Statistische und wirtschaftshistorische Erläuterungen zur Publikation "Finanzstandort Schweiz - Kennzahlen April 2019" - Staatssekretariat ...

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Eidgenössisches Finanzdepartement EFD
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                                                              Finanzsystem & Finanzmärkte

          Statistische und wirtschaftshistorische Erläuterungen
    zur Publikation «Finanzstandort Schweiz – Kennzahlen April 2019»
                                                   15. Ausgabe

Einleitung

Die oben genannte halbjährliche Bundespublikation bietet anhand statistischer Eckdaten objekti-
vierte Grundwerte für Analysen des Finanzstandorts Schweiz. Wirtschaftliche Aussagen sowie
auch Prognosen sind zugleich mit drei fundamentalen Problemen verbunden: (1) unklare Kausa-
litäten, (2) dauernde Veränderungen und (3) unvollständige Informationen respektive Daten. 1

Informationen zum Finanzstandort Schweiz werden u. a. durch das Datenportal der Schweizeri-
schen Nationalbank (SNB) bereitgestellt. Diese Institution wird durch die Nationalbankverordnung
(NBV) 2 gemäss Art. 3 NBV ermächtigt, statistische Erhebungen durchzuführen:
a.      zur Erfüllung ihrer geld- und währungspolitischen Aufgaben;
b.      zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Bereich der Überwachung von Zahlungs- und Effektenab-
        wicklungssystemen;
c.      im Rahmen ihres Beitrags zur Stabilität des Finanzsystems;
d.      für internationale Organisationen, bei denen die Schweiz Mitglied ist, und
e.      für die Erstellung der Zahlungsbilanz und der Statistik über das Auslandvermögen. 3
In einer Volkswirtschaft stellen Haushalte und Unternehmen und damit auch Arbeitnehmer und
Arbeitgeber die zentralen Wirtschaftsakteure dar. Sie berücksichtigen bei ihrer Finanzierung zu-
künftige Entwicklungen, können aber nur anhand verfügbarer Informationen begrenzt rational
handeln (sog. bounded rationality gemäss Herbert Alexander Simon (1916–2001)). 4 Da be-
grenzte Wissensbestände jedoch nicht endgültig sind, lassen sie sich durch Informationsbeschaf-
fung und -verarbeitung von Finanzkennzahlen im Rahmen eines Gedankenspiels erweitern. 5 Die

1
     Vgl. hierzu auch Matheis, K.; Prange, S. (2017). Viele Wahrheiten, in: WirtschaftsWoche vom 24. März. Im
     Big-Data-Zeitalter besteht auch das Risiko der Gläubigkeit in ökonomische Modellaussagen, die umso gefähr-
     licher sein kann, als sie unreflektiertes Vertrauen in Algorithmen fördert. Vgl. Kaeser, E. (2017). Wenn Mathe-
     matik zur Waffe wird, in: NZZ vom 21. Dezember, S. 44.
2
     Verordnung zum Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank vom 18. März 2004
     (https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20040259/index.html). Die SNB hat 1907 in Bern und Zü-
     rich ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen.
3
     Das Datenportal der SNB stellt die wichtigste Informationsquelle dieser Bundespublikation dar
     (https://data.snb.ch). Obwohl statistische Daten stets vergangenheitsbezogen sind, sind sie ein wichtiger Be-
     standteil konkreter Vorhersagen. So lassen sich z. B. durch eine reine Extrapolation mögliche Prognosen ab-
     leiten, deren Güte wiederum von der Qualität der empirischen Datenbasis abhängt. Da vergangene Ereignisse
     auch von Zufall beeinflusst sind, sollten Extrapolationen oder Trends jedoch mit Vorsicht betrachtet werden.
     Vgl. hierzu Schüller, K (2015). Statistik und Intuition – Alltagsbeispiele kritisch hinterfragt, Springer Spektrum,
     Berlin/Heidelberg, 294 S. Dennoch sind im richtigen Leben Ereignisse zumeist voneinander abhängig, womit
     bereits Geschehenes einen Einfluss auf Zukünftiges hat. Vgl. Dobelli, R. (2017). Die Kunst des klaren Denkens
     – 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen, 17. Auflage, dtv Verlagsgesellschaft, München, S. 121ff.
     (Der Spielerfehlschluss).
4
     Der US-amerikanische Sozialwissenschaftler erhielt 1978 den von der schwedischen Reichsbank gestifteten
     Preis für Wirtschaftswissenschaften in Erinnerung an Alfred Nobel (1833–1896). Simon wurde für seine Erfor-
     schung der Entscheidungsprozesse in Wirtschaftsorganisationen geehrt.
5
     Die Informationsbeschaffung und -verarbeitung können nach Regeln der Selektion, der Klassifikation und der
     Interpretation erfolgen. Vgl. hierzu Siegenthaler, H. (1993). Regelvertrauen, Prosperität und Krisen – die Un-
     gleichmässigkeit wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung als Ergebnis individuellen Handelns und sozialen
     Lernens, Mohr Siebeck, Tübingen, 258 S.

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vorliegenden Erläuterungen bieten daher statistische und wirtschaftshistorische Zusatzinformati-
onen zu den einzelnen Tabellen und Abbildungen in der Bundespublikation Finanzstandort
Schweiz – Kennzahlen. Die Fussnoten in diesen Erläuterungen weisen auf weiterführende Quel-
len hin (Literatur und Internet). Dabei wird der Rahmen bewusst etwas weiter gesetzt, um die
Leinwand des Finanzstandorts z. B. auch kulturell, architektonisch und selbstsprechend auch
geografisch aufspannen zu können.

Die Aktualisierung der Datenwerte in der Publikation selbst hängt von zwei Komponenten ab:

a.      vom Veröffentlichungsrhythmus der jeweiligen Primärquellen der Daten, 6 und
b.      vom halbjährlichen Erscheinungsrhythmus der Bundespublikation selbst (anfangs April
        und anfangs Oktober eines Kalenderjahres).

Gegenüber der letzten und 14. Ausgabe dieser Bundespublikation (Oktober 2018) konnten die
Tabellen 1, 2, 4, 5, 7, 8, 10, 12, 13 und 14 sowie die vier Abbildungen 1, 2, 4 und 5 aktualisiert
werden. Die Datenwerte in den 14 Tabellen werden jeweils für drei Zeitpunkte angegeben. Je
nach Tabelle betragen die zwei Differenzen zwischen den drei gewählten Zeitpunkten fünf Jahre
oder ein Jahr: 7 Eine längerfristige Betrachtung interessiert bei tendenziell strukturellen Daten,
eine kurzfristige Betrachtung bei tendenziell konjunkturellen Daten. Ebenso wird in den Fussno-
ten der Tabellen ausgewiesen, ob es sich um Jahreswerte oder Jahresendwerte handelt. Erstere
stellen eine Zeitraumbetrachtung (in der Regel von 1 Jahr) dar, womit die Datenwerte einer Fluss-
grösse entsprechen. Letztere stellen eine Zeitpunktbetrachtung dar, d. h. die Datenwerte bezie-
hen sich auf einen Stichtag (in der Regel: 31. Dezember) und entsprechen somit einer Bestan-
desgrösse. Auch wenn die Datenwerte regelmässig aktualisiert werden, so bieten die
ausgewählten Aspekte respektive Informationseinheiten in den 14 Tabellen und fünf Abbildungen
ein möglichst zeitloses Themenspektrum des Finanzstandorts Schweiz. Sowohl die Bundespub-
likation als auch diese Erläuterungen verfolgen den Ansatz, mittels der makroökonomischen Ad-
lerperspektive das «Grosse Ganze» zu zeigen und dadurch relevantes Wissen zum Finanzstand-
ort Schweiz aus der täglichen Informationsflut herauszufiltern und miteinander zu verbinden.
Dabei soll situativ und an geeigneter Stelle auch die mikroökonomische Froschperspektive nicht
fehlen.

Im Folgenden werden die 14 Tabellen der Bundespublikation gegliedert nach ihren fünf Kapiteln
erläutert. Am Ende des Dokuments finden sich gesammelt die Ausführungen zu den fünf Abbil-
dungen sowie Angaben zum Titelbild und zur Kontaktadresse. Viel Vergnügen!

