Somatische Folgen der Essstörungen Anorexie, Bulimie sowie der Adipositas

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              Somatische Folgen der Essstörungen
             Anorexie, Bulimie sowie der Adipositas
    Im folgenden Beitrag werden die aku-       schusses an Körperfett bezeichnet          schluss einer Zoeliakie durch und tes-
                                               werden. Die Adipositasproblematik          ten bei entsprechender Klinik auch auf
    ten und chronischen Folgeprobleme          präsentiert sich aber sehr heterogen       eine Helicobacter-pylori-Erkrankung
                                               und ist für spezialisierte Fachleute       mittels C-13-Atemtest. Der einfach
    der komplexen Essstörungen aus so-         längst zu einem hochkomplexen              durchzuführende orale GTT, vor allem
                                               Krankheitsbild geworden. In der ICD-       bei Bulimiekranken mit Adipositas, ist
    matischer Sicht behandelt. Dabei be-       10-Klassifikation ist die Adipositas als   wichtig für die Diagnostik einer allfäl-
                                               eigenständiges Krankheitsbild nicht        lig vorliegenden pathologischen Glu-
    schränke ich mich aus didaktischen         aufgeführt. Hingegen bieten sich Klas-     kosetoleranz oder gar eines Typ-2-Dia-
                                               sifizierungsmöglichkeiten, wenn die        betes. Im Weiteren sind in diesem
    Gründen auf die klassischen Krank-         Codierung des Übergewichtes aus E66        Zusammenhang auch die Gesamt-
                                               der ICD-10 ergänzt wird und reaktive       lipide mit den entsprechenden Frak-
    heitsformen der Anorexie und Bulimie.      Faktoren, wie Angst, depressive Stö-       tionen zu bestimmen.
                                               rungen oder Essattacken, zum Beispiel         c) Bildgebende Diagnostik
    Es ist zu bedenken, dass diese Krank-      als Reaktion auf traumatische oder            Eine umfassende Abdomensonogra-
                                               emotional belastende Ereignisse be-        fie, mit besonderer Berücksichtigung
    heitsbilder im klinischen Verlauf häufig   rücksichtigt werden. Dasselbe gilt für     der Parenchymorgane und der Beur-
                                               die Entitäten der bulimischen Adiposi-     teilung des inneren Genitale, gehört
    eine wechselnde und sich überschnei-       tas oder der Binge-Eating-Disorder mit     zur Standarduntersuchung. Weiter-
                                               Adipositas. So gesehen gehört die Adi-     führende Untersuchungen wie CT
    dende Symptomatologie aufweisen            positas mit den entsprechenden psy-        oder MRI werden nur bei entsprechen-
                                               chiatrischen und/oder psychosozialen       der Klinik durchgeführt.
    können. Weiter gibt es eine wichtige       Komorbiditäten zur Gruppe der kom-
                                               plexen Essstörungen.                       Die akuten Komplikationen
    und heterogene Gruppe von Krank-                                                         Gefürchtet sind die akuten Herzrhy-
                                               Anorexie und Bulimie                       thmusstörungen vor allem im Zusam-
    heitsbildern, die gemäss ICD-10 oder                                                  menhang mit Elektrolytentgleisungen
                                               Allgemeine Anmerkungen                     bei massivem Erbrechen oder als Folge
    DSM IV unter den atypischen sonsti-          Alle Patienten und Patientinnen mit      des Missbrauchs von Laxanzien oder
                                               Anorexie, Bulimie und atypischen Ess-      Diuretika.
