und wusste nichts von der Bedeutung des Begriffes ‚Reihe‘“. In der Dlf Audiothek App, im Radio über DAB+ und UKW deutschlandfunkkultur.de/ konzerte
24 IGOR STRAWINSKY – VARIATIONEN FÜR ORCHESTER 25 Das sollte sich alsbald gründlich Übrigen freut er sich wie ein Kind ändern, denn Strawinsky, stets über eine neue klangsinnliche hungrig auf neue Erfahrungen, Instrumentalfarbe, die er in den lernte schnell – bis hinein ins Variationen erstmals ausprobiert: hohe Alter. Er erkannte den zwölf Geigen tönen hauchzart methodischen Wert der Zwölfton- wie zerbrochenes Glas im ersten musik und erfreute sich an ihrem Hauptteil der Variationen. „Man handwerklichen Reiz – ohne den könnte sich diese Konstruktionen Kollegen Schönberg als Mensch als musikalische Mobiles vorstel- je besonders gemocht zu haben. len, da die Muster in ihnen beim Was Strawinsky denn auch wiederholten Hören die Perspek- ausdrücklich nicht übernahm, tive zu ändern scheinen.“ (Igor war die asketische Strenge, mit Strawinsky) Dem voraus geht der das Wiener Triumvirat, am eine kurze Einleitung, welche meisten Anton Webern, etwas spielerisch die Zwölftonreihe zu- weniger Arnold Schönberg und gleich exponiert und verschleiert. am wenigsten Alban Berg, die Auf die klirrenden Violinen folgen Aldous Huxley mit Igor und Vera Strawinsky, New York, 1959 Zwölftonmethode befrachtet nach einer trennenden Episode hatte. zwölf solistische Bläser im zwei- meisten Musik des späten letzten Chicago aufgeführt. Seitdem wur- Die zwölftönig konzipierten ten Hauptteil. Sodann finden sich Jahrhunderts“ sind und dass die de die Musik natürlich mehr ana- Kompositionen in Strawinskys im dritten Hauptteil erneut zwölf Zuhörer Schwierigkeiten haben lysiert als aufgeführt. Dennoch, Spätwerk erweisen sich bei aller Instrumente zusammen: zehn würden, seinen strukturellen als Balanchine-Ballett, bei dem Virtuosität in der Beherrschung Bratschen und zwei Kontrabässe. Intentionen zu folgen. Achsel- die Musik dreimal durchgespielt der Technik stets als harmonisch Sie transformieren den gläsernen zuckend schlug er vor: „Ich weiß wurde, konnten zumindest Ein- luzide, rhythmisch pointiert und Klang in tiefere Register. Weitere nicht, wie ich die Zuhörer an- wohner von New York sie hören. ausgesprochen unakademisch. kurze Episoden/Variationen mit leiten kann, außer ihnen zu raten, Obwohl die Variationen vom Die Zwölftonreihe der Variatio- nur losem Bezug auf die Reihe, nicht einmal, sondern wiederholt Musikgeschmack meines lieben nen besteht aus zwei Hälften, dafür aber mit delikaten Instru- zuzuhören. Ich darf sagen, dass Freundes, des verstorbenen sogenannten Hexachorden zu mentenkombinationen und apar- sie meiner Meinung nach nicht Aldous Huxley, weit entfernt sind, je sechs Tönen, die Strawins- ten Farbcharakteren, wie man sie nach den Grenzlinien der einzel- konnte ich nicht umhin, sie sei- ky förmlich herausfordern zu von Strawinskys Balletten kennt, nen Variationen suchen sollten, nem Andenken zu widmen.“ Der Variantenreichtum. Auf dem münden in ein so knappes wie sondern versuchen, die Form britische Schriftsteller Aldous Cover der Schallplatte, welche trockenes Nachspiel, wo Klavier als Ganzes zu hören. Und wenn Huxley, Igor Strawinskys Nachbar die Uraufführung von 1965 und Harfe gemeinsam die Rolle ich darüber nachdenke, kann im Exil in Hollywood, dem Kom- dokumentiert, heißt es mit den von Schlaginstrumenten ein- ich einen Führer empfehlen, das ponisten zufolge ein „Aristokrat Worten des Komponisten: „Die nehmen. Orchester selbst. … des guten Benehmens – sanft, Hälften sind sowohl Einheiten Strawinsky war sich wohl Die Komposition wurde im Juli bescheiden, mutig, intellektuell, als auch Fragmente und daher bewusst, dass die Variationen 1963 in Santa Fe begonnen, im wohltätig“, war am 22. November teilbar und umkehrbar. Außerdem „ein radikaler Kontrast zu der Oktober 1964 in Los Angeles 1963 gestorben, am selben Tag eignen sie sich zum Spiegeln.“ Im weitschweifigen Sprechweise der fertiggestellt und am 17. April in wie John F. Kennedy.
