SOUND OF CYCLING URBAN CYCLING CULTURES - VELO-CITY VIENNA 2013 KONFERENZ MAGAZIN - KLIMAAKTIV
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Vorwort � © lukas Beck fachkonferenzen wie die Velo-city sind eine gute ge- peln, schöpfen kann. erfreulich: Die expertinnen der legenheit, um zwei für die Politik sehr wichtige Dinge konferenz bestätigten den bisherigen Weg Wiens, zu tun: zum einen den Blick in die fernere zukunft zu die fahrradinfrastruktur weiter zu verbessern und richten und neue trends zu erkennen, zum anderen mit kampagnen die Bewusstseinsbildung zu fördern. den Blick über den tellerrand auf andere Städte und Diesen Weg wollen wir weitergehen und noch gezielter länder zu lenken, die vor ähnlichen Herausforderungen Menschen dazu motivieren, das rad als fortbewe- stehen wie etwa Wien. gungsmittel für sich zu entdecken. eine zielgruppe liegt Die Velo-city war für Wien aber noch viel mehr. Die mir dabei besonders am Herzen: Wenn wir es schaffen, konferenz hat dazu geführt, dass das thema fahrrad dass immer mehr kinder schon früh das radfahren wohl das verkehrspolitische thema ist, das in diesem erlernen, dann müssen wir uns über den zukünftigen Jahr am breitesten öffentlich diskutiert wird. Und die radverkehrsanteil der Stadt keine Sorgen machen. Velo-city hat die radwoche ausgelöst, an der viele tau- Denn wer schon als kind gerne rad gefahren ist, der send Wienerinnen und Wiener teilgenommen haben. wird das auch im erwachsenenalter tun. Die Velo-city 2013 in Wien war ein beachtlicher erfolg. Die Velo-city 2013 ist ein tiefgründiger Sie war die größte fahrradkonferenz, die jemals statt- Wissensfundus, aus dem gefunden hat. in diesem Sinne ist die Velo-city für Wien die Stadt Wien schöpfen kann. ein auftrag, noch mehr zu verbessern – nicht nur für den radverkehr, sondern für alle arten der umwelt- es gibt wohl kaum eine Wienerin, einen Wiener, die freundlichen Mobilität. bzw. der nicht von der radwoche gehört oder gelesen hat. ein Höhepunkt war sicher der radcorso, bei dem weit über 4.000 Menschen mitgeradelt sind und die rundfahrt entlang der Wiener ringstraße und über die reichsbrücke genossen haben. Maria Vassilakou inhaltlich stellt die Velo-city 2013 für Wien einen Vizebürgermeisterin der Stadt Wien tiefgründigen Wissensfundus dar, aus dem die Stadt Stadträtin für Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, nun für das ziel, bis 2015 den radanteil zu verdop- Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung © istock.com UrBan cycling cUltUreS – 3
inhalt � pur. ls erho er Üb auf d icher s ganz ika. Wien Afr s in un t ist r u t fü hg dstad uc esa ist ahrra s t, pai ro Als F r Eu fü Vorwort 3 rock ’n’ roll Shkodra 74 ein Prolog zur Velo-city 2013 8 Volunteers of cycling academy 76 gut Wie klingt radfahren? 10 Der Supertrick von cycle chic 78 s Planen wir menschengerechte Wien – eine Stadt auf der Überholspur 81 nne statt autogerechte Städte! 14 Danzig denkt ganzheitlich 82 We Die Velo-city Welt 18 cycling economy 2.0 radfahren in zahlen 20 radfahren und Menschenrechte 86 Urbane Mob ilitätskulture Ärger im Paradies 22 radfahren – gut für gesundheit und Wirtschaft 88 n verändern groningen will mehr 26 Mein arzt verschrieb mir fahrradfahren! 92 sich. Von der Saat zum Wald. inspirierender Workshop des ecf-netzwerks n. de radkultur(r)evolution in Wien 28 cities for cyclists 94 es ist so weit: Wir haben uns getraut 30 Österreichs forscherinnen wer fahrrad und Öffis: Spitzenplatz für beide? 34 fördern das netzwerk Scientists for cycling 95 et reit Ra Moderne Städte bereiten sich auf die postfossile Ära vor. b er d Nichts ist heute notwendiger als den Radverkehr zu stärken. v fah al l r re e po n üb m s sit Smile! 37 e-Bikes 96 s us mu ive Wir nehmen, was wir kriegen können! 38 Das gegenteil von gut ist gut gemeint 98 sm en Moskaus fahrradoffensive 41 Warum wir uns vor den falschen Dingen fürchten 102 nB it Platz haben wir genug! 42 frocks on Bikes – radeln mit Stil 104 h r Sp fa ots Wie bringt man Pendlerinnen aufs rad? 44 Sogar Bruce Willis fährt rad! 106 d aß Ra ch San francisco mal drei 46 eine mächtige Stimme aus Uganda 108 , Em fahrradkampagnen mit erfolgsgarantie! 48 Mein fahrrad hat’s gemütlich! 112 a fte ot Versteckte Botschaften 53 garagen jetzt auch für Drahtesel! 114 nv io Öko-Helden, runter vom Sattel! 55 adelaide ist bereit 116 n erb Überzeugt und konvertiert 56 fahrradspaß für alle: Wiener radwoche 120 un radfahrer sind die besseren kunden 60 Bike yoga 122 d un ein leuchten am Himmel 62 Wie Sie ihren neuen radpartner finden 124 de Peking – königreich des fahrrads 2.0 64 interviews mit konferenzbesucherinnen 125 nw Sonderfall Japan 66 Die Wiener Velo-city 2013 – ein rückblick 128 Die feinste Wiener fahrradselektion 71 impressum 130 erd © istock.com Verdoppeln wir das radfahren in europa! 72 en . 6 – tHe SoUnD of cycling
© Stadt Wien, christian fürthner © Stadt Wien, christian fürthner ein Prolog zur Velo-City 2013 als ich vor mehr als zwei Jahren den auftrag von frau Der Versuch der Stadt Wien, Vertreterinnen der krea- die tatsache, dass das vorgesehene Budget eingehal- Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou bekam, die tivwirtschaft, kulturschaffende und Wissenschafterin- ten und sogar leicht unterschritten werden konnte. Bewerbung der Stadt Wien zur ausrichtung der Velo- nen aus ganz Österreich mit dem thema fahrradfahren city-konferenz 2013 vorzubereiten und im falle eines zu konfrontieren und in verschiedenen formen zur Mit- Die zusammenarbeit mit der european cyclists’ fede- zuschlags organisatorisch umzusetzen, habe ich mir arbeit einzuladen, war ein wesentliches Bestreben und ration ecf, vertreten durch den Präsidenten Manfred vorgenommen, die „beste Velo-city ever“ zu gestalten. wurde aufgrund einer hohen anzahl von teilnehmerin- neun und die Verantwortlichen für die Velo-city Serie Monate nach der konferenz bin ich mir sicher, dieses nen und einreicherinnen bzw. aktivitäten auf qualitativ Bernhard ensink und raimund Stabauer, gestaltete ziel jedenfalls in quantitativer Hinsicht erreicht zu sehr gutem niveau überdurchschnittlich erfüllt. sich problemlos und wechselseitig befruchtend. insbe- haben, und viele persönliche anschreiben geben mir sondere die beiden formate Scientists for cycling und mittlerweile die gewissheit, auch qualitativ eine Bench- Die hohe anzahl politischer entscheidungsträger wie cities for cyclists waren gut besuchte Pre-conference- mark für zukünftige konferenzen gesetzt zu haben. Ministerinnen, regionspräsidenten, Bürgermeisterin- aktivitäten. Dies war mir natürlich nicht als einzelperson möglich, nen und Vizebürgermeisterinnen ermöglichte es, einen sondern nur mit einem engagierten und innovativen erfahrungsaustausch auf höchster ebene stattfinden in dem ihnen nun vorliegenden umfassend gestalte- team, das die Bereiche Programmgestaltung (andrea zu