    gen und nicht näher bezeichneten Ess-      störungen müssen im Sinne der Ganz-           Metabolische Komplikationen wie
                                               heitlichkeit neben dem psycholo-           die Hypoglykämie oder der akute
    störungen klassifiziert werden. Diese      gisch/psychiatrischen und sozialen         Phosphatmangel im Zusammenhang
                                               Bereich auch umfassend somatisch ab-       mit dem Refeeding-Syndrom (z.B. bei
    zeigen aus somatischer Sicht ebenso        geklärt werden. Die somatische Unter-      unsachgemäss durchgeführter Zwangs-
                                               suchung ist zwingend und bereits in        ernährung) sind weitere Komplikatio-
    häufig diverse somatische Folgepro-        der Abklärungsphase durchzuführen.         nen. Leber- oder Nierenversagen sind
                                               Diese Standortbestimmung ist eine un-      in der Regel nur bei extremen Formen
    bleme der klassischen Essstörungen.        abdingbare Voraussetzung, um der           der Essstörungen zu sehen, vor allem
                                               meist parallel laufenden Psychodia-        wenn sie im Zusammenhang mit einem
                                               gnostik den „Rücken frei zu halten”.       Arzneimittelmissbrauch oder dem ex-
                Josef Laimbacher                                                          zessiven Konsum von legalen oder ille-
                                               Somatische Diagnostik                      galen Suchtmitteln stehen.
                                                 Diese umfasst:                              Die früh auftretenden osteoporoti-
    Gehört die Adipositas auch zu den            Ganzkörperstatus                         schen Frakturen sind nicht selten und
    komplexen Essstörungen?                      Zum Ganzkörperstatus gehört auch         stehen meist im Zusammenhang mit
      Die in den letzten Jahren sogar pole-    die Erfassung von weiteren anthropo-       exzessiver körperlicher Aktivität oder
    misch geführte Diskussion ist die Folge    metrischen Daten, wie der Körperzu-        als Sturzfolgen bei Risikosportarten.
    von Erkenntnissen aus einer zuneh-         sammensetzung und der Pubertäts-              Akute gastrointestinale Komplikatio-
    mend umfassend durchgeführten Dia-         Entwicklungsstadien. Ein besonderes        nen nach profusem Erbrechen sind die
    gnostik und den klinischen Erfahrun-       Augenmerk ist auf die spezifische Kli-     Refluxösophagitis, das Mallory-Weiss-
    gen aus den meist aufwändigen              nik zu legen, wie unten in Tabelle 1       Syndrom oder gar eine Magenperfora-
    Therapieprozessen mit häufig frustra-      aufgeführt.                                tion. Zusätzlich besteht die Gefahr ei-
    nem Verlauf. Die klassische Adipositas       Umfassende Labordiagnostik               ner Aspirationspneumonie, vor allem
    «simplex» kann als Folge einer aus           Neben den in Tabelle 1 aufgeführten      wenn zusätzlich eine Bewusstseinstrü-
    dem Lot gefallenen positiven Energie-      Untersuchungen führen wir immer            bung besteht wie beispielsweise nach
    bilanz mit der Konsequenz eines Über-      eine serologische Abklärung zum Aus-       «Rauschtrinken».

2                                                                                                                  Nr. 5 • 2007
Rubriktitel

                                                                                      lytentgleisungen sowie Störungen des
 Tabelle 1 (1)                                                                        Säure-Basen-Haushaltes nach profu-
                                                                                      sem Erbrechen in Kombination mit ei-
 Haut                                      Muskuloskeletal                            nem Laxanzien- oder Diuretikaabusus,
 •trockene, schuppige Haut                 •Osteopenie/Osteoporose                    sind vor allem die teils erheblichen
 •Glanzlose Haare                          •Kleinwuchs                                Störungen des Gastrointestinaltraktes
 •Brüchige Nägel                                                                      zu erwähnen. Dazu gehört neben der
 •Haarausfall                              Renal
                                                                                      komplexen Reizdarmproblematik mit
 •Lanugobehaarung vor allem im Ge-         •hypochlorämische, hypokaliämische
                                                                                      Stuhlunregelmässigkeiten       insbeson-
  sicht und an den Armen                    metabolische Alkalose (B)
                                                                                      dere auch die chronische Obstipation.
