Solwara 1 Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea Hintergründe, Folgen, Widerstand - Ozeanien-Dialog
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Impressum Herausgeber: Verein für Internationalismus und Kommunikation e.V. (IntKom) Bernhardstraße 12 - 28203 Bremen www.fair-oceans.info Brot für die Welt Caroline-Michaelis-Straße 1 - 10115 Berlin www.brot-fuer-die-welt.de Redaktionsanschrift: Fair Oceans Bernhardstraße 12 - 28203 Bremen Fon: +49-152-295 170 04 E-mail: fair-oceans@gmx.info www.fair-oceans.info Redaktion und Text: Kai Kaschinski, Christoph Spehr, Francisco Marí Lektorat und Grafik: passage - Agentur WeltThemen, Frankfurt a.M. Fotos: Harry Loges (S. 23, 27, 51), Thomas Lohnes (S. 18, 19, 30, 45, 58), Helge Bendl (S.25) Druck: Druckwerkstatt Schmidtstraße V.i.S.d.P.: Kai Kaschinski - Verein für Internationalismus und Kommunikation e.V. (IntKom) Erscheinungsjahr: 2018 Zu bestellen über: www.brot-fuer-die-welt.de/shop Artikelnummer: 128 102 870
Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
Inhaltsverzeichnis
1. Eine Zeitungsmeldung 5
2. Bergbau in der Tiefsee 8
2.1. Die Technologie von Solwara 1 11
2.2. Ausschließliche Wirtschaftszonen: Der ‚Wilde Westen‘ des Meeresbergbaus 14
3. Traditionelle Ökonomie und Bergbauinustrie 17
3.1. Fischerei und Ernährungssicherheit 18
3.2. Schürfen und Erproben 19
3.3. Bergbauindustrie versus nachhaltige Ökonomie 21
4. Deutsch-Neuguinea – Ein Kapitel deutscher Kolonialgeschichte 24
5. Indigene Rechte und lokaler Widerstand 27
5.1. Die Prinzipien indigener Rechte 28
5.2. Solwara 1 und die Verletzung indigener Rechte 29
5.3. Shark Calling 31
5.4. Die Erklärung von Karkum 31
5.5. Positionierung der Kirchen 32
5.6. Ernährungssicherheit, Klima, Biodiversität 33
5.7. Jüngste Entwicklungen 34
6. Die Rolle des Staates 35
6.1. Strukturelle Interessenkonflikte, fehlende staatliche Kapazitäten 36
6.2. Grenzen der Akzeptanz 37
7. Das Geschäftsmodell der Investoren 39
7.1. Veränderung des Geschäftsmodells 40
7.1. Konzernstruktur, Profitverschiebung und Externalisierung von Kosten 42
8. Ökologische Folgen von Solwara
1 43
8.1. Unterwasserlärm 43
8.2. Schwermetalle und Säuren 44
8.1. Habitat-Zerstörung 46
9. Das Korallendreieck, ein Reservoir von Biodiversität 50
9.1. Industrialisierung des Meeresbodens 52
9.2. Biodiversität 53
9.3. Wissenschaft und Forschung 55
10. Meeresbergbau und globaler Ressourcenbedarf 57
10.1. Kreislaufwirtschaft 58
10.2. Fehlende Kohärenz 59
10.3. Welche Ressourcen? 60
11. Der wichtigste Parkplatz der Welt 61
12. Quellen- und Literaturverzeichnis 64
4Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
1. Kapitel
Eine Zeitungsmeldung
John Simoi, Sprecher einer indigenen Gemeinschaft auf stand gegen einen Bergbaukonzern (Ramu Nickel Ltd.)
der Bagabag Insel, kann sich gut erinnern, als er zum organisiert, der in der Nähe von Madang zwei Minen
ersten Mal davon erfuhr. „Ich habe es in der Zeitung betreibt. Im Juni 2008 gründete Simoi zusammen mit
gelesen. Sie veröffentlichten eine Ankündigung, dass anderen Gruppen den „Bismarck Solomon Sea Indi-
sie kommen würden, um am Meeresboden Bergbau zu genous People’s Council“, den Rat indigener Bevölke-
betreiben, in der Nähe von Bagabag. So haben wir es rungen in der Bismarck- und Salomonensee, zu dessen
alle erfahren. (…) Wir wissen, dass unsere Insel durch Vorsitzender er wurde.2
vulkanische Aktivität entstanden ist. Und unsere erste
Aus dem Zusammenschluss ist eine Kampagne entstan-
Reaktion war: Das kann keine gute Idee sein, an Vulka-
den, in der lokale Gemeinschaften, Kirchengemeinden,
nen am Meeresboden zu bohren.“1
Frauenorganisationen, entwicklungspolitische Grup-
Seither hat sich sein Leben verändert. Simoi brachte in pen, regionale und überregionale indigene Gemein-
Erfahrung, was er ausfindig machen konnte: über Mee- schaften sich dagegen wehren, die ersten zu sein, die
resbergbau und über Nautilus Minerals, jenes Unter- den Risiken einer neuen, bislang nicht kommerziell
nehmen, das vor der Küste Papua-Neuguineas das erste getesteten Technologie ausgesetzt werden. „Nautilus
kommerzielle Pilotprojekt in der Tiefsee starten will. benutzt uns als Versuchskaninchen“, sagt Simoi. „Wir,
Über ein Unternehmen, das 1987 gegründet wurde, in die Eigentümer des Landes, und wir werden nicht
Kanada seinen Sitz hat und als Aktiengesellschaft dort die Hände in den Schoß legen und zusehen, wie das
registriert wurde. Die Mehrheitsaktionäre sind Kapital- passiert.“3 Die indigenen Gemeinschaften sehen es als
geber aus Russland und dem Oman. Nautilus Minerals selbstverständlich an, dass die traditionellen Landrech-
hat sich auf den Bergbau am Meeresbo den spezialisiert. te, die ihnen rechtlich garantiert sind, auch das Meer
vor ihrer Küste, das sie nutzen, einschließen.
Eine Forschungslizenz für das Gebiet Solwara1 erwarb
das Unternehmen bereits 1997. 2006 gab Nautilus eine Solwara 1, das erste geplante Fördervorhaben am Mee-
Interessenbekundung für einen kommerziellen Abbau resboden, befindet sich nur 30 Kilometer von der Küste
im Gebiet Solwara 1 ab. 2011 erhielt das Unternehmen entfernt, in einer Tiefe von 1.600 Metern. Sie liegt in
eine auf 20 Jahre befristete Lizenz für Mineralienabbau der Bismarcksee, einer der artenreichsten und ökolo-
in Solwara 1. Für das unterseeische Bergwerk Solwara 1 gisch bedeutsamsten Meeresregionen der Welt, inmit-
wurde eigens eine Gesellschaft gegründet, an der ten der nördlichen Inseln von Papua-Neuguinea. „Ohne
Papua-Neuguinea zu 15 Prozent beteiligt ist. das Meer gibt es kein Leben“ – von diesem Ökosystem
hängt die Ernährungssicherheit der lokalen Gemein-
Der Start für den Meeresbodenabbau musste seitdem
schaften unmittelbar ab, sagen die Menschen in
immer wieder verschoben werden – aus technischen,
Papua-Neuguinea. Es ist schwer von der Hand zu wei-
rechtlichen und finanziellen Gründen. Die Unterwas-
sen, dass Nautilus Minerals ausgerechnet dieses Mee-
ser-Roboter sind inzwischen einsatzfähig. Das För-
resgebiet auswählte in der Hoffnung, dort auf wenig
derschiff befindet sich noch im Bau und seit Kurzem
politischen Widerstand und auf wenig handlungsfähige
ist aufgrund ausgebliebener Zahlungen seitens der
staatliche Kontrollstrukturen zu stoßen. „Vermutlich
beauftragten Reederei an die Werft unklar, ob das Fer-
haben sie nach einem schwachen Land mit schwachen
tigstellungsdatum Anfang 2019 zu halten ist. Damit ist
Gesetzen gesucht“, sagt Simoi.4
auch der für Ende 2019 angesetzte Starttermin für das
Bergbau-Projekt fraglich.