lassen, der auch in form eines Memorandums nach- ten konferenzmagazin sind einerseits wesentliche Weninger, rosinak & Partner), Demonstrationsvorha- haltig festgehalten wurde. inhaltliche erkenntnisse dargestellt und andererseits ben (Michael Szeiler, rosinak & Partner), nationale wie die vielfältigen Side events bildlich und journalistisch internationale Public relations (Wolfgang gerlich, Plan- einer der wichtigsten aspekte war ohne zweifel, die aufbereitet. Sinn), expo und events (Martin friedl, event company) internationale konferenz mit vielen Side events auch und kongressorganisation (tatijan Vukasinovic, Stadt für die lokale Bevölkerung erlebbar zu machen. Durch abschließend möchte ich allen teilnehmerinnen Wien Marketing), hervorragend abgedeckt hat. das fahrradpicknick, die fahrradmodeschau „Velo- für ihre aktive Mitarbeit danken, im Besonderen Style“, den mit 4.200 teilnehmerinnen bei prachtvollem natürlich auch den Hauptsponsoren und kooperations- einige Punkte sind mir in der nachschau besonders Wetter geführten radcorso mit anschließender kaiser- partnerinnen der Stadt Wien für die zurverfügung- wichtig gewesen, da sie ganz wesentlich zum erfolg schmarrenparty, die eröffnung der Designausstellung stellung außerordentlicher konferenzräume und beigetragen haben. So waren die inhaltliche Pro- „tour du Monde“ im Museum für angewandte kunst, eines entsprechenden Budgets sowie der ecf für die grammgestaltung, die auswahl und die Betreuung die fahrradfilmnächte und den familienradausflug in ausgezeichnete zusammenarbeit und Unterstützung. der Vortragenden, viele interaktive konferenzformate das neue Stadtentwicklungsgebiet aspern Die Seestadt Den Veranstalterinnen der nächsten Velo-city global und der hohe level der präsentierten inhalte wichtige Wiens, die radarena vor dem Wiener rathaus mit dem 2014 in adelaide wünsche ich alles gute und eine grundlagen für den erfolg der konferenz. insbesondere zehn-Jahres-fest von citybike und durch ein interna- erfolgreiche konferenz. das format „Speed Dating“ war ein lebhafter und die tionales radpoloturnier war es möglich, viele Wiene- kommunikation fördernder Programmpart. rinnen und Wiener positiv mit dem thema fahrrad zu konfrontieren. Dass es im zuge des cycling Visionaries awards und der damit verbundenen Social-Sponsoring-leistungen Mit etwa 1.400 teilnehmerinnen, über 330 Vortragen- gelungen ist, vielen jungen und engagierten Personen den aus 47 ländern, einem ausgebuchten ausstel- aus der ganzen Welt den kongressbesuch zu ermög- lungsareal mit über 50 ausstellern und mehr als 160 lichen und somit die konferenz bunter zu gestalten, Journalistinnen wurden alle bisherigen Velo-city-kon- Wolfgang Dvorak freut mich besonders. ferenzen übertroffen. ein weiterer positiver aspekt ist Konferenzdirektor Velo-city Wien 2013 8 – tHe SoUnD of cycling UrBan cycling cUltUreS – 9
wie radfahren? k lingt text: Frauke Behrendt oft loben wir das Radfahren als stille Verkehrsart. Allerdings steht diese Stille im gegensatz zum Umgebungslärm einer Stadt, die vor allem durch das Dröhnen der kraftfahrzeuge dominiert wird. Welche Schallstrategien gilt es hier zu entdecken? Wie kann das Radfahren in das zukünftige akustische Design städtischer Räume einfließen? radfahren wird häufig „zum Schweigen gebracht“. Bildern neigt zu „Perspektiven“, „Sichtweisen“ und Der radverkehr wird oftmals vergessen, und seine „Bildschirmdarstellungen“. Die Menschen sind aber nutzerinnen werden im wahrsten Sinne des Wortes an multisensorisch: Wir nehmen die Welt nicht nur durch den rand gedrängt. Wie still und schallgedämpft sollte unsere augen wahr, sondern auch, indem wir sie das radfahren denn sein? Wie politisch ist es, lärm zu hören, riechen, schmecken und fühlen. zudem spüren machen, seine Stimme zu erheben, „laut zu geben“? wir Bewegung, gleichgewicht, unsere körperliche Be- Wie können wir Platz für das radfahren fordern – nicht findlichkeit, zeit und vieles mehr. Wir haben fünf Sinne nur im physischen Sinne, sondern auch in Bezug auf und setzen alle davon beim radfahren ein. aber die die klanglandschaft der Stadt? Was ist das Potenzial Diskussionen über fahrradkultur, Stadtplanung, Pro- für klänge an der Schnittstelle von radfahrerinnen, duktgestaltung, Verkehrsplanung, Medienwissenschaft, mobilen Medien und Stadtgestaltung? Welche Band- Soziologie und zahlreiche andere Bereiche, die mit breite gibt es für das Sounddesign von e-Bikes? Wie dem radfahren zu tun haben, konzentrieren sich fast können wir unsere fantasie und unsere ohren für das ausschließlich auf die visuelle komponente. ich möchte Potenzial der urbanen „Beschallung“ durch das fahrrad Sie bitten, ihre aufmerksamkeit von der visuellen auf und die fahrradkulturen öffnen? die akustische kultur zu lenken. in der Wissenschaft wird dieser Bereich oft als „Sound Studies“ bezeichnet. © eta Service ltD zwei Schlüsselstrategien haben sich als reaktion auf Sound Studies „untersuchen […] die verschiedenen DER HoRNStER WURDE VoN YANNick die „realität des radfahrens“ in der Stadt als relativ geräuscharmer aktivität inmitten der kakophonie arten, wie die Menschen die Welt der klänge wahrneh- men, und wie klänge und töne in kultur, geschichte, READ UND DER ENViRoNMENtAl der motorisierten modernen klanglandschaft her- institutionen, Design, architektur und technologien tRANSpoRt ASSociAtioN ENtWickElt, ausgebildet. Die eine ist die Strategie des „in-sich- Hineinhörens“: Der radfahrer oder die radfahrerin eingebettet sind“ (Bull, 2013). UM DEM RADFAHREN EiNE MÄcHtigE blockt (in unterschiedlichem ausmaß) die geräusche Schließen Sie für einen Moment die augen … � StiMME zU VERlEiHEN. � der außenwelt ab und ergänzt das fahrerlebnis mittels einer privaten klangkulisse (oft über kopfhörer). Das ... und stellen Sie sich den klang des radfahrens vor. Was fällt ihnen dazu ein? Die klanglandschaft (Schafer, kann die konsumation von Musik mittels mobiler 1977) des radfahrens umfasst Hintergrundgeräusche, geräte sein (Bull, 2007), oder es handelt sich um Sonic wie etwa das Surren der räder, den Wind, die atmung, augmented reality (Behrendt 2012) für fahrrad-apps, den Herzschlag, aber auch andere Umgebungsgeräu- sozusagen eine Strategie des in-sich-Hineinhörens. sche, etwa Verkehrslärm – sozusagen den „grundton“ Die andere Strategie ist das „Sich-Hörenlassen“, also des radfahrens in der Stadt überhaupt. Vordergründige den klang des radfahrens so zu gestalten, dass er zur geräusche sind die fahrradklingel oder eine autohupe, klanglandschaft der Stadt beiträgt und dem radfahren gleichzeitig radeln wir an „geräuschmarken“ vorbei, eine hörbare Stimme verschafft. etwa an den glocken des Big Ben in london. wie klingt denn radfahren? das lauteste fahrrad der welt Wir leben in einer visuellen kultur, und der Diskurs in fahrradklingeln und Hupen sind funktionale geräu- unserer arbeitswelt und in den von uns gebrauchten sche, die andere Verkehrsteilnehmerinnen über die 10 – tHe SoUnD of cycling UrBan cycling cUltUreS – 11