26 27 Die Lust am Nichtabschneiden Was für eine Zeit! Nur wenige Paul Hindemith Jahre trennen die Lebensspannen Sinfonie „Mathis der Maler“ von Igor Strawinsky und Paul Hin- demith voneinander. Parallel dazu Besetzung schreibt Kurt Weill Songspiele, 2 Flöten (2. auch Piccolo), hält Richard Strauss an der Oper 2 Oboen, 2 Klarinetten, fest, manifestiert Arnold Schön- 2 Fagotte, 4 Hörner, berg die Zwölftonmusik, gehen 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Enescu und Janáček dezidiert Pauken, Schlagzeug, Streicher eigene Wege, hämmern Varése, Prokofjew oder Bartók den Takt Dauer des Industriezeitalters. Strawins- ca. 26 Minuten kys und Hindemiths Musik in einem Konzert, an einem Abend Verlag erhellt sich verblüffend gegensei- Schott Music tig. Kraft und Glanz, harmonische Mainz Archaik, antiklerikale Haltung sind nur einige der vergleichba- Entstehung ren Aspekte – bei aller Verschie- 1933/34 denheit von Herkunft und Zielen der beiden Komponisten. Uraufführung 12. März 1934, Berlin Wilhelm Furtwängler, Dirigent Paul Hindemith
28 PAUL HINDEMITH – SINFONIE „MATHIS DER MALER“ 29 Unsittlicher Goebbels brandmarkte neben der brachte das Oratorium „Das Arbeit begnadet, dafür aber Geräuschemacher angeblich mangelnden Sittlich- Unaufhörliche“ hervor (1931, offenbar von allen Höllenqualen keit des Librettos ausdrücklich Uraufführung im Berliner Sender einer zweifelnden, suchenden Paul Hindemith war 1927 von „misstönende Dissonanzen eines mit dem RSB und dem Rund- Seele geplagt, erlebt mit der Frankfurt am Main nach Berlin musikalischen Nichtkönnens“ funkchor unter Leitung von Otto ganzen Empfänglichkeit einer gekommen, wo er von Leo und nannte Paul Hindemith 1934 Klemperer). Es leitete Hindemiths solchen Natur am Beginn des 16. Kestenberg an die Hochschu- in seiner berüchtigten Rede Rückwendung zur traditionellen Jahrhunderts den Einbruch einer le für Musik berufen worden im Berliner Sportpalast einen Musik ein. 1932 machte Willy neuen Zeit mit ihrem unvermeid- war. Er leitete neben Direktor „atonalen Geräuschemacher“. „O Strecker vom Schott-Verlag ihm lichen Umsturz der bisher gelten- Franz Schreker eine Klasse für wie schauderhaft modern, wie den Vorschlag, eine Oper über den Anschauungen. Obwohl er Komposition. Hindemith war ein schauderhaft modern, o wie mo- einen großen Deutschen aus die folgenschweren Kunstleistun- Universalgenie: Berufsmusiker dern“ hatte ein hörbar vergnügter der Vergangenheit zu schreiben, gen der angehenden Renaissance (Geige, Bratsche, Kammermusik), Hindemith den Chor in seiner etwa Gutenberg oder Grünewald. voll erkennt, entscheidet er sich Komponist, Musikwissenschaft- Oper solche Schmährufe bereits Hindemith lehnte ab, zu Guten- in seiner Arbeit doch zu äußers- ler, Lehrer, aber auch Zeichner vorwegnehmen lassen. berg fand er keinen Zugang, ter Entfaltung des Überlieferten, von witzigen Karikaturen. Er galt Grünewald schien ihm praktisch ähnlich wie zwei Jahrhunderte als „Repräsentant einer gewan- ungeeignet, zu sehr Maler, zu we- später sich J. S. Bach im Strome delten Ästhetik, als Künstler des Mehrfacher Rückzieher nig Musiker. Stattdessen