Sonnenhügel - Sonnenhügel - Haus der Gastfreundschaft
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»Sonnenhügel Brief aus dem Haus der Gastfreundschaft verrückt oder zurechtgerückt? dezember 2020 seite 11/13 Die Arbeit strukturiert den Tag, in der Stille begegne ich mir selbst und Begleitgespräche helfen einzuordnen. Eine Frau und ein Mann berichten von intensiven Auszeiten und was ihnen dabei geholfen hat. seite 8 Über viele Jahre trug unser Garten auch die Handschrift von Franz. Aus gesundheitlichen Gründen muss er sich davon leider verabschie- den. Nicht aber vom Sonnenhügel. seite 9 Wir stellen vor: Der neue Lebensgarten am Kulturweg Schüpfheim. Aus dem ehemaligen Kapuzinerfriedhof ist ein kleiner Garten zum Innehalten entstanden.
Impressum Inhalt Redaktion Ein bisschen verrückt ist vielleicht Lukas Fries-Schmid und Sandra Schmid Fries zurechtgerückt Lektorat/Korrektorat von Lukas Fries-Schmid 3 Sylvia Stam Im Lauf des Jahres Bildredaktion Sandra Schmid Fries, Priska Christen von Lukas Fries-Schmid und Sandra Schmid Fries 4 Grafik Priska Christen, Luzern Offen für Überrschungen Druck von Lukas Fries-Schmid, Sandra Luzerner Kantonalbank Schmid Fries und Elisabeth Staubli 6 (herzlichen Dank für das Sponsoring!) Auflage «Wir Kinder dürfen das» 2200 Exemplare Interview: Lukas Fries-Schmid 7 Adresse Sonnenhügel – Haus der Gastfreundschaft Die Herzens-Sonne im Sonnenhügel Kapuzinerweg 1 von Franz Inauen 8 6170 Schüpfheim +41 41 485 71 20 info@sonnenhuegel.org Aus dem Friedhof wird ein Lebensgarten www.sonnenhuegel.org von Lukas Fries-Schmid, Franz Helfenstein und Prirmin Odermatt 9 Spendenkonto Luzerner Kantonalbank, CH-6002 Luzern Postkonto der Bank: 60-41-2 Die stille Fee vom Sonnenhügel SWIFT-Code: LUKBCH2260A von Sandra Schmid Fries 10 IBAN: CH71 0077 8010 2516 4360 5 Mich nicht produktiv erholen müssen von Marion 11 Zuhören kommt vor dem Helfen von Mirjam Mosberger 12 Wenn das Handy im Schrank bleibt Ein Gast erzählt 13 Zahlen und Fakten von Lukas Fries-Schmid 14 Ein herzliches Dankeschön von Sandra Schmid Fries 15
Sonnenhügel 2020 3 Ein bisschen verrückt ist vielleicht zurechtgerückt von Lukas Fries-Schmid Nun haben wir also alle die Erfahrung Die gegenwärtige Zeit lehrt uns, dass ihrer Hoffnung, ihres Bangens und auch gemacht: Wie es ist, wenn plötzlich das bisweilen gar nicht geht. Die Krise ihres Glücks. Manches davon wollen wir nichts mehr ist, wie es einmal war. dauert an, kehrt in einer zweiten Welle auf den folgenden Seiten zur Sprache Völlig unvorhergesehen und von einem zurück. Wir können, wollen und müssen bringen und so Ihnen, liebe Leser*innen Tag auf den anderen. Es ist verrückt. uns zwar nicht mit allem abfinden und und liebe Freund*innen, einen kleinen Für viele von uns ist diese Erfahrung uns an alles gewöhnen, aber gleich- Einblick geben in unseren bisweilen wohl einmalig und neu. zeitig gibt es kein Zurück zum Alten verrückten Alltag. mehr. Irgendwie müssen wir uns mit der Nicht so für einen gewissen Teil unserer verrückten neuen Situation arrangieren Ein bisschen verrückt ist vielleicht zu- Gäste. Seit jeher klopfen im Sonnen- und das Beste daraus machen. rechtgerückt. Nicht alles muss möglichst hügel Menschen an, die eine solche schnell rückgängig gemacht werden. Erfahrung gemacht haben: Auf einmal So auch unsere Gäste. «Es gibt mich Manches entpuppt sich im Nachhinein ist die Gesundheit gefährdet, der Job nicht mehr, wie ich vorher war», hat ein vielleicht als Chance, als wohltuen- weg, die Beziehung in Brüche, der Gast vor einigen Jahren zu mir gesagt: de Veränderung. Zumindest ist eine Lebenstraum geplatzt oder eine lange «Die Psychose, welche ich erlebt habe, verrückte Zeit eine Möglichkeit, genau zurückliegende Erfahrung aufgebrochen. gehört von nun an zu meinem Leben. hinzuschauen. Damit ich lernen kann, Auf einen Schlag ist nichts mehr, wie Ich kann sie nicht mehr rückgängig Wesentliches von Unwesentlichem zu es vorher war. Viele unserer Gäste sind machen. Und ich will das, was ich erlebt unterscheiden. krisenerprobt. habe, auch nicht ausblenden.» Diese Begegnung prägt mich bis heute. Sie Wir wünschen Ihnen/euch eine anregen- Was Menschen mit psychischen Schwie- lehrt mich, das Verrücktsein ins eigene de Lektüre und dass vieles im Leben an rigkeiten oder in einer Krise erleben, ist Leben zu integrieren. den rechten Ort rücken möge. oft nicht einfach zu verstehen. Manch- mal verstehen sie sich auch selber nicht. Das braucht Mut. Aber wer ver-rückt Darum werden sie gerne für verrückt er- ist, gewinnt einen neuen Blickwinkel. klärt. Die Erfahrung einzuordnen, wenn Wer etwas Verrücktes erlebt, macht plötzlich alles ändert und man spürt, wichtige Erfahrungen. Wenn etwas dass es kein Zurück mehr gibt, braucht ver-rückt, kommt zum Vorschein, was Zeit. Zeit, in der wir das Verrücktsein vorher verstellt war. Bin ich selber etwas erst einmal zulassen müssen. ver-rückt, verändert sich mein Stand- punkt, gezwungenermassen. Wenn ich Unser erster Impuls ist hingegen oft, mich selbst verrücke, zum Beispiel durch die ganze Sache möglichst rasch wieder einen Tapetenwechsel, kann ich meine zurecht zu rücken. Möglichst schnell Perspektive verändern. die alte Ordnung wiederherzustellen. Darum gibt es den Sonnenhügel, mittler- weile in seinem 28. Jahr. Auch in diesem Jahr haben viele Menschen ein Stück ihres Lebens mit uns geteilt und damit ein Stück ihres Suchens, ihrer Sorgen, Verrückt oder zurechtgerückt? «Der Negativ-Test rückt die Quaran täne zurecht.» (Sandra)
4 Im Lauf des Jahres von Lukas Fries-Schmid und Sandra Schmid Fries Wir starteten mit demselben Schwung Das Loch kam schliesslich doch noch, So feierten wir die Kar- und Ostertage ins Jahr 2020, wie das vorhergehende aber anders, als erwartet. Mitte März in kleinerem Kreis als geplant. Wir aufgehört hatte: Seit Herbst 2019 hat- zogen einige Gäste wie geplant weiter, hatten mit rund 20 Personen gerech- ten wir mehr Gäste als gewöhnlich. Das darunter die erwähnte Familie. Zeit- net, schliesslich waren wir – immerhin freute uns, aber wir hofften auch auf gleich erfolgte der Lockdown. Unmittel- – noch ein Dutzend. Den Schutzmass- eine kleine Pause durch das «Januar- bar spürten wir wenig von der Bedro- nahmen entsprechend beschränkten wir loch», wie es sich in den letzten Jahren hung durch das neue Corona-Virus. Da die Feiern auf den Radius innerhalb der meist von selbst eingestellt hatte. Dieses wir ohnehin eine sehr eingeschränkte Klostermauern und erstmals feierten Jahr war dem nicht so. Ein beträcht- Mobilität pflegen, waren wir von den auch die Kinder alle Tage mit – not licher Teil der Weihnachtsgäste blieb verhängten Massnahmen nur wenig gedrungen, weil sie nicht wie sonst zu nahtlos ins neue Jahr hinein und schon betroffen. Unser Alltag mit der Arbeit in einer Tante gehen konnten. So passten bald nach den Feiertagen erreichten uns Haushalt und Garten und den gemein- wir die Erinnerung an das letzte Abend- neue Anfragen. Besonders in Erinne- samen Mahlzeiten im Refektorium ging mahl und den gewaltsamen Tod Jesu rung geblieben ist uns eine fünfköpfige weiter. Der Umschwung und die noch an Kinderohren an, was auch für uns Familie, welche – ganz zur Freude der immer recht grosse Gemeinschaft waren