Südtirol 2020 - Der Malser Weg
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INHALT 7 Warum dieser Report? 13 Rahmenbedingungen 14 Naturräumliche und geografische Voraussetzungen 21 Strukturelle Voraussetzungen 24 Sozioökonomische Rahmenbedingungen 30 Problemfelder und Bewertung 33 Umwelt 35 Landschaft 44 Wasserbilanz und Bewässerung 48 Luftschadstoffe und Klimabilanz 50 Boden und Nährstoffbilanz 54 Pflanzenschutz 57 Rückstände 60 Biodiversität 74 Problemfelder und Bewertung 79 Soziales 80 Arbeitsbedingungen 83 Saisonarbeit 84 Freiwillige Arbeitseinsätze 85 Altersstruktur, Familienarbeitskräfte und Hofnachfolge 87 Frauen in der Landwirtschaft 89 Soziale Landwirtschaft 90 Problemfelder und Bewertung 92 Fallstudie: Regionale Kreisläufe 97 Wirtschaft 99 Die Südtiroler Landwirtschaft: Eine erste Analyse von Buchhaltungsdaten 109 Obst und Weinbau 118 Tierhaltung und Berglandwirtschaft 122 Mechanisierung 123 Diversifizierung 126 Problemfelder und Bewertung 130 Fallstudie: Vergleich von Low- und High-Input-Systemen in der Milcherzeugung 136 Handlungsempfehlungen 138 Mitwirkende an diesem Report
Landwirtschaftsreport 04—05 Klima(wandel) Wirtschaftliche Resilienz Biodiversität t Tierwohl Hofnachfolge Diversifizierung Wassernutzung Mechanisierung Arbeitsbelastung Soziale Landwirtschaft Soziales Gleichberechtigung Sortenwahl Wirtschaft Innovation Pflanzenschutz Umwelt
Landwirtschaftsreport 08—09 Warum dieser Report? Landwirtschaft nutzt und beeinflusst die natür- der heutigen Generation entspricht, ohne die BOX lichen Ressourcen Landschaft, Boden, Wasser, Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefähr- Klima, Luft und Artenvielfalt wie kaum ein ande- den, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und rer Sektor. 37% der Landflächen unseres Planeten ihren Lebensstil zu wählen"(4). Das wesentliche werden landwirtschaftlich bearbeitet(1). In Südti- Element der Nachhaltigkeit ist damit Ausgleich rol beträgt die landwirtschaftliche Gesamtfläche und Gerechtigkeit innerhalb und zwischen den Konferenz der Vereinten Nationen über 455.840 ha. Das sind fast 62% der Landesfläche, Generationen. Entwicklungskosten dürfen nicht Umwelt und Entwicklung wobei aufgrund der Steilheit des Geländes nur auf künftige Generationen übertragen werden, Auf der UN-Konferenz für Umwelt und 209.232 ha (28% der Landesfläche) als Anbauflä- ohne dass zumindest versucht wird, diese Kosten Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 trafen chen, Wiesen und Weideland genutzt werden(2). zu kompensieren(5). sich Vertreter aus 178 Ländern, um über Der Anspruch an den Sektor ist in den letzten Dieser Grundgedanke scheint einleuchtend, ist Umwelt und Entwicklungspolitik im 21. Jahrzehnten stark gestiegen und steigt weiter: aber in der heutigen globalisierten Welt schwer Jahrhundert zu beraten. Zum Abschluss der Landwirtschaft soll den weltweit zunehmen- umzusetzen. Dies wird nur mit vielen Kompro- Konferenz verabschiedeten die Länder ein den Bedarf an Nahrungsmitteln sichern. Derzeit missen möglich sein, über deren Akzeptanz und großes Aktionsprogramm zur nachhaltigen sind dies mehr als 23 Millionen Tonnen pro Tag. Nachahmbarkeit die Gesellschaft entscheiden Entwicklung, die Agenda 21. Diese forderte Zusätzlich soll landwirtschaftliches Arbeiten den muss(6). Trotz des politischen Anspruches wurde eine neue Partnerschaft zwischen Industrie-, Bioökonomiestrategien entsprechen und Beiträge Nachhaltigkeit bis Mitte der 1990er Jahre vor allem Schwellen- und Entwicklungsländern zur zur Erschließung erneuerbarer Energiequellen in der Wissenschaft diskutiert. Mit der Deklarati- Bekämpfung von Ungleichheiten im Lebens- und nachwachsender Rohstoffe, beispielsweise für on der Rio-Konferenz 1992 und der Agenda 21 so- standard, ein nachhaltiges Management der die Textil- und Bauindustrie sowie die Pharmapro- wie verschiedener Folgekonferenzen, zuletzt 2012 Umwelt und der natürlichen Ressourcen, duktion, leisten. Gleichzeitig darf Landwirtschaft wieder in Rio de Janeiro, versuchten die Vereinten wie Wasser, Boden und Luft, und bereits eine die Verknappung der nur begrenzt zur Verfügung Nationen einem globalen Entwicklungsleitbild Reduzierung des Treibhauseffektes(7). Darauf stehenden Ressourcen und Flächen nicht mitver- politisches Gewicht zu geben. Ungefähr zur aufbauend wurde 2015 von den Vereinten schulden. Sie soll den Einsatz von Pflanzenschutz- gleichen Zeit wurde auch das Nagoya-Protokoll, Nationen die Agenda 2030 für Nachhaltige und Düngemitteln drastisch reduzieren, kli- ein wichtiges internationales Umweltabkommen Entwicklung verabschiedet. Darin werden 17 maneutraler werden und die Artenvielfalt fördern. zur Umsetzung der Ziele der UN-Konvention über Hauptziele für eine nachhaltige Entwicklung Allerdings ist gesellschaftspolitisch eine sachliche biologische Vielfalt unterzeichnet, das einen (Sustainable Development Goals SDGs) als und respektvolle Auseinandersetzung zwischen Ausgleich zwischen Ländern mit biologischen Leitfaden für eine bessere und nachhaltigere den verschiedenen Interessensgruppen schwie- Ressourcen und Ländern, die diese Ressourcen Zukunft für alle definiert. Die Ziele behan- rig, deren Anforderungen an die Landwirtschaft nutzen, schaffen sollte. Im Zuge der Klimawandel- deln die globalen Herausforderungen, mit unterschiedlich. Während die Nahrungsmittel- debatte und der aktuellen Biodiversitätskrise wur- denen wir konfrontiert sind, wie Armut, branche beispielsweise wirtschaftlichen Interes- de schlussendlich 2015 die Agenda 2030 mit ins- Gesundheit und Wohlergehen, Ungleichhei- sen nachgeht, divergieren die Werte und Ein- gesamt 17 Zielen für eine nachhaltige Entwicklung ten, Klimawandel, sauberer Energie, Leben stellungen in der Bevölkerung, die letztlich auch (Sustainable Development Goals, SDGs) von den an Land und im Wasser, Menschenwürde, die landwirtschaftspolitischen Entscheidungen Vereinten Nationen verabschiedet. Neben dem Frieden und Gerechtigkeit. Sie sind ein mittragen muss, stark. Dies spielt in der Debatte Ziel zwei, das „den Hunger beenden, Ernährungs- Aufruf an alle Länder, unseren Planeten zu eine wichtige Rolle. Häufig ist der gesellschaftspo- sicherheit und eine bessere Ernährung erreichen schützen und den Wohlstand der heutigen litische Diskurs daher kaum von Fakten, sondern und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern“ und zukünftigen Generationen zu sichern. mehr von Vorstellungen und Gefühlen bestimmt. möchte, ist die konkrete Umsetzung einer nach- Das so gezeichnete Bild hat oftmals mit der Rea- haltigen Landwirtschaft auch in den meisten der lität wenig zu tun, obwohl vielfach das Ziel, eine übrigen Entwicklungszielen von großer Bedeu- nachhaltige und möglichst resiliente Form von tung. Dies beispielsweise in Ziel 12 („Nachhaltige Landwirtschaft zu etablieren, unumstritten ist Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen“), (3). Das Prinzip der Nachhaltigkeit, wie es bereits in Ziel 13 („Maßnahmen zur Bekämpfung des im Brundtland Bericht 1987 ausformuliert wurde, Klimawandels und seiner Auswirkungen“) oder in gibt eine Entwicklung vor, "die den Bedürfnissen Ziel 15 („Leben an Land“).