(sonst fast lautlose) Präsenz von radfahrerinnen lediglich für zahlendes Publikum und konsumentinnen informieren. Der „Hornster“ – der Welt lautestes einladend gemacht. nach diesem konzept können wir fahrrad – spitzt diese idee extrem zu: Mit einem hoch Verkehrsgeräusche als Methode zur kodifizierung des © Stadt Wien, Philipp forstner © Stadt Wien, Philipp forstner © Stadt Wien, Benedikt croy leistungsfähigen Drucklufthorn passt sich der Hornster öffentlichen raums verstehen, häufig zwar weniger frauke behrendt der klangkultur einer dominanten Verkehrsart, nämlich offensichtlich als open-air-Berieselungsmusik, aber leitet das britische For- der lkws, entsprechend an und versetzt diese in den darum nicht weniger intensiv. klänge können bestimm- schungsprojekt „Smart kontext einer sonst ausgegrenzten art der fortbewe- te Verkehrsarten unterstützen (zum Beispiel radio- e-bikes“. Als Senior lec- gung – nämlich des fahrrads. Der Hornster macht hören in einem hermetisch verschlossenen auto) oder turer in Media Studies unsere urbane klanglandschaft durch noch mehr andere Verkehrsarten ausschließen (etwa radfahren an der Universität von unangenehmen „lärm“ noch lauter; damit wird ein inmitten des kfz-Verkehrs) und damit die Wirkung der Brighton umfassen ihre wichtiges politisches argument vorgebracht und dem kodifizierung dieser Verkehrsarten in Bezug auf soziale Forschungsinteressen digitale kulturen, Sound radfahren eine kräftige Stimme verliehen. Schicht, geschlecht, rasse und/oder alter verstärken. Studies, Mobilität, Massenfahrten mit fahrrädern, die Soundanlagen interaktionsdesign, Dies ist eine recht individuelle art, dem fahrrad eine mitführen, sowie mit Musikerinnen auf dem fahrrad nachhaltige Entwicklung eigene Stimme zu geben. Seit langem besteht aber und andere arten der klangentwicklung stellen diese und Smart cities. auch eine gewisse tradition der einnahme städtischer kodifizierungen in frage und fordern auf akustische Straßen durch fahrräder mithilfe von klängen und Weise raum für das fahrrad. geräuschen. critical Mass, radkorsos und andere fahrrad-großveranstaltungen, initiativen, events und Sounddesign für e-bikes © Stadt Wien, christian fürthner Demonstrationen haben schon oft geräusche und anstatt geräusche als zufälliges und oft unerwünsch- © Stadt Wien, Philipp forstner Musik als Mittel eingesetzt, um die Straßen der Stadt tes nebenprodukt zu behandeln, setzen Sounddesigne- für die radfahrer zurückzuerobern. rinnen und akustisches interaktionsdesign (Behrendt und lossius, 2009) geräusche ein, um bessere räume, Sterne (2005) argumentiert, dass „programmierte objekte, events oder interaktionen zu gestalten. Musik im freien einen Versuch darstellt, raum [...] in Bezug auf soziale Schicht, rasse und alter zu kodifi- Die kfz-Branche beschäftigt bereits seit längerem Soundsysteme auf fahrrädern zieren“. es werden freiräume in ihrer geräuschkulisse zahlreiche Personen, die mit dem Sounddesign „ge- erobern die Stadt akustisch zurück – auch beim radcorso so gestaltet, dass junge oder wohnungslose Menschen räuschloser“ elektrischer fahrzeuge befasst sind. Hier während der Velo-city Wien. sich dort nicht wohlfühlen. Diese räume werden somit kommt das Potenzial des Sounddesigns für fahrräder mit elektrischer Unterstützung (e-Bikes oder Pedelecs) ins Spiel, insbesondere wenn wir flotten von e-Bikes © David raffo betrachten. Die Batterien von e-Bikes könnten einge- setzt werden, um eine Vielzahl interessanter klangstra- tegien zu verfolgen, vor allem in Verbindung mit den Smartphones der radfahrenden. Wir brauchen eine Diskussion zur frage, wie Soundde- © Mobilitätsagentur Wien, Sebastian Philipp sign die Sicherheit und die lebensqualität verbessern kann. Dabei geht es nicht nur um fahrräder und e- Bikes selbst, sondern auch um Stadträume und nach- haltige Mobilität. Wir müssen unsere ohren öffnen. Quellennachweise � Behrendt, f. (2012). „the Sound of locative Media“. convergence, 18 (3), 283-295. http://con.sagepub.com/content/18/3/283.abstract � Behrendt, f. & lossius, t. (2011). Sonic interaction Design. Bergen: Bek. http://sid.bek.no/, aufgerufen am 20.06.2013. � Behrendt, f. & cairns, S. & raffo, D. the smart e-bikes research pro- ject. www.smart-ebikes.co.uk , aufgerufen am 20.06.2013. � Breathnach, D. the Hornster (Sunday times online), http://vimeo. � com/44650294, aufgerufen am 20.06.2013. � Bull, M. (2013) Sound Studies. oxon: routledge. � Bull, M. (2007) Sound Moves. oxon: routledge. � © Mobilitätsagentur Wien, Sebastian Philipp eta. the Hornster: World’s loudest bicycle bell is noisier than concor- de. https://www.eta.co.uk/2012/05/03/the-hornster-worlds-lou- dest-bicycle-bell-is-noisier-than-concorde/, aufgerufen am 20.06.2013. � © Stadt Wien, Philipp forstner © Stadt Wien, Philipp forstner Schafer, r. M. (1993). the Soundscape. rochester. Destiny Books. � Sterne, J. (2005) Urban Media and the Politics of Sound Space. open, 9. http://classic.skor.nl/2853/en/jonathan-sterne-urban-media-and- the-politics-of 12 – tHe SoUnD of cycling
© Stadt München Planen wir � MenSChengereChte � Statt autogereChte Städte! � Münchens Vizebürgermeister Hep Monatzeder wurde bei der Velo-city konferenz in Wien mit dem leadership Award for cycling promotion 2013 ausgezeichnet. hep Monatzeder wurde damit von der Radbotschaft Dänemark für sein nachhaltiges Engagement, den urbanen Radverkehr zu fördern, geehrt. Das interview führte andrea weninger. Herr Monatzeder, Sie sind seit 1996 Dritter Bürger- referaten Stellen, die sich mit der radverkehrsförderung meister von München und sind auch als DER „Fahr- beschäftigen und sich in gemeinsamen arbeitskreisen radbürgermeister“ bekannt. Welchen Stellenwert austauschen. außerdem enthält dieser Beschluss die hat das Fahrrad in der Münchner Verkehrspolitik? zielvorgaben, die wir uns selbst gesetzt haben. nicht hep Monatzeder: Das fahrrad hat bei uns einen zuletzt wurde mit ihm auch die „radlhauptstadt“- hohen Stellenwert, nicht nur, weil auch unser oberbür- kampagne als „weiche Maßnahme“ zur radverkehrsför- germeister bekennender radfahrer ist, sondern auch, derung beschlossen. im Jahr 2013 steht schließlich der weil wir erkannt haben, dass am fahrrad kein Weg vor- evaluationsbericht zu diesem grundsatzbeschluss an. beiführt, wenn man die Verkehrssituation verbessern ich kann jetzt schon verraten, dass wir unsere selbst und die Umweltbelastung reduzieren will. gesteckten und durchaus ambitionierten ziele zum teil schon vorzeitig erreicht haben. Die angepeilten 17 % Wie hat sich dieser Stellenwert seit den 1990er- radverkehrsanteil haben wir bereits 2011 erreicht, und Jahren verändert? nun streben wir 20 % bis 2015 an. hep Monatzeder: zu Beginn meiner amtszeit war es noch viel schwieriger als