 •Hypothermie
 •Cutis marmorata                          ZNS
                                                                                      Diese ist wiederum häufig assoziiert
 •Akrozyanose, periunguale Erytheme        •kortikale Atrophie, Ventrikelsystem er-   mit einem chronischen Laxanzienabu-
 •Cheilitis (entzündliche Rhagaden an       weitert (reversibel)                      sus, so dass sich der Teufelskreis
  den Lippen), trockene Lippen             •Polyneuropathie                           schliesst. Zusätzlich sind die dyspepti-
 •Zahnfleischveränderungen (B)             •Epilepsie                                 schen Abdominalbeschwerden zu er-
 •Hyperkeratose an Fingergrundgelen-       •Myopathie                                 wähnen und die häufig irreversiblen
  ken und/oder Handrücken (B)              •Tetanie (B)                               Zahnschäden.
 •Gelbliches Hautkolorit                                                                 Die bedeutendste Langzeitkomplika-
 •Gelbverfärbung von Handinnenflä-         Hämatologie                                tion ist sicherlich die Osteoporose-
  chen und Fusssohle (Aurantiasis cutis)   •Leukopenie/Neutropenie                    problematik diverser Ausprägung. Sie
 •Ödeme                                    •Anämie                                    ist Folge der Malnutrition, des Hypo-
                                           •Thrombopenie                              gonadismus und weiterer Störungen
 Mund/Rachen                                                                          vor allem im Bereich der Hypothala-
 •Karies (B)                               Chemie                                     mus-Hypophysen- und Nebennieren-
 •Perimolyse (B)                           •Natrium sehr hoch oder sehr tief (B)      achse mit konsekutiv erhöhtem Kal-
 •Sialadenitis (B)                         •Kaliummangel (B)                          ziumabbau aus den Knochen und
 •Parotisschwellung (B)                    •Kalziummangel                             erhöhter renaler Kalziumausschei-
 •Zungenpiercing (gehäuft bei Essstörun-   •Magnesiummangel                           dung. Das Ausmass dieser Problematik
  gen)                                     •Phosphormangel
                                                                                      ist für die Zukunft noch nicht abzuse-
 •Heiserkeit (B)                           •Glukosemangel
                                                                                      hen, vor allem wenn man auch die ge-
                                           •Albuminmangel
                                                                                      nerell hohe Lebenserwartung mit-
 Kardiovaskulär                            •Leberenzyme hoch
 •Hypotonie                                •Amylase hoch
                                                                                      berücksichtigt.
 •Bradykardie/Arrhythmien                  •Harnstoff tief                               Der über lange Zeit persistierende
 •Verlängerte QT-Zeit                      •Kreatinin hoch                            hypogonadotrope        Hypogonadismus
 •Abnahme der Wanddicke des linken         •Cholesterin hoch                          mit konsekutiver Amenorrhö kann
  Ventrikels                               •Chlormangel (B)                           auch bei erfolgreicher Therapie der
 •Mitralklappenprolaps                                                                Essstörung und trotz Normalisierung
 •Kardiomyopathie durch Ipecad (B)         Spezielle Laboruntersuchungen              des Körpergewichts zu einer persistie-
                                           •Vitaminmangel                             renden Fertilitätsstörung führen.
 Gastrointestinal                          •Ferritinmangel
 •Magenentleerungsstörung                  •Vitamin-B12-Mangel                        Adipositas
 •Verminderte Darmmotilität                •Folsäuremangel
 •Obstipation                              •LH-, FSH-Mangel                           Allgemeine Aspekte
                                           •Östrogenmangel bei Frauen, Testoste-         Adipositas ist eine chronische Krank-
 Endokrinologisch                           ronmangel bei Männern                     heit mit eingeschränkter Lebensqualität
 •relative Hypothyreose, Low-T3-Syn-       •Cortisol hoch                             und hohem Morbiditäts- und Morta-
  drom                                     •TSH, FT4 normal                           litätsrisiko, die eine langfristige Betreu-
 •Hypogonadotroper Hypogonadismus          •T3 tief                                   ung erfordert (4). Mit der pandemi-
 •Hypoöstrogenämie                                                                    schen Zunahme – auch in unseren
                                                                                      Breitengraden – ist die Adipositas zu ei-
 Gynäkologisch
                                                                                      nem bedeutenden Problem des Gesund-
 •Oligomenorrhö, Amenorrhö
                                                                                      heitswesens geworden. Es ist damit zu
                                                                                      rechnen, dass bei einer weiteren Zu-
Mortalität                                 bezüglich keine verlässlichen Daten, da    nahme weltweit mit Versorgungsengpäs-
  Es gilt zu bedenken, dass die komple-    für diese Krankheit eine sehr hohe         sen und Kostenanstieg in den Gesund-
xen Essstörungen Anorexie, Bulimie         Dunkelziffer besteht. Auch für die Buli-   heitssystemen zu rechnen ist.