Landwirtschaftsreport 10—11 Was versteht man unter Der vorliegende Zustandsbericht untersucht Nachhaltigkeit in der erstmals umfassend, die drei Säulen der Nachal- tigkeit (Umwelt, Wirtschaft, Soziales) der Land- Landwirtschaft? wirtschaft in Südtirol. Damit geht er über die Nachhaltigkeitsberichte für bestimmte Bereiche, wie beispielsweise für den Obstbau oder Wein- bau, hinaus. Der Report versucht, die wichtigsten Untersucht man die bestehenden Definitionen des Tätigkeitsbereiche der Südtiroler Landwirtschaft Begriffs „nachhaltige Landwirtschaft“, stößt man einzubeziehen, identifiziert die wichtigen auf unterschiedliche Interpretationen, die jedoch Einflussgrößen und zieht die verschiedenen alle die gleiche Zielsetzung verfolgen: Nachhaltige Funktionsebenen - von der Mikro- bis zur Makro- Landwirtschaft muss Land, Wasser, Klima und ökonomie, wie auch von der Feld- bis zu Land- genetische Ressourcen schützen und für künftige schaftsebene in Betracht. Zudem werden in zwei Generationen bewahren, die Gesundheit und das speziellen Fallstudien Aspekte zur Zusammenar- Wohlbefinden aller Nutztiere sicherstellen, hoch beit von Landwirtschaft und Tourismus, sowie zu qualitative landwirtschaftliche Produkte erzeugen, Low- und High-Inputsystemen in der Milcherzeu- ökonomisch sinnvoll und sozialverträglich sein. gung herausgearbeitet. Der Report konzentriert Für eine vollständige Analyse nachhaltiger land- sich bewusst auf die Landwirtschaft im engeren wirtschaftlicher Entwicklung bedarf es daher ei- Sinne, ohne Einbeziehung des Genossenschafts- ner Betrachtung der Bereiche Wirtschaft, Soziales wesens, auch wenn dessen Bedeutung für die und Umwelt und derer Überschneidungsbereiche. Landwirtschaft in Südtirol unbestritten ist. Darü- Auf einen landwirtschaftlichen Betrieb bezogen, ber hinaus spielt für eine nachhaltige Ernährung haben die drei Bereiche folgende Funktionen: die gesamte Nahrungsmittelwirtschaft einschließ- lich der Importe eine große Rolle. Diese konnte — Produktion und Handel von Lebensmitteln, aber im Rahmen des Nachhaltigkeitsreports zur Genussmitteln und Dienstleistungen (ökono- Landwirtschaft ebenfalls nicht analysiert werden. mische Funktion), Der Zustandsbericht beruht auf öffentlich zugäng- — Management natürlicher Ressourcen (ökologi- lichen sekundärstatistischen Daten und Ergeb- Quellen sche Funktion) und nissen einzelner wissenschaftlicher Studien. Da — Beitrag zur ländlichen Entwicklung (soziale für eine umfassende Analyse und um informierte Funktion). "nachhaltige" Entscheidungen treffen zu können 1 Worldbank Data (2016) Agricultural land (% of land area) https://data. aber eine Reihe wesentlicher Informationen und worldbank.org/indicator/AG.LND.AGRI.ZS [Zugriff 01.10.2020] Will man einen Betrieb nachhaltiger wirtschaften Daten fehlen oder diese nicht zugänglich sind, 2 Agrar- und Forstbericht 2019 (2020) Autonome Provinz Bozen – Südtirol Abteilung Landwirtschaft (Hrsg.) http://www.provinz.bz.it/ lassen, müssen Verbesserungen in diesen drei konnten nicht alle drei Säulen Umwelt-Ökonomie- land-forstwirtschaft/landwirtschaft/agrar-forstbericht.asp [Zugriff Bereichen erkennbar sein (8). Soziales gleichwertig dargestellt werden. Daher 15.12.2020] Betrachtet man eine ganze Region und deren glo- weisen die Autorinnen und Autoren auf derartige 3 Rey J (2016) Das Bild der Landwirtschaft beruht auf verklärten balen Kontext, ist es nicht so einfach nachhaltige Datenlücken hin und unterbreiten Empfehlungen Projektionen. Interview mit Priska Baur und Markus Jenny. Umwelt 3/2016. Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für Umwelt Entwicklung zu definieren. Ein landwirtschaft- für ein systematisches Monitoring benötigter BAFU liches System kann lokal nachhaltig sein, global Daten auf den verschiedenen Ebenen, von den 4 WCDE (1987) THE WORLD COMMISION ON ENVIRONMENT aber nicht. Ebenso müssen rein wirtschaftlich Betrieben bis zur Ebene des gesamten Landes. AND DEVELOPMENT 1987: Our common future [Brundtland- nachhaltige Entscheidungen nicht zwangsläufig Der Nachhaltigkeitsreport soll daneben ein Report]. Oxford University Press, Christen O (1999) Nachhaltige Landwirtschaft: von der Ideengeschichte zur praktischen Umsetzung. auch ökologisch und/oder sozial nachhaltig sein Nachschlagewerk darstellen, das über die Land- Inst. für Landwirtschaft und Umwelt. und umgekehrt. Diese Zielkonflikte erschweren wirtschaftsstatistiken des Landesinstitut für 5 Pearce D W and Atkinson G D (1993) Capital theory and the das Verständnis von Nachhaltigkeit und werden Statistik (ASTAT)(9) oder den jährlichen Agrar- measurement of sustainable development: an indicator of “weak” zwangsläufig von Interessengruppen missbraucht. und Forstbericht(2) hinausgeht, und versucht, sustainability. Ecological Economics 8.2: 103-108. Nachhaltigkeit ist somit kein Zustand, der ange- die Problemfelder der Südtiroler Landwirtschaft 6 Bruinsma J (2003) World agriculture: towards 2015/2030: an FAO perspective. Earthscan. Food and Agriculture Organization, London/ strebt und erreicht werden kann, sondern viel- themenübergreifend aufzugreifen und mögliche Rome. mehr ein laufender Prozess. Diesem Prozess liegt Lösungsansätze anzusprechen. Daher schließt 7 Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und in erster Linie das Bewusstsein zugrunde, dass jedes der Großkapitel mit einer Bewertung der Entwicklung (2020) https://www.bmz.de/de/themen/2030_agenda/ jede Handlung in einer Funktionsebene auch Aus- wichtigsten Problemfelder ab. Zudem geben die historie/rio_plus20/umweltgipfel/index.html [Zugriff 22.10.2020] wirkungen auf andere Bereiche haben kann und Autorinnen und Autoren am Ende des Reports Ein Großteil des Reports wurde vor Aus- 8 Diazabakana A, Latruffe L, Bockstaller C, und andere (2014) A Review of Farm Level Indicators of Sustainability with a Focus on CAP and wird. Eine grundsätzlich nachhaltige Entwicklung Empfehlungen für eine nachhaltigere Land- bruch von COVID-19 zusammengetragen. FADN. FLINT https://hal.archives-ouvertes.fr/hal-01209046/ [Zugriff strebt somit immer das bestmögliche Handeln an wirtschaft in Südtirol. Damit will der Landwirt- Die Auswirkungen der Pandemie konnten 01.10.2020]. - jeweils bezogen auf den aktuellen Wissenstand. schaftsreport zur Nachhaltigkeit auch zu einem somit nicht berücksichtigt werden. 9 ASTAT Landesinstitut für Statistik (2020) Land- und Forstwirtschaft, Wo ein Kompromiss nicht möglich ist, müssen verbesserten Dialog zwischen Landwirtschaft https://astat.provinz.bz.it/de/land-forstwirtschaft.asp# [Zugriff 01.10.2020] Ausgleiche geschaffen werden. und Gesellschaft beitragen.