6
     Es werden ausschliesslich offizielle Daten, d. h. von Schweizer oder in seltenen Fällen von ausländischen
     Behörden genutzt. Daten von Verbänden oder anderen Interessengruppen finden keinen Eingang in die Pub-
     likation, um ein möglichst neutrales Bild des Finanzstandorts Schweiz zu generieren.
7
     Die einzige Ausnahme bildet Tabelle 3, die Zweijahres-Differenzen aufweist. Im Falle der Fünfjahres-Differenz
     ergibt sich ein gesamter Zeitraum von zehn Jahren respektive einer Dekade (in Griechisch: deka = zehn);
     dadurch wird auch versucht, dem wirtschaftshistorischen Charakter dieser Erläuterungen Rechnung zu tragen.

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1. Grundelemente

Tabelle 1: Wertschöpfung

      •    Die Berechnung des Bruttoinlandprodukts (BIP) geht auf den US-amerikanischen Öko-
           nomen Simon Smith Kuznets (1901–1985) zurück, der sich mit wirtschaftsstatistischen
           Fragen zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft beschäftigte. 8 Da-
           her misst sich seit dem Zweiten Weltkrieg (1939–1945) der Wohlstand eines Landes am
           BIP. Wie spätere Untersuchungen zeigten, ist dieser Indikator mit gewissen Schwächen
           verbunden, da er nur die mit einem Preis bewerteten Güter respektive Produktionsfakto-
           ren berücksichtigt. 9 Bereits 1968 klagte der damalige US-Senator Robert Kennedy
           (1925–1968): „Das BIP misst alles, ausser dem, was das Leben lebenswert macht.“ Be-
           sondere Schwierigkeiten sind gerade mit der Erfassung von Finanzdienstleistungen ver-
           bunden. Noch in den 1950er Jahren zeigten die Daten einen geringen Beitrag dieser
           Leistungen zum BIP. Nach Revisionen der Erfassung zwischen 1968–1975 stieg deren
           Beitrag deutlich an, weil neu risikobedingte Einkommen berücksichtigt wurden.
           Alternativen zum BIP sind z. B. der seit 1990 durch die Vereinten Nationen (UNO) veröf-
           fentlichte Human Development Index 10 sowie der Inclusive Wealth Index, 11 der u. a. Da-
           ten zum Human-, Produktions-, Natur- und Gesundheitskapital eines Landes umfasst.
           Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stellte
           2011 den Better Life Index 12 vor, während bereits 2006 die englische Denkfabrik New
           Economics Foundation den Happy Planet Index 13 veröffentlichte (dieser misst z. B. die
           ökologische Effizienz bei der Erzeugung von Zufriedenheit). 2014 wurde der Good
           Country Index 14 publiziert, der aufzeigt, wie viel ein Land mit seiner Politik und seinem
           Verhalten für den Planeten und die Menschheit leistet. 15 Einen ähnlichen Ansatz verfolgt
           der World Happiness Report, der sich in seiner aktuellen Ausgabe 2018 schwergewichtig
           mit der Zufriedenheit von Immigranten in einzelnen Ländern befasst. 16 Trotz Schwächen
           bleibt das BIP das bekannteste Instrument auf dem Armaturenbrett der Wirtschaftspolitik
           und somit Leitindikator der wirtschaftlichen Entwicklung, da es z. B. mit Gesundheit, Bil-
           dung, Freiheit, Lebensstandard und Glück korreliert. 17

8
     Kuznets (Wirtschaftsnobelpreis 1971) befasste sich mit den Gründen des wirtschaftlichen Wachstums, die zu
     vertieften Einsichten in die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen und Entwicklungsprozesse führten.
9
     Ein nicht erfasster Beitrag an die Wertschöpfung stellt die Haushaltsproduktion dar, d. h. die unbezahlte Arbeit.
     2016 wurden in der Schweiz 9,2 Mrd. Stunden unbezahlt gearbeitet. Dies sind über 1 Mrd. Stunden mehr als
     für bezahlte Arbeit aufgewendet wurden. Der monetäre Wert der unbezahlten Arbeit wurde 2016 auf 408 Mrd.
     Fr. geschätzt. Dies entspricht rund zwei Drittel des BIP. Vgl. hierzu BFS (2017). Der Wert der unbezahlten
     Arbeit: Satellitenkonto Haushaltsproduktion 2016, Medienmitteilung vom 11. Dezember, Neuchâtel, 5 S.
10
     http://hdr.undp.org/en/content/human-development-index-hdi
11
     http://sdg.iisd.org/news/unu-unep-launch-inclusive-wealth-index-for-measuring-sustainability
12
     http://www.oecdbetterlifeindex.org
13
     http://happyplanetindex.org
14
     https://goodcountry.org/good-country/data-treatment
15
     Einen weiteren Ansatz bietet das kleine Königreich Bhutan im Himalaya: Dort gilt nicht das BIP als Mass aller
     Dinge, sondern das Bruttonationalglück. So bezeichnen sich 40% der Einwohner als glücklich. Vgl. UBS
     (2017). UBS Magazin – Kopf hoch. Warum Optimismus guttut, Zürich, S. 5. Bhutan hat 1991 im Zuge der
     politischen Öffnung die Genfer Konventionen unterzeichnet und ist seither dem Humanitären Völkerrecht ver-
     pflichtet. Dies bedingt auch eine nationale Rotkreuzgesellschaft im Rahmen der Internationalen Rotkreuz- und
     Rothalbmond-Bewegung, deren Ursprünge auf den Genfer Henry Dunant (1828–1910; erster Friedensnobel-
     preis 1901) zurückgehen. Vgl. Mathis D., Schindler K. (2018). Die Geburt eines neuen Roten Kreuzes, in: SRK
     (Hrsg.) Humanité 1, S. 26f.
16
     http://worldhappiness.report. Gemäss diesem Bericht sind die fünf glücklichsten Länder: Finnland, Norwegen,
     Dänemark, Island und die Schweiz. Vgl. auch Moore, B. (2019). In der Ruhe liegt das Glück, in Tages-Anzeiger
     (Hrsg.) Das Magazin No. 3, 16. Februar, S. 5.
17
     Vgl. (1) Scheidegger, E. (2018). Das BIP als unerlässlicher Kompass, in: SECO (Hrsg.). Die Volkswirtschaft –
     Plattform für Wirtschaftspolitik, Nr. 3, S. 6ff.; (2) Coyle, D. (2014). GDP – A Brief but Affectionate History.
     Princeton University Press, Princeton. 168 S., oder (3) Jackson, T. (2013). Wohlstand ohne Wachstum – Leben
     und Wirtschaften in einer endlichen Welt, oekom Verlag, München, 248 S.

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•    Der internationale Standard System of National Accounts 18 (SNA) dient der Berechnung
           des BIP und wurde 1968 durch die Statistikkommission der UNO entwickelt. Ausgehend
           vom SNA-Konzept baute die (damalige) Europäische Gemeinschaft (EG) ein eigenes
           System nach ihren Bedürfnissen auf: das Europäische System Volkswirtschaftlicher Ge-
           samtrechnungen (ESVG). Gemeinsam mit den EU-Ländern hat die Schweiz Ende Sep-
           tember 2014 die Version ESVG 2010 eingeführt. Dabei wurden ab 1995 revidierte Jah-
           res- und Quartalsdaten vom Bundesamt für Statistik (BFS) 19 und vom Staatssekretariat
           für Wirtschaft (SECO) berechnet, in denen z. B. auch die Kapitalisierung der Ausgaben
           für Forschung und Entwicklung (F&E), für Kriegsmaterial sowie für Drogen und Prostitu-
           tion enthalten ist. Sämtliche in Tabelle 1 ausgewiesenen Daten basieren auf der Methode
           ESVG 2010.
           In den letzten Jahren äusserten die Nutzerinnen und Nutzer der Volkswirtschaftlichen
           Gesamtrechnung (VGR) ein Bedürfnis nach weiterführenden Informationen zur Entwick-
           lung des Finanzsektors. So nimmt dessen Regulierung zu, ohne dass dabei ein direkter
           Einfluss auf die Daten beobachtet werden kann. Die zunehmende Digitalisierung 20 der
           Finanzgeschäfte sowie die Entwicklung des Schattenbankenwesens 21 werden im Rah-
           men der VGR ebenfalls noch nicht komplett erfasst. Diese Veränderungen werden in ver-
           schiedenen internationalen Arbeitsgruppen besprochen, um die VGR konzeptuell oder
           methodisch anzupassen. Die nächste Revision ist für 2020 vorgesehen, wobei die Ent-
           wicklung von neuen Erhebungssystemen oder die Einführung neuer statistischer Quellen
           einen Einfluss auf die Schätzungen im Finanzsektor haben könnten. 22

