Skilled - Motivation - N 12019 - Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung EHB
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Schwerpunktthema 20 Für die Praxis 32 Die Knigge-Expertinnen für Lernende Grafikwettbewerb Motivation Was tun, wenn Lernende unterfordert sind? «Es geht immer um Respekt» Kreative 4 Wissenschaftliche Studie und Ausstellung des EHB 22 Engagement in Kleinstberufen Lernende aus Lehrpersonen beeinflussen die Motivation der Lernenden «Es geht darum, dass man nicht nur profitiert» Zürich Berufsfachschule Aarau Weitere Themen skilled 1/17: Kreativität Schule für Gestaltung St.Gallen skilled 1/18: Digitalisierung 23 Ethik Schule für Gestaltung Bern & Biel «Lernende reagieren empört 34 Aus der Praxis skilled 1/17: Kreativität auf Ungerechtigkeiten» Ed und die wilden Jungen skilled 2/17: Migration 24 Lehrpersonen Der rasche Technologiewandel Schule für Gestaltung Zürich als Herausforderung skilled 1/19: Motivation 25 Programm trans:formation 8 Ausbildung als Maurer/in Der Digi-Check bringt «Kein Tag ist wie jeder andere» den Ball ins Rollen Walliser Schule für Gestaltung ECAV in Siders skilled 2/18: Kompetenz 9 Berufswahlmotive im Sozialbereich 26 In Ausbildung mit 58 Jahren Auch der Lohn muss stimmen «Man kann noch lernen 10 Nachgefragt in diesem Alter» Was motiviert Lernende am meisten? 36 Überarbeitete Ausbildungsgänge am EHB 12 Aus Sicht der Lernenden Individuell gestaltbar, praxisbezogen, zeitgemäss Eine qualitätsvolle Ausbildung motiviert 37 Hochschulstudium 14 Berufswahl «Neue Perspektiven auf die Berufsbildung erlangen» Angehende Grafiker/innen der Schule für Gestaltung Geschlechtstypische Zürich haben sich im Rahmen eines Titelblattwettbe- Berufswünsche verändern sich 38 Diplomiert: Prüfungsexpertin Sara Cordeiro werbs für diese Ausgabe von «skilled» mit dem Thema 16 Vereinsarbeit von 16- bis 25-Jährigen «Die Lernenden sind Motivation auseinandergesetzt und ihre Ideen dazu illus- trativ umgesetzt. 28 unsere Zukunft» Wenn Freiwilligenarbeit Alumni / Nachrichten Am besten gefallen hat der «skilled»-Redaktion die die Jugendlichen motiviert News aus dem EHB 39 Carte Blanche: Georg Berger Illustration von Lukas Schulte-Vels, welche nun die Titel seite dieser Ausgabe ziert. Wir gratulieren Lukas Schulte- 18 CAS 30 Evaluation Mutige Schritte sind gefragt Vels ganz herzlich zu diesem Erfolg. Weitere Illustrationen sind im Schwerpunktteil dieses Hefts zu finden. Die Motivation, Dank mehr fundiertem Wissen 40 7 Fragen an … Wir bedanken uns ganz herzlich bei den 23 Lernenden sich weiterzubilden einen Schritt weiter Alessia Coppi, Junior im zweiten Ausbildungsjahr, die für uns kreativ waren. 19 Resilienz von Berufsfachschullehrkräften 31 Internationale Zusammenarbeit Researcher am EHB Ebenso gilt unser Dank Andrea Caprez, der das Projekt als Lehrperson betreut hat, sowie Christian Theiler, Leiter Die Motivation macht Senegals Engagement für 41 Agenda des Fachbereichs Grafik an der Schule für Gestaltung Zürich, der es überhaupt ermöglicht hat. den Unterschied die duale Berufsbildung EHB-Anlässe bis Oktober 2019 ▶ www.sfgz.ch
skilled 1/19 Der Präsident skilled 1/19 Editorial Motivation durch Wertschätzung Voller Elan ans Ziel Liebe Leserin, lieber Leser Liebe Leserin, lieber Leser Motivation ist der Prozess, aus dem heraus sich die Kraft Wer wünscht sie sich nicht: Lernende, die voller Elan bei entwickelt, mit der Menschen auf ein gestecktes Ziel hin der Sache sind und Freude daran haben, ihren Beruf mit arbeiten können. Es braucht die Motivation dabei zu jedem all seinen Facetten zu entdecken und sich das Knowhow Zeitpunkt, das erleichtert den Lernprozess. Allerdings sind anzueignen, um ihn auszuüben? alle von uns nur für eine begrenzte Anzahl von Tätigkeiten Jede berufliche Ausbildung ist mit Hochs und Tiefs ver- motiviert. So lassen sich einige eher für Naturwissenschaften bunden. Doch: Wer ausbildnerisch tätig ist, hat einen motivieren, andere dagegen für Fremdsprachen. hohen Einfluss darauf, wie es um die Motivation der Aus- Motivation ist dynamisch und verändert sich mit dem In- zubildenden steht. Es ist wichtig, sich dessen bewusst zu EHB / Alexander Jaquemet dividuum und seinem Umfeld – zum Beispiel der Familie, sein und eine gute Lernumgebung zu fördern, damit jene, EHB / Ben Zurbriggen der Klasse und dem Arbeitsklima einer Institution. Sie ver- die lernen, ihr Potenzial entfalten können. ändert sich aber auch mit dem Wert, den eine lernende Per- Wie herausfordernd das sein kann, zeigt die von For- son der Motivation beimisst, und mit dem Selbstbild: Bin ich schenden des EHB konzipierte Wanderausstellung FOCUS, überhaupt in der Lage, ein bestimmtes Ziel zu erreichen? Ebenso hängt Motivation vom die uns alle in die Haut einer Lehrperson schlüpfen lässt. Mehr zum Forschungsprojekt, Verhältnis zwischen der geleisteten Arbeit und den erzielten Ergebnissen ab und vor auf dem diese Ausstellung basiert, lesen Sie zum Einstieg in diesem Heft. allem auch davon, wie klar die Zielvorgaben dargestellt sind. Fragt man Berufsbildner/innen von Unternehmen danach, worauf sie setzen, um In der Schule spielen die Lehrpersonen eine wichtige Rolle. In einer Institution sind motivierte Lernende zu haben, so fällt auf: Die meisten finden es zentral, ihnen etwas es die Entscheidungsträger/innen auf allen Hierarchiestufen, die einen starken Einfluss zuzutrauen und Verantwortung zu übergeben. auf die Motivation haben. Alle müssen davon überzeugt sein, dass sie eine wichtige Rolle Fredy Schwager hat sich selbst viel zugetraut. Er machte mit 58 Jahren noch eine Lehre spielen; alle Mitarbeitenden – von den Lernenden bis hin zur obersten Führungsriege – als Zimmermann und schloss diese mit Bestnoten ab. Was ihn dazu bewogen hat, müssen in einem Arbeitsumfeld, das ihnen zwar viel abverlangt, aber ihnen auch Respekt erzählt er ebenfalls in diesem «skilled». entgegenbringt, Wertschätzung erfahren. Wir am EHB sind motiviert, Ihnen weiterhin viel Innovatives, Spannendes und Hilf- So müssen auch wir vorgehen, wenn wir die Ziele erreichen wollen, die sich das reiches rund um die Berufsbildung zu bieten: Ab Herbst zum Beispiel mit dem Bachelor Eidgenössische Hochschulinstitut für Berufsbildung EHB gesteckt hat, das schon bald of Science in Berufsbildung, der in der Deutschschweiz neu zu unserem Ausbildungs- zur Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung werden soll. programm gehört. Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre. Dr. Philippe Gnaegi, Präsident EHB-Rat Jean-Pierre Perdrizat, Direktor ad interim EHB 2 3
