Sonnenhügel - Sonnenhügel - Haus der Gastfreundschaft

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»Sonnenhügel
      Brief aus dem Haus der Gastfreundschaft

      verrückt oder zurechtgerückt?

                                                                              dezember 2020
      seite 11/13
      Die Arbeit strukturiert den Tag, in der Stille begegne ich mir selbst
      und Begleitgespräche helfen einzuordnen. Eine Frau und ein Mann
      berichten von intensiven Auszeiten und was ihnen dabei geholfen
      hat.

      seite 8
      Über viele Jahre trug unser Garten auch die Handschrift von Franz.
      Aus gesundheitlichen Gründen muss er sich davon leider verabschie-
      den. Nicht aber vom Sonnenhügel.

      seite 9
      Wir stellen vor: Der neue Lebensgarten am Kulturweg Schüpfheim.
      Aus dem ehemaligen Kapuzinerfriedhof ist ein kleiner Garten zum
      Innehalten entstanden.
Impressum                                    Inhalt
Redaktion                                    Ein bisschen verrückt ist vielleicht
Lukas Fries-Schmid und Sandra Schmid Fries   zurechtgerückt
Lektorat/Korrektorat                         von Lukas Fries-Schmid                       3
Sylvia Stam
                                             Im Lauf des Jahres
Bildredaktion
Sandra Schmid Fries, Priska Christen         von Lukas Fries-Schmid
                                             und Sandra Schmid Fries                      4
Grafik
Priska Christen, Luzern
                                             Offen für Überrschungen
Druck                                        von Lukas Fries-Schmid, Sandra
Luzerner Kantonalbank                        Schmid Fries und Elisabeth Staubli           6
(herzlichen Dank für das Sponsoring!)

Auflage                                      «Wir Kinder dürfen das»
2200 Exemplare                               Interview: Lukas Fries-Schmid                7
Adresse
Sonnenhügel – Haus der Gastfreundschaft      Die Herzens-Sonne im Sonnenhügel
Kapuzinerweg 1                               von Franz Inauen                             8
6170 Schüpfheim
+41 41 485 71 20
info@sonnenhuegel.org                        Aus dem Friedhof wird ein Lebensgarten
www.sonnenhuegel.org                         von Lukas Fries-Schmid, Franz Helfenstein
                                             und Prirmin Odermatt                         9
Spendenkonto
Luzerner Kantonalbank, CH-6002 Luzern
Postkonto der Bank: 60-41-2                  Die stille Fee vom Sonnenhügel
SWIFT-Code: LUKBCH2260A                      von Sandra Schmid Fries                     10
IBAN: CH71 0077 8010 2516 4360 5

                                             Mich nicht produktiv erholen müssen
                                             von Marion                                  11

                                             Zuhören kommt vor dem Helfen
                                             von Mirjam Mosberger                        12

                                             Wenn das Handy im Schrank bleibt
                                             Ein Gast erzählt                            13

                                             Zahlen und Fakten
                                             von Lukas Fries-Schmid                      14

                                             Ein herzliches Dankeschön
                                             von Sandra Schmid Fries                     15
Sonnenhügel 2020    3

Ein bisschen verrückt
ist vielleicht
zurechtgerückt
von Lukas Fries-Schmid

Nun haben wir also alle die Erfahrung        Die gegenwärtige Zeit lehrt uns, dass        ihrer Hoffnung, ihres Bangens und auch
gemacht: Wie es ist, wenn plötzlich          das bisweilen gar nicht geht. Die Krise      ihres Glücks. Manches davon wollen wir
nichts mehr ist, wie es einmal war.          dauert an, kehrt in einer zweiten Welle      auf den folgenden Seiten zur Sprache
Völlig unvorhergesehen und von einem         zurück. Wir können, wollen und müssen        bringen und so Ihnen, liebe Leser*innen
Tag auf den anderen. Es ist verrückt.        uns zwar nicht mit allem abfinden und        und liebe Freund*innen, einen kleinen
Für viele von uns ist diese Erfahrung        uns an alles gewöhnen, aber gleich-          Einblick geben in unseren bisweilen
wohl einmalig und neu.                       zeitig gibt es kein Zurück zum Alten         verrückten Alltag.
                                             mehr. Irgendwie müssen wir uns mit der
Nicht so für einen gewissen Teil unserer     verrückten neuen Situation arrangieren       Ein bisschen verrückt ist vielleicht zu-
Gäste. Seit jeher klopfen im Sonnen-         und das Beste daraus machen.                 rechtgerückt. Nicht alles muss möglichst
hügel Menschen an, die eine solche                                                        schnell rückgängig gemacht werden.
Erfahrung gemacht haben: Auf einmal          So auch unsere Gäste. «Es gibt mich          Manches entpuppt sich im Nachhinein
ist die Gesundheit gefährdet, der Job        nicht mehr, wie ich vorher war», hat ein     vielleicht als Chance, als wohltuen-
weg, die Beziehung in Brüche, der            Gast vor einigen Jahren zu mir gesagt:       de Veränderung. Zumindest ist eine
Lebenstraum geplatzt oder eine lange         «Die Psychose, welche ich erlebt habe,       verrückte Zeit eine Möglichkeit, genau
zurückliegende Erfahrung aufgebrochen.       gehört von nun an zu meinem Leben.           hinzuschauen. Damit ich lernen kann,
Auf einen Schlag ist nichts mehr, wie        Ich kann sie nicht mehr rückgängig           Wesentliches von Unwesentlichem zu
es vorher war. Viele unserer Gäste sind      machen. Und ich will das, was ich erlebt     unterscheiden.
krisenerprobt.                               habe, auch nicht ausblenden.» Diese
                                             Begegnung prägt mich bis heute. Sie          Wir wünschen Ihnen/euch eine anregen-
Was Menschen mit psychischen Schwie-         lehrt mich, das Verrücktsein ins eigene      de Lektüre und dass vieles im Leben an
rigkeiten oder in einer Krise erleben, ist   Leben zu integrieren.                        den rechten Ort rücken möge.
oft nicht einfach zu verstehen. Manch-
mal verstehen sie sich auch selber nicht.    Das braucht Mut. Aber wer ver-rückt
Darum werden sie gerne für verrückt er-      ist, gewinnt einen neuen Blickwinkel.
klärt. Die Erfahrung einzuordnen, wenn       Wer etwas Verrücktes erlebt, macht
plötzlich alles ändert und man spürt,        wichtige Erfahrungen. Wenn etwas
dass es kein Zurück mehr gibt, braucht       ver-rückt, kommt zum Vorschein, was
Zeit. Zeit, in der wir das Verrücktsein      vorher verstellt war. Bin ich selber etwas
erst einmal zulassen müssen.                 ver-rückt, verändert sich mein Stand-
                                             punkt, gezwungenermassen. Wenn ich
Unser erster Impuls ist hingegen oft,        mich selbst verrücke, zum Beispiel durch
die ganze Sache möglichst rasch wieder       einen Tapetenwechsel, kann ich meine
zurecht zu rücken. Möglichst schnell         Perspektive verändern.
die alte Ordnung wiederherzustellen.
                                             Darum gibt es den Sonnenhügel, mittler-
                                             weile in seinem 28. Jahr. Auch in diesem
                                             Jahr haben viele Menschen ein Stück
                                             ihres Lebens mit uns geteilt und damit
                                             ein Stück ihres Suchens, ihrer Sorgen,

                                                                                            Verrückt oder zurechtgerückt?
                                                                                               «Der Negativ-Test rückt die Quaran­
                                                                                               täne zurecht.» (Sandra)
4
Im Lauf des Jahres
von Lukas Fries-Schmid und Sandra Schmid Fries