      •    Die Daten zur Wertschöpfung (BIP) während eines bestimmten Jahres werden durch das
           SECO als Schätzung jeweils anfangs März des Folgejahres veröffentlicht. Die endgülti-
           gen Ergebnisse folgen anfangs September dieses Folgejahres. Das SECO führt für jedes
           Quartal eine BIP-Schätzung durch. Diese quartalsweisen Schätzungen der BIP-
           Datenwerte liefern den Wirtschaftsakteuren frühzeitig eine erste Einschätzung der Kon-
           junkturentwicklung. 23

      •    Die Werte sind in nominalen Grössen, d. h. zu laufenden Preisen angegeben. Die Preise
           werden somit nicht um die Inflation respektive Deflation bereinigt. 24 Verwechseln Unter-

18
     Konzept der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.
19
     Das BFS stellt nebst der SNB eine weitere bedeutende Primärquelle für die Bundespublikation Finanzstandort
     Schweiz – Kennzahlen dar. Dieses Amt wurde 1860 in Bern als Eidgenössisches Statistisches Büro gegründet
     – nahezu 50 Jahre vor der SNB. Seit 1998 ist sein Sitz in Neuenburg. Das Bundesstatistikgesetz (BstatG)
     bezweckt gemäss Art. 1 u. a., der Wirtschaft und der Öffentlichkeit statistische Ergebnisse zur Verfügung zu
     stellen (https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19920252/index.html).
20
     Die Digitalisierung im Finanzsektor wird auch mit dem Begriff Financial Technology (Fintech) umschrieben.
     Dabei handelt es sich um innovative Software-Lösungen für Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse des
     Finanzsektors, wie z. B. Big Data Analytics, Chatbots, Crowdfunding, Personal Finance Management oder
     Smart Contracts. So hat 2018 die Zürcher Kantonalbank (ZKB) ein neues Beratungsmodell lanciert, das dem
     Kunden ermöglicht, sein Portfolio automatisch mit den Positionierungen ihres Chief Investment Officers (CIO)
     zu vergleichen. Nebst Fintech-Unternehmen gilt es auch, die GAFA-Konzerne und ihre Rolle im Finanzsektor
     zu berücksichtigen (GAFA = Google, Apple, Facebook, Amazon). Vgl. Affolter, Ch. (2017). Il faut être actif face
     aux fintechs, in: L’Agefi vom 30. November, S. 8. Da es seitens SNB und/oder BFS keine Daten zum Thema
     Fintech gibt, kann dieser Wirtschaftszweig in der Bundespublikation noch nicht vollständig abgebildet werden.
     Gemäss einer Erhebung von Swisscom gibt es in der Schweiz gegenwärtig 215 Fintech-Start-ups. Vgl. Credit
     Suisse (Hrsg.). Finanzplatz Schweiz 2018 – Von der Krise zum Wachstum, Zürich, S. 14. In der Schweiz füh-
     rend im Bereich Fintech sind die Städte Zug und Zürich. Vgl. Farine, M. (2018). Les investissements dans la
     fintech décollent, in: Le Temps vom 2. Juni, S. 14.
21
     Als Schattenbank (shadow bank) wird ein Finanzunternehmen bezeichnet, das ausserhalb des regulierten
     Bankensystems im Rahmen der Finanzintermediation tätig ist. Dem Schattenbankenwesen (shadow banking
     respektive parallel banking) werden zusätzlich zu den Unternehmen auch Aktivitäten wie z. B. Verbriefungs-
     transaktionen zugerechnet.
22
     Vgl. BFS (2017). BFS Aktuell, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 1995–2014, Analyse des Finanzsektors
     innerhalb der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Schweiz, Neuchâtel, 8 S.
23
     Vgl. Bachmann, A, Indergand, R. (2018). Quartalsschätzung verkürzt das Warten auf die BIP-Zahlen, in: SECO
     (Hrsg.). Die Volkswirtschaft – Plattform für Wirtschaftspolitik, Nr. 3, S. 18–22.
24
     In den Wertschöpfungsdaten ist ebenfalls nicht ersichtlich, ob Unternehmen Preise nach dem Sozialstatus
     eines privaten Haushalts oder nach anderen Kriterien differenzieren (sog. Prix à la tête du client; vgl.

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nehmen oder Haushalte nominale mit realen Grössen – die zu konstanten Preisen ermit-
           telt werden – so unterliegen sie der Geldillusion (sog. money illusion). Als Geld gilt nicht
           nur Bargeld, 25 sondern auch elektronisches Geld wie Buchgeld oder Kryptowährungen. 26
           Die bekannteste Kryptowährung ist Bitcoin (BTC), 27 die jedoch keinen Substanzwert hat
           wie z. B. Bargeld oder Aktien eines Unternehmens; andere bekannte Kryptowährungen
           sind Ether (ETH) und Litecoin (LTC). 28 Der Basler Mathematiker Daniel Bernoulli (1700–
           1782) erkannte bereits vor rund 300 Jahren, dass der Nutzen von zusätzlichem Geld
           (sog. Grenznutzen des Frankens) abnimmt, je mehr man schon davon besitzt. 29

Tabelle 2: Beschäftigte

      •    Die Daten zur Beschäftigungsstatistik (BESTA) werden seit 1925 quartalsweise durch
           das BFS erhoben. Die Werte beruhen heutzutage auf einer repräsentativen Stichprobe
           von 18‘000 Unternehmen respektive 65‘000 Betrieben im 2. und 3. Wirtschaftssektor. Ziel
           der Statistik ist die Erstellung von verschiedenen Konjunkturindikatoren, welche die Ent-
           wicklung der Beschäftigung in der Schweiz verfolgen. Die Datenwerte sind ab 1992 unter
           www.besta.bfs.admin.ch verfügbar, wobei sich die ausgewiesenen Quartalswerte jeweils
           auf den letzten Monat innerhalb eines Quartals (d.h. März, Juni, September oder Dezem-
           ber) beziehen. Somit handelt es sich weder um Monatsend- noch Monatsdurchschnitts-
           werte, sondern um die Summe sämtlicher innerhalb eines letzten Quartalsmonats be-
           schäftigten Personen. Eine Person wird nur einmal erfasst, auch wenn sie z. B. mehrere
           Teilzeitanstellungen hat, d. h. die BESTA ist personen- und nicht stellenorientiert. 30

