Slow-Food-Travel im Lesachtal - zu Besuch in Liesing

Die Seite wird erstellt Josef Henning
 
WEITER LESEN
Slow-Food-Travel im Lesachtal - zu Besuch in Liesing
1

              Slow-Food-Travel im Lesachtal – zu Besuch in Liesing
                                         Katja Almberger

Ausgangs- und Zielpunkt: Pfarrkirche Liesing, Gemeinde Lesachtal, pol. Bez. Hermagor
Erreichbarkeit: PKW, Bus
Schwierigkeitsgrad und Erfordernisse: Innerhalb des Ortsgebietes Liesing asphaltierte Wege mit
geringeren Steigungen, außerhalb asphaltierte Straßen oder Forstwege, die festes Schuhwerk verlangen.
Im Zuge der Wanderung auf die Oberrasteralm werden knapp über 600 Höhenmeter zurückgelegt.
Sehenswürdigkeiten: Pfarrkirche Liesing (heiliger Nikolaus), Brotbackhaus am Stabentheiner-Hof,
Oberrasteralm, Seiwald-Hütte, Mühlenstüberl Hofschenke

Liesing, ein vermutlich bereits vor 1300 besiedelter Ort, liegt auf einer von Ost nach West
gemächlich ansteigenden Kuppe, die am westlichen Rand in einen steil abfallenden Graben
übergeht. Im Ort selbst befand sich in der Frühen Neuzeit der Sitz des Richters (Gericht Lesach)
und bis heute der Sitz der Verwaltung der Gemeinde Lesachtal. Für den Tourismus und die
Wirtschaft des Lesachtals bedeutete die Eröffnung der Tauernautobahn vor gut 45 Jahren einen
massiven Einbruch: Der Urlaubsreiseverkehr verschob sich, Abwanderung, vor allem von
jungen Menschen, war die Folge. Um diesem Trend entgegenzuwirken begann man in den
2010er Jahren gemeinsam mit der Slow-Food-Organisation um Carlo Petrini in Bra (Piemont)
ein Projekt für das Lesachtal zu entwickeln. Ziel war es, sich auf die vielen hier erhalten
gebliebenen Kulturtechniken (Brotbacken, Anbau von speziellen Getreide-, Obst- oder
Gemüsesorten, Käseherstellung usw.) zu besinnen und in Form eines sanften Tourismus
gemeinsam mit dem reichen Schatz an Kulturgütern zu vermitteln. Die Region wurde damit
2015 mit 13 Partnerbetrieben zur ersten Slow-Food-Travel-Destination der Welt. Mittlerweile
beteiligen sich bereits 30 Betriebe.
                                             Wir beginnen unseren Ausflug am Rande des
                                             Dorfplatzes bei der Pfarrkirche Liesing, der
                                             größten und ältesten Pfarre im Tal. Der mittelgroße
                                             Kirchenbau ist dem heiligen Nikolaus geweiht. Zur
                                             Pfarre Liesing gehören die Filialkirchen von
                                             Klebas, Niedergail, Obergail, Oberring und
                                             Tscheltsch. Im Jahr 1321 wurde erstmals eine
                                             Kirche in Liesing erwähnt. Knapp hundert Jahre
                                             später, im Jahr 1429, wurde Liesing zur Pfarre
                                             erhoben. Im Zuge der Türkeneinfälle in Kärnten
                                             musste die Kirche 1485 von Bischof Pietro Carlo
                                             von Caorle neu geweiht werden. Im 18. Jahr-
                                             hundert kam es zu einer Erneuerung des Gewölbes,
                                             der Fenster und des Portals. 1869 wurde der Bau im
                                             neobarocken Stil renoviert, um dann 100 Jahre
                                             später wieder regotisiert zu werden.
                                             Der mittelgroße Bau des 15. Jahrhunderts setzt sich
                                             aus einem 3-jochigen Langhaus mit einem hohen
 Außenansicht Pfarrkirche Liesing,           Satteldach und einem niedrigeren, 2-jochigen, ein-
                          Foto: K. Almberger
                                             gezogenen Chor mit 3/8-Schluss zusammen.