skilled 1/19 Motivation Wissenschaftliche Studie und Ausstellung des EHB Lehrpersonen beeinflussen die Motivation der Lernenden Von Jean-Louis Berger und Kim Lê Van Wie können die Lernenden an den Berufsfachschulen dazu Unterrichtspraktiken und Engagement gebracht werden, sich aktiv zu beteiligen? Dieser Artikel Hinterfragt man die Zusammenhänge zwischen Unter- präsentiert die Ergebnisse einer Studie zum Engagement richtspraktiken, Motivation und Engagement, setzt man von Schülerinnen und Schülern. Ebenso zeigt er auf, wie voraus, dass die Motivation und das Engagement der Ler- diese Ergebnisse in einer Ausstellung der Öffentlichkeit nenden beeinflusst werden können und es Sache der vorgestellt werden und so dazu beitragen, zwischen Wissen- Lehrkräfte ist, diese Eigenschaften möglichst zu fördern schaft und Gesellschaft eine Brücke zu schlagen. und zu stärken. Die Umfrage zeigte, dass ein Grossteil der Lehrkräfte sich in dieser Verantwortung sieht. Lehr- Sich für etwas interessieren, etwas finden, das einem personen fühlen sich also meist verantwortlich dafür, wie wichtig ist und das für den künftigen Beruf wegweisend sehr sich ihre Schüler/innen engagieren. Sie sehen aber sein kann: Im Unterricht an den Berufsfachschulen ha- auch, dass dabei viele weitere Faktoren mitspielen. ben Jugendliche beim Lernen nicht immer dieses Gefühl. Um die damit zusammenhängenden Fragen zu unter- Es ist Aufgabe der Lehrpersonen, sie zu motivieren. Auch suchen, erhielten 1227 Lernende und ihre 94 Lehrperso- wenn die Lernenden oft nicht einsehen, warum sie ein nen an Berufsfachschulen einen Fragebogen. Bei den bestimmtes Fach lernen und sich in der Schule dafür en- Fragen für die Schüler/innen ging es vor allem darum gagieren sollen. Aber was können die Lehrpersonen an einzuschätzen, wie stark sie sich an der Berufsfachschu- Berufsfachschulen dagegen tun? Welche Motivation müs- le engagieren und wie gut sie ihren Stoff lernen. Sie wur- sen sie bei den jungen Menschen wecken, damit diese den auch danach gefragt, wie sie den Motivationsstil ih- im Unterricht mehr Engagement zeigen? rer Lehrperson bewerten, also die zwischenmenschli- Motivation und Engagement sind nicht das Gleiche. chen Praktiken, mit denen die Lehrperson die Lernenden Die Motivation ist der Grund, warum jemand bei einer zum Mitmachen anregt. Es gibt zwar sehr viele solche Tätigkeit mitmacht, wohingegen das Engagement damit Unterrichtspraktiken, doch die Entwicklungspsycholo- zu tun hat, wie stark die Person sich selber einbringt, um gie hat gezeigt, dass vier Stile vorherrschend sind und die Tätigkeit zum Ziel zu bringen. Macht es für das En- bei den Schülerinnen und Schülern die grösste Wirkung gagement der Jugendlichen einen Unterschied, wenn entfalten: man versucht, ihr Interesse – also die intrinsische Moti- 1. Förderung der Selbstständigkeit: Bestimmung, vation – zu wecken? Oder wenn man Zuckerbrot und Peit- Entwicklung und Unterstützung der internen sche einsetzt, also die extrinsische Motivation anzusta- Motivationsressourcen der Lernenden; cheln versucht? Diesen Fragen geht eine Studie nach, die 2. Kontrolle: Festlegung bestimmter Denkmuster, bei 94 Klassen an sechs Berufsfachschulen in der West- Positionen und Verhaltensweisen; schweiz durchgeführt worden ist (siehe Box). 3. Strukturierte Arbeitsweise: Vorgabe eines Unter- richtsrahmens inklusive der Erwartungen und Vom Nationalfonds finanziertes Projekt der Beschreibung des Wegs, wie die Ziele erreicht Dieser Artikel beruht auf den Ergebnissen einer Umfrage, die im Jahr 2015 werden können; in 94 Klassen von Lernenden an Berufsfachschulen durchgeführt wurde. 4. Machen lassen: keine Reaktionen auf Vorkommnisse Die Umfrage war Teil eines vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und ungenaue beziehungsweise nicht ausgesprochene finanzierten Projekts. Durch das Instrument Agora des SNF finanziert wurde Erwartungen. das Projekt, das nun zwischen Wissenschaft und Gesellschaft vermittelt. Die Lehrpersonen wurden in den Fragebögen gebeten, Es trägt den Titel «Unterrichtspraktiken und Engagement von Schülerinnen anhand von vorgegebenen Unterrichtssituationen ihren und Schülern: Vorstellungen der Öffentlichkeit und wissenschaftliche Motivationsstil zu beschreiben. Dabei wurden auch die Schlussfolgerungen» und wurde gemeinsam mit den Unternehmen Klassenzusammensetzungen berücksichtigt. Delfilm und INculture SA realisiert. 4 → Illustration von Sandro Staudenmann, 2. Lehrjahr Grafik, Schule für Gestaltung Zürich
skilled 1/19 XXX skilled 1/19 XXX Der Motivationsstil, der auf Kontrolle setzt und in zahl- Lernmotivation auswirkt. Zudem wird derzeit reichen Studien bei jüngeren Schülerinnen und Schülern auf Basis des Ausstellungskonzepts und der Aus- für eher schädlich befunden wurde, spielt gemäss den Er- stellungsfotos eine Webseite entwickelt. gebnissen keine so grosse Rolle für das Engagement der Lernenden. Merken diese hingegen, dass die Lehrperson Eine positive Zwischenbilanz sie einfach machen lässt, wirkt sich das an den Berufs- Bereits zur Halbzeit dieser neunmonatigen Aus- fachschulen gemäss den Ergebnissen dieser Studie eher stellung konnte eine positive Bilanz gezogen wer- negativ auf die Motivation aus. Je mehr sich die «Laisser- den. Die Städte, in denen die Wanderausstellung faire»-Haltung der Lehrperson verfestigt, desto weniger gastieren durfte, haben dafür sehr attraktive Plät- engagieren sich die jungen Leute emotional für den Un- ze angeboten. Ausserdem hat auch das Publikum terricht: Die Motivation ist also nur noch extrinsisch vor- sehr positiv reagiert: Es empfand das Thema als gegeben, und das Interesse wird nicht stimuliert. wichtig und unterrepräsentiert, zudem gefällt Die Lernenden und die Lehrpersonen haben jeweils vielen das Ausstellungskonzept. Westschweizer unterschiedliche Sichtweisen auf die im Unterricht ange- Medien und lokale Medien haben nicht weniger wendeten Motivationsstile. Die Lernenden sind dabei kri- als elf Berichte veröffentlicht. An drei Podiums- tischer. Sie haben im Allgemeinen den