Simoi informierte die Menschen seiner Gemeinschaft,
dann die benachbarten lokalen Gemeinschaften und 2 https://intercontinentalcry.org/indigenous-communi-
ties-oppose-deep-sea-mining/
Dörfer. Er nahm Kontakt zu Gruppen in der Stadt auf,
3 https://ramumine.wordpress.com/2011/05/14/solwa-
allen voran zur „Bismarck Ramu Group“ (BRG), die seit ra-1-undersea-mine-rushed-by-the-government/
den 1990er Jahren lokale Gemeinschaften unterstützt, Das englische Wort für Versuchskaninchen lautet „guinea
sich zu organisieren. BRG hatte bereits den Wider- pig“ (Meerschweinchen), so dass der Satz eine Anspielung auf
Neuguinea (New Guinea) enthält.
1 Interview, 22.04.2016 4 Interview, 22.02.2016
5Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
1. Kapitel
In den letzten zehn Jahren hat ein regelrechtes Wett- lokale Fischerei und Subsistenzwirtschaft, die Ernäh-
rennen um die unterseeischen Vorkommen eingesetzt. rungssicherheit der betroffenen Bevölkerung sowie
Dutzende von Lizenzen sind mittlerweile von pazifi- die nachhaltige lokale und regionale Entwicklung im
schen Inselstaaten an Konzerne vergeben worden, die Pazifik. Darüber hinaus drohen grenzüberschreitende
neue Tiefseebergbau-Projekte planen. Während die Negativwirkungen und eine Infragestellung verein-
internationale Gemeinschaft im Rahmen des Seerechts- barter Meeresschutzinitiativen. Das betrifft sowohl
übereinkommens der Vereinten Nationen und den Zie- Eigentumsrechte als auch das Recht auf vorherige, freie
len für nachhaltige Entwicklung um Bedingungen und und informierte Zustimmung.
Strategien für eine gerechte und verantwortliche Mee-
Das Projekt Solwara 1 ist zum Symbol geworden, weil
resnutzung ringt, werden vor der Küste der pazifischen
es eine Vielzahl von aktuellen Themen zukünftiger
Inselstaaten Fakten geschaffen. Der lokale Widerstand
Entwicklung in Ländern des globalen Südens berührt:
gegen diese Eingriffe erinnert nicht von ungefähr an
Ernährungssicherheit, Kleinfischerei, nachhaltige Re-
die Proteste gegen atomare Großprojekte vor 40 Jahren
gionalentwicklung, indigene Rechte, Menschenrechte,
in Europa: bekanntlich eine Technologie, die einst alle
ökologisches Vorsorgeprinzip, Partizipation. Für die
Entwicklungsprobleme lösen sollte und aus der heute
Kirchen in der südpazifischen Region sind der Tief-
mühsam der Ausstieg gesucht wird.
seebergbau und die damit verbundene soziale Frage
Wir erleben heute mit dem Tiefseebergbau die Ge- inzwischen ein Thema von großem Belang geworden.
burt einer neuen Großtechnologie. Ihre Ursprünge
Tiefseebergbau betrifft alle. Die Folgen werden nicht
gehen bis in die 1960er Jahre zurück, aber erst seit der
auf die pazifische Region beschränkt bleiben. Der Fall
Jahrtausendwende ist die Perspektive real. Die Erze am
Solwara 1 ist nicht zu trennen von der globalen Aus-
Meeresboden sollen ein profitables Geschäft für inter-
einandersetzung um den Übergang von einer zerstö-
nationale Investoren abgeben. Doch die Summen, die
rerischen und ungerechten Wirtschaftsweise zu einer
in die Entwicklung und den Bau der speziellen Abbau-
nachhaltigen, solidarischen Ökonomie. Er ist Teil der
technologie geflossen sind, rechnen sich nicht durch
Entscheidung, auf welche Weise wir die Ozeane und
die Ausbeutung einer einzelnen Mine. Solwara 1 soll
Meere zukünftig nutzen wollen; wie wir mit den natür-
der Auftakt zu einer Ausweitung des Tiefseebergbaus
lichen Ressourcen gerecht und verantwortlich umgehen
auf viele weitere Flächen sein. Die Salomonen, Tonga,
und nicht zuletzt auf wen wir dabei hören werden.
Kiribati und die anderen pazifischen Inselstaaten haben
ebenfalls bereits Lizenzen für den Meeresboden ver-
geben. Andere Projekte werden u.a. vor Japan und im
***
Roten Meer vorangetrieben. Die neue Großtechnologie
Tiefseebergbau wird, wenn nicht politisch gegen sie Die vorliegende Studie berücksichtigt die Ergebnisse
entschieden wird, das Gesicht des Planeten verändern. und 41 Interviews mit Betroffenen und Beteiligten in
Neuirland, den Duke-of-York-Inseln, Madang und Kar-
Die Befürworter dieser Großtechnologie führen im
kar Inseln einer nicht veröffentlichten Studie, die von
Wesentlichen drei Argumente dafür ins Feld. Sie sei
Rosa Koian und Helen Rosenbaum erstellt wurde. Die
notwendig, um den global steigenden Ressourcenver-
Interviews fanden im Februar 2016 statt und werden
brauch zu befriedigen. Sie stelle eine ökonomische Ent-
hier im Folgenden in Teilen wiedergegeben. Ebenso
wicklungschance für die betroffenen Regionen dar. Die
wurden die Beiträge und Diskussionen zweier Work-
Spuren des ökologischen Eingriffs seien weniger tief als
shops verarbeitet, die im April 2016 und April 2017
beim Bergbau an Land und der Meeresbodenbergbau
in Madang/Papua-Neuguinea bzw. in Suva/Fidschi
folglich die nachhaltigere Alternative.
von der Bismarck Ramu Group (BRG) und Brot für
Wie in der vorliegenden Studie gezeigt wird, ist keines die Welt organisiert wurden und an denen Nichtregie-
dieser Argumente stichhaltig. Dagegen sind die Risiken rungsorganisationen und Vertreter und Vertreterinnen
und bereits heute gesicherten negativen Auswirkungen lokaler Gemeinmschaften aus Papua-Neuguinea, den
weit dramatischer, als von den Befürwortern einge- pazifischen Inselstaaten sowie aus Deutschland teilnah-
räumt wird. Risiken und Negativfolgen betreffen die men.
6Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
1. Kapitel
Neuirland
Bismarcksee
Labur
Rabaul
Papua- Madang Kokopo
Neuguinea
Neubritanien
Lae
Neuirland
ca. 30 KM Namatanan
Solwara 1
Bismarcksee
Neubritannien Rabaul
Kokopo
Die geografische Lage von Solwara 1
7Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
2. Kapitel
Bergbau in der Tiefsee
„Wenn wir über den Meeresboden reden, sprechen wir unter der Wasseroberfläche liegt. Vereinzelt ist die
praktisch über eine Wüste, eine sehr nasse Wüste. Es gibt Ölförderung bereits in Meerestiefen von bis zu 3.000
so gut wie kein Leben in dieser Region. (…) Wir sprechen Metern vorgedrungen. Die Erdölförderung speziell in
über Gebiete, wo fast nichts existiert auf dem Meeres- größeren Tiefen gilt angesichts des weiterhin welt-
boden. Ehrlich, die Umweltschützer sollten Applaus weit steigenden Verbrauchs als ein Wachstumsmarkt.
klatschen.“ Meeresbergbau wie der Abbau von Diamanten vor
der Küste Namibias oder die Förderung von Sand und
Louis James, Herausgeber von Casey Research, Interview
Kies findet bisher lediglich in Schelfgebieten statt. Als
mit „The Gold Report“5
Schelfmeer wird jener flachere Teil der Ozeane be-
zeichnet, der sich über den Ausläufern der Landmasse
befindet. Man spricht von dem sogenannten Kontinen-
Die Tiefsee (…) stellt das größte und am wenigsten
talsockel, vorstellbar als eine Stufe, bevor der Meeres-
verstandene biologische Habitat der Erde dar. Es ist eine
boden in größere Tiefen abfällt. Die Planungen für den
Alice-im-Wunderland-Welt, voller Extreme, außeror-
Tiefseebergbau und die Förderung der Erzvorkommen
dentlicher Anpassungen, bizarrer Organismen, Schön-
gehen in den meisten Fällen über die 2000-Meter-Mar-
heit und Wunder.
ke hinaus. Solwara 1 soll auf eine Tiefe von 1.600 Me-
Richard Steiner, Biologe und Meeresforscher6 tern unter dem Meeresspiegel stattfinden und wäre ein
noch relativ oberflächennahes Projekt.