Newsletter Nr. 8/2021                                                   Geschichtsverein für Kärnten
Slow-Food-Travel im Lesachtal - zu Besuch in Liesing
2

Das Langhaus wird nord- und südseitig von jeweils zwei Strebepfeilern gestützt, der Chor von
dreikantigen Streben. Das an der nördlichen Chorwand angebrachte Christophorusfresko
stammt aus dem 16. Jahrhundert und wurde 1936 restauriert.
                                                          Im Süden schließt der Sakristei-
                                                          turm mit Pilasterdekor von 1800
                                                          an den Chor an. Ausgestattet mit
                                                          einem hohen Sockelgeschoss, in
                                                          dem sich die Sakristei befindet,
                                                          weist er Schießschartenöffnun-
                                                          gen, Fenster mit Maßwerknasen
                                                          und in den Spitzgiebelfeldern
                                                          zweiteilige Kielbogenschallfens-
                                                          ter mit Mittelsäulen auf. Bekrönt
                                                          wird er von einem Spitzhelm. Wir
                                                          betreten die Kirche durch das
                                                          barockisierte Westportal. In sein-
                                                          em Inneren ist der Bau ein
                                                          typisches Beispiel für den Stil-
                                                          wandel im Lauf der Geschichte:
                                                          Im Barock fand man an den
                                                          gotischen Rippengewölben kei-
                                                          nen Gefallen und schlug sie ab.
                                                          Im 19. Jahrhundert, der Blüte der
                                                          Neugotik, wurden die Rippen in
                                                          illusionistischer Darstellung wie-
 Detailansicht Christophorusfresko, Foto: K. Almberger    der an die Decke gemalt.

      Blick auf den Hochaltar, Foto: K. Almberger

Newsletter Nr. 8/2021                                            Geschichtsverein für Kärnten
Slow-Food-Travel im Lesachtal - zu Besuch in Liesing
3

Zur Einrichtung der Kirche zählt ein spätbarocker Hochaltar mit dem Kirchenpatron, dem
heiligen Nikolaus, dem heiligen Petrus und der heiligen Margareta im Mittelfeld. Sie werden
flankiert von vier barocken Heiligenfiguren (heiliger Josef und Johannes der Täufer). Über den
Opfergangsportalen sind Statuen von Franz Xaver und Katharina von Siena angebracht. Die
beiden neugotischen Seitenaltäre wurden, wie auch die Kanzel, in den Jahren 1868-1869 von
Thomas Waldner angefertigt. Die Mittelfigur des linken Altars ist eine von Josef Bachleitner
1930 geschaffene Maria Immaculata.

                                             Besonders bemerkenswert sind die an der nördlichen
                                             und südlichen Chorwand angebrachten vier Schnitz-
                                             reliefs aus dem frühen 16. Jahrhundert des ehemali-
                                             gen spätgotischen Hochaltars mit Szenen aus der Le-
                                             gende des heiligen Nikolaus (Rettung eines Schiffes
                                             im Sturm, Getreidespende für Myra, die drei Jung-
                                             frauen und die goldenen Äpfel). Die Reliefs wurden
                                             um 1520 in der Werkstatt des Rupert Potsch aus
                                             Brixen angefertigt.

                                              Von der Pfarrkirche Liesing aus erreichen wir nach
                                              2,4 Kilometern in Richtung Osten unseren zweiten
                                              Stopp: Den Stabentheiner-Hof mit dem ältesten
                                              erhaltenen Brotbackhaus der Region. Nach 1,8 Kilo-
                                              meter auf der Gailtaler Straße biegen wir rechts ab auf
                                              Stabenthein und erreichen nach 600 Metern besagten
                                              Hof, der sich seit mittlerweile 305 Jahren ohne Unter-
 Detailansicht des Schnitzreliefs der Rettung brechung im Besitz der Familie Stabentheiner befin-
 eines Schiffes im Sturm, Foto: K. Almberger det. Gemeinsam mit 29 weiteren Betrieben in der Re-
 gion Lesachtal, Gailtal, Gitschtal und Weißensee gehört der Stabentheiner-Hof zum Slow-
 Food-Travel-Netzwerk.