Wir starteten mit demselben Schwung          Das Loch kam schliesslich doch noch,        So feierten wir die Kar- und Ostertage
ins Jahr 2020, wie das vorhergehende         aber anders, als erwartet. Mitte März       in kleinerem Kreis als geplant. Wir
aufgehört hatte: Seit Herbst 2019 hat-       zogen einige Gäste wie geplant weiter,      hatten mit rund 20 Personen gerech-
ten wir mehr Gäste als gewöhnlich. Das       darunter die erwähnte Familie. Zeit-        net, schliesslich waren wir – immerhin
freute uns, aber wir hofften auch auf        gleich erfolgte der Lockdown. Unmittel-     – noch ein Dutzend. Den Schutzmass-
eine kleine Pause durch das «Januar-         bar spürten wir wenig von der Bedro-        nahmen entsprechend beschränkten wir
loch», wie es sich in den letzten Jahren     hung durch das neue Corona-Virus. Da        die Feiern auf den Radius innerhalb der
meist von selbst eingestellt hatte. Dieses   wir ohnehin eine sehr eingeschränkte        Klostermauern und erstmals feierten
Jahr war dem nicht so. Ein beträcht-         Mobilität pflegen, waren wir von den        auch die Kinder alle Tage mit – not­
licher Teil der Weihnachtsgäste blieb        verhängten Massnahmen nur wenig             gedrungen, weil sie nicht wie sonst zu
nahtlos ins neue Jahr hinein und schon       betroffen. Unser Alltag mit der Arbeit in   einer Tante gehen konnten. So passten
bald nach den Feiertagen erreichten uns      Haushalt und Garten und den gemein-         wir die Erinnerung an das letzte Abend-
neue Anfragen. Besonders in Erinne-          samen Mahlzeiten im Refektorium ging        mahl und den gewaltsamen Tod Jesu
rung geblieben ist uns eine fünfköpfige      weiter. Der Umschwung und die noch          an Kinder­ohren an, was auch für uns
Familie, welche – ganz zur Freude der        immer recht grosse Gemeinschaft waren       Erwachsene eine spannende Erfahrung
Kinder – über mehrere Monate mit uns         zweifellos ein Privileg in dieser Zeit.     war.
gelebt hat.                                  Glücklicherweise war niemand direkt
                                             von der Krankheit betroffen. So war         Eigentlich hatte die Kerngemeinschaft
In die ersten Monate fielen ein paar         kein*er von uns je allein oder isoliert.    geplant, nach Ostern eine Woche in
Veranstaltungen: Im Januar luden wir                                                     Terra Vecchia im Centovalli zu verbrin-
unsere Freiwilligen zu einem gemeinsa-       Im Hintergrund aber hatte dieser beson-     gen. Einmal im Jahr pflegen wir gemein-
men Tag ins Kloster ein. Am jährlichen       dere Frühling auch für uns massive Aus-     sam wegzufahren, um losgelöst vom
Vernetzungsanlass des Netzwerkes für         wirkungen: Schnuppern oder Probewoh-        Alltag Zeit zu haben für persönlichen
psychische Gesundheit in Bern konnten        nen in anderen Institutionen war nicht      Austausch, Jahresplanung und Konzept­
Sandra und Lukas den Sonnenhügel             möglich, so dass einzelne Gäste bei uns     arbeit. Auch das war in diesem Jahr so
im Rahmen einer Präsentation einem           «hängen blieben», die gerne weitergezo-     nicht möglich. So verteilten wir diese
breiten Fachpublikum vorstellen. Auch        gen wären. Andere, die teils von langer     Zeit über die kommenden Monate und
das Beamtenessen am Vorabend der             Hand eine Auszeit geplant hatten,           hielten mehrere Kerngemeinschaftstage
Fasnacht war wieder ein gelungenes           konnten nicht kommen. Dadurch fehlte        und -halbtage ab.
Ereignis. Einige von uns besuchten als       uns die Belebung durch neue Gäste.
Schneemänner und -frauen verkleidet          Neue Anfragen blieben weitgehend aus,       Im Frühjahr beginnt bei uns jeweils die
Fasnachtsanlässe auf dem Land und            wodurch auch ein beträchtlicher Teil der    «Saison» der Zivildienstleistenden. Auch
in der Stadt. Und Ende Februar fand          Einnahmen wegfiel. Die vielen Freiwil-      für sie hatte die Corona-Zeit unmittel-
zum letzten Mal das «zäme singe» mit         ligen konnten nicht mehr kommen, so         bare Auswirkungen: Sie konnten nicht
unseren Freund*innen vom Verein Ritiro       dass die Kerngemeinschaft öfter und         mehr jedes Wochenende nach Hause
Terra Vecchia statt.                         länger präsent war als gewohnt. Diese       fahren, sondern verbrachten einen be-
                                             Auswirkungen spürten und spüren wir         trächtlichen Teil ihrer Freizeit mit uns.
                                             vor allem im Nachhinein.                    Zu unserem Erstaunen war das auch für
Sonnenhügel 2020   5

die Zivis eine Bereicherung. Einige der     In die Frühsommerzeit fiel ein beson-      Eine Besonderheit in diesem Jahr war,
jungen Männer meldeten zurück, dass         ders erfreuliches Ereignis: Am 21. Juni    dass wir gleich zwei Praktikantinnen
sie dadurch noch mehr als sonst Teil der    kam Lou zur Welt, die jüngste Tochter      eine Lebens- und Berufserfahrung
Gemeinschaft geworden seien. Auch wir       unserer Mieterfamilie. Ihr Strahlen und    ermöglichen konnten: Franziska Neyer
schätzten die Dynamik der Zivis nicht       Staunen zaubert seitdem regelmässig        im August/September und Lara Thiele
nur als Mitarbeitende, sondern auch auf     Lächeln auf unsere Gesichter.              von Mitte Oktober bis kurz vor Weih-
Ausflügen und beim Spielen.                                                            nachten. Beide studieren Soziale Arbeit
                                            Grosse Feste zu feiern war nach wie        und hatten eigentlich einen Aufenthalt
Leider fiel dem Virus auch ein wichti-      vor nicht einfach. Der 70. Geburtstag      in Übersee geplant, was jedoch corona­
ges Konzert in der Klosterkirche zum        von Franz im Frühling fiel noch ganz       bedingt nicht möglich war. Umso besser
Opfer: Mirjam hatte im Juni an der          dem Corona-Virus zum Opfer. Aber auch      für uns, dass wir von ihrer Offenheit und
Fachhochschule Luzern ihre Ausbildung       Lisbeth ist 70 geworden, was wir im Juli   ihrem Engagement profitieren konnten.
in Kirchenmusik C mit Schwerpunkt           mit einer Schatzsuche durch den Garten
Kantorengesang abgeschlossen. Ihr ge-       gefeiert haben. Den für Ende August        Dieses Jahr endet mit einer grossen
plantes Diplom-Konzert liess sich leider    geplanten Tag der offenen Klosterpforte    Veränderung: Mirjam hat sich nach fast
nicht durchführen, was uns aber nicht       mussten wir ebenfalls absagen. Unter       genau drei Jahren im Sonnenhügel
davon abhielt, dieses Ereignis trotzdem     den gegenwärtigen Schutzvorgaben wä-       entschieden, wieder in ihren Ursprungs-
gebührend zu feiern.                        ren keine ungezwungenen Begegnungen        beruf als Bibliothekarin zurückzukeh-
                                            im Refektorium möglich gewesen.            ren. Sie wird per 1. Januar eine neue
Natürlich freuten wir uns, als wir ab                                                  Stelle annehmen und von Schüpfheim
Juni wieder regulär Gäste aufnehmen         Ein kleiner Ersatz dafür war die Ein-      wegziehen. Wir sind sehr dankbar, dass
konnten. Wie immer kommt unser Gäste-       weihung des Lebensgartens: Seit März       wir eine so lange und vielfältige Zeit
kreis aus sehr unterschiedlichen Motiva-    dieses Jahres haben wir allen widrigen     miteinander gestalten durften. Für uns
tionen zu uns. Viele sind in einer akuten   Umständen zum Trotz mit viel Hilfe         Zurückbleibenden, Elisabeth, Sandra
Krisensituation und finden den Weg sehr     von aussen den ehemaligen Kapuziner-       und Lukas, bedeutet dies eine neuerli-
kurzfristig auf den Sonnenhügel. Über       friedhof aufgehoben und umgestaltet.       che grosse Veränderung. Wie wir diese
die Sommermonate beherbergten wir           Entstanden ist ein hübscher kleiner        gestalten möchten, berichten wir im
zusätzlich einige Feriengäste, welche       Garten neben der Klosterkirche, der        folgenden Beitrag.
die Zeit für eine geplante, strukturierte   dazu einlädt, einzutreten und ein paar
Auszeit nutzten. Die Begleitung solcher     Augenblicke über das Leben nachzu-
Prozesse, in denen oft spirituelle und      sinnen. Es war sehr eindrücklich zu
theologische Fragen explizit eine Rolle     sehen, wie die Samenmischung schon
spielen, sind jeweils auch für uns sehr     nach wenigen Wochen in der Erde eine
wertvoll. So genossen wir die Sommer-       vielfältige Blumenpracht hervorbrach-
zeit wiederum mit vollem Haus.              te. So zeigte sich der neu entstandene      Verrückt oder zurechtgerückt?
                                            Lebensgarten am Kulturweg bei seiner           «Das kreative Chaos im Bastelzimmer
                                            offiziellen Einweihung im September in         macht uns manchmal fast verrückt!»
                                            voller Blüte.                                  (Die Eltern)
6
Offen für Überraschungen
Von Lukas Fries-Schmid, Sandra Schmid Fries und Elisabeth Staubli