Erwachsene eine spannende Erfahrung Kinder – über mehrere Monate mit uns zweifellos ein Privileg in dieser Zeit. war. gelebt hat. Glücklicherweise war niemand direkt von der Krankheit betroffen. So war Eigentlich hatte die Kerngemeinschaft In die ersten Monate fielen ein paar kein*er von uns je allein oder isoliert. geplant, nach Ostern eine Woche in Veranstaltungen: Im Januar luden wir Terra Vecchia im Centovalli zu verbrin- unsere Freiwilligen zu einem gemeinsa- Im Hintergrund aber hatte dieser beson- gen. Einmal im Jahr pflegen wir gemein- men Tag ins Kloster ein. Am jährlichen dere Frühling auch für uns massive Aus- sam wegzufahren, um losgelöst vom Vernetzungsanlass des Netzwerkes für wirkungen: Schnuppern oder Probewoh- Alltag Zeit zu haben für persönlichen psychische Gesundheit in Bern konnten nen in anderen Institutionen war nicht Austausch, Jahresplanung und Konzept Sandra und Lukas den Sonnenhügel möglich, so dass einzelne Gäste bei uns arbeit. Auch das war in diesem Jahr so im Rahmen einer Präsentation einem «hängen blieben», die gerne weitergezo- nicht möglich. So verteilten wir diese breiten Fachpublikum vorstellen. Auch gen wären. Andere, die teils von langer Zeit über die kommenden Monate und das Beamtenessen am Vorabend der Hand eine Auszeit geplant hatten, hielten mehrere Kerngemeinschaftstage Fasnacht war wieder ein gelungenes konnten nicht kommen. Dadurch fehlte und -halbtage ab. Ereignis. Einige von uns besuchten als uns die Belebung durch neue Gäste. Schneemänner und -frauen verkleidet Neue Anfragen blieben weitgehend aus, Im Frühjahr beginnt bei uns jeweils die Fasnachtsanlässe auf dem Land und wodurch auch ein beträchtlicher Teil der «Saison» der Zivildienstleistenden. Auch in der Stadt. Und Ende Februar fand Einnahmen wegfiel. Die vielen Freiwil- für sie hatte die Corona-Zeit unmittel- zum letzten Mal das «zäme singe» mit ligen konnten nicht mehr kommen, so bare Auswirkungen: Sie konnten nicht unseren Freund*innen vom Verein Ritiro dass die Kerngemeinschaft öfter und mehr jedes Wochenende nach Hause Terra Vecchia statt. länger präsent war als gewohnt. Diese fahren, sondern verbrachten einen be- Auswirkungen spürten und spüren wir trächtlichen Teil ihrer Freizeit mit uns. vor allem im Nachhinein. Zu unserem Erstaunen war das auch für
Sonnenhügel 2020 5 die Zivis eine Bereicherung. Einige der In die Frühsommerzeit fiel ein beson- Eine Besonderheit in diesem Jahr war, jungen Männer meldeten zurück, dass ders erfreuliches Ereignis: Am 21. Juni dass wir gleich zwei Praktikantinnen sie dadurch noch mehr als sonst Teil der kam Lou zur Welt, die jüngste Tochter eine Lebens- und Berufserfahrung Gemeinschaft geworden seien. Auch wir unserer Mieterfamilie. Ihr Strahlen und ermöglichen konnten: Franziska Neyer schätzten die Dynamik der Zivis nicht Staunen zaubert seitdem regelmässig im August/September und Lara Thiele nur als Mitarbeitende, sondern auch auf Lächeln auf unsere Gesichter. von Mitte Oktober bis kurz vor Weih- Ausflügen und beim Spielen. nachten. Beide studieren Soziale Arbeit Grosse Feste zu feiern war nach wie und hatten eigentlich einen Aufenthalt Leider fiel dem Virus auch ein wichti- vor nicht einfach. Der 70. Geburtstag in Übersee geplant, was jedoch corona ges Konzert in der Klosterkirche zum von Franz im Frühling fiel noch ganz bedingt nicht möglich war. Umso besser Opfer: Mirjam hatte im Juni an der dem Corona-Virus zum Opfer. Aber auch für uns, dass wir von ihrer Offenheit und Fachhochschule Luzern ihre Ausbildung Lisbeth ist 70 geworden, was wir im Juli ihrem Engagement profitieren konnten. in Kirchenmusik C mit Schwerpunkt mit einer Schatzsuche durch den Garten Kantorengesang abgeschlossen. Ihr ge- gefeiert haben. Den für Ende August Dieses Jahr endet mit einer grossen plantes Diplom-Konzert liess sich leider geplanten Tag der offenen Klosterpforte Veränderung: Mirjam hat sich nach fast nicht durchführen, was uns aber nicht mussten wir ebenfalls absagen. Unter genau drei Jahren im Sonnenhügel davon abhielt, dieses Ereignis trotzdem den gegenwärtigen Schutzvorgaben wä- entschieden, wieder in ihren Ursprungs- gebührend zu feiern. ren keine ungezwungenen Begegnungen beruf als Bibliothekarin zurückzukeh- im Refektorium möglich gewesen. ren. Sie wird per 1. Januar eine neue Natürlich freuten wir uns, als wir ab Stelle annehmen und von Schüpfheim Juni wieder regulär Gäste aufnehmen Ein kleiner Ersatz dafür war die Ein- wegziehen. Wir sind sehr dankbar, dass konnten. Wie immer kommt unser Gäste- weihung des Lebensgartens: Seit März wir eine so lange und vielfältige Zeit kreis aus sehr unterschiedlichen Motiva- dieses Jahres haben wir allen widrigen miteinander gestalten durften. Für uns tionen zu uns. Viele sind in einer akuten Umständen zum Trotz mit viel Hilfe Zurückbleibenden, Elisabeth, Sandra Krisensituation und finden den Weg sehr von aussen den ehemaligen Kapuziner- und Lukas, bedeutet dies eine neuerli- kurzfristig auf den Sonnenhügel. Über friedhof aufgehoben und umgestaltet. che grosse Veränderung. Wie wir diese die Sommermonate beherbergten wir Entstanden ist ein hübscher kleiner gestalten möchten, berichten wir im zusätzlich einige Feriengäste, welche Garten neben der Klosterkirche, der folgenden Beitrag. die Zeit für eine geplante, strukturierte dazu einlädt, einzutreten und ein paar Auszeit nutzten. Die Begleitung solcher Augenblicke über das Leben nachzu- Prozesse, in denen oft spirituelle und sinnen. Es war sehr eindrücklich zu theologische Fragen explizit eine Rolle sehen, wie die Samenmischung schon spielen, sind jeweils auch für uns sehr nach wenigen Wochen in der Erde eine wertvoll. So genossen wir die Sommer- vielfältige Blumenpracht hervorbrach- zeit wiederum mit vollem Haus. te. So zeigte sich der neu entstandene Verrückt oder zurechtgerückt? Lebensgarten am Kulturweg bei seiner «Das kreative Chaos im Bastelzimmer offiziellen Einweihung im September in macht uns manchmal fast verrückt!» voller Blüte. (Die Eltern)
6 Offen für Überraschungen Von Lukas Fries-Schmid, Sandra Schmid Fries und Elisabeth Staubli «Ich wünsche dir Geduld und Wohlwollen Zeit zur Erholung: Ferien, Exerzitien, freie mit dir selbst, dass du sehr viel Zeit zum Tage und Wochenenden, an denen unsere Regenerieren brauchst. (…) Die Seele hat Freiwilligen uns unterstützen. Auch wir eine ganz andere Zeitdimension und holt glauben manchmal, dass dies doch ausrei- sich die Heilungszeit manchmal auch erst chend sein müsste, und spüren dennoch nach ein, zwei Jahren. Dies anzunehmen eine momentane Müdigkeit. ist sehr schwer, weil wir meinen könnten, dass das doch schon genug Erholung Dieser geplante Zwischenhalt hat noch war.» Das schreibt der bekannte Autor eine zweite Dimension: Es stehen Ver- Pierre Stutz in einem Brief an Wunibald änderungen an im Sonnenhügel. Mirjam Müller, den langjährigen Leiter eines Aus- wird unsere Kerngemeinschaft per Ende zeiten-Hauses für Seelsorgende, als dieser Dezember verlassen. Das heisst, dass Stimmen, die sagen: «Wir haben euch von selbst in eine unerwartet tiefe Dunkelheit wir neue Kräfte brauchen, die motiviert Anfang an gewarnt, ihr sollt gut zu euch rutschte.