Die Umweltbedingungen der Tiefsee unterscheiden
Während bislang zwölf Menschen auf dem Mond wa-
sich in vielerlei Hinsicht fundamental von den uns
ren, sind erst drei Menschen mit Tauchfahrzeugen zu
bekannten Ökosystemen an Land und an der Meeres-
einem der tiefsten Punkte der Meere im Marianengra-
oberfläche. Alle zehn Meter Wassertiefe nimmt der
ben im westlichen Pazifischen Ozean vorgestoßen. Die
Wasserdruck um den Betrag zu, der dem normalen
Tiefsee ist der am wenigsten erforschte Teil der Erde
Luftdruck an Land entspricht (ein Bar). Ab 200 Meter
und ihrer Biosphäre. Die Meere sind im Durchschnitt
Tiefe ist es weitgehend dunkel. Hier endet die Photo-
etwa 3.700 Meter tief. Etwa ein Viertel des Meeresbo-
synthese, und es ist nicht mehr das Pflanzenwachstum,
dens liegt tiefer als 5.000 Meter und ist für den Men-
das die Grundlage für die Nahrungsnetze bildet. Es
schen weitgehend unzugänglich. Etwa ein Sechstel des
folgt eine Dämmerzone mit einem schwachen Zwie-
Meeresbodens liegt in Tiefen von 2.000 Metern und
licht, das noch bis in 1.000 Meter Tiefe reichen kann.
weniger; auf diesen Bereich konzentriert sich bislang
Dort wirkt ein Druck, der einem Gewicht von 100
die kommerzielle Nutzung. Hierhin reichen die Netze
Kilogramm pro Quadratzentimeter entspricht. Ab der
der Tiefsee-Fischerei. Bei der Marke von 2.000 Metern
Marke von 4.000 Metern liegt die Temperatur nahe am
ist ein Punkt erreicht, bis zu dem Seekabel eingegraben
Gefrierpunkt. Auch andere physikalische Parameter
werden, danach lässt man sie nur noch in die Tiefe
wie Sauerstoff- und Salzgehalt des Wassers ändern sich
fallen. Seit den ersten Offshore-Bohrungen Ende des
in den verschiedenen Tiefenzonen, allerdings mit gro-
19. Jahrhunderts hat sich die Gas- und Ölförderung
ßen regionalen Unterschieden.
langsam in immer tiefere Meeresbereiche vorgearbeitet.
Von den 27 Millionen Barrel pro Tag, die 2015 offshore Überall bis hinab in die größten Tiefen existiert Leben
an Erdöl produziert wurden, stammen 36 Prozent aus im Meer. Wale tauchen nahezu 3.000 Meter tief, Fische
Bereichen, wo der Meeresboden tiefer als 125 Meter sollen bis in 8.200 Metern Tiefe vorkommen. Die
Kleinstlebewesen und die Fauna des Meeresbodens
5 Casey Report ist ein Investorenmagazin, das vom US-ame- haben eigene Ökosysteme entwickelt, die anders als an
rikanischen Finanzspekulanten Doug Casey finanziert wird. Land nicht auf dem Sonnenlicht als Energiequelle auf-
Das Zitat stammt aus einem Interview mit Louis James am
4.1.2018: seekingalpha.com/article/59059-louis-james-on-in- bauen. Ein ökologisch besonders reicher Habitat-Typ
teresting-gold-companies. sind die Schwarzen und Weißen Raucher, heiße
6 Steiner war 1980-2000 Professor an der University of Alas- Quellen, die auch als Hydrothermalquellen bezeichnet
ka und arbeitet heute für die NRO-orientierte Consultingfir- werden. In der Regel treten mehrere Raucher in einem
ma Oasis Earth. (Steiner 2015).
8Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
2. Kapitel
Abbau von Sulfiderzen
auf Hydrothermalfeldern
Abbau von Kobaltkrusten an
den Hängen der Seeberge
Förderung von Manganknollen
auf den Ebenen der Tiefsee
Die drei unterschiedlichen Fördertechniken des Tiefseebergbaus
Der Abbau der mineralischen Ressourcen am Meeresboden der Tiefsee wird für ökologisch sehr unterschiedliche Umgebungen, mit
eigens den jeweiligen Bedingungen angepassten Fördertechniken geplant.
9Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
2. Kapitel
begrenzten Gebiet auf und bilden zusammen ein Hy- Jahresförderung von zwei Millionen Tonnen und einer
drothermalfeld („hydrothermal vent field“). In einem Förderdauer von 20 Jahren einen Flächenverbrauch von
solchen Gebiet liegt das Fördergebiet Solwara 1. 2.700 Quadratkilometern. Dabei werden riesige Gebiete
am Meeresboden von den Manganknollensammlern,
Mineralische Vorkommen am Meeresboden treten in
schweren Raupenfahrzeugen, umgepflügt werden.
verschiedenen Formen auf. Zum einen sind es Man-
ganknollen: Erzklumpen, die neben Mangan und Eisen Der zweite Typ von Tiefseemineralien sind die Kobalt-
geringe Teile von Kupfer, Kobalt, Zink und Nickel ent- krusten, die auf Zehntausenden von Seebergen und
halten sowie Spuren von sogenannten Seltenen Erden, anderen unterseeischen Erhebungen in Tiefen von 400
die für moderne Schlüsseltechnologien wichtig sind. bis 4.000 Metern (vgl. International Seabed Authori-
Sie liegen an der Oberfläche des Meeresbodens. Für ty o.J.) auftreten. Auf den Seebergen fallen in diesem
eine kommerzielle Nutzung bereitet bislang die Tiefe Bereich entlang freier Oberflächen mit den Strömun-
dieser Vorkommen, meist zwischen 4.000 und 6.000 gen transportierte Metalle aus und bilden Krusten von
Metern (Bundesanstalt für Geowissenschaften und einigen Zentimetern Dicke (ca. zwischen zwei und 26
Rohstoffe 2016a, S. 3) Probleme. Als schwierig erweist Zentimetern), die fest auf der Felsoberfläche sitzen.
sich auch die Tatsache, dass sich die Metalle bisher Ihre Wachstumsrate ist wie bei den Manganknollen ex-
nur mit aufwändigen, energieintensiven und letztlich trem niedrig und liegt zwischen einem und sieben Mil-
unrentablen Verfahren aus den Knollen lösen lassen. limeter in einer Million Jahre. Kobaltkrusten enthalten
Wirtschaftlichkeitsberechnungen zum Manganknol- außer Mangan und Eisen vor allem Kobalt, Nickel und
lenabbau veranschlagen pro Unternehmung bei einer Seltene Erden.