Eindruck, dass ihre diskussionen hauptsächlich mit Lernenden und Lehrer/innen die Selbstständigkeit weniger fördern und Lehrpersonen wurde anhand der Ausstellung den Unterricht weniger strukturieren, als die Lehrperso- über die Erwartungen diskutiert und auch dar- nen es von sich sagen. Aus den Berichten der Lehrpersonen über, wie Motivation und Engagement gefördert lässt sich das Engagement der Lernenden hingegen nicht und beeinträchtigt werden können. wirklich ablesen, denn für deren Engagement kommt es Nach Abschluss der Tournee werden die In- allein darauf an, wie sie den Motivationsstil der Lehrperson terviews ausgewertet. Es soll dabei geprüft wer- an der Berufsfachschule wahrnehmen. den, ob sich die Vorstellungen a) von Motivati- on und Engagement der Schüler/innen b) vom Brücke zwischen Wissenschaft und Gesellschaft Unterricht und von Lehrpersonen und c) vom Wie man Lernende, Schüler/innen sowie Studierende Einfluss der Unterrichtspraktiken auf Motivati- ↑ Illustration von Annabelle Schaerer, 2. Lehrjahr Grafik, Schule für Gestaltung Zürich motivieren kann, fragen sich nicht nur Lehrpersonen, on und Schülerengagement durch eine solche sondern viele Menschen in unserer Gesellschaft. Wir stel- können in die Rolle einer Lehrperson schlüpfen und wer- Ausstellung verändern. len uns Fragen wie «Warum geht mein Kind nicht gern den mit typischen Lehrsituationen wie etwa frechen oder zur Schule?» oder «Was macht eine gute Lehrperson aus? passiven Schülerinnen und Schülern konfrontiert. So kön- Schlussfolgerungen Und was eine gute Schülerin oder einen guten Schüler?» nen sie über ihre eigenen Vorstellungen von Schule und Eine Ausstellung, welche die Ergebnisse wissenschaftli- ↑ Illustration von Lorenzo Strecke, 2. Lehrjahr Grafik, Schule für Gestaltung Das Thema ist von allgemeinem Interesse. Doch die For- Unterricht nachdenken und sich die Frage stellen: «Wie cher Forschung vermittelt, ist eine höchst innovative Kom- Zürich schung dazu wurde bis jetzt noch kaum an Orten disku- würde ich in dieser Situation vorgehen?» munikationsstrategie. Dank des festen Glaubens, dass Die wichtigsten Ergebnisse tiert, welche die Wissenschaft und ein breites Publikum sich zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- Die Sichtweisen der Lernenden innerhalb einer Klasse einander näher bringen. Da die Kluft zwischen der wis- Die Kommunikationsziele lern, Lehrpersonen und der Öffentlichkeit Brücken schla- unterscheiden sich kaum. Die Einordnung der Motivati- senschaftlichen Forschung und der Gesellschaft grösser Die Ausstellung bietet verschiedene Möglichkeiten, um gen lassen, erhält die Öffentlichkeit Zugang zu wissen- onsstile kann deshalb als zuverlässig eingestuft werden. wird, sind die Forschenden angehalten, auf die Öffent- diese Brücke zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu schaftlichen Schlussfolgerungen. Doch nicht nur das: Die Ausserdem gibt es einen «Lehrer-Effekt»: Die Ergebnis- lichkeit zuzugehen und einem breiten Publikum den Zu- schlagen. Vorab können die Besucher/innen die Schluss- Besucher/innen – auch Wissenschaftler/innen – können se zeigen, dass die Lernenden sich innerhalb einer Klas- gang zu ihren Erkenntnissen zu ermöglichen. Wie gute folgerungen der Umfrage auf interaktive und persönliche zudem über die komplexen Zusammenhänge zwischen se auf ähnliche Weise engagieren, obwohl ihre Profile Information und ein echter Austausch aussehen können, Weise erfahren – also ganz unkompliziert und nicht in der Unterrichtspraktiken, Motivati- unterschiedlich sind. Ein weiteres Ergebnis lautet: Das ist allerdings nicht immer einfach festzulegen. Wer eine sonst üblichen Art, wie wissenschaftliche Ergebnisse ver- on und Engagement der Lernen- Engagement der Lernenden lässt sich damit erklären, wie Brücke bauen will, braucht nicht nur eine gemeinsame mittelt werden. Zugleich können sie sich an den meisten den nachdenken. Und auch über sie den Motivationsstil wahrnehmen, den die 94 Lehr- Sprache, die Wissenschaftler/innen, Lehrpersonen und Standorten der Ausstellungstournee an einer Vernissage innovative Praktiken, die es noch kräfte anwenden. Die Förderung der Selbstständigkeit eine breite Öffentlichkeit verstehen, sondern auch einen mit Akademikerinnen und Akademikern, Lehrpersonen zu entwickeln gilt. und eine strukturierte Arbeitsweise haben sich dabei als Kommunikationskanal, zu dem alle Zugang haben. und anderen Ausstellungsgästen unterhalten. Neben die- ■ Prof. Dr. Jean-Louis Berger, Leiter Motivationsstile erwiesen, die für das emotionale Engage- Eine Gruppe von Wissenschaftler/innen, ein Berufsbild- sem informellen Austausch werden auch Podiumsgesprä- Forschungsfeld Berufsprofile, EHB ment (Interesse am Unterrichtsfach) sowie für das Ver- ner, eine Fotografin, ein Spezialist in visueller Kommuni- che organisiert, an denen Leiter/innen von Berufsfach- ■ Dr. Kim Lê Van, Senior Researcher halten (Aufmerksamkeit und Teilnahme am Unterricht) kation und ein Kulturvermittler haben sich im vorliegen- schulen, Lehrpersonen, Lernende und Wissenschaftler/ Forschungsfeld Berufsprofile, EHB EHB / Delfilm besonders förderlich sind. Diese Motivationsstile wirken den Fall zusammengetan und eine interaktive Wanderaus- innen über Unterrichtspraktiken und das Engagement ▶ www.ehb.swiss/ausstellung-focus sich auch günstig auf das kognitive Engagement der jun- stellung erarbeitet, die sich im Freien kostenlos besuchen der Schüler/innen diskutieren. ▶ www.ehb.swiss/project/ gen Menschen aus, das heisst darauf, wie sie den Stoff lässt. Die Ausstellung, die in der Westschweiz zu sehen ist, Zum Schluss werden die Ausstellungsbesucher/innen unterrichtspraktiken-engagement ↑ Ausstellung FOCUS: bis am 13. April aufnehmen und verstehen, ihn behalten und bei Bedarf vermittelt die Ergebnisse der Umfrage über das Schüler- kurz interviewt, damit sich untersuchen lässt, wie sich 2019 in Freiburg und vom 27. April wieder abrufen können. engagement einer breiten Öffentlichkeit. Besucher/innen die Ausstellung auf die Vorstellungen von Unterricht und bis 12. Mai in Neuenburg 6 7