begann des musikalischen Fortschritts Experiments und der Verbindung er einen Entwurf für eine Liebes- als ein Bewahrer erweist. Er gerät zur technischen Welt“ (d.h. zum Das Vergnügen hatte der herauf- geschichte – zwischen einem in die damals gewaltig arbeiten- Rundfunk). So urteilte Hans Heinz ziehende Faschismus schnell ver- französischen Kriegsgefangenen den Maschinerien des Staates Stuckenschmidt über den damals trieben. Seit Anfang der 1930er- und einem deutschen Mädchen. und der Kirche, hält mit seiner wohl bedeutendsten deutschen Jahre suchte Hindemith nach Jetzt erschrak Strecker: Pazi- Kraft dem Drucke dieser Mächte Vertreter der Neuen Musik. Der einem politisch-ästhetischen fismus und Internationalismus wohl stand, in seinen Bildern be- hatte sich längst einen Ruf als Standort außerhalb der bedrän- anno 1933? War Hindemith richtet er jedoch deutlich genug, Bürgerschreck erworben. „O wie genden Tagesprobleme. Dabei von Sinnen? In bitterer Einsicht wie die wildbewegten Zeitläufe schauderhaft modern“ empörten begegnete er Gottfried Benn, plante der nun eine Oper über die mit all ihrem Elend, ihren Krank- sich die Spießbürger in seiner möglicherweise auf dessen 1930 Anfänge der Eisenbahn, schön heiten und Kriegen ihn erschüt- lustigen Oper „Neues vom Tage“. im Rundfunk geäußerte Meinung unpolitisch. Doch im Juni 1933 tert haben.“ Die Zusammenfas- „Das Nusch-Nuschi“ und „Mör- hin, der Dichter habe andere siegte Hindemiths Gewissen, kei- sung seines Grünewald-Bildes, der, Hoffnung der Frauen“, vor Ziele anzustreben als „praktisch ne Eisenbahngeschichte, sondern welches Hindemith für das allem aber das Bad der Susanna wirksame und dem sogenannten doch Grünewald. Programmheft der Uraufführung („Sancta Susanna“) auf offener Aufstieg dienende“. Geradezu seiner Oper in Zürich am 28. Mai Bühne – eine unschuldige, frivol- schizophren mutet Hindemiths 1938 formulierte, offenbart den neckische Nacktszene (damals Spagatversuch an: Er, Pädagoge, Prophezeiungen starken autobiographischen Be- freilich in fleischfarbenem Praktiker, Spielmusiker, im Alltag aus Erinnerungen zug, den der Komponist des 20. Kostüm) – brachten das Fass verwurzelt, widmet sich dem Jahrhunderts zum Maler des 16. zum Überlaufen. Die Szene hatte weltabgehobenen Mystizismus, „Dieser Mensch, mit der denkbar Jahrhunderts herzustellen ver- auch Adolf Hitlers Missfallen dem rein ideellen Ästhetizismus höchsten Vollkommenheit und mochte. Man muss nur wenige, erregt; sein Propagandaminister Benns. Die Zusammenarbeit Erkenntnis seiner künstlerischen die Historie betreffende Begriffe
30 PAUL HINDEMITH – SINFONIE „MATHIS DER MALER“ 31 durch aktuelle ersetzen, um Grünewald, bei Beethoven und legung“, ein weiteres in dem Text ein künstlerisches Schostakowitsch. Hindemith Bildmotiv des Isenhei- Selbstporträt von Paul Hindemith nahm den Kampf um persönliche mer Altars, ging später zu erkennen. Integrität auf, indem er sich notengetreu in die in die Arbeit stürzte. Als ihn Oper ein und beklagt Wilhelm Furtwängler um ein Werk dort als instrumenta- Mathis, der Katalysator für die Konzertsaison 1933/1934 les Zwischenspiel