RAHMENBEDINGUNGEN Landwirtschaftsreport 14—15 Naturräumliche und Almen über 2000 m sind je nach Ausrichtung und geographische Voraussetzungen Rahmenbedingungen Hangneigung auch über 200 Tage im Jahr von Schnee bedeckt. Die inneralpine Lage Südtirols Georg Niedrist, Andreas Hilpold, Erich Tasser bedingt eine hohe Anzahl an Sonnenstunden und der Massenerwärmungseffekt der Alpen ermög- licht günstige Produktionsbedingungen bis in Klima höhere Lagen. Apfel- und Weinanbau ist bis über Das Klima ist wesentlich für die landwirtschaftli- 1000 Meter ü. M. möglich, Grünlandwirtschaft mit che Nutzung eines Gebietes und setzt ihr Grenzen. Erträgen bis 80 dt/ha sogar bis auf knapp 2000 Me- Am Übergang zwischen Süd- und Mitteleuropa ter ü. M. Temperaturschwankungen bis zu 20 °C gelegen, herrscht in Südtirol ein gemäßigtes, zwischen Tag und Nacht bieten gute Reifebedin- kontinentales Klima vor – mit einer Jahresdurch- gungen für Trauben und Äpfel. Vor allem tiefe und schnittstemperatur von 12,4 °C in Bozen (266 m) nach Süden gerichtete Anbaugebiete, wie generell und 2,6 °C im hinteren Martelltal (1850 m). Die der gesamte Vinschgau, sind von jeher auf eine Jahreszeiten sind mit kühlen bis kalten Wintern zusätzliche Bewässerung angewiesen. Will man untersuchen, wie nachhaltig die land- und warmen bis heißen Sommern ausgeprägt. wirtschaftlichen Betriebe einer Region arbeiten, Es regnet - vor allem in den breiten Südtiroler Der Klimawandel ist auch in Südtirol Realität. müssen zunächst die Faktoren analysiert wer- Haupttälern - relativ wenig: Der mittlere Jahres- Während die globale Durchschnittstemperatur den, die den Sektor geprägt haben und weiterhin niederschlag liegt zwischen 500 mm in Schlanders seit 1880 um 0,85 °C gestiegen ist, hat sich der prägen. Klima, Klimawandel, Boden und Relief im Vinschgau und 1100 mm im Gebiet zwischen Alpenraum in diesem Zeitraum noch stärker er- beeinflussen das landwirtschaftliche Handeln di- Passeier und Brenner. Mit zunehmender Meeres- wärmt: Allein in den letzten 50 Jahren wurde ein rekt. Indirekter wirken Demographie, Geschichte, höhe nimmt der Niederschlag um 100-150 mm Temperaturanstieg von etwa 2 Grad festgestellt (2). Siedlungsnutzung, Verkehr und das Konsumver- pro tausend Höhenmeter zu. Das Niederschlags- Nicht signifikant verändert haben sich bislang die halten der Menschen auf die landwirtschaftlichen maximum wird in den Monaten Juli und August Niederschläge, doch Prognosen gehen für das Jahr Tätigkeiten ein. erreicht. Aufgrund der oft nur lokal niedergehen- 2100 von weniger Regen im Sommer und unver- Eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie von den Gewitter sind im Sommer aber auch längere änderten bis leicht ansteigenden Winternieder- Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kann einige Trockenperioden nicht ungewöhnlich. Die mittlere schlägen aus. In Abhängigkeit von den globalen dieser Faktoren steuern, andere hingegen können Schneedeckendauer schwankt zwischen wenigen Emissionen ist in diesem Zeitraum mit einem nicht beeinflusst werden. Tagen an den Südhängen oberhalb von Bozen und weiteren Temperaturanstieg von 2,1 °C bis 5,4 °C Meran bis zu 140 Tagen in Ridnaun (1360 m) (1). zu rechnen (3). Mittlere Temperatur ( °C) ° ° 13 -7 Mittlerer Niederschlag (mm/Jahr) 1 7 50 Kontinentalität 0 5 10 20 30 45 0 Km 0 50 75 10 Abb. 1: Links: Modellierte Niederschlagsverteilung - über 30 Jahre gemittelte Niederschlagssummen mit Höhenkorrektur. Oben rechts: Mittlere Jahrestemperaturen. Unten rechts: Kontinentalität als Maß für tägliche und jährliche Temperaturschwankungen. (Daten: Autonome Provinz Bozen-Südtirol Amt für Meteorologie und Lawinenwarnung, EuroLST. Karten: Eurac Research)
RAHMENBEDINUNGEN Landwirtschaftsreport 16—17 Im Gebirge verbessern sich durch Erwärmung Am deutlichsten spürt die Südtiroler Landwirt- grundsätzlich die Wachstumsbedingungen – schaft die Auswirkungen des Klimawandels in Bozen (11,31°O 46,5°N; 254m ü.M.) vor allem in mittleren und hohen Lagen. So ist der Wasserversorgung: Rückläufige Schnee- im Grünland in Lagen ab 1500 Metern aufgrund und Eisreserven sowie höhere Verdunstungs- der höheren Temperaturen und längeren Vege raten führen zu Wasserverknappung vor allem Blühbeginn des Apfelbaumes (Kalendertag) 100 tationsperiode mit höheren Erträgen (teilweise in den Sommermonaten. Ein effizienter und mit zusätzlichem Schnitt) zu rechnen. Aller intelligenter Umgang mit der Ressource Wasser dings bedingen steigende Temperaturen auch ist gefordert: So können intelligent gesteuer- einen Rückgang der Wasserverfügbarkeit und te Bewässerungsturnusse Wasser sparen, wie 80 Szenario erfordern vor allem für hochspezialisierte auch die Umstellung von Oberkronen- auf RCP4.5 Kulturen wie Obst- und Weinbau Anpassungs- Tropfberegnung (1) (>Wasserbilanz und Bewäs- RCP8.5 maßnahmen. Die Apfelblüte hat sich seit den serung S.44). 1960er Jahren bereits um rund zwei Wochen Extremereignisse wie Hagel oder Spätfrost wer- 60 nach vorne verschoben (Abb. 3). Durch die den laut jüngster Studien zahlenmäßig nicht steigenden Nachttemperaturen nimmt zwar oder nur leicht zurückgehen, jedoch in ihrer die Fruchtgröße zu, gleichzeitig nehmen aber Intensität zunehmen. Dies kann zu schweren Fruchtfestigkeit, Ausfärbung und Lagerfähig- Schäden in der Landwirtschaft führen (4). Auf- 40 keit ab. Im Weinbau führen höhere Tempe- grund des verfrühten Austriebes ist außerdem raturen zu einem raschen Säureabbau in den mit einem höheren Spätfrostrisiko zu rechnen 1960 1980 2000 2020 2040 2060 2080 2100 Trauben. Dies stellt die Landwirtschaft bereits (5). Maßnahmen wie Hagelnetze (auch im Wein- Jahr jetzt sowohl in der Sortenwahl (später reifend, bau), Risikostreuung (>Diversifizierung S. 123) Beobachtung 10- jähriges Mittel Rot- statt Weißweinsorten) als auch im Anbau und der Abschluss von Versicherungen können einzelner Jahre (höhere Lagen, Bodenbearbeitung) vor neue mögliche finanzielle Schäden für den landwirt- Herausforderungen (Abb. 2). schaftlichen Betrieb mildern. Abb. 3: Errechneter Blühbeginn des Apfelbaums in Bozen seit 1960. (Quelle: Klimareport Südtirol 2018, Abbildung 29) Geologie, Boden, Erosion gedüngte, häufig befahrene Flächen (6). Wird eine Die geologischen Voraussetzungen für die Land- landwirtschaftliche Fläche aufgelassen, steigt die 100 wirtschaft sind in Südtirol vielfältig. Die Lage Anfälligkeit gegenüber Bodenerosion und Schnee- im Zentrum der Ostalpen an der Grenze zweier gleiten deutlich an. Erst durch Bewaldung sinkt Kontinentalplatten bedingt, dass hier ein reiches das Risiko wieder (7). Im Weinanbau herrschen in Spektrum an Gesteinen zu finden ist: vulkanische Südtirol Querterrassen vor. Diese sind im Gegen- Neu angelegte Flächen [%] 75 Gesteine wie Porphyr und Granit, metamorphe Ge- satz zu den Längsterrassen zwar arbeitsaufwän- Höhe [m ü.M] steine wie Phyllit und Gneis und verschiedene Se- diger, schützen den Boden aber wesentlich besser < 500 dimentgesteine wie Dolomit, Kalk oder Sandstein. vor zu starkem Bodenabtrag bei Extremnieder- 500−1000 Besonders wichtig für die Landwirtschaft sind die schlägen. Winderosion tritt in Südtirol aufgrund 50 > 1000 Sedimentschichten fluvialen oder glazialen Ur- der geschützten Lage und der vorherrschenden sprungs, sowohl in den Talsohlen als auch in den Dauerkulturen kaum auf. Mittelgebirgen. Auf diesen konnten sich frucht- bare Böden ausbilden. Der in landwirtschaftlich 25 genutzten Gebieten vorherrschende Bodentyp in Südtirol ist die Braunerde. Diese zeichnet sich durch einen hohen Tongehalt aus und kann da- 0 durch Wasser und Nährstoffe sehr gut speichern. In den Talsohlen finden sich häufig sandige und 00 0 0 50 0 0 16 0 0 0 0 20 01 99 94 96 7 8 91 93 20 20 19 vom Grundwasser beeinflusste Böden. In der 19 19 19 −2 −1 −1 −1 −1 −1 − − − − − − 00 00 40 60 90 10 80 50 20 30 70 10 alpinen Stufe herrschen hingegen nährstoffarme 20 20 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 Rohböden wie Rendzina und Ranker vor, die abge- sehen von der Beweidung kaum landwirtschaftli- Abb. 2: Entwicklung Neuanlagen von Weinbergen nach Anlagenhöhe. (Daten: Tscholl und andere che Nutzung zulassen. (2019), Eurac Research) Trotz vieler bewirtschafteter Steilhänge ist Erosion in Südtirol im Vergleich zu Landwirtschaftsgebie- ten in anderen Regionen selten und tritt nur lokal auf. Im Grünland sind wenig gedüngte, artenrei- che Flächen weniger erosionsanfällig als stark
