Statistische und wirtschaftshistorische Erläuterungen zur Bundespublikation Finanzstandort Schweiz - Kennzahlen Oktober 2018 - Staatssekretariat ...
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Eidgenössisches Finanzdepartement EFD Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF Finanzsystem & Finanzmärkte Statistische und wirtschaftshistorische Erläuterungen zur Bundespublikation Finanzstandort Schweiz – Kennzahlen Oktober 2018 Einleitung Die oben genannte Bundespublikation bietet anhand statistischer Eckdaten objektivierte Grund- werte für Analysen des Finanzstandorts Schweiz. Wirtschaftliche Aussagen sowie auch Progno- sen sind zugleich mit drei fundamentalen Problemen verbunden: (1) unklare Kausalitäten, (2) dauernde Veränderungen und (3) unvollständige Informationen respektive Daten.1 Informationen zum Finanzstandort Schweiz werden u. a. durch das Datenportal der Schweizeri- schen Nationalbank (SNB) bereitgestellt. Diese Institution wird durch die Nationalbankverordnung (NBV)2 gemäss Art. 3 NBV ermächtigt, statistische Erhebungen durchzuführen: a. zur Erfüllung ihrer geld- und währungspolitischen Aufgaben; b. zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Bereich der Überwachung von Zahlungs- und Effektenab- wicklungssystemen; c. im Rahmen ihres Beitrags zur Stabilität des Finanzsystems; d. für internationale Organisationen, bei denen die Schweiz Mitglied ist, und e. für die Erstellung der Zahlungsbilanz und der Statistik über das Auslandvermögen.3 In einer Volkswirtschaft stellen Haushalte und Unternehmen und damit auch Arbeitnehmer und Arbeitgeber die zentralen Wirtschaftsakteure dar. Sie berücksichtigen bei ihrer Finanzierung zu- künftige Entwicklungen, können aber nur anhand verfügbarer Informationen begrenzt rational handeln (sog. bounded rationality gemäss Herbert Alexander Simon (1916–2001)).4 Da be- grenzte Wissensbestände jedoch nicht endgültig sind, lassen sie sich durch Informationsbeschaf- fung und -verarbeitung von Finanzkennzahlen im Rahmen eines Gedankenspiels erweitern.5 Die 1 Vgl. hierzu auch Matheis, K.; Prange, S. (2017). Viele Wahrheiten, in: WirtschaftsWoche vom 24. März. Im Big-Data-Zeitalter besteht auch das Risiko der Gläubigkeit in ökonomische Modellaussagen, die umso gefähr- licher sein kann, als sie unreflektiertes Vertrauen in Algorithmen fördert. Vgl. Kaeser, E. (2017). Wenn Mathe- matik zur Waffe wird, in: NZZ vom 21. Dezember, S. 44. 2 Verordnung zum Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank vom 18. März 2004 (https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20040259/index.html). Die SNB hat 1907 in Bern und Zü- rich ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen. 3 Das Datenportal der SNB stellt die wichtigste Informationsquelle dieser Bundespublikation dar (https://data.snb.ch). Obwohl statistische Daten stets vergangenheitsbezogen sind, sind sie ein wichtiger Be- standteil konkreter Vorhersagen. So lassen sich z. B. durch eine reine Extrapolation mögliche Prognosen ab- leiten, deren Güte wiederum von der Qualität der empirischen Datenbasis abhängt. Da vergangene Ereignisse auch von Zufall beeinflusst sind, sollten Extrapolationen oder Trends jedoch mit Vorsicht betrachtet werden. Vgl. hierzu Schüller, K (2015). Statistik und Intuition – Alltagsbeispiele kritisch hinterfragt, Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg, 294 S. Dennoch sind im richtigen Leben Ereignisse zumeist voneinander abhängig, womit bereits Geschehenes einen Einfluss auf Zukünftiges hat. Vgl. Dobelli, R. (2017). Die Kunst des klaren Denkens – 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen, 17. Auflage, dtv Verlagsgesellschaft, München, S. 121ff. (Der Spielerfehlschluss). 4 Der US-amerikanische Sozialwissenschaftler erhielt 1978 den von der schwedischen Reichsbank gestifteten Preis für Wirtschaftswissenschaften in Erinnerung an Alfred Nobel (1833–1896). Simon wurde für seine Erfor- schung der Entscheidungsprozesse in Wirtschaftsorganisationen geehrt. 5 Die Informationsbeschaffung und -verarbeitung können nach Regeln der Selektion, der Klassifikation und der Interpretation erfolgen. Vgl. hierzu Siegenthaler, H. (1993). Regelvertrauen, Prosperität und Krisen – die Un- gleichmässigkeit wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung als Ergebnis individuellen Handelns und sozialen Lernens, Mohr Siebeck, Tübingen, 258 S. Seite 1 von 27
vorliegenden Erläuterungen bieten daher statistische und wirtschaftshistorische Zusatzinformati- onen zu den einzelnen Tabellen und Abbildungen in der Bundespublikation Finanzstandort Schweiz – Kennzahlen. Die Fussnoten weisen auf weiterführende Quellen hin (Literatur und In- ternet). Dabei wird der Rahmen bewusst etwas weiter gesetzt, um die Leinwand des Finanzstand- orts z. B. auch kulturell, architektonisch und selbstsprechend auch geografisch aufspannen zu können. Die Aktualisierung der Datenwerte in der Publikation selbst hängt von zwei Komponenten ab: a. vom Veröffentlichungsrhythmus der jeweiligen Primärquellen der Daten,6 und b. vom halbjährlichen Erscheinungsrhythmus der Bundespublikation selbst (anfangs April und anfangs Oktober eines Kalenderjahres). Gegenüber der letzten und 13. Ausgabe dieser Bundespublikation (April 2018) konnten die Ta- bellen 1, 2, 3, 4, 6, 7, 8, 9, 11, 13 und 14 sowie sämtliche fünf Abbildungen aktualisiert werden. Die Datenwerte in den 14 Tabellen werden jeweils für drei Zeitpunkte angegeben. Je nach Ta- belle betragen die zwei Differenzen zwischen den drei gewählten Zeitpunkten fünf Jahre oder ein Jahr:7 Eine längerfristige Betrachtung interessiert bei tendenziell strukturellen Daten, eine kurz- fristige Betrachtung bei tendenziell konjunkturellen Daten. Ebenso wird in den Fussnoten der Ta- bellen ausgewiesen, ob es sich um Jahreswerte oder Jahresendwerte handelt. Erstere stellen eine Zeitraumbetrachtung (in der Regel von 1 Jahr) dar, womit die Datenwerte einer Flussgrösse entsprechen. Letztere stellen eine Zeitpunktbetrachtung dar, d. h. die Datenwerte beziehen sich auf einen Stichtag (in der Regel: 31. Dezember) und entsprechen somit einer Bestandesgrösse. Auch wenn die Datenwerte regelmässig aktualisiert werden, so bieten die ausgewählten Aspekte respektive Informationseinheiten in den 14 Tabellen und fünf Abbildungen ein möglichst zeitloses Themenspektrum des Finanzstandorts Schweiz. Sowohl die Bundespublikation als auch diese Erläuterungen verfolgen den Ansatz, mittels der makroökonomischen Adlerperspektive das «Grosse Ganze» zu zeigen und dadurch relevantes Wissen zum Finanzstandort Schweiz aus der täglichen Informationsflut herauszufiltern und miteinander zu verbinden. Dabei soll situativ und an geeigneter Stelle auch die mikroökonomische Froschperspektive nicht fehlen. Im Folgenden werden die 14 Tabellen der Bundespublikation gegliedert nach ihren fünf Kapiteln erläutert. Am Ende des Dokuments finden sich gesammelt die Ausführungen zu den fünf Abbil- dungen sowie Angaben zum Titelbild und zur Kontaktadresse. Viel Vergnügen! 6 Es werden ausschliesslich offizielle Daten, d. h. von Schweizer oder in seltenen Fällen von ausländischen Behörden genutzt. Daten von Verbänden oder anderen Interessengruppen finden keinen Eingang in die Pub- likation, um ein möglichst neutrales Bild des Finanzstandorts Schweiz zu generieren. 7 Die einzige Ausnahme bildet Tabelle 3, die Zweijahres-Differenzen aufweist. Seite 2 von 27