     https://www.frc.ch/prix-a-la-tete-du-client). Dies liegt daran, dass das BIP ein makroökonomisches Gesamtag-
     gregat darstellt, in dem die mikroökonomische Preispolitik einzelner Unternehmer nicht erkennbar ist. Das BIP
     der Schweiz beträgt rund 0,9% des weltweiten BIP.
25
     Das Bargeld in Form von gedruckten Banknoten oder geprägten Münzen ist heute die bekannteste physische
     Form von Geld. Die Schweizer Banknoten werden im Auftrag der SNB seit 1911 durch die Orell Füssli Holding
     AG gedruckt; der gleichnamige Verlag existiert seit 1519 und gilt als eines der ältesten Gewerbeunternehmen
     der Schweiz. Dieses Zürcher Unternehmen druckte bereits 1848 die erste Banknote für die Leih- und Spar-
     kasse des Seebezirks im sankt-gallischen Uznach. Unter den Kunden gab und gibt es auch ausländische
     Auftraggeber, wie z. B. Ungarn, dessen Banknoten Orell Füssli bis 1924 druckte. Afghanistan und die Türkei
     zählen auch heutzutage zum Kundenkreis der SNB. Vgl. Musée National Suisse (ed.). De la Bible au billet de
     banque, in: Magazine, No. 1/2019, Zurich, S. 12–13.
     Die 1872 gegründete Papierfabrik Landquart stellt heute unter dem Namen LandQart Spezial- und Sicherheits-
     papier für den internationalen Markt her, so z. B. auch für die Herstellung von Schweizer- und Euro-Banknoten.
     Vgl. Rätisches Museum (2015). Arbeit und Brot, S. 17. Im Dezember 2017 übernahm die SNB 90% der Unter-
     nehmensanteile der LandQart AG (www.landqart.com). Die Schweizer Münzen werden durch Swissmint –
     vormals die Eidgenössische Münzstätte – geprägt und über die SNB in Umlauf gebracht
     (http://www.swissmint.ch). In der Stadt Zürich besass seit dem 11. Jahrhundert, d. h. vor der Gründung der
     Alten Eidgenossenschaft mittels Rütlischwur (1291), die Abtei Fraumünster das königliche Münzrecht. Diese
     Epoche endete mit der kirchlichen Erneuerungsbewegung der Reformation, die 1517 mit Martin Luthers (1483–
     1546) Thesen am Tor der Wittenberger Schlosskirche begonnen haben soll. Er prangerte u. a. die breit ange-
     legte Kapitalisierung des Ablasses an, mit dem die Kirche in einer Verbindung aus Seelsorge und Finanzderi-
     vaten das verbriefte (Seelen-)Heil verkaufte und auf diese Weise ihre Haushaltslöcher stopfte.
26
     Dies zeigt sich auch beim Ausfüllen der Steuererklärung und des dazugehörigen Wertschriftenverzeichnisses.
     Kryptowährungen sind offenzulegen, da ihr Besitz vergleichbar ist mit jenem von Bargeld und Edelmetallen.
     Vgl. Lehmann-Maldonado, St. (2019). Was gehört wie ins Wertschriftenverzeichnis, in: ZKB (Hrsg.). Meine
     Vorsorge – Das Magazin zu Vorsorge, Nachfolge und Steuern, Februar, S. 7–9.
27
     Bitcoin wurde 2007 vom unbekannten Satoshi Nakamoto erfunden. 2010 erfolgte die erste Zahlung. Vgl. Vereb,
     K. (2018). Das Geld zählt – Wie geht man richtig damit um?, in: Coopzeitung vom 16. Januar, S. 12–17. Am
     16. Februar 2018 hat die FINMA eine Wegleitung für Unterstellungsanfragen betreffend Initial Coin Offerings
     (ICOs) veröffentlicht. Bei einem ICO überweisen die Anleger finanzielle Mittel in der Regel in Form von Kryp-
     towährungen an den ICO-Organisator (https://www.finma.ch/de/news/2018/02/20180216-mm-ico-wegleitung).
     Kryptowährungen basieren auf dem Blockchain-Konzept und der damit verbundenen Distributed-Ledger-Tech-
     nologie (sog. verteiltes Kontenbuch). Diese ermöglicht einen dezentralen Geldtransfer ohne Zwischenschal-
     tung einer zentralen Gegenpartei. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) beschäftigt sich mit
     der Frage, ob Kryptowährungen langfristig eine Rolle im Geldsystem spielen können; vgl. BIZ (2018). Wirt-
     schaftsbericht – Kapitel V. Kryptowährungen: ein Blick hinter den Hype, Basel, 28 S. Am 27. März 2019 exis-
     tierten weltweit 2129 unterschiedliche Kryptowährungen, deren Marktkapitalisierung 141 Mrd. US-Dollars be-
     trug; vgl. https://coinmarketcap.com.
28
     Am 27. März 2019 wurden diese drei Kryptowährungen zu folgenden Wechselkursen gehandelt: 1 BTC =
     4049 US-Dollars; 1 ETH = 139 US-Dollars und 1 LTC = 61 US-Dollars.
29
     Eine in der Umgangssprache gebräuchliche Bezeichnung für Geld ist das aramäische Wort Mammon.
30
     Deshalb werden die Werte der BESTA in Vollzeitäquivalenten (VZÄ) und nicht in Arbeitsstellen ausgewiesen.

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•     Diese Tabelle gliedert sich in die drei Kategorien der Finanzdienstleistungen (NOGA 64),
           Versicherungsdienstleistungen (NOGA 65) und Mit Finanz- und Versicherungsdienstleis-
           tungen verbundene Tätigkeiten (NOGA 66). NOGA bezeichnet die Allgemeine Systema-
           tik der Wirtschaftszweige respektive die Nomenclature générale des Activités écono-
           miques. 31 Dieses System datiert von 2008 und ist nahezu kompatibel mit der EU-
           Systematik der Wirtschaftszweige (Nomenclature statistique des activités économiques
           dans la Communauté européenne, NACE). Mit NOGA lassen sich wirtschaftliche Aktivi-
           täten in 85 Wirtschaftszweige klassieren, auf fünf Stufen untergliedern und international
           bis auf die vierte Stufe vergleichen; die fünfte Stufe lässt nationale Besonderheiten zu.
           Die Kodierung umfasst 2- bis 6-stellige Ziffern, die oberste (Branchen-)Stufe wird mit ei-
           nem Buchstaben gekennzeichnet. Die drei Wirtschaftszweige 64, 65 und 66 entsprechen
           zusammen dem Abschnitt K „Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistun-
           gen“. Nebst NOGA gibt es auch eine statistische Systematik von Eurostat zur eindeutigen
           Identifizierung und Klassifizierung von Raumeinheiten innerhalb Europas (Nomenclature
           des unités territoriales statistiques, NUTS). Dabei decken sich die sieben Grossregionen
           in der Schweiz mit NUTS 2. Als Schweizer Grossregionen gelten: Espace Mittelland,
           Genferseeregion, Nordwestschweiz, Ostschweiz, Tessin, Zentralschweiz und Zürich.

     •     Im Februar 2016 wurden sämtliche BESTA-Ergebnisse umfassend revidiert veröffent-
           licht. Die Revision hat rückwirkend grundsätzlich zwei Effekte auf die ausgewiesenen
           Beschäftigten am Finanzstandort: (1) Die Werte für das Total des Finanzstandorts
           (NOGA 64–66) wurden für die Jahre 1991–2003 leicht nach unten revidiert, während die-
           jenigen für die Jahre 2004–2015 leicht nach oben korrigiert wurden. (2) Deutlich mehr
           Beschäftigte wurden dem Wirtschaftszweig Mit Finanz- und Versicherungsdienstleistun-
           gen verbundene Tätigkeiten (NOGA 66) zugeschrieben und zwar vor allem auf Kosten
           der Versicherungsdienstleistungen (NOGA 65).

     •     NOGA 66 beinhaltet u. a. den Effekten- und Warenhandel, aber auch Fondsleitungen
           und -management. 32 Dieser Wirtschaftszweig wird in Tabelle 1 im Rahmen der Erfassung
           der Wertschöpfung nicht separat ausgewiesen, sondern auf die Finanzdienstleistungen
           (NOGA 64) und Versicherungsdienstleistungen (NOGA 65) aufgeteilt, wobei der Vertei-
           lungsschlüssel dem EFD/SIF nicht bekannt ist.

     •     Die Gesamtbeschäftigung beinhaltet die Beschäftigten in Vollzeitäquivalenten (VZÄ) im
           2. und 3. Wirtschaftssektor, d. h. diejenigen im Industriebereich (NOGA 05–43) und
           Dienstleistungsbereich (NOGA 45–96). 33 Die rund 100‘000 VZÄ im 1. Sektor (u. a. Land-
           und Forstwirtschaft; NOGA 01–03) werden in der Gesamtbeschäftigung nicht berücksich-
           tigt.

31
     https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/industrie-dienstleistungen/nomenklaturen/noga.html
32
     Z. B. die Tätigkeiten von unabhängigen Vermögensverwaltern (External Asset Managers; EAMs). Die rund
     2500 EAMs am Finanzstandort Schweiz betreuen Vermögenswerte Dritter aufgrund von Vollmachten. Laut
     Schätzungen belaufen sich diese Gesamtvermögen auf 400–600 Mrd. Fr. Vgl. Grundlehner, W. (2018). Das
     angekündigte Sterben bleibt aus: Die unabhängigen Vermögensverwalter behaupten sich – auch in neuen
     Organisationsformen, in: NZZ vom 7. Mai, S. 26. Nebst EAMs sind auch Stiftungen in NOGA 66 enthalten, die
     öfters gemeinnützige, kulturelle oder wissenschaftliche Aktivitäten finanzieren.
33
     Für die folgenden elf Nummerierungen gibt es sowohl in NOGA als auch in NACE keinen Wirtschaftszweig:
     04, 34, 40, 44, 48, 54, 57, 67, 76, 83 und 89. Diese Auslassungen wurden gezielt vorgenommen, um Möglich-
     keiten einer Anpassung der Systeme zu haben, die z. B. aufgrund der Wirtschaftsentwicklung nötig wird. Mit
     der Nummer 67 besteht eine Auslassung im Abschnitt K, womit nebst NOGA 64–66 ein vierter Wirtschafts-
     zweig im Bereich des Finanzstandorts eingeführt werden könnte. Dieser Wirtschaftszweig könnte z. B. den
     noch nicht vollständig erfassten Bereich Fintech abdecken. Dies wären z. B. Aktivitäten von Unternehmen
     ausserhalb des klassischen Finanzsektors (z. B. die als UBS-Spin-off gegründete Firma Chain IQ), welche
     Banken und Versicherer mit neuen Produkten ausstatten oder ihnen die Auslagerung von Dienstleistungen
     ermöglichen. Demgegenüber wird z. B. eine bankinterne Entwicklung einer App zum Tätigen von Bankge-
     schäften bereits innerhalb NOGA 64 erfasst.

