Simulation und Verifikation von ATM-Quellenmodellen

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Simulation und Verifikation von ATM-Quellenmodellen
                                Matthias Baumann und Torsten Müller
                                     Lehrstuhl Telekommunikation
                            Technische Universität Dresden, 01062 Dresden
                            Email: {baumann,muellert}@ifn.et.tu-dresden.de

Kurzfassung: Der Beitrag stellt in einer Fallstudie verschiedene ATM-Quellenmodelle für eine
Multimedia-Anwendung mit Audio- und Videokomponenten gegenüber. Die Modelle sind durch ON/OFF-
und GMDP-Strukturen auf verschiedenen Kommunikationsebenen gekennzeichnet. Vergleich und
Bewertung erfolgen anhand der zeitlichen Eigenschaften der durch die Anwendung und die Modelle
erzeugten Zellströme sowie durch Ermittlung der Zellverlustwahrscheinlichkeiten, die diese
Verkehrsströme in einem Peak Rate Shaper und einem statistischen Multiplexer erleiden.

1        Einleitung
Verfahren der diskreten ereignisgesteuerten Simulation gewinnen zunehmende Bedeutung für die
Untersuchung und Dimensionierung von Bestandteilen eines Breitband-ISDN-Netzes auf der Basis des
Asynchronen Transfer Modes (ATM). Das Hauptproblem bei der Anwendung simulativer Methoden
besteht darin, daß Prozesse mit extrem unterschiedlichen Zeitkonstanten und Ereignisse mit sehr geringen
Wahrscheinlichkeiten erfaßt werden müssen. So ist z.B. die typischerweise geforderte
Zellverlustwahrscheinlichkeit von 10-9 bis auf wenige Ausnahmen (Anwendung varianzreduzierender
Verfahren wie RESTART [1]) nur mit den Mitteln der analytischen Modellbildung und Bewertung direkt
zugänglich. Andererseits stoßen die mit der Entwicklung des ATM-Verfahrens zu neuer Blüte gelangten
analytischen Methoden [3,5] erneut an ihre Grenzen: Komplexe Quellen, deren Verkehrscharakteristiken
vor allem durch Abläufe in höheren Protokollschichten bestimmt werden, lassen sich ebenso wie
reagierende Flußsteuerungsprozeduren nur sehr unvollkommen erfassen.
Die vorliegende Fallstudie beschäftigt sich mit dem für analytische und simulative Untersuchungen
gleichermaßen wichtigen Problem der Quellenmodellierung. Während die Beeinflussung der
Zelltransfergüte im Netzinneren und bei Anwendung des sogenannten blinden statistischen Multiplexens
offensichtlich nur von wenigen Schlüsselparametern abhängt [2], sind die detaillierten
Quelleneigenschaften wesentlich bei der Bewertung des Verhaltens von Zugangsnetzen mit weniger
ausgeprägten statistischen Effekten. Für die Untersuchung von reagierenden Flußsteuerungsverfahren wie