skilled 1/19 Motivation skilled 1/19 Motivation Ausbildung als Maurer/in Berufswahlmotive im Sozialbereich «Kein Tag ist wie jeder andere» Auch der Lohn muss stimmen Von Kerstin Duemmler, Isabelle Caprani und Alexandra Felder Von Marianne Müller und Ines Trede zentral, um sich im Arbeitsalltag wohlzufühlen und zu en- Ausbildungen im Sozialbereich werden vor allem aus so- gagieren. Viele berichteten, dass sie wirklich zum Team zialen Beweggründen gewählt – aber nicht nur. Je nach gehören und ihr Beitrag als wichtig angesehen wird. Be- Ausbildungsniveau unterscheiden sich die Motive. Um im sonders motivierend ist, wenn Lernende nicht nur Hand- Beruf langfristig zufrieden zu sein, ist es nicht nur rele- langer/innen sind, sondern ihnen auch schwierigere Auf- vant, dass der Alltag den Berufswahlmotiven entspricht. gaben zugetraut werden. Das gemeinsame Schaffen mit ei- Weitere Bedingungen müssen erfüllt sein, wie eine Studie nem Ziel vor Augen verbindet. So erzählten die Lernenden des EHB zeigt. häufig von einer lockeren, angenehmen und kollegialen Stimmung. Diese kann ein Stück weit auch schlechtes Die Hauptmotive sind sozialer Natur: Das wird schnell Wetter oder Stress aufgrund von Zeitdruck kompensieren. klar, wenn die Lernenden Fachfrauen/männer Betreuung und die Studierenden einer höheren Fachschule (HF) Etwas Sinnvolles schaffen Soziales danach gefragt werden, weshalb sie sich für ihre Die meisten Lernenden haben sich bewusst für einen Ausbildung im Sozialbereich entschieden haben. Sie Handwerksberuf entschieden. Besonders motiviert sind möchten vor allem Menschen betreuen und unterstützen. sie, wenn ihre Arbeit abwechslungsreich ist. Grundsätz- Studierende HF suchen zudem ein vielfältiges und inte- lich vereint der Beruf eine Fülle von Aktivitäten wie zum ressantes Aufgabengebiet. Ein guter Lohn, Karrieremög- Beispiel Eisenlegen, Betonieren, Schalen, Mauern oder lichkeiten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie Ausmessen. Die Tätigkeiten finden zudem auf unter- sind für beide Gruppen weniger wichtige Motive. schiedlichen Baustellen statt. So ist kein Tag wie jeder andere, was vielen Lernenden gefällt. Die Motive und der Alltag stimmen überein Maurer/in zu sein, bedeutet für sie nicht einfach, kör- Gemäss der Passungstheorie von John Holland ist die be- perlich schwer zu arbeiten. Es geht darum, das Handwerk rufliche Zufriedenheit einer Person bedeutend dadurch ↑ Illustration von Henri Lünsmann, 2. Lehrjahr Grafik, Schule für Gestaltung Zürich ↑ Illustration von Marina Rrustolli-Müller, 2. Lehrjahr Grafik, Schule für zu lernen. Dafür müssen sie ihr manuelles Geschick, ihr beeinflusst, wie stark ihre persönlichen Motive mit der Gestaltung Zürich Maurer/in zu sein, gilt als körperlich anstrengend, auch logisches Denken und ihre Geduld trainieren. Motivie- Berufsrealität übereinstimmen. Diese Übereinstimmung weil der Beruf bei jeder Witterung meist draussen ausgeübt rend ist der Beruf, weil die Lernenden darin Sinn sehen. scheint gemäss den Lernenden und Studierenden gegeben deutung: «Erst wenn man in den Alltag involviert ist, er- wird. Was motiviert Lernende, die sich für diese Ausbildung Sie erschaffen etwas Greif- und Sichtbares und Langlebiges, zu sein: Ihr Alltag ist geprägt von betreuerisch-unterstüt- kennt man, wie wichtig der Lohn ist.» Um Personal im entscheiden? Ein Forschungsteam des EHB untersucht es. das Menschen nützt. Ist ein Etappenziel erreicht – zum zenden Aufgaben, die sie als vielfältig wahrnehmen. Die Sozialbereich zu halten, reicht es daher nicht, sich auf die Beispiel eine Etage fertig gebaut – macht sie das stolz. Befragten schätzen ihren künftigen Lohn, die Karriere- sozialen Motive der angehenden Fachkräfte zu verlassen. Jonas kam erst nach Umwegen zum Maurerberuf. Freun- möglichkeiten und die Vereinbarkeit von Beruf und Privat- de hatten ihm diesen empfohlen. Er habe einen schönen ■ Dr. Kerstin Duemmler, Senior Lecturer MSc in Berufsbildung und leben realistisch ein. Eine gute Bezahlung erwarten sie ■ Marianne Müller, MA, Projektverantwortliche Schweizerisches Senior Researcher Forschungsfeld Lernorte und Lehr-/Lernformen, Observatorium für die Berufsbildung, EHB ■ Prof. Dr. Ines Trede, Beruf, findet er. Den möchte er auch in Zukunft ausüben, EHB ■ Prof. Dr. Isabelle Caprani, Leiterin Forschungsfeld Lernorte nicht – den tatsächlichen Lohn im Arbeitsalltag empfin- Leiterin Schweizerisches Observatorium für die Berufsbildung, EHB obwohl das ursprünglich nicht seine Absicht war. Ange- und Lehr-/Lernformen, EHB ■ Dr. Alexandra Felder, Senior den sie dann auch nicht als adäquat. hende Maurer/innen, die für eine Studie zu ihren Ausbil- Researcher Forschungsfeld Lernorte und Lehr-/Lernformen, EHB ▶ www.ehb.swiss/obs/fachkräftemangel-im-sozialbereich dungserfahrungen befragt wurden, strichen immer wie- ▶ www.ehb.swiss/project/aushandlung-beruflicher-identitaeten- Materialistische Aspekte sind langfristig wichtig der zwei Aspekte positiv hervor: das kollegiale Team und lernende Daraus zu schliessen, dass sozial motivierte Berufsleute Laufbahnstudie im Sozialbereich die handwerkliche Arbeit. trotz tiefem Lohn zufrieden sind, ist allerdings aufgrund Im Auftrag von SAVOIRSOCIAL hat das Schweizerische Observatorium für dieser und anderer Studienresultate nicht haltbar. Denn Berufliche Identität von Lernenden die Berufsbildung des EHB eine dreiteilige Laufbahnstudie zu Ausbildungs- Lockere Stimmung auf der Baustelle je positiver Lohn und Karrieremöglichkeiten eingestuft und Erwerbsverläufen im Sozialbereich durchgeführt. Die hier präsentierten Als Maurer/innen sind kaum Einzelkämpfer/innen gefragt. Wie entwickeln sich berufliche Identitäten angesichts der Erwartungen werden, desto höher sind die Zufriedenheit und die Ab- Ergebnisse stammen aus der Befragung von lernenden Fachfrauen und Die meisten Gebäude werden im Team und zusammen und Ausbildungsbedingungen im Lehrbetrieb und an der Berufs sicht, im Beruf zu verbleiben. Wie die Interviewaussage Fachmännern Betreuung und Studierenden der höheren Fachschule fachschule? Diese Frage untersucht ein Team des EHB für die Berufe mit anderen Handwerksberufen erstellt. Die soziale Inte- einer Aussteigerin aus dem Sozialbereich zeigt, gewinnen Soziales mit 3709 Teilnehmenden. der Detailhandelsfachleute, Automatiker/innen und Maurer/innen gration auf der Baustelle ist für die Lernenden deshalb die materiellen Anreize im Laufe des Berufslebens an Be- in einer vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten 8 9 Studie, die bis 2021 dauert.