heute, sich für den radver- Die Stadt München hat vor einigen Jahren eine bei- kehr einzusetzen. zwar muss ich auch heute immer spiellose und viel gelobte Radfahrkampagne unter noch stundenlang im Stadtrat debattieren, wenn dem Titel „Radlhauptstadt München“ lanciert. Wie Parkplätze in fahrradabstellplätze umgewandelt wer- hoch waren die Kosten der Kampagne und welche den sollen; insgesamt spürt man aber deutlich, dass Wirkungen sind heute absehbar? inzwischen ein Bewusstseinswandel stattgefunden hep Monatzeder: Über „viel gelobt“ muss ich schmun- hat. es ist sogar richtig hip geworden, mit dem rad zu zeln, denn ich musste mir zu Beginn der kampagne sehr fahren, und auch der steigende radverkehrsanteil und viel kritik anhören. Viele Münchnerinnen und Münch- die sinkende zahl von führerscheinneulingen belegen, ner und auch kolleginnen und kollegen waren hellauf dass wir auf dem Weg zur „Verkehrswende“ inzwischen empört, dass so viel geld für „so etwas Überflüssiges“ etwas rückenwind haben. ausgegeben werden soll. Man solle davon besser rad- wege bauen. Besonders der „radljoker“, der Verkehrs- Die Stadt München hat im Jahr 2009 einen Grund- teilnehmerinnen auf humorvolle art und Weise auf mehr satzbeschluss Radverkehr gefasst – mit dem Ziel ei- gegenseitige rücksichtnahme hinweisen sollte, wurde ner weiteren Steigerung des Radverkehrsanteils auf im Stadtrat und auch in der Presse total verrissen. Bis mindestens 17 % bis 2015. Welchen Beitrag leistete auf den „radljoker“ haben wir aber alles umgesetzt und der Grundsatzbeschluss, die Radverkehrspolitik in dafür seit 2010 jährlich eine Million euro ausgegeben. München zu verändern? Das angebot der kampagne kommt offensichtlich hep Monatzeder: Dieser grundsatzbeschluss – der äußerst gut an: Bei der diesjährigen „radlnacht“ am übrigens auch mit ergebnissen der Münchner Velo-city 8. Juni hatten wir wieder einen rekord mit 8.000 teil- Die Statue der Bavaria in München: konferenz 2007 erarbeitet wurde – ist Die grundlage nehmern, bei den regelmäßig angebotenen kosten- für die Münchner radlhauptstadt- kampagne fuhr auch die Patronin für die radverkehrsförderung in München. Durch ihn hat losen radlsicherheits-checks gibt es meist lange Bayerns mit dem radl. sich beispielsweise unser jährliches radverkehrsbud- Schlangen, die Printmaterialien wie der kostenlose get verdreifacht, und es gibt jetzt in allen zuständigen radlstadtplan gehen weg wie warme Semmeln, die UrBan cycling cUltUreS – 15
„radlfashion-Show“ und der radlflohmarkt haben hep Monatzeder: Die konferenz jedes Mal einen enormen zulauf. auch die vor einem hatte eine große impulswirkung! ohne Jahr hinzugekommenen neubürgerradltouren sind den durch die konferenz angestoße- äußerst beliebt. nen Bewusstseinswandel wären wir vielleicht nicht oder erst sehr viel später zum grundsatzbeschluss Welche Ausprägungen und Kulturen des Radfahrens radverkehr gekommen, der grundlage der heutigen beobachten Sie aktuell in München? Was leiten Sie radverkehrsförderung in München ist. außerdem stelle daraus ab? ich erfreut fest, dass sich die zusammenarbeit inner- hep Monatzeder: auffallend ist die zunehmende Di- halb der Verwaltung und mit externen akteuren, wie versität der räder: ich sehe immer mehr lastenräder, dem aDfc oder der green city e.V., auf dem gebiet der radverkehrsförderung äußerst positiv entwickelt „Auf dem Weg zu einer Verkehrswende haben hat. auch politisch geht seither manches einfacher! wir inzwischen Rückenwind bekommen.“ Sporträder, teure falträder oder „gepimpte“ lifestyle- Sie kennen Wien gut und haben die Stadt auch als Bikes, die einem plastisch vor augen führen, dass Vortragender bei der Velo-city Konferenz besucht. manches rad nicht mehr nur ein rad, sondern auch Wie schätzen Sie die Ambitionen der Stadt Wien ein, ein lifestyle-Bekenntnis ist. Das zeigt, dass es „in“ auch Fahrradstadt zu werden? geworden ist, sich umweltfreundlich fortzubewegen! hep Monatzeder: ich war total beeindruckt von der Wiener Velo-city konferenz! Sie war einfach großartig alle fotos: © Stadt Wien, Philipp forstner Welche verkehrspolitischen Probleme hat München organisiert und der Wille, wirklich etwas voranzubrin- in den kommenden Jahren zu bewältigen? gen, ist offenkundig enorm! Das ist in meinen augen hep Monatzeder: Unser Hauptproblem ist – ganz ehr- auch das allerwichtigste! Bei der infrastruktur ist das lich gesagt – das Wachstum. Wirtschaftlich ist das na- Bemühen, dem radverkehr mehr rechte und mehr Platz türlich höchst erfreulich, doch der daraus resultierende einzuräumen, ebenfalls deutlich erkennbar, selbst wenn zuzugsdruck stellt uns vor große Herausforderungen. man die infrastruktur an vielen Stellen noch verbessern Der öffentliche Personennahverkehr stößt auf vielen könnte. Mein wichtigster rat an Wien ist, beharrlich das Strecken und vor allem in den Stoßzeiten schon jetzt ziel der radverkehrsverbesserung zu verfolgen, ohne merklich an seine grenzen. Und so sehr wir auch bau- sich dabei von überzogener kritik beirren zu lassen. en, wir haben immer einen Mangel auf dem Wohnungs- markt und unsere letzten Bauflächen gehen in wenigen Der Radverkehrsanteil beträgt in Wien 6 %, in Jahren zur neige. Und das flächenproblem haben wir München sind es 17 %. Wien hat traditionell gute auch im Verkehr: Der Straßenraum ist weitestgehend Verbindungen zu Ihrer Stadt. Was muss Wien tun, wie Viel koStet der überplant und verteilt. Änderungen zugunsten des fuß- um ähnliche Erfolge wie München verzeichnen zu MünChner radVerkehr? und radverkehrs sind deshalb in der regel nur noch können? zulasten des motorisierten Verkehrs möglich, und jede hep Monatzeder: Wien soll wirklich guten gewissens Die ausgaben für radinfrastruktur, fahrradparken und Öffentlichkeitsarbeit sind gar nicht Baumaßnahme bedeutet quasi eine „operation am Wien bleiben, denn wir können uns auch viel gutes von so leicht zu beziffern. Von 1992 bis 2012 hat die Stadt München allein aus der radver- offenen Herzen“, da Umleitungen kaum möglich sind. Wien abschauen: Das tolle citybike-System, die „grüne kehrspauschale über 40 Millionen euro in radverkehrsmaßnahmen investiert. radver- Welle“ für radlerinnen oder die Wohnhausanlage Bike kehrsmaßnahmen werden aber auch bei allen anstehenden Straßenbaumaßnahmen und Welche Ziele und Maßnahmen gibt es, was hat city sind erfolgreiche Projekte. Um aber den radver- Baugebietserschließungen integriert und berücksichtigt: Die tatsächlichen aufwendungen München noch vor? kehrsanteil auf Münchner niveau zu bringen, empfehle für die Verbesserung der radverkehrsinfrastruktur liegen insgesamt also deutlich höher, hep Monatzeder: Vor allem wollen wir unseren fokus ich, „harte“ und „weiche“ Maßnahmen zu verknüpfen: allerdings ist eine konkrete Bezifferung systembedingt nicht möglich. Seit dem Münchner erweitern und den radverkehr mit dem fußverkehr Das