ABR (Available Bit Rate) ist es wesentlich, daß die Modelle Ansatzpunkte für das Einwirken von
Protokollabläufen besitzen. Dadurch wird die mögliche Abstraktion wie z.B. die Zusammenfassung von
Quellenzuständen eingeschränkt.
Im Beitrag werden unterschiedlich genaue Modelle für eine Multimedia-Anwendung, die im
Experimentalnetz des ACTS-Projektes EXPERT (Platform for Engineering Research and Trials) in Basel
zur Verfügung stand, entwickelt und bewertet. Basis der Modellierung und der Vergleiche sind
Aufzeichnungen der Zellzwischenankunftszeiten während einer Sitzung mit ca. 12 Minuten Dauer. Zur
Entwicklung der Modelle werden Kenntnisse über die Arbeitsweise der Anwendung und aus der
Aufzeichnung abgeleitete statistische Verteilungen benutzt. Die Bewertung erfolgt in zwei Schritten.
Zunächst wird die Wiedergabe der Zellzwischenankunftszeit-Verteilungen und Zählprozeß-Korrelationen
durch die Modelle gegenübergestellt. Dann werden die gemessene Zellsequenz und die durch die Modelle
erzeugten Verkehrsströme als Last für Simulationsmodelle eines Peak Rate Shapers und eines statistischen
Multiplexers benutzt, um die sich einstellenden Zellverlustraten zu vergleichen.
2         Entwicklung der Quellenmodelle
Die Multimedia-Anwendung ISABEL integriert für eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung interaktives Audio
und Video sowie Dokumententransfer. Für die Aufzeichnung des Referenzverkehrsstromes, der nur Audio-
und Videokommunikation enthält, wurden die beiden Multimediaterminals über einen ATM-Switch und
ein ATM-Meßgerät verbunden. Die Anwendung stützt sich für die Übertragung der Audio- und
Videosignale auf das Internet-Protokoll UDP (User Datagram Protocol) und eine ATM-Anpassungsschicht
(ATM Adaptation Layer) vom Typ AAL5 ab. Der Videoteil verwendet hierbei eine konstante Bitrate: aus
jeweils 172 Zellen bestehende AAL5-Rahmen werden in einem Abstand (erste bis erste Zelle) von 41148
Zeitschlitzen generiert. Die Audiokomponente enthält eine relativ träge Pausenunterdrückung, die kurze
Pausen zwischen Wörtern noch nicht erkennt. Im Aktivitätszustand werden AAL5-Rahmen (172 Zellen)
mit einem Rahmenabstand von 31272 Zeitschlitzen ausgesandt. Daraus wurden die im folgenden
erläuterten Quellenmodelle abgeleitet.
                                                                           0.16
                                                                                                              Trace
                                                                           0.14                Exponentialverteilung
                                                                           0.12