skilled 1/19 Motivation skilled 1/19 Motivation Nachgefragt «Unsere Lernenden kommen moti- die eigene Motivation. Genau das versuchen wir bewusst Was motiviert Lernende viert zur Arbeit. Schreinerin oder zu vermeiden. Alle können sich bei uns mit ihren Stärken Schreiner zu werden ist ja ihr Traum- und Schwächen weiterentwickeln und nebenbei steigt die beruf. Für mich sollte die Frage eher Motivation.» am meisten? heissen, was wir als Ausbildnerin- nen und Ausbildner tun können, da- mit wir die Lernenden nicht demo- David Hauser, Teamleiter Werkstatt und Schreiner48-Academy beim Schreiner48, Schlieren Umfrage: Kommunikation EHB tivieren. Ob Lernender, Arbeiterin zvg oder Angestellter: Alle kennen das Problem, wenn ihnen der Chef oder die Chefin im Licht steht und damit ihre Entwicklung hemmt. Dadurch sinkt Wir haben Berufsbildungsverantwortliche aus sieben Unternehmen gefragt, worauf sie ganz besonders achten, um bei den jungen Menschen die Freude am Beruf und am Lernen zu fördern. «Für mich ist es wichtig, den Lernen- zelnen von ihnen am besten ist. Ausserdem finde ich, dass den auf Augenhöhe zu begegnen und zu oft nur die negativen Dinge erwähnt werden. Als Vor- ihre Fragen und Anliegen ernst zu gesetzter ist es sehr wichtig, auch mal Danke zu sagen und «Seit der Gründung unseres Unter- gen Menschen befassen sich mit Stark- und Schwachstrom, nehmen. Nur wenn sie sich als voll- kleine Erfolge oder Fortschritte zu loben. Alle hören ger- nehmens haben über 30 junge Men- Beleuchtung, Motoren, Gegensprechanlagen und Infor- wertiges Mitglied im Team fühlen, ne, wenn sie etwas gut machen, und ein lobendes Wort schen bei uns ihre Lehre absolviert. matik. Wenn sie es dann beherrschen, elektrische Instal- können sie das Beste aus sich her- motiviert ungemein.» Nach drei oder vier Jahren können lationen zu machen und sehen, wie die Lampe in ihrem ausholen. Mit unserer ‹Du›-Kultur die Lernenden einen Abschluss als ersten Stromkreis leuchtet, werden sie das nie vergessen.» und der individuellen Förderung zvg Mario Koller, Ausbildner für Polymechaniker/innen bei Montage-Elektriker/in oder Elektro sind hierfür beste Voraussetzungen Schindler, Ebikon installateur/in machen. Diese Berufe Guy Gaudard, Geschäftsführer der Guy Gaudard S.A. geschaffen. Wir versuchen unsere Lernenden zu fordern sind übrigens auch für junge Frauen Electricité & Télécom, Lausanne und zu fördern, so wie es für jede Einzelne und jeden Ein- zvg attraktiv. Wichtig für viele unserer Lernenden ist, dass sie im Team arbeiten können. Sie schät- zen auch die vielen unterschiedlichen Aufgaben. Die jun- «Einer der wichtigsten Motivations- geleistete Arbeit erwerben die Lernenden fachliche und faktoren für die Lernenden besteht interdisziplinäre Kompetenzen und erreichen so ihre in ihrer Einbindung in den Lehrbe- Ausbildungsziele.» «Damit wir unsere Lernenden opti- übernehmen, werden vollwertig in die Teams eingebun- trieb. So verstehen sie, wie der Be- mal auf ihrem Weg zum Profi unter- den und können Aufgaben ausführen, die einen echten trieb funktioniert, was ihre tägliche Gabriela Menghini, Berufsbildnerin bei der Repower AG, stützen können, haben wir in der Be- Nutzen generieren. Wir haben einen aktiven Austausch Arbeit bewirkt und wie Theorie und Poschiavo rufsbildung des Bundesamts für In- mit unseren Lernenden, nehmen ihre Bedürfnisse ernst Praxis ineinandergreifen. Bei Repo- formatik und Telekommunikation und pflegen einen wertschätzenden Umgang miteinander.» wer werden ihnen besondere Auf- zvg BIT Leitsätze definiert, an denen wir gaben in verschiedenen Abteilun- uns orientieren. Zwei davon sind: Daniel Graf, Leiter Personalentwicklung und Berufsbildung gen übertragen, und sie können sich an Projekten betei- ‹Lernende sind Mitarbeitende› und beim Bundesamt für Informatik und Telekommunikation ligen. Durch das Vertrauen und die Anerkennung für die zvg ‹Lernende arbeiten im täglichen Ge- BIT, Bern/Zollikofen schäft und in Projekten des BIT mit›. Wir trauen unseren Lernenden sehr viel zu, so können sie früh Verantwortung «Wir stellen fest: Das gemeinsame überbehütete Generation Z ein zentraler Motivationsas- Arbeiten und der Erfahrungsaus- pekt sind. Generell versuchen wir die Selbstreflexion zu tausch zwischen Lernenden, Lehr- fördern. Sie ist wesentlich, um Erfahrungswissen aufzu- «Unsere Lernenden übernehmen von Berufsbildner/innen sowie den vielen Möglichkeiten in personen und Praxisexperten stärkt bauen, und gibt den jungen Menschen wichtige Anhalts- Anfang an Verantwortung und kön- unserem internationalen Umfeld bieten wir den Lernen- das Vertrauen. Unsere Maxime lau- punkte zum Sinn und Zweck ihrer Tätigkeiten, was wie- nen selbstständig arbeiten, indem den einen abwechslungsreichen Lernort. Interessant sind tet daher: ‹Vertrauen schenken + derum die Motivation steigern kann.» sie zum Beispiel spezielle saisonale bei uns sowohl die Möglichkeiten für einen Auslandeinsatz Vertrauen aufbauen = Motivation Aktionen planen und betreuen oder während der Lehre wie auch die Karrieremöglichkeiten stärken.› Unsere Erfahrung zeigt, Markus Mosimann, Leiter Berufsbildung bei Bobst, zvg Ideen für eigene Projekte im entspre- danach. Das bringt Spass an der Arbeit und am Lehrberuf dass Lehrformen wie gemeinsam zu Lausanne chenden Lehrberuf umsetzen. Des- mit sich.» lösende Fallstudien, interdisziplinäre Arbeiten oder pro- halb sind sie motiviert, ihre persön- jektorientierte Produktionsarbeiten, bei denen die Be- zvg liche Weiterentwicklung in die Hand Jennifer Hasler, Vocational Education Leader bei IKEA rufsbildner/innen als Coach auftreten, gerade für die zu nehmen. Zusammen mit einem respektvollen Umgang, Switzerland, Spreitenbach der Unterstützung im Einrichtungshaus durch motivierte 10 11
skilled 1/19 Motivation Aus Sicht der Lernenden Eine qualitätsvolle Ausbildung motiviert Von Matilde Wenger, Florinda Sauli, Valentin Gross und Jean-Louis Berger Was macht die Qualität einer dualen beruflichen Grund- Für die extrinsische Motivation sind hier Karrierepers- bildung aus? Laut den Antworten von 320 Lernenden, die pektiven und der Nutzen des Berufsabschlusses wichtig, das EHB im Rahmen eines Forschungsprojekts befragt was zeigt, dass die Lernenden auch durch die beruflichen hat, ist einer der zentralen Faktoren die Motivation, die Perspektiven motiviert werden, die sie haben. Ausbildung überhaupt zu machen. Dabei zeigt sich: Eine qualitativ hochstehende Ausbildung motiviert. Motivieren durch Ausbildung Die intrinsische Motivation haben die Lernenden vier- Die befragten Lernenden aus den Berufsfeldern des Detail- mal häufiger genannt als die extrinsische Motivation. Dies handels sowie Elektrotechnik und Informatik gaben Aus- lässt darauf schliessen, dass die Qualität einer Berufsaus- kunft zu ihrer intrinsischen Motivation – also darüber, bildung vor allem vom Interesse für die Unterrichtsstun- ob sie die von ihnen ausgeübten Tätigkeiten interessie- den an der Berufsfachschule und für die Aufgaben im ren, ob sie ihnen gefallen oder sie ihnen Zufriedenheit Lehrbetrieb abhängt. geben. Ist die Tätigkeit an sich die Quelle, aus der Ler- Dieses Interesse wird durch eine gute Ausbildung ge- nende Zufriedenheit schöpfen, ist dies die ideale Moti- weckt. Motivation wird zwar bisweilen als Charakter