* sind, mit uns zusammen diese einma- schauen, damit es nicht soweit kommt.» Diese Sätze beschreiben treffend die eine lige Gemeinschaft weiter zu gestalten: Wir möchten diesen Stimmen entgegnen: Motivation, warum wir in den ersten Menschen, die bei sich selbst Zuhause Es schadet nicht, hin und wieder über Monaten des kommenden Jahres eine ge- sind, die Freude haben an praktischer Grenzen hinaus zu gehen und dabei meinsame Sabbatszeit gestalten werden. Arbeit in Haus und Garten und diese mit müde zu werden. Wichtig ist, dass wir Seit sieben respektive elf Jahren leben einer geerdeten christlichen Spiritualität es rechtzeitig erkennen und uns dann wir nun im Sonnenhügel. Zu unserem All- verbinden möchten. wieder Erholungszeit gönnen. Das tun wir tag mit den Gästen kamen in den letzten Zudem werden Marlis und Pirmin mit ihren jetzt. Natürlich fragen wir uns, ob wir das Jahren weitere Herausforderungen hinzu: drei Kindern im Frühjahr 2021 aus dem Recht dazu haben und es uns leisten kön- Wir haben Kinder bekommen, ein grosses Kloster aus- und in das Elternhaus von nen. Wir spüren, dass es uns schwerfällt, Bauprojekt finanziert und umgesetzt, Pirmin einziehen. Das heisst, dass in unse- Gästen abzusagen, die für das neue Jahr persönliche Schicksalsschläge erlebt oder rem Haus eine schöne, helle und moderne bereits angefragt haben. Auf den selbst spüren gesundheitlich, dass wir nicht 4½-Zimmer-Wohnung frei wird. Das bietet auferlegten Leistungsdruck, dem auch wir mehr ganz so jung sind wie vor Jahren. die räumliche Möglichkeit, auch Paare oder uns nicht immer entziehen können, ant- Natürlich nehmen wir uns regelmässig eine Familie langfristig in die Gemein- wortete ein geistlicher Begleiter von uns: schaft einzubinden. Diese beiden Übergän- «Nur wenn ihr hin und wieder aus dem ge möchten wir sorgfältig gestalten. Alltag austretet, könnt ihr offen sein für Überraschungen.» Schliesslich möchten wir die nähere Zu- kunft aktiv in den Blick nehmen. In knapp Eine wichtige Botschaft gibt es aber noch zwei Jahren steht die Pensionierung von in diesem Zusammenhang: Elisabeth an. Was bedeutet das für sie so- Ab dem 7. Juni 2021 nehmen wir wieder wie für Sandra und Lukas? Wo möchten wir Gäste auf. Schnuppergespräche zum mit diesem Haus in fünf Jahren stehen? gegenseitigen Kennenlernen bieten wir Während unseres Alltags mit den Gästen schon in den Wochen davor wieder an. haben wir nicht die Zeit und die Musse, Wer sich für einen Aufenthalt bei uns uns solchen Fragen in der gebotenen Aus- interessiert, nimmt am besten per Telefon giebigkeit zu widmen. Wer sich ständig im Kontakt mit uns auf. Alltag bewegt, kann nur schwer auf neue Ideen kommen. Wenn wir glaubwürdig *vgl. Wunibald Müller, Warten auf G., Bekenntnisse bleiben wollen und ernst nehmen, was wir eines Suchenden (Echter, 2019), Seite 171. unseren Auszeitgästen in der persönlichen Begleitung sagen, müssen wir uns jetzt selbst eine Auszeit gönnen. Aus diesen drei Gründen werden wir in Verrückt oder zurechtgerückt? der ersten Hälfte des kommenden Jahres «Ich habe den Kleiderschrank ver- Fotos: Lena, Salome, Mirjam, Fynn (siehe S.7) keine Gäste aufnehmen. Wir kennen rückt – Staubfetzen!» (Lukas)
Sonnenhügel 2020 7 «Wir Kinder dürfen das» Interview: Lukas Fries-Schmid Im Frühjahr und Sommer haben die Wie sieht denn eine Party im Gumpi- «Klosterkinder» Lena (7), Salome (6), Zimmer aus? Mirjam (6) und Fynn (4) mit ihrem Foto- F: Dort ist es dunkel, mit Taschenlampen. apparat ihre Sicht des Klosters festgehal- M: Wir haben Taschenlampen, die blinken ten. Im Gespräch schildern sie, wie es können. L: Sonst ist es stockdunkel. sich in diesem besonderen Zuhause lebt. S: Dann lassen wir Musik laufen. F: Und Alle Fotos auf dieser Doppelseite stam- wir machen Geistertöne. M: Und das men von den Kindern! coolste ist: Es ist im Keller. Da kommt Was gefällt euch am besten im Kloster? niemand und stört uns. (Alle kichern) M: Das Beste ist: Es ist ein grosses Haus. Wie ist es für euch, dass hier so viele F: Das Beste ist, dass Sera manchmal zu Menschen kommen und gehen? Besuch kommt. L: Dass wir einen grossen F: Jascha ist ein Gast. L: Nein, Jascha ist Garten haben. S: Dass wir eine grosse Zivi. F: Ja, Zivi, aber er ist lange hierge Wohnung haben. blieben. Wo spielt ihr gerne? Wo seid ihr gerne? Wie ist es denn für euch, wenn Gäste ALLE: Hmm… L: Im Dreifachraum M: Ja, kommen? auch im Dreifachraum. F: Im Dreifachraum. M: Wir müssen sie einfach erst kennen Was macht ihr dort? lernen. Dann geht es eigentlich gut. M: Zeichnen, Kordeln machen. L: Basteln. F: Manchmal ist es lustig mit ihnen. F: Basteln, Malen. L: Oder Musik hören. S: (lacht) Lustig vor allem. man darf machen, was man möchte. M und S: Ja, Musik hören. «Ohrewürm»! Macht ihr manchmal auch etwas mit den Also, man darf auswählen, welche Arbeit Den Erwachsenen sagen wir, dass sie bei Gästen zusammen? man machen will. M: Ja, man kann sich der Arbeit in den allgemeinen Räumen ALLE: Ja! F: Spiele. S: Zum Beispiel mit zurückziehen und allein etwas machen. keine Musik hören sollen. Lisbeth. L: Lisbeth ist nicht Gast. M: S: Nur wenn man sich zurückzieht, darf M: Warum dürfen sie keine Musik hören? Doch, sie gehört im Fall zu den Gästen. man machen, was man will. Weil manche Gäste es gerne haben, wenn Sie ist nicht in der Kerngemeinschaft. Gibt es Regeln im Kloster? es still ist im Kloster. Aber ihr habt ja L: Ja, aber… (denkt nach) (Kichern) noch das Gumpi-Zimmer im Keller. Sie ist halt ein besonderer Gast, weil sie ALLE durcheinander: Regeln...?! L: Ja: S: Ja, aber dort machen wir mehr Partys. immer hier zuhause ist und nicht kommt Im Dreifachraum nicht Musik hören. F: Aber wir können auch dort Musik hören. und geht wie die anderen Gäste. Man darf nichts kaputt machen. M: Und ALLE: Ja… wenn man nicht als Gast angemeldet Und macht ihr auch etwas zusammen mit ist, darf man nicht zu uns in den Garten anderen Gästen, die nicht so lange da kommen und ein Fest machen. Das ist sind wie Lisbeth? eine Regel. L: Aber wir Kinder haben L: Fynn hilft manchmal beim Arbeiten. einfach ein Fest gemacht. Wir Kinder F: Ja. M: Theres hast du doch auch dürfen das. S: Ja, wir wohnen ja hier. M: geholfen? F: Nein, ich bin nur zu ihr Wir haben am Geburtstag von Odi (der gegangen, weil mir Salome die Schatz Papa von Lena und Fynn, Anm. d. Red.) trucke weggenommen hat. M: Das weiss ja auch ein Fest gemacht im Garten. (Zu ich doch, da war ich ja auch dabei. Lena und Fynn:) Aber ihr kommt ja nicht Könnt ihr jemandem, der das Kloster noch von aussen. Ihr gehört zum Haus. L: Ja, nie gesehen hat, erzählen, wie es hier ist? aber bald nicht mehr. (Lena und Fynn ALLE durcheinander: Man kann malen werden in wenigen Monaten wegziehen, und man hat ein eigenes Zimmer. Es Anm. d. Red.) Aber wir werden trotzdem gibt einen grossen Garten, und in den miteinander abmachen. Wir können kommen keine fremden Leute, die nicht immer miteinander spielen. Ich bin mir hier Gast sind. L: Wir essen meistens sicher, dass wir oftmals wieder mitein- zusammen im Refektorium… F: … oder ander spielen werden. S: Ja, ich bin mir draussen. S: Man kann auch manchmal auch sicher. F: Ihr kommt sicher auch zu frei haben und sich abmelden. L: Man uns auf Besuch, wenn wir im Haus vom darf einfach etwas machen. Ich meine, Grossmami wohnen.