und atypische Formen als potenziell        mie ist eine hohe Komorbidität mit De-
tödliche Krankheiten enden können.         pressionen und der konsekutiven Suizi-     Die somatische Diagnostik und
So zeigen kürzlich erschienene Meta-       dalität bekannt.                           Klassifikation
analysen von Sullivan oder Steinhausen                                                  Eine umfassende Diagnostik hat zum
eine Letalität von 5 bis 5,9 Prozent (2,   Die somatischen Langzeitfolgen             Ziel, die Adipositas zu definieren und
3). Diese Letalität ist auch im Zusam-       Neben irreversiblen Organschäden,        zu klassifizieren sowie die bereits beste-
menhang mit der erhöhten Suizidalität      wie beispielsweise der Niereninsuffi-      henden oder sich entwickelnden Fol-
zu sehen. Bei der Bulimie gibt es dies-    zienz als Folge chronischer Elektro-       geerkrankungen zu erfassen.

Nr. 5 • 2007                                                                                                                        3
Rubriktitel

    Abbildung 1a: Perzentile für BMI von Mädchen, Alter 0–18                         Abbildung 1b: Perzentile für BMI von Jungen, Alter 0–18 (Kron-
    (Kronmeyer-Hauschild K., Wabitsch M., Kunze D. et al. Monats-                    meyer-Hauschild K., Wabitsch M., Kunze D. et al. Monatsschr
    schr Kinderheilk 2001; 149: 807–818)                                             Kinderheilk 2001; 149: 807–818)

       Die Adipositas beruht auf einem
    Übermass an Fett (Triglyzeriden), das               Tabelle 2: Einstufung des Gesundheitsrisikos aufgrund von Körpermas-
    im adipösen Gewebe gespeichert ist.                 senindex (BMI) und Bauchumfang (22)
    Man unterscheidet Formen von Adipo-
    sitas, bei denen die tiefliegenden Fette            Risiko*
    vorherrschen (viszerale, intraperito-               Gewichtsklassifikation   BMI          Adipositas-     Männer ≤ 102 cm        > 102 cm
    neale, mesenteriale und epiploische                 bei Erwachsenen nach     (kg/m2)      klasse          Frauen ≤ 88 cm         > 88 cm
    Fette), im Gegensatz zu subkutanem, in              WHO (4)
    der Peripherie gespeichertem Fett. Die              Untergewicht             < 18,5                       –                      –
    Berechnungsgrundlage für die Ge-                    Normalgewicht            18,5–24,9
    wichtsklassifikation ist der Körpermas-             Übergewicht              25–29,9   I                  Erhöht                 Hoch
    senindex (Body-Mass-Index/BMI) (22).                Adipositas               30–34,9   II                 Hoch                   Sehr hoch
       Neben dem Ausmass des Über-                                               35–39,9   III                Sehr hoch              Sehr hoch
    gewichts bestimmt das Fettverteilungs-                                       > 40                         Extrem hoch            Extrem hoch
    muster das metabolische und kar-
    diovaskuläre Gesundheitsrisiko. Die                 *für Krankheiten wie Diabetes Typ 2, Hypertonie und kardiovaskuläre Erkrankungen
    viszerale Fettmasse korreliert beson-
    ders eng mit kardiovaskulären Risiko-
    faktoren und Komplikationen (5). Ein
    einfaches Mass zur Beurteilung des vis-             Tabelle 3: Definition des metabolischen Syndroms nach AHA/ADA
    zeralen Fettdepots ist die Messung des              2005 (23)
    Taillenumfangs (6).