1. Grundelemente Tabelle 1: Wertschöpfung Die Berechnung des Bruttoinlandprodukts (BIP) geht auf den US-amerikanischen Öko- nomen Simon Smith Kuznets (1901–1985) zurück, der sich mit wirtschaftsstatistischen Fragen zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft beschäftigte.8 Daher misst sich seit dem Zweiten Weltkrieg (1939–1945) der Wohlstand eines Landes am BIP. Wie spätere Untersuchungen zeigten, ist dieser Indikator mit gewissen Schwächen ver- bunden, da er nur die mit einem Preis bewerteten Güter respektive Produktionsfaktoren berücksichtigt.9 Bereits 1968 klagte der damalige US-Senator Robert Kennedy (1925– 1968): „Das BIP misst alles, ausser dem, was das Leben lebenswert macht.“ Besondere Schwierigkeiten sind gerade mit der Erfassung von Finanzdienstleistungen verbunden. Noch in den 1950er Jahren zeigten die Daten einen geringen Beitrag dieser Leistungen zum BIP. Nach Revisionen der Erfassung zwischen 1968–1975 stieg deren Beitrag deut- lich an, weil neu risikobedingte Einkommen berücksichtigt wurden. Alternativen zum BIP sind z. B. der seit 1990 durch die Vereinten Nationen (UNO) veröffentlichte Human De- velopment Index10 sowie der Inclusive Wealth Index,11 der u. a. Daten zum Human-, Pro- duktions-, Natur- und Gesundheitskapital eines Landes umfasst. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stellte 2011 den Better Life In- dex12 vor, während bereits 2006 die englische Denkfabrik New Economics Foundation den Happy Planet Index13 veröffentlichte (dieser misst z. B. die ökologische Effizienz bei der Erzeugung von Zufriedenheit). 2014 wurde der Good Country Index14 publiziert, der aufzeigt, wie viel ein Land mit seiner Politik und seinem Verhalten für den Planeten und die Menschheit leistet.15 Trotz Schwächen bleibt das BIP das bekannteste Instrument auf dem Armaturenbrett der Wirtschaftspolitik und somit Leitindikator der wirtschaftlichen Entwicklung, da es z. B. mit Gesundheit, Bildung, Freiheit, Lebensstandard und Glück korreliert.16 Der internationale Standard System of National Accounts17 (SNA) dient der Berechnung des BIP und wurde 1968 durch die Statistikkommission der UNO entwickelt. Ausgehend vom SNA-Konzept baute die (damalige) Europäische Gemeinschaft (EG) ein eigenes System nach ihren Bedürfnissen auf: das Europäische System Volkswirtschaftlicher Ge- 8 Kuznets (Wirtschaftsnobelpreis 1971) befasste sich mit den Gründen des wirtschaftlichen Wachstums, die zu vertieften Einsichten in die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen und Entwicklungsprozesse führten. 9 Ein nicht erfasster Beitrag an die Wertschöpfung stellt die Haushaltsproduktion dar, d. h. die unbezahlte Arbeit. 2016 wurden in der Schweiz 9,2 Mrd. Stunden unbezahlt gearbeitet. Dies sind über 1 Mrd. Stunden mehr als für bezahlte Arbeit aufgewendet wurden. Der monetäre Wert der unbezahlten Arbeit wurde 2016 auf 408 Mrd. Fr. geschätzt. Dies entspricht rund zwei Drittel des BIP. Vgl. hierzu BFS (2017). Der Wert der unbezahlten Arbeit: Satellitenkonto Haushaltsproduktion 2016, Medienmitteilung vom 11. Dezember, Neuchâtel, 5 S. 10 Vgl. http://hdr.undp.org/en/content/human-development-index-hdi 11 Vgl. http://sdg.iisd.org/news/unu-unep-launch-inclusive-wealth-index-for-measuring-sustainability 12 Vgl. http://www.oecdbetterlifeindex.org 13 Vgl. http://happyplanetindex.org 14 Vgl. https://goodcountry.org/good-country/data-treatment 15 Einen weiteren Ansatz bietet das kleine Königreich Bhutan im Himalaya: Dort gilt nicht das BIP als Mass aller Dinge, sondern das Bruttonationalglück. So bezeichnen sich 40% der Einwohner als glücklich. Vgl. UBS (2017). UBS Magazin – Kopf hoch. Warum Optimismus guttut, Zürich, S. 5. Bhutan hat 1991 im Zuge der politischen Öffnung die Genfer Konventionen unterzeichnet und ist seither dem Humanitären Völkerrecht ver- pflichtet. Dies bedingt auch eine nationale Rotkreuzgesellschaft im Rahmen der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung, deren Ursprünge auf den Genfer Henry Dunant (1828–1910; erster Friedensnobel- preis 1901) zurückgehen. Vgl. Mathis D., Schindler K. (2018). Die Geburt eines neuen Roten Kreuzes, in: SRK (Hrsg.) Humanité 1, S. 26f. 16 Vgl. (1) Scheidegger, E. (2018). Das BIP als unerlässlicher Kompass, in: SECO (Hrsg.). Die Volkswirtschaft – Plattform für Wirtschaftspolitik, Nr. 3, S. 6ff.; (2) Coyle, D. (2014). GDP – A Brief but Affectionate History. Princeton University Press, Princeton. 168 S., oder (3) Jackson, T. (2013). Wohlstand ohne Wachstum – Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt, oekom Verlag, München, 248 S. 17 Konzept der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Seite 3 von 27
samtrechnungen (ESVG). Gemeinsam mit den EU-Ländern hat die Schweiz Ende Sep- tember 2014 die Version ESVG 2010 eingeführt. Dabei wurden ab 1995 revidierte Jah- res- und Quartalsdaten vom Bundesamt für Statistik (BFS)18 und vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) berechnet, in denen z. B. auch die Kapitalisierung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E), für Kriegsmaterial sowie für Drogen und Prostitu- tion enthalten ist. Sämtliche in Tabelle 1 ausgewiesenen Daten basieren auf der Methode ESVG 2010. In den letzten Jahren äusserten die Nutzerinnen und Nutzer der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) ein Bedürfnis nach weiterführenden Informationen zur Entwick- lung des Finanzsektors. So nimmt dessen Regulierung zu, ohne dass dabei ein direkter Einfluss auf die Daten beobachtet werden kann. Die zunehmende Digitalisierung19 der Finanzgeschäfte sowie die Entwicklung des Schattenbankenwesens20 werden im Rah- men der VGR ebenfalls noch nicht komplett erfasst. Diese Veränderungen werden in ver- schiedenen internationalen Arbeitsgruppen besprochen, um die VGR konzeptuell oder methodisch anzupassen. Die nächste Revision ist für 2020 vorgesehen, wobei die Ent- wicklung von neuen Erhebungssystemen oder die Einführung neuer statistischer Quellen einen Einfluss auf die Schätzungen im Finanzsektor haben könnten.21 Die Daten zur Wertschöpfung (BIP) während eines bestimmten Jahres werden durch das SECO als Schätzung jeweils anfangs März des Folgejahres veröffentlicht. Die endgülti- gen Ergebnisse folgen anfangs September dieses Folgejahres. Das SECO führt für jedes Quartal eine BIP-Schätzung durch. Diese quartalsweisen Schätzungen der BIP- Datenwerte liefern den Wirtschaftsakteuren frühzeitig eine erste Einschätzung der Kon- junkturentwicklung.22 Die Werte sind in nominalen Grössen, d. h. zu laufenden Preisen angegeben. Die Preise werden somit nicht um die Inflation respektive Deflation bereinigt.23 Verwechseln Unter- nehmen oder Haushalte nominale mit realen Grössen – die zu konstanten Preisen ermit- telt werden – so unterliegen sie der Geldillusion (sog. money illusion). Als Geld gilt nicht nur Bargeld,24 sondern auch elektronisches Geld wie Buchgeld oder Kryptowährungen. 