RAHMENBEDINUNGEN Landwirtschaftsreport 18—19 Relief HÖHENVERTEILUNG DER LANDWIRTSCHAFTSFLÄCHEN HANGNEIGUNG DER LANDWIRTSCHAFTSFLÄCHEN Das ausgeprägte Gebirgsrelief Südtirols erlaubt Um die bestehende Bewirtschaftungssituation nur eine eingeschränkte Nutzung der Landesflä- zumindest zu erhalten und eine großräumige, [m.ü.M] [°] che: Lediglich 14% liegen unterhalb von tausend naturnahe landwirtschaftliche Tätigkeit im Berg- 3000 60 Metern Höhe, nur 5% sind besiedelbar. Bis zur gebiet sicherzustellen - hat das Amt für Landwirt- 2500 50 subalpinen Stufe, also bis etwa 1800 Meter Höhe, schaft bereits 1976 ein Bewertungssystem mit ist das Gebiet relativ intensiv landwirtschaftlich Erschwernispunkten erstellt, das 2007 erneuert 2000 40 nutzbar (zwei Schnitte). Darüber ist nur noch eine wurde. Die Erschwernispunkte bewerten die 1500 30 extensive Wiesennutzung oder Weidetätigkeit topographischen Gegebenheiten und die daraus möglich. Abbildung 4 zeigt, wie sich die Süd- resultierenden Bewirtschaftungsnachteile eines 1000 20 tiroler Landwirtschaft an die naturräumlichen jeden Bauernhofes. Bewertungskriterien sind: die 500 10 Voraussetzungen angepasst hat: Die Obst- und sogenannte Flächenerschwernis (Höhe, Hangnei- Weinbauflächen liegen auf etwa 450 m. Obst- und gung) und die Betriebserschwernis (Teilstücke, 0 0 au st t in au au se de pe st au au t au se de pe in Maisanbau erfolgt hauptsächlich in relativ fla- die Entfernung des Betriebes zur nächstgelegenen bs bs ob ob ha ha ie ie nb rb rb rb rb nb ei Al ei Al no no W W W W rn rn en en ke tte tte ke ei ei ei ei chem Gelände, während Weinberge und besonders zentralen Ortschaft, die Zufahrt zum Wirtschafts- Ke Ke W W ni ni Ac Ac r fu r fu St St sta sta ke ke Ka Ka Alpweiden und Kastanienhaine stark geneigt sind. gebäude). Die Erschwernispunkte variieren je nach Ac Ac naturräumlicher Voraussetzung (Abb. 5). Eine Die Berglandwirtschaft ist auf nationalen und besonders hohe Erschwernispunktezahl weisen internationalen Märkten ohne Unterstützung Betriebe im unteren Vinschgau auf, besonders Abb. 4: Verteilung der mittleren Hangneigung und Meereshöhe der Südtiroler Landwirtschaftsflächen. (Daten: Autonome Provinz Bozen-Südtirol - Amt für landwirtschaftliche Informationssysteme. Darstellung: Eurac Research) nicht mehr wettbewerbsfähig. Die kurze Vegetati- in den Ötztaler Alpen, in den Pfunderer Bergen onsperiode und das schwierige Terrain mit seinen und im Ahrntal, daneben aber auch in Teilen der steilen Hängen und nur wenigen nutzbaren Flä- Dolomiten, wie etwa im Gadertal. Leichter fällt die chen treiben die Produktionskosten in die Höhe. landwirtschaftliche Nutzung nach diesem Kriteri- ERSCHWERNIS IN DER BERGLANDWIRTSCHAFT Besonders zwischen 1970 und 2010 haben viele enkatalog im Etschtal zwischen Meran und Salurn. Landwirte die Nutzung dieser Flächen aufgegeben. Viele waren bereits vorher aufgelassen worden. Mittlere MittlereErschwernispunkte Erschwernispunkte < 45 45 45.1 - -60 45.1 60 60.1 --7575 75.1- -90 75.1 90 90 > 90 0 5 10 20 30 Km Abb. 5: Mittlere Erschwernispunktezahl pro Betrieb und Gemeinde. (Daten: Autonome Provinz Bozen – Abteilung Landwirtschaft. Karte: Eurac Research) Relief und Topographie gaben für die Urbarmachung in den Alpen enge Grenzen vor. Landwirtschaftliche Produktion war und ist auf Gunstlagen – in den Talsohlen oder an den Talseitenhängen beschränkt. Mit technischer Hilfe wurden diese Grenzen zwar verschoben, aber nicht außer Kraft gesetzt. Weitaus größer sind die Möglichkeiten für die Weidebewirtschaftung: Viele schwer zugängliche Gebiete mit schwierigen Bodenverhältnissen konnten auf diese Art genutzt werden. Allerdings werden viele dieser Weiden seit dem 20. Jahrhundert nicht mehr genutzt.
RAHMENBEDINUNGEN Landwirtschaftsreport 20—21 WALDFLÄCHEN LANDWIRTSCHAFTLICHER BETRIEBE Abb. 6: Anteil der Waldfläche im Besitz von Landwirtinnen und Landwirten pro Gemeinde. (Daten: Autonome Provinz Bozen-Südtirol - Amt für landwirtschaftliche Informationssysteme. Karte: Eurac Research) [%] [%] < 151 5 15.1 1 5.1- 30 - 30 30.1 3 0.1- 45 - 45 45.1 45.1- 60- 60 > 60.1 60.1 0 5 10 20 30 Km Wälder Wald bedeckt etwa die Hälfte der Landesfläche und ist somit landschaftsbestimmendes Element in Südtirol. Mehr als 22.000 Besitzerinnen und Be- sitzer bewirtschaften die Waldgebiete, wobei sich 52% der Wälder in Privatbesitz - meist in der Hand von Landwirtinnen und Landwirten - befindet (Abb. 6). Mit durchschnittlich 11,6 ha Waldfläche pro Besitztum sind die Waldgebiete sehr klein- strukturiert. Ausnahmen bilden Vinschgau und Strukturelle Voraussetzungen einer kleineren Fläche ernähren. Ein weiterer Überetsch, wo der Anteil des Bauernwaldes weit Grund liegt in der historischen Entwicklung des unter dem landesweiten Durchschnitt liegt. Thomas Marsoner, Andreas Hilpold Erbfolgerechts im Land: In Gebieten, in denen Realteilung vorgeherrscht hat und somit alle Bis ins 20. Jahrhundert erfüllte der Wald eine gan- Parzellierung, Besitzstrukturen und Nachfahren einen Teil der Hofflächen erhalten ze Reihe von Aufgaben: Er bot Bauholz, Brennholz Flächendistanzen haben, besitzen die Landwirtschaftsbetriebe heute und Holzkohle, Nutzholz für Werkzeuge und Gerä- Mit einer mittleren Nutzfläche von 11,9 ha pro im Durchschnitt kleine, oft zerstreute Wirtschafts- te sowie Einstreu für den Stall. Er wurde als Wald- Betrieb ist die Südtiroler Landwirtschaft sehr flächen. In Gebieten mit Anerbenrecht, in denen weide genutzt. Er gab Nahrungsmittel (Pilze und kleinstrukturiert und liegt deutlich unter dem eu- es nur einen Hoferben gab, wurde die Hoffläche Beeren) und war „Sparkasse“, also eine Geldreser- ropäischen Durchschnitt von 16 ha (8). Wein- und kaum zerstückelt (9,10). Diese Strukturmerkmale er- ve, die häufig zur Abdeckung größerer finanzieller Obstbaubetriebe liegen mit einer durchschnittli- schweren die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit Aufwendungen (Investitionen, Bautätigkeiten, chen Fläche von 1,1 bis 2,5 ha zudem wesentlich der Betriebe. Zunehmend müssen die Besitzerin- Auszahlung von Erben, etc.) verwendet wurde. unter dem nationalen Mittelwert. Viehzucht- nen und Besitzer einem Nebenerwerb nachgehen: Da man die Waldgebiete über Jahrhunderte hin- betriebe bewirtschaften meist größere Flächen. Über 30% der Nutzflächen werden von knapp 7500 weg intensiv forstwirtschaftlich genutzt hat, ist Allerdings besteht ein beachtlicher Teil ihrer Neben- und Zuwerwerbsbetrieben bewirtschaftet. die heutige Ausdehnung der Laub- und Mischwäl- Nutzfläche aus Weideland und Almflächen und ist Der Erhalt dieser Betriebe ist von großer Bedeu- der deutlich geringer als ihr natürlicher Verbrei- somit weniger produktiv und maschinell nicht zu tung für die nachhaltige Entwicklung der Region, tungsraum. Wirtschaftliche Überlegungen führten bewirtschaften. da die Aufgabe auch nur einzelner Betriebe ver- mancherorts zu Fichtenmonokulturen, da diese Die Kleinstruktur zeigt sich nicht nur in der mutlich einen Rückgang der Landbewirtschaftung eine wesentlich kürzere Umtriebszeit aufweisen Betriebs-, sondern auch in der Parzellengröße. (vor allem von extensiv bewirtschafteten Flächen) als etwa Mischwälder. In den Talbereichen wurden Besonders in den Talschaften - am stärksten im mit sich bringen würde. Auwälder großteils gerodet, um landwirtschaftli- Etschtal und in Teilen des Vinschgaus - ist eine Insgesamt gehören mehr als 30% der landwirt- che Flächen zu gewinnen oder sie verschwanden Parzellendichte von 200 Parzellen/km² keine schaftlichen Gesamtflächen zu Betrieben mit im Zuge der Flussregulierungen. Heute schätzen Seltenheit. Die Ursachen sind historisch bedingt: weniger als 2 ha (reduzierter) landwirtschaftlicher Einheimische und Touristen die verbliebenen Tiefer gelegene Flächen waren schon immer Nutzfläche. Somit kommt Kleinbauern eine große Laub- und Mischwälder wegen ihrer Erholungs- ertragreicher als Gebiete in höheren Lagen. Somit Flächenverantwortung (vor allem über extensive funktion. konnte sich dort eine Bauernfamilie auch mit Flächen) zu (Abb. 7).