«Ich wünsche dir Geduld und Wohlwollen          Zeit zur Erholung: Ferien, Exerzitien, freie
mit dir selbst, dass du sehr viel Zeit zum      Tage und Wochenenden, an denen unsere
Regenerieren brauchst. (…) Die Seele hat        Freiwilligen uns unterstützen. Auch wir
eine ganz andere Zeitdimension und holt         glauben manchmal, dass dies doch ausrei-
sich die Heilungszeit manchmal auch erst        chend sein müsste, und spüren dennoch
nach ein, zwei Jahren. Dies anzunehmen          eine momentane Müdigkeit.
ist sehr schwer, weil wir meinen könnten,
dass das doch schon genug Erholung              Dieser geplante Zwischenhalt hat noch
war.» Das schreibt der bekannte Autor           eine zweite Dimension: Es stehen Ver-
Pierre Stutz in einem Brief an Wunibald         änderungen an im Sonnenhügel. Mirjam
Müller, den langjährigen Leiter eines Aus-      wird unsere Kerngemeinschaft per Ende
zeiten-Hauses für Seelsorgende, als dieser      Dezember verlassen. Das heisst, dass           Stimmen, die sagen: «Wir haben euch von
selbst in eine unerwartet tiefe Dunkelheit      wir neue Kräfte brauchen, die motiviert        Anfang an gewarnt, ihr sollt gut zu euch
rutschte.*                                      sind, mit uns zusammen diese einma-            schauen, damit es nicht soweit kommt.»
Diese Sätze beschreiben treffend die eine       lige Gemeinschaft weiter zu gestalten:         Wir möchten diesen Stimmen entgegnen:
Motivation, warum wir in den ersten             Menschen, die bei sich selbst Zuhause          Es schadet nicht, hin und wieder über
Monaten des kommenden Jahres eine ge-           sind, die Freude haben an praktischer          Grenzen hinaus zu gehen und dabei
meinsame Sabbatszeit gestalten werden.          Arbeit in Haus und Garten und diese mit        müde zu werden. Wichtig ist, dass wir
Seit sieben respektive elf Jahren leben         einer geerdeten christlichen Spiritualität     es rechtzeitig erkennen und uns dann
wir nun im Sonnenhügel. Zu unserem All-         verbinden möchten.                             wieder Erholungszeit gönnen. Das tun wir
tag mit den Gästen kamen in den letzten         Zudem werden Marlis und Pirmin mit ihren       jetzt. Natürlich fragen wir uns, ob wir das
Jahren weitere Herausforderungen hinzu:         drei Kindern im Frühjahr 2021 aus dem          Recht dazu haben und es uns leisten kön-
Wir haben Kinder bekommen, ein grosses          Kloster aus- und in das Elternhaus von         nen. Wir spüren, dass es uns schwerfällt,
Bauprojekt finanziert und umgesetzt,            Pirmin einziehen. Das heisst, dass in unse-    Gästen abzusagen, die für das neue Jahr
persönliche Schicksalsschläge erlebt oder       rem Haus eine schöne, helle und moderne        bereits angefragt haben. Auf den selbst
spüren gesundheitlich, dass wir nicht           4½-Zimmer-Wohnung frei wird. Das bietet        auferlegten Leistungsdruck, dem auch wir
mehr ganz so jung sind wie vor Jahren.          die räumliche Möglichkeit, auch Paare oder     uns nicht immer entziehen können, ant-
Natürlich nehmen wir uns regelmässig            eine Familie langfristig in die Gemein-        wortete ein geistlicher Begleiter von uns:
                                                schaft einzubinden. Diese beiden Übergän-      «Nur wenn ihr hin und wieder aus dem
                                                ge möchten wir sorgfältig gestalten.           Alltag austretet, könnt ihr offen sein für
                                                                                               Überraschungen.»
                                                Schliesslich möchten wir die nähere Zu-
                                                kunft aktiv in den Blick nehmen. In knapp      Eine wichtige Botschaft gibt es aber noch
                                                zwei Jahren steht die Pensionierung von        in diesem Zusammenhang:
                                                Elisabeth an. Was bedeutet das für sie so-     Ab dem 7. Juni 2021 nehmen wir wieder
                                                wie für Sandra und Lukas? Wo möchten wir       Gäste auf. Schnuppergespräche zum
                                                mit diesem Haus in fünf Jahren stehen?         gegenseitigen Kennenlernen bieten wir
                                                Während unseres Alltags mit den Gästen         schon in den Wochen davor wieder an.
                                                haben wir nicht die Zeit und die Musse,        Wer sich für einen Aufenthalt bei uns
                                                uns solchen Fragen in der gebotenen Aus-       interessiert, nimmt am besten per Telefon
                                                giebigkeit zu widmen. Wer sich ständig im      Kontakt mit uns auf.
                                                Alltag bewegt, kann nur schwer auf neue
                                                Ideen kommen. Wenn wir glaubwürdig             *vgl. Wunibald Müller, Warten auf G., Bekenntnisse
                                                bleiben wollen und ernst nehmen, was wir       eines Suchenden (Echter, 2019), Seite 171.

                                                unseren Auszeitgästen in der persönlichen
                                                Begleitung sagen, müssen wir uns jetzt
                                                selbst eine Auszeit gönnen.

                                                Aus diesen drei Gründen werden wir in            Verrückt oder zurechtgerückt?
                                                der ersten Hälfte des kommenden Jahres               «Ich habe den Kleiderschrank ver-
Fotos: Lena, Salome, Mirjam, Fynn (siehe S.7)   keine Gäste aufnehmen. Wir kennen                    rückt – Staubfetzen!» (Lukas)
Sonnenhügel 2020   7
«Wir Kinder dürfen das»
Interview: Lukas Fries-Schmid

Im Frühjahr und Sommer haben die             Wie sieht denn eine Party im Gumpi-
«Klosterkinder» Lena (7), Salome (6),        Zimmer aus?
Mirjam (6) und Fynn (4) mit ihrem Foto-      F: Dort ist es dunkel, mit Taschenlampen.
apparat ihre Sicht des Klosters festgehal-   M: Wir haben Taschenlampen, die blinken
ten. Im Gespräch schildern sie, wie es       können. L: Sonst ist es stockdunkel.
sich in diesem besonderen Zuhause lebt.      S: Dann lassen wir Musik laufen. F: Und
Alle Fotos auf dieser Doppelseite stam-      wir machen Geistertöne. M: Und das
men von den Kindern!                         coolste ist: Es ist im Keller. Da kommt
Was gefällt euch am besten im Kloster?       niemand und stört uns. (Alle kichern)
M: Das Beste ist: Es ist ein grosses Haus.   Wie ist es für euch, dass hier so viele
F: Das Beste ist, dass Sera manchmal zu      Menschen kommen und gehen?
Besuch kommt. L: Dass wir einen grossen      F: Jascha ist ein Gast. L: Nein, Jascha ist
Garten haben. S: Dass wir eine grosse        Zivi. F: Ja, Zivi, aber er ist lange hierge­
Wohnung haben.                               blieben.
Wo spielt ihr gerne? Wo seid ihr gerne?      Wie ist es denn für euch, wenn Gäste
ALLE: Hmm… L: Im Dreifachraum M: Ja,         kommen?
auch im Dreifachraum. F: Im Dreifachraum.    M: Wir müssen sie einfach erst kennen
Was macht ihr dort?                          lernen. Dann geht es eigentlich gut.
M: Zeichnen, Kordeln machen. L: Basteln.     F: Manchmal ist es lustig mit ihnen.
F: Basteln, Malen. L: Oder Musik hören.      S: (lacht) Lustig vor allem.                   man darf machen, was man möchte.
M und S: Ja, Musik hören. «Ohrewürm»!        Macht ihr manchmal auch etwas mit den          Also, man darf auswählen, welche Arbeit
Den Erwachsenen sagen wir, dass sie bei      Gästen zusammen?                               man machen will. M: Ja, man kann sich
der Arbeit in den allgemeinen Räumen         ALLE: Ja! F: Spiele. S: Zum Beispiel mit       zurückziehen und allein etwas machen.
keine Musik hören sollen.                    Lisbeth. L: Lisbeth ist nicht Gast. M:         S: Nur wenn man sich zurückzieht, darf
M: Warum dürfen sie keine Musik hören?       Doch, sie gehört im Fall zu den Gästen.        man machen, was man will.
Weil manche Gäste es gerne haben, wenn       Sie ist nicht in der Kerngemeinschaft.         Gibt es Regeln im Kloster?
es still ist im Kloster. Aber ihr habt ja    L: Ja, aber… (denkt nach)                      (Kichern)
noch das Gumpi-Zimmer im Keller.             Sie ist halt ein besonderer Gast, weil sie     ALLE durcheinander: Regeln...?! L: Ja:
S: Ja, aber dort machen wir mehr Partys.     immer hier zuhause ist und nicht kommt         Im Dreifachraum nicht Musik hören. F:
Aber wir können auch dort Musik hören.       und geht wie die anderen Gäste.                Man darf nichts kaputt machen. M: Und
                                             ALLE: Ja…                                      wenn man nicht als Gast angemeldet
                                             Und macht ihr auch etwas zusammen mit          ist, darf man nicht zu uns in den Garten
                                             anderen Gästen, die nicht so lange da          kommen und ein Fest machen. Das ist
                                             sind wie Lisbeth?                              eine Regel. L: Aber wir Kinder haben
                                             L: Fynn hilft manchmal beim Arbeiten.          einfach ein Fest gemacht. Wir Kinder
                                             F: Ja. M: Theres hast du doch auch             dürfen das. S: Ja, wir wohnen ja hier. M:
                                             geholfen? F: Nein, ich bin nur zu ihr          Wir haben am Geburtstag von Odi (der
                                             gegangen, weil mir Salome die Schatz­          Papa von Lena und Fynn, Anm. d. Red.)
                                             trucke weggenommen hat. M: Das weiss           ja auch ein Fest gemacht im Garten. (Zu
                                             ich doch, da war ich ja auch dabei.            Lena und Fynn:) Aber ihr kommt ja nicht
                                             Könnt ihr jemandem, der das Kloster noch       von aussen. Ihr gehört zum Haus. L: Ja,
                                             nie gesehen hat, erzählen, wie es hier ist?    aber bald nicht mehr. (Lena und Fynn
                                             ALLE durcheinander: Man kann malen             werden in wenigen Monaten wegziehen,
                                             und man hat ein eigenes Zimmer. Es             Anm. d. Red.) Aber wir werden trotzdem
                                             gibt einen grossen Garten, und in den          miteinander abmachen. Wir können
                                             kommen keine fremden Leute, die nicht          immer miteinander spielen. Ich bin mir
                                             hier Gast sind. L: Wir essen meistens          sicher, dass wir oftmals wieder mitein-
                                             zusammen im Refektorium… F: … oder             ander spielen werden. S: Ja, ich bin mir
                                             draussen. S: Man kann auch manchmal            auch sicher. F: Ihr kommt sicher auch zu
                                             frei haben und sich abmelden. L: Man           uns auf Besuch, wenn wir im Haus vom
                                             darf einfach etwas machen. Ich meine,          Grossmami wohnen.
8
Die Herzens-Sonne im Sonnenhügel
Von Franz Inauen