18 Das BFS stellt nebst der SNB eine weitere bedeutende Primärquelle für die Bundespublikation Finanzstandort Schweiz – Kennzahlen dar. Dieses Amt wurde 1860 in Bern als Eidgenössisches Statistisches Büro gegründet – nahezu 50 Jahre vor der SNB. Seit 1998 ist sein Sitz in Neuenburg. Das Bundesstatistikgesetz (BstatG) bezweckt gemäss Art. 1 u. a., der Wirtschaft und der Öffentlichkeit statistische Ergebnisse zur Verfügung zu stellen (https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19920252/index.html). 19 Die Digitalisierung im Finanzsektor wird auch mit dem Begriff Financial Technology (Fintech) umschrieben. Dabei handelt es sich um innovative Software-Lösungen für Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse des Finanzsektors, wie z. B. Big Data Analytics, Chatbots, Crowdfunding, Personal Finance Management oder Smart Contracts. So hat 2018 die Zürcher Kantonalbank (ZKB) ein neues Beratungsmodell lanciert, das dem Kunden ermöglicht, sein Portfolio automatisch mit den Positionierungen ihres Chief Investment Officers (CIO) zu vergleichen. Nebst Fintech-Unternehmen gilt es auch, die GAFA-Konzerne und ihre Rolle im Finanzsektor zu berücksichtigen (GAFA = Google, Apple, Facebook, Amazon). Vgl. Affolter, Ch. (2017). Il faut être actif face aux fintechs, in: L’Agefi vom 30. November, S. 8. Da es seitens SNB und/oder BFS keine Daten zum Thema Fintech gibt, kann dieser Wirtschaftszweig in der Bundespublikation noch nicht vollständig abgebildet werden. Gemäss einer Erhebung von Swisscom gibt es in der Schweiz gegenwärtig 215 Fintech-Start-ups. Vgl. Credit Suisse (Hrsg.). Finanzplatz Schweiz 2018 – Von der Krise zum Wachstum, Zürich, S. 14. In der Schweiz füh- rend im Bereich Fintech sind die Städte Zug und Zürich. Vgl. Farine, M. (2018). Les investissements dans la fintech décollent, in: Le Temps vom 2. Juni, S. 14. 20 Als Schattenbank (shadow bank) wird ein Finanzunternehmen bezeichnet, das ausserhalb des regulierten Bankensystems im Rahmen der Finanzintermediation tätig ist. Dem Schattenbankenwesen (shadow banking respektive parallel banking) werden zusätzlich zu den Unternehmen auch Aktivitäten wie z. B. Verbriefungs- transaktionen zugerechnet. 21 Vgl. BFS (2017). BFS Aktuell, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 1995–2014, Analyse des Finanzsektors innerhalb der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Schweiz, Neuchâtel, 8 S. 22 Vgl. Bachmann, A, Indergand, R. (2018). Quartalsschätzung verkürzt das Warten auf die BIP-Zahlen, in: SECO (Hrsg.). Die Volkswirtschaft – Plattform für Wirtschaftspolitik, Nr. 3, S. 18–22. 23 In den Wertschöpfungsdaten ist ebenfalls nicht ersichtlich, ob Unternehmen Preise nach dem Sozialstatus eines privaten Haushalts oder nach anderen Kriterien differenzieren (sog. Prix à la tête du client; vgl. https://www.frc.ch/prix-a-la-tete-du-client). Dies liegt daran, dass das BIP ein makroökonomisches Gesamtag- gregat darstellt, in dem die mikroökonomische Preispolitik einzelner Unternehmer nicht erkennbar ist. 24 Das Bargeld in Form von gedruckten Banknoten oder geprägten Münzen ist heute die bekannteste physische Form von Geld. Die Schweizer Banknoten werden im Auftrag der SNB seit 1911 durch die Orell Füssli Holding Seite 4 von 27
Die bekannteste Kryptowährung ist Bitcoin,25 die jedoch keinen Substanzwert hat wie z. B. Bargeld oder Aktien eines Unternehmens. Der Basler Mathematiker Daniel Bernoulli (1700–1782) erkannte bereits vor rund 300 Jahren, dass der Nutzen von zusätzlichem Geld (sog. Grenznutzen des Frankens) abnimmt, je mehr man schon davon besitzt.26 Tabelle 2: Beschäftigte Die Daten zur Beschäftigungsstatistik (BESTA) werden seit 1925 quartalsweise durch das BFS erhoben. Die Werte beruhen heutzutage auf einer repräsentativen Stichprobe von 18‘000 Unternehmen respektive 65‘000 Betrieben im 2. und 3. Wirtschaftssektor. Ziel der Statistik ist die Erstellung von verschiedenen Konjunkturindikatoren, welche die Ent- wicklung der Beschäftigung in der Schweiz verfolgen. Die Datenwerte sind ab 1992 unter www.besta.bfs.admin.ch verfügbar, wobei sich die ausgewiesenen Quartalswerte jeweils auf den letzten Monat innerhalb eines Quartals (d.h. März, Juni, September oder Dezem- ber) beziehen. Somit handelt es sich weder um Monatsend- noch Monatsdurchschnitts- werte, sondern um die Summe sämtlicher innerhalb eines letzten Quartalsmonats be- schäftigten Personen. Eine Person wird nur einmal erfasst, auch wenn sie z. B. mehrere Teilzeitanstellungen hat, d. h. die BESTA ist personen- und nicht stellenorientiert.27 Diese Tabelle gliedert sich in die drei Kategorien der Finanzdienstleistungen (NOGA 64), Versicherungsdienstleistungen (NOGA 65) und Mit Finanz- und Versicherungsdienstleis- tungen verbundene Tätigkeiten (NOGA 66). NOGA bezeichnet die Allgemeine Systema- tik der Wirtschaftszweige respektive die Nomenclature générale des Activités écono- miques.28 Dieses System datiert von 2008 und ist nahezu kompatibel mit der EU- Systematik der Wirtschaftszweige (Nomenclature statistique des activités économiques dans la Communauté européenne, NACE). Mit NOGA lassen sich wirtschaftliche Aktivi- täten in 85 Wirtschaftszweige klassieren, auf fünf Stufen untergliedern und international bis auf die vierte Stufe vergleichen; die fünfte Stufe lässt nationale Besonderheiten zu. Die Kodierung umfasst 2- bis 6-stellige Ziffern, die oberste (Branchen-)Stufe wird mit ei- nem Buchstaben gekennzeichnet. Die drei Wirtschaftszweige 64, 65 und 66 entsprechen zusammen dem Abschnitt K „Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistun- gen“. Nebst NOGA gibt es auch eine statistische Systematik von Eurostat zur eindeutigen Identifizierung und Klassifizierung von Raumeinheiten innerhalb Europas (Nomenclature AG gedruckt; der gleichnamige Verlag existiert seit 1519 und gilt als eines der ältesten Gewerbeunternehmen der Schweiz. Die 1872 gegründete Papierfabrik Landquart stellt heute unter dem Namen LandQart Spezial- und Sicherheitspapier für den internationalen Markt her, so z. B. auch für die Herstellung von Schweizer- und Euro-Banknoten. Vgl. Rätisches Museum (2015). Arbeit und Brot, S. 17. Im Dezember 2017 übernahm die SNB 90% der Unternehmensanteile der LandQart AG (www.landqart.com). Die Schweizer Münzen werden durch Swissmint – vormals die Eidgenössische Münzstätte – geprägt und über die SNB in Umlauf gebracht (http://www.swissmint.ch). In der Stadt Zürich besass seit dem 11. Jahrhundert, d. h. vor der Gründung der Alten Eidgenossenschaft mittels Rütlischwur (1291), die Abtei Fraumünster das königliche Münzrecht. Diese Epoche endete mit der kirchlichen Erneuerungsbewegung der Reformation, die 1517 mit Martin Luthers (1483– 1546) Thesen am Tor der Wittenberger Schlosskirche begonnen haben soll. Er prangerte u. a. die breit ange- legte Kapitalisierung des Ablasses an, mit dem die Kirche in einer Verbindung aus Seelsorge und Finanzderi- vaten das verbriefte (Seelen-)Heil verkaufte und auf diese Weise ihre Haushaltslöcher stopfte. 