den bat, bündelte Hindemith musika- Tod von Grünewalds Mathias Nithart, der sich später lische Ideen, die er der Mathis- Muse Regina. Das Mathis Gothart nannte, ist seit Oper zugedacht hatte, sozusagen Wiederkehren der Mu- 1675 unter dem irrtümlichen vorab zu einer Sinfonie. Das Werk sik am Ende der Oper Namen Matthias Grünewald als ist dreisätzig, wobei jeder Satz erschließt ihre Doppel- Schöpfer des Isenheimer Altars eine programmatische Über- funktion als Requiem (heute in Colmar), der Karlsruher schrift trägt. für den Maler selbst. Kreuzigung und der Stuppacher Hindemith hat der zu- Madonna in die Geschichte ein- nehmenden Müdigkeit, gegangen. Geboren um 1480 in Wo bist du, guter Jesus? dem Erlahmen aller Würzburg, sympathisierte der Kräfte sinnfällig Aus- Meister der Spätgotik, der einen Das „Engelskonzert“ nimmt Be- druck verliehen. Der Isenheimer Altar von Mathias Nithart ausgeprägten Gerechtigkeitssinn zug auf eine Tafel des Isenheimer Tod tritt jedoch nicht (um 1480-1528, genannt Grünewald) in Colmar. besaß, mit den Bauern, welche Altars und ist durchaus wörtlich als Katastrophe auf, Tafel „Versuchung des Hl. Antonius“, Ausschnitt er in ihrem Krieg gegen den zu nehmen. In einer überirdisch sondern als unspek- Feudaladel unterstützte und mit verklärten Atmosphäre stimmen takuläres Ende allen den Ideen Martin Luthers, der nacheinander Posaunen, Hörner Mühens. Entsprechend dem gierigen Klerus in Rom die und Trompeten/ Klarinetten/ tönt die Verklärung Die Frage an den Heiland „Wo Stirn bot. Umfassend gebildet, Oboen ein altes Kirchenlied an, ganz und gar unsentimental. warst du, guter Jesus, wo warst künstlerisch begnadet, technisch den cantus firmus „Es sungen Um den dritten Satz hat Hinde- du? Warum bist du nicht dagewe- versiert und hoch geschätzt drei Engel“. Hindemith vernetzt mith lange gerungen. Zum ersten sen, um meine Wunden zu hei- von Philipp Melanchton, ging die Melodie mit einem kunst- Mal benötigte er eine längere len?“ erinnert natürlich stark an Grünewald später dem Beruf vollen polyphonen Geflecht. Im schöpferische Pause, bis ihm ein die sieben letzten Worte, die der eines Wasserkunstmachers und schnellen Teil erhalten die drei schlüssiger Einfall für das Finale Erlöser selbst am Kreuz gespro- Mühlenbauers nach. Er starb am musizierenden Engel der Bildtafel der Sinfonie kam. Er nannte den chen haben soll, allen voran das 31. August 1528 in Halle/Saale jeder ein eigenes Thema, welche Satz „Die Versuchung des Hl. An- „Eli, eli lama asabthani“ (Mein an der Pest. nach Prinzipien des Sonaten- tonius“ und stellte ihn unter das Gott, mein Gott, warum hast Die Rolle des Künstlers als satzes, die im konkreten Fall an auf einem kleinen Zettel am Ran- du mich verlassen?). Insgesamt intellektueller Seismograph Anton Bruckner erinnern, musika- de der Antoniustafel versteckte elf Anfechtungen plagen den drohenden oder vorhandenen lisch verarbeitet werden. Hinde- Motto des Isenheimer Altars „Ubi Antonius auf der entsprechenden gesellschaftlichen Unheils, sie mith stellte das „Engelskonzert“ eras bone Jhesu / ubi eras quare Bildtafel des gotischen Altars. existierte bei Michelangelo und als Vorspiel der Oper voran. non affuisti / ut sanares vulnera Dieser Darstellung ist die musika- Shakespeare, bei Goya und Auch der zweite Satz, „Grab- mea?“ lische Form nachempfunden. Wie