heißt, infrastrukturausbau und kampagne sollten grundsatzbeschluss radverkehr stehen jährlich 4,5 Millionen euro aus der nahmobilitäts- gemeinsam denken. Dies ist sehr wichtig, denn einander ergänzen. außerdem finde ich, dass sowohl pauschale für den radverkehr zur Verfügung. Deutschlands Bundesverkehrsminister hat zunehmende konflikte dieser beiden Verkehrsarten München als auch Wien es den autofahrerinnen ruhig allerdings im kürzlich erschienenen nationalen radverkehrsplan15 euro pro einwohnerin zeigen, dass bei der Planung bislang oft eine der noch etwas unbequemer machen dürfen: Statt einer vorgeschlagen. Würde die Stadt München dieser empfehlung folgen, könnte sie mit ihren beiden Verkehrsarten zulasten der anderen Verkehrsart autogerechten sollten wir eine menschengerechte 1,4 Millionen einwohnerinnen 21 Millionen euro für den radverkehr ausgeben. benachteiligt wurde. Stadt planen! für den radwegebau würde ich den Wie- nern konkret empfehlen, die häufige ausweisung von Die Stadt München hat 2007 die Velo-city Konferenz zweirichtungswegen zu überdenken und radinfrastruk- ausgetragen. 2013 war Wien Velo-city-Stadt. Was tur nach Möglichkeit von großen Straßen sowie engen hat sich in München seither verändert und welche fußgängerräumen zu trennen. Wirkung hatte die Konferenz auf den Radverkehr, auf die Verwaltung? 16 – tHe SoUnD of cycling UrBan cycling cUltUreS – 17
die Velo-City welt Die Velo-city konferenz 2013 fand von 11. bis 14. Juni in Wien statt. zum thema „the Sound of cycling. Urban cycling cultures“ diskutierten mehr als 1.400 teilnehmerinnen aus mehr als 60 ländern. Staaten geschlecht beruf Staat teilnehmer Staat teilnehmer Staat teilnehmer Staat teilnehmer Planerinnen und Beraterinnen 16 % albanien 1 taiwan 2 Mexiko 6 finnland 25 ngos 15 % Bangladesch 1 chile 3 china 7 italien 25 Verwaltung 14 % zypern 1 kolumbien 3 luxemburg 7 USa 25 Männer 68 % Wissenschafter 12 % estland 1 kasachstan 3 Portugal 8 Schweden 29 fahrradindustrie 8% frauen 32 % georgien 1 Uganda 3 türkei 8 norwegen 32 Journalistinnen 11 % indien 1 Brasilien 4 irland 9 england 35 Marketing 6% iran 1 griechenland 4 nigeria 10 frankreich 37 tourismus 5% Südkorea 1 island 4 rumänien 11 Schweiz 38 sonstige * 13 % litauen 1 Serbien 4 Slowakei 12 Dänemark 43 Mali 1 thailand 4 Slovenien 14 niederlande 62 * Designerinnen, fahrradbotinnen, Upcyclists, Qatar 1 kroatien 5 Ungarn 19 Belgien 82 Softwareentwicklerinnen, Bike Punks, costa rica 2 Japan 5 Spanien 19 Deutschland 153 e-Bike Predigerinnen, künstlerinnen … ecuador 2 neuseeland 5 tschechien 20 Österreich 367 gambia 2 russland 5 kanada 21 ghana 2 Singapur 5 Polen 21 indonesien 2 israel 6 australien 24 18 – tHe SoUnD of cycling UrBan cycling cUltUreS – 19
radfahren � in zahl3n � angestrebter radverkehrsanteil am Modal Split in Brüssel ............................................. 20 % bis 2020 (heute 4 %). � angestrebter radverkehrsanteil am Modal Split in Budapest .......................................... 10 % bis 2020 (heute 2 %). � angestrebter radverkehrsanteil am Modal Split in Wien .................................................. 10 % bis 2015 (heute 6 %). � angestrebter radverkehrsanteil am Modal Split in Deutschland ................................... 15 % bis 2020 (heute 10 %). � angestrebter radverkehrsanteil am Modal Split in nigeria ................................................................ 15 % bis 2016. � Die ecf möchte den radverkehrsanteil am Modal Split in der eU erhöhen auf .................................15 % bis 2020. � Öffentliches fahrradverleihsystem in Bordeaux ................................................ 139 Stationen und 1.455 fahrräder � Öffentliches fahrradverleihsystem in Paris .................................................. 1.751 Stationen und 23.000 fahrräder � Öffentliches fahrradverleihsystem in Wien ........................................................110 Stationen und 2.705 fahrräder � Öffentliches fahrradverleihsystem in Budapest ................................................... 74 Stationen und 1.011 fahrräder � Öffentliches fahrradverleihsystem in novi Sad ........................................................ 7 Stationen und 100 fahrräder � im Jahr 2008 in Österreich verkaufte e-Bikes.................................................................................................. 2.000 im Jahr 2012 in Österreich verkaufte e-Bikes ................................................................................................ 45.000 � anzahl der fahrräder pro 1.000 einwohnerinnen in Wien .................................................................................. 645 � anzahl der fahrräder pro 1.000 einwohnerinnen in amsterdam ......................................................................... 810� erste critical Mass weltweit, in San francisco ..................................................................................................1992 � erste critical Mass in Wien .............................................................................................................................. 2006 � Von 1994 bis 2010 hat der radverkehr in Budapest zugenommen.......................................................... um +475 % � 10 fahrräder haben auf 1 Pkw-Parkplatz Platz. in Dänemark bekommt man für 133 Mio. euro ....................................................... 330 km fahrrad-Schnellstraßen � in Dänemark bekommt man für 133 Mio. euro .................................................... 120 km neue radwege in Städten � in Dänemark bekommt man für 133 Mio. euro ............10 km neue autobahnen (vierspurig in ländlichen gebieten) � in Dänemark bekommt man für 133 Mio. euro ........................................................ 6,5 km neue Schienenstrecken � in Dänemark bekommt man für 133 Mio. euro ..........................................................0,7 km neue U-Bahn-Strecken Die erhöhung des anteils der gelegenheitsradfahrerinnen in Österreich um bloß 1 % generiert 88 Mio. euro für die lokale Wirtschaft. in kopenhagen geben rad fahrende kundinnen jährlich den gegenwert von 2 Mrd. euro in einkaufsstraßen aus. in der Schweiz gibt es 87.000 radabstellplätze an Bahnhöfen. Würden die autofahrerinnen in nigeria einen tag pro Woche mit dem rad anstelle des autos fahren, könnten sie insgesamt 4,6 Mio. USD jährlich einsparen und den treibstoffverbrauch im land um 5 Mio. liter senken. © Stadt Wien, christian fürthner 25 % aller Warenlieferungen in der Stadt könnten per fahrrad erfolgen. Alle Angaben sind bei der Velo-city 2013 in Wien gehaltenen Präsentationen entnommen. 20 – tHe SoUnD of cycling