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•    Die SNB veröffentlicht in ihrer Jahresendstatistik ebenfalls Angaben zum Personalbe-
           stand bei den Banken. Im Gegensatz zur BESTA des BFS wird jedoch nicht der gesamte
           Wirtschaftszweig NOGA 64 berücksichtigt, sondern nur die Subsamples NOGA 641902–
           641911. Diese Subsamples decken die Bankengruppen der Geschäftsbanken ab. 34 So-
           mit erfasst die SNB den Personalbestand bei Instituten mit besonderem Geschäftskreis
           nicht (z. B. die Pfandbriefzentrale, die Pfandbriefbank oder die SIS x-clear AG). Entspre-
           chend fällt der von der SNB ausgewiesene Personalbestand etwas geringer aus als der-
           jenige in der BESTA. 35

Tabelle 3: Steueraufkommen

      •    Natürliche Personen (Arbeitnehmer): Das Staatssekretariat für internationale Finanzfra-
           gen (SIF) berechnet die Steuerbelastung der Haushalte auf allen drei Staatsebenen für
           die Städte Zürich ZH, Genf GE und Lugano TI. 36 Als Basis dient der jährliche Bruttolohn
           (Zentralwert) im Finanzbereich in diesen drei Städten gemäss Schweizerischer Lohn-
           strukturerhebung (LSE). 37 Als wirtschaftlicher Finanzstandort gelten die drei Wirtschafts-
           zweige NOGA 64–66. Die Steuerbelastung wird jeweils für die drei Steuertypen Verhei-
           ratet mit zwei Kindern (inkl. Einelternfamilien), Verheiratet ohne Kinder und Ledig
           ermittelt. Aus diesen Steuerbelastungen der drei Städte und drei Steuertypen wird ein
           gewichteter Durchschnitt als Schätzwert für die Steuerbelastung des gesamten Finanz-
           standorts berechnet. Die Gewichtung erfolgt anhand der prozentualen Verteilung der
           Summe aller Reineinkommen (für direkte Bundessteuer massgeblicher Nettolohn) in den
           drei genannten Städten. Für diese Gewichtung werden als Approximation die Steuer-
           pflichtigen mit einer direkten Bundessteuer verwendet. Die ermittelte durchschnittliche
           Steuerbelastung wird mit dem Total der Anzahl VZÄ-Beschäftigten am Finanzstandort
           gemäss BESTA multipliziert. 38
           Die LSE wurde erstmals 1994 durch das BFS durchgeführt und liefert seither alle zwei
           Jahre detaillierte Informationen zu Lohnniveau, -komponenten und -struktur in der
           Schweizer Volkswirtschaft. Anlässlich der 10. Ausgabe (2012) hat das BFS eine Revision
           der LSE durchgeführt. Wichtige Neuerungen betrafen einerseits die einheitliche Definition
           der Lohnkomponenten gemäss Standards, die in den Unternehmen geläufig sind (Lohn-
           arten in der Lohnbuchhaltung, Rubriken des Lohnausweises usw.) und die von anderen
           Lohndaten erhebenden Verwaltungseinheiten anerkannt sind, wie z. B. Ausgleichskas-
           sen, Steuerverwaltungen, Versicherer und die Schweizerische Unfallversicherungsan-
           stalt (SUVA). Andererseits wird auch eine detailliertere Aufgliederung der Entlöhnung
           vorgenommen, um auch ohne zusätzliche Direkterhebungen über Daten zu den Arbeits-
           kosten und zu den Lohnnebenleistungen (Fringe Benefits) zu verfügen.

34
     Die einzelnen Bankengruppen werden in der Bundespublikation (Tabelle 6 und Abbildung 3) genannt.
35
     Nebst Berücksichtigung unterschiedlicher statistischer Gruppierungen (sog. Subsamples) können auch Son-
     dereffekte Auswirkungen auf den ausgewiesenen Personalbestand haben. So haben die beiden Grossbanken
     UBS Group AG und Credit Suisse Group AG im Zuge der Too-big-to-fail-Regulierung ihre Organisation ange-
     passt und zentrale Dienstleistungsstellen eingerichtet, die über keine Banklizenz verfügen und somit statistisch
     nicht erfasst werden, Vgl. Gallarott, E. (2018). Banken beschäftigen etwas weniger Personal – Der starke
     Rückgang in der Statistik ist auf einen verzerrenden Sondereffekt zurückzuführen, in: NZZ vom 29. Juni, S. 25.
     Zugleich lassen sich aber auch gegenläufige Entwicklungen beobachten, bei denen (dieselben) Banken eine
     Strategie des Insourcing betreiben. Vgl. Imwinkelried, D. (2018). Die UBS holt Fachkräfte zurück in die Firma,
     In: NZZ vom 17. August, S. 23.
36
     Diese drei Städte dienen als geografische Approximation für den Finanzstandort Schweiz. Zugleich sind dies
     die einzigen drei Schweizer Finanzplätze, die im Global Financial Centres Index (GFCI) bewertet werden kön-
     nen und entsprechend über ein Ranking verfügen. Vgl. hierzu auch die Ausführungen zu Abbildung 1 in diesen
     Erläuterungen. Eine vorwiegend statistische Untersuchung des Finanzplatzes Tessin bietet: Centro di Studi
     Bancari (Hrsg.). La piazza finanziaria ticinese 2017, Vezia, 71 S.
37
     https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/arbeit-erwerb/erhebungen/lse.html
38
     Hierzu wird der Durchschnitt der vier Quartalswerte der VZÄ-Beschäftigten während eines Jahres berechnet.

Seite 7 von 27
Das BFS hat die 13. Erhebung im Januar 2019 begonnen, die das Jahr 2018 abdeckt.
           Voraussichtlich werden die Ergebnisse der LSE 2018 im Mai 2020 publiziert werden, wo-
           mit sie erstmals für die Ausgabe Oktober 2020 der Publikation „Finanzstandort Schweiz
           – Kennzahlen“ berücksichtigt werden können.

     •     Juristische Personen (Arbeitgeber): Das Steueraufkommen der Banken wird durch die
           SNB veröffentlicht, dasjenige der Versicherer durch die Eidgenössische Finanzmarktauf-
           sicht (FINMA). In diesen Unternehmen sind die Krankenkassen sowie die ausländischen
           Niederlassungen von Versicherern in der Schweiz nicht enthalten. Ebenfalls nicht be-
           rücksichtigt in dieser Rubrik werden die Ertrags- und Kapitalsteuern der übrigen Finanz-
           dienstleister (NOGA 66).

     •     Abgrenzung des Steueraufkommens des Finanzstandorts: (1) Nicht berücksichtigt sind
           die Gewinnausschüttungen des Finanzstandorts, die beim Empfänger steuerpflichtig
           werden sowie die Stempelabgaben und die Verrechnungssteuer. (2) Makroökonomische
           Wirkungsanalysen zeigen, dass die Nachfrage der Akteure im Finanzsektor nach Vor-
           leistungen aus anderen Branchen zu weiteren Wertschöpfungs- und Steuereffekten im
           Finanzsektor führen können. Dieses indirekt generierte Steueraufkommen wird ebenfalls
           nicht erfasst. 39

     •     Steuern auf Einkommen und Vermögen (Bund, Kantone und Gemeinden): Die Eidgenös-
           sische Finanzverwaltung (EFV) ermittelt das gesamte direkte Steueraufkommen, das
           sich aus zwei Hauptkomponenten zusammensetzt: (1) den direkten Steuern natürlicher
           Personen (insbesondere Einkommen-, Vermögens- und Quellensteuern) und (2) den di-
           rekten Steuern juristischer Personen (insbesondere Gewinn-, Kapital- und Quellensteu-
           ern). Nicht berücksichtigt in den Steuern auf Einkommen und Vermögen (= direkte Steu-
           ern) werden die Verrechnungs-, die Grund-, die Vermögensgewinn-, die
           Vermögensverkehr-, die Erbschafts- und Schenkungssteuern sowie die Spielbanken-
           und Spielautomatenabgabe. Ebenso finden auch sämtliche Besitz- und Aufwand-, Ver-
           brauchssteuern, Verkehrsabgaben sowie Zölle keinen Eingang in das gesamte Steuer-
           aufkommen.