 Stabentheiner-Hof mit eigener Hauskapelle, Foto: K. Almberger

Wer länger verweilen und die herrliche Natur genießen möchte, kann sich hier ein Zimmer
buchen. Das Angebot reicht vom Frühstücksbuffet mit selbst erzeugten Lebensmitteln über ge-
führte Wanderungen, traditionellen Brotbackkursen bis hin zur Mithilfe am Hof (Informationen
unter: www.urlaubambauernhof.at/stabentheinerhof). Das Brotbackhaus in Stabenthein bei
Liesing dürfte aus dem 19. Jahrhundert stammen und ist das älteste erhaltene Objekt dieser Art
in der Region. Aufzeichnungen und mündliche Überlieferungen über sein Entstehen fehlen zur
Gänze. Die Größe des Brotbackhauses lässt darauf schließen, dass hier nicht nur Brot für eine

Newsletter Nr. 8/2021                                                   Geschichtsverein für Kärnten
Slow-Food-Travel im Lesachtal - zu Besuch in Liesing
4

Familie gebacken wurde, sondern die ganze Ortschaft (früher drei Bauernhäuser) das Backhaus
genutzt haben dürfte.
                                                          Nicht nur aufgrund seines Alters sondern
                                                          auch wegen seiner neueren Geschichte
                                                          ist das Stabentheiner Brotbackhaus über-
                                                          aus interessant: Eine genaue Kopie des
                                                          Brotbackhauses befindet sich im Stadt-
                                                          teil Ome von Tokio. Seit den 1970er
                                                          Jahren hielt sich die japanische Ethnolo-
                                                          gin Eiko Funada immer wieder im Le-
                                                          sachtal auf und erforschte dabei das
                                                          Lesachtaler Brot und die Brotkultur. Das
                                                          Ergebnis wurde 2009 in ihrem Buch
                                                          „Brot – Teil des Lebens“ publiziert. Im
                                                          Jahr 2007 wurde ein japanischer Forst-
                                                          wirtschaftsbetrieb auf Eiko Funadas
                                                          Forschungsarbeit aufmerksam. Es folg-
                                                          ten zahlreiche Gespräche mit dem Ko-
                                                          mitee zum Lesachtaler Dorf- und Brot-
                                                          fest und potenziellen Sponsoren. In der
                                                          Firma Tamanourin AG wurde schließ-
                                                          lich ein engagierter Projektträger gefun-
                                                          den und Ende April 2008 konnte das
                                                          Backhaus, in welchem Brot auf Le-
                                                          sachtaler Art gebacken und vertrieben
 Brotbackhaus am Stabentheiner-Hof, Foto: K. Almberger    wird, eröffnet werden.

 Brotbacken im Brotbackhaus am Stabentheiner-Hof, Foto: K. Almberger

Unterstützt durch den Osttiroler Bäckermeister Ernst Joast reisten drei Lesachtaler Bäuerinnen,
Elfriede Stabentheiner vom Stabentheiner-Hof, Monika Soukup und Josefine Unterguggen-

Newsletter Nr. 8/2021                                                   Geschichtsverein für Kärnten
Slow-Food-Travel im Lesachtal - zu Besuch in Liesing
5

berger, nach Japan und gaben ihr Wissen um das Schwarzbrot nach Lesachtaler Art weiter. Die
Utensilien, die in Kärnten zum Brotbacken verwenden werden (Brotrahmen, Nudelbrett,
Teigschaufel, Backgrutte und Backbrett) wurden von der im Lesachtal ansässigen Tischlerei
Unterüberbacher angefertigt und nach Japan geliefert. Das Handwerk der Lesachtaler Brot-
herstellung wurde 2010 zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe ernannt.
Wer Zeit hat und gut zu Fuß ist, sollte vom Stabentheiner-Hof ausgehend eine Wanderung auf
die Oberrasteralm in der Umgebung von Liesing ins Auge fassen. Von der Gailtaler Straße
auf der gegenüberliegenden Seite von Stabenthein, gelangt man über einen 6 Kilometer langen
Forstweg in ca. 2 Stunden zur Oberrasteralm, welche auf 1.615 Metern liegt. Insgesamt sind
637 Höhenmeter zu überwinden.