ärger iM ParadieS � niels tørsløv, leiter der planungsabteilung der Stadt kopenhagen, und herbert tiemens, projektleiter des Fahrradprogramms der Bestuur Regio Utrecht, durch- forsteten für uns ihre Archive nach Beispielen für „gute“ Fehler. Fehler, aus denen wir lernen können. Manchmal machen wir fehler, weil unsere (Verkehrs-) viele attraktive radwege gestaltet, jedoch oft mit bau- perspektive eingeschränkt ist und wir den größeren zu- lichen Barrieren versehen, um zu verhindern, dass sich sammenhang nicht sehen. andere fehler sind eine fol- Mopeds auf diesen radwegen breitmachen. Manch- ge nicht vorhandener koordination bei der Umsetzung mal ist es aber auch für radfahrerinnen so mühsam, von lösungen. in einer art interaktivem Wettkampf an diesen Hindernissen vorbeizukommen, dass sie mit- und gegeneinander wie auch mit den konferenz- den radweg verlassen und stattdessen die Bereiche teilnehmerinnen der Velo-city in Wien sprachen niels daneben nutzen. eine nachhaltige lösung für dieses tørsløv und Herbert tiemens über die gravierendsten Problem wäre ein europaweites Verbot für Mopeds auf fehler, die sich ihre beiden für ihre fahrradkultur wohl- radwegen. bekannten Städte geleistet haben. fehler nr. 3: eine wunderschöne brücke fehler nr. 1: Verbreiterung der radwege im revitalisierten Hafenbezirk von kopenhagen wurde tørsløv eröffnete das gefecht mit einer eleganten eine Brücke für fußgängerinnen und radfahrerinnen radverkehrslösung. auf einem radweg in kopenhagen errichtet. Da sie in einem Stadterneuerungsgebiet waren bereits zu viele radfahrende unterwegs. nach liegt, sollte die Brücke hohen Standards genügen. umfassenden Diskussionen entschloss sich die Stadt, Schließlich wurde sie mit einer glatten Straßendecke einen fahrstreifen für kraftfahrzeuge zu entfernen und und hohem ästhetischem Wert errichtet. Bald erwies so den radweg zu verbreitern. Um das Parkverbot für sie sich als wertvolle ergänzung des radwegenetzes autos zu verdeutlichen, wurden „intelligente“ Markie- der dänischen Hauptstadt, da das tagesaufkommen rungen eingeführt, welche die schnelle von der lang- an fahrrädern von erwarteten 4.500 auf über 11.000 sameren Spur für fahrräder trennten. Die abteilung stieg. Der große fehler: Unangenehme Pflastersteine für Öffentlichkeitsarbeit wollte diese kennzeichnungen wurden auf dem zufahrtskai verlegt, was den Über- gang zu und von der Brücke holprig und inkonsistent AUcH Mit ViEl ERFAHRUNg „Mindestens 1.000 Fehler sind notwendig, macht. um eine Fahrradkultur zu erschaffen, wie wir MAcHEN WiR MANcHMAl sie in kopenhagen haben. Es hat Spaß ge- fehler nr. 4: rutschige bordsteine in Utrecht gab es dasselbe Problem. zwischen der FEHlER. zUM glÜck, DENN macht, mit unseren kollegen aus den Nieder- Universität und dem Hauptbahnhof wurde ein Busfahr- UNSERE FEHlER lEHREN UNS, landen ein kleines gefecht zum thema ‚Wer streifen errichtet. Um diesen dem historischen Umfeld hat die besten Fehler gemacht‘ auszutragen! anzugleichen, wurde er als kombination einer Busspur WiE MAN ES BESSER MAcHt. Das würde ich gern mal wiederholen!“ samt Betonbelag und eines zusätzlichen gehsteigs AUcH DiE DÄNEN UND DiE Niels tørsløv angelegt. fahrräder wurden hier gänzlich vergessen. Sie müssen sich den Bürgersteig mit den fußgänge- NiEDERlÄNDER MUSStEN AUF den radlerinnen erklären und stellte daher ein großes rinnen teilen; eine kleine Steinmarkierung stellt die DiE HARtE toUR lERNEN, iHRE Hinweisschild auf – und zwar auf dem langsameren radfahrstreifen, was es für radfahrerinnen gut sichtbar trennungslinie dar. zwischen der Busspur und dem radweg wurde ein schöner naturstein für die Bord- FAHRRADpolitik koNtiNUiERlicH machte. Bald aber wurde es aus offensichtlichen kante verwendet. Dieses Material erwies sich jedoch zU VERBESSERN. gründen (wohl von den radlerinnen) auf die breiten gehsteige verlegt. als sehr rutschig, insbesondere im typischen holländi- schen nieselregen. Das Design wurde trotz mehrerer schwerer Unfälle Jahr für Jahr aber nicht verändert; fehler nr. 2: barrieren auf dem weg die Stadt raute bloß die Steinoberfläche auf, um die tiemens erwiderte, dass dieser fehler ja leicht zu Bodenhaftung etwas zu verbessern. beheben sei. anders in den niederlanden: Dort werden © istock.com UrBan cycling cUltUreS – 23
© Herbert tiemens © Herbert tiemens © Herbert tiemens © city of copenhagen, Ursula Bach langsam fahrende radlerinnen schauen nicht auf Verkehrs- in den niederlanden werden manchmal Barrieren kopenhagen: nur wenige radfahrerinnen nutzten die rechtsabbiegespur. Der Stau wurde länger (fehler nr. 8). zeichen, sondern interagieren einfach mit ihrem Umfeld aufgestellt, um zu verhindern, dass Mopeds auf (fehler nr. 6). die radwege gelangen (fehler nr. 2). fehler nr. 5: Scharfe kurven men außerhalb der Stadt. Die Bundesstraßen sind nur grünphase begann. Dies führte zu einer Verbesserung Umweg fünf kilometer länger als der Weg für Pkws. Die Die gestaltung eines radwegs in kopenhagen war durch dunkle tunnels oder über fußgängerbrücken zu bei der Querung dieser kreuzung nicht nur für die rad- niederländische regierung möchte heute aufgrund des für das fahrverhalten von fahrrädern ungeeignet. ein queren. Bis heute wurde noch keine wirkliche lösung fahrerinnen, sondern auch für die Busse. zu dichten Verkehrsaufkommens die Brücke für den klassischer fehler: Die kurvenradien waren sehr klein, für dieses Problem gefunden. kfz-Verkehr verbreitern, jedoch nicht für radlerinnen. obwohl genug Platz vorhanden ist, um die radien fehler nr. 10: gebaute brücken in kopenhagen … ihre logik lässt die Schaffung eines radwegs nicht zu, entsprechend breit anzulegen. fehler nr. 8: rechtsabbieger als die Bryggebroen über den kopenhagener Hafen weil es diese funktion derzeit ja hier nicht gibt. auch Mancherorts ist der radverkehr in kopenhagen so im Jahr 2006 errichtet wurde, wurden die Bereiche in den niederlanden sind solche engstirnigen Denk- fehler nr. 6: haifischzähne dicht, dass es zu rad-Staus an Verkehrsampeln kommt. auf beiden Seiten der Brücke nicht speziell gestaltet, weisen noch nicht ausgerottet. ein fantastisches ingenieurbeispiel aus den nieder- Die Verkehrsbehörde entschloss sich, die radwege an was zu suboptimaler zugänglichkeit der Brücke führte; landen zeigt einen teil eines radwegs, der in beide diesen neuralgischen Punkten in zwei richtungen auf- 11.000 Personen müssen täglich ihre fahrräder über fehler sind ein beweis für ehrliche bemühungen richtungen befahrbar ist, um die zufahrt zu einem zuteilen – in einen fahrstreifen für rechtsabbieger und zwei treppen hinauftragen. im Jahr 2014 soll endlich es ist erfreulich, dass Herbert tiemens und niels fahrradparkplatz beim Bahnhof Driebergen-zeist zu in einen für weiter geradeaus fahrende radlerinnen. eine vernünftige rampe gebaut werden. Wir fragen uns tørsløv bei einer konferenz wie der Velo-city die ermöglichen. Hier gelang dem Verkehrsplaner ein leider wurde die Schlange der wartenden radlerinnen schon, wie dies wohl die gesundheit der radfahrerin- gelegenheit wahrnahmen, fehler zu präsentieren, Verwirrspiel: Die querenden radfahrerinnen müssen noch