Sulfiderze
Manganknollen
Kobaltkrusten
Ausschließliche Wirtscha�szone
Nord-
Europa amerika
Asien
Atlan�k
Afrika
Pazifik
Solwara 1 Süd-
amerika
Australien
Indischer
Ozean
Antark�s
Die Verteilung der bekannten Rohstoffvorkommen in der Tiefsee
10Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
2. Kapitel
Die Technologie von Solwara 1 liary Cutter – 15,8 Meter lang, 6 Meter breit, 7,6 Meter
hoch, 250 Tonnen schwer) fräst den Meeresboden
In Solwara 1 geht es um den dritten Typ von minerali- oberhalb der mineralischen Schicht weg und pumpt
schen Vorkommen am Meeresboden: Die sogenannten den Abraum beiseite. Eine zweite Schnittmaschine
Massivsulfide, die in Gebieten von Schwarzen und (Bulk Cutter – 14,2 Meter lang, 4,2 Meter breit, 6,8 Me-
Weißen Rauchern auftreten. Der kommerzielle Abbau ter hoch, 310 Tonnen schwer) zerschneidet die mine-
richtet sich im Fall von Solwara 1 auf Kupfer, Gold, Sil- ralische Schicht und pumpt sie zu einer Sammelstelle.
ber und Zink. Er findet buchstäblich als Bergbau unter Der Fräslader (Collection Machine – 16,5 Meter lang,
Wasser statt: Das Vorkommen bildet einen Trichter, der 6 Meter breit, 7,6 m hoch, 200 Tonnen schwer) pumpt
über zehn Meter und mehr unter dem Meeresboden das mineralische Material in die zentrale Pumpenan-
liegen kann, möglicherweise auch deutlich tiefer. Die lage (Subsea Slurry Lift Pump), die den mineralischen
Schlote der Raucher sind oberhalb des Vorkommens Schlamm („slurry“) durch ein festes Steigrohr zum
über die Abbaufläche verteilt (Nautilus 2015a, S. 40 Förderschiff weiterleitet.
ff.) Was als Rauch erscheint, sind Partikelwolken.
Auf dem 227 Meter langen und 40 Meter breiten Schiff
Sie entstehen, wenn heißes, mineralhaltiges Wasser
wird der Schlamm einem ersten Verarbeitungsprozess
aus Spalten im Meeresboden austritt und durch den
unterzogen. Nachdem der Erzschlamm auf das För-
Kontakt mit dem umliegenden Meereswasser abkühlt.
derschiff verbracht wurde, wird dieser dort in einer
Die mit der Zeit aus dem Boden ragenden Schlote der
Anlage (Erzfilteranlage) entwässert und gereinigt. Die
Raucher sind das sichtbare Zeichen dieser Hydrother-
ökonomisch interessanten Erze werden hierbei von
malquellen.
den weniger interessanten Bestandteilen des Schlamms
Für das Projekt Solwara 1 wurde von Nautilus Minerals getrennt. Bis zu 45.000 Tonnen des gewonnenen Erzes
in internationaler Zusammenarbeit mit einer ganzen werden dort zwischengelagert. Abwasser und Abraum
Reihe von Unternehmen aus der maritimen Wirtschaft werden durch ein Rohrsystem zurückgeleitet und in
ein eigenes Produktionssystem entwickelt. Dieses einer Höhe von 25 bis 50 Metern über dem Meeres-
besteht aus den Abbaugeräten am Meeresboden, dem boden abgelassen. Die Abbaufläche von Solwara 1 soll
Pumpen- und Rohrsystem für den Transport des Ma- maximal 140.000 Quadratmeter betragen.
terials vom Boden zum Schiff und den Transport des
Da sich die Zusammensetzung der marinen Erze von
Abraums zurück zum Meeresboden sowie dem Förder-
denen vergleichbarer Erze aus Landquellen unter-
schiff an der Wasseroberfläche. Das Produktionssystem
scheidet, müssen für die marinen Erze neue Aufberei-
beschränkt sich also nicht auf die horizontale Ausdeh-
tungsprozesse entwickelt werden, die bis heute nicht
nung des Erzvorkommens am Meeresboden, sondern
ausgereift sind. Die Gewinnung der Metalle aus dem
erstreckt sich auch vertikal vom Meeresboden durch
Erz wird in China erfolgen. Das chinesische Staats-
die gesamte Wassersäule bis zur Meeresoberfläche. Falls
unternehmen Tongling (Tongling Nonferrous Metals
sich das System im Einsatz in Solwara 1 bewährt, kann
Group) hat am 11.12.2015 einen Vertrag mit Nautilus
es später einen wesentlichen Teil des Unternehmenska-
unterzeichnet, das Tongling Sales Agreement, wonach
pitals und Know-how darstellen.
Tongling das Erz ab Schiff kauft. Vom Förderschiff wird
Der mechanische Abbau der Erzvorkommen in das zwischengelagerte Erz direkt auf einen Massengut-
Solwara 1 erfolgt mit schwerem Gerät. Die drei Geräte frachter von Tongling umgeladen. Das Transportschiff
für den Abbau am Meeresboden, hergestellt von der bringt das Erz in einen chinesischen Hafen, von wo aus
Firma Soil Machine Dynamics (SMD) aus Großbri- es per LKW in eine der Hütten des Unternehmens am
tannien, werden wie der gesamte Abbauprozess vom Yangtse gelangt. Letztlich ist es also ein chinesisches
Förderschiff aus gesteuert. Die drei 2.500 Meter langen Unternehmen, das die Metalle auf dem Weltmarkt
Spezialkabel für die Energiezufuhr und Kommunika- anbietet und über deren Verbleib entscheidet.
tion mit den Abbaumaschinen wurden in Nordenham
Anfangs waren für den Entwurf und Betrieb des
entwickelt und von den Norddeutschen Seekabelwer-
Schiffes die deutsche Reederei Harren und Partner
ken (NSW) hergestellt. Die Teilschnittmaschine (Auxi-
aus Bremen vorgesehen. Inzwischen hat sich Nautilus
11Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
2. Kapitel
Minerals aber dazu entschlossen, das Förderschiff von rik wird von Siemens (Shanghai), die Schiffsmaschinen
Marine Assets Corporation (MAC) mit Sitz in Dubai werden von Rolls Royce Marine (Norwegen) geliefert.
zu einem festen Tagessatz von 199.910 US-Dollar zu Die Bestandteile des Kransystems für das Ablassen und
chartern, nachdem die Firma das Schiff entsprechend Hochholen der Abbaumaschinen (Launch and Reco-
der Vorgaben von Nautilus gebaut hat. Die Schiffselekt- very System) kommen aus Polen, Korea und Norwegen.
Förderschiff
Transportschiff
Rohrleitungssystem
Steuerungs- und
Versorgungskabel
Pumpenanlage
Abraumwolke
Erzablagerungen
North Su
South Su
Solwara 1
Projektskizze des Fördervorhabens Solwara 1
Der Sulfiderzabbau zerstört die kleinräumigen Ökosysteme der Hydrothermalen Felder mit ihren aktiven und inaktiven Rauchern
sowie einer Vielzahl endemischer Arten
12Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
2. Kapitel
Der Maschinenpark von Solwara 1
Förderschiff
227 Meter lang, 40 Meter breit,
45.000 Tonnen Lagerkapazität,
180 Personen Besatzung
Teilschnittmaschine:
15,8 Meter lang, 6 Meter breit,
7,6 m hoch, 250 Tonnen schwer
Fräslader:
16,5 Meter lang, 6 Meter breit,
7,6 m hoch, 200 Tonnen schwer
Teilschnittmaschine:
14,2 Meter lang, 4,2 Meter breit,
6,8 Meter hoch, 310 Tonnen schwer
13Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
2. Kapitel
Desweiteren sind unter anderem noch zwei weitere der Preisverfall mineralischer Rohstoffe (Bräuninger
Unternehmen aus Norwegen sowie ein Unternehmen u.a. 2013). Somit rückte ein profitabler Meeresboden-
aus Italien an der Ausrüstung des Schiffes beteiligt. bergbau wieder in den Bereich des Vorstellbaren. 1997
erwarb Nautilus Minerals eine Lizenz für die Erfor-
Die Konzeption des auf der Culu Island Werft der staat-
schung des Meeresbodens bei Solwara 1. Die Metallsu-
lichen chinesischen Fujian Mawei Shipbuilding Ltd.
lfid-Lagerstätte war von der Australischen Forschungs-
(FMSL) in Bau befindlichen Förderschiffs wurde in den
einrichtung CSIRO entdeckt und benannt worden;
letzten Jahren noch einmal deutlich verändert. Wäh-
„Solwara“ bedeutet im Tok Pisin („Pidgin-English“)
rend lange Zeit noch eine umfangreichere Infrastruktur
„Meer“, wörtlich „Salzwasser“. 2006 gab Nautilus eine
an Land vorgesehen war, ist das jetzige Förderschiff auf
Interessenbekundung für einen kommerziellen Abbau
weitgehende Autonomie ausgerichtet. Die Besatzung
im Gebiet Solwara 1 ab.