Im Februar 2013 erhielt ich die Diagnose   pflege tätig sein musste. Meistens am      Ich durfte im Sonnenhügel viel Heilvol-
«Demenz». Meine Pensionierungsvorstel-     Vormittag wirkten auch die Hausgäste       les erleben. Dies wurde vor allem mög-
lungen wurden – mir als 63-Jährigem –      dabei mit. Dieses Miteinander stärkte      lich durch die vielseitigen Kompetenzen
von einer Stunde auf die andere total in   uns und so merkten wir sogar beim Jä-      und die Herzlichkeit der Leitung.
Frage gestellt.                            ten gar nicht mehr, dass uns der Rücken    Dem ganzen Team sage ich von Herzen
Mit der Frühpensionierung merkte ich,      schmerzen könnte.                          DANKE!
dass das «Nichts-Tun» mich innerlich       Unvergesslich bleibt mir die Zusammen-
lähmte. So meldete ich mich bei der        arbeit mit den Zivis. Ihr jugendlicher
Leitung des Sonnenhügels, bei Sandra       Elan belebte meine älteren Tage – echtes   Lieber Franz
Schmid und Lukas Fries. Ich interessier-   Glück von generationenverbindenden         Dein grosses Engagement im Garten
te mich vor allem für die Gartenarbeit.    Sympathien!                                in den vergangenen sieben Jahren war
Im grossen Garten vom ehemaligen           Die gemeinsame Erholungszeit bei Spiel     unübersehbar! Deine Leidenschaft für
Kapuzinerkloster konnte ich mit meiner     und Gespräch schenkte mir manche           die verschiedensten Arbeiten war für
Lieblingsarbeit sofort beginnen. Im        Freude.                                    alle spürbar. Oft hast du am Tisch deine
Winter gab es dann für circa drei Monate   Segensreich war für mich auch die geleb-   grosse Freude über die blühende und
Garten-Pause.                              te Spiritualität im Haus der Gastfreund-   gedeihende Natur geteilt. Sogar die Nach-
Anfangs April begann das Bereitmachen      schaft. Das halbstündige, sehr meditati-   bar*innen hast du mit deinem herzhaf-
der Gartenbeete, damit dann die fri-       ve Morgengebet um 07.00 Uhr und das        ten, lauten Lachen erfreut. Seit einigen
schen, selbst gezogenen Setzlinge nach     Abendgebet um 18.15 Uhr ermöglichten       Monaten kannst du nicht mehr im Garten
den «Eisheiligen» gesetzt werden konn-     meiner Arbeit einen vertieften Weg mit     arbeiten. Deine Hände, die mit grosser
ten. Und dann begann die Pflege dieser     der Schöpfung und mit den Menschen im      Hingabe in der «Scholle» wühlen, fehlen.
zarten und einmaligen Gemüsepflanzen.      Sonnenhügel.                               Doch viel mehr fehlst du als Franz. Du
Das Jäten war für niemanden ein Muss.      Unendlich wohl tat mir die unbeschwer-     warst stets mit einem offenen Herzen
Denn das Wachstum der Gemüsepflanzen       te Fröhlichkeit der beiden Kinder Mirjam   und Ohr für alle da. So hast du dich
erzählte uns von deren Wohlbefinden        und Salome.                                immer auch erkundigt, wie es uns geht.
durch unsere Pflege.                       Seit Mitte Mai dieses Jahres erlaubt mir   Für deine Arbeit im Garten danke ich
Die Arbeit im Garten war für mich auch     meine Krankheit nicht mehr, im Garten      dir ebenso herzlich wie für das, was
darum so eine grosse Freude, weil ich      zu arbeiten.                               nicht sichtbar ist, aber für mich und
selten bis nie alleine in der Pflanzen-                                               viele andere Menschen im Sonnenhügel
                                                                                      wohltuend war: mit dir, Franz, Zeit zu
                                                                                      verbringen im Garten, am Tisch oder bei
                                                                                      einer gemütlichen Jassrunde. Auch wenn
                                                                                      die Gartenarbeit für dich nun nicht mehr
                                                                                      möglich ist, bist du weiterhin im Sonnen-
                                                                                      hügel herzlich willkommen!

                                                                                      Pace e bene
                                                                                      Sandra

                                                                                        Verrückt oder zurechtgerückt?
                                                                                           «Die Zeit ist verrückt und es ist alles
                                                                                           vorgerückt.» (Elisabeth)
Sonnenhügel 2020     9
Aus dem Friedhof wird ein Lebensgarten
Von Lukas Fries-Schmid, Franz Helfenstein und Pirmin Odermatt

