Slow-Food-Travel im Lesachtal - zu Besuch in Liesing
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1 Slow-Food-Travel im Lesachtal – zu Besuch in Liesing Katja Almberger Ausgangs- und Zielpunkt: Pfarrkirche Liesing, Gemeinde Lesachtal, pol. Bez. Hermagor Erreichbarkeit: PKW, Bus Schwierigkeitsgrad und Erfordernisse: Innerhalb des Ortsgebietes Liesing asphaltierte Wege mit geringeren Steigungen, außerhalb asphaltierte Straßen oder Forstwege, die festes Schuhwerk verlangen. Im Zuge der Wanderung auf die Oberrasteralm werden knapp über 600 Höhenmeter zurückgelegt. Sehenswürdigkeiten: Pfarrkirche Liesing (heiliger Nikolaus), Brotbackhaus am Stabentheiner-Hof, Oberrasteralm, Seiwald-Hütte, Mühlenstüberl Hofschenke Liesing, ein vermutlich bereits vor 1300 besiedelter Ort, liegt auf einer von Ost nach West gemächlich ansteigenden Kuppe, die am westlichen Rand in einen steil abfallenden Graben übergeht. Im Ort selbst befand sich in der Frühen Neuzeit der Sitz des Richters (Gericht Lesach) und bis heute der Sitz der Verwaltung der Gemeinde Lesachtal. Für den Tourismus und die Wirtschaft des Lesachtals bedeutete die Eröffnung der Tauernautobahn vor gut 45 Jahren einen massiven Einbruch: Der Urlaubsreiseverkehr verschob sich, Abwanderung, vor allem von jungen Menschen, war die Folge. Um diesem Trend entgegenzuwirken begann man in den 2010er Jahren gemeinsam mit der Slow-Food-Organisation um Carlo Petrini in Bra (Piemont) ein Projekt für das Lesachtal zu entwickeln. Ziel war es, sich auf die vielen hier erhalten gebliebenen Kulturtechniken (Brotbacken, Anbau von speziellen Getreide-, Obst- oder Gemüsesorten, Käseherstellung usw.) zu besinnen und in Form eines sanften Tourismus gemeinsam mit dem reichen Schatz an Kulturgütern zu vermitteln. Die Region wurde damit 2015 mit 13 Partnerbetrieben zur ersten Slow-Food-Travel-Destination der Welt. Mittlerweile beteiligen sich bereits 30 Betriebe. Wir beginnen unseren Ausflug am Rande des Dorfplatzes bei der Pfarrkirche Liesing, der größten und ältesten Pfarre im Tal. Der mittelgroße Kirchenbau ist dem heiligen Nikolaus geweiht. Zur Pfarre Liesing gehören die Filialkirchen von Klebas, Niedergail, Obergail, Oberring und Tscheltsch. Im Jahr 1321 wurde erstmals eine Kirche in Liesing erwähnt. Knapp hundert Jahre später, im Jahr 1429, wurde Liesing zur Pfarre erhoben. Im Zuge der Türkeneinfälle in Kärnten musste die Kirche 1485 von Bischof Pietro Carlo von Caorle neu geweiht werden. Im 18. Jahr- hundert kam es zu einer Erneuerung des Gewölbes, der Fenster und des Portals. 1869 wurde der Bau im neobarocken Stil renoviert, um dann 100 Jahre später wieder regotisiert zu werden. Der mittelgroße Bau des 15. Jahrhunderts setzt sich aus einem 3-jochigen Langhaus mit einem hohen Außenansicht Pfarrkirche Liesing, Satteldach und einem niedrigeren, 2-jochigen, ein- Foto: K. Almberger gezogenen Chor mit 3/8-Schluss zusammen. Newsletter Nr. 8/2021 Geschichtsverein für Kärnten
2 Das Langhaus wird nord- und südseitig von jeweils zwei Strebepfeilern gestützt, der Chor von dreikantigen Streben. Das an der nördlichen Chorwand angebrachte Christophorusfresko stammt aus dem 16. Jahrhundert und wurde 1936 restauriert. Im Süden schließt der Sakristei- turm mit Pilasterdekor von 1800 an den Chor an. Ausgestattet mit einem hohen Sockelgeschoss, in dem sich die Sakristei befindet, weist er Schießschartenöffnun- gen, Fenster mit Maßwerknasen und in den Spitzgiebelfeldern zweiteilige Kielbogenschallfens- ter mit Mittelsäulen auf. Bekrönt wird er von einem Spitzhelm. Wir betreten die Kirche durch das barockisierte Westportal. In sein- em Inneren ist der Bau ein typisches Beispiel für den Stil- wandel im Lauf der Geschichte: Im Barock fand man an den gotischen Rippengewölben kei- nen Gefallen und schlug sie ab. Im 19. Jahrhundert, der Blüte der Neugotik, wurden die Rippen in illusionistischer Darstellung wie- Detailansicht Christophorusfresko, Foto: K. Almberger der an die Decke gemalt. Blick auf den Hochaltar, Foto: K. Almberger Newsletter Nr. 8/2021 Geschichtsverein für Kärnten