                                                    Relative Haeufigkeit
        Quelle
      IP-Pakete                                                             0.1
        Audio
                                                                           0.08
                  Abbildung          Peak
                    IP zu            Rate                                  0.06
                    ATM             Shaper
                                                                           0.04
       Quelle
      IP-Pakete                                                            0.02
        Video                      Ausgang
                                                                             0
                                                                                      5e+06       1e+07       1.5e+07
                                                                                   Dauer der OFF-Phase in Zeitschlitzen

    Abb. 1: Struktur des Referenz-Quellenmodells                            Abb. 2: Verweildauer im Audio-OFF-Zustand
Referenzmodell: Das intuitiv abgeleitete Referenzmodell ist in Abb. 1 dargestellt. Die Video-Paketquelle
generiert alle 41148 Zeitschlitze eine IP-Sendeforderung, die als ON/OFF-Quelle modellierte Audio-
Quelle löst im ON-Zustand aller 31272 Zeitschlitze eine Anforderung aus. Die Verteilungen der
Verweilzeiten in den beiden Zuständen wurden aus dem aufgezeichneten Zellstrom ermittelt, indem die
Zeitachse in Abschnitte zu je 300000 Zeitschlitze (ca. 0.84 s) eingeteilt und die Zellankünfte pro Abschnitt
gezählt wurden. Abb. 2 zeigt die Verteilung der Dauer der OFF-Perioden im Vergleich mit einer
angepaßten Exponentialverteilung. Da sich auch die Dauer der ON-Perioden gut mit einer
Exponentialverteilung approximieren läßt, wurden beiden Verweildauern geometrische Verteilungen
zugrunde gelegt. Die mittlere Paketzahl pro Audio-ON-Phase ist 164, die mittlere Dauer der OFF-Phase
beträgt 3.78 ⋅ 106 Zeitschlitze. Die IP-Anforderungen werden in der folgenden Stufe in Sequenzen von je
172 Zellen umgesetzt, wobei eine Warteschlange Konflikte im Umsetzer auflöst. Die in den
Multimediaterminals verwendeten ATM-Karten benutzen ein TAXI-Interface mit einer Bitrate von 100
Mbit/s, der Verkehr wurde jedoch an einer Schnittstelle ATM-in-SDH (Bitrate 149,76 Mbit/s) aufge-
zeichnet. Im Modell wird dieser Übergang mit einem abschließenden Peak Rate Shaper (siehe Abschnitt 4)
mit einem effektiven Zellabstand von 1.4976 Zeitschlitzen erfaßt. Dieser Shaper erzwingt am Ausgang
Zellabstände von einem bzw. zwei Zeitschlitzen (im richtigen Verhältnis), indem er Zellen bei Bedarf in
einem Puffer mit 500 Plätzen speichert.
Modell mit verkürzten Audio-Zustandsverweildauern („Kurzzeitmodell“): Wegen der im Sekun-
denbereich liegenden Zustandsverweildauern der Audio-IP-Quelle wird der stationäre Systemzustand bei
der Simulation erst sehr spät erreicht. Andererseits liegen die Verweilzeiten wesentlich über den durch
Puffergrößen und Laufzeiten bestimmten Zeitkonstanten von ATM-Systemen. Das läßt erwarten, daß die
Prozesse auf ATM-Ebene während einer Nutzer-Aktivitätsphase einen quasistationären Zustand erreichen.
In diesem Falle wären für die Vorgänge auf ATM-Ebene nur noch die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten der
Nutzerebene wesentlich. Um die Vermutung zu überprüfen, wurden die mittleren Zustandsdauern des
Audioteils auf ein Zehntel der ursprünglichen Werte verringert. Dies entspricht einer mittleren Zahl von
16.4 Paketen pro ON-Zustand (Paketabstand unverändert) und einer mittleren Inaktivitätsdauer von 3.78 ⋅
105 Zeitschlitzen. Alle anderen Modellparameter bleiben unverändert.
GMDP-Modell mit determinierten Paketlängen („GMDP-1“): GMDP-Modelle (Generally Modulated
Deterministic Process) stellen eine leistungsfähige Klasse von stochastischen Prozessen dar, die bereits
vielfach für die Beschreibung von ATM-Verkehrsströmen verwendet wurde (zur Einführung siehe z.B.
[4]). Zur Modellierung wird hier ähnlich wie beim Referenzmodell vorgegangen. Die Quellen für Video
und Audio erzeugen allerdings die IP-Pakete direkt, so daß sich die Umsetzung IP-ATM in Abb. 1 zu
einem Multiplexer reduziert. Der Ankunftsprozeß Video wird wieder als ON/OFF-Quelle (siehe Abb. 4),
der Audioteil jedoch als GMDP-Quelle mit 3 Zuständen modelliert (Abb. 3). Sowohl Audio- als auch
Videoquelle senden im Zustand 0 in jedem Zeitschlitz eine Zelle, alle anderen Bitraten sind 0. Die
Verweilzeit der Videoquelle im Zustand 0 ist auf konstant TX0=172 (IP-Paketlänge) eingestellt, die
Verweilzeit im OFF-Zustand ist dagegen geometrisch um den Mittelwert E[TX1]=40976 (Pause zwischen
Videopaketen: 41148-172) verteilt. Die Audio-Verweildauer im Zustand 0 ist wieder TX0=172, TX1 reprä-
sentiert die Pause zwischen IP-Paketen und wird durch eine geometrische Verteilung mit Mittelwert
E[TX1]=31100 bestimmt. Zustand 2 modelliert die Länge einer Sprachpausenunterdrückung, daher wird
TX2 als geometrisch verteilt (Mittelwert E[TX2]=3’781’057) angenommen.