39
     In zwei Studien wird eine Schätzung dieser indirekten Effekte vorgenommen: Vgl. hierzu die Ausführungen zu
     Abbildung 1 in diesen Erläuterungen.

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2. Globale Integration

Tabelle 4: Netto-Exporte

      •    Die Systematik der Zahlungsbilanz und diejenige des Auslandvermögens wurden 2014
           auf den neuen Zahlungsbilanzstandard des Internationalen Währungsfonds (IWF) umge-
           stellt (Balance of Payments and International Investment Position Manual, Sixth Edition;
           BPM6). 40 Erstmals wurden die Ergebnisse der Zahlungsbilanz und des Auslandvermö-
           gens per 1. Quartal 2014 gemäss diesem neuen Standard veröffentlicht. Im Zusammen-
           hang mit der Umstellung auf BPM6 wurden auch erstmals die Ergebnisse der neuen
           Leistungsbilanzerhebungen publiziert. Zur Modernisierung der beiden Systematiken ge-
           hören auch (1) die Erfüllung der Anforderungen aus dem bilateralen Statistikabkommen
           mit der EU und (2) die Revision der Direktinvestitionsstatistik gemäss dem neuen Hand-
           buch der OECD (Benchmark Definition of Foreign Direct Investment, Fourth Edition;
           BMD4). Beide Elemente wurden 2015 implementiert.

      •    Die internationale Verflechtung des Finanzplatzes erklärt auch das Interesse der Schweiz
           an der Rechtsentwicklung wichtiger Partnerländer. Standards können bei der Erstellung
           und Weiterentwicklung nationaler Regeln als Massstab dienen. Insbesondere anerkannte
           internationale Standards eignen sich, gleich lange Spiesse – also ein level-playing-field
           – zwischen Ländern zu schaffen. Dadurch wird die grenzüberschreitende Erbringung von
           Finanz- und Versicherungsdienstleistungen erleichtert. Wichtige Bereiche für den Finanz-
           standort Schweiz sind hierbei die Vermögensverwaltung und das Asset Management für
           private und institutionelle Anleger im Ausland, 41 wobei die Betreuung ausländischer Kun-
           den aus der Schweiz erfolgen sollte (sog. Marktzugang). Dadurch kann der Beitrag an
           die Wertschöpfung am Standort Schweiz anfallen. 42 Die Schweiz hat zwecks Stabilität
           und Verlässlichkeit ihrer Beziehungen zu anderen Ländern insgesamt rund 4000 bilate-
           rale Verträge – oft mit Nachbarstaaten – und rund 1000 multilaterale Verträge abge-
           schlossen.

Tabelle 5: Direktinvestitionen

      •    Direktinvestitionen sind eine Form des Kapitaltransfers. Dabei kann ein Mutterunterneh-
           men am Finanzstandort Schweiz Tochterunternehmen im Ausland errichten oder Betei-
           ligungen an ausländischen Unternehmen erwerben. Aus Sicht des Mutterunternehmens
           gibt es zahlreiche Gründe, die für Investitionen im Ausland sprechen können, wie z. B.
           Öffnung des Marktzugangs, niedrigere Löhne und/oder steuerliche Vorteile. Die in der
           Bundespublikation festgehaltene Erkenntnis, dass die Verflechtung von Volkswirtschaf-
           ten den menschlichen Zusammenhalt fördere, geht auf den österreichischen-amerikani-
           schen Wirtschaftswissenschafter Ludwig von Mises (1881–1973) zurück. 43

40
     Vgl. https://www.imf.org/external/pubs/ft/bop/2007/bopman6.htm. Der IWF wurde zusammen mit der Weltbank
     nach dem Zweiten Weltkrieg als Bretton-Woods-System gegründet. Dieses wurde nach dem gleichnamigen
     Ort im US-Bundesstaat New Hampshire benannt, wo 1944 Vertreter der späteren Siegermächte das entspre-
     chende Abkommen unterzeichneten. Diese internationale Währungsordnung sah Wechselkursbandbreiten
     vor, in dessen Zentrum der US-Dollar stand, zu dem alle anderen Währungen ein fixes Wechselverhältnis
     hatten. 1973 wurde das System offiziell ausser Kraft gesetzt, und die meisten Länder gingen zu flexiblen Wech-
     selkursen über, wobei die beiden Bretton-Woods-Institutionen weiterhin bestehen. Die Schweiz ist ihnen 1992
     beigetreten.
41
     Vgl. auch Tabelle 8 in der Bundespublikation sowie die Ausführungen hierzu in diesen Erläuterungen.
42
     Vgl. Stofer, M. (2017). Finanzplatzpromotion Schweiz: Auf dem Weg zur institutionellen Implementierung, Mas-
     terarbeit an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern, S. 15f.
43
     Vgl. Boettke, P. J. (2005/2006). Von der Unmöglichkeit, kein Unternehmer zu sein – Soziale Kooperation prägt
     den Prozess der wirtschaftlichen Entwicklung, in: NZZ vom 31. Dezember/1. Januar, S. 29.

Seite 9 von 27
3. Banken und Kreditmarkt

Tabelle 6: Anzahl Banken

      •   Strukturwandel: 44 Der Konzentrationsprozess im Bankenwesen am Standort Schweiz
          lässt sich seit Jahrzehnten beobachten. Bereits im 19. Jahrhundert verlangte das indust-
          riell getriebene Wirtschaftswachstum nach grösseren Banken, da die kleineren Banken
          die Finanzierungsbedürfnisse bedeutender Unternehmen nicht erfüllen konnten. 45 Nebst
          den eigenen Wirkungen der Marktkräfte, kann auch der Staat über den Einsatz seines
          Politikinstrumentariums Einfluss auf die Marktentwicklungen nehmen, so z. B. über einen
          industriepolitischen Ansatz zur Förderung nationaler Champions. Wettbewerbspolitisch
          betrachtet ist eine Reduktion der Anzahl Bankinstitute das Ergebnis von Zusammen-
          schlüssen beziehungsweise Übernahmen oder Konkursen von Banken. Ebenso kann in
          seltenen Fällen eine (freiwillige) Rückgabe der Lizenz vorliegen. Neugründungen und der
          Marktzugang ausländischer Institute haben selbstverständlich einen positiven Effekt. Die
          Statistik zeigt letztlich nur den zumeist abnehmenden Gesamtsaldo (= Total der Institute
          mit einer Bankenbewilligung durch die FINMA). 46
          Die Entwicklung der Anzahl Geschäftsstellen am Standort Schweiz zwischen 1988–2017
          offenbart, dass sich diese von 5555 auf 2937 und somit um knapp die Hälfte vermindert
          hat. Die Anzahl Institute mit einer Bankenbewilligung reduzierte sich über denselben Zeit-
          raum von 626 auf 253 und somit gar um -60%. Damit verfügt ein Bankinstitut heutzutage
          über mehr Geschäftsstellen als früher – eine Entwicklung, die auch durch die Globalisie-
          rung getrieben wird. 47