3 Zur Einrichtung der Kirche zählt ein spätbarocker Hochaltar mit dem Kirchenpatron, dem heiligen Nikolaus, dem heiligen Petrus und der heiligen Margareta im Mittelfeld. Sie werden flankiert von vier barocken Heiligenfiguren (heiliger Josef und Johannes der Täufer). Über den Opfergangsportalen sind Statuen von Franz Xaver und Katharina von Siena angebracht. Die beiden neugotischen Seitenaltäre wurden, wie auch die Kanzel, in den Jahren 1868-1869 von Thomas Waldner angefertigt. Die Mittelfigur des linken Altars ist eine von Josef Bachleitner 1930 geschaffene Maria Immaculata. Besonders bemerkenswert sind die an der nördlichen und südlichen Chorwand angebrachten vier Schnitz- reliefs aus dem frühen 16. Jahrhundert des ehemali- gen spätgotischen Hochaltars mit Szenen aus der Le- gende des heiligen Nikolaus (Rettung eines Schiffes im Sturm, Getreidespende für Myra, die drei Jung- frauen und die goldenen Äpfel). Die Reliefs wurden um 1520 in der Werkstatt des Rupert Potsch aus Brixen angefertigt. Von der Pfarrkirche Liesing aus erreichen wir nach 2,4 Kilometern in Richtung Osten unseren zweiten Stopp: Den Stabentheiner-Hof mit dem ältesten erhaltenen Brotbackhaus der Region. Nach 1,8 Kilo- meter auf der Gailtaler Straße biegen wir rechts ab auf Stabenthein und erreichen nach 600 Metern besagten Hof, der sich seit mittlerweile 305 Jahren ohne Unter- Detailansicht des Schnitzreliefs der Rettung brechung im Besitz der Familie Stabentheiner befin- eines Schiffes im Sturm, Foto: K. Almberger det. Gemeinsam mit 29 weiteren Betrieben in der Re- gion Lesachtal, Gailtal, Gitschtal und Weißensee gehört der Stabentheiner-Hof zum Slow- Food-Travel-Netzwerk. Stabentheiner-Hof mit eigener Hauskapelle, Foto: K. Almberger Wer länger verweilen und die herrliche Natur genießen möchte, kann sich hier ein Zimmer buchen. Das Angebot reicht vom Frühstücksbuffet mit selbst erzeugten Lebensmitteln über ge- führte Wanderungen, traditionellen Brotbackkursen bis hin zur Mithilfe am Hof (Informationen unter: www.urlaubambauernhof.at/stabentheinerhof). Das Brotbackhaus in Stabenthein bei Liesing dürfte aus dem 19. Jahrhundert stammen und ist das älteste erhaltene Objekt dieser Art in der Region. Aufzeichnungen und mündliche Überlieferungen über sein Entstehen fehlen zur Gänze. Die Größe des Brotbackhauses lässt darauf schließen, dass hier nicht nur Brot für eine Newsletter Nr. 8/2021 Geschichtsverein für Kärnten
4 Familie gebacken wurde, sondern die ganze Ortschaft (früher drei Bauernhäuser) das Backhaus genutzt haben dürfte. Nicht nur aufgrund seines Alters sondern auch wegen seiner neueren Geschichte ist das Stabentheiner Brotbackhaus über- aus interessant: Eine genaue Kopie des Brotbackhauses befindet sich im Stadt- teil Ome von Tokio. Seit den 1970er Jahren hielt sich die japanische Ethnolo- gin Eiko Funada immer wieder im Le- sachtal auf und erforschte dabei das Lesachtaler Brot und die Brotkultur. Das Ergebnis wurde 2009 in ihrem Buch „Brot – Teil des Lebens“ publiziert. Im Jahr 2007 wurde ein japanischer Forst- wirtschaftsbetrieb auf Eiko Funadas Forschungsarbeit aufmerksam. Es folg- ten zahlreiche Gespräche mit dem Ko- mitee zum Lesachtaler Dorf- und Brot- fest und potenziellen Sponsoren. In der Firma Tamanourin AG wurde schließ- lich ein engagierter Projektträger gefun- den und Ende April 2008 konnte das Backhaus, in welchem Brot auf Le- sachtaler Art gebacken und vertrieben Brotbackhaus am Stabentheiner-Hof, Foto: K. Almberger wird, eröffnet werden. Brotbacken im Brotbackhaus am Stabentheiner-Hof, Foto: K. Almberger Unterstützt durch den Osttiroler Bäckermeister Ernst Joast reisten drei Lesachtaler Bäuerinnen, Elfriede Stabentheiner vom Stabentheiner-Hof, Monika Soukup und Josefine Unterguggen- Newsletter Nr. 8/2021 Geschichtsverein für Kärnten