Zu unserem Kloster gehört auch ein Fried-
hof, auf dem 33 Kapuziner ihre Ruhestätte
haben. Er wurde 1892 errichtet, nachdem
die Bestattung in der ehemaligen Gruft in
der Klosterkirche nicht mehr möglich war,
und in den 1950er-Jahren grundlegend
umgestaltet. Als die Kapuziner das Kloster
der Stiftung Edith Maryon übergaben,
äusserten sie mehrfach den Wunsch, den
Friedhof möge aufgehoben werden.
Lange Zeit fehlte uns die zündende Idee
für eine Umgestaltung, aber wir redeten
bei allen möglichen Gelegenheiten darü-
ber. Franz Helfenstein, der schon länger
mit dem Sonnenhügel verbunden ist, hörte
von dieser Pendenz. Sie begann in ihm zu
wirken und es reifte eine Idee heran, die       entschieden, eine Kugel zu machen, welche       Das Kloster und seine Kerngemeinschaft
er uns einmal mit einem einfachen Modell        von vier geschwungenen Säulen getragen          helfen Menschen dabei, das Gleichgewicht
erläuterte. Bei der Eröffnung des Lebens-       wird.                                           des Lebens wiederzufinden. Diese Skulp-
gartens am 23. September hat er sein            Die Kugel symbolisiert das Leben mit all        tur, so finde ich, passt also hervorragend
Konzept folgendermassen umschrieben:            seinen Facetten, und die vier Säulen stehen     hierher.»
«Zum Sonnenhügel gehört eine Sonne. Der         für wichtige Voraussetzungen, welche ein
Kreis im Zentrum mit den davon abgehen-         stabiles und ausgeglichenes Leben erst          Eintreten, Ausruhen, Nachsinnen und
den Wegen macht das sichtbar. Die Sonnen-       ermöglichen.                                    sich wieder neu dem Alltag zuwenden –
strahlen sind etwas einseitig. Das spiegelt     1. Ausreichend Bewegung – Das reduziert         dazu möchte der neu gestaltete Garten
meine Haltung zur Kirche, bin ich doch eher     Stresshormone im Körper und ist gesund          einladen. Vom Friedhof zum Lebensgar-
auf der moderneren, linken oder progres-        für Körper und Geist.                           ten ist thematisch kein grosser Schritt:
sive Seite der Kirche daheim. Der Sonnen-       2. Ein gesundes soziales Umfeld – Eine          Leben und Endlichkeit müssen zusammen
strahl, der auf die Kirche zugeht, zeigt aber   gute Familie und gute Freunde geben             gedacht werden.
auch meine Verbundenheit zur Kirche. Vier       Halt, sorgen für Spass und Abwechslung          Arbeitsmässig bedeutete die Umgestal-
Bänkli laden ein zum Anhalten. Die zu ei-       im Leben und zusammen können wir auf            tung jedoch einen grossen Aufwand. Wir
ner neuen Einheit zusammengefügten drei         unterschiedlichste Weise Energie tanken.        danken Pirmin Odermatt sowie Franz
ehemaligen Grabkreuze würdigen die Ver-         3. Entspannung und Schlaf – Beim Schlafen       Helfenstein und seinen vielen freiwilligen
bundenheit mit den verstorbenen Kapuzi-         und Entspannen erholen sich unser Geist         Helfer*innen (darunter eine Handvoll ehe-
nern. Die Nische auf der Stirnseite ist noch    und Körper, die Zellen erneuern sich und        maliger Zivis!) für viele Stunden ehren-
nicht ganz fertig. Das braucht noch etwas       das Hirn hat Zeit, die vielfältigen Eindrücke   amtlichen Einsatzes. Dank ihnen konnten
Zeit. Das Bänkli darin lädt aber jetzt schon    zu ordnen und verarbeiten.                      wir alle Arbeiten in Eigenregie bewerk-
ein zum Ausruhen. Die Sonnenstrahlen ha-        4. Berufliche Zufriedenheit – Eine sichere      stelligen. Die Kapuziner haben grosszügi-
ben wir bewusst mit Rundkies bekiest. Das       Arbeit, ein geregeltes Einkommen, idealer-      gerweise die Materialkosten übernommen.
soll uns auch ermöglichen, barfuss den Ort      weise sogar die Berufung gefunden zu ha-        Auch ihnen gebührt unser grosser Dank.
zu betreten und bei sich selbst das Göttliche   ben, das gibt dem Leben einen zusätzlichen      So sind dem Verein Sonnenhügel für die
zu finden und zu pflegen.»                      Sinn. Wir werden gebraucht und haben eine       Umgestaltung keinerlei Kosten entstanden
                                                Aufgabe – das macht zufrieden.                  – ein grosses Geschenk, das wir der Öffent-
Steht man vor dem offenen Tor des               Wir alle wissen, dass es nicht immer ein-       lichkeit gerne zur Verfügung stellen.
Lebensgartens, lockt eine rund zwei Meter       fach ist, alle vier Säulen mit der gleichen     Es freut uns, wenn der neue Lebensgarten
hohe Skulptur einem förmlich hinein.            Aufmerksamkeit und Hingabe zu pflegen.          rege besucht wird – das Tor steht allen
Unser Mitbewohner Pirmin Odermatt hat           Wenn eine Säule vernachlässigt wird,            offen. Auf Voranmeldung kann der Garten
diese aus einem Stück geschnitzt:               bleibt die Kugel noch getragen, sind aber       auch von kleinen Gruppen und Vereinen für
«Es hat mir viel Freude gemacht, aus der        zwei Säulen instabil, braucht es nur einen      Besinnungen und Rituale genutzt werden.
Lärche vom Hühnerhof mit der Motorsäge          kleinen Windstoss, und die Kugel stürzt in
eine Skulptur zu sägen! Ich habe mich           die Tiefe.
10
Die stille Fee vom Sonnenhügel
Von Sandra Schmid Fries

                                            Die stille Schafferin vom Sonnenhügel         Lisbeth verkörpert für mich die liebens-
                                            Lisbeth, im Herbst 2014 traf ich dich zum     würdige Konstante im Haus. Durch die
                                            ersten Mal im Sonnenhügel,                    Art ihrer Begrüssung fühle ich mich will-
                                            gerade hast du ein Kleid aufgehängt, ganz     kommen geheissen. Ihre Hilfsbereitschaft
                                            sorgfältig an einen Bügel.                    ist unvergleichlich, unaufdringlich,
                                            Aufgefallen warst du mir sofort mit deiner    spontan. Die Entlebucher-Umgebung hat
                                            Genauigkeit und deinem Fleiss,                sie mir durch ihr grosses Wissen näher-
                                            und zwar im Winter wie auch im Sommer,        gebracht.
                                            wenn es war sehr heiss.                       Ihre sorgfältige Menüplanung ist beein-
                                            Wo auch immer du warst bei deinem             druckend – mit besten Resultaten. Höre
                                            Schaffen, und war es auch im Garten,          ich ihre Stimme beim Singen im Chor,
                                            Du Lisbeth, auf deine Hilfe hast du mich      spüre ich Dankbarkeit, dass es SIE gibt.
                                            nicht lange lassen warten.                    Suche ich im Garten Gemüse, Salate,
                                            Denn dein Wissen über die Sonnenhü-           Obst, Beeren oder Blumen: Lisbeth kennt
Im Sommer wurde Lisbeth 70 Jahre alt.       gel-Erd-Geschichte kam mir gelegen,           sie alle vom Samen bis zur Ernte.
Gerne hätten wir ihre Familie und weitere   darum wuchsen die Stangenbohnen auch          Antonia, seit zehn Jahren als Wochenend-
Gäste aus unterschiedlichen Sonnenhü-       dem weiten Himmel entgegen.                   und Ferienablösung im Sonnenhügel
gel-Zeiten eingeladen. Aus bekannten        Und war er denn da, dein Feierabend,
Gründen war dies so nicht möglich. Das      müde und wohlverdient,
Feiern liessen wir uns aber nicht nehmen!   es schien immer eine Kraft, die hat bei dir
Um das Leben von Lisbeth zu feiern,         noch gar nicht ausgedient.
bereiteten wir einen Rundgang durch         Bereit warst du mit Tafel, Karten,
Garten und Haus vor. An verschiedenen       Schwamm und grosser Kreide für den Jass,
Stationen wurde Lisbeths vielfältiges       denn dazu hatten wir beide noch Energie
Wirken und Wissen gewürdigt.                und vor allem viel Spass.
Wir alle im Sonnenhügel schätzen Lisbeth    Franz, in den letzten sieben Jahren als
sehr. Ohne sie würde vieles fehlen. Davon   Freiwilliger im Garten
berichten nachfolgend verschiedene Men-
schen, die immer mal wieder im Sonnen-      Lisbeth ist wie eine ältere Schwester für
hügel mit Lisbeth zusammenleben.            mich. Sie isst mir nicht das Fleisch vom
                                            Teller, da sie sich vegetarisch ernährt.
Lisbeth bereichert mit ihrem stillen, un-   Ich spiele gerne Karten- und Brettspiele      Lisbeth ist ein grosses Geschenk für unse-
auffälligen Dasein den Alltag im Sonnen-    mit ihr.                                      re ganze Familie. Wir schätzen es enorm,
hügel. Sie erledigt so manche Arbeit im     Christian, seit vielen Jahren immer mal       mir ihr unter einem Dach zu wohnen,
Hintergrund, ohne Worte zu verlieren.       wieder zu Gast im Sonnenhügel                 und freuen uns über jede Begegnung im
Ich sollte einmal das Frühstück zuberei-                                                  Haus. Lisbeth ist äusserst hilfsbereit und
ten. Doch ich hatte verschlafen. Als ich    Für mich als freiwilligen Mitarbeiter ist     ihre Freude an unseren Kindern finden
in die Küche kam, war Lisbeth schon am      Lisbeth die diskrete Hilfe im Rücken, vor     wir wunderschön. Unsere fünf-monatige
Vorbereiten und wir konnten pünktlich       allem für Küche, Garten, Kerzen, und das      Tochter Lou genoss es schon so oft, nach
essen. Danke Lisbeth!                       fast immer in Rufnähe:                        dem Essen auf Lisbeths Schoss zu sitzen,
Wie oft war sie einfach da zum Abwaschen    «Lisbeth, wo ist…?»                           was auch mich sehr entlastete. Auch
und Abtrocknen vor dem Essen und hat so     «Lisbeth, wann ist…?»                         meine gewaschene Wäsche wurde schon
geholfen, den Geschirrberg abzubauen.       «Lisbeth, wie macht ihr jeweils…?»            mehrfach, wie durch (Lisbeths) Zauber-
Mit Lisbeth einen Ausflug zu machen,        «Lisbeth, …?»                                 hand auf- oder abgehängt. Pirmin und
ist eine Freude. Ihre strahlenden Augen     Eine kurze, sachliche und kompetente          ich erhielten von ihr wunderschöne und
zeigen so viel Dankbarkeit, dass mein       Antwort ist mir sicher. In ihrer zurück-      warme Wollsocken, welche wir mit viel
Herz aufgeht.                               haltenden Art ist sie trotzdem sehr           Freude tragen. So sagen wir dir Lisbeth
Lisbeth die stille, gute Fee vom Sonnen-    präsent und müssen wir einmal ohne sie        von Herzen auf diesem Weg: Danke für
hügel!                                      auskommen, fehlt sie spürbar.                 dich!
Katrin, lebte in den letzten zwei Jahren    Hans-Ruedi, seit zehn Jahren als Wochen-      Marlis und Pirmin, mit Lena, Fynn und
öfters im Sonnenhügel mit                   end- und Ferienablösung im Sonnenhügel        Lou, die Mieterfamilie
Sonnenhügel 2020   11
Mich nicht produktiv erholen müssen
Von Marion