                                                              p   0             0 
                        p02
                                                      0 p                     1
                                                          01  02         1     1 
          TX 0                       TX 2        p =  p10 0 p12  =  1 −     0     
         λ = λ0         p20          λ=0             p                  164   164 
                                                      20 p21 0   1          0  0 
                  p01          p12
           p10                        p21                     TX 0                   TX 1
                        TX 1
                                                             λ = λ0                 λ =0
                        λ=0

Abb. 3: GMDP-Modell mit 3 Zuständen                         Abb. 4: ON/OFF Modell
Durch die Wahl der Zustandsübergangswahrscheinlichkeiten wird die Länge der Sprachaktivitätsphase
eingestellt (164 IP-Pakete). Dabei sind aufgrund der Bernoulli-Entscheidung über einen Zustandswechsel
nur geometrisch verteilte ON-Phasen modellierbar.
GMDP-Modell mit geometrisch verteilten Paketgrößen („GMDP-2“): Dieses Modell ergibt sich durch
Variation des Modells GMDP-1. Die Verweilzeiten der Videoquelle sind sowohl für den ON- als auch den
OFF-Zustand geometrisch verteilt (Mittelwerte E[TX0]=172 und E[TX1]=40976). Die Paketlänge der
Audioquelle wird ebenfalls als geometrisch verteilt (Mittelwert E[TX0]=172) angenommen.
Vereinfachte Modellierung der Paketebene („ON/OFF-1“): Die Modellierung der IP-Ebene wird
gegenüber dem Referenzmodell vereinfacht, indem nur noch die Verteilung der Zwischenankunftszeiten
der IP-Sendeanforderungen (Überlagerung von Audio und Video) nachgebildet wird. Dabei gehen die
Korrelationen zwischen den Anforderungs-Zwischenankunftszeiten verloren. Die Zwischenankunftszeiten
der Anforderungen wurden durch Auswertung der AAL5-Rahmenende-Kennungen im gemessenen
Verkehrsstrom ermittelt.
Weiter vereinfachte Modellierung der Paketebene („ON/OFF-2“): Das ON/OFF Modell wird weiter
vereinfacht, indem die Anforderungs-Zwischenankunftszeiten mit einer geometrischen Verteilung
modelliert werden.

3        Verkehrscharakteristik
Die Verkehrscharakteristik wird in den Bereichen bis 1000 und bis 50000 Zeitschlitze getrennt dargestellt.
Abb. 6 vergleicht die Kurzzeitkorrelationen des Zählprozesses über 10 Zeitschlitze für einige Modelle und
den Trace. Es ist zu erkennen, daß sich der Trace, das Referenzmodell und das Modell GMDP-1 in diesem
Bereich ähnlich verhalten. Die starke Korrelation im Bereich bis etwa 250 Zeitschlitze resultiert aus der
starren Umsetzung eines IP-Pakets in einen Burst von 172 Zellen und dem nachfolgenden Shaping mit
∆=1.49. Das Modell GMDP-2 nähert die Burstlänge durch eine geometrische Verteilung mit Mittelwert
172 an, was gut zu erkennen ist.
                            1                                                                 1e+0
                          0.9                               Trace                                                                Trace = ON/OFF-1
                                                    Referenzmodell                                    1e-1                          Referenzmodell
                          0.8                             GMDP-1                                                                          GMDP-1
Korrelationskoeffizient

                                                                            Relative Haeufigkeit
                          0.7                             GMDP-2                                      1e-2
                          0.6
                          0.5                                                                         1e-3
                          0.4                                                                         1e-4
                          0.3
                          0.2                                                                         1e-5
                          0.1
                                                                                                      1e-6
                            0
                          -0.1                                                                        1e-7
                                 100      300      500       700     900                                           10000 20000 30000 40000
                                           Lag in Zeitschlitzen                                                 Zellzwischenankunftszeit in Zeitschlitzen