5 berger, nach Japan und gaben ihr Wissen um das Schwarzbrot nach Lesachtaler Art weiter. Die Utensilien, die in Kärnten zum Brotbacken verwenden werden (Brotrahmen, Nudelbrett, Teigschaufel, Backgrutte und Backbrett) wurden von der im Lesachtal ansässigen Tischlerei Unterüberbacher angefertigt und nach Japan geliefert. Das Handwerk der Lesachtaler Brot- herstellung wurde 2010 zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe ernannt. Wer Zeit hat und gut zu Fuß ist, sollte vom Stabentheiner-Hof ausgehend eine Wanderung auf die Oberrasteralm in der Umgebung von Liesing ins Auge fassen. Von der Gailtaler Straße auf der gegenüberliegenden Seite von Stabenthein, gelangt man über einen 6 Kilometer langen Forstweg in ca. 2 Stunden zur Oberrasteralm, welche auf 1.615 Metern liegt. Insgesamt sind 637 Höhenmeter zu überwinden. Forstweg von Stabenthein zur Oberrasteralm, Foto: Almhütte, Foto: K. Almberger K. Almberger Die Oberrasteralm gilt als einer der schönsten Aussichtsplätze in den Gailtaler Alpen. Das vor uns liegende Lesachtal lässt sich ohne Einschränkung überblicken und ist im Süden auf Au- genhöhe mit den Karnischen Alpen. Auf der Oberrasteralm gibt es seit 2017 eine neue bewirtschaftete Almhütte, in die es sich für eine Stärkung einzukehren lohnt! Wer auf eine Brettljause verzichten möchte, sollte zumindest einen Schluck vom Quellwasser trinken – diesem wird für Magenbeschwerden eine heilende Wirkung nachgesagt. Von der Oberrasteralm ist nach gut 200 weiteren Höhenmetern in Richtung Nordosten die Motalpe am Fuße des Lumkofels zu erreichen. Für den Rückweg wählen wir den an Assing vorbei direkt zur Pfarrkirche Liesing führenden Wanderweg. Wir starten in südwestlicher Richtung und folgen ca. 60 Minuten lang einem breiten Almweg. Auf ca. 1.580 Metern Seehöhe erwartet uns hier die sogenannte Seiwald-Hütte bzw. die „alte Mühle“. Diese von Wald und Wiesen umgebene Hütte kann bei Bedarf für die Nacht gemietet werden. Wir bleiben auf dem schmäler gewordenen, gut beschilderten Almweg, der uns, begleitet von kleinen Rinnsalen, meist durch den Wald führt. Nach einem Abstieg von weiteren 150 Höhenmetern kommen wir am höchst- gelegenen Haus von Assing an. Über Pallas führt uns der Weg nach insgesamt ca. 5 Stunden Newsletter Nr. 8/2021 Geschichtsverein für Kärnten
6 Wanderzeit nun direkt zurück zum Dorfplatz von Liesing und damit zu unserem ursprünglichen Ausgangspunkt – der Pfarrkirche Liesing. Für Hungrige empfiehlt sich im Sinne unseres Mottos „Slow-Food-Travel“ auf dem Heimweg ein Umweg über Obergail und eine Einkehr in die von Familie Windbichler geführte Mühlen- stüberl Hofschenke. Neben Brettljause und Speckbrot kann man hier hausgemachte Schlipf- krapfen und auch außerhalb der Adventszeit Lesachtaler Stockplattl’n „morenden“ bzw. jausnen und anschließend gut gestärkt den Nachhauseweg antreten. Mühlenstüberl Hofschenke, Foto: K. Almberger Literatur: Bundesdenkmalamt (Hg), Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs: Kärnten. Liesing (Wien 20013), S. 467f. Dieter Neumann, Das Kärntner Lesachtal. Werden und Wandlungen einer bergbäuerlichen Kultur- und Wirtschaftslandschaft (= Das Kärntner Landesarchiv Band 6, Klagenfurt 1977) Onlinequellen: Günther Strobl, Wie Gail- und Lesachtal Vorreiter bei sanftem Tourismus wurden, online unter: https://www.derstandard.at/story/2000128884684/wie-gail-und-lesachtal-vorreiter-bei-sanftem- tourismus-wurden, aufgerufen am 27. September 2021. Österreichische UNESCO-Kommission, online unter: https://www.unesco.at/kultur/immaterielles- kulturerbe/oesterreichisches-verzeichnis/detail/article/lesachtaler-brotherstellung, aufgerufen am 27. September 2021. Urlaub am Bauernhof, online unter: https://www.urlaubambauernhof.at/de/magazin/Lesachtaler- Backbox-fuer-Tokio_bba_18396, aufgerufen am 27. September 2021. Alle Angaben zu den Ausflugtipps erfolgen ohne Gewähr. Jede Form der Haftung seitens des Geschichtsvereines für Kärnten und der Verfasser der Ausflugstipps ist ausgeschlossen. Newsletter Nr. 8/2021 Geschichtsverein für Kärnten
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