RAHMENBEDINUNGEN Landwirtschaftsreport 22—23 LANDWIRTSCHAFTSFLÄCHEN IM BESITZ VON BETRIEBEN ANTEIL DER NEBENERWERBSBETRIEBE 2010 MIT WENIGER 2 HA LANDWIRTSCHAFTLICHE NUTZFLÄCHE BOX Geschützte Flächen [%] [%] [%] Gesetzliche Rahmenbedingungen begrenzen den < 10 < 45 45 bäuerlichen Handlungsspielraum. Seit dem Mit- 11 - 20 > 45 45 - -555 5 telalter regeln Gesetze, wie Wald zu nutzen ist und 21 - 40 > 55 5 5- -6565 wie darin gejagt werden darf. Im 19. Jahrhundert 41 - 60 > 65 65 - -757 5 begannen die westlichen Gesellschaften Gebiete > 61 > 75 75 aus landschaftlichen und naturkundlichen Grün- Schutzgebiete in der EU den unter Schutz zu stellen. Nationalparks ent- Die Europäische Union hat 1992 beschlossen, standen – als erstes der Yellowstone-Nationalpark ein Schutzgebietsnetz aufzubauen, das dem Abb. 7: Links: Flächenverantwortung von Betrieben mit weniger als 2 ha reduzierter landwirtschaftlicher Nutzfläche (LNF). (Daten: Autonome Provinz Bozen-Südtirol - Amt für landwirtschaftliche Informationssysteme) Rechts: Anteil der im Nebenerwerb geführten in den USA im Jahr 1872. Erhalt wildlebender Pflanzen- und Tierarten landwirtschaftlichen Betriebe. (Daten: Landwirtschaftszählung 2010 Karten: Eurac Research) In den Jahren darauf entstanden ausgefeilte und ihrer natürlichen Lebensräume dient. Es Schutzsysteme. Viele von ihnen gelten auch in wurde Natura 2000 genannt und besteht aus Südtirol. Im Gegensatz zu den amerikanischen Gebieten, in denen die so genannte Fauna- Nationalparks ist es in Europa in vielen Schutz- Flora-Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie), die Neben Flächengröße und -anzahl haben auch die Die Flächendistanz ist wichtig für eine nachhalti- gebieten ausdrücklich erlaubt und vielfach sogar Vogelschutzrichtlinie oder beide Richtlinien Distanzen zu den bewirtschafteten Flächen große ge Bewirtschaftung: größere Distanzen bedeuten erwünscht, die geschützten Gebiete zu nutzen. umgesetzt werden. Wesentliches Ziel der Auswirkungen auf deren Nutzung. Abbildung 8 mehr CO2-Emissionen, vor allem bei arbeitsin- Nur so können wertvolle, vom Menschen geschaf- FFH-Richtlinie ist der Erhalt und die Wie- zeigt die mittleren linearen Entfernungen von den tensiven Feldern, die wöchentlich kontrolliert fene Lebensräume langfristig erhalten bleiben. derherstellung der biologischen Vielfalt. Hofstellen in einer Gemeinde zu ihren bewirt- werden. Nur ein geringer Anteil der Schutzgebietsflächen Die EU-Agrar-Förderungen sind zum Teil an schafteten Flächen. Interessanterweise liegen kommt allerdings für eine landwirtschaftliche die Erfüllung der FFH-Richtlinie gebunden. Hofstellen und Landwirtschaftsflächen in Talge- oder forstwirtschaftliche Nutzung in Frage. Hier- Für jeden FFH-Lebensraum gibt die EU klare meinden weiter auseinander als in Berggemein- bei sind vor allem verschiedene Wiesentypen von Erhaltungsziele vor. Das bedeutet, dass es zu den. Neben historischen Gründen könnte dies, Bedeutung. Eine Nutzungsänderung (beispiels- keiner Verschlechterung des Lebensraumes begünstigt durch die leichtere Erreichbarkeit von weise Intensivierung) ist in diesen Fällen nur kommen darf. Verschlechterung bezieht sich Flächen im Tal, an einer häufigeren Verlegung der mehr eingeschränkt möglich. Dieser Nachteil wird dabei ausschließlich auf ökologische Kriteri- Hofstelle liegen. zum Teil durch finanzielle Anreize ausgeglichen en, nicht auf agronomische. (Landschaftspflegeprämien). Die flächenmäßig größten Schutzgebiete in Südtirol sind der Stilfser-Joch-Nationalpark und sieben Naturparks. Sie sind zum größten Teil auch hunderten so genutzt worden – zum Vorteil von MITTLERE BEWIRTSCHAFTETE (INTENSIV-) MITTLERE DISTANZ VON DER HOFSTELLE Natura-2000-Gebiete. Zusätzlich wurden über 200 Landwirtschaft und Naturschutz. FLÄCHE PRO BETRIEB ZU DEN FELDERN (OHNE PACHTFLÄCHEN) Biotope und zahlreiche Naturdenkmaler unter Der größte Teil der Schutzgebietsflächen be- Schutz gestellt, was etwa ein Prozent der Landes- findet sich in Hochlagen (Abb. 9), wodurch es flache ausmacht. Der größte Teil der Biotope und – von einigen Ausnahmen abgesehen – kaum flächigen Naturdenkmälern besteht aus Lebens- zu Nutzungskonflikten mit der Landwirtschaft räumen, die keine intensive Nutzung zulassen, kommt. Biotope, die in tieferen Lagen vorkommen will man den jeweiligen Lebensraum nicht zur und vorwiegend inselartig in die Kulturlandschaft Gänze zerstören. Dazu gehören Hochmoore, eingestreut sind, können durch eine sehr intensi- Quellen und auch der größte Teil der Auwälder. ve Nutzung in der direkten Umgebung ihre Natur- [ha] In einigen Biotopen und Naturdenkmälern findet schutzfunktion vielfach nur noch eingeschränkt [ha] [m] < 3.0 3 .0 [m] man Trockenrasen, die eine Weidenutzung erfor- erfüllen. 6.1 6.1 >> 2801 2 801 Abb. 8: Links: Mittlere intensiv genutzte Fläche der landwirtschaftlichen Betriebe pro Gemeinde. Rechts: Mittlere Distanzen von der Hofstelle zu den bewirtschafteten Feldern pro Gemeinde. (Daten: Autonome Provinz Bozen-Südtirol - Amt für Landwirtschaftliche Informationssysteme. Karten: Eurac Research)
RAHMENBEDINUNGEN Landwirtschaftsreport 24—25 BEVÖLKERUNGSZUWACHS 1998-2018 100% SCHUTZSITUATION IN SÜDTIROL 100% GESCHÜTZTE FLÄCHEN NATURA 2000 - HÖHENLAGE 80% 80% 60% 60% 40% 40% 20% 20% [%] [%] 0% 0% 0.0 < 0.0 0.1- 10.0 > 0.1 - 1 0.0 Nicht geschützte Flächen Natura 2000 außerhalb >3000 m 1 0.1 > 10.1 - 2 0.0 - 20.0 Naturparks >2000 m - 3000 m 20.1- 30.0 > 20.1 - 3 0.0 Geschützte Flächen Natura 2000, Natur-, >1000 m - 2000 m 3 0.1 > 30.1 Nationalparks Altersstruktur S.83).