32 PAUL HINDEMITH – SINFONIE „MATHIS DER MALER“ 33 im wirklichen Leben nimmt die können. Dennoch entzündete die Verführung immer neue Züge an, Uraufführung der „Mathis“-Sinfo- lockt den Menschen, bedrängt nie die Wut der Nazis gegenüber und bedroht ihn. Hindemith dem Komponisten. Furtwängler verleiht etwa dem Chor der Dä- hatte das Konzert am 12. März monen oder den Versuchungen 1934 zu einer Demonstration der des Fleisches, der Macht und des künstlerischen Macht über die Reichtums suggestive Bildkraft politische stilisiert und Hinde- und gestische Eindringlichkeit. miths gedeihende Oper demonst- Das Werk gipfelt in einer Choral- rativ in den Spielplan 1934/1935 bearbeitung über die Fronleich- aufgenommen. Diesen Macht- namssequenz des Thomas von kampf mussten er und Hindemith Aquino „Lauda Sion Salvatorem“, verlieren. Überzeugt von seiner DEUTSCHLANDS die ihrerseits in eine zur Hymne Unantastbarkeit, verfasste der gesteigerten „Halleluja“-Apotheo- renommierte Staatskapellmeister se mündet. Das dröhnende Ende und Chef des Berliner Philharmo- BESTES KINO kündet in gleißendem Dur vom nischen Orchesters einen Artikel Sieg des Stärkeren. Doch wer ist über Hindemiths Verdienste der Stärkere? für die Musik der Gegenwart. Der Artikel erschien am 25. November 1934. Wenige Tage Macht Kunst Politik später antwortete Goebbels mit der berühmt-berüchtigten Rede Das Fragezeichen hinter dem Ver- im Sportpalast. Furtwängler de- hältnis der drei Begriffe schwebt missionierte, Hindemith ging ins FÜR EIN KULTURELL HERAUSRAGENDES KINOPROGRAMM im Raum. Hindemith hatte vor Ausland. Das überflüssige Macht- und nach 1930 mit barocken und spiel hatte sowohl Hindemith noch älteren musikalischen For- als auch Furtwängler den Blick men experimentiert. Er verband verstellt auf die wahre Dimension diese Rückwendung auf tradierte des Nationalsozialismus. Dessen Modelle mit einer Vereinfachung verbrecherische Dynamik nicht seiner kompositorischen Mittel ernst zu nehmen hieß, sie hinzu- hin zu mehr Sanglichkeit der nehmen. Themen und durchhörbarer tonaler Harmonik – eine auch aus der Arbeit mit Laienensembles resultierende Entscheidung. Den Vorwurf eines „atonalen Geräu- schemachers“ hätte ihm 1934 in Wahrheit niemand mehr machen
35 außerdem Künstlerischer Leiter Spanien, Ungarn, Österreich, des Internationalen George-Enes- Korea, China und Hongkong zu cu-Festivals in Bukarest. Er arbei- erleben sein. tet regelmäßig mit dem Chamber Die erste gemeinsame CD von Orchestra of Europe und dem Vladimir Jurowski und dem RSB ensemble unitedberlin. Begin- aus dem Jahre 2015 wurde nend mit der Saison 2021/2022 sogleich zu einem Meilenstein. ist Vladimir Jurowski – parallel Alfred Schnittkes Sinfonie Nr. 3 zu seinem Engagement beim folgten 2017 eine Strauss-Mah- Rundfunk-Sinfonieorchester Ber- ler-Aufnahme und Violinkonzerte lin – Generalmusikdirektor der von Britten und Hindemith mit Bayerischen