Im letzten Sommer verbrachte ich vier        und einem Gottesbild der Einheit von
Wochen als Gast im Sonnenhügel. Dort         Mensch und Gott in Kontakt kam. Es
konnte ich inneren Prozessen Raum geben      war neu, dass Gott den Menschen nicht
und kam in ein Umfeld, in dem ich einfach    trotz seiner Fehler liebt, sondern einfach
ich sein durfte. So kehrte ich mit vielen    liebt – punkt. Dieses bedingungslose «Du
intensiven Erfahrungen, einem sehr positiv   bist gut, genauso, wie du jetzt bist», die
veränderten Gottesbild und neuem inne-       Möglichkeit loszulassen und mich doch
rem Werkzeug wieder nach Hause zurück.       getragen zu wissen, revolutionierte vieles
                                             in mir grundlegend.
Als ich aus psychischen Gründen anfangs      Der Transformationsprozess zeigte sich
Sommer meiner Arbeit nicht mehr nach-        in der Mitte meines Aufenthaltes im
gehen konnte, beschloss ich, mir eine        Sonnenhügel auch körperlich. Es war
Auszeit zu gönnen. Ein Freund empfahl        wie das Weizenkorn, das sich von seiner
mir den Sonnenhügel.                         gewohnten Gestalt lösen muss, um sich
                                             entwickeln und zu etwas Grösserem, zu
Dualistisches Gottesbild                     einer nährenden Pflanze heranwachsen
Ich brauchte ein paar Tage, bis ich das      zu können. So fühlte auch ich, wie etwas
Gefühl hatte, einigermassen angekom-         Gewohntes, Vertrautes in mir zerbrach
men zu sein und den selbst aufgebauten       und sich zu verändern begann. In diesem
Druck, mich jetzt «produktiv erholen zu      Zwischenzustand von «nicht mehr» und
müssen», loslassen konnte. In den Be-        «noch nicht» erfüllte mich eine grund-        Ich brauchte lange, um wieder im Alltag
gleitgesprächen wurde mir bald bewusst,      sätzliche Angst, die ich so nicht kannte,     anzukommen. Doch merkte ich bald, dass
dass die konkreten Themen, die mich          und ein Gefühl der absoluten Gottverlas-      sich die Probleme zwar nicht in Luft auf-
beschäftigten, auch mit einer spiritu-       senheit. Wut, Trauer und Enttäuschung         gelöst hatten, ich jedoch neue Werkzeuge
ellen Suche zusammenhingen – einer           waren in diesen Tagen sehr präsente           und eine andere Grundlage mitgebracht
Sehnsucht nach mehr, als ich bis dahin       Gefühle, die denen nach dem Verlust           hatte, um auf sie zu reagieren. Gerade
kannte. Ich war geprägt von einem dua-       meines Vaters sehr glichen. Wieder war        die neuen Glaubensaspekte schufen eine
listischen Gottesbild: Der gute Gott auf     Gott scheinbar nicht da, als ich ihn          grössere Palette an Möglichkeiten, mit
der einen und der sündhafte, grundsätz-      brauchte. Und wieder handelte es sich um      mir selbst und anderen umzugehen. Sehr
lich fehlerhafte Mensch, der ständig auf     das Loslassen einer Vaterfigur, mit der ich   intensive Prozesse gut bewältigt zu haben,
die Rechtfertigung durch den Kreuzestod      aufgewachsen war.                             stärkte ausserdem das Vertrauen in mich
Jesu angewiesen ist, auf der anderen                                                       selbst und darin, ähnliche Situationen
Seite. Dadurch war meine Beziehung zu        Auch Gott brauchte diesen Prozess             auch wieder meistern zu können.
diesem Gott sehr leistungsbasiert und        Ich bin sehr dankbar, auch in diesen
das eigene Selbstbild auf die negativen      Momenten im Sonnenhügel gut begleitet         Ob es die richtige Entscheidung war, mir
Facetten fokussiert. Diese Denkweise war     worden zu sein. Dass Menschen da waren,       die Zeit im Sonnenhügel zu nehmen? Auf
auch schuld daran, dass Gott sich so fern    die die Situation mit mir aushielten, mir     jeden Fall! Ich stehe inzwischen in vielen
angefühlt hatte, als mein Vater einige       auch meine nicht schlüssigen Gedanken-        Punkten an einem anderen Ort als vor
Jahre zuvor sehr plötzlich erkrankt und      gänge aufzeigten und mir das Vertrauen        dieser Auszeit. Es war beeindruckend, was
verstorben war. Ich hatte einfach zu we-     in meine Durchhaltekraft zurückgaben.         für eine Vielfalt an Menschen in dieser Ge-
nig zu meinem Teil der Gottesbeziehung       Inzwischen glaube ich, dass Gott auch in      meinschaft Platz hat, die authentisch sind
beigetragen, dachte ich.                     diesen Tagen da war und diesen Prozess        und den eigenen Weg gehen. Wer weiss,
                                             brauchte, um mir Neues, Kraftvolleres         vielleicht führt meiner mich ja wieder
Nicht mehr und noch nicht                    und Unerwartetes von ihm zu zeigen.           einmal dahin...
Obwohl ich mich rückblickend bereits         Die Verzweiflung verwandelte sich
seit längerem auf einem Weg von dieser       allmählich in Vorfreude auf ein neues,
Lebenseinstellung entfernt hatte, wurde      lebensbejahenderes Gottes- und somit
mir erst im Sonnenhügel so richtig           auch Selbstbild – und auch in eine Art
bewusst, wie sehr sie mich innerlich         Dankbarkeit. Ausserdem entdeckte ich in         Verrückt oder zurechtgerückt?
zerstörte. Es tat sich eine neue Welt auf,   den Lebensgeschichten anderer ähnliche             «Zurechtgerückt ist nicht mehr so
als ich mit der Praxis der Kontemplation     Erfahrungen.                                       verrückt.» (Christa)
12
Zuhören kommt vor dem Helfen
Von Mirjam Mosberger

Wie geht es dir? Die Frage kennen wir
gut aus unserem Alltag. Leider fehlen
uns jedoch oft die Zeit oder der Mut,
einfühlsam auf die Frage einzugehen
oder ehrlich zu antworten.
Wenn wir nach unserem Befinden gefragt
werden, fürchten wir uns vor den Reak-
tionen. Wir möchten keine mitleidigen
Blicke, keine Umstände und Sorgen be-
reiten und auch kein «Es kommt schon
wieder gut».
Wenn wir die Frage stellen, ist das oft
verbunden mit der Begrüssung: «Hal-
lo, wie geht es Dir?» Doch wollen wir
wirklich wissen, wie es dem Gegenüber
geht? Fürchten wir uns nicht oft davor,
was das Gegenüber uns erzählen könnte,       chen und auch mal mit Tränen in den        Schön finde ich, dass der Kurs «Erste
und dass wir dann nicht wissen, wie wir      Augen am Tisch gesessen werden. Das ist    Hilfe für psychische Gesundheit» ge-
darauf reagieren sollen?                     hier «normal», auch wenn ich der Person    nannt wird und nicht etwa «Erste Hilfe
Zum Glück gibt es nach der Frage «Wie        grundsätzlich natürlich etwas anderes      bei psychischen Notfällen». So wird
geht es Dir?» auch Momente, in denen         wünschen würde.                            das Gesundwerden eines Menschen in
durch einfaches Zuhören etwas in Bewe-       Doch wie ist es in unserer Gesellschaft?   den Mittelpunkt gestellt. Das verändert
gung kommt. Der/die Gefragte kann sich       Es brachte mich schon früher immer         vielleicht nicht die Situation, aber den
von der Seele reden, was ihn oder sie be-    wieder zum Nachdenken, dass Menschen       Blickwinkel. Den Kurs kann übrigens
drückt, und merkt, dass das Gegenüber        mit körperlichen Beschwerden viel mehr     jede/r machen.
nicht verurteilt. Doch auch der oder die     Verständnis erhalten als Menschen mit
Fragende kann in solchen Momenten            psychischen Leiden.                        Im Verlauf der letzten Monate hat sich
beschenkt werden. Wenn jemand mir            Im Juli dieses Jahres bin ich auf den      für mich gezeigt, dass es an der Zeit ist
erzählt, was ihm oder ihr auf der Seele      Kurs «Erste Hilfe für psychische Gesund-   aufzubrechen und die Kerngemeinschaft
liegt, empfinde ich dies als Vertrau-        heit» gestossen. Den entsprechenden        des Sonnenhügels zu verlassen. Mit
ensbeweis und das ist für mich etwas         Nothelfer bei körperlichen Notfällen       dem neuen Jahr beginnt für mich somit
Kostbares. Ich spüre vom Gegenüber           kannte ich, aber dass es so etwas auch     auch eine neue Arbeit im Staatsarchiv
nach dem Zuhören oft grössere Dankbar-       bei psychischen Problemen gibt, wusste     Bern und das Leben in einer eigenen
keit als nach einer aktiven Hilfestellung.   ich nicht. In diesem Onlineseminar der     Wohnung, die erste nach insgesamt acht
Zuhören ist Gegenwart; die Frage, was        Stiftung Pro Mente Sana habe ich unter     Jahren Gemeinschaftsleben.
nun konkret geschehen soll, ist Zukunft.     anderem gelernt, wie ich auf ein Gegen-    Ich nehme viel von hier mit und möchte
Die Wichtigkeit, zuzuhören ist etwas,        über zugehen kann. Immer wieder haben      die Zeit und die Erlebnisse nicht missen.
was ich im Sonnenhügel gelernt habe.         wir darüber gesprochen, dass Zuhören       Ich bin allen sehr dankbar für die
Ich war anfangs oft unsicher, wenn ein       vor dem aktiven Helfen kommt.              letzten drei Jahre. Doch ich spüre, dass
Gast mir seine Situation erzählt hat und     Nachdenklich stimmte mich zu hö-           es Zeit ist, noch einmal etwas Neues
ich nicht wusste, was tun. Ich habe hier     ren, dass Menschen in psychiatrischen      aufzubauen, beruflich und privat.
gelernt, dass Zuhören und die Ohnmacht       Kliniken weniger Besuch oder Blumen        Ich gehe im Guten und werde dem Son-
mitauszuhalten auch schon hilfreich          erhalten als Menschen mit einem körper-    nenhügel verbunden bleiben, denn es ist
ist. Denn auch wenn beide es möchten,        lichen Leiden. Immer wieder begegnete      mir ein Anliegen, den Sonnenhügel auch
gibt es oft keine schnelle Lösung. Aber      mir auch der Gedanke, dass es eher scha-   in Zukunft in irgendeiner Form mittra-
Zuhören kann vielleicht in der Person        det als nützt, dem Gegenüber zu sagen      gen zu dürfen.
das Fünkchen Hoffnung für die nächsten       «Du musst Dich nur ein bisschen zu-
Schritte nähren.                             sammenreissen, dann geht das schon».       Hinweis: Weitere Informationen zum
Die Psyche und ihre Gesundheit sind im       Hätte es die Person nicht schon längst     erwähnten Kurs sind zu finden unter
Sonnenhügel offene Themen. Es darf           getan, wenn dies so einfach wäre?          https://ensa.swiss/de/
über Kliniken und Medikamente gespro-
Sonnenhügel 2020    13
Wenn das Handy im Schrank bleibt
Ein Gast erzählt