                          Abb. 6: Korrelation des Zählprozesses                                              Abb. 7: Zellzwischenankunftszeiten
In Abb. 7 sind die Histogramme der Zwischenankunftszeiten aufgetragen. Beim Trace sind drei
charakteristische Maxima erkennbar: Der Zellabstand im IP-Paket äußert sich im Maximum nahe 1, der
Abstand zwischen Audiopaketen (letzte bis erste Zelle) beträgt 31600 und die Zwischenankunftszeit der
Videopakete schlägt sich in den Spitzen bei 40100 und 44000 nieder (diese Aufteilung in zwei Bereiche
konnte nicht erklärt werden). Das Histogramm verdeutlicht die unterschiedlichen Modell-Genauigkeiten.
So sind das Referenzmodell und das ON/OFF-Modell (angepaßter Paketabstand) recht gut in der Lage, die
Zwischenankunftszeiten nachzubilden. Daß das Modell GMDP-1 hier bereits versagt, ist mit den als
geometrisch verteilt modellierten IP-Paketabständen zu erklären. Die durch die Paketabstände
hervorgerufenen Spitzen sind ebenfalls charakteristisch für die Langzeitkorrelationen (Abb. 8 und 9). Das
Verhalten wird durch das Referenzmodell befriedigend, durch Modelle mit geometrisch verteilten
Paketabständen hingegen gar nicht nachgebildet. Interessant erscheinen die angedeuteten
Korrelationsmaxima beim ON/OFF-Modell mit angepaßter Paketabstandsverteilung. Die Verteilung gibt
zwar eine gewisse Wahrscheinlichkeit für lokal periodisches Verhalten vor, ein Systemgedächtnis, das das
Verhalten über längere Zeit fixieren könnte, fehlt jedoch.
                          0.8                                                                          0.8
                          0.7                               Trace                                      0.7                                  Trace
                                                    Referenzmodell                                                                       ON/OFF-1
                          0.6                             GMDP-1                                       0.6
Korrelationskoeffizient

                                                                            Korrelationskoeffizient

                          0.5                                                                          0.5
                          0.4                                                                          0.4
                          0.3                                                                          0.3
                          0.2                                                                          0.2
                          0.1                                                                          0.1
                            0                                                                           0
                          -0.1                                                                        -0.1
                                     10000    20000 30000 40000                                                    10000    20000 30000 40000
                                             Lag in Zeitschlitzen                                                          Lag in Zeitschlitzen

                                 Abb. 8 und 9: Langzeitkorrelationen der Anzahl der Ankünfte pro 100 Zeitschlitze

4                                Verlustverhalten
Aufgabe eines Shapers ist es, die Charakteristik des dem Netz angebotenen oder nach dem Durchlauf
durch mehrere Knoten stark veränderten Verkehrsstromes so anzupassen, daß Überlastsituationen
vermieden werden und der Multiplexgewinn maximiert wird. Ein einfacher Peak Rate Shaper garantiert
dabei an seinem Ausgang einen Mindestzellabstand, indem er bei Bedarf eine begrenzte
Zellzwischenpufferung vornimmt. Ist die Puffergröße durch Verzögerungsanforderungen der zu
übertragenden Dienste vorgegeben, so soll in der Regel der maximale noch verlustfreie Zellabstand
ermittelt werden. Der Vergleich von Quellenmodellen anhand des Verlustverhaltens in einem Peak Rate
Shaper (oder dem bezüglich der Verluste äquivalenten Leaky Bucket Algorithmus) liefert sehr genaue
Aussagen über die Güte der Modellierung, da ausgleichende statistische Effekte wie z.B. beim Multiplexen
mehrerer Quellen fehlen. Abb. 10 zeigt die Verlustraten, die sich mit dem aufgezeichneten Verkehr und
den Strömen der unterschiedlichen Modelle in einem Shaper mit einer Puffergröße von 500 Zellen
einstellen. Der Trace sowie das Referenz- und das Kurzzeitmodell passieren den Shaper ab einem Zell-
abstand von 103 Zeitschlitzen ohne Verluste. Dieser Abstand entspricht der Zellrate bei gleichzeitiger
Aktivität von Audio und Video. Wird der durch den Shaper erzwungene Zellabstand auch nur geringfügig
erhöht, steigt die Verlustrate schlagartig an, da der Puffer im Vergleich zur ON-Zeit der Audiokomponente
sehr klein ist. Die Verringerung der Zeitkonstanten beim Kurzzeitmodell schlägt sich erst im Bereich
inakzeptabel hoher Verlustraten nieder. Alle anderen Modelle bilden Periodizität auf der IP-Ebene nicht
nach, was zu einem starken Ansteigen der Verluste führt, da bereits eine zufällige Zusammenballung von
mehr als 2 IP-Paketen einen Pufferüberlauf hervorruft.
                    1                                                                      1
                                 Trace                                                                Trace
                              Referenz                                                             Referenz
                               Kurzzeit                                                             Kurzzeit
                  1e-1        GMDP-1                                                     1e-1      GMDP-1
                             ON/OFF-1                                                              GMDP-2
Zellverlustrate