25 Bitcoin wurde 2007 vom unbekannten Satoshi Nakamoto erfunden. 2010 erfolgte die erste Zahlung. Vgl. Vereb, K. (2018). Das Geld zählt – Wie geht man richtig damit um?, in: Coopzeitung vom 16. Januar, S. 12–17. Am 16. Februar 2018 hat die FINMA eine Wegleitung für Unterstellungsanfragen betreffend Initial Coin Offerings (ICOs) veröffentlicht. Bei einem ICO überweisen die Anleger finanzielle Mittel in der Regel in Form von Kryp- towährungen an den ICO-Organisator (https://www.finma.ch/de/news/2018/02/20180216-mm-ico-wegleitung). Kryptowährungen basieren auf dem Blockchain-Konzept und der damit verbundenen Distributed-Ledger-Tech- nologie (sog. verteiltes Kontenbuch). Diese ermöglicht einen dezentralen Geldtransfer ohne Zwischenschal- tung einer zentralen Gegenpartei. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) beschäftigt sich mit der Frage, ob Kryptowährungen langfristig eine Rolle im Geldsystem spielen können; vgl. BIZ (2018). Wirt- schaftsbericht – Kapitel V. Kryptowährungen: ein Blick hinter den Hype, Basel, 28 S. Am 4. September 2018 existierten weltweit 1910 unterschiedliche Kryptowährungen, deren Marktkapitalisierung 238 Mrd. US-Dollars betrug; vgl. https://coinmarketcap.com. 26 Eine in der Umgangssprache gebräuchliche Bezeichnung für Geld ist das aramäische Wort Mammon. 27 Deshalb werden die Werte der BESTA in Vollzeitäquivalenten (VZÄ) und nicht in Arbeitsstellen ausgewiesen. 28 https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/industrie-dienstleistungen/nomenklaturen/noga.html Seite 5 von 27
des unités territoriales statistiques, NUTS). Dabei decken sich die sieben Grossregionen in der Schweiz mit NUTS 2. Als Schweizer Grossregionen gelten: Espace Mittelland, Genferseeregion, Nordwestschweiz, Ostschweiz, Tessin, Zentralschweiz und Zürich. Im Februar 2016 wurden sämtliche BESTA-Ergebnisse umfassend revidiert veröffent- licht. Die Revision hat rückwirkend grundsätzlich zwei Effekte auf die ausgewiesenen Beschäftigten am Finanzstandort: (1) Die Werte für das Total des Finanzstandorts (NOGA 64–66) wurden für die Jahre 1991–2003 leicht nach unten revidiert, während die- jenigen für die Jahre 2004–2015 leicht nach oben korrigiert wurden. (2) Deutlich mehr Beschäftigte wurden dem Wirtschaftszweig Mit Finanz- und Versicherungsdienstleistun- gen verbundene Tätigkeiten (NOGA 66) zugeschrieben und zwar vor allem auf Kosten der Versicherungsdienstleistungen (NOGA 65). NOGA 66 beinhaltet u. a. den Effekten- und Warenhandel, aber auch Fondsleitungen und -management.29 Dieser Wirtschaftszweig wird in Tabelle 1 im Rahmen der Erfassung der Wertschöpfung nicht separat ausgewiesen, sondern auf die Finanzdienstleistungen (NOGA 64) und Versicherungsdienstleistungen (NOGA 65) aufgeteilt, wobei der Vertei- lungsschlüssel dem EFD/SIF nicht bekannt ist. Die Gesamtbeschäftigung beinhaltet die Beschäftigten in Vollzeitäquivalenten (VZÄ) im 2. und 3. Wirtschaftssektor, d. h. diejenigen im Industriebereich (NOGA 05–43) und Dienstleistungsbereich (NOGA 45–96).30 Die rund 160‘000 VZÄ im 1. Sektor (u. a. Land- und Forstwirtschaft; NOGA 01–03) werden in der Gesamtbeschäftigung nicht berücksich- tigt. Die SNB veröffentlicht in ihrer Jahresendstatistik ebenfalls Angaben zum Personalbe- stand bei den Banken. Im Gegensatz zur BESTA des BFS wird jedoch nicht der gesamte Wirtschaftszweig NOGA 64 berücksichtigt, sondern nur die Subsamples NOGA 641902– 641911. Diese Subsamples decken die Bankengruppen der Geschäftsbanken ab.31 So- mit erfasst die SNB den Personalbestand bei Instituten mit besonderem Geschäftskreis nicht (z. B. die Pfandbriefzentrale, die Pfandbriefbank oder die SIS x-clear AG). Entspre- chend fällt der von der SNB ausgewiesene Personalbestand etwas geringer aus als der- jenige in der BESTA.32 29 Z. B. die Tätigkeiten von unabhängigen Vermögensverwaltern (External Asset Managers; EAMs). Die rund 2500 EAMs am Finanzstandort Schweiz betreuen Vermögenswerte Dritter aufgrund von Vollmachten. Laut Schätzungen belaufen sich diese Gesamtvermögen auf 400–600 Mrd. Fr. Vgl. Grundlehner, W. (2018). Das angekündigte Sterben bleibt aus: Die unabhängigen Vermögensverwalter behaupten sich – auch in neuen Organisationsformen, in: NZZ vom 7. Mai, S. 26. Nebst EAMs sind auch Stiftungen in NOGA 66 enthalten, die öfters gemeinnützige, kulturelle oder wissenschaftliche Aktivitäten finanzieren. 30 Für die folgenden elf Nummerierungen gibt es sowohl in NOGA als auch in NACE keinen Wirtschaftszweig: 04, 34, 40, 44, 48, 54, 57, 67, 76, 83 und 89. Diese Auslassungen wurden gezielt vorgenommen, um Möglich- keiten einer Anpassung der Systeme zu haben, die z. B. aufgrund der Wirtschaftsentwicklung nötig wird. Mit der Nummer 67 besteht eine Auslassung im Abschnitt K, womit nebst NOGA 64–66 ein vierter Wirtschafts- zweig im Bereich des Finanzstandorts eingeführt werden könnte. Dieser Wirtschaftszweig könnte z. B. den noch nicht vollständig erfassten Bereich Fintech abdecken. Dies wären z. B. Aktivitäten von Unternehmen ausserhalb des klassischen Finanzsektors (z. B. die als UBS-Spin-off gegründete Firma Chain IQ), welche Banken und Versicherer mit neuen Produkten ausstatten oder ihnen die Auslagerung von Dienstleistungen ermöglichen. Demgegenüber wird z. B. eine bankinterne Entwicklung einer App zum Tätigen von Bankge- schäften bereits innerhalb NOGA 64 erfasst. 31 Die einzelnen Bankengruppen werden in der Bundespublikation (Tabelle 6 und Abbildung 3) genannt. 32 Nebst Berücksichtigung unterschiedlicher statistischer Gruppierungen (sog. Subsamples) können auch Son- dereffekte Auswirkungen auf den ausgewiesenen Personalbestand haben. So haben die beiden Grossbanken UBS Group AG und Credit Suisse Group AG im Zuge der Too-big-to-fail-Regulierung ihre Organisation ange- passt und zentrale Dienstleistungsstellen eingerichtet, die über keine Banklizenz verfügen und somit statistisch nicht erfasst werden, Vgl. Gallarott, E. (2018). Banken beschäftigen etwas weniger Personal – Der starke Rückgang in der Statistik ist auf einen verzerrenden Sondereffekt zurückzuführen, in: NZZ vom 29. Juni, S. 25. Zugleich lassen sich aber auch gegenläufige Entwicklungen beobachten, bei denen (dieselben) Banken eine Strategie des Insourcing betreiben. Vgl. Imwinkelried, D. (2018). Die UBS holt Fachkräfte zurück in die Firma, In: NZZ vom 17. August, S. 23. Seite 6 von 27