RAHMENBEDINUNGEN Landwirtschaftsreport 26—27 Siedlungsnutzung & Konfliktpotential zu einem Verlust landwirtschaftlicher Nutzflä- Die Siedlungsflächen sind in Südtirol seit den chen und häufig zur Bodenversiegelung. Damit 1950er Jahren stark gewachsen. In vielen Gemein- gehen alle wichtigen Bodenfunktionen verloren. den haben sie sich verdoppelt, in einigen sogar Böden können kein Wasser mehr speichern und vervierfacht. Zudem konnte eine verdichtete filtern. Bodenorganismen finden keinen Lebens- Bebauung in den Ortskernen festgestellt werden raum mehr und die natürliche Bodenfruchtbar- (12). In den letzten 15 Jahren setzen sich drei Trends keit wird massiv beeinträchtigt (14). Die geringere durch: die Urbanisierung, die Suburbanisierung Entfernung zwischen landwirtschaftlich genutzten und die Zersiedelung. Urbanisierung zeigt sich in Flächen und Wohngebieten ist neben dem ho- den Städten Bozen, Meran und Bruneck. Hier ent- hen Nutzungsdruck und der großen Nachfrage stehen viele Neubauten mit geringem Flächenver- nach Grund und Boden in den Gunstlagen der brauch, was zu einer Verdichtung des Siedlungs- Täler zudem nicht unproblematisch. Über 10% raums führt. Die stadtnahen Gemeinden - vor der Wein- und Obstbauflächen befinden sich allem in Überetsch und Burggrafenamt - erfahren im unmittelbaren Einflussbereich (30 m) von eine starke Suburbanisierung mit einer Auswei- Siedlungen und somit von Wohngebäuden (Abb. Verkehrsinfrastruktur stellt werden, wie sich die Faktoren Erreichbar- tung der Ortskerne und vermehrter Bebauung von 12). Die Abdrift von Pflanzenschutzmitteln sowie Verkehrsflächen versiegeln und verbinden Land- keit, räumliche Entwicklung und wirtschaftliches landwirtschaftlichem Grün. Zersiedelung hinge- Lärm oder Geruchsbelästigung durch die Land- wirtschaftsflächen und bedingen somit wesent- Wachstum beeinflussen (15). Fest steht: Mit wach- gen findet vermehrt in peripheren Gemeinden wie wirtschaft bergen ein hohes Konfliktpotential. lich die nachhaltige Nutzung eines Gebietes. sender Distanz erhöht sich die soziale Isolation. Es dem Ulten-, Martell- und Sarntal statt, um nur ein Durch die Nähe und hohe Dichte an Flächen Großen Einfluss hat daneben der Ausbau der steigen Zeitaufwand, Treibstoffverbrauch und so- paar Beispiele zu nennen. Dort entstehen immer verschiedener Grundbesitzer ergeben sich Span- Zufahrtswege. Südtirol verfügt im Vergleich zu mit die Umweltverschmutzung. Möglichst geringe mehr Gebäude außerhalb bestehender Wohnge- nungsfelder innerhalb der Landwirtschaft aber anderen Gebieten im Alpenraum über ein äußerst Distanzen fördern eine nachhaltige Entwicklung. biete und Ortskerne - oft im landwirtschaftlichen auch zu anderen Sektoren wie dem Tourismus. dichtes Verkehrsnetz. Es umfasst eine Länge von Im Vergleich zum restlichen italienischen Alpen- Grün (Bauzone E). Aufgrund der Siedlungsexpan- Sozial-politisches Konfliktpotential birgt die mehr als 20.000 km. Mehr als zwei Drittel davon raum führen in Südtirol Straßen zu vielen Almen. sion gehen jedes Jahr vor allem in den Gunstlagen zunehmende Erkenntnis der Bevölkerung, dass sind Forst-, Alm- und Güterwege (~ 15.500 km), die Dies begünstigt deren jährliche Bewirtschaftung, der Talbereiche Landwirtschaftsflächen verloren. eine zu intensive Landwirtschaft auch negativen für die land- und forstwirtschaftliche Bewirtschaf- stellt sie aber nicht allein sicher. Um diese zu ga- Von 2016 bis 2017 waren dies laut eines Berichts Einfluss auf die Umwelt nimmt. Dazu kommt die tung essentiell sind. Ob ein Hof erreichbar ist oder rantieren, sind zudem ökonomische und soziale des Höheren Instituts für Umweltschutz und For- zum Teil wahrgenommene Diskrepanz zwischen nicht, entscheidet über seine Wirtschaftlichkeit, Rahmenbedingungen wie Ausgleichszahlungen, schung in Rom (ISPRA) 203 ha - das entspricht 248 einem scheinbaren Reichtum der Bauernfamilien die gesellschaftlichen Kontakte der Betreiberin- angemessene Produktpreise sowie eine gesicher- Fußballfeldern (13). Diese Entwicklung ist kritisch (aufgrund hoher Grundstückspreise) und der Tat- nen und Betreiber und ist auch für die Umwelt von te Betriebsnachfolge notwendig (16). zu betrachten: Wo viel gebaut wird, kommt es zu sache, dass Landwirtschaft subventioniert wird. Bedeutung. Allerdings kann nicht exakt festge- Anteil Anteil der Gebäude der Gebäude außerhalb außerhalb der der Zugänglichkeit zu öffentlichen Fertiggestellte Bautenim Fertiggestellte Bauten imlandwirtschafltichen landwirtschaftlichenGrün Grün Wohn Wohn-und Gewerbezonen und Gewerbezonen Zugänglichkeit zu Städten Verkehrsmitteln [%] [%] < 15 < 5 50 > 15 - 30 > 5 50 - 7 00 > 30 - 45 > 7 00 - 850 > 850 - 1 000 0 10 20 40 > 45 - 60 0 5 1 0 20 30 Km Km > 1 000 > 60 Apfel- Apfel- und Weinbauflächen und Weinbauflächen in 30inm30m Anteil der mit Straßen Umkreis vonGebäuden Umkreis von Gebäuden erschlossenen Almen [m³] [%] [km] 1,000 < 15 < 6 10,000 [ha] > 15 - 25 > 6 - 12 [ha ] 0-6 50,000 > 25 - 35 < 20 7 - 18 >12 - 18 > 2 0 - 40 100,000 > 35 - 45 19 - 54 > 1 8 - 24 > 40 - 60 0 5 10 20 30 1,000,000 > 45 0 10 20 40 55 - 108 0 5 10 20 30 0 5 1 0 20 30 > 60 - 80 Km Km Km > 24 Km 109 - 274 > 80 Abb. 12: Links: Fertiggestellte Bauten in Bauzone E in m³ und Anteil der insgesamt fertiggestellten Bauten pro Gemeinde. Rechts Abb. 13: Links: Mittlere Distanz der landwirtschaftlichen Betriebe in einer Gemeinde zur nächstgelegenen Stadt (ohne Glurns, aber oben: Zersiedelungsindikator – Anteil der Gebäude außerhalb der inneren und erweiterten Ortskerne. (Daten: OpenStreetMap, inkl. Schlanders und Innichen). Rechts oben: Mittlerer Fußweg von den Höfen in einer Gemeinde zur nächstgelegenen Haltestelle Geoportal Südtirol). Rechts unten: Wein- und Obstbauflächen im Pufferbereich (30 m) von Siedlungen. (Daten: Geoportal Südtirol, öffentlicher Verkehrsmittel. Rechts unten: Anteil der Almen in einer Gemeinde, die durch eine Straße erschlossen sind. (Daten: Tasser Autonome Provinz Bozen-Südtirol - Amt für landwirtschaftliche Informationssysteme. Karten: Eurac Research). E und andere (2013), Open StreetMap, Autonome Provinz Bozen-Südtirol - Amt für landwirtschaftliche Informationssysteme. Karten: Eurac Research)