                                                                       Zellverlustrate

                             ON/OFF-2                                                             ON/OFF-2

                  1e-2                                                                   1e-2

                  1e-3                                                                   1e-3

                  1e-4                                                                   1e-4
                         0       20    40     60    80   100 120                             100   105    110     115   120   125    130
                             Minimaler Zellabstand am Shaper-Ausgang                            Minimaler Zellabstand am Shaper-Ausgang

                  Abb. 10: Verluste im Shaper (Puffergröße 500)                           Abb. 11: Verluste im Shaper (Puffergröße 9200)
Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ergibt sich erst bei unrealistisch großen Puffern wie in Abb.
11 (Die Puffergröße von 9200 entspricht bei einem Zellabstand von 100 Zeitschlitzen und einer Bitrate von
155 Mbit/s einer Verzögerung von 2.5 s). An der leichten Erhöhung des Zellabstandes – für den
aufgezeichneten Verkehr von 103 auf 108 Zeitschlitze – erkennt man, daß jetzt ein Teil der in den Audio-
Aktivitätsphasen überschüssigen Zellen zwischengepuffert werden kann. Damit gewinnt die exakte
Verteilung der Phasendauern an Bedeutung, und die Genauigkeit des Referenzmodells, das hierfür
geometrische Verteilungen benutzt, wird etwas schlechter. Andererseits resultieren die zu kurzen
Phasendauern des Kurzzeitmodells jetzt in einer Unterschätzung der Verluste. Die fehlende IP-Ebenen-
Synchronität der GMDP-Modelle wird mit steigender Puffergröße unwesentlicher, so daß die
Verlustüberschätzung abnimmt. Interessant ist die Umkehrung der Verhältnisse bei den ON/OFF-Modellen
(das ON/OFF-Modell mit angepaßter Rahmenabstandsverteilung erlitt im dargestellten Bereich keine
Verluste). Wie bei den GMDP-Modellen, werden zufällige Ballungen von IP-Paketen jetzt vom Puffer
aufgenommen. Da ein ausgeprägter Zustand mit einer mittlere Zellrate oberhalb der Ausgangsrate des
Shapers fehlt, treten jedoch nur wenige Verluste auf.
Zur Bewertung des Multiplexverhaltens wurden jeweils 30 Quellen des gleichen Typs in Multiplexern mit
Puffergrößen zwischen 100 und 600 überlagert. Die aus den Messungen stammende Zellsequenz wurde
dabei ebenfalls mit sich selbst, jedoch mit einer zeitlichen Versetzung der Einzelströme, gemultiplext. Die
für den gemessenen Strom angegebenen Vertrauensintervalle ergeben sich aus 5 Versuchen mit
unterschiedlichen zeitlichen Verschiebungen zwischen den Einzelströmen. Die Abb. 12 und 13 zeigen, daß
die Länge eines IP-Paketes den bestimmenden Einfluß auf das Multiplexverhalten ausübt: lediglich durch
das Modell GMDP-2, das geometrisch verteilte Paketlängen verwendet, werden die Verluste wesentlich
überschätzt. Alle anderen Modelle geben Paketlänge und -ankunftsrate richtig wieder. Der beim Shaper-
Experiment beobachtete Unterschied zwischen streng periodischer und stochastischer Generierung der
Pakete wird durch die zufällige Überlagerung der 30 Verkehrsströme nahezu ausgeglichen.
                  1e-1                                                             1e-1
                                                   Trace                                                        Trace
                                          Referenzmodell                                                      GMDP-1
                                           Kurzzeitmodell                                                     GMDP-2
                  1e-2                                                             1e-2                      ON/OFF-2
Zellverlustrate