Tabelle 3: Steueraufkommen Natürliche Personen (Arbeitnehmer): Das Staatssekretariat für internationale Finanzfra- gen (SIF) berechnet die Steuerbelastung der Haushalte auf allen drei Staatsebenen für die Städte Zürich, Genf und Lugano.33 Als Basis dient der jährliche Bruttolohn (Zentral- wert) im Finanzbereich in diesen drei Städten gemäss Schweizerischer Lohnstrukturer- hebung (LSE).34 Als wirtschaftlicher Finanzstandort gelten die drei Wirtschaftszweige NOGA 64–66. Die Steuerbelastung wird jeweils für die drei Steuertypen Verheiratet mit zwei Kindern (inkl. Einelternfamilien), Verheiratet ohne Kinder und Ledig ermittelt. Aus diesen Steuerbelastungen der drei Städte und drei Steuertypen wird ein gewichteter Durchschnitt als Schätzwert für die Steuerbelastung des gesamten Finanzstandorts be- rechnet. Die Gewichtung erfolgt anhand der prozentualen Verteilung der Summe aller Reineinkommen (für direkte Bundessteuer massgeblicher Nettolohn) in den drei genann- ten Städten. Für diese Gewichtung werden als Approximation die Steuerpflichtigen mit einer direkten Bundessteuer verwendet. Die ermittelte durchschnittliche Steuerbelastung wird mit dem Total der Anzahl VZÄ-Beschäftigten am Finanzstandort gemäss BESTA multipliziert.35 Die LSE wurde erstmals 1994 durch das BFS durchgeführt und liefert seither alle zwei Jahre detaillierte Informationen zu Lohnniveau, -komponenten und -struktur in der Schweizer Volkswirtschaft. Anlässlich der 10. Ausgabe (2012) hat das BFS eine Revision der LSE durchgeführt. Wichtige Neuerungen betrafen einerseits die einheitliche Definition der Lohnkomponenten gemäss Standards, die in den Unternehmen geläufig sind (Lohn- arten in der Lohnbuchhaltung, Rubriken des Lohnausweises usw.) und die von anderen Lohndaten erhebenden Verwaltungseinheiten anerkannt sind, wie z. B. Ausgleichskas- sen, Steuerverwaltungen, Versicherer und die Schweizerische Unfallversicherungsan- stalt (SUVA). Andererseits wird auch eine detailliertere Aufgliederung der Entlöhnung vorgenommen, um auch ohne zusätzliche Direkterhebungen über Daten zu den Arbeits- kosten und zu den Lohnnebenleistungen (Fringe Benefits) zu verfügen. Das BFS beginnt die nächste und 13. Erhebung für das Jahr 2018 im Januar 2019. Vo- raussichtlich werden die Ergebnisse der LSE 2018 im Mai 2020 publiziert werden, womit sie erstmals für die Ausgabe Oktober 2020 der Publikation „Finanzstandort Schweiz – Kennzahlen“ berücksichtigt werden können. Juristische Personen (Arbeitgeber): Das Steueraufkommen der Banken wird durch die SNB veröffentlicht, dasjenige der Versicherer durch die Eidgenössische Finanzmarktauf- sicht (FINMA). In diesen Unternehmen sind die Krankenkassen sowie die ausländischen Niederlassungen von Versicherern in der Schweiz nicht enthalten. Ebenfalls nicht be- rücksichtigt in dieser Rubrik werden die Ertrags- und Kapitalsteuern der übrigen Finanz- dienstleister (NOGA 66). Abgrenzung des Steueraufkommens des Finanzstandorts: (1) Nicht berücksichtigt sind die Gewinnausschüttungen des Finanzstandorts, die beim Empfänger steuerpflichtig werden sowie die Stempelabgaben und die Verrechnungssteuer. (2) Makroökonomische Wirkungsanalysen zeigen, dass die Nachfrage der Akteure im Finanzsektor nach Vor- leistungen aus anderen Branchen zu weiteren Wertschöpfungs- und Steuereffekten im Finanzsektor führen können. Dieses indirekt generierte Steueraufkommen wird ebenfalls nicht erfasst.36 33 Diese drei Städte dienen als geografische Approximation für den Finanzstandort Schweiz. 34 https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/arbeit-erwerb/erhebungen/lse.html. 35 Hierzu wird der Durchschnitt der vier Quartalswerte der VZÄ-Beschäftigten während eines Jahres berechnet. 36 In zwei Studien wird eine Schätzung dieser indirekten Effekte vorgenommen: Vgl. hierzu die Ausführungen zu Abbildung 1 in diesen Erläuterungen. Seite 7 von 27
Steuern auf Einkommen und Vermögen (Bund, Kantone und Gemeinden): Die Eidgenös- sische Finanzverwaltung (EFV) ermittelt das gesamte direkte Steueraufkommen, das sich aus zwei Hauptkomponenten zusammensetzt: (1) den direkten Steuern natürlicher Personen (insbesondere Einkommen-, Vermögens- und Quellensteuern) und (2) den di- rekten Steuern juristischer Personen (insbesondere Gewinn-, Kapital- und Quellensteu- ern). Nicht berücksichtigt in den Steuern auf Einkommen und Vermögen (= direkte Steu- ern) werden die Verrechnungs-, die Grund-, die Vermögensgewinn-, die Vermögensverkehr-, die Erbschafts- und Schenkungssteuern sowie die Spielbanken- und Spielautomatenabgabe. Ebenso finden auch sämtliche Besitz- und Aufwand-, Ver- brauchssteuern, Verkehrsabgaben sowie Zölle keinen Eingang in das gesamte Steuer- aufkommen. Seite 8 von 27
2. Globale Integration Tabelle 4: Netto-Exporte Die Systematik der Zahlungsbilanz und diejenige des Auslandvermögens wurden 2014 auf den neuen Zahlungsbilanzstandard des Internationalen Währungsfonds (IWF) umge- stellt (Balance of Payments and International Investment Position Manual, Sixth Edition; BPM6).37 Erstmals wurden die Ergebnisse der Zahlungsbilanz und des Auslandvermö- gens per 1. Quartal 2014 gemäss diesem neuen Standard veröffentlicht. Im Zusammen- hang mit der Umstellung auf BPM6 wurden auch erstmals die Ergebnisse der neuen Leistungsbilanzerhebungen publiziert. Zur Modernisierung der beiden Systematiken ge- hören auch (1) die Erfüllung der Anforderungen aus dem bilateralen Statistikabkommen mit der EU und (2) die Revision der Direktinvestitionsstatistik gemäss dem neuen Hand- buch der OECD (Benchmark Definition of Foreign Direct Investment, Fourth Edition; BMD4). Beide Elemente wurden 2015 implementiert. Die internationale Verflechtung des Finanzplatzes erklärt auch das Interesse der Schweiz an der Rechtsentwicklung wichtiger Partnerländer. Standards können bei der Erstellung und Weiterentwicklung nationaler Regeln als Massstab dienen. Insbesondere anerkannte internationale Standards eignen sich, gleich lange Spiesse – also ein level-playing-field – zwischen Ländern zu schaffen. Dadurch wird die grenzüberschreitende Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen erleichtert. Wichtige Bereiche für den Finanz- standort Schweiz sind hierbei die Vermögensverwaltung und das Asset Management für private und institutionelle Anleger im Ausland, wobei die Betreuung ausländischer Kun- den aus der Schweiz erfolgen sollte (sog. Marktzugang). Dadurch kann der Beitrag an die Wertschöpfung am Standort Schweiz anfallen.38 Tabelle 5: Direktinvestitionen Direktinvestitionen sind eine Form des Kapitaltransfers. Dabei kann ein Mutterunterneh- men am Finanzstandort Schweiz Tochterunternehmen im Ausland errichten oder Betei- ligungen an ausländischen Unternehmen erwerben. Aus Sicht des Mutterunternehmens gibt es zahlreiche Gründe, die für Investitionen im Ausland sprechen können, wie z. B. Öffnung des Marktzugangs, niedrigere Löhne und/oder steuerliche Vorteile. Die in der Bundespublikation festgehaltene Erkenntnis, dass die Verflechtung von Volkswirtschaf- ten den menschlichen Zusammenhalt fördere, geht auf den österreichischen-amerikani- schen Wirtschaftswissenschafter Ludwig von Mises (1881–1973) zurück.39 37 Vgl. https://www.imf.org/external/pubs/ft/bop/2007/bopman6.htm. Der IWF wurde zusammen mit der Weltbank nach dem Zweiten Weltkrieg als Bretton-Woods-System gegründet. Dieses wurde nach dem gleichnamigen Ort im US-Bundesstaat New Hampshire benannt, wo 1944 Vertreter der späteren Siegermächte das entspre- chende Abkommen unterzeichneten. Diese internationale Währungsordnung sah Wechselkursbandbreiten vor, in dessen Zentrum der US-Dollar stand, zu dem alle anderen Währungen ein fixes Wechselverhältnis hatten. 