von 180 See- und Bergleuten wird nicht nur an Bord
arbeiten, sondern dort auch untergebracht und ver- Für die Ressourcen am Meeresboden existieren zwei
pflegt werden. unterschiedliche rechtliche Rahmenvorgaben: ein
nationaler und ein internationaler. Die ersten 200
Damit hat Nautilus Minerals die Mobilität seiner
Seemeilen ab der Küstenlinie bilden die „Ausschließli-
Fördereinrichtung erhöht und zugleich vorangetrieben,
che Wirtschaftszone“ (AWZ) eines Landes.9 Zwar sind
dass das Vorhaben weitgehend losgelöst von der Ge-
die eigentlichen Hoheitsgebiete der Staaten innerhalb
sellschaft Papua-Neuguineas stattfindet. Denn mögliche
der Zone auf die ersten zwölf Seemeilen begrenzt, aber
Arbeitsplatzangebote an Land und Einnahmen der lo-
darüber hinaus haben sie über die gesamte Länge ihrer
kalen Ökonomie entfallen durch diese Planung nahezu
Küste in dieser Zone das Vorrecht auf die Nutzung aller
vollkommen. Protesten der Bevölkerung fehlen damit
Ressourcen am Meeresboden als auch in der Wasser-
die direkten, sichtbaren Bezugspunkte. 7
säule. Das schließt die Vergabe von Lizenzen zu deren
Nutzung ein. Mehr als ein Drittel der Weltmeeresfläche
unterliegt auf diese Weise einer nationalen Nutzung
Ausschließliche Wirtschaftszonen: und Regulierung.
Der ‚Wilde Westen‘ des Jenseits der 200 Seemeilen liegt juristisch betrachtet
Meeresbergbaus die Hohe See, und hier gilt für den Meeresboden ein
einzigartiges System internationaler Regulierung. 1982
wurde, auch in Folge des hohen Interesses am Meeres-
Das Interesse am Meeresboden und die Chancen seiner
bergbau in den Jahren davor, das UN-Seerechtsüberein-
kommerziellen Nutzung sind eng mit dem Steigen und
kommen abgeschlossen. Es trat 1994 in Kraft. Bis heute
Fallen der Rohstoffpreise verknüpft. Als Reaktion auf
haben über 160 Staaten das Abkommen ratifiziert.10
steigende Rohstoffpreise investierten in den 1960er und
Nach dem Seerechtsübereinkommen sind die Ressour-
1970er Jahren vor allem Unternehmen und staatliche
cen auf und im Meeresboden außerhalb der Aus-
Institutionen in Deutschland, Frankreich und USA in
schließlichen Wirtschaftszone „gemeinsames Mensch-
den Meeresbergbau (Glasby 2000).8 Nach einer his-
heitserbe“. Dieses sogenannte „Gebiet“ („Area“) wird
torischen Preisspitze für mineralische Rohstoffe im
von der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA)
Zuge der 1. Ölkrise (1973) begannen die Preise ab 1980
verwaltet. Staaten können bei dieser Behörde zeitlich
wieder zu fallen. Erst zwischen 2000 und 2005 endete
begrenzte Lizenzen für die Erkundung von Flächen am
7 Nautilus: Seefloor Production Tools, http://www.nau- Meeresboden erwerben. Nachdem ein Staat die Erfor-
tilusminerals.com/irm/content/seafloor-production-tools. schung seines Lizenzgebiets abgeschlossen hat, kann er
aspx?RID=333; Eine animierte Darstellung des geplanten
Abbauprozesses findet sich hier: http://www.nautilusminerals. 9 Die 200 Seemeilen (370 Kilometer) können verlängert
com/irm/content/video-gallery.aspx?RID=421; siehe auch werden, wenn der Küstensockel sich darüber hinaus erstreckt.
Nautilus Minerals Inc. 2014a; 2015c) 10 Zu den 15 Nichtunterzeichnern gehören u.a. die
8 G. P. Glasby vom Ozeanographischen Institut Neuseeland USA, Türkei, Israel, Venezuela und der Vatikan. 14 Staaten
gibt die Investitionssumme dieser Phase mit ca. 650 Mio. haben die Konvention unterzeichnet, aber bis jetzt nicht
US-Dollar an (Glasby 2000). ratifiziert, darunter der Iran.
14Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
2. Kapitel
für die Hälfte von dessen Fläche eine zeitlich begrenzte Über 60 Staaten versuchen mittlerweile, ihre Aus-
wirtschaftliche Nutzung beantragen; die andere Hälfte schließlichen Wirtschaftszonen über eine Sonderrege-
wird sich entwickelnden Nationen angeboten, um allen lung des Seerechtsübereinkommens auszuweiten und
Ländern einen gleichen Zugang zu den Ressourcen setzen auf die nationale statt auf die internationale
des Meeresbodens zu gewährleisten. Faktisch hat sich Karte. Bei der zuständigen Kommission zur Begren-
aus diesem Vorgehen jedoch eine Praxis der indirek- zung des Festlandsockels (CLCS) in New York können
ten Privatisierung entwickelt, die der ursprünglichen Staaten auf Basis des Vertragswerks einen Antrag zur
Intention des Seerechtsübereinkommens zuwiderläuft: räumlichen Ausdehnung ihres Anrechts auf die mari-
Private, multinationale Konzerne erwerben von Staa- nen Bodenschätze vor ihrer Küste stellen. Dazu müssen
ten, die selber nicht über die entsprechende Technolo- sie Daten vorlegen, die nachweisen, dass der Konti-
gie verfügen, Lizenzen für die von der Internationalen nentalsockel vor ihrer Küste entsprechend der juristi-
Meeresbodenbehörde zu vergebenen Gebiete. Auch schen Definition des Übereinkommens weiter reicht
Nautilus Minerals hält über den pazifischen Inselstaat als die vorgesehenen 200 Seemeilen. Die Kommission
Tonga Lizenzen für sechs Meeresbodengebiete in der kann ihnen in diesem Falle die Erlaubnis gewähren,
Clarion-Clipperton-Zone, dem bisherigen Hauptverga- bis zu maximal 350 Seemeilen weit vor der Küste die
begebiet für Lizenzen, die die Internationale Meeresbo- Meeresbodenschätze auszubeuten. Das Nutzungsrecht
denbehörde vergibt (Nautilus 2016). gilt ausschließlich für die Bodenschätze, nicht für die
Nördliche
Marianen Johnson
Atoll Ausschließliche Wirtscha�szone
Guam Papua-Neuguinea
Marshallinseln
Föderierte Staaten Mikronesien
Weitere Ausschließliche
Philippinen
Republik
Wirtscha�szonen
Palau USA
USA
Papua- Republik USA
Neuguinea Nauru
Kiriba�
Indonesien
Salomonen Tuvalu Tokelau
Wallis und Samoa Cookinseln
Futuna
Amerikanisch
Fidschi Samoa
Vanuatu
Neukaledonien Niue
Französisch-Polynesien
Ma�hew- Königreich Pitcairninseln
und Hunterinseln Tonga
Australien
Nordfolkinsel
Neuseeland
Australien
Die Ausschließlichen Wirtschaftszonen im Südwest-Pazifik
Die Ausschließlichen Wirtschaftszonen, insbesondere der Kleinen Inselentwicklungsländer, sind meist um ein Vielfaches größer als
die Landflächen der Staaten in Ozeanien
15Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
2. Kapitel
Ressourcen in der Wassersäule. In den Gebieten, die Ausbeutung des Meeresbodens eingehalten werden
über die 200-Seemeilen-Grenze hinausreichen, brau- sollen, gelten in den AWZ nur die Regulierungen des
chen andere Staaten keine Erlaubnis, um beispielsweise betreffenden Einzelstaates. In vielen Fällen heißt das
in diesen internationalen Gewässern zu fischen. bislang: gar keine. Erst in den letzten Jahren sind in
einer Reihe von pazifischen Inselstaaten spezifische
Hunderttausende von Quadratkilometern haben ein-
Gesetze und Verordnungen entwickelt worden, mit de-
zelne Staaten auf diesem Weg schon zusätzlich zuge-
nen der Tiefseebergbau zum ersten Mal geregelt wird.