8 Die Herzens-Sonne im Sonnenhügel Von Franz Inauen Im Februar 2013 erhielt ich die Diagnose pflege tätig sein musste. Meistens am Ich durfte im Sonnenhügel viel Heilvol- «Demenz». Meine Pensionierungsvorstel- Vormittag wirkten auch die Hausgäste les erleben. Dies wurde vor allem mög- lungen wurden – mir als 63-Jährigem – dabei mit. Dieses Miteinander stärkte lich durch die vielseitigen Kompetenzen von einer Stunde auf die andere total in uns und so merkten wir sogar beim Jä- und die Herzlichkeit der Leitung. Frage gestellt. ten gar nicht mehr, dass uns der Rücken Dem ganzen Team sage ich von Herzen Mit der Frühpensionierung merkte ich, schmerzen könnte. DANKE! dass das «Nichts-Tun» mich innerlich Unvergesslich bleibt mir die Zusammen- lähmte. So meldete ich mich bei der arbeit mit den Zivis. Ihr jugendlicher Leitung des Sonnenhügels, bei Sandra Elan belebte meine älteren Tage – echtes Lieber Franz Schmid und Lukas Fries. Ich interessier- Glück von generationenverbindenden Dein grosses Engagement im Garten te mich vor allem für die Gartenarbeit. Sympathien! in den vergangenen sieben Jahren war Im grossen Garten vom ehemaligen Die gemeinsame Erholungszeit bei Spiel unübersehbar! Deine Leidenschaft für Kapuzinerkloster konnte ich mit meiner und Gespräch schenkte mir manche die verschiedensten Arbeiten war für Lieblingsarbeit sofort beginnen. Im Freude. alle spürbar. Oft hast du am Tisch deine Winter gab es dann für circa drei Monate Segensreich war für mich auch die geleb- grosse Freude über die blühende und Garten-Pause. te Spiritualität im Haus der Gastfreund- gedeihende Natur geteilt. Sogar die Nach- Anfangs April begann das Bereitmachen schaft. Das halbstündige, sehr meditati- bar*innen hast du mit deinem herzhaf- der Gartenbeete, damit dann die fri- ve Morgengebet um 07.00 Uhr und das ten, lauten Lachen erfreut. Seit einigen schen, selbst gezogenen Setzlinge nach Abendgebet um 18.15 Uhr ermöglichten Monaten kannst du nicht mehr im Garten den «Eisheiligen» gesetzt werden konn- meiner Arbeit einen vertieften Weg mit arbeiten. Deine Hände, die mit grosser ten. Und dann begann die Pflege dieser der Schöpfung und mit den Menschen im Hingabe in der «Scholle» wühlen, fehlen. zarten und einmaligen Gemüsepflanzen. Sonnenhügel. Doch viel mehr fehlst du als Franz. Du Das Jäten war für niemanden ein Muss. Unendlich wohl tat mir die unbeschwer- warst stets mit einem offenen Herzen Denn das Wachstum der Gemüsepflanzen te Fröhlichkeit der beiden Kinder Mirjam und Ohr für alle da. So hast du dich erzählte uns von deren Wohlbefinden und Salome. immer auch erkundigt, wie es uns geht. durch unsere Pflege. Seit Mitte Mai dieses Jahres erlaubt mir Für deine Arbeit im Garten danke ich Die Arbeit im Garten war für mich auch meine Krankheit nicht mehr, im Garten dir ebenso herzlich wie für das, was darum so eine grosse Freude, weil ich zu arbeiten. nicht sichtbar ist, aber für mich und selten bis nie alleine in der Pflanzen- viele andere Menschen im Sonnenhügel wohltuend war: mit dir, Franz, Zeit zu verbringen im Garten, am Tisch oder bei einer gemütlichen Jassrunde. Auch wenn die Gartenarbeit für dich nun nicht mehr möglich ist, bist du weiterhin im Sonnen- hügel herzlich willkommen! Pace e bene Sandra Verrückt oder zurechtgerückt? «Die Zeit ist verrückt und es ist alles vorgerückt.» (Elisabeth)
Sonnenhügel 2020 9 Aus dem Friedhof wird ein Lebensgarten Von Lukas Fries-Schmid, Franz Helfenstein und Pirmin Odermatt Zu unserem Kloster gehört auch ein Fried- hof, auf dem 33 Kapuziner ihre Ruhestätte haben. Er wurde 1892 errichtet, nachdem die Bestattung in der ehemaligen Gruft in der Klosterkirche nicht mehr möglich war, und in den 1950er-Jahren grundlegend umgestaltet. Als die Kapuziner das Kloster der Stiftung Edith Maryon übergaben, äusserten sie mehrfach den Wunsch, den Friedhof möge aufgehoben werden. Lange Zeit fehlte uns die zündende Idee für eine Umgestaltung, aber wir redeten bei allen möglichen Gelegenheiten darü- ber. Franz Helfenstein, der schon länger mit dem Sonnenhügel verbunden ist, hörte von dieser Pendenz. Sie begann in ihm zu wirken und es reifte eine Idee heran, die entschieden, eine Kugel zu machen, welche Das Kloster und seine Kerngemeinschaft er uns einmal mit einem einfachen Modell von vier geschwungenen Säulen getragen helfen Menschen dabei, das Gleichgewicht erläuterte. Bei der Eröffnung des Lebens- wird. des Lebens wiederzufinden. Diese Skulp- gartens am 23. September hat er sein Die Kugel symbolisiert das Leben mit all tur, so finde ich, passt also hervorragend Konzept folgendermassen umschrieben: seinen Facetten, und die vier Säulen stehen hierher.» «Zum Sonnenhügel gehört eine Sonne. Der für wichtige Voraussetzungen, welche ein Kreis im Zentrum mit den davon abgehen- stabiles und ausgeglichenes Leben erst Eintreten, Ausruhen, Nachsinnen und den Wegen macht das sichtbar. Die Sonnen- ermöglichen. sich wieder neu dem Alltag zuwenden – strahlen sind etwas einseitig. Das spiegelt 1. Ausreichend Bewegung – Das reduziert dazu möchte der neu gestaltete Garten meine Haltung zur Kirche, bin ich doch eher Stresshormone im Körper und ist gesund einladen. Vom Friedhof zum Lebensgar- auf der moderneren, linken oder progres- für Körper und Geist. ten ist thematisch kein grosser Schritt: sive Seite der Kirche daheim. Der Sonnen- 2. Ein gesundes soziales Umfeld – Eine Leben und Endlichkeit müssen zusammen strahl, der auf die Kirche zugeht, zeigt aber gute Familie und gute Freunde geben gedacht werden. auch meine Verbundenheit zur Kirche. Vier Halt, sorgen für Spass und Abwechslung Arbeitsmässig bedeutete die Umgestal- Bänkli laden ein zum Anhalten. Die zu ei- im Leben und zusammen können wir auf tung jedoch einen grossen Aufwand. Wir ner neuen Einheit zusammengefügten drei unterschiedlichste Weise Energie tanken. danken Pirmin Odermatt sowie Franz ehemaligen Grabkreuze würdigen die Ver- 3. Entspannung und Schlaf – Beim Schlafen Helfenstein und seinen vielen freiwilligen bundenheit mit den verstorbenen Kapuzi- und Entspannen erholen sich unser Geist Helfer*innen (darunter eine Handvoll ehe- nern. Die Nische auf der Stirnseite ist noch und Körper, die Zellen erneuern sich und maliger Zivis!) für viele Stunden ehren- nicht ganz fertig. Das braucht noch etwas das Hirn hat Zeit, die vielfältigen Eindrücke amtlichen Einsatzes. Dank ihnen konnten Zeit. Das Bänkli darin lädt aber jetzt schon zu ordnen und verarbeiten. wir alle Arbeiten in Eigenregie bewerk- ein zum Ausruhen. Die Sonnenstrahlen ha- 4. Berufliche Zufriedenheit – Eine sichere stelligen. Die Kapuziner haben grosszügi- ben wir bewusst mit Rundkies bekiest. Das Arbeit, ein geregeltes Einkommen, idealer- gerweise