1973 wurde das System offiziell ausser Kraft gesetzt, und die meisten Länder gingen zu flexiblen Wech- selkursen über, wobei die beiden Bretton-Woods-Institutionen weiterhin bestehen. Die Schweiz ist ihnen 1992 beigetreten. 38 Vgl. Stofer, M. (2017). Finanzplatzpromotion Schweiz: Auf dem Weg zur institutionellen Implementierung, Mas- terarbeit an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern, S. 15f. 39 Vgl. Boettke, P. J. (2005/2006). Von der Unmöglichkeit, kein Unternehmer zu sein – Soziale Kooperation prägt den Prozess der wirtschaftlichen Entwicklung, in: NZZ vom 31. Dezember/1. Januar, S. 29. Seite 9 von 27
3. Banken und Kreditmarkt Tabelle 6: Anzahl Banken Strukturwandel:40 Der Konzentrationsprozess im Bankenwesen am Standort Schweiz lässt sich seit Jahrzehnten beobachten. Bereits im 19. Jahrhundert verlangte das indust- riell getriebene Wirtschaftswachstum nach grösseren Banken, da die kleineren Banken die Finanzierungsbedürfnisse bedeutender Unternehmen nicht erfüllen konnten.41 Nebst den eigenen Wirkungen der Marktkräfte, kann auch der Staat über den Einsatz seines Politikinstrumentariums Einfluss auf die Marktentwicklungen nehmen, so z. B. über einen industriepolitischen Ansatz zur Förderung nationaler Champions. Wettbewerbspolitisch betrachtet ist eine Reduktion der Anzahl Bankinstitute das Ergebnis von Zusammen- schlüssen beziehungsweise Übernahmen oder Konkursen von Banken. Ebenso kann in seltenen Fällen eine (freiwillige) Rückgabe der Lizenz vorliegen. Neugründungen und der Marktzugang ausländischer Institute haben selbstverständlich einen positiven Effekt. Die Statistik zeigt letztlich nur den zumeist abnehmenden Gesamtsaldo (= Total der Institute mit einer Bankenbewilligung durch die FINMA).42 Die Entwicklung der Anzahl Geschäftsstellen am Standort Schweiz zwischen 1988–2017 offenbart, dass sich diese von 5555 auf 2937 und somit um knapp die Hälfte vermindert hat. Die Anzahl Institute mit einer Bankenbewilligung reduzierte sich über denselben Zeit- raum von 626 auf 253 und somit gar um -60%. Damit verfügt ein Bankinstitut heutzutage über mehr Geschäftsstellen als früher – eine Entwicklung, die auch durch die Globalisie- rung getrieben wird.43 40 Der gebürtige österreichische Nationalökonom Joseph Alois Schumpeter (1883–1950) hat im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel den Begriff der kreativen respektive schöpferischen Zerstörung ge- prägt. Die Kernaussage lautet, dass jede ökonomische Entwicklung eine Neukombination von Produktionsfak- toren bedingt, wodurch alte Strukturen verdrängt und schliesslich eliminiert werden. Die Zerstörung ist also notwendig − und nicht etwa ein Systemfehler −, damit eine Neuordnung der Gesamtwirtschaft stattfinden kann. Vgl. hierzu Schumpeter, J. A. (1912). Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Berlin, 548 S. 41 So ortete bereits der Ökonom und spätere Zürcher FDP-Bundesrat und EFD-Vorsteher Ernst Wetter (1877– 1963) in unsoliden Geschäftspraktiken die Ursachen für die abnehmende Anzahl Banken. In seiner 1918 ver- öffentlichten Habilitationsschrift Bankkrisen und Bankkatastrophen der letzten Jahre in der Schweiz wies er darauf hin, dass kleinere Bankinstitute mit der zunehmenden Industriefinanzierung finanziell und organisato- risch überfordert seien. 42 Der Bundesrat hat in der Botschaft vom 1. Februar 2017 die Einführung einer neuen Lizenzkategorie für Un- ternehmen vorgeschlagen, welche Publikumseinlagen bis maximal 100 Mio. Fr. entgegennehmen ohne Kredite zu vergeben. Für diese Unternehmen sollen erleichterte Bewilligungs- und Betriebsvoraussetzungen Anwen- dung finden. Sie gelten somit nicht nur für Fintech-Unternehmen, sondern für alle Unternehmen. Diese neue Regelung wurde zusammen mit dem Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und dem Finanzinstitutsgesetz (FINIG) am 15. Juni 2018 durch die Bundesversammlung angenommen. Diese Banklizenz „light“ respektive Fintech-Bewilligung wird in einen Anhang des Bankengesetzes (BankG) integriert und könnte auf Anfang 2019 in Kraft gesetzt werden. Vgl. Zibung, O. (2018). Räte genehmigen Finanzdienstleistungs- und Finanzinstituts- gesetz, in: SIF-Newsletter, Ausgabe 2, S. 4. 43 Mittlerweile gibt es mehrere hundert Gemeinden in der Schweiz, die über keinen bedienten Bankschalter mehr verfügen. Vgl. Schmid, S.; Heim, M. (2017). Hunderte von Schweizer Bankenfilialen haben ihre Schalter ge- schlossen, in: Handelszeitung vom 13. Dezember. Im letzten Jahrhundert konnten Kunden der Schweizeri- schen Kreditanstalt (SKA) nahe des Zürcher Paradeplatzes direkt mit ihrem Fahrzeug an einen bedienten Bankschalter vorfahren und vom Auto aus Geld abheben oder andere Bankgeschäfte tätigen. Diese Drive-in- Bank war die erste Autobank der Schweiz und wurde zwischen 1962 und 1983 betrieben. Sie galt damals als grösste und modernste Anlage Europas. Heute befindet sich an dieser Lokalität das Forum St. Peter der Credit Suisse. Die nahe gelegene Kirche St. Peter ist der erste protestantische Sakralbau in der Stadt Zürich nach der Reformation und verfügt über das grösste Zifferblatt Europas. Vgl. Huber, M. (2017). Mit dem Auto in die Schalterhalle, in: Tages-Anzeiger vom 3. November, S. 23. Im Zuge der Anfänge der Digitalisierung eröffnete die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) 1987 an der Bahnhofstrasse in Zürich ihre erste elektronische Bank. Diese verfügte über Bancomaten und Automaten für den Fremdwährungsbezug. Der erste Bargeldau- tomat in der Schweiz ging 1967 ebenfalls in Zürich in Betrieb. Daher warben in den 1960er Jahren u. a. auch Banken für Programmierer. Vgl. Gugerli, D. (2018). Wie die Welt in den Computer kam – Zur Entstehung digitaler Wirklichkeit, S. Fischer, Frankfurt a. M., 251 S. Die Credit Suisse AG erwartet in der Schweiz bis ins Jahr 2024 einen Mangel an 25'000 IT-Spezialisten. Vgl. Credit Suisse AG (Hrsg.) Bulletin 2/2018 – Jobs of the Future, S. 12. Seite 10 von 27