sprochen bekommen. Auch dies ist ein Ausdruck des
Im Unterschied zur Hohen See, wo die Ausarbeitung
Wettrennens um die marinen Ressourcen. Die Aus-
von detaillierten Regulierungen durch die Internati-
dehnung der Ausschließlichen Wirtschaftszonen stellt
onale Meeresbodenbehörde Voraussetzung jeglicher
oft einen Versuch dar, internationale Absprachen zu
kommerziellen Nutzung ist, stellen in den AWZ nicht
umgehen und auf eine Deregulierung internationaler
vorhandene Regulierungen keinen Hinderungsgrund
Meerespolitik zu setzen.
für die Lizenzierung dar. Derzeit sind vor allem die
Das Seerechtsübereinkommen hat zwar einerseits die Ausschließlichen Wirtschaftszonen pazifischer Insel-
Grundlage gelegt, um den Meeresboden unter der Ob- staaten der ‚Wilde Westen‘ des Meeresbodens. Unter-
hut der Hohen See als gemeinsames Erbe der Mensch- nehmen wie Nautilus Minerals machen sich diesen
heit zu nutzen. Andererseits stehen die AWZ dafür, Umstand zunutze.
dass die Nutzung der Meere in Teilen nationalisiert ist.
Hinsichtlich des Tiefseebergbaus führte das dazu, dass
zwei Erschließungsprozesse parallel laufen können, die
auf unterschiedliche Weise reguliert werden. Während
die Internationale Meeresbodenbehörde noch immer
an umfangreichen Regulierungen arbeitet, die bei der
Basislinie 12sm 24sm 200sm
Anschlusszone Hohe See
mit eingeschränkten mit Fischfang- , Forschungs- und Schifffahrtsrechten,
Hochheitsrechten die unter Aufsicht der Flaggenstaaten ausgeübt werden
bis zu 350sm
Hoheits-
gebiet Küstenmeer Ausschließliche Wirtscha�szone Erweiterter Festlandsockel Gebiet
an Land bis staatliches Hoh- mit Nutzungs- und Verwaltungsrechten, des Seerechts- nach Bewilligung auf Grundlage hier sind die Ressourcen des Meeresbo-
zur Niedrig- heitsgebiet auf See übereinkommens den Küstenstaaten gewährt für den des Seerechtsübereinkommen dens ein gemeinsames Erbe der
wasserlinie Wasserkörper und die Ressourcen in und auf dem mit Rechten am Meeresboden Menschheit, verwaltet von der IMB
Meeresboden
Die Grenzziehungen auf See auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens
16Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
3. Kapitel
Traditionelle Ökonomie und
Bergbauindustrie
Die Verfassung von Papua-Neuguinea unterstrich die „die Gebräuche und Nutzungen der indigenen Einwoh-
Bedeutung von ökologischer Nachhaltigkeit, einer funk- ner des Landes, die bezüglich des in Frage stehenden
tionsfähigen Lokalwirtschaft und des Respekts gegenüber Sachverhalts existieren, zu der Zeit und an dem Ort,
traditionellen Lebensweisen. Als eine postkoloniale in Bezug auf den der Sachverhalt auftritt, unabhängig
Nation erkannte sie den Fortbestand der ‚Vorgeschichte‘ davon, ob dieser Brauch oder diese Nutzung schon seit
an. (…) Das Land begriff sich, anders als beispielsweise unvordenklicher Zeit existiert haben oder nicht.“14
Frankreich, die USA oder Australien, rechtlich nicht als
Das traditionelle Recht gilt15; es gehört zu den in der
eine Nation aus Individuen.
Verfassung aufgeführten Rechtsquellen. Es ist lokal aus-
Paul James 11 gerichtet, was der Vielfalt unterschiedlicher traditionel-
ler Gebrauchsrechte Rechnung trägt. Seine Auslegung
obliegt im Streitfall den Gerichten. Die Spannung zwi-
Papua-Neuguinea ist in mehrfacher Hinsicht ein schen einem nicht schriftlich kodifizierten traditionel-
bemerkenswertes Land. Es gilt als eines der kulturell len „zugrundeliegenden Recht“ („underlying law“) und
vielseitigsten Länder der Welt, mit über 850 bekannten den Gesetzen und Verordnungen, die von politischen
Sprachen12 und einer starken Präsenz kleinräumiger Gremien erlassen werden, prägt das Rechtssystem
kultureller Traditionen. Es gibt kaum einen Flächen- Papua-Neuguineas und ist in einer Vielzahl einschlägi-
staat, in dem der Anteil der städtischen Bevölkerung ger Urteile dokumentiert worden (vgl. Zorn 1995, 1991;
derart niedrig ist (13 Prozent laut Weltbank für 2015). Jessep 1998).
Drei Viertel der auf 8,1 Millionen geschätzten Zahl der
Die Verfassung bestätigt explizit das Gesetz zur Aner-
dort lebenden Menschen arbeiten in Landwirtschaft
kennung traditioneller Rechte („Customs Recognition
und Fischerei, die meisten davon in weitgehend sich
Act“), das 1963, also vor der Unabhängigkeit, erlassen
selbstversorgenden Gemeinden. Die Bevölkerungs-
wurde. Darin heißt es im Abschnitt „Privatrechtliche
dichte ist mit 18 Personen pro Quadratkilometer sehr
Fragen“ („civil cases“):
niedrig.13 Aufgrund der günstigen klimatischen Voraus-
setzungen ist die Ernährungslage in der Subsistenzwirt- “Traditionelle Rechte sollen einbezogen werden (…) in
schaft weit besser als etwa im subsaharischen Afrika. Bezug auf (a) das traditionelle Eigentum an, über oder
in Verbindung mit indigenem Land (…) (b) das traditi-
97 Prozent der Fläche Papua-Neuguineas befindet sich
onelle Eigentum an, über oder in Verbindung mit dem
im Besitz indigener Gemeinschaften. In den letzten
Meer oder einem Riff, oder in oder auf dem Grund des
Jahren hat allerdings ein schleichender Prozess der
Meeres oder eines Flusses oder Sees, einschließlich der
Privatisierung durch Erbpacht eingesetzt. Aufgrund
Fischereirechte (…)“16.
dessen sind inzwischen etwa zehn Prozent der Landes-
fläche als „Special Agricultural and Business Leases“ Der Meeresboden kann daher durchaus traditionellen
mit bis zu 99 Jahren Laufzeit an Privatunternehmen indigenen Rechten unterliegen, wenn er an der fragli-
verpachtet. Die Eigentumsrechte der indigenen Ge- chen Stelle mit traditionellen Nutzungen oder kulturel-
meinschaften sind in der Verfassung verankert, ebenso
ihre Nutzungsrechte, insbesondere ihre traditionellen
Rechte sowie das Recht auf traditionelle kulturelle 14 Constitution of the independent state of Papua
Praktiken. New Guinea, http://www.unesco.org/education/edurights/
media/docs/600e78096209b63b86f0135f52694b257b4b0c0e.
Die Verfassung von 1975 (dem Jahr der Unabhängig- pdf, Schedule 1.2: Meaning of certain expressions, S. 122
keit) definiert das traditionelle Gebrauchs- und Eigen- 15 Solange es nicht der Verfassung, anderen Statuten mit
Verfassungsrang oder allgemeinen humanitären Prinzipien
tumsrecht („custom“) als widerspricht, zu Ungerechtigkeit führt, den öffentlichen
Interessen widerspricht oder nicht im besten Interesse eines
11 James 2012, S. 2 f. Kindes unter 16 Jahren liegt – das sind die sechs expliziten
12 Tok Pisin, Hiri Motu und Englisch sind die verbrei- Einschränkungen, die im Customs Recognition Act aufge-
teten Verkehrssprachen. führt sind.