44
     Der gebürtige österreichische Nationalökonom Joseph Alois Schumpeter (1883–1950) hat im Zusammenhang
     mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel den Begriff der kreativen respektive schöpferischen Zerstörung ge-
     prägt. Die Kernaussage lautet, dass jede ökonomische Entwicklung eine Neukombination von Produktionsfak-
     toren bedingt, wodurch alte Strukturen verdrängt und schliesslich eliminiert werden. Die Zerstörung ist also
     notwendig − und nicht etwa ein Systemfehler −, damit eine Neuordnung der Gesamtwirtschaft stattfinden kann.
     Vgl. hierzu Schumpeter, J. A. (1912). Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Berlin, 548 S.
45
     So ortete bereits der Ökonom und spätere Zürcher FDP-Bundesrat und EFD-Vorsteher Ernst Wetter (1877–
     1963) in unsoliden Geschäftspraktiken die Ursachen für die abnehmende Anzahl Banken. In seiner 1918 ver-
     öffentlichten Habilitationsschrift Bankkrisen und Bankkatastrophen der letzten Jahre in der Schweiz wies er
     darauf hin, dass kleinere Bankinstitute mit der zunehmenden Industriefinanzierung finanziell und organisato-
     risch überfordert seien.
46
     Im Gegensatz zu den Bankinstituten mit einer Lizenz der FINMA sind Unternehmen mit einer Fintech-Bewilli-
     gung bei der SNB für statistische Erhebungen nicht meldepflichtig. In der Folge werden hierzu keine offiziellen
     Daten publiziert. Diese Banklizenz „light“ respektive Fintech-Bewilligung wurde zusammen mit dem Finanz-
     dienstleistungsgesetz (FIDLEG) und dem Finanzinstitutsgesetz (FINIG) am 15. Juni 2018 durch die Bundes-
     versammlung angenommen und ist am 1. Januar 2019 in Kraft getreten. Vgl. Ruche, S. (2019). La licence
     fintech entre en vigeur, in: Le Temps vom 4. Februar, S. 13.
47
     Mittlerweile gibt es mehrere hundert Gemeinden in der Schweiz, die über keinen bedienten Bankschalter mehr
     verfügen. Vgl. Schmid, S.; Heim, M. (2017). Hunderte von Schweizer Bankenfilialen haben ihre Schalter ge-
     schlossen, in: Handelszeitung vom 13. Dezember. Im letzten Jahrhundert konnten Kunden der Schweizeri-
     schen Kreditanstalt (SKA) nahe des Zürcher Paradeplatzes direkt mit ihrem Fahrzeug an einen bedienten
     Bankschalter vorfahren und vom Auto aus Geld abheben oder andere Bankgeschäfte tätigen. Diese Drive-in-
     Bank war die erste Autobank der Schweiz und wurde zwischen 1962 und 1983 betrieben. Sie galt damals als
     grösste und modernste Anlage Europas. Heute befindet sich an dieser Lokalität das Forum St. Peter der Credit
     Suisse. Die nahe gelegene Kirche St. Peter ist der erste protestantische Sakralbau in der Stadt Zürich nach
     der Reformation und verfügt über das grösste Zifferblatt Europas. Vgl. Huber, M. (2017). Mit dem Auto in die
     Schalterhalle, in: Tages-Anzeiger vom 3. November, S. 23. Im Zuge der Anfänge der Digitalisierung eröffnete
     die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) 1987 an der Bahnhofstrasse in Zürich ihre erste elektronische
     Bank. Diese verfügte über Bancomaten und Automaten für den Fremdwährungsbezug. Der erste Bargeldau-
     tomat in der Schweiz ging 1967 ebenfalls in Zürich in Betrieb. Entsprechend warben in den 1960er Jahren
     auch Banken für Programmierer. 1969 beschloss die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG), ein Projekt zu
     lancieren, um ihr gesamtes Informationssystem zu digitalisieren. Sie scheiterte, weil sie es nicht verstand, dass
     Bankgeschäfte in den 1970er Jahren nur dann in den digitalen Raum verlegt werden können, wenn die Grund-
     strukturen einer Bank neu überdacht würden. Vgl. Gugerli, D. (2018). Wie die Welt in den Computer kam – Zur
     Entstehung digitaler Wirklichkeit, S. Fischer, Frankfurt a. M., 251 S. Die Credit Suisse AG erwartet in der
     Schweiz bis ins Jahr 2024 einen Mangel an 25'000 IT-Spezialisten. Vgl. Credit Suisse AG (Hrsg.) Bulletin
     2/2018 – Jobs of the Future, S. 12.

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•    Kantonalbanken: Von den 20 Voll- und sechs Halbkantonen verfügen sowohl der Kanton
           Appenzell Ausserrhoden (AR) als auch der Kanton Solothurn (SO) über keine Kantonal-
           bank mehr, womit seit Jahren ein Total von 24 Kantonalbanken ausgewiesen wird. Die
           Appenzell-Ausserrhodische Kantonalbank wurde nach jahrelangen erfolglosen Sanie-
           rungsversuchen per Ende 1996 aufgelöst bzw. von der damaligen Schweizerischen
           Bankgesellschaft (SBG) übernommen und vollständig in deren Konzernstruktur integriert.
           Bereits Anfang 1995 wurde die Solothurner Kantonalbank privatisiert und unter dem Na-
           men Solothurner Bank (SoBa) an den damaligen Schweizerischen Bankverein (SBV)
           veräussert. Aufgrund der Fusion des SBV mit der damaligen SBG 1998 zur UBS AG
           musste die SoBa aus wettbewerbspolitischen Überlegungen abgestossen werden. Die
           SoBa ging 2000 an die Basler Versicherung und wird noch heute unter dem Namen
           Baloise Bank SoBa geführt. In Basel entsteht seit Juni 2017 auf dem Areal der Basler
           Versicherung der Baloise Park – eine offene Arbeits- und Bewegungszone –, deren Fer-
           tigstellung für 2020 projektiert ist und sich gleich beim Bahnhof Basel SBB und nahe des
           BIZ-Turms befindet. 48
           Die Kantonalbanken sind insgesamt eine recht heterogene Gruppe: 49 Mit Abstand am
           grössten bezüglich Bilanzsumme ist die Zürcher Kantonalbank (ZKB). So war die Bilanz-
           summe der ZKB per Ende 2017 grösser als diejenige der nächsten vier Kantonalbanken
           zusammen (VD, BS, LU, SG) und 55 Mal grösser als diejenige der kleinsten Kantonal-
           bank (JU). 50 Die ZKB öffnete als Bank des Zürcher Volkes ihre Schalter 1870 an ihrem
           ersten Standort im leer stehenden Zeughaus am (damaligen) Feldhof – dem heutigen
           Paradeplatz. 51 Treibende Kraft war der Fabrikant und Kantonsrat Johann Jakob Keller
           (1823–1903) aus Fischenthal ZH. 1872 eröffnete die ZKB ihre Pfandleihkasse und bis
           zur Gründung der SNB 1907 gab sie eigene Banknoten heraus. 52 Auch heutzutage bildet
           der gesetzliche Leistungsauftrag das grundlegende Fundament der ZKB, 53 die ebenfalls
           ein Kooperationspartner des Human Rights Film Festival Zurich ist. Anlässlich ihres 150-
           Jahr-Jubiläums wird die ZKB auf der Zürcher Landiwiese am 29. Mai 2020 ihren Erleb-
           nisGarten eröffnen. Dieser wird während 45 Tagen eine Parklandschaft und ein Kultur-
           pavillon sowie auch hängende Gärten mit Schweizer Pflanzen bieten. 54

      •    Grossbanken: Im April 2015 wurde die UBS Schweiz AG als hundertprozentige Tochter
           der UBS AG gegründet. Sowohl Mutter- als auch Tochtergesellschaft sind seither in die
           gemeinsame Holdingstruktur der UBS Group AG eingebettet und fliessen als zwei Insti-
           tute in die statistische Bankengruppe der Grossbanken ein, weil sie beide über eine ei-
           gene Banklizenz der FINMA verfügen. Diese Umstrukturierung erfolgte aufgrund der Re-
           gulierung, um die erforderlichen Notfallpläne (sog. Testamente) durch eine Ex-ante-
           Trennung der systemrelevanten Funktionen zu erfüllen und den neuen Rechtsträger, d.
           h. die UBS Schweiz AG, damit zu betrauen. Als systemrelevant gelten z. B. das inländi-
           sche Kreditgeschäft oder der Zahlungsverkehr. In ihren Ursprüngen geht die UBS Group

48
     http://www.baloisepark.ch
49
     Der Begriff Kantonalbank ist trügerisch, denn einige dieser Banken bieten heutzutage nicht mehr ausschliess-
     lich auf ihrem ursprünglichen Hoheitsgebiet Produkte und Dienstleistungen an. Im Kanton Zürich finden sich
     z. B. auch Geschäftsstellen der Genfer, Luzerner und St. Galler Kantonalbank. Die Glarner Kantonalbank bietet
     mit ihrer Online-Hypothekenplattform schweizweit Hypotheken an (http://www.hypomat.ch). Ebenso können
     Personen mit Wohnsitz in der Schweiz bei der Schwyzer und der Walliser Kantonalbank eine Online-Hypothek
     abschliessen (www.e-hypo.ch). Die ZKB operiert gar in Österreich und Guernsey.
50
     Vgl. VSKB (2018). Die Kantonalbanken in Zahlen, Basel, 6 S. (www.kantonalbank.ch).
51
     Das Zürcher Stimmvolk, d. h. die damals über 20-jährigen Männer, sprach sich am 7. November 1869 mit 86
     Prozent Ja-Stimmen für die Staatsbank aus. Vgl. Statistisches Amt Kanton Zürich (Hrsg.) Von Glaubensfreiheit
     und Maikäfervertilgung, in: Kanton Zürich in Zahlen 2017, S. 11.
52
     Von den 24 Kantonalbanken wurden deren fünf nach der SNB gegründet (1907): die Aargauische Kantonal-
     bank (1913), die Banca dello Stato del Cantone Ticino (1915), die Banque Cantonale du Jura (1979), die
     Banque Cantonale du Valais (1917) und die Urner Kantonalbank (1915). Vgl. VSKB (2018). Die Kantonalban-
     ken in Zahlen, S. 2. Die älteste Kantonalbank ist die Banque Cantonale de Genève (1816), gefolgt von der
     Berner Kantonalbank (1834) und der Banque Cantonale Vaudoise (1845).
53
     Vgl. Schmid, M. (2016). Mit Volldampf voran, in: ZKB (Hrsg.). ZH – das Magazin der Zürcher Kantonalbank,
     No. 4, S. 18–23.
54
     https://2020.zkb.ch/de/erlebnisgarten