Kantonalbanken: Von den 20 Voll- und sechs Halbkantonen verfügen sowohl der Kanton Appenzell Ausserrhoden (AR) als auch der Kanton Solothurn (SO) über keine Kantonal- bank mehr. Die Appenzell-Ausserrhodische Kantonalbank wurde nach jahrelangen er- folglosen Sanierungsversuchen per Ende 1996 aufgelöst bzw. von der damaligen Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) übernommen und vollständig in deren Kon- zernstruktur integriert. Bereits Anfang 1995 wurde die Solothurner Kantonalbank privati- siert und unter dem Namen Solothurner Bank (SoBa) an den damaligen Schweizerischen Bankverein (SBV) veräussert. Aufgrund der Fusion des SBV mit der damaligen SBG 1998 zur UBS AG musste die SoBa aus wettbewerbspolitischen Überlegungen abges- tossen werden. Die SoBa ging 2000 an die Basler Versicherung und wird noch heute unter dem Namen Baloise Bank SoBa geführt. Die Kantonalbanken sind insgesamt eine recht heterogene Gruppe:44 Mit Abstand am grössten bezüglich Bilanzsumme ist die Zürcher Kantonalbank (ZKB). So war die Bilanz- summe der ZKB per Ende 2017 grösser als diejenige der nächsten vier Kantonalbanken zusammen (VD, BS, LU, SG) und 55 Mal grösser als diejenige der kleinsten Kantonal- bank (JU).45 Die ZKB öffnete als Bank des Zürcher Volkes ihre Schalter 1870 an ihrem ersten Standort im (damaligen) Feldhof – dem heutigen Paradeplatz. Treibende Kraft war der Fabrikant und Kantonsrat Johann Jakob Keller (1823–1903). Bis zur Gründung der SNB 1907 gab die ZKB eigene Banknoten heraus.46 Auch heutzutage bildet der gesetz- liche Leistungsauftrag das grundlegende Fundament der ZKB.47 Grossbanken: Im April 2015 wurde die UBS Schweiz AG als hundertprozentige Tochter der UBS AG gegründet. Sowohl Mutter- als auch Tochtergesellschaft sind seither in die gemeinsame Holdingstruktur der UBS Group AG eingebettet und fliessen als zwei Insti- tute in die statistische Bankengruppe der Grossbanken ein. Diese Umstrukturierung er- folgte aufgrund der Regulierung, um die erforderlichen Notfallpläne (sog. Testamente) durch eine Ex-ante-Trennung der systemrelevanten Funktionen zu erfüllen und den neuen Rechtsträger, d. h. die UBS Schweiz AG, damit zu betrauen. Als systemrelevant gelten z. B. das inländische Kreditgeschäft oder der Zahlungsverkehr. In ihren Ursprün- gen geht die UBS Group AG auf die 1862 gegründete Bank in Winterthur zurück, die sich 1912 mit der Toggenburger Bank zur SBG zusammenschloss. 1872 wurde der Basler Bankverein gegründet, aus dem 1897 nach mehreren Fusionen schliesslich der SBV her- vorging.48 1998 entstand aus den beiden Grossbanken SBG und SBV die UBS AG und damit der damals weltweit grösste Vermögensverwalter.49 Grösster eingetragener Aktio- när der UBS Group AG per 30. Juni 2018 ist Chase Nominees Ltd. in London mit einem Anteil von 11,32%. 44 Der Begriff Kantonalbank ist trügerisch, denn einige dieser Banken bieten heutzutage nicht mehr ausschliess- lich auf ihrem ursprünglichen Hoheitsgebiet Produkte und Dienstleistungen an. Im Kanton Zürich finden sich z. B. auch Geschäftsstellen der Genfer, Luzerner und St. Galler Kantonalbank. Die Glarner Kantonalbank bietet mit ihrer Online-Hypothekenplattform schweizweit Hypotheken an (http://www.hypomat.ch). Ebenso können Personen mit Wohnsitz in der Schweiz bei der Schwyzer und der Walliser Kantonalbank eine Online-Hypothek abschliessen (www.e-hypo.ch). Die ZKB operiert gar in Österreich und Guernsey. 45 Vgl. VSKB (2018). Die Kantonalbanken in Zahlen, Basel, 6 S. (www.kantonalbank.ch). 46 Von den 24 Kantonalbanken wurden deren fünf nach der SNB gegründet (1907): die Aargauische Kantonal- bank (1913), die Banca dello Stato del Cantone Ticino (1915), die Banque Cantonale du Jura (1979), die Banque Cantonale du Valais (1917) und die Urner Kantonalbank (1915). Vgl. VSKB (2018). Die Kantonalban- ken in Zahlen, S. 2. Die älteste Kantonalbank ist die Banque Cantonale de Genève (1816), gefolgt von der Berner Kantonalbank (1834) und der Banque Cantonale Vaudoise (1845). 47 Vgl. Schmid, M. (2016). Mit Volldampf voran, in: ZKB (Hrsg.). ZH – das Magazin der Zürcher Kantonalbank, No. 4, S. 18–23. 48 Der SBV eröffnete bereits 1898 einen Sitz in London, womit sich der Basler Finanzplatz aussergewöhnlich früh international ausrichtete. Vgl. Erbacher, F. (2018). Bankenplatz mit bewegter Geschichte – Basler Bankiers legten die finanzielle Basis für die Industrialisierung der Schweiz, in Basler Zeitung vom 12. Februar, S. 7. 49 Vgl. UBS AG (2012). 150 Jahre UBS, Zürich und Basel, 37 S. Bereits 1966 malte der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt (1921–1990) das Ölbild Letzte Generalversammlung der Eidgenössischen Bankanstalt, in welchem das Ende einer Bank und ihrer Vertreter dargestellt wird. Inwiefern Dürrenmatt die Realität der 1990er Jahre mit ihren zahlreichen Fusionen (sog. Fusionitis) bewusst vorwegnahm, ist unbekannt. Es mag Absichtslosigkeit gewesen sein, die insbesondere das literarische Werk Dürrenmatts in Form des Zufalls als ein herausragendes Leitthema durchzieht. Ein Finanzinstitut namens Eidgenössische Bankanstalt hat nie exis- Seite 11 von 27
Auch die Credit Suisse Group AG hat im vierten Quartal 2016 die Struktur ihrer Gruppe aus regulatorischen Gründen angepasst. In der Schweiz hat sie dazu die Credit Suisse (Schweiz) AG als reine Tochtergesellschaft der Credit Suisse AG gegründet, die im No- vember 2016 den Betrieb als eigenständige Bank innerhalb der Holdingstruktur der Credit Suisse Group AG aufgenommen hat.50 Analog zur UBS Group AG werden auch zwei Institute in der statistischen Bankengruppe der Grossbanken berücksichtigt.51 Die Credit Suisse Group AG geht auf die Schweizerische Kreditanstalt (SKA) zurück, die 1856 durch Alfred Escher (1819–1882) gegründet wurde. Die SKA finanzierte den Eisenbahnbau am Gotthard. Escher war gleichzeitig Verwaltungsratspräsident der SKA, Direktionspräsident der Nordostbahn, Präsident des Nationalrats und Präsident des zürcherischen Grossen Rates. 1857 gründete er die Schweizerische Lebensversicherungs- und Rentenanstalt (heute Swiss Life Holding AG) und 1863 – im Nachgang des Brandes von Glarus (1861) – die Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft (heute Swiss Re AG).52 1993 übernahm die SKA die genossenschaftlich strukturierte Schweizerische Volksbank (SVB), die 1869 von Vertretern aus Arbeiter-, Beamten- und Gewerbekreisen unter dem Namen Volksbank in Bern gegründet wurde. Bereits drei Jahre vor dieser Übernahme erfolgte die Integration der 1755 gegründeten Bank Leu AG in die SKA. 2007 entstand aus der Bank Leu AG und vier weiteren Banken die Clariden Leu AG,53 die 2012 mit ihrer Muttergesellschaft Credit Suisse AG fusionierte. Grösster eingetragener Aktionär der Credit Suisse Group AG per 30. Juni 2018 ist die 1816 gegründete norwegische Zentral- bank Norges Bank mit einem Anteil von 4,98%. Regionalbanken und Sparkassen: Mit Blick auf die Rechtsform finden sich nahezu je hälftig Aktiengesellschaften und Genossenschaften. In Bezug auf die Bilanzsumme stel- len die Valiant Bank AG (BE)54 und die Neue Aargauer Bank AG die weitaus grössten zwei Institute dieser Bankengruppe dar. Beispiele kleinerer Institute sind die Alpha RHEINTAL Bank AG (SG), die Caisse d’Epargne Riviera (société coopérative) (VD), die Ersparniskasse Schaffhausen AG, die Regiobank Männedorf AG (ZH), die Regiobank Solothurn AG oder die Sparkasse Sense (FR). Raiffeisenbanken: Ende 2017 waren in der Raiffeisen Gruppe 255 Raiffeisenbanken zu- sammengeschlossen, die in 21 Regionalverbänden organisiert sind. Diese Organisati- onsform