vation. Die Lernenden nannten aber auch extrinsische eigenschaft gesehen, aber die Studie hat gezeigt, dass vor Motivationsgründe – sie taten etwas also auch, um eine allem der Kontext ausschlaggebend ist. So findet man je Belohnung zu erhalten oder eine Strafe zu vermeiden. nach Lernort unterschiedliche Motivationsniveaus. Die Qualität hat also damit zu tun, wie gut es in einer Berufs- Verschiedene Motivationen bei der dualen Ausbildung ausbildung gelingt, die Lernenden zu motivieren. In der Berufsfachschule zeigt sich die intrinsische Moti- ■ Matilde Wenger, MSc, Junior Researcher Forschungsfeld vation im Interesse für den Unterricht und dafür, neues Berufsprofile, EHB ■ Florinda Sauli, MSc, Junior Researcher Wissen zu erwerben. Die Ausbildungsqualität ist deshalb Forschungsfeld Berufsprofile, EHB ■ Valentin Gross, BSc, davon abhängig, inwieweit die Unterrichtsinhalte mit den Hochschulpraktikant Forschungsfeld Berufsprofile, EHB (bis Februar 2019) ■ Prof. Dr. Jean-Louis Berger, Leiter Forschungsfeld Interessen der Lernenden übereinstimmen. Im Gegen- Berufsprofile, EHB satz dazu spiegelt sich die extrinsische Motivation darin, für wie nützlich – oder unnütz – Lernende gewisse Unter- ▶ www.ehb.swiss/project/qualitaet-berufliche-grundbildung richtsstunden, die Schulnoten oder den künftigen Zugang zu Weiterbildungen und Arbeitsstellen halten. Die Berufs- fachschule setzt also auch auf diese extrinsischen Moti- vationsfaktoren. Sie sollen helfen, dass sich die Lernen- den während ihrer Ausbildung engagieren. Im Lehrbetrieb ist die intrinsische Motivation davon abhängig, inwiefern jemand neue berufliche Kompeten- zen erwerben und durch die praktische Arbeit lernen kann. Eine vom Nationalfonds finanzierte Studie Dieser Artikel beruht auf den ersten Ergebnissen einer Umfrage bei Lernenden im Rahmen des Projekts mit dem Titel: «Wie beurteilen die Akteurinnen und Akteure die Qualität der beruflichen Grundbildung? Und wie beeinflusst die Ausbildungsqualität das Engagement der Lernenden?» Das Projekt wird vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert und läuft bis 2022. 12 → Illustration von Aylin Friedrich, 2. Lehrjahr Grafik, Schule für Gestaltung Zürich 13
skilled 1/19 Motivation skilled 1/19 Motivation Berufswahl Die Entwicklung geschlechtstypischer 83 Geschlechtstypische Berufswünsche zwischen 15 und 21 Jahren 78 Berufswünsche verändern sich Geschlechtstypik des Wunschberufs (%) Lesebeispiel: Mit 15 Jahren wünschen sich junge Männer, die in eine Lehre mit geringen / mittleren 73 Anforderungen übertreten, einen Beruf, der Von Irene Kriesi und Ariane Basler im Durchschnitt einen Männeranteil von über 68 80 Prozent hat. Mit 21 Jahren haben die Wunsch berufe dieser Gruppe nur noch einen durch schnittlichen Männeranteil von gut 73 Prozent. 63 Aus einer sozial- und bildungspolitischen Perspektive 58 ist die verbreitete geschlechtstypische Berufswahl nicht völlig unproblematisch. Einerseits sind viele Berufe, die 53 fast nur von einem Geschlecht erlernt und ausgeübt wer- 15 16 17 18 19 20 21 den, von starkem Fachkräftemangel betroffen. Anderer- Alter seits bieten viele typische Frauenberufe nach wie vor schlechtere Einkommens- und Weiterbildungschancen als Berufe, die beide Geschlechter oder vor allem Männer erlernen und ausüben. Lehre mit geringen / mittleren Anforderungen Lehre mit geringen / mittleren Anforderungen Lehre mit hohen Anforderungen / BM Lehre mit hohen Anforderungen / BM Die Berufsbildung ist prägend Quelle: COCON-Daten Gymnasium Gymnasium Die Forschung zeigt, dass die berufliche Geschlechter segregation in Ländern mit einer starken Berufsbildung bildung oder Berufsmatura (BM) liegen in der Mitte. Die- dend dazu bei, dass viele Jugendliche geschlechtstypische besonders stark ausgeprägt ist. Neben dem frühen Zeit- se Unterschiede können mit den Berufsoptionen erklärt Berufe wählen. Aus einer Gleichstellungsperspektive kann punkt der Berufswahl ist dafür auch die enge Verknüp- werden, die mit den verschiedenen Ausbildungstypen dies als Nachteil des ansonsten gut funktionierenden fung von Bildungssystem und Arbeitsmarkt verantwort- verknüpft sind. Während die Berufsbildung – und insbe- Berufsbildungssystems betrachtet werden, das junge lich. Diese führt dazu, dass der Ausbildungsberuf die sondere Berufslehren mit geringen und mittleren Anfor- Leute sehr erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert. weitere Bildungs- und Berufslaufbahn prägt und frühe derungen – sehr viele geschlechtstypische Ausbildungs- ■ Prof. Dr. Irene Kriesi, Co-Leiterin Forschungsschwerpunkt Steuerung Bildungsentscheide nicht einfach zu korrigieren sind, berufe bietet, stehen Gymnasiastinnen und Gymnasiasten der Berufsbildung, EHB ■ Ariane Basler, MA, wissenschaftliche wie das Irene Kriesi und Christian Imdorf in einem Über- mehr geschlechtsneutrale Berufsoptionen offen. Mitarbeiterin des Jacobs Center for Productive Youth Development, blicksartikel zum Thema aufzeigen. Universität Zürich Vor diesem Hintergrund untersuchen Forschende des Der Ausbildungstyp hat Einfluss Literatur EHB und weiterer Institutionen, ob sich geschlechtsty- Drittens fallen die unterschiedlichen Verläufe auf. Junge Kriesi, I. & Imdorf, Ch. (in Druck). Gender Segregation in Education. pische Berufswünsche zwischen Adoleszenz und frühem Frauen rücken mit zunehmendem Alter generell eher In R. Becker (Ed.), Research Handbook of Sociology of Education. ↑ Illustration von Vivien Vonburg, 2. Lehrjahr Grafik, Schule für Gestaltung Zürich Cheltenham, UK and Northampton, MA, USA: Edward Elgar Erwachsenenalter verändern und welche Rolle der ge- von frauentypischen Wunschberufen ab. Bei den jungen Publishing. Jugendliche in der Schweiz wählen im internationalen wählte Ausbildungstyp auf der Sekundarstufe II dabei Männern unterscheidet sich die Entwicklung zwischen Vergleich besonders oft eine geschlechtstypische Ausbil- spielt (siehe Box). den Ausbildungstypen. Die Verläufe von Lernenden in dung. Ein Grund dafür liegt in der grossen Bedeutung der Ausbildungen mit höheren und hohen Anforderungen Berufsbildung. Die Mehrheit der Jugendlichen muss sich Unterschiede zwischen Männern und Frauen zeigen keine grossen Änderungen. Lernende, die eine zeitgleich mit der Entwicklung der eigenen Geschlechts- Die Ergebnisse zeigen erstens, dass die Berufswünsche berufliche Grundbildung mit eher geringen oder mittle- identität für eine Ausbildung entscheiden. von Männern deutlich geschlechtsspezifischer sind als ren Anforderungen absolvieren, rücken mit zunehmen- jene von Frauen. Die überwiegende Mehrheit der jungen dem Alter hingegen auffällig häufig von ihren ursprüng- Gemeinsame Studie Welche Berufe «passen» zum eigenen Geschlecht? In der Männer würde am liebsten einen Beruf erlernen, den vor lich geschlechtstypischen Berufswünschen ab. Grund Pubertät ist es für Jugendliche besonders schwierig, sich allem Männer ausüben. Doch auch viele junge Frauen dafür könnten die verbesserten Beschäftigungsmöglich- Das Forschungsprojekt zu geschlechtstypischen Berufswünschen von von stereotypen Vorstellungen zu lösen. Viele Berufe gel- möchten einen frauendominierten Beruf erlernen. keiten im Dienstleistungssektor sein, die vor allem in ge- Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird von Ariane