RAHMENBEDINUNGEN Landwirtschaftsreport 28—29 Konsumverhalten Südtiroler Lebensmittelkonsum Preisentwicklung und Handel Marktanteil abdecken. Dies führt zu einem Un- Unsere kontinuierlich wachsende Gesellschaft Der nachhaltig arbeitende landwirtschaftliche Der Preis landwirtschaftlicher Güter unterlag gleichgewicht in der Verhandlungsmacht zwi- stellt die Landwirtschaft weltweit vor Herausfor- Sektor einer Region sollte mit den eigenen Flächen schon immer starken Schwankungen. Seit den schen Produzenten und Handel (24). derungen. Südtirol bildet da keine Ausnahme. Bei einen höchstmöglichen Beitrag zur Lebensmittel- 1950er Jahren nehmen die Preise weltweit ab (20). mehr oder weniger gleichbleibenden Flächen be- versorgung der lokalen Bevölkerung leisten. Dies Trotz dieser Entwicklung kommt es zu periodisch Mit seinem weltweit einzigartigen Genossen- nötigt die Weltbevölkerung immer mehr landwirt- aus ökologischer und aus klimapolitischer Sicht. wiederkehrenden Krisen der Lebensmittelprei- schaftswesen (25) hat sich die Südtiroler Land- schaftliche Produkte, um die steigende Nachfrage Um beurteilen zu können, wie nachhaltig die se. Die Ursachen hierfür sind noch nicht genau wirtschaft bereits recht gut an die Marktverände- nach Lebensmitteln, Futtermitteln und Energie Südtiroler Landwirtschaft unter diesem Gesichts- geklärt. Möglich ist, dass diese Krisen mit Inves- rungen angepasst und Schutzmechanismen für zu decken. Wie mehr Lebensmittel verfügbar sein punkt arbeitet, bedarf es einer Abschätzung des titionen in landwirtschaftliche Technologie und kurzfristige Preisschwankungen entwickelt. Durch können, ist momentan noch umstritten. Denkbar Lebensmittelverzehrs in Südtirol (Abb. 14). Grund- Produktivität im Zusammenhang stehen (21). Auch den Zusammenschluss vieler Produzenten hat wären eine weitere Intensivierung und Ertrags- lage des hier verwendeten Modells sind Daten der in den 2000er Jahren kam es zu einem langsamen Südtirol an Verhandlungsmacht gewonnen. Eine steigerung oder auch Prozessoptimierungen und Europäischen Datenbank über den Lebensmit- Preisanstieg von Agrarprodukten, der zur soge- optimierte Lagerung der für den Export produzier- Verlustreduzierung. telverzehr (19). Diese liefert unter anderem Infor- nannten Lebensmittelpreiskrise der Jahre 2006- ten Produkte ermöglicht zudem einen ganzjähri- Bevölkerungswachstum ist allerdings nicht der mationen über italienische und österreichische 2008 führte. gen Verkauf. Waren können immer frisch geliefert alleinige Grund für den erhöhten Lebensmittelbe- Essgewohnheiten und die daraus resultierenden Betrachtet man die Weltmarkt-Preisentwicklung werden. Es ist möglich, auf Schwankungen in der darf. Auch die sich stark verändernde Ernährungs täglichen Konsummengen - nach Altersgruppen landwirtschaftlicher Produkte in Form von Nachfrage und beim Preis zu reagieren. weise sowie gesellschaftliche Phänomene wie sortiert. Da die Südtiroler Küche allerdings nicht vergleichbaren Indizes (Abb. 15), ist erkennbar, Der Auszahlungspreis für Milch ist, durch den Lebensmittelverschwendung und Lebensmittel- eindeutig einer dieser beiden Ernährungsweisen dass die Weltfinanzkrise 2008 einen erheblichen großen Anteil an lokal verdelten Milchprodukten, verluste spielen eine große Rolle. zugeordnet werden kann, wurde hier die Konsum- Einfluss auf die Preisentwicklung im Agrarsektor in Südtirol deutlich höher als im europäischen Die Ernährungs- und Landwirtschafts menge mithilfe der Sprachgruppenzugehörigkeit hatte (22). Auch in Südtirol ist die Landwirtschaft, Durchschnitt. Auch die Weinwirtschaft konnte organisation der Vereinten Nationen FAO (17) pro- und der Altersverteilung der Bevölkerung im Jahr vor allem durch den Import von Dünger- und Fut- in den letzten Jahren durch ihre Ausrichtung auf gnostiziert einen weltweit steigenden Konsum 2011 berechnet. Der Gesamtverzehr beläuft sich termitteln und den Export von Äpfeln, Wein und Qualitätsweine in der Lage, höhere Auszahlungs- aller landwirtschaftlichen Produkte. So soll der auf etwa 240.000 Tonnen Lebensmittel pro Jahr. Milch abhängig von der Weltwirtschaftssituation. preise zu erzielen als benachbarte Regionen. Konsum von Fleisch bis zum Jahr 2025 um beina- Da hier effektiv verzehrte Lebensmittel zu Grunde Trotz der geringen Menge international gehan- he 15% ansteigen, der von Milchprodukten sogar gelegt wurden, dürfte der Gesamtkonsum (unter delter Agrarprodukte haben Weltmarktpreise um 24%. In Europa hingegen, scheinen die Ver- anderem aufgrund von Lebensmittelverschwen- großen Einfluss auf nationale und somit auch auf braucher zunehmend die negativen ökologischen dung) deutlich höher liegen. regionale Preise (23), allerdings ist dieser Einfluss Folgen ihrer Ernährung zu bemerken. Daher dürf- Den Berechnungen im Tourismus-Sektor liegen schwer zu quantifizieren und wirkt sich von Jahr te der europäische Fleischkonsum zurückgehen, beide Ernährungsweisen zu Grunde: die italieni- zu Jahr unterschiedlich aus. ebenso der Konsum von Frischmilchprodukten sche für Reisende aus Italien, die österreichische Neben der globalen Preisentwicklung landwirt- (18). Zunehmen wird - so die Erwartungen - der für Reisende aus dem deutschsprachigen Ausland. schaftlicher Güter hat auch der Handel starken Konsum von veredelten Produkten wie Käse und Der Tagestourismus wurde nicht berücksichtigt. Einfluss auf die erzielten Preise. In den letzten von Milchpulver als wichtiger Grundstoff der Der Lebensmittelkonsum im Tourismus macht Jahrzenten hat der Lebensmitteleinzelhandel ei- Lebensmittelindustrie. mehr als ein Sechstel des Gesamtverzehrs an Le- nen Konzentrationsprozess durchlaufen, wodurch bensmitteln in Südtirol aus. heute einige wenige große Händler den größten SÜDTIROLER LEBENSMITTELKONSUM 1000 Tonnen/Jahr PREISENTWICKLUNG 0.0 10.0 20.0 30.0 40.0 50.0 60.0 350.0 Index Getreide und Getreideprodukte 300.0 Milch und Milch-Derivate 250.0 Fertiggerichte Früchte und Fruchtprodukte 200.0 Fleisch und Fleischprodukte 150.0 Gemüse und Gemüseprodukte Wurzeln, Knollen und Hülsenfrüchte 100.0 Snacks, Desserts, Zucker und Konfekt 50.0 Fisch und Meeresfrüchte Eier und Eiprodukte 0.0 Anderes 0 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 9 20 20 20 20 20 19 20 20 20 20 19 19 19 19 20 20 20 19 20 19 19 19 20 19 20 20 20 20 Fleisch-Preis-Index Milch-Preis-Index Getreide-Preis-Index Dünger-Preis-Index Opec-Öl-Preis-Index Lokale Bevölkerung Tourismus Abb. 14: Errechneter Lebensmittelverzehr in Südtirol. (Daten: Landesinstitut für Statistik ASTAT – Gemeindedatenblatt, EFSA 2018 Abb. 15: Die Weltmarkt-Preisentwicklungen bezogen auf die Preise im Jahr 2010. (Daten: FAO Food Price Index (2018), Jacks Darstellung Eurac Research) D. (2019) STATISTA (2019) Darstellung: Eurac Research)