Im Lockdown diesen Frühling ging es        will. Ich hoffe dann jeweils, die Lösung    Gästen wahrgenommen. Ich setzte mich
mir nicht so gut. Was mir fehlte, waren    im aussen zu finden, auf irgendeiner        manchmal tagsüber in den Inneren Chor,
die kleinen, alltäglichen Kontakte: Das    Website. Hier, so dachte ich mir, bin ich   und öfters sassen wir da zu zweit in der
Lächeln der Frau an der Bar, wenn ich      aufgehoben, auch wenn ich mit meinen        Stille.
morgens einen Kaffee trinken ging, die     Themen konfrontiert werde und damit
Menschen in der Strassenbahn – solche      vielleicht nicht klarkomme. Darum habe      Sommerliches Licht
Begegnungen sind für mich wichtiger,       ich mein Handy in einem Schrank im          Im Sonnenhügel gibt es im Sommer
als ich dachte.                            Refektorium gelassen.                       viel mehr Licht als zur Weihnachtszeit.
Wenn ich allein zu Hause bin, fällt es                                                 Die langen Gänge wirken dadurch viel
mir schwer, mir Struktur zu geben. Ich                                                 weniger dunkel. Man isst abends draus-
brauche den äusseren Antrieb, um nur                                                   sen und kann danach noch einen langen
schon aus dem Bett zu kommen.                                                          Spaziergang bei Tageslicht machen.
Im Home-Office war es egal, wann und                                                   Überhaupt ist das Leben im Sommer
sogar ob ich anfange zu arbeiten.                                                      mehr nach aussen orientiert: Viele Ar-
Hinzu kamen Beziehungsprobleme. Ich                                                    beiten finden im Garten statt, es ist ein
hatte kurz zuvor eine Frau kennen ge-                                                  Kommen und Gehen im Haus, auch von
lernt, das war anfangs ganz schön, aber                                                Seiten des Kernteams. An Weihnachten
es wurde zunehmend schwieriger, sodass                                                 sind jeweils alle da, man ist viel mehr
ich mich trennen wollte. In Kombination                                                zusammen und feiert dieses christliche
mit dem Alleinsein und der fehlenden                                                   Fest gemeinsam, ganz bewusst und auf
Struktur hat mich dies sehr mitgenom-                                                  schlichte Weise.
men.                                                                                   Heute geht es mir grundsätzlich gut.
                                                                                       Meine Arbeit, die Corona-Situation,
Achtsame Gemeinschaft                                                                  die Umgebung, das alles ist im Moment
In dieser Situation wollte ich an einen                                                nicht so toll, aber ich bin auf gutem
Ort, wo ich aufgehoben sein würde. Den                                                 Weg. Meine Stimmungen schwanken, die
Sonnenhügel kannte ich von früheren                                                    Gefühle wechseln in schneller Folge, mal
Aufenthalten über Weihnachten. So kam                                                  auf, mal ab. Aber das ist jetzt so. Ich bin
ich im Sommer für drei Wochen in den       Sich selber aushalten                       auf dem Weg. Und ich habe Menschen
Sonnenhügel. Es war nur eine kleine        Das Wegsperren des Handys ging besser,      um mich, die ich anrufen kann, wenn
Gruppe von Gästen da, aber wie immer       als ich befürchtet hätte. Innerlich         ich das brauche.
erlebte ich sofort diese achtsame Form     bewegte sich tatsächlich etwas, ich kam     Seit dem Aufenthalt im Sonnenhügel
von Gemeinschaft: Jede/r kann so viel      weiter, aber anders, als erwartet. Da       habe ich zu Hause eine Morgenrouti-
oder so wenig Kontakt haben, wie er        war nicht die grosse Einsicht, der eine     ne entwickelt. Ich meditiere täglich
oder sie braucht. Man drängt sich nicht    Schlüssel zur Lösung meiner Probleme.       und nehme mir Zeit für das Frühstück.
auf mit Kontakt. Das finde ich sehr        Es ging vielmehr darum, mich selber         Das ist Zeit für mich und mit mir. Das
angenehm.                                  auszuhalten, mit mir selber zusammen        Home-Office bleibt schwierig. Aber im
Auch die Tagesstruktur war für mich        sein zu können. Es geht letztlich um        Unterschied zum Lockdown im März
hilfreich: Ich konnte problemlos um sie-   den Prozess, sich selber akzeptieren zu     kann ich den Kaffee an der Bar trinken
ben Uhr aufstehen, um ins Morgengebet      können. Mich nicht zu wehren gegen          gehen. Und hole mir manchmal auch
zu gehen. Hier haben mir die Meditation    das, was ich an mir selber nicht mag,       ein Lächeln des Barkeepers.
und der Gesang gut getan, auch wenn        sondern mit dem zu sein, was ist. Sehr
ich nicht mitgesungen habe. Allein das     hilfreich waren dabei die wöchentlichen     aufgezeichnet von Sylvia Stam
Zuhören war schon sehr schön.              Begleitgespräche mit Lukas. Er konnte
Im Sonnenhügel wollte ich bewusst auf      einordnen, was da in mir passierte.
mein Handy verzichten. Ich habe oft das    In der Gemeinschaft habe ich mich
Gefühl, dass ich manchen Themen aus-       diesmal mehr zurückgenommen als bei
weiche, wenn ich zum Handy greife. Es      früheren Aufenthalten. Ich habe das            Verrückt oder zurechtgerückt?
ist für mich wie ein Fieberthermometer:    Alleinsein gesucht, um zu schauen, was            «Einen Menschen persönlich kennen­
Je öfter ich es in die Hand nehme, desto   das mit mir macht, ob ich mich aushalte.          zulernen, rückt unsere Vorurteile
mehr ist da, was angeschaut werden         Ähnliches habe ich auch bei anderen               zurecht.» (Lisbeth)
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Zahlen und Fakten
von Lukas Fries-Schmid