Staatsoper in Mün- Arabella Steinbacher und dem chen und bekleidet damit eine RSB. 2020 erschien eine von der Vladimir Jurowski der renommiertesten Positionen im deutschen und internationalen Kritik hochgelobte Einspielung von Gustav Mahlers „Das Lied Musikleben. von der Erde“, im August 2021 Vladimir Jurowski ist rund um die Richard Strauss‘ „Eine Alpensin- Welt als Gastdirigent gefragt. Er fonie“. hat Konzerte der bedeutendsten Vladimir Jurowski wurde vielfach Vladimir Jurowski ist seit 2017 sakows „Mainacht“ und im selben Orchester Europas und Nord- für seine Leistungen ausgezeich- Chefdirigent und Künstlerischer Jahr am Royal Opera House amerikas geleitet, darunter die net, darunter mit zahlreichen Leiter des Rundfunk-Sinfonie- Covent Garden mit „Nabucco“. Berliner, Wiener und New Yorker internationalen Schallplatten- orchesters Berlin (RSB). Der Anschließend war er u.a. Erster Philharmoniker, das Königliche preisen. 2018 kürte ihn die Jury Dirigent, Pianist und Musikwis- Kapellmeister der Komischen Concertgebouworchester Amster- der Royal Philharmonic Society senschaftler stellt sich allen mu- Oper Berlin (1997– 2001) und dam, das Cleveland und das Music Awards zum Dirigenten sikgeschichtlichen, stilistischen Musikdirektor der Glyndebourne Philadelphia Orchestra, die Sin- des Jahres. 2016 erhielt er aus oder dirigiertechnischen Heraus- Festival Opera (2001–2013). fonieorchester von Boston und den Händen von Prince Charles forderungen. 2003 wurde Vladimir Jurowski Chicago, das Tonhalle-Orchester die Ehrendoktorwürde des Ro- Ausgebildet zunächst an der zum Ersten Gastdirigenten des Zürich, die Sächsische Staatska- yal College of Music in London. Musikhochschule des Konserva- London Philharmonic Orchestra pelle Dresden und das Gewand- 2020 wurde Vladimir Jurowski toriums in Moskau, kam Vladimir ernannt und war von 2007 bis hausorchester Leipzig. Er gastiert in Anerkennung seiner Tätigkeit Jurowski 1990 nach Deutsch- Sommer 2021 dessen Principal zudem regelmäßig bei den BBC als Künstlerischer Leiter des land, wo er sein Studium an den Conductor. Ebenfalls bis Sommer Proms, dem Musikfest Berlin George-Enescu-Festivals vom Musikhochschulen in Dresden 2021 war er Künstlerischer Leiter sowie bei den Musikfestivals in Rumänischen Präsidenten mit und Berlin fortsetzte – Dirigieren des Staatlichen Akademischen Dresden, Luzern, Schleswig-Hol- dem Kulturverdienstorden aus- bei Rolf Reuter, Korrepetition und Sinfonieorchesters „Jewgeni stein und Grafenegg sowie beim gezeichnet. Liedbegleitung bei Semion Ski- Swetlanow“ der Russischen Rostropowitsch-Festival. Mit gin. 1995 debütierte er auf inter- Föderation und Principal Artist dem Rundfunk-Sinfonieorchester nationaler Ebene beim britischen des Orchestra of the Age of Berlin wird er 2021/2022 bei Wexford Festival mit Rimski-Kor- Enlightenment in Großbritannien, mehreren Konzerten in Bukarest,