       Diese anthropometrischen Daten                   Risikofaktoren                           AHA/ADA 2005
    sind die Grundvoraussetzung für die                                                          3 von 5 Kriterien erfüllt
    Klassifikation. Zusammen mit anderen                1. Abdominale Adipositas                 Bauchumfang
    Laborwerten oder kardiovaskulären                   Männer                                   >102 cm
    Parametern sind sie Teil der Definition             Frauen                                   > 88 cm
    des metabolischen Syndroms, das mit                 2. Triglyzeride                          ≥ 1,7 mmol/l
    einem hohen Atheroskleroserisiko as-                3. HDL-Cholesterin
    soziiert ist. Bei Personen mit metaboli-            Männer                                   < 1,0 mmol/l
    schem Syndrom ist das Risiko für kar-               Frauen                                   < 1,3 mmol/l
    diovaskuläre Komplikationen um das                  4. Arterieller Blutdruck                 ≥ 130/85 mmHg
    Dreifache erhöht (7). Die Diskussion,               5. Nüchternblutzucker                    ≥ 5,6 mmol/l
    ob das metabolische Syndrom (Tabelle
    3) ein eigenständiges Syndrom dar-                Bedeutung und Besonderheiten der               für Europa. Die Wahrscheinlichkeit
    stellt, ist umstritten. So wird aktuell           Adipositas im Kindesalter                      überwiegt, dass sowohl das Übergewicht
    einvernehmlich lediglich von einem                   Der rasche Anstieg der Prävalenz der        als auch die Begleiterkrankungen bis ins
    «Cluster» kardiovaskulärer Risikofak-             Übergewichtigkeit und Adipositas im            Erwachsenenalter fortbestehen, vor al-
    toren gesprochen und vom Gebrauch                 Kindesalter stellt eine echte Krise dar.       lem ab dem Adoleszentenalter (12,
    eines Krankheitsbegriffs «metaboli-               Jedes fünfte Schulkind in der Schweiz          13). Hinzu kommt der Bewegungs-
    sches Syndrom» abgeraten (8).                     ist bereits übergewichtig (9), und von         mangel bereits im Kindesalter, sodass
                                                      diesen weisen bereits etwa die Hälfte          Atherosklerose und Herzinfarkte (14,
    Die Folgen der Adipositas                         Risikofaktoren oder gewichtsabhän-             15) sowie Typ-2-Diabetes (16) auch in
      Diese sind erheblich und umfassen               gige Krankheiten auf, wie beispiels-           Mitteleuropa zu Erkrankungen des Ju-
    die in Tabelle 4 (8,22) aufgeführten              weise Hypertonus oder orthopädische            gendlichen und jungen Erwachsenen
    Krankheiten und Folgeprobleme.                    Komplikationen (10,11). Dies gilt auch         geworden sind.

4                                                                                                                                  Nr. 5 • 2007
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                                                                                     beim Erwachsenen (27), ein engerer
 Tabelle 4: Erkrankungen und Folgeprobleme der Adipositas (8, 22)                    Zusammenhang zwischen Taillenum-
                                                                                     fang und den kardiovaskulären Risiko-
 Wichtigste Erkrankungen                                          Prävalenz (%)      faktoren, als dies beim BMI gefunden
                                                                                     wird. Die Erhöhung des Taillenumfan-
 Arterielle Hypertonie                                               42,1            ges geht der BMI-Erhöhung oft voraus.