Basler der Universität Zürich, Prof. Dr. Christian Imdorf der Leibniz Universität Hannover und ten entweder als «männlich» oder «weiblich». Deshalb Zweitens fallen die Unterschiede zwischen den drei schlechtsneutralen und frauendominierten Berufen ent- Prof. Dr. Irene Kriesi des EHB durchgeführt. Es beruht auf den Daten des eignet sich die Wahl eines geschlechtstypischen Berufs Ausbildungstypen auf: Jugendliche, die eine berufliche standen sind. Schweizerischen Kinder- und Jugendsurvey COCON (www.cocon.uzh.ch). Für in dieser Lebensphase vorzüglich, um die eigene Ge- Grundbildung mit geringen bis mittleren Anforderungen Gesamthaft legen die Resultate nahe, dass die verschie- die Datenanalyse wurde die mittlere Geburtskohorte ausgewählt. Es schlechtsidentität auszudrücken. Verstärkt wird diese Ten- beginnen, wünschen sich am häufigsten einen geschlechts- denen Ausbildungstypen auf Sekundarstufe II und die da- handelt sich um rund 1250 Jugendliche aus der Deutsch- und Westschweiz, denz dadurch, dass in unserer individualisierten Gesell- typischen Beruf. Wer am Gymnasium ist, hat hingegen mit verknüpften beruflichen Optionen einen wichtigen die zwischen 2006 und 2012 wiederholt befragt worden sind, als sie schaft die Interessen und Neigungen von Jugendlichen signifikant seltener einen geschlechtstypischen Wunsch- Einfluss auf die Berufswünsche von Jugendlichen aus- 15, 16, 18 und 21 Jahre alt waren. als wichtigste Richtschnur im Berufswahlprozess gelten. beruf. Jugendliche mit einer anforderungsreichen Berufs- üben. In diesem Prozess trägt die Berufsbildung entschei- 14 15
skilled 1/19 Motivation Vereinsarbeit von 16- bis 25-Jährigen Wenn Freiwilligenarbeit die Jugendlichen motiviert Von Sandrine Cortessis, Saskia Weber Guisan und Evelyn Tsandev Während viele Unterrichtende – insbesondere jene an Be- Menschen in freiwilligen Projekten zugrunde liegen. Die rufsfachschulen – Mittel suchen, um auf die mangelnde Ergebnisse dieser von der Schweizerischen Gemeinnützi- Motivation bei einigen ihrer Schüler/innen reagieren zu gen Gesellschaft (SGG) mitfinanzierten Studie sind in ei- können, stecken diese jungen Menschen zum Teil beein- nem kürzlich beim Seismo-Verlag in der Reihe Freiwillig- druckend viel Zeit und Energie in freiwillige Tätigkeiten. keit erschienenen Buch ausführlich dokumentiert. Vor diesem Hintergrund präsentiert sich Freiwilligenarbeit als guter Forschungsgegenstand, um zu beobachten und Motivation ist dynamisch zu verstehen, was Menschen in der Phase zwischen dem Die Studie fokussiert auf den Lebensabschnitt, in dem Ende der Pubertät und dem Anfang des Erwachsenenle- sowohl Ausbildungsfragen wie berufliche Fragen wichtig bens – also im Alter zwischen 16 und 25 Jahren – antreibt. sind. Unter den Befragten waren also sowohl Lernende, Schüler/innen und Studierende als auch junge Menschen Was bringt junge Menschen dazu, sich ohne Lohn, ohne im Übergang zwischen der obligatorischen Schulzeit, der ↑ Illustration von Livia Sgier, 2. Lehrjahr Grafik, Schule für Gestaltung Zürich Zwang und ohne Anreiz wie etwa die Aussicht auf gute No- Ausbildung und dem Anfang ihres Berufslebens. Insge- ten für etwas einzusetzen? Es ist ein Ziel eines Forschungs- samt nahmen 41 Freiwillige aus der West- und Deutsch- de. Sie stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Auch erhält, etwas bewirken zu können, und somit das Selbst- projekts am EHB, die Mechanismen genauer zu analysie- schweiz teil, die sich in verschiedenen Vereinen engagieren. sonst gab es nichts, was ihr den Weg zur Mitgliedschaft vertrauen gesteigert wird. Der Erwerb sozialer und me- ren, welche dem Engagement und dem Einsatz der jungen Sie wurden zu unterschiedlichen Etappen ihrer Freiwil- bei einem Jugendparlament geebnet hätte. So fand sich thodischer Kompetenzen und der Aufbau eines Netzwerks ligenarbeit befragt: insbesondere zu deren Beginn, einem Tiziana, die in der gleichen Zeit bei einer grossen kanto- können zudem den Berufseinstieg erleichtern. allfälligen Ende und zur persönlichen Entwicklung durch nalen Behörde ihre Lehre als kaufmännische Angestell- Wenn also junge Menschen die Gelegenheit erhalten, die Freiwilligenarbeit. te begann, plötzlich in einer besonderen Position: Als Verantwortung zu übernehmen und Dinge zu tun, die sie Die Ergebnisse zeigen, dass die ursprüngliche Motiva- junge Lernende im ersten Lehrjahr verschwand sie in sinnvoll finden, dann ergreifen sie diese und stürzen sich tion für das Engagement (zum Beispiel eine Einladung der Masse von Hunderten von Angestellten, doch in ei- in Projekte, die oft messbare Ergebnisse zeigen. Die Sy- aus dem Umfeld, Gegenleistungen in Form von Gratisein- nem anderen Kontext spielte sie eine Rolle, die wahrge- nergien zwischen persönlichem Engagement und sozia- tritten bei Konzerten usw.) im Verlauf der Tätigkeit von nommen wurde. «So konnte ich Beziehungen knüpfen ler Anerkennung scheinen in den Jugendlichen wichtige einer anderen Motivation abgelöst werden kann. Der Be- und mit wichtigen Leuten reden!», erzählt sie. «Wir spra- Kräfte freizusetzen. Könnten sich auch die Akteurinnen griff der Motivationsdynamik, der diese Veränderungen chen mit dem Regierungsrat, und […] wenn wir uns auf und Akteure in der Berufsbildung davon inspirieren las- beschreibt, ist deshalb wichtig, um die Motivation hinter dem Gang begegneten, schaute er auf und sagte: ‹Guten sen? Zum Beispiel, indem sie die sogenannt informell er- der Freiwilligenarbeit zu erforschen. Für junge Menschen Tag Frau Präsidentin!› Das freute mich natürlich und worbenen Kompetenzen nutzen, um die Motivation ihrer bietet die Mitarbeit in einem Verein vor allem einen Rah- machte mich auch ein bisschen stolz!» Schüler/innen zu fördern? men, in dem sie sich wohlfühlen und Teil einer Gemein- ■ Dr. Sandrine Cortessis, Senior Researcher Forschungsfeld schaft von Gleichaltrigen sind. Sie erfahren dadurch ein Die Auswirkungen auf andere Tätigkeiten Lernergebnisse, EHB ■ Saskia Weber Guisan, MSc, wissenschaftliche Zugehörigkeitsgefühl und können gemeinsam Spass ha- Dank ihres freiwilligen Engagements hat Tiziana gelernt, Mitarbeiterin Forschungsfeld Lernergebnisse, EHB (bis Januar ben. Die freiwilligen Tätigkeiten sind oft innovativ, sinn- Verantwortung zu übernehmen, und ist zur Stimme für 2019) ■ Evelyn Tsandev, MSc, wissenschaftliche Mitarbeiterin Forschungsfeld Lernergebnisse, EHB stiftend und stehen in Verbindung mit den Interessen die Sorgen ihrer Altersgruppe geworden. Dieses in sie und Werten der jungen Menschen. Manchmal wird ihnen gesetzte Vertrauen hat ihr dabei geholfen, ihre Schwie- Literatur sogar bereits sehr früh Verantwortung übertragen, wo- rigkeiten in der Schule zu überwinden und die Lehre Cortessis, S., Weber Guisan, S. & Tsandev, E. (2019). Le bénévolat des jeunes : une forme alternative durch sie eine Rolle übernehmen können, die ihnen in abzuschliessen, obwohl sie kurz davor gestanden hatte, d’éducation. Zürich: Seismo. der Schule oder im Beruf kaum zugänglich ist. diese abzubrechen. Dieser Transfer von Motivation und Antrieb zwischen unterschiedlichen Lebensbereichen ▶ www.ehb.swiss/project/engagement-junge- freiwilligenarbeit Eine Position, die respektiert wird ermöglicht es besser zu verstehen, was Jugendliche Diese Motivationsdynamik zeigt sich besonders deutlich grundlegend antreibt. Die Anerkennung und Stellung in- im Interview mit der 20-jährigen Tiziana, die mit kaum nerhalb eines Vereins können sich positiv auf die Ausbil- ↑ Illustration von Dimitri Pfeifer, 2. Lehrjahr Grafik, Schule für Gestaltung Zürich 17 Jahren zur Präsidentin eines Jugendrats gewählt wur- dung auswirken – insbesondere, wenn man das Gefühl 16 17