 Forstweg von Stabenthein zur Oberrasteralm, Foto:   Almhütte, Foto: K. Almberger
 K. Almberger

Die Oberrasteralm gilt als einer der schönsten Aussichtsplätze in den Gailtaler Alpen. Das vor
uns liegende Lesachtal lässt sich ohne Einschränkung überblicken und ist im Süden auf Au-
genhöhe mit den Karnischen Alpen. Auf der Oberrasteralm gibt es seit 2017 eine neue
bewirtschaftete Almhütte, in die es sich für eine Stärkung einzukehren lohnt!
Wer auf eine Brettljause verzichten möchte, sollte zumindest einen Schluck vom Quellwasser
trinken – diesem wird für Magenbeschwerden eine heilende Wirkung nachgesagt. Von der
Oberrasteralm ist nach gut 200 weiteren Höhenmetern in Richtung Nordosten die Motalpe am
Fuße des Lumkofels zu erreichen. Für den Rückweg wählen wir den an Assing vorbei direkt
zur Pfarrkirche Liesing führenden Wanderweg. Wir starten in südwestlicher Richtung und
folgen ca. 60 Minuten lang einem breiten Almweg. Auf ca. 1.580 Metern Seehöhe erwartet uns
hier die sogenannte Seiwald-Hütte bzw. die „alte Mühle“. Diese von Wald und Wiesen
umgebene Hütte kann bei Bedarf für die Nacht gemietet werden. Wir bleiben auf dem schmäler
gewordenen, gut beschilderten Almweg, der uns, begleitet von kleinen Rinnsalen, meist durch
den Wald führt. Nach einem Abstieg von weiteren 150 Höhenmetern kommen wir am höchst-
gelegenen Haus von Assing an. Über Pallas führt uns der Weg nach insgesamt ca. 5 Stunden
Newsletter Nr. 8/2021                                                      Geschichtsverein für Kärnten
Slow-Food-Travel im Lesachtal - zu Besuch in Liesing
6

Wanderzeit nun direkt zurück zum Dorfplatz von Liesing und damit zu unserem ursprünglichen
Ausgangspunkt – der Pfarrkirche Liesing.
Für Hungrige empfiehlt sich im Sinne unseres Mottos „Slow-Food-Travel“ auf dem Heimweg
ein Umweg über Obergail und eine Einkehr in die von Familie Windbichler geführte Mühlen-
stüberl Hofschenke. Neben Brettljause und Speckbrot kann man hier hausgemachte Schlipf-
krapfen und auch außerhalb der Adventszeit Lesachtaler Stockplattl’n „morenden“ bzw.
jausnen und anschließend gut gestärkt den Nachhauseweg antreten.

 Mühlenstüberl Hofschenke, Foto: K. Almberger

Literatur:
Bundesdenkmalamt (Hg), Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs: Kärnten. Liesing (Wien
20013), S. 467f.
Dieter Neumann, Das Kärntner Lesachtal. Werden und Wandlungen einer bergbäuerlichen Kultur- und
Wirtschaftslandschaft (= Das Kärntner Landesarchiv Band 6, Klagenfurt 1977)
Onlinequellen:
Günther Strobl, Wie Gail- und Lesachtal Vorreiter bei sanftem Tourismus wurden, online unter:
https://www.derstandard.at/story/2000128884684/wie-gail-und-lesachtal-vorreiter-bei-sanftem-
tourismus-wurden, aufgerufen am 27. September 2021.
Österreichische UNESCO-Kommission, online unter: https://www.unesco.at/kultur/immaterielles-
kulturerbe/oesterreichisches-verzeichnis/detail/article/lesachtaler-brotherstellung, aufgerufen am 27.
September 2021.
Urlaub am Bauernhof, online unter: https://www.urlaubambauernhof.at/de/magazin/Lesachtaler-
Backbox-fuer-Tokio_bba_18396, aufgerufen am 27. September 2021.

Alle Angaben zu den Ausflugtipps erfolgen ohne Gewähr. Jede Form der Haftung seitens des Geschichtsvereines für Kärnten
und der Verfasser der Ausflugstipps ist ausgeschlossen.

Newsletter Nr. 8/2021                                                                Geschichtsverein für Kärnten
Slow-Food-Travel im Lesachtal - zu Besuch in Liesing Slow-Food-Travel im Lesachtal - zu Besuch in Liesing Slow-Food-Travel im Lesachtal - zu Besuch in Liesing Slow-Food-Travel im Lesachtal - zu Besuch in Liesing
Sie können auch lesen