die Materialkosten übernommen. soll uns auch ermöglichen, barfuss den Ort weise sogar die Berufung gefunden zu ha- Auch ihnen gebührt unser grosser Dank. zu betreten und bei sich selbst das Göttliche ben, das gibt dem Leben einen zusätzlichen So sind dem Verein Sonnenhügel für die zu finden und zu pflegen.» Sinn. Wir werden gebraucht und haben eine Umgestaltung keinerlei Kosten entstanden Aufgabe – das macht zufrieden. – ein grosses Geschenk, das wir der Öffent- Steht man vor dem offenen Tor des Wir alle wissen, dass es nicht immer ein- lichkeit gerne zur Verfügung stellen. Lebensgartens, lockt eine rund zwei Meter fach ist, alle vier Säulen mit der gleichen Es freut uns, wenn der neue Lebensgarten hohe Skulptur einem förmlich hinein. Aufmerksamkeit und Hingabe zu pflegen. rege besucht wird – das Tor steht allen Unser Mitbewohner Pirmin Odermatt hat Wenn eine Säule vernachlässigt wird, offen. Auf Voranmeldung kann der Garten diese aus einem Stück geschnitzt: bleibt die Kugel noch getragen, sind aber auch von kleinen Gruppen und Vereinen für «Es hat mir viel Freude gemacht, aus der zwei Säulen instabil, braucht es nur einen Besinnungen und Rituale genutzt werden. Lärche vom Hühnerhof mit der Motorsäge kleinen Windstoss, und die Kugel stürzt in eine Skulptur zu sägen! Ich habe mich die Tiefe.
10 Die stille Fee vom Sonnenhügel Von Sandra Schmid Fries Die stille Schafferin vom Sonnenhügel Lisbeth verkörpert für mich die liebens- Lisbeth, im Herbst 2014 traf ich dich zum würdige Konstante im Haus. Durch die ersten Mal im Sonnenhügel, Art ihrer Begrüssung fühle ich mich will- gerade hast du ein Kleid aufgehängt, ganz kommen geheissen. Ihre Hilfsbereitschaft sorgfältig an einen Bügel. ist unvergleichlich, unaufdringlich, Aufgefallen warst du mir sofort mit deiner spontan. Die Entlebucher-Umgebung hat Genauigkeit und deinem Fleiss, sie mir durch ihr grosses Wissen näher- und zwar im Winter wie auch im Sommer, gebracht. wenn es war sehr heiss. Ihre sorgfältige Menüplanung ist beein- Wo auch immer du warst bei deinem druckend – mit besten Resultaten. Höre Schaffen, und war es auch im Garten, ich ihre Stimme beim Singen im Chor, Du Lisbeth, auf deine Hilfe hast du mich spüre ich Dankbarkeit, dass es SIE gibt. nicht lange lassen warten. Suche ich im Garten Gemüse, Salate, Denn dein Wissen über die Sonnenhü- Obst, Beeren oder Blumen: Lisbeth kennt Im Sommer wurde Lisbeth 70 Jahre alt. gel-Erd-Geschichte kam mir gelegen, sie alle vom Samen bis zur Ernte. Gerne hätten wir ihre Familie und weitere darum wuchsen die Stangenbohnen auch Antonia, seit zehn Jahren als Wochenend- Gäste aus unterschiedlichen Sonnenhü- dem weiten Himmel entgegen. und Ferienablösung im Sonnenhügel gel-Zeiten eingeladen. Aus bekannten Und war er denn da, dein Feierabend, Gründen war dies so nicht möglich. Das müde und wohlverdient, Feiern liessen wir uns aber nicht nehmen! es schien immer eine Kraft, die hat bei dir Um das Leben von Lisbeth zu feiern, noch gar nicht ausgedient. bereiteten wir einen Rundgang durch Bereit warst du mit Tafel, Karten, Garten und Haus vor. An verschiedenen Schwamm und grosser Kreide für den Jass, Stationen wurde Lisbeths vielfältiges denn dazu hatten wir beide noch Energie Wirken und Wissen gewürdigt. und vor allem viel Spass. Wir alle im Sonnenhügel schätzen Lisbeth Franz, in den letzten sieben Jahren als sehr. Ohne sie würde vieles fehlen. Davon Freiwilliger im Garten berichten nachfolgend verschiedene Men- schen, die immer mal wieder im Sonnen- Lisbeth ist wie eine ältere Schwester für hügel mit Lisbeth zusammenleben. mich. Sie isst mir nicht das Fleisch vom Teller, da sie sich vegetarisch ernährt. Lisbeth bereichert mit ihrem stillen, un- Ich spiele gerne Karten- und Brettspiele Lisbeth ist ein grosses Geschenk für unse- auffälligen Dasein den Alltag im Sonnen- mit ihr. re ganze Familie. Wir schätzen es enorm, hügel. Sie erledigt so manche Arbeit im Christian, seit vielen Jahren immer mal mir ihr unter einem Dach zu wohnen, Hintergrund, ohne Worte zu verlieren. wieder zu Gast im Sonnenhügel und freuen uns über jede Begegnung im Ich sollte einmal das Frühstück zuberei- Haus. Lisbeth ist äusserst hilfsbereit und ten. Doch ich hatte verschlafen. Als ich Für mich als freiwilligen Mitarbeiter ist ihre Freude an unseren Kindern finden in die Küche kam, war Lisbeth schon am Lisbeth die diskrete Hilfe im Rücken, vor wir wunderschön. Unsere fünf-monatige Vorbereiten und wir konnten pünktlich allem für Küche, Garten, Kerzen, und das Tochter Lou genoss es schon so oft, nach essen. Danke Lisbeth! fast immer in Rufnähe: dem Essen auf Lisbeths Schoss zu sitzen, Wie oft war sie einfach da zum Abwaschen «Lisbeth, wo ist…?» was auch mich sehr entlastete. Auch und Abtrocknen vor dem Essen und hat so «Lisbeth, wann ist…?» meine gewaschene Wäsche wurde schon geholfen, den Geschirrberg abzubauen. «Lisbeth, wie macht ihr jeweils…?» mehrfach, wie durch (Lisbeths) Zauber- Mit Lisbeth einen Ausflug zu machen, «Lisbeth, …?» hand auf- oder abgehängt. Pirmin und ist eine Freude. Ihre strahlenden Augen Eine kurze, sachliche und kompetente ich erhielten von ihr wunderschöne und zeigen so viel Dankbarkeit, dass mein Antwort ist mir sicher. In ihrer zurück- warme Wollsocken, welche wir mit viel Herz aufgeht. haltenden Art ist sie trotzdem sehr Freude tragen. So sagen wir dir Lisbeth Lisbeth die stille, gute Fee vom Sonnen- präsent und müssen wir einmal ohne sie von Herzen auf diesem Weg: Danke für hügel! auskommen, fehlt sie spürbar. dich! Katrin, lebte in den letzten zwei Jahren Hans-Ruedi, seit zehn Jahren als Wochen- Marlis und Pirmin, mit Lena, Fynn und öfters im Sonnenhügel mit end- und Ferienablösung im Sonnenhügel Lou, die Mieterfamilie