 Koronare Herzkrankheiten                                             8,5            Daraus wird ersichtlich, dass sowohl
 Knochen-/Gelenkerkrankungen                                         32,6            beim Kind als auch beim Jugendlichen
 Magenkomplikationen                                                 15,9            mit Adipositas respektive Übergewicht
 Diabetes Typ II                                                      9,8            mit Risikofaktoren bereits eine umfas-
 Dyslipidämie                                                        15,2            sende körperliche und metabolische
 Hyperurikämie, Gicht                                                 7,2            Abklärung erforderlich ist (28).    ■
 Venenerkrankungen                                                   28
                                                                                     Korrespondenzadresse:
 Weitere Komorbiditäten und Komplikationen:                                          Dr. med. Josef Laimbacher
                                                                                     Chefarzt Jugendmedizin
 •Störung der Homeostase mit Steigerung der Gerinnung und der Fibrinolyse            Ostschweizer Kinderspital St. Gallen
 •chronische Entzündung                                                              E-Mail: laimbacher@kispisg.ch
 •Assoziation zu Karzinomen (Frauen: z.B. Endometrium, Zervix, Ovarien, Mam-
  mae, Niere, Kolon; Männer: z.B. Prostata, Kolon, Gallenblase, Pankreas, Leber,     Literatur:
                                                                                     1. Sullivan P.F. Coruse and outcome of anorexia
  Niere, Ösophagus)
                                                                                     nervosa and bulimia nervosa. In: Fairburn CG,
 •hormonelle Störungen wie das polyzystische Ovarsyndrom                             Brownell KD, eds. Eating disorders and obesity.
 •pulmonale Komplikationen, z.B. Schlafapnoesyndrom                                  2nd edition. New York, NY: Guilford Press;
 •degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates                                   2002. p.226–32.
 •erhöhtes Operations- und Narkoserisiko                                             2. Sullivan P.F. Mortality in Anorexia nervosa:
                                                                                     Am J Psychiatry 1995;152: 1073–1074.
 •Allgemeinbeschwerden (z.B. verstärktes Schwitzen, Gelenksbeschwerden, Belas-       3. Steinhausen H.C. Outcome of Anorexia ner-
  tungsdyspnoe)                                                                      vosa, 20th Century. Am J Psychiatry 2002;159:
                                                                                     1284–1293.
 Einschränkung der Aktivitäten des täglichen Lebens:                                 4. WHO Obesity: preventing and managing the
                                                                                     global epidemic. WHO Technical Report series
 •verminderte Lebensqualität
                                                                                     894, Genf 2000.
 •erhöhtes Unfallrisiko                                                              5. Despres J.P. et al. Treatment of obesity: need
 •erhöhtes Komplikationsrisiko während der Schwangerschaft                           to focus on high risk abdominally obese patients.
 •Psychosoziale Konsequenzen mit erhöhter Depressivität und Ängstlichkeit            Brit Med J 2001; 322: 716–720.
 •soziale Diskriminierung                                                            6. Lean M.E. et al. Waist circumference as mea-
                                                                                     sure for indicating need for weight management.
 •Selbstwertminderung                                                                BMJ 1995; 311: 158–161.
 •soziale Isolation                                                                  7. Lakka H.M. et al. The metabolic syndrome
                                                                                     and total and cardiovascular disease mortality in
   Grundsätzlich hat sich der BMI –        schen Gründen können in der gesam-        middle-aged man. JAMA 2002; 288 (21):
                                                                                     2709–2716.
trotz gewisser Einschränkungen – auch      ten Schweiz für die Definition der Adi-   8. Evidenzbasierte Leitlinie, Prävention und The-
im Kindesalter als praktisches Hilfsmit-   positas im Kindes- und Jugendalter die    rapie der Adipositas, Version 2007, Deutsche
tel für die Adipositas (12, 18) und as-    deutschen Referenzkurven Kromeyer-        Adipositasgesellschaft, www.adipositas-gesell-
soziierte Erkrankungen (17) bewährt.       Hauschild (19) (www.a-g-a.de) verwen-     schaft.de
                                                                                     9. Zimmermann M.B., Gubeli C., Puntener C.,
Bei Kindern und Jugendlichen werden        det werden, da sie den Coleschen Kur-
                                                                                     Maolinari L. Overweight and obesity in 6–12
alters- und geschlechtsspezifische Per-    ven am ähnlichsten sind und einen fast    year old children in Switzerland. Swiss Med
zentilen für den BMI verwendet (Ab-        nahtlosen          Übergang          in   Wkly 2004; 134 (35–36): 523–528.