länger, da nur wenige die rechtsabbiegespur nen beeinflussen wird. die sie sonst nicht offen ansprechen können. Vom an Stellen Vorfahrt gewähren, wo der radweg mit so- nutzten. als dann der rechtsabbieger wieder entfernt informationsstandpunkt aus ist dies wahrscheinlich genannten „Haifischzähnen“ markiert ist. Das ist zwar wurde, konnten 20 radfahrerinnen zusätzlich die … und vergessene in houten wirksamer, als bloß wiederholt die positiven lösungen clever gedacht, aber ganz unnötig. langsam fahrende kreuzung während einer grünphase queren. Bei einem Wenigstens wurde in kopenhagen eine Brücke gebaut – zu präsentieren, die in den Städten Dänemarks und der radlerinnen schauen nicht auf Verkehrszeichen, son- Verkehrsaufkommen von 2.000 rädern in der morgend- in Utrecht war das nämlich nicht so. Bei der Planung niederlande umgesetzt worden sind. Wie lernen viel dern interagieren einfach mit ihrem Umfeld. lichen Stoßzeit ist das sehr viel. der weltberühmten fahrradstadt Houten galten radwe- aus fehlern, und wir lernen schnell aus jenen fehlern, ge entlang von Brücken für kfz als unnötig. Während zu welchen wir von unseren Bürgerinnen feedback fehler nr. 7: dunkle tunnels fehler nr. 9: busspuren und grünphasen radlerinnen in Houten selbst immer die kürzeste route bekommen. niels tørsløv, der ja aus einer Pionierstadt noch in der Ära des Pkws wurde außerhalb von Utrecht nach der einführung einer speziellen Busspur in Ut- der fahrradförderung kommt, fühlt sich ganz beson- ein neuer Uni-campus geplant, obwohl die Studieren- recht erwies sich eine kreuzung mit dem Hauptradweg Die perfekte Fahrrad-Stadt ders verpflichtet, die wichtigsten fehler anzusprechen, den meist in der Stadt selbst leben; also nutzen täglich als sehr kompliziert. Während der Stoßzeiten kam es oft muss erst geschaffen werden. die in kopenhagen gemacht wurden. Und es gibt viel 60 % aller Besucherinnen der Universität das fahrrad zu Staus, und radlerinnen querten die Spur in der zeit gesprächsstoff. Die perfekte Stadt für radfahrerinnen für ihren Weg. Dies führt zu Staus entlang der Haupt- zwischen den ampelphasen. es dauerte 14 Jahre, bis fahren können, ist das außerhalb der Stadt nicht der muss also erst gebaut werden. routen in der altstadt sowie auch zu zufahrtsproble- die Verkehrsplanung mit dem experiment einer zweiten fall. Dort ist der den radfahrerinnen aufgezwungene 24 – tHe SoUnD of cycling UrBan cycling cUltUreS – 25
text: Jaap Valkema � Mehr groningen will Die holländische Stadt groningen will ihren Rad- und Fußverkehrsanteil bis 2030 von 50 % auf 65 % erhöhen. Ein ambitioniertes © Wolfgang khutter Unterfangen, denn schon jetzt sind so viele Radfahrerinnen unterwegs, dass es unausweichlich zu problemen kommt. in ihrem Song „nine Million Bicycles“ singt katie Melua dem rad durch das Stadtzentrum zu fahren ist also entscheidungen treffen müssen und vielleicht sogar wollen, führt die radinfrastruktur sie direkt zu leicht über die neun Millionen fahrräder in der chinesischen wesentlich schneller als mit dem auto. Seit den 70er- Beschlüsse fassen, die nicht alle radfahrerinnen zugänglichen und bequemen radgaragen. einige ga- Hauptstadt Peking. auf den ersten Blick scheint das Jahren wird in groningen eine konsequente Verkehrs- glücklich machen werden. es könnte Stadtgebiete ge- ragen dieser art gibt es bereits, eine zusätzliche wird viel, aber bei etwa 20 Millionen einwohnerinnen politik verfolgt, das fahrrad ist das Verkehrsmittel ben, in denen das radfahren oder Parken von rädern noch direkt im Stadtzentrum errichtet. Weitere sind kommt auf einen Bürger bzw. eine Bürgerin Pekings nummer eins. verboten sein wird; oder es wird alternative radrouten derzeit in Untersuchung. weniger als ein halbes fahrrad. in groningen ist das statt der derzeitigen Hauptstrecken geben. es gilt hier ganz anders: Seinen 200.000 einwohnerinnen gehören groningen will aber mehr! also zwei wichtige fragen zu klären: Wie können wir einpendlerinnen aufs rad setzen mehr als 350.000 fahrräder, das sind fast zwei räder aufgrund dieser erfolgsfaktoren ist radfahren in die errichtung neuer radinfrastruktur anregen? Wie Um die zahl der rad fahrenden einpendlerinnen nach pro Person. Darauf ist die Stadt groningen zwar sehr groningen sehr beliebt. Manche Straßen haben ein können radabstellplätze verbessert und deren zahl groningen zu erhöhen, muss auch die regionale fahr- stolz, aber dieser zustand bringt auch zunehmend dreimal so hohes tägliches radverkehrsaufkommen noch weiter erhöht werden? Die Stadt groningen muss radinfrastruktur aufgewertet werden; die wachsende „Probleme“ mit sich. wie Pkw-aufkommen. Und die nutzung von fahrrädern hier neue und ungewöhnliche Wege einschlagen, da Beliebtheit von e-Bikes trägt zu diesem ziel bei. Diese nimmt jedes Jahr zu – im gegensatz zum autoverkehr! die örtliche radinfrastruktur bereits ausgezeichnet ist. regionalen radrouten sollten direkt, bequem, mindes- fahrräder stehen in groningen an erster Stelle in den nächsten Jahren peilt die Stadt groningen daher Jaap Valkema lebt in groningen gibt es zahlreiche eigene fahrbahnen, tens 3,50 Meter breit und natürlich ausschließlich für Das Stadtgebiet von groningen ist flach und kompakt. zwei wichtige ziele an. einerseits wollen wir, dass noch und arbeitet seit 2004 Wege und Brücke für radfahrerinnen, fahrräder haben fahrräder ausgewiesen sein, zusätzlich müssen fahr- 80 % der Bevölkerung leben innerhalb von drei kilo- mehr Menschen mit dem rad fahren: im Jahr 2030 in groningen. Er berät Vorfahrt im kreisverkehr und bei ampeln. Die radinfra- radfahrerinnen an kreuzungen bevorrangt werden. zu- metern um das Stadtzentrum; in diesem radius sind sollen zwei Drittel aller Wege in der Stadt mit dem rad die Stadt groningen struktur kann aber noch zusätzlich gefördert werden, sammen mit der Provinz und der region hat groningen auch 90 % der arbeitsplätze angesiedelt. groningen ist oder zu fuß erledigt werden. andererseits führt der in fahrradpolitischen indem das rad durch Verbesserungen zum schnellsten bereits drei regionale fahrradschnellstraßen realisiert; zudem ein Universitätsstandort, etwa 30.000 Studie- durch die riesige anzahl fahrender und geparkter räder Fragen. Jaap begann und sichersten Verkehrsmittel in der Stadt selbst bzw. vier weitere sind in Planung. rende leben in der Stadt selbst. für die meisten von auf den öffentlichen raum ausgeübte Druck zuneh- seine laufbahn 1998 als die nutzung des fahrrads für Wege von der Umland- ihnen ist das fahrrad das schnellste und leistbarste mend zu Problemen. Die zentrale frage lautet: Wie Verkehrsplaner für die region in die Stadt intensiviert wird. Das Beispiel groningen lehrt uns, dass das fahrrad fortbewegungsmittel. gehen wir mit diesen beiden zielsetzungen um? Wie gemeinde Ridderkerk. gegenüber anderen Verkehrsmitteln bevorzugt werden schaffen wir es, dass der radverkehr