36 SOLISTIN 37 Tamara Stefanovich Die Pianistin Tamara Stefanovich gastierte beim Orchestre Philhar- begeistert das Konzertpublikum monique du Luxembourg, beim weltweit mit klug kombinierten Philharmonischen Orchester Soloprogrammen, als Kammer- Island und beim Radio Filharmo- musikerin oder als Solistin der nisch Orkest der Niederlande. Im bedeutenden internationalen Or- April 2021 gab sie ihr Debut beim chester. Sie konzertierte u.a. mit Oregon Symphony Orchestra. dem Cleveland Orchestra, dem Zuvor war sie nach Tokio, Leipzig, Chicago Symphony Orchestra, Köln und São Paulo zu Konzerten dem London Symphony und Phil- eingeladen. Ihre ausgedehnte harmonic Orchestra, dem Cham- Rezital-Tournee durch die USA ber Orchestra of Europe und der anlässlich von Pierre Boulez‘ 90. Deutschen Kammerphilharmonie Geburtstag wurde von Kritikern Bremen. Regelmäßig tritt sie in hoch gelobt. den renommiertesten Konzert- Eine fruchtbare Zusammenarbeit sälen und bei hochkarätigen Fes- verband und verbindet Tamara tivals auf, darunter die Carnegie Stefanovich mit Komponisten wie Hall in New York, die Berliner György Kurtág, Pierre Boulez, für die Einspielung von Bartóks Freiburg bis hin zu ihrer Berufung Philharmonie, die Wigmore Hall Hans Abrahamsen und Sir George Konzert für zwei Klaviere, Schlag- als Jurorin internationaler Klavier- in London, Lucerne Festival und Benjamin. Zu ihren kammer- zeug und Orchester mit Pierre- wettbewerbe. In Zusammenarbeit die Salzburger Festspiele. Als musikalischen Partnern zählen Laurent Aimard und dem London mit dem Klavier-Festival Ruhr hat Kammermusikerin wird sie in der Patricia Kopatchinskaja, Pierre- Symphony Orchestra unter der sie ein innovatives Online-Projekt laufenden Saison beim Musikfest Laurent Aimard und Matthias Leitung von Pierre Boulez auf veröffentlicht (www.explorethe- Berlin, im Muziekgebouw Amster- Goerne; regelmäßig arbeitet sie Deutsche Grammophon für einen score.org), in dem sie interaktiv dam und beim Musikfest Herren- auch mit Dirigentinnen und Diri- Grammy nominiert. Nach ihrem Boulez‘ „Notations“ analysiert. hausen zu Gast sein. genten wie Esa-Pekka Salonen, ersten Soloalbum, auf dem sie Außerdem war sie Kuratorin des Nach einem umjubelten Debüt Vladimir Jurowski und Susanna Werke von Bach und Bartók Festivals „The Clearing“ im Rah- beim Israel Philharmonic Orches- Mälkki. präsentierte, widmete sie sich men der Portland International tra mit Kirill Petrenko im Dezem- Ihre preisgekrönte Diskographie auf ihrem zweiten Album „Influ- Piano Series. Die überzeugte ber 2019 war Tamara Stefanovich umfasst u.a. eine Aufnahme von ences“ Werken von Ives, Bartók, Europäerin wurde an der Uni- in der Saison 2020/2021 mit Kurtágs „Quasi una Fantasia“ Messiaen und Bach (März 2019, versität Belgrad ausgebildet, wo dem Niederländischen Philharmo- und seines Doppelkonzerts mit Pentatone). sie Psychologie, Soziologie und nischen Orchester und Markus dem Asko | Schönberg Ensemble Tamara Stefanovichs pädago- Pädagogik studierte, ehe sie am Stenz bei der Zaterdag Matinee unter Reinbert de Leeuw bei gisches Engagement erstreckt Curtis Institute (USA) und an der in Amsterdam und in der Phil- ECM. Sie wurde mit dem Edison sich von einer langjährigen Musikhochschule Köln ihr Musik- harmonie Essen zu erleben. Sie Award ausgezeichnet und war Lehrtätigkeit in Belgrad, Köln und studium absolvierte.