Sonnenhügel 2020 11 Mich nicht produktiv erholen müssen Von Marion Im letzten Sommer verbrachte ich vier und einem Gottesbild der Einheit von Wochen als Gast im Sonnenhügel. Dort Mensch und Gott in Kontakt kam. Es konnte ich inneren Prozessen Raum geben war neu, dass Gott den Menschen nicht und kam in ein Umfeld, in dem ich einfach trotz seiner Fehler liebt, sondern einfach ich sein durfte. So kehrte ich mit vielen liebt – punkt. Dieses bedingungslose «Du intensiven Erfahrungen, einem sehr positiv bist gut, genauso, wie du jetzt bist», die veränderten Gottesbild und neuem inne- Möglichkeit loszulassen und mich doch rem Werkzeug wieder nach Hause zurück. getragen zu wissen, revolutionierte vieles in mir grundlegend. Als ich aus psychischen Gründen anfangs Der Transformationsprozess zeigte sich Sommer meiner Arbeit nicht mehr nach- in der Mitte meines Aufenthaltes im gehen konnte, beschloss ich, mir eine Sonnenhügel auch körperlich. Es war Auszeit zu gönnen. Ein Freund empfahl wie das Weizenkorn, das sich von seiner mir den Sonnenhügel. gewohnten Gestalt lösen muss, um sich entwickeln und zu etwas Grösserem, zu Dualistisches Gottesbild einer nährenden Pflanze heranwachsen Ich brauchte ein paar Tage, bis ich das zu können. So fühlte auch ich, wie etwas Gefühl hatte, einigermassen angekom- Gewohntes, Vertrautes in mir zerbrach men zu sein und den selbst aufgebauten und sich zu verändern begann. In diesem Druck, mich jetzt «produktiv erholen zu Zwischenzustand von «nicht mehr» und müssen», loslassen konnte. In den Be- «noch nicht» erfüllte mich eine grund- Ich brauchte lange, um wieder im Alltag gleitgesprächen wurde mir bald bewusst, sätzliche Angst, die ich so nicht kannte, anzukommen. Doch merkte ich bald, dass dass die konkreten Themen, die mich und ein Gefühl der absoluten Gottverlas- sich die Probleme zwar nicht in Luft auf- beschäftigten, auch mit einer spiritu- senheit. Wut, Trauer und Enttäuschung gelöst hatten, ich jedoch neue Werkzeuge ellen Suche zusammenhingen – einer waren in diesen Tagen sehr präsente und eine andere Grundlage mitgebracht Sehnsucht nach mehr, als ich bis dahin Gefühle, die denen nach dem Verlust hatte, um auf sie zu reagieren. Gerade kannte. Ich war geprägt von einem dua- meines Vaters sehr glichen. Wieder war die neuen Glaubensaspekte schufen eine listischen Gottesbild: Der gute Gott auf Gott scheinbar nicht da, als ich ihn grössere Palette an Möglichkeiten, mit der einen und der sündhafte, grundsätz- brauchte. Und wieder handelte es sich um mir selbst und anderen umzugehen. Sehr lich fehlerhafte Mensch, der ständig auf das Loslassen einer Vaterfigur, mit der ich intensive Prozesse gut bewältigt zu haben, die Rechtfertigung durch den Kreuzestod aufgewachsen war. stärkte ausserdem das Vertrauen in mich Jesu angewiesen ist, auf der anderen selbst und darin, ähnliche Situationen Seite. Dadurch war meine Beziehung zu Auch Gott brauchte diesen Prozess auch wieder meistern zu können. diesem Gott sehr leistungsbasiert und Ich bin sehr dankbar, auch in diesen das eigene Selbstbild auf die negativen Momenten im Sonnenhügel gut begleitet Ob es die richtige Entscheidung war, mir Facetten fokussiert. Diese Denkweise war worden zu sein. Dass Menschen da waren, die Zeit im Sonnenhügel zu nehmen? Auf auch schuld daran, dass Gott sich so fern die die Situation mit mir aushielten, mir jeden Fall! Ich stehe inzwischen in vielen angefühlt hatte, als mein Vater einige auch meine nicht schlüssigen Gedanken- Punkten an einem anderen Ort als vor Jahre zuvor sehr plötzlich erkrankt und gänge aufzeigten und mir das Vertrauen dieser Auszeit. Es war beeindruckend, was verstorben war. Ich hatte einfach zu we- in meine Durchhaltekraft zurückgaben. für eine Vielfalt an Menschen in dieser Ge- nig zu meinem Teil der Gottesbeziehung Inzwischen glaube ich, dass Gott auch in meinschaft Platz hat, die authentisch sind beigetragen, dachte ich. diesen Tagen da war und diesen Prozess und den eigenen Weg gehen. Wer weiss, brauchte, um mir Neues, Kraftvolleres vielleicht führt meiner mich ja wieder Nicht mehr und noch nicht und Unerwartetes von ihm zu zeigen. einmal dahin... Obwohl ich mich rückblickend bereits Die Verzweiflung verwandelte sich seit längerem auf einem Weg von dieser allmählich in Vorfreude auf ein neues, Lebenseinstellung entfernt hatte, wurde lebensbejahenderes Gottes- und somit mir erst im Sonnenhügel so richtig auch Selbstbild – und auch in eine Art bewusst, wie sehr sie mich innerlich Dankbarkeit. Ausserdem entdeckte ich in Verrückt oder zurechtgerückt? zerstörte. Es tat sich eine neue Welt auf, den Lebensgeschichten anderer ähnliche «Zurechtgerückt ist nicht mehr so als ich mit der Praxis der Kontemplation Erfahrungen. verrückt.» (Christa)
12 Zuhören kommt vor dem Helfen Von Mirjam Mosberger Wie geht es dir? Die Frage kennen wir gut aus unserem Alltag. Leider fehlen uns jedoch oft die Zeit oder der Mut, einfühlsam auf die Frage einzugehen oder ehrlich zu antworten. Wenn wir nach unserem Befinden gefragt werden, fürchten wir uns vor den Reak- tionen. Wir möchten keine mitleidigen Blicke, keine Umstände und Sorgen be- reiten und auch kein «Es kommt schon wieder gut». Wenn wir die Frage stellen, ist das oft verbunden mit der Begrüssung: «Hal- lo, wie geht es Dir?» Doch wollen wir wirklich wissen, wie es dem Gegenüber geht? Fürchten wir uns nicht oft davor, was das Gegenüber uns erzählen könnte, chen und auch mal mit Tränen in den Schön finde ich, dass der Kurs «Erste und dass wir dann nicht wissen, wie wir Augen am Tisch gesessen werden. Das ist Hilfe für psychische Gesundheit» ge- darauf reagieren sollen? hier «normal», auch wenn ich der Person nannt wird und nicht etwa «Erste Hilfe Zum Glück gibt es nach der Frage «Wie grundsätzlich natürlich etwas anderes bei psychischen Notfällen». So wird geht es Dir?» auch Momente, in denen wünschen würde. das Gesundwerden eines Menschen in durch einfaches Zuhören etwas in Bewe- Doch wie ist es in unserer Gesellschaft? den Mittelpunkt gestellt. Das verändert gung kommt. Der/die Gefragte kann sich Es brachte mich schon früher immer vielleicht nicht die Situation, aber den von der Seele reden, was ihn oder sie be- wieder zum Nachdenken, dass Menschen Blickwinkel. Den Kurs kann übrigens drückt, und merkt, dass das Gegenüber mit körperlichen Beschwerden viel mehr jede/r machen. nicht verurteilt. Doch auch der oder die Verständnis erhalten als Menschen mit Fragende kann in solchen Momenten psychischen Leiden. Im Verlauf der letzten Monate hat sich beschenkt werden. Wenn jemand mir Im Juli dieses Jahres bin ich auf den für mich gezeigt, dass es an der Zeit ist erzählt, was ihm oder ihr auf der Seele Kurs «Erste Hilfe für psychische Gesund- aufzubrechen und die Kerngemeinschaft liegt, empfinde ich dies als Vertrau- heit» gestossen. Den entsprechenden des Sonnenhügels zu verlassen. Mit ensbeweis und das ist für mich etwas Nothelfer bei körperlichen Notfällen dem neuen Jahr beginnt für mich somit Kostbares. Ich spüre vom Gegenüber kannte ich, aber dass es so etwas auch auch eine neue Arbeit im Staatsarchiv nach dem Zuhören oft grössere Dankbar- bei psychischen Problemen gibt, wusste Bern und das Leben in einer eigenen keit als nach einer aktiven Hilfestellung. ich nicht. In diesem Onlineseminar der Wohnung, die erste nach insgesamt acht Zuhören ist Gegenwart; die Frage, was Stiftung Pro Mente Sana habe ich unter Jahren Gemeinschaftsleben. nun konkret geschehen soll, ist Zukunft. anderem gelernt, wie ich auf ein Gegen- Ich nehme viel von hier mit und möchte Die Wichtigkeit, zuzuhören ist etwas, über zugehen kann. Immer wieder haben die Zeit und die Erlebnisse nicht missen. was