13 Rang 212 von 249 Staaten und Territorien. Das 16 Customs Recognition Act, http://www.paclii.org/
entspricht etwa Finnland oder Norwegen. pg/legis/PG-consol_act_1986/cra242.pdf, S. 8
17Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
3. Kapitel
len Praktiken in Verbindung steht, seien sie ökonomi- am Leben erhalten. Es hat uns Nahrung geliefert, wenn
scher oder spiritueller Art. die Nahrung an Land stirbt“, so Moses Tapit, Fischer
in Danu, Neuirland. „Danu ist niemals knapp an Fisch
und anderer Nahrung aus dem Meer.“
Fischerei und Ernährungssicherheit
Die Fischgründe der Fischer von Ost-Neubritannien
Die Ernährungssicherheit in Papua-Neuguinea beruht
und Neuirland schließen das Gebiet von Solwara 1
wesentlich auf dem Meer. Der Ertrag der handwerk-
mit ein. Die Kleinfischer bewegt die Frage, ob ihnen
lichen Fischerei wird auf jährlich 35.000 bis 70.000
zukünftig der Zugang zu diesen Fischgründen verwehrt
Tonnen Fisch und Meeresfrüchte geschätzt. Diese
werden wird. Im Gebiet von Solwara 1 werden u.a.
Kleinfischerei erfolgt hauptsächlich küstennah, aber
Thunfisch gefischt, ebenso Riff-Fische bei den nahege-
auch regelmäßig in 20 oder 30 Seemeilen Entfernung
legenen Riffen, z.B. am Paradise Riff. Dies wird sowohl
von der Küste, und schließt den Fang größerer Fische
von den Fischern selbst bestätigt als auch von Vertre-
ein. Gehandelt werden die Fänge, insofern sie nicht der
tern der lokalen Verwaltung, etwa dem Fischereiberater
Eigenversorgung dienen, auf nahegelegenen Märk-
für die Provinz Ost-Neubritannien. Mosley Barbate, der
ten oder sie werden direkt an Restaurants und Hotels
Provinzverwalter, bestätigte im Interview, dass
verkauft.
Solwara 1 auf der Wanderungsroute des Thunfischs
liegt. Er geht davon aus, dass die Fische als Folge des
Lärms und anderer Emissionen, die beim Meeresbo-
denabbau entstehen, von den ihnen vertrauten Routen
abkehren werden. Er forderte deshalb in dem Gespräch
eine Managementstrategie für Thunfisch.
Der Export von Fischereiprodukten und die Vergabe
von Fanglizenzen sind wichtige Faktoren der mariti-
men Wirtschaft. Die Gesamtfangmenge an Fisch und
Meeresfrüchten aus Fischerei und Aquakultur lag im
Jahr 2014 bei 496.000 Tonnen im Wert von zwei Milli-
arden Kina (630 Millionen US-Dollar). Der Beitrag des
Fischereisektors zur nationalen Wirtschaft ist allerdings
aufgrund der unzureichenden Kapazitäten für die Wei-
terverarbeitung im Land begrenzt. Die Wertschöpfung,
d.h. der Netto-Erlös abzüglich der Vorleistungen, lag
Fischmarkt in Madang
2014 bei 733 Millionen Kina (230 Millionen US-Dollar)
und somit bei 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
Der Pro-Kopf-Konsum an Fisch und Meeresfrüchten in
von Papua-Neuguinea. Kommerzieller Thunfischfang
Papua-Neuguinea ist hoch. Er wurde von der Welter-
in der Bismarcksee, einschließlich der Verarbeitung,
nährungsorganisation (FAO) 2007 auf 17,7 Kilogramm
des Exports und der Vergabe von Lizenzen, ist dabei
pro Jahr und Person veranschlagt; andere Studien
von besonderer Bedeutung für das Land. Thunfisch
gehen von bis zu 25 Kilogramm aus. Fisch ist die we-
stellt wertmäßig den größten Teil des kommerziellen
sentliche Bezugsquelle von tierischem Eiweiß und die
Fischfangs dar. Bislang wird jedoch der überwiegende
wichtigste Einkommensquelle für die Küstengemeinden
Teil des Thunfisches von ausländischen Fangschif-
in den Provinzen Ost-Neubritannien und Neuirland.
fen mit Lizenzen eingebracht und geht weder in die
Das Meer wirkt zusätzlich als Versicherung für Zeiten,
nationale Fangmenge noch in die nationale Wertschöp-
wenn die Ernte an Land (in der Subsistenzökonomie
fung ein. Lizenzvereinbarungen bestehen mit Taiwan,
insbesondere Yam, Sago, Taro und Bananen) schlecht
Korea, den Philippinen, China und den USA; 2014
ist. „Während der langen Trockenzeit hat uns das Meer
nahm Papua-Neuguinea ca. 85 Millionen US-Dollar
18Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
3. Kapitel
Bildangaben?
Fangboote für Thunfisch im Hafen Vidar von Madang (Papua-Neuguinea)
aus Lizenzgebühren ein, die in keinem Verhältnis zum Fischmarkt. „Wir investieren eine Menge Geld hier.
Wert der Fänge stehen dürften. Der eigene Export von Das ist in Gefahr, wenn Solwara 1 die maritime Umwelt
Fischereiprodukten machte 2014 laut der Bank von beschädigt.“17
Papua-Neuguinea mit 346 Millionen Kina (110 Millio-
nen US-Dollar) 1,6 Prozent des nationalen Exportvolu-
mens aus (vgl. Gillett 2016).
Papua-Neuguinea orientiert sich in jüngster Zeit daher Schürfen und Erproben
verstärkt darauf, die Vergabe von Lizenzen an Investi-
tionen an Land und perspektivisch an die Fischverar- Bergbau ist hinsichtlich der Exporteinnahmen nach wie
beitung im Land zu koppeln, um lokale Arbeitsplätze vor der bestimmende Wirtschaftszweig in Papua-
zu schaffen und den Anteil an der Wertschöpfung zu Neuguinea; etwa die Hälfte des Exportumsatzes entfällt
erhöhen. In jüngster Zeit wurde in die Entwicklung auf diesen Sektor. Der Inselstaat hat reiche Vorkommen
von Technologien für „snap freezing“ investiert, das von Gold, Kupfer, Silber, Nickel, Kobalt, Öl und Gas.
Schnellgefrieren bei extrem niedriger Temperatur, um Gleichzeitig ist die Erfahrung hinsichtlich des Land-
Thunfisch aus Leinenfang für die Sushimi-Märkte in bergbaus dort von Konflikten, Umweltzerstörung und
Japan und Korea zu liefern. Menschenrechtsverletzungen geprägt sowie von einem
letztlich eher begrenzten Beitrag der Rohstoffindustrie
Diese Perspektive, eine höhere Wertschöpfung und
zur lokalen Ökonomie und infrastrukturellen Entwick-
lokale Beschäftigung zu erreichen, wäre gefährdet,
lung.
wenn der Meeresbodenbergbau die Wanderrouten der
Thunfische beeinträchtigt. Auch die Mitglieder einer Im Jahr 1888 wurde Gold auf der Sudest Insel in der
Fischer-Kooperative bei Kokopo auf Ost-Neubritan- Milne Bay gefunden. Es war der Auftakt zu einem ers-
nien, zu der aktuell 76 Fischer und insgesamt 300 ten ‚Goldrausch‘, bei dem zunächst kleine Gruppen von
Begünstigte gehören, sorgen sich um ihre Investitionen Goldwäschern, dann größere Unternehmen leicht zu-
in stärkere Fangboote und einen geplanten lokalen
17 Interview mit einem Manager der Kooperative
19Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
3. Kapitel
gängliche Vorkommen ausbeuteten wie das berühmte setzung um diese Mine gab den Anstoß zu einem zehn
Edie Creek Feld. In einer zweiten Phase ab den 1930er Jahre dauernden Bürgerkrieg auf Bougainville.