                                                                 Zellverlustrate
                  1e-3                                                             1e-3

                  1e-4                                                             1e-4

                  1e-5                                                             1e-5
                            200     300     400       500                                 200     300     400       500
                              Puffergroesse (in Zellen)                                     Puffergroesse (in Zellen)

                                 Abb. 12 und 13: Zellverlustraten in einem Multiplexer

5                        Zusammenfassung
Die Untersuchungen zeigen, daß die Nachbildung der Eigenschaften des Originalverkehrsstromes
besonders dann kritisch ist, wenn der Einfluß statistischer Effekte beim Durchlauf durch einzelne
Netzkomponenten gering und gleichzeitig das Systemgedächtnis sehr groß ist. Sehr deutlich konnte das am
Beispiel eines Peak Rate Shapers demonstriert werden. In den meisten Fällen ist bei Modellierung aller
Schichten eine Skalierung der Zeitkonstanten auf der obersten Ebene zulässig. Wird das Verhalten von
tiefer im Netz gelegenen Komponenten bewertet, so läßt der Einfluß der höheren Ebenen der
Verkehrsquelle zumindest bei blindem statistischen Multiplexen stark nach. Die Überlagerungseffekte
verdecken sowohl Unterschiede auf mittlerer Ebene (Verteilung der Paketabstände) als auch die konkreten
Verteilungen der Nutzeraktivitätsphasen. Die Untersuchungen zu den Zellabstandsverteilungen und den
Korrelationen der momentanen Bitrate zeigen, daß insbesondere der letzte Parameter bereits relativ gute
Aussagen über die Brauchbarkeit eines Quellenmodells zuläßt. Wie am Beispiel der ON/OFF-Quelle mit
angepaßter Verteilung der Paketabstände deutlich wurde, sind allerdings auch bei der Gegenüberstellung
von Korrelationseigenschaften und Verlustverhalten Diskrepanzen nicht auszuschließen.

Danksagung
Die Autoren danken den Partnern im Projekt EXPERT für die Zusammenarbeit bei den Messungen und die
gewinnbringende Diskussion der Ergebnisse.

Literatur
[1] Manuel Villen-Altamarino, Jose Villen-Altamarino: RESTART: A method for accelerating rare event
    simulation. Queueing Performance and Control in ATM, pp. 71-76. Elsevier Science Publishers B.V.,
    June 1991
[2] R. Grünenfelder, S. Robert: Which Arrival Law Parameters are Decisive for Queueing System
    Performance. Proc. ITC-14, Elsevier, pp. 377-386, June 1994
[3] H. Kröner, T. Theimer, U. Briem: Queueing Models for ATM Systems – A Comparison. Proc. 7th ITC
    Specialist Seminar, Morristown, Oct. 1990, paper 9.1
[4] E.P. Rathgeb: Verkehrsflüsse in ATM-Netzen – Modellierung und Analyse von Verkehrsquellen und
    Quellflußkontrollverfahren. 51. Bericht über verkehrstheoretische Arbeiten, Universität Stuttgart, IND,
    1991
[5] Edited by J.W. Roberts: COST 224 Final Report – Performance Evaluation and Design of Multiservice
    Networks. Office for Publications of the CEC, Luxembourg, 19992
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