bildung 1a und 1b). Hierbei wird die       die internationale Erwachsenendefini-     10. Reinehr T., Andler W., Denzer C., Siegried
Adipositas in Europa als ein BMI über      tion erlauben; BMI-Werte von 25 und       W., Mayer H., Wabitsch M. Cardiovascular risk
                                                                                     factors in overweight German children and ado-
der alters- und geschlechtsabhängigen      30 kg/m2 entsprechen ungefähr Per-        lescents: relation to gender, age and degree of
97. Perzentile festgelegt und das Über-    zentile 90 beziehungsweise 97 (Abbil-     overweight. Nutr Metab Cardiovasc Dis 2005;
gewicht als ein BMI über der 90. Per-      dung 1a und 1b). Darüber hinaus sind      15 (3): 181–187.
zentile (19, 20), wobei in der Schweiz     sie mit einem bereits international er-   11. L’Allemand D., Laimbacher J., Hutter I. et al.
                                                                                     APV – Obesity Science Database: a tool to eva-
kein regionaler Unterschied der BMI-       probten System zur Qualitätskontrolle
                                                                                     luate medical care of overweight Swiss children.
Verteilung festgestellt wurde (9). Für     der Adipositastherapie (APV) verbun-      Presentation at the Annual Meeting of the
den internationalen Vergleich werden       den (www.a-p-v.de).                       SGP/SSP. Swiss Med Wkly 2006; 136 (Suppl
gemäss der Childhood Group der «In-           Analog zum Erwachsenen kann als        151): 12.
ternational     Obesity-Task    Force»     Adipositasdefinition beim Kind und        12. Whitlock E.P., Williams S., Gold R., Smith
                                                                                     P.R., Shipman S.A. Screening and interventions
(IOTF) die BMI-Referenzwerte von           Jugendlichen alternativ auch die rela-    for childhood overweight: a summary of evi-
Cole 2000 (21) herangezogen, die nur       tive Fettmasse (9) oder der Taillen-      dence for the US Preventive Services Task Force.
zur Übergewichts- und Adipositas-Defi-     umfang (24) benutzt werden, insbe-        Pediatrics 2005; 116 (1): e 125–4144.
nition geeignet sind, nicht jedoch für     sondere im Bereiche des BMI zwischen      13. Whitaker R.C., Wright J.A., Pepe M.S., Sei-
                                                                                     del K.D., Dietz W.H. Predicting obesity in young
die Verlaufskontrolle oder das Unter-      Perzentile 90 und 97, beziehungsweise
                                                                                     adulthood from childhood and parental obesity.
gewicht. Die ECOG (European Child-         in Fällen, in denen der BMI die Fett-     N Engl J Med 1997; 337 (13): 869–873.
hood Obesity Group) und IOTF               masse nicht adäquat wiederspiegelt.       14. Vos L.E., Oren A., Uiterwaal C., Gorissen
empfehlen jedem Land, eigene BMI-          Im Weiteren besteht bei Kindern und       W.H., Grobbee D.E., Bots M.L. Adolescent blood
Perzentilen zu erstellen. Aus prakti-      Jugendlichen (25, 26), ebenso wie         pressure and blood pressure tracking into young

Nr. 5 • 2007                                                                                                                              5
Rubriktitel

    adulthood are related to subclinical atherosclero-      D., et al. Perzentile für den Body-Mass-Index für   24. Fredriks A.M., van Buuren S., Fekkes M.,
    sis: the Atherosclerosis Risk in Young Adults           das Kindes- und Jugendalter unter Heranziehung      Verloove-Vanhorick S.P., Wit J.M. Are age refe-
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6                                                                                                                                               Nr. 5 • 2007
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