Dass wir in der Regel unsere Jahresrech-     Schwankungen. Zu gewissen Zeiten            ihren Lebensunterhalt selbst erwirt-
nung im Rundbrief nicht abdrucken,           haben wir nur zwei, drei Gäste, zu          schaften. Elisabeth und Lukas, die diese
liegt nicht etwa daran, dass wir etwas       anderen Zeiten gegen zehn. Auch diese       Möglichkeit nicht haben, erhalten ein
zu verstecken hätten. Vielmehr glauben       Zahl ist coronabedingt niedriger als        Taschengeld, so dass alle in die Grös-
wir, dass die Berichte von Menschen,         sonst: Im Jahr 2019 beherbergten wir im     senordnung eines Existenzminimums
die mit uns leben, aussagekräftiger sind     Durchschnitt fast acht Gäste aufs Mal! In   kommen.
als Bilanzen und Statistiken. Trotzdem       Anbetracht der Schwankungen bedeutet        Mit anderen Worten: Müssten wir für un-
werden wir immer wieder gefragt, wie         das, dass es Wochen gab, in denen wir       sere Arbeit im Sonnenhügel einigermas-
viele Gäste wir beherbergen und wie          drei Mal mehr Gäste hatten als Personen     sen marktübliche Löhne bezahlen, wäre
wir uns finanzieren. Darum wollen wir        in der Kerngemeinschaft. Das sind 180       unser Budget rund doppelt so hoch. Das
im Folgenden einige Kennzahlen aus           Stunden pro Woche, während denen            bedeutete, dass wir fast drei Mal so viele
unserer Buchhaltung mit Ihnen teilen         unsere Gäste eine für sie passende Ar-      Spenden generieren müssten als heute
(Zahlen gerundet):                           beit haben müssen, und mindestens 12        oder dass wir nur noch Menschen auf-
                                             Stunden Begleitgespräche pro Woche.         nehmen könnten, die sich 250 Franken
Gäste pro Jahr: 40                                                                       pro Nacht leisten könnten.
Vierzig verschiedene Gäste haben             Kosten pro Nacht: CHF 112
in den letzten zwölf Monaten (von            Letztes Jahr hat uns eine Nacht eines       Danke
Oktober 2019 bis September 2020) mit         Gastes 112 Franken gekostet. Das ist et-    Jetzt wissen Sie, warum dieser Seite
uns gelebt. Einige von ihnen kamen           was über dem langjährigen Durchschnitt      noch zwei Einzahlungsscheine beigelegt
mehrfach – diese haben wir hier nur je       und hat mit einer Sonderabschreibung        sind. Wir danken allen, die die Mög-
einmal gezählt. Wenn wir die Zeit des        im Zusammenhang mit der Gesamtreno-         lichkeit haben, den Sonnenhügel zu
Lockdowns abziehen, war die Zusammen-        vation des Klosters zu tun. In der Regel    unterstützen. Nicht wegen uns, sondern
setzung unserer Gemeinschaft praktisch       rechnen wir mit 100 Franken pro Nacht.      wegen der Gäste, die sich einen Aufent-
jede Woche anders – zumindest im             Dabei ist alles eingerechnet: Unterkunft,   halt sonst nicht leisten könnten.
Durchschnitt. Auf den ersten Blick ist       Vollpension, Tagesstruktur, persönli-
das einfach eine Zahl. Für uns bedeu-        che Begleitgespräche, Znüni, Zvieri,
tet sie: vierzig Schnuppergespräche,         Mitbenützen von Wohnstube, Bibliothek,
vierzig Namen, vierzig Gesichter, vierzig    Arbeitsräumen sowie der Waschmaschine
Lebensgeschichten, vierzig Mal sich auf      und zur Not gar eine Zahnbürste oder
jemand Neues einstellen und vierzig Mal      Kleider aus unserem Spendenschrank.
Abschied nehmen.
                                             Unterstützungsbedarf pro Nacht: CHF 45
Logiernächte: 2100                           Gäste, die sich obige hundert Franken
Diese vierzig Gäste haben rund 2100          pro Nacht leisten können, sind eine
Übernachtungen generiert. Die Spann-         Ausnahme. In der Regel benötigen wir
                                                                                           Termine 2021
weite ist dabei sehr hoch: manche            für jede Übernachtung rund 45 Franken
                                                                                              7. Juni 2021: Wir nehmen wieder
blieben nur wenige Tage, manche viele        aus Spenden. Oder anders gesagt: Im
                                                                                               neue Gäste auf
Monate. Die Zahl der Logiernächte ist        Durchschnitt können unsere Gäste rund
                                                                                               11. September 2021: Tag der
dieses Jahr eher niedrig. Das hat mit der    55 Franken pro Übernachtung bezahlen.
                                                                                                offenen Klosterpforte
Corona-Zeit im Frühjahr zu tun, während      Dieser niedrige Preis ist nur möglich
der wir fast keine neuen Gäste aufneh-       dank einer Eigenheit des Sonnenhügels:        Aktuelle Informationen jeweils auf
men konnten. Zum Vergleich: Im Jahr                                                        www.sonnenhuegel.org
2019 haben wir über 2900 Logiernächte        Eigenleistungen: CHF 200’000
generiert – also rund ein Drittel mehr als   Die Kerngemeinschaft verzichtet nach
dieses Jahr.                                 wie vor auf einen regulären Lohn.
                                             Grundsätzlich erhalten wir freie Kost
Gäste pro Tag: 5.7                           und Logis, darüber hinaus arbeiten wir
Wenn wir die Logiernächte gleichmässig       grösstenteils ehrenamtlich. Das geht
auf die zwölf Monate verteilen, ergibt       nur, weil Sandra und Mirjam zusätzlich        Verrückt oder zurechtgerückt?
das zwischen fünf und sechs Gäste            zu ihrem Engagement im Sonnenhügel               «Heute ist es wieder fast normal. Es
gleichzeitig. Dabei gibt es aber grosse      extern erwerbstätig sind und sich so             war schon verrückter.» (Mirjam)
Sonnenhügel 2020   15
Ein herzliches Dankeschön
von Sandra Schmid Fries

Der Sonnenhügel kann in dieser Form nur       Garten und Lebensgarten
bestehen, weil wir von der Kerngemein-        Franz Inauen • Franz Helfenstein • Franz
schaft auf verschiedenste Weise unter-        Lampart • Josef Moser • Walter Käppeli •
stützt werden. Allein könnten wir den         Peter Rüttimann • unsere ehemaligen
Sonnenhügel nicht stemmen. Obwohl uns         Zivis
dies stets bewusst war, wurde es während
                                              Kochen
des Lockdowns unmittelbar erfahrbar,
                                              Agnes Odermatt • Hans-Ruedi Ulrich •
als plötzlich alle Freiwilligen nicht mehr
                                              Eva Zogg
kommen konnten. Umso dankbarer sind
wir für das Engagement von all den Men-       Zetteln und Bespannen der Webstühle
schen, die den Sonnenhügel bereichern,        Verena Schnellmann
tatkräftig oder beratend und insbesonde-
                                              Buchhaltung
re auch mit ihren Lebenserfahrungen und
                                              Paolo Corvo
ihrem Präsent-Sein. Unser Dank gilt auch
all jenen, die uns finanziell unterstützen,   Kirchenreinigung
gerade auch in dieser unsicheren Zeit:        Martina Lötscher
allen Spenderinnen und Spendern, den          Vorstand
Stiftungen, Institutionen und Pfarreien.      Benno Baumeler • Patrik Emmenegger •
Auch durften wir im vergangenen Jahr          Hans Knüsel • Rita Schmid • Otmar Kreiliger
wiederum verschiedene Naturalspenden          (gewählt im September 2020)                   Katharina Schmid
entgegennehmen. Herzlichen Dank.                                                            Fast 20 Jahre lang, seit 2000, hat Kat-
                                                                                            harina die Klosterkirche gereinigt und
Wöchentlich ein ganzer Tag in Garten
                                                                                            sich liebevoll um den Blumenschmuck
und Haus
                                                Wunschliste                                 gekümmert. Seit dem Winter 2019 kann
Theres Ottiger
                                                Vielleicht steht irgendwo etwas Ge-         sie aus gesundheitlichen Gründen diese
Wochenend- und Ferienablösungen                 brauchtes nicht mehr Gebrauchtes,           Arbeiten nicht mehr verrichten. Wir
Verena Schnellmann • Antonia und                das uns dienen würde, zum Beispiel:         danken dir, liebe Katharina, ganz herz-
Hans-Ruedi Häusermann • Lucia Hauser               Eine gut erhaltene Polstergruppe        lich für dein langjähriges Engagement.
und Ludwig Hesse • Elsbeth und Bern-                Eine kräftige Küchenmaschine           Uns allen bleiben zudem die gemeinsa-
hard Caspar • Emmanuel Wyss • Valeria                (für die stetig wachsende Nach-        men Mittagessen in guter Erinnerung,
Hengartner                                           frage nach unseren Klosterbau-         bei denen du mit deinem Humor und
                                                     steinen)                               deiner Lebensweisheit die Gemeinschaft
Zivildienstleistende und Praktikantinnen
                                                Gerne nehmen wir entsprechende              bereichert hast. Wir freuen uns auf
Elmar Wüest • Pascal Emmenegger •
                                                Angebote entgegen.                          weitere Begegnungen und wünschen dir
Severin Villiger • Franziska Neyer • Jascha
                                                                                            alles Gute und viel Freude mit deinen
Käser • Lara Thiele
                                                                                            Grosskindern.

                                                                                              Verrückt oder zurechtgerückt?
                                                                                                 «Dass die Schweizer alle Teigwaren
                                                                                                 bei Namen nennen, das ist verrückt.»
                                                                                                 (Lara aus Deutschland, wo alle Teig-
                                                                                                 waren «Nudeln» heissen)
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