38 SOLIST Georg Nigl „Orfeo“ und die Uraufführung von Beat Furrers „Violetter Schnee“ der „Zauberflöte“ an der Berliner Staatsoper Unter den Linden und an der Staatsoper Unter den der Wiener Staatsoper, sowie Linden Berlin, die Titelpartie in Konzerten und Liederabenden Georg Nigl begeistert Publikum Kirill Petrenko und Sir Simon Trojahns „Orest“ und Eisenstein u.a. in München, Wien, Amster- und Presse stets durch leiden- Rattle sowie mit den wichtigen in „Die Fledermaus“ an der Wie- dam, Brüssel und Köln. In der Kri- schaftliche und authentische Regisseuren unserer Zeit zusam- ner Staatsoper, die Titelpartie in tikerumfrage 2015 der Zeitschrift Auftritte, sei es bei seinem men. Besondere Anerkennung Mozarts „Le Nozze di Figaro“ an Opernwelt wurde Georg Nigl für gefeierten „Wozzeck“ an der Mai- verschaffte sich Georg Nigl nicht der Hamburgischen Staatsoper, seine Interpretation von Rihms länder Scala, bei Rihms „Lenz“ nur als ausführender Solist zahl- sein bei Presse und Publikum Lenz zum „Sänger des Jahres“ in Brüssel und Berlin oder seinen reicher Uraufführungen, sondern gefeierter „Lenz“ beim Festival gekürt. Bach-Interpretationen mit Luca auch als Impulsgeber für Kompo- von Aix-en-Provence, eine Neu- Pianca. Seine tiefgründige und sitionen und Publikationen, unter produktion von Reimanns „Lear“ umfassende Auseinandersetzung anderem von Friedrich Cerha, an der Bayerischen mit allen aufgeführten Werken, Pascal Dusapin, Georg Friedrich Staatsoper sowie seine enge Verbundenheit mit Haas, Wolfgang Mitterer, Olga die Interpretation dem Sprechtheater und die damit Neuwirth und Wolfgang Rihm. des Pilatus in Bachs einhergehende Gewichtung von Georg Nigls kammermusikali- Johannespassion unter Text und Rhetorik sowie seine sches Repertoire weist ein weites Sir Simon Rattle in der ausdrucksstarken darstelleri- Spektrum vom Barock über die Inszenierung von Peter schen Fähigkeiten auf der Bühne Wiener Klassik bis zu neuester Sellars mit den Berli- machen Georg Nigl zu einem ge- Musik auf – gemeinsam erarbei- ner Philharmonikern feierten Bariton weltweit. Bereits tet und aufgeführt mit Alexander und auf Tournee mit im Kindesalter war Georg Nigl Melnikov, Olga Pashchenko, Luca dem Orchestra of the eng mit der Musik verbunden. Als Pianca und Gérard Wyss. Seine Age of Enlightenment. Sopransolist der Wiener Sänger- Aufnahme „Bach privat“ mit Anna Die Saison 2021/2022 knaben trat er auf bedeutenden Lucia Richter wurde im November beginnt für Georg Nigl Bühnen in Erscheinung. Im Stu- 2017 mit dem Diapason d’or mit Konzerten bei den dium bei Kammersängerin Hilde ausgezeichnet, sein Album „Va- Salzburger Festspielen Zadek erhielt er wichtige Impulse nitas“ mit Olga Pashchenko und und dem Musikfest für seine spätere Laufbahn. Sein Liedern von Beethoven, Schubert Berlin, gefolgt von unverwechselbares Timbre führt und Rihm wurde vielstimmig als der Neuproduktion ihn an alle wichtigen Opernbüh- Entdeckung des Jahres gefeiert. „Rappresentatione di nen und Festivals in Europa. Da- Höhepunkte der letzten Jahre anima e di corpo“ am bei arbeitet er unter der Leitung waren u.a. Papageno sowie die Theater an der Wien, von renommierten Dirigenten Titelpartie in der Uraufführung der Titelpartie in der wie Daniel Barenboim, Teodor von Pascal Dusapins neuer Neuproduktion von Currentzis, Valery Gergiev, Daniel Oper „Macbeth Underworld“ am Monteverdis „Orfeo“ Harding, Nikolaus Harnoncourt, Théatre de la Monnaie in Brüssel, an der Wiener Staats- René Jacobs, Kent Nagano, die Titelpartie in Monteverdis oper, Vorstellungen
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