skilled 1/19 Motivation skilled 1/19 Motivation CAS Resilienz von Berufsfachschullehrkräften Die Motivation, sich weiterzubilden Die Motivation macht Von Jessica Chauvet-Maurer den Unterschied Von Elena Boldrini und Viviana Sappa Neue Kompetenzen Wie steht es um das Wohlbefinden der Lehrkräfte an den heisst die Leidenschaft und Berufung für die Lehrtätig- Berufsbildner/innen stehen oft als Fachpersonal ohne Berufsfachschulen? In einer Studie des EHB wurde un- keit, die Freude an der Arbeit mit jungen Menschen und pädagogisch-didaktische Ausbildung im Einsatz. Dabei tersucht, unter welchen Bedingungen Lehrpersonen ihr die Überzeugung, dass man in ihrem Leben etwas bewir- werden sie mit Unterrichtssituationen konfrontiert und Wohlbefinden, also ihre Resilienz, trotz der beruflichen ken kann. möchten sich das dafür nötige Rüstzeug aneignen. So trifft Belastungen bewahren können. ihre praktische Erfahrung auf die Weiterbildungsmodule Wie lassen sich berufliche Ressourcen fördern? des CAS. In den qualifizierenden Abschlussarbeiten kön- Der tägliche Unterricht ist nur ein Element, weiter gilt Die Ergebnisse der Studie werfen die Frage auf, wie diese nen sie dann zeigen, was sie gelernt haben. Wenn sie sich es die Schüler/innen zu betreuen und damit zusammen- beruflichen Ressourcen gefördert und gestärkt werden ihrer Fähigkeiten als Berufsbildner/innen bewusst werden, hängende Aufgaben zu bewältigen. Das alles wird in der können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Berufung fühlen sie sich motiviert, in der Berufsbildung zu arbeiten, wissenschaftlichen Forschung seit für die Lehrtätigkeit ein subjekti- da dies für sie eine Legitimation darstellt. Diese Legitima- Längerem als Herausforderung an- ves Gefühl ist, von dem sich die tion fördert die Weiterentwicklung im Beruf. Die Absol- erkannt, die das Wohlbefinden von Menschen schon bei ihrer Berufs- ventinnen und Absolventen können neue Aufgaben wahr- Lehrkräften beeinträchtigen kann, wahl leiten lassen. Da sich diese nehmen, befördert werden und sogar eine übergeordnete was zu verringertem Engagement Motivation darauf auswirkt, wie Stelle im Bereich der Berufsbildung übernehmen. und in Einzelfällen auch zum Burn- positiv jemand später berufliche ↑ Illustration von Matthew Sharp, 2. Lehrjahr Grafik, Schule für Gestaltung out führen kann. Herausforderungen bewältigt, ha- Zürich Veränderte persönliche Einstellung Eine bei über 2000 Lehrkräften ben die beruflichen Ressourcen Was motiviert Berufsbildungsverantwortliche, sich weiter Durch die Weiterbildungsdynamik verändert sich auch in drei Sprachregionen der Schweiz schon für die Rekrutierung eine zubilden? Das Certificate of Advanced Studies (CAS) des EHB die persönliche Einstellung, was sich positiv auf das be- durchgeführte Studie ergibt nun zentrale Bedeutung. Während des für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner an höheren Fach- rufliche Profil auswirkt. Vor allem sichtbar wird dies in ein gemischtes Bild: 55 Prozent der Berufslebens werden die berufli- schulen macht es möglich, sich im fachlichen Bereich und der neuen Legitimation der Berufsbildner/innen, denn Lehrkräfte geben an, sie fühlten chen Ressourcen dann ständig ge- als Lehrkraft neu zu positionieren. durch die Weiterbildung haben sie ihre eigene Rolle ge- sich wohl und hätten im Beruf nur nährt und gestärkt. In der Aus- und festigt. Das EHB begleitet diesen Wandel von Personen, selten Schwierigkeiten. Ein ver- Weiterbildung sollte deshalb ver- Berufsbildnerinnen und Berufsbildner an höheren Fach- die ihrerseits ihre Kompetenzen erweitern. gleichsweise kleinerer, aber nicht mehrt auf diese Aspekte geachtet schulen (HF) verfügen gemäss Berufsbildungsgesetz über unbedeutender Teil von 27 Prozent werden. Sie verdienen eine vertief- ■ Jessica Chauvet-Maurer, MSc, Studiengangleiterin Weiterbildung, EHB einen Abschluss für die höhere Berufsbildung. Sie set- sieht das eigene Wohlbefinden te Reflexion und Diskussion. Gleich- ↑ Illustration von Sisqo Kissling, 2. Lehrjahr Grafik, zen sich für die Ausbildung des Nachwuchses ein und ▶ www.iffp.swiss/cas-formateur-pratique-professionnelle-es- durch häufige berufliche Proble- Schule für Gestaltung Zürich zeitig sollten die Schulleitungen gelten als fachliche Referenz für die praktische Ausbil- domaine-sante me beeinträchtigt. 18 Prozent der die beruflichen Ressourcen des Kol- ▶ www.iffp.swiss/cas-formateur-pratique-professionnelle-es- dung der Studierenden an höheren Fachschulen. In den domaine-social Befragten bezeichnen sich als resilient und fühlen sich legiums schützen und die Energie und Leidenschaft ihrer meisten Rahmenlehrplänen, in denen die Weiterbildung trotz der häufig schwierigen Situationen wohl. Lehrkräfte wertschätzen. auf nationaler Ebene geregelt wird, wird von den Berufs- ■ Prof. Dr. Elena Boldrini, Leiterin Diplomstudiengänge & Dozentin bildungslehrkräften eine pädagogische Bildung verlangt. Resilienz dank Leidenschaft Ausbildung und Senior Researcher Forschungsfeld Innovationen in Worin unterscheiden sich resiliente Lehrkräfte von ge- der Berufsbildung, EHB ■ Dr. Viviana Sappa, Dozentin Ausbildung Evaluation der Kompetenzen fährdeten? Wichtige Ressourcen sind persönliche Eigen- und Senior Researcher Forschungsfeld Curricula, EHB Die Weiterbildung besteht aus drei Modulen, von denen schaften wie Durchhaltevermögen, Selbstfürsorge und ▶ www.ehb.swiss/project/resilienz Partnerschaft in der Westschweiz jedes mit einer qualifizierenden Abschlussarbeit endet. Konfliktfähigkeit, die Merkmale des schulischen Umfelds Das EHB pflegt im Bereich Soziales und Gesundheit mit folgenden Literatur Die Berufsbildnerin oder der Berufsbildner schreibt ei- wie beispielsweise eine kollegiale Atmosphäre und Un- höheren Fachschulen in der Westschweiz eine Partnerschaft: Sappa, V. & Boldrini, E. (2018). Resilienz und Wohlbefinden der nen Bericht über eine erlebte Unterrichtssituation. Das terstützung durch die Schulleitung sowie individuelle Lehrkräfte in der Berufsbildung. Forschungsbericht 2015–2018. ESEDE in Lausanne, höhere Fachschule Bereich Soziales Wallis, Qualifikationsverfahren wurde entworfen, damit die ARPIH in Yverdon, ESSIL interkantonale höhere Fachschule für Fähigkeiten im Unterricht, also die pädagogisch-didakti- Lugano: Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung EHB. Lehrpersonen ihre Kompetenzen durch gemeinsame Sozialpädagogik in Lausanne, CIFOM Pierre Coullery in La Chaux- schen Kompetenzen der Lehrperson. Wenn Schwierig- Kurse, aber auch durch eine individuelle Studienarbeit de-Fonds, EsAmb in Genf und ES-ASUR in Mont-sur-Lausanne. keiten auftauchen, sind jedoch hauptsächlich berufliche erweitern können. Das EHB verleiht am Standort Renens jährlich 90 CAS für Ressourcen für das Wohlbefinden entscheidend, das Berufsbildnerinnen und Berufsbildner HF. 18 19
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