RAHMENBEDINUNGEN Landwirtschaftsreport 30—31 PROBLEMFELDER UND BEWERTUNG — Klima und Relief: Die Südtiroler Landwirtschaft des Waldes zu erhalten, müssen nachhaltige nutzt die klimatischen und landschaftlichen Waldbaumaßnahmen weiterhin gefördert Bedingungen des Landes gut. Der Klimawan- und Sensibilisierungsmaßnahmen umgesetzt del wird in Zukunft einen noch effizienteren werden. Nur so können stabile und vielfältig Quellen Umgang mit der Ressource Wasser erfordern. strukturierte Waldbestände aus standortge- Die veränderten Vegetationsperioden eröffnen rechten und klimaresistenten einheimischen 1 Zebisch M, Vaccaro R, Niedrist G, Schneiderbauer S, Streifeneder T 16 Tasser E, Aigner S, Egger G, Tappeiner U (2013) "Almatlas/Alpatlas." neue Möglichkeiten, wie der Anbau von Obst Baumarten aufgebaut und erhalten werden. Atlante delle malghe. Arbeitsgemeinschaft Alpenländer ARGE ALP. und andere (2018) Klimareport – Südtirol 2018, Bozen, Italien: Eurac und Wein in höheren Lagen. Sie bergen aber Research 17 OECD.stat (2019) OECD-FAO Agricultural Outlook 2018-2027 – https:// auch neue Risiken, wie beispielsweise invasive — Räumliches Konfliktpotential: Die derzeitig 2 Auer I, Böhm R, Jurkovic A, Lipa W, Orlik A und andere (2007) stats.oecd.org/ [Zugriff 11.2019] Schaderreger oder die veränderte Populations- verzeichnete Zunahme an Bodenversiegelung HISTALP – historical instrumental climatological surface time series of 18 EU Agricultural Outlook (2018) – For Markets and Income 2018-2030 dynamik heimischer Schaderreger. vor allem in Gunstlagen ist äußerst kritisch the greater Alpine region. International Journal of Climatology, 27, S. - https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/food-farming-fisheries/ 17–4 farming/documents/medium-term-outlook-2018-report_en.pdf zu betrachten. Die Entwicklung steht im [Zugriff 11.2019] 3 IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) (2014) Fifth — Flächenverantwortung: Der Landwirtschaft Widerspruch zu globalen gesellschaftlichen Assessment Report. Climate Change 2014 Synthesis report – 19 EFSA (2018) Umfassende Europäische Datenbank der EFSA über den kommt in Südtirol eine hohe Flächenverant- Bedürfnissen (Bevölkerungszuwachs, Ernäh- Summary for Policymakers. http://www.ipcc.ch/pdf/assessment Lebensmittelverzehr - European Food Safety Authority http://www. wortung zu, weshalb ein fundierteres Wissen rungssicherung) und führt zu ökologischen report/ar5/syr/AR5_SYR_FINAL_SPM.pdf efsa.europa.eu/de/food-consumption/comprehensive-database 4 Punge H J, Kunze M (2016) Hail observations and hailstorm [Zugriff 07.2018] über eine natur- und umweltverträgliche Land- Langzeitschäden. Neubauten im landwirt- characteristics in Europe: A review. Atmospheric Research, 176-177: 20 Albrecht S, Engel A (2009) Weltagrarbericht: Synthesebericht. bewirtschaftung aller Bäuerinnen und Bauern schaftlichen Grün können zu Konflikten 159-184. Hamburg University Press. von zentraler Bedeutung ist. Aufgrund der zwischen der Bevölkerung und den land 5 Vitasse Y, Schneider L, Rixen C, Christen D, Rebetez M (2018) 21 Timmer C P (2010) Reflections on food crises past. Food policy 35, 1–11 beschleunigten technologischen und wissen- wirtschaftlichen Betrieben führen, wenn es zu Increase in the risk of exposure of forest and fruit trees to spring 22 Baffes J and Haniotis T (2010) Placing the 2006/08 Commodity Price schaftlichen Entwicklung muss Weiterbildung Lärm- oder Geruchsbelästigung kommt oder frost at higher elevations in Switzerland over the last four decades. Boom into Perspective. World Bank Policy Research Working Paper Agriculture and Forest Meteorology, 248, S.60-69. No. 5371 gefördert und auch von Nebenerwerbs- und Dünge- und Pflanzenschutzmittel abdriften. 6 Tasser E, Mader M and Tappeiner U (2003) Effects of land use in 23 Haerlin B and Busse T (2009) Wege aus der Hungerkrise. Die Kleinbauern verlangt werden. Sie sind daher zu vermeiden. alpine grasslands on the probability of landslides. Basic and Applied Erkenntnisse des Weltagrarberichtes und seine Vorschläge für Ecology 4: 271-280 eine Landwirtschaft von morgen. GLS Treuhand. Zukunftsstiftung — Geschützte Flächen: Geschützte Gebiete sind — Preise und Handel: Dank ihrer Genossenschaf- 7 Leitinger G, Höller P, Tasser E, Walde J, Tappeiner U (2008) Landwirtschaft. für den Erhalt der Biodiversität von zentraler ten und einer guten Interessensvertretung Development and Validation of a Spatial Snow-Glide Model. Ecological 24 Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (2011) Konzentration Modelling 211: 363-374 im Lebensmitteleinzelhandel: Hersteller sitzen am kürzeren Hebel Bedeutung. Ein Großteil der geschützten Flä- arbeitet Südtirols Landwirtschaft derzeit 8 European Comission (2018) Farm structure statistics. https://core.ac.uk/download/pdf/6901743.pdf chen befindet sich in Südtirols Hochlagen oder hochprofessionell und ist in den Bereichen https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index. 25 FAO (2014) Apple producing family farms in South Tyrol - An beinhaltet Lebensräume, die maximal eine Grünlandwirtschaft, Obst- und Weinbau sehr php?title=Archive:Farm_structure_statistics [Zugriff 11.2019] agriculture innovation case study. INNOVATION IN FAMILY FARMING extensive Nutzung zulassen. Die Einschrän- erfolgreich. Dies hat zur Folge, dass diese 9 Tasser E, Schermer M, Siegl G, Tappeiner U (2012) Wir 56, 149–151. kungen für die Landwirtschaft sind daher Bereiche eine dominante Stellung einnehmen. Landschaftmacher. Vom Sein und Werden der Kulturlandschaft in Tscholl S, Tasser E, Raifer B und andere (2019) Nord-, Ost-und Südtirol. Athesia, Bozen. Die geländeklimatische Standortbewertung von Weinbauflächen in überschaubar. Zudem sind landwirtschaftliche Allerdings ergeben sich aus der intensiven 10 Nössing J (2016) Landwirtschaft in Südtirol im 20. Jahrhundert Südtirol. Laimburg Journal 1/2019 Betriebe durch das Vorhandensein geschützter und monotonen Flächenbewirtschaftung auch (ungedruckter Text), Bozen FAO (2018) Food Price Index http://www.fao.org/worldfoodsituation/ Lebensräume oft in der Lage, auf Fördergelder Probleme wie der geringe Selbstversorgungs- 11 ASTAT Landesinstitut für Statistik (2017) Bevölkerungsentwicklung foodpricesindex/en/ [Zugriff 05.2018] zuzugreifen. Diese können die eventuell vor- grad, die Abhängigkeit von Energieimporten 2016 - Andamento demografico 2016. Astatinfo Nr.166 Jacks D S (2019) From boom to bust: A typology of real commodity handenen Nachteile wieder ausgleichen. Aus (Energie in jeglicher Form) und dem Export 12 Wanker C (2010) Kulturlandschaft Südtirol-Landnutzung und prices in the long run. Cliometrica: 1-20. Sicht des Naturschutzes ist eine Verdichtung der eigenen Produkte sowie ein ökologisches Siedlungsausdehnung im Wandel seit 1950. GW-Unterricht Nr.119. STATISTA (2018) Average annual OPEC crude oil price from 1960 to des Schutzgebietsnetzes im Talbereich und in Ungleichgewicht. Im Sinne einer regionalen, 13 ISPRA (2018) Il Consumo di Suolo dinamiche territoriali e servizi 2018 Sources: OPEC; IEA ecosistemici – Rapporto edizione 2018. Istituto Superiore per la der Waldstufe sinnvoll. kreislauforientierten und sozialverträglichen Protezione e la Ricerca Ambientale, Rome. Wirtschaftsausrichtung sollte eine Experten- 14 Umweltbundesamt (2020) Bodenversiegelung - https://www. — Wälder: Die Laub- und Mischwälder sind heute gruppe über Entwicklungsszenarien nachden- umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/ durch Umwidmungsmaßnahmen weit weniger ken und darauf aufbauend zukünftige Gestal- boden/bodenversiegelung#was-ist-bodenversiegelung [Zugriff 10.2019] ausgedehnt als ihr natürlicher Verbreitungs- tungsansätze aufzeigen. 15 Keller P, Steinmetz R (2003) Verkehr und Erreichbarkeit von Stadtland raum. Um dem Klimawandel entgegenzuwir- Schweiz im Standortwettbewerb. Arbeitsberichte Verkehrs-und ken und die multifunktionalen Leistungen Raumplanung 175.
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