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AG auf die 1862 gegründete Bank in Winterthur zurück, die sich 1912 mit der Toggen-
           burger Bank zur SBG zusammenschloss. 1872 wurde der Basler Bankverein gegründet,
           aus dem 1897 nach mehreren Fusionen schliesslich der SBV hervorging. 55 1998 ent-
           stand aus den beiden Grossbanken SBG und SBV die UBS AG und damit der damals
           weltweit grösste Vermögensverwalter. 56 Grösster eingetragener Aktionär der UBS Group
           AG per 31. Dezember 2018 ist Chase Nominees Ltd. in London mit einem Anteil von
           12,08%.
           Auch die Credit Suisse Group AG hat im vierten Quartal 2016 die Struktur ihrer Gruppe
           aus regulatorischen Gründen angepasst. In der Schweiz hat sie dazu die Credit Suisse
           (Schweiz) AG als reine Tochtergesellschaft der Credit Suisse AG gegründet, die im No-
           vember 2016 den Betrieb als eigenständige Bank innerhalb der Holdingstruktur der Credit
           Suisse Group AG aufgenommen hat. 57 Analog zur UBS Group AG werden auch zwei
           Institute in der statistischen Bankengruppe der Grossbanken berücksichtigt. 58 Die Credit
           Suisse Group AG geht auf die Schweizerische Kreditanstalt (SKA) zurück, die 1856 durch
           Alfred Escher (1819–1882) gegründet wurde. 59 Die SKA finanzierte den Eisenbahnbau
           am Gotthard. Escher war gleichzeitig Verwaltungsratspräsident der SKA, Direktionsprä-
           sident der Nordostbahn, Präsident des Nationalrats und Präsident des zürcherischen
           Grossen Rates. 1857 gründete er die Schweizerische Lebensversicherungs- und Ren-
           tenanstalt (heute Swiss Life Holding AG) und 1863 – im Nachgang des Brandes von
           Glarus (1861) 60 – die Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft (heute Swiss Re
           AG). 61 1993 übernahm die SKA die genossenschaftlich strukturierte Schweizerische
           Volksbank (SVB), die 1869 von Vertretern aus Arbeiter-, Beamten- und Gewerbekreisen
           unter dem Namen Volksbank in Bern gegründet wurde und bereits in den 1870er Jahren
           mehrere Filialen inner- und ausserhalb des Kantons Bern eröffnete. Bereits drei Jahre

55
     Der SBV eröffnete bereits 1898 einen Sitz in London, womit sich der Basler Finanzplatz aussergewöhnlich früh
     international ausrichtete. Vgl. Erbacher, F. (2018). Bankenplatz mit bewegter Geschichte – Basler Bankiers
     legten die finanzielle Basis für die Industrialisierung der Schweiz, in Basler Zeitung vom 12. Februar, S. 7.
56
     Vgl. UBS AG (2012). 150 Jahre UBS, Zürich und Basel, 37 S. Bereits 1966 malte der Schweizer Schriftsteller
     Friedrich Dürrenmatt (1921–1990) das Ölbild Letzte Generalversammlung der Eidgenössischen Bankanstalt,
     in welchem das Ende einer Bank und ihrer Vertreter dargestellt wird. Inwiefern Dürrenmatt die Realität der
     1990er Jahre mit ihren zahlreichen Fusionen (sog. Fusionitis) bewusst vorwegnahm, ist unbekannt. Es mag
     Absichtslosigkeit gewesen sein, die insbesondere das literarische Werk Dürrenmatts in Form des Zufalls als
     ein herausragendes Leitthema durchzieht. Ein Finanzinstitut namens Eidgenössische Bankanstalt hat nie exis-
     tiert. Dürrenmatt bezeichnete mit diesem Namen auch keine einzelne Bank, sondern wies mit grotesker Ein-
     deutigkeit auf die Schweiz als Nation hin. Vgl. Strehle, R. (2016). Weitsichtiger als die Banquiers, in: Dyttrich,
     B.; Howald, St. (Hrsg.). Quer denken: Mascha Madörin – Über Antikolonialismus, Südafrika-Solidarität, Kritik
     am Schweizer Finanzplatz, feministische Wirtschaftstheorie und Care-Ökonomie, edition 8, Zürich, 144 S.
     Noch vor seinem Tod vermachte Dürrenmatt seinen literarischen Nachlass der Schweizerischen Eidgenos-
     senschaft. Seine zweite Ehefrau Charlotte Kerr (1927–2011) schenkte das Wohnhaus oberhalb von Neuen-
     burg ebenfalls der Eidgenossenschaft – dies verbunden mit einer Auflage: Es sollte in das neue Centre Dür-
     renmatt integriert werden, das nach Plänen des Tessiner Architekten Mario Botta (geb. 1943) errichtet und im
     Jahr 2000 eröffnet wurde. Vgl. BÄRN! Verlag (Hrsg.). BÄRN! MAGAZIN Ausgabe 3/2018, S. 33.
57
     Vgl. Credit Suisse (Schweiz) AG (Hrsg.) Unternehmensprofil 2018 – Engagement der Credit Suisse in der
     Schweiz, 16 S. Diese Bank pflegt verschiedene Partnerschaften in Sport und Kultur, so z. B. mit dem Concours
     Hippique International de Genève, dem Kunstmuseum in Bern und demjenigen in Basel, dem Lugano Arte e
     Cultura, dem Orchestre de la Suisse Romande, dem Schweizerischen Fussballverband, den St. Galler Fest-
     spielen, dem Zurich Film Festival und natürlich mit Roger Federer (geb. 1981).
58
     Die Aufteilung der Geschäftsbereiche der UBS Group AG und der Credit Suisse Group AG auf je zwei Bankin-
     stitute führt dazu, dass seither die finanziellen Verflechtungen zwischen den jeweiligen zwei Gruppeninstituten
     in den Daten der SNB gezeigt werden können.
59
     Im Jahr 2019 wird sowohl der 200. Geburtstag Alfred Eschers (https://www.alfred-escher.ch) als auch derje-
     nige des Schriftstellers Gottfried Keller (1819–1890) gefeiert.
60
     In einer Scheune am Landsgemeindeplatz brach am 10. Mai 1861 ein Feuer aus: Zwei Drittel von Glarus
     wurden zerstört und fast die Hälfte der 5000 Einwohner wurde obdachlos. 90% der betroffenen Personen mit
     einer Hausratpolice waren bei der genossenschaftlichen Mobiliar versichert. Diese ging aufgrund ihrer Zahlun-
     gen nahezu Konkurs, vor dem sie letztlich durch den Kanton Bern mit einem Darlehen bewahrt wurde. Vgl. Die
     Mobiliar (2018). Phönix aus der Asche, in: Mobirama – Herbstausgabe 2018, S. 2.
61
     Vgl. zum Aufstieg Zürichs zum Wirtschaftszentrum der Schweiz: (1) Wiget, Y. (2018). Wie Zürich zum Finanz-
     zentrum wurde, in: Tages-Anzeiger vom 12. Mai, S. 23 und (2) Schmid, M. (2016). Mit Volldampf voran, in:
     ZKB (Hrsg.). ZH – das Magazin der Zürcher Kantonalbank, No. 4, S. 18–23. Eschers Tochter Lydia Welti-
     Escher (1858–1891) war mit dem Sohn des damaligen FDP-Bundesrats Emil Welti (1825–1899) verheiratet.
     Sie vermachte 1890 ihr Vermögen in Form der Gottfried-Keller-Stiftung als Mäzenin der Schweizerischen Eid-
     genossenschaft. Nach Welti-Escher ist ein Hof neben dem Zürcher Kunsthaus benannt. Vgl. Heim, Ch. (2019).
     Eschers «irrer» Tochter sei Dank, in: Tages-Anzeiger vom 14. Februar, S. 35.

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