ermöglicht, national eine gemeinsame genossenschaftliche Strategie zu verfol- gen (Raiffeisen Schweiz) und zugleich als selbständiges lokales Bankinstitut auf örtliche Gegebenheiten einzugehen. Die rund 1,9 Millionen Genossenschafter sind Mitbesitzer ihrer Bank.55 Der Hauptsitz dieser Bankengruppe befindet sich de facto seit 1912 und de jure seit 1936 in St. Gallen. Die Raiffeisen Gruppe ist gegenwärtig mit einem Marktanteil tiert. Dürrenmatt bezeichnete mit diesem Namen auch keine einzelne Bank, sondern wies mit grotesker Ein- deutigkeit auf die Schweiz als Nation hin. Vgl. Strehle, R. (2016). Weitsichtiger als die Banquiers, in: Dyttrich, B.; Howald, St. (Hrsg.). Quer denken: Mascha Madörin – Über Antikolonialismus, Südafrika-Solidarität, Kritik am Schweizer Finanzplatz, feministische Wirtschaftstheorie und Care-Ökonomie, edition 8, Zürich, 144 S. 50 Vgl. Credit Suisse (Schweiz) AG (Hrsg.) Unternehmensprofil 2018 – Engagement der Credit Suisse in der Schweiz, 16 S. Diese Bank pflegt verschiedene Partnerschaften in Sport und Kultur, so z. B. mit dem Concours Hippique International de Genève, dem Kunstmuseum in Bern und demjenigen in Basel, dem Lugano Arte e Cultura, dem Orchestre de la Suisse Romande, dem Schweizerischen Fussballverband, den St. Galler Fest- spielen, dem Zurich Film Festival und natürlich mit Roger Federer (geb. 1981). 51 Die Aufteilung der Geschäftsbereiche der UBS Group AG und der Credit Suisse Group AG auf je zwei Bankin- stitute führt dazu, dass seither die finanziellen Verflechtungen zwischen den jeweiligen zwei Gruppeninstituten in den Daten der SNB gezeigt werden können. 52 Vgl. zum Aufstieg Zürichs zum Wirtschaftszentrum der Schweiz: (1) Wiget, Y. (2018). Wie Zürich zum Finanz- zentrum wurde, in: Tages-Anzeiger vom 12. Mai, S. 23 und (2) Schmid, M. (2016). Mit Volldampf voran, in: ZKB (Hrsg.). ZH – das Magazin der Zürcher Kantonalbank, No. 4, S. 18–23. Eschers Tochter Lydia Welti- Escher (1858–1891) war mit dem Sohn des damaligen FDP-Bundesrats Emil Welti (1825–1899) verheiratet. Sie vermachte ihr Vermögen in Form der Gottfried-Keller-Stiftung als Mäzenin der Schweizerischen Eidgenos- senschaft. Nach Welti-Escher ist ein Hof neben dem Zürcher Kunsthaus benannt. 53 Die ursprüngliche Clariden Bank wurde 1955 mit Domizil in Zürich gegründet. Der Clariden (auch Clariden- stock) ist ein Berg der Glarner Alpen mit einer Höhe von 3267 m. ü. M. 54 In Englisch steht das Adjektiv valiant für beherzt, kühn und mutig. 55 Vgl. Raiffeisen (2017). Raiffeisen – Engagiert für die Schweiz, Bern, 20 S. Seite 12 von 27
von knapp 20% an den inländischen Hypothekarschuldnern die grösste Immobilienfinan- ziererin in der Schweiz.56 Auslandsbanken: (1) Die ausländisch beherrschten Banken sind nach schweizerischem Recht organisiert. (2) Die Filialen ausländischer Banken haben keine eigene Rechtsper- sönlichkeit und sind der Muttergesellschaft wirtschaftlich und rechtlich unterstellt, d. h. sie unterliegen der ausländischen Gesetzgebung. Die beiden Bankengruppen sind seit 1972 im Verband der Auslandsbanken in der Schweiz zusammengeschlossen. Privatbankiers: Der Rückgang um sieben Institute zwischen 2012 und 2017 erklärt sich v. a. damit, dass zwischen 2013 und 2014 vier Privatbankiers in die Bankengruppe der Börsenbanken statistisch umgruppiert wurden. Diese vier Institute sind: Bank La Roche & Co AG, Banque Pictet & Cie SA, Banque Lombard Odier & Cie SA und Mirabaud & Cie SA. Die statistische Umgruppierung dieser vier Banken erfolgte aufgrund eines Wechsels der Rechtsform von einer Kommanditgesellschaft zu einer Aktiengesellschaft. Ein Rück- gang der Anzahl Institute innerhalb einer Bankgruppe muss somit nicht zwingend auf- grund von Fusionen, Übernahmen oder Konkursen erfolgen. Andere Banken: Ein bekanntes Beispiel in dieser Bankengruppe ist die 1958 von Gottlieb Duttweiler (1888–1962) gegründete Migros Bank AG. 1963 wurde in Rüschlikon ZH das Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) eröffnet, ein Zentrum für wirtschafts- und sozialpolitische Fragen.57 Angrenzend zum GDI befindet sich der Park im Grüene (sog. Dutti-Park) mit Blick auf den Zürichsee – er wird auf dem ehemaligen Wohngelände Duttweilers unter- halten. Auf dem Berner Hausberg Gurten findet sich der gleichnamige Park mit Aussicht über die Bundesstadt. Und in der Nähe von Aubonne VD lässt sich das Westschweizer Pendant besuchen – der Parc Pré Vert auf dem Signal de Bougy oberhalb des Genfer- sees. Systemrelevante Banken: Solche Banken werden erst seit der Änderung des Bankenge- setzes per 1. März 2012 ausgewiesen.58 Ende 2012 galten die beiden Grossbanken Cre- dit Suisse AG und UBS AG als systemrelevant. Ende 2017 wurden fünf systemrelevante Banken gezählt: die Credit Suisse Group AG, die Postfinance, die Raiffeisen-Gruppe, die UBS Group AG sowie die ZKB.59 Die SNB bezeichnet die als systemrelevant geltenden Finanzgruppen, während die FINMA entscheidet, welche Einzelinstitute aus diesen Grup- pen die besonderen Anforderungen an systemrelevante Banken zu erfüllen haben. Total: Für das Jahr 2007 ergibt sich ein Total von 330 Instituten. Werden jedoch die ein- zelnen Bankinstitute pro Bankengruppe aufsummiert, so resultiert ein Total von 323 In- stituten. Eine solche Differenz kann aufgrund von Bankengruppen zustande kommen, die seitens SNB nicht mehr geführt bzw. nicht mehr gesondert veröffentlicht werden. So wurde per Berichtsjahr 2008 die Gruppe der Handelsbanken mit ihren sieben Instituten aufgelöst und Letztere ab diesem Zeitpunkt anderen Gruppen zugeteilt. Dadurch gehen diese Institute vor 2008 statistisch «verloren», weil die Gruppe nicht mehr existiert. Im 56 Zu den Anfängen von Raiffeisen in der Schweiz vgl. Gernet, H.; Klein, M. (2018). Zwei Pioniere, eine Idee – Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Johann Evangelist Traber, Neukirchner Verlagsgesellschaft mbH, Neukir- chen-Vluyn, 172 S. 57 Vgl. http://www.gdi.ch 58 Die folgende Studie befasst sich mit den zugrundeliegenden Konzepten und Indikatoren zur Messung syste- mischer Relevanz: Weistroffer, Ch. (2011). Systemisch relevante Finanzinstitute (SIFIs) – Wie misst man sys- temische Relevanz?, in: Deutsche Bank Research (Hrsg.), Aktuelle Themen 530, 20 S. 59 Im Inland gelten alle fünf Banken als systemrelevant (domestic systemically important banks; sog. D-SIBs). Zusätzlich gelten die Credit Suisse Group AG und die UBS Group AG auch weltweit als systemrelevant (global systemically important banks; sog. G-SIBs). Das Financial Stability Board (FSB) – ein Verein nach Schweizer Recht mit Sitz in Basel – designiert die G-SIBs und veröffentlicht einmal jährlich eine Liste mit den entspre- chenden Bankinstituten (http://www.fsb.org/2017/11/2017-list-of-global-systemically-important-banks-g-sibs). Die SNB designiert die D-SIBs. Seit 2012 wird gemäss Art. 52 BankG die Regulierung aller systemrelevanten Banken am Finanzstandort Schweiz evaluiert. Seite 13 von 27
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