weitere zuwäch- Nach drei Jahren über- umgestaltung der ringstraße muss, um eine Stadt zu einer echten fahrradmetro- Bereits 1977 setzte die Stadt ein ambitioniertes se verzeichnet, ohne aber andere Verkehrsteilnehme- siedelte er nach zwolle groningens ringstraße besteht bereits, ist aber nur für pole zu machen. Die radverkehrsplanung muss stets Verkehrskonzept um: aufgrund der Maßnahmen ist es rinnen und Bürgerinnen zu beeinträchtigen. und war als konsulent den motorisierten Verkehr ausgelegt. Die ringstraße nach Möglichkeiten suchen, das radfahren einfacher heute nicht möglich, das Stadtzentrum mit dem auto für Mobycon tätig. wird in zukunft auch für radfahrerinnen die schnellste und bequemer zu machen – eine schier unendliche zu durchqueren – fahrrädern und öffentliche Verkehrs- widersprüchliche ziele? route sein, um das Stadtzentrum zu umfahren. Wenn aufgabe. mitteln ist das Durchfahren allerdings gestattet. Mit groningen wird daher in zukunft weitreichende radfahrerinnen von der ringstraße ins Stadtzentrum 26 – tHe SoUnD of cycling UrBan cycling cUltUreS – 27
RADkUltUR(R)EVolUtioN iN WiEN Neue Fahrradkulturen in Wien – ein text von alec hager, Sprecher der Radlobby Österreich, Experte für Radverkehr und kenner der internationalen Facetten urbaner Radkulturen. zuM wald fahrradkulturen waren nicht nur das Hauptthema der So verändert sich auch Wien. Wie viele westliche Städte © Jürgen Schindler Velo-city konferenz in Wien, sondern sind auch zentrale reproduziert, adoptiert und verändert unsere Stadt ihre topoi1 in der laufenden Debatte, wie denn die nutzung einstellung gegenüber dem radfahren. Wiens moderne und der soziale Status des fahrrads als alltagsverkehrs- fahrradkultur ist bunt, vielfältig und entwickelt sich schrittweise. aber warum? Und wie ist das passiert? critical-Mass-fahrt vor dem Parlament in Wien 2012 mittel gesteigert werden können und warum dies funkti- onieren oder eben scheitern könnte. Das radfahren gilt als fester Bestandteil urbanen lebens in den hochge- Wie jeder Beitrag zur oral History ist die antwort lobten, fast mythischen fahrradstädten amsterdam und subjektiv und selektiv, denn der autor dieses artikels kopenhagen. Dort, wo das fahrrad aber nicht so gut hatte und hat immer noch das Vergnügen, teil der wachsen. als monatliche Demonstration des Bekennt- ckelte. ein Jahr später kam mit der gründung von Heavy integriert ist, heißt es oft, es sei „nicht teil der hiesigen beschriebenen fahrradkulturellen Prozesse zu sein. Die nisses zum und der freude am radfahren ist die Wiener Pedals das lastenrad in die österreichische Hauptstadt. Stadtkultur“. aber was ist fahrradkultur? Was ist kultur Metapher des alten Waldes, der von frischem Samen- critical Mass vielleicht nicht dazu geeignet, die breite 2010 brachte die fixie-Boutique fixDich londoner überhaupt? Was bedeutet der Begriff „kultur“? flug begrünt wird, soll beim Veranschaulichen helfen. Masse von Menschen zu überzeugen, das fahrrad zu Hipster Style nach Wien, das Wiener lastenradkollektiv Das Wäldchen der Wiener fahrradkultur wurde aus vier ihrem lieblingsverkehrsmittel zu machen. allerdings ermöglichte erstmals treibstofffreien gütertransport für Der terminus „alltagskultur“ bezeichnet die normen betagten, tief verwurzelte Bäumen gebildet. Der älteste hat sich überall gezeigt, dass die gemeinschaft, die jedermann, die radlobby igf veranstaltete monatli- on der Saat einer bestimmten (lokalen) gesellschaft zu einem entstand aus dem Samenkorn der radsportvereine, sich durch die teilhabe an der critical Mass entwickelt, che gratis-radfilmabende, und radfahrschulen boten bestimmten zeitpunkt: normalität eben. ist es heute die 1883 mit dem Wiener cyclisten club ihren anfang und das kreative netzwerk, das aus diesen monatlichen ihre Dienste an, um die Menschen wieder aufs rad zu „normal“, in Wien mit dem rad zur arbeit zu fahren? nahmen und heute zu einer sehr lebendigen kultur treffen von radfreundinnen entstanden ist, in vieler bringen und ihnen die fähigkeiten und das Selbstbe- Und war es das in jüngster Vergangenheit? nein. des freizeitradelns beitragen. Der zweite Baum ist die Hinsicht wichtig für das entstehen einer radfahrstadt wusstsein für den Stadtverkehr zurückzugeben. cycle Jahrzehntelang betrug der anteil des radverkehrs am 1979 gegründete und bekannte radlobby-organisation sind. kontinuierlich öffnen sich dadurch türen zu neuen chic mit seinen unzähligen fotos fand 2011 eine Wiener Modal Split weniger als 2 %; deshalb galt der radfahrer argUS; der dritte sind die in Wien seit 20 Jahren exis- inspirationsquellen der internationalen fahrradwelt. Dependance, und im selben Jahr eroberten 8.000 Men- zu jener zeit auf Wiens Straßen als „Sonderling“. tierenden radbotinnen-Unternehmen. Der letzte Baum ein Jahr nach der ersten critical-Mass-fahrt in Wien schen bei der ersten radparade die Wiener ringstraße. schließlich ergibt sich aus den zahlreichen fahrrad- und brachte die lokale kerngruppe das Bicycle film festival im Jahr 2012 schlossen sich die rad-ngos argUS und aber kulturen verändern sich, meist ganz unbemerkt. Sportgeschäften, von denen die nötige „Hardware“ (Bff) von new york in die österreichische Hauptstadt, igf zur radlobby Wien zusammen; die radagentur der Mit dieser Sichtweise befasst sich der sozialwissen- zur Verfügung gestellt wird. immerhin besitzen fast und mit diesen bisher unbekannten Bildern auf der Stadt Wien eröffnete das (temporäre) fahrraDhaus, schaftliche ansatz der cultural Studies seit den alle Wiener und Wienerinnen ein fahrrad, auch wenn leinwand kamen auch viele neue ideen. Wien war nun und das ehemalige Bicycle film festival wurde zum 80er-Jahren. Danach werden kulturelle inhalte als eine die meisten es nur gelegentlich für einen ausflug am bereit für weitere Samenkörner, die den wachsenden radku.lt festival Wien, um allen aspekten der urbanen reproduktion von Bedeutungen hergestellt – durch Wochenende nutzen. Wald der fahrradkultur bereichern sollten. Wiener radkultur(en) eine Bühne zu bieten. die täglichen Praktiken der interaktion von Menschen: untereinander, mit ihrem Umfeld, den Medien, der Diesen vier Stämmen der Wiener fahrradkultur gesellte Das Bff war auch ein katalysator für neue allianzen Was also lange nur eine schütteres Wäldchen war, ist geschichte. Diese interaktionen sind komplex, unter- sich infolge der reproduktion und adoption von ideen, und damit für die nächsten wichtigen Schritte in der schnell zu einem großen, vielfältigen und fruchtbaren schiedlich und manchmal widersprüchlich, und sie kön- die von außen durch die Medien zu uns gelangten, (re-)Produktion der Wiener fahrradkultur. 2008 wurde Wald herangewachsen, in dem inspiration und reproduk- nen nicht als ein geschlossenes System beschrieben nummer fünf hinzu. Der name dieses Baums ist critical die Vienna Bike kitchen (fahrrad-Selbsthilfewerkstatt