Jahren erfolgte der Abbau als echter ‚Bergbau‘, d.h. die
Die Bevölkerung dieser Insel profitierte ökonomisch
Förderung von Gold aus Gesteinslagen.
kaum von der Mine. Die versprochene Beteiligung der
Die Entdeckung von großen Vorkommen von Gold Inselbevölkerung an den Profiten wurde staatlicherseits
und Kupfer auf der Insel Bougainville18 im Jahr 1963 nicht umgesetzt. Die Arbeitskräfte kamen zum aller-
leitete eine dritte Phase ein, die von schweren Ausein- größten Teil von der Hauptinsel Neuguinea, nicht aus
andersetzungen zwischen der lokalen Bevölkerung und Bougainville. Gleichzeitig nahmen die Betreiber der
der Zentralregierung bestimmt wurde. Internationale Mine schwere Umweltschädigungen in Kauf. Schwer-
Investoren nahmen die Minen von Panguna (1972), metallhaltige Abwasser wurden in den Fluss Kawerong
Ok Tedi (1984), Misima (1989), Porgera (1990) und geleitet und eine Landfläche von 1.800 Hektar kontami-
Lihir (1997) in Betrieb. Die Panguna-Mine war eine der niert. Dies rief den Protest der dort lebenden Bevölke-
größten Kupferminen der Welt. Betrieben wurde sie rung hervor, die die Zugänge zur Mine eine Zeit lang
von Bougainville Copper Ltd., an der der britisch-aust- blockierten. In der Folge kam es ab 1988 zum bewaff-
ralische Bergbaukonzern Rio Tinto/CRA und der Staat neten Konflikt mit der Zentralregierung. Als diese das
Papua-Neuguinea beteiligt waren. Die Auseinander- britisch-südafrikanische Söldnerunternehmen Sandline
anheuerte, um den Widerstand auf Bougainville zu
18 Die Insel ist benannt nach dem französischen brechen, erzwangen Demonstrationen in der Haupt-
Seefahrer Louis Antoine de Bougainville, nach dem auch die
Pflanze Bougainvillea benannt ist, die auf seiner Reise nach stadt Port Moresby den Rücktritt der Regierung. 1998
Südamerika entdeckt wurde.
Ortsangaben
Bergbauprojekte in Betrieb
Bergbauprojekte in Entwicklung
Lorengau
Kavieng Simberi
Vanimo
Lihir
Wewak Namatanal
Solwara 1
Rabaul
Ok Tedi
Porgera Raum Sinvit
Madang
Tabubil Wabag Hoskins
Mt. Hagen
Lae Kieta
Kandrian
Edie Creek
Hidden Valley/Hamata
Kerema
Poponde�a
Tolukuma
Port
Moresby Alotau
Bergbau in Papua-Neuguinea
Die Bergbauindustrie ist einer der wesentlichen Wirtschaftssektoren Papua-Neuguineas
20Solwara 1 - Bergbau am Meeresboden vor Papua-Neuguinea
3. Kapitel
wurde ein Friedensabkommen unterzeichnet, 2001 Landbergbau und Nukleartests haben viele Bewoh-
Bougainville zur autonomen Provinz erklärt. Bestand- ner und Bewohnerinnen der pazifischen Inseln und
teil des Friedensabkommens war die Aussicht auf ein Papua-Neuguineas für die problematischen Auswir-
Referendum über die Unabhängigkeit Bougainvilles, kungen fremdbestimmter Großprojekte sensibilisiert.
das 2019 abgehalten werden soll. Die Panguna-Mine ist Sie befürchten, dass die unvermindert wachsenden
mittlerweile geschlossen. Aktuell wird jedoch, nachdem Rohstoffinteressen der Schwellen- und Industrieländer
Rio Tinto nun letztlich auch seine Unternehmensan- zu ihren Lasten befriedigt werden sollen.
teile aufgegeben hat, in Bougainville über das Für und
Wider einer Wiederinbetriebnahme der unter einer
neuen, eventuell regionalen Verwaltung diskutiert. Mit
diesen Debatten gehen allerdings Konflikte unter der
Bergbauindustrie versus nachhaltige
Bevölkerung einher. Ökonomie
In Ost-Neubritannien ist die Erinnerung an die Wild
Extraktive Industrien, d.h. solche, in denen Rohstoffe
Dog Mine am Mount Sinivit präsent, die auf dem
durch Entnahme aus natürlichen Vorkommen gewon-
Land der Baining liegt. Die in Kanada registrierte New
nen werden, sind seit Langem als problematisch für
Guinea Gold Corporation (NGG) ignorierte die Rechte
postkoloniale Entwicklungsstrategien bekannt. Nicht
der Landbesitzer. Als die Firma die Mine nach einem
ohne Grund sind einige besonders rohstoffreiche
Rechtsstreit 2014 aufgab, gelangten nicht entsorgte
Länder des globalen Südens von Bürgerkrieg, Warlor-
Chemikalien ins Wasser. Der Warangoi-Fluss, der in
dismus, autoritären Regimen und Korruption betrof-
Zeiten von Dürre als Trinkwasserquelle gebraucht wird,
fen. Extraktive Industrien erzielen Staatseinnahmen
gilt als verseucht mit Zyanid.
und private Profite in hohem Maße an der eigenen
Eine weitere historische Erfahrung, die in der Ausei- Bevölkerung vorbei; sie sind nicht abhängig von der
nandersetzung um Solwara 1 und den Meeresbergbau volkswirtschaftlichen Gesamtentwicklung, der flächen-
eine Rolle spielt, sind die jahrzehntelangen Atom- deckenden materiellen und sozialen Infrastruktur und
bombenversuche im Pazifik. Zwischen 1946 und 1996 der Entwicklung einer qualifizierten Arbeiterschaft.
missbrauchten die USA, Frankreich und Großbritanni- Während der Bergbau in den Industrieländern, trotz
en die Inseln im Südpazifik systematisch als Test- oder aller ökologischen Probleme und der Gefahren für die
Versuchsgelände für Nuklearwaffen, u.a. die Marshall Minenarbeiter, mit dem Aufbau von verarbeitenden In-
Inseln (Bikini), Kiribati und Mururoa. Frankreich allein dustrien und regionalem wirtschaftlichen Aufschwung
zündete 193 Atombomben im Südpazifik, die USA zün- verbunden war, ist das in Entwicklungsländern häu-
deten 106. Die drei Atomwaffenstaaten übernahmen fig nicht der Fall. Je leichter Rohstoffe abbaubar und
lange Zeit keinerlei Verantwortung für die gesundheit- transportierbar sind und je isolierter von der sonstigen
lichen und ökologischen Folgen der Strahlung, denen wirtschaftlichen Struktur sich der Abbau betreiben
die Inselbewohner und die Region ausgesetzt wurden. lässt, desto größer ist die Gefahr, dass die Ressour-
ceneinnahmen die volkswirtschaftliche Entwicklung
In Bezug auf Solwara 1 wird von vielen in dem Ge-
und den Aufbau kooperativer, integrierter politischer
biet lebenden Menschen und Aktivisten deshalb der
Strukturen lähmen.19
experimentelle Charakter des dort geplanten Meeres-
bergbaus betont. Erneut werde die pazifische Inselwelt Diese Problematik ist auch in Papua-Neuguinea be-
zum Testgebiet für eine neue, hochriskante Technologie kannt und hat zur Erarbeitung offizieller strategischer
gemacht. Teilweise wird sogar vermutet, die Lokalisie- Dokumente geführt. Diese zielen darauf ab, das Land
rung in der Bismarcksee solle dazu dienen, mögliche zugunsten der Entwicklung nachhaltiger Produktions-
Umweltfolgen in diesem artenreichen, küstennahen sektoren weniger von der Bergbauindustrie abhängig
Gebiet besser untersuchen zu können, um für Folge-
projekte daraus zu lernen. 19 Ressourcenreichtum an sich ist nicht der Grund
für innerstaatliche Konflikte oder einseitige Entwicklung. Er
bietet jedoch die Möglichkeit, diese langfristig aufrechtzuer-
halten. (Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2012).
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