ich im Sonnenhügel gelernt habe. wir darüber gesprochen, dass Zuhören Ich bin allen sehr dankbar für die Ich war anfangs oft unsicher, wenn ein vor dem aktiven Helfen kommt. letzten drei Jahre. Doch ich spüre, dass Gast mir seine Situation erzählt hat und Nachdenklich stimmte mich zu hö- es Zeit ist, noch einmal etwas Neues ich nicht wusste, was tun. Ich habe hier ren, dass Menschen in psychiatrischen aufzubauen, beruflich und privat. gelernt, dass Zuhören und die Ohnmacht Kliniken weniger Besuch oder Blumen Ich gehe im Guten und werde dem Son- mitauszuhalten auch schon hilfreich erhalten als Menschen mit einem körper- nenhügel verbunden bleiben, denn es ist ist. Denn auch wenn beide es möchten, lichen Leiden. Immer wieder begegnete mir ein Anliegen, den Sonnenhügel auch gibt es oft keine schnelle Lösung. Aber mir auch der Gedanke, dass es eher scha- in Zukunft in irgendeiner Form mittra- Zuhören kann vielleicht in der Person det als nützt, dem Gegenüber zu sagen gen zu dürfen. das Fünkchen Hoffnung für die nächsten «Du musst Dich nur ein bisschen zu- Schritte nähren. sammenreissen, dann geht das schon». Hinweis: Weitere Informationen zum Die Psyche und ihre Gesundheit sind im Hätte es die Person nicht schon längst erwähnten Kurs sind zu finden unter Sonnenhügel offene Themen. Es darf getan, wenn dies so einfach wäre? https://ensa.swiss/de/ über Kliniken und Medikamente gespro-
Sonnenhügel 2020 13 Wenn das Handy im Schrank bleibt Ein Gast erzählt Im Lockdown diesen Frühling ging es will. Ich hoffe dann jeweils, die Lösung Gästen wahrgenommen. Ich setzte mich mir nicht so gut. Was mir fehlte, waren im aussen zu finden, auf irgendeiner manchmal tagsüber in den Inneren Chor, die kleinen, alltäglichen Kontakte: Das Website. Hier, so dachte ich mir, bin ich und öfters sassen wir da zu zweit in der Lächeln der Frau an der Bar, wenn ich aufgehoben, auch wenn ich mit meinen Stille. morgens einen Kaffee trinken ging, die Themen konfrontiert werde und damit Menschen in der Strassenbahn – solche vielleicht nicht klarkomme. Darum habe Sommerliches Licht Begegnungen sind für mich wichtiger, ich mein Handy in einem Schrank im Im Sonnenhügel gibt es im Sommer als ich dachte. Refektorium gelassen. viel mehr Licht als zur Weihnachtszeit. Wenn ich allein zu Hause bin, fällt es Die langen Gänge wirken dadurch viel mir schwer, mir Struktur zu geben. Ich weniger dunkel. Man isst abends draus- brauche den äusseren Antrieb, um nur sen und kann danach noch einen langen schon aus dem Bett zu kommen. Spaziergang bei Tageslicht machen. Im Home-Office war es egal, wann und Überhaupt ist das Leben im Sommer sogar ob ich anfange zu arbeiten. mehr nach aussen orientiert: Viele Ar- Hinzu kamen Beziehungsprobleme. Ich beiten finden im Garten statt, es ist ein hatte kurz zuvor eine Frau kennen ge- Kommen und Gehen im Haus, auch von lernt, das war anfangs ganz schön, aber Seiten des Kernteams. An Weihnachten es wurde zunehmend schwieriger, sodass sind jeweils alle da, man ist viel mehr ich mich trennen wollte. In Kombination zusammen und feiert dieses christliche mit dem Alleinsein und der fehlenden Fest gemeinsam, ganz bewusst und auf Struktur hat mich dies sehr mitgenom- schlichte Weise. men. Heute geht es mir grundsätzlich gut. Meine Arbeit, die Corona-Situation, Achtsame Gemeinschaft die Umgebung, das alles ist im Moment In dieser Situation wollte ich an einen nicht so toll, aber ich bin auf gutem Ort, wo ich aufgehoben sein würde. Den Weg. Meine Stimmungen schwanken, die Sonnenhügel kannte ich von früheren Gefühle wechseln in schneller Folge, mal Aufenthalten über Weihnachten. So kam auf, mal ab. Aber das ist jetzt so. Ich bin ich im Sommer für drei Wochen in den Sich selber aushalten auf dem Weg. Und ich habe Menschen Sonnenhügel. Es war nur eine kleine Das Wegsperren des Handys ging besser, um mich, die ich anrufen kann, wenn Gruppe von Gästen da, aber wie immer als ich befürchtet hätte. Innerlich ich das brauche. erlebte ich sofort diese achtsame Form bewegte sich tatsächlich etwas, ich kam Seit dem Aufenthalt im Sonnenhügel von Gemeinschaft: Jede/r kann so viel weiter, aber anders, als erwartet. Da habe ich zu Hause eine Morgenrouti- oder so wenig Kontakt haben, wie er war nicht die grosse Einsicht, der eine ne entwickelt. Ich meditiere täglich oder sie braucht. Man drängt sich nicht Schlüssel zur Lösung meiner Probleme. und nehme mir Zeit für das Frühstück. auf mit Kontakt. Das finde ich sehr Es ging vielmehr darum, mich selber Das ist Zeit für mich und mit mir. Das angenehm. auszuhalten, mit mir selber zusammen Home-Office bleibt schwierig. Aber im Auch die Tagesstruktur war für mich sein zu können. Es geht letztlich um Unterschied zum Lockdown im März hilfreich: Ich konnte problemlos um sie- den Prozess, sich selber akzeptieren zu kann ich den Kaffee an der Bar trinken ben Uhr aufstehen, um ins Morgengebet können. Mich nicht zu wehren gegen gehen. Und hole mir manchmal auch zu gehen. Hier haben mir die Meditation das, was ich an mir selber nicht mag, ein Lächeln des Barkeepers. und der Gesang gut getan, auch wenn sondern mit dem zu sein, was ist. Sehr ich nicht mitgesungen habe. Allein das hilfreich waren dabei die wöchentlichen aufgezeichnet von Sylvia Stam Zuhören war schon sehr schön. Begleitgespräche mit Lukas. Er konnte Im Sonnenhügel wollte ich bewusst auf einordnen, was da in mir passierte. mein Handy verzichten. Ich habe oft das In der Gemeinschaft habe ich mich Gefühl, dass ich manchen Themen aus- diesmal mehr zurückgenommen als bei weiche, wenn ich zum Handy greife. Es früheren Aufenthalten. Ich habe das Verrückt oder zurechtgerückt? ist für mich wie ein Fieberthermometer: Alleinsein gesucht, um zu schauen, was «Einen Menschen persönlich kennen Je öfter ich es in die Hand nehme, desto das mit mir macht, ob ich mich aushalte. zulernen, rückt unsere Vorurteile mehr ist da, was angeschaut werden Ähnliches habe ich auch bei anderen zurecht.» (Lisbeth)
14 Zahlen und Fakten von Lukas Fries-Schmid Dass wir in der Regel unsere Jahresrech- Schwankungen. Zu gewissen Zeiten ihren Lebensunterhalt selbst erwirt- nung im Rundbrief nicht abdrucken, haben wir nur zwei, drei Gäste, zu schaften. Elisabeth und Lukas, die diese liegt nicht etwa daran, dass wir etwas anderen Zeiten gegen zehn. Auch diese Möglichkeit nicht haben, erhalten ein zu verstecken hätten. Vielmehr glauben Zahl ist coronabedingt niedriger als Taschengeld, so dass alle in die Grös- wir, dass die Berichte von Menschen, sonst: Im Jahr 2019 beherbergten wir im senordnung eines Existenzminimums die mit uns leben, aussagekräftiger sind Durchschnitt fast acht Gäste aufs Mal! In kommen. als Bilanzen und Statistiken. Trotzdem Anbetracht der Schwankungen bedeutet Mit anderen Worten: Müssten wir für un- werden wir immer wieder gefragt, wie das, dass es Wochen gab, in denen wir sere Arbeit im Sonnenhügel einigermas- viele Gäste wir beherbergen und wie drei Mal mehr Gäste hatten als Personen sen marktübliche Löhne bezahlen, wäre wir uns finanzieren. Darum wollen wir in der Kerngemeinschaft. Das sind 180 unser Budget rund doppelt so hoch. Das im Folgenden einige Kennzahlen aus Stunden pro Woche, während denen bedeutete, dass wir fast drei Mal so viele unserer Buchhaltung mit Ihnen teilen unsere Gäste eine für sie passende Ar- Spenden generieren müssten als heute (Zahlen gerundet): beit haben müssen, und mindestens 12 oder dass wir nur noch Menschen auf- Stunden Begleitgespräche pro Woche. nehmen könnten, die sich 250 Franken Gäste pro Jahr: 40 pro Nacht leisten könnten. Vierzig verschiedene Gäste haben Kosten pro Nacht: CHF 112 in den letzten zwölf Monaten (von Letztes Jahr hat uns eine Nacht eines Danke Oktober 2019 bis September 2020) mit Gastes 112 Franken gekostet. Das ist et- Jetzt wissen Sie, warum dieser Seite uns gelebt. Einige von ihnen kamen was über dem langjährigen Durchschnitt noch zwei Einzahlungsscheine beigelegt mehrfach – diese haben wir hier nur je und hat mit einer Sonderabschreibung sind. Wir danken allen, die die Mög- einmal gezählt. Wenn wir die Zeit des im Zusammenhang mit der Gesamtreno- lichkeit haben, den Sonnenhügel zu Lockdowns abziehen, war die Zusammen- vation des Klosters zu tun. In der Regel unterstützen. Nicht wegen uns, sondern setzung unserer Gemeinschaft praktisch rechnen wir mit 100 Franken pro Nacht. wegen der Gäste, die sich einen Aufent- jede Woche anders – zumindest im Dabei ist alles eingerechnet: Unterkunft, halt sonst nicht leisten könnten. Durchschnitt. Auf den ersten Blick ist Vollpension, Tagesstruktur, persönli- das einfach eine Zahl. Für uns bedeu- che Begleitgespräche, Znüni, Zvieri, tet sie: vierzig Schnuppergespräche, Mitbenützen von Wohnstube, Bibliothek, vierzig Namen, vierzig Gesichter, vierzig Arbeitsräumen sowie der Waschmaschine Lebensgeschichten, vierzig Mal sich auf und zur Not gar eine Zahnbürste oder jemand Neues einstellen und vierzig Mal Kleider aus unserem Spendenschrank. Abschied nehmen. Unterstützungsbedarf pro Nacht: CHF 45 Logiernächte: 2100 Gäste, die sich obige hundert Franken Diese vierzig Gäste haben rund 2100 pro Nacht leisten können, sind eine Übernachtungen generiert. Die Spann- Ausnahme. In der Regel benötigen wir Termine 2021 weite ist dabei sehr hoch: manche für jede Übernachtung rund 45 Franken 7. Juni 2021: Wir nehmen wieder blieben nur wenige Tage, manche viele aus Spenden. Oder anders gesagt: Im neue Gäste auf Monate. Die Zahl der Logiernächte ist Durchschnitt können unsere Gäste rund 11. September 2021: Tag der dieses Jahr eher niedrig. Das hat mit der 55 Franken pro Übernachtung bezahlen. offenen Klosterpforte Corona-Zeit im Frühjahr zu tun, während Dieser niedrige Preis ist nur möglich der wir fast keine neuen Gäste aufneh- dank einer Eigenheit des Sonnenhügels: Aktuelle Informationen jeweils auf men konnten. Zum Vergleich: Im Jahr www.sonnenhuegel.org 2019 haben wir über 2900 Logiernächte Eigenleistungen: CHF 200’000 generiert – also rund ein Drittel mehr als Die Kerngemeinschaft verzichtet nach dieses Jahr. wie vor auf einen regulären Lohn. Grundsätzlich erhalten wir freie Kost Gäste pro Tag: 5.7 und Logis, darüber hinaus arbeiten wir Wenn wir die Logiernächte gleichmässig grösstenteils ehrenamtlich. Das geht auf die zwölf Monate verteilen, ergibt nur, weil Sandra und Mirjam zusätzlich Verrückt oder zurechtgerückt? das zwischen fünf und sechs Gäste zu ihrem Engagement im Sonnenhügel «Heute ist es wieder fast normal. Es gleichzeitig. Dabei gibt es aber grosse extern erwerbstätig sind und sich so war schon verrückter.» (Mirjam)
Sonnenhügel 2020 15 Ein herzliches Dankeschön von Sandra Schmid Fries Der Sonnenhügel kann in dieser Form nur Garten und Lebensgarten bestehen, weil wir von der Kerngemein- Franz Inauen • Franz Helfenstein • Franz schaft auf verschiedenste Weise unter- Lampart • Josef Moser • Walter Käppeli • stützt werden. Allein könnten wir den Peter Rüttimann • unsere ehemaligen Sonnenhügel nicht stemmen. Obwohl uns Zivis dies stets bewusst war, wurde es während Kochen des Lockdowns unmittelbar erfahrbar, Agnes Odermatt • Hans-Ruedi Ulrich • als plötzlich alle Freiwilligen nicht mehr Eva Zogg kommen konnten. Umso dankbarer sind wir für das Engagement von all den Men- Zetteln und Bespannen der Webstühle schen, die den Sonnenhügel bereichern, Verena Schnellmann tatkräftig oder beratend und insbesonde- Buchhaltung re auch mit ihren Lebenserfahrungen und Paolo Corvo ihrem Präsent-Sein. Unser Dank gilt auch all jenen, die uns finanziell unterstützen, Kirchenreinigung gerade auch in dieser unsicheren Zeit: Martina Lötscher allen Spenderinnen und Spendern, den Vorstand Stiftungen, Institutionen und Pfarreien. Benno Baumeler • Patrik Emmenegger • Auch durften wir im vergangenen Jahr Hans Knüsel • Rita Schmid • Otmar Kreiliger wiederum verschiedene Naturalspenden (gewählt im September 2020) Katharina Schmid entgegennehmen. Herzlichen Dank. Fast 20 Jahre lang, seit 2000, hat Kat- harina die Klosterkirche gereinigt und Wöchentlich ein ganzer Tag in Garten sich liebevoll um den Blumenschmuck und Haus Wunschliste gekümmert. Seit dem Winter 2019 kann Theres Ottiger Vielleicht steht irgendwo etwas Ge- sie aus gesundheitlichen Gründen diese Wochenend- und Ferienablösungen brauchtes nicht mehr Gebrauchtes, Arbeiten nicht mehr verrichten. Wir Verena Schnellmann • Antonia und das uns dienen würde, zum Beispiel: danken dir, liebe Katharina, ganz herz- Hans-Ruedi Häusermann • Lucia Hauser Eine gut erhaltene Polstergruppe lich für dein langjähriges Engagement. und Ludwig Hesse • Elsbeth und Bern- Eine kräftige Küchenmaschine Uns allen bleiben zudem die gemeinsa- hard Caspar • Emmanuel Wyss • Valeria (für die stetig wachsende Nach- men Mittagessen in guter Erinnerung, Hengartner frage nach unseren Klosterbau- bei denen du mit deinem Humor und steinen) deiner Lebensweisheit die Gemeinschaft Zivildienstleistende und Praktikantinnen Gerne nehmen wir entsprechende bereichert hast. Wir freuen uns auf Elmar Wüest • Pascal Emmenegger • Angebote entgegen. weitere Begegnungen und wünschen dir Severin Villiger • Franziska Neyer • Jascha alles Gute und viel Freude mit deinen Käser • Lara Thiele Grosskindern. Verrückt oder zurechtgerückt? «Dass die Schweizer alle Teigwaren bei Namen nennen, das ist verrückt.» (Lara aus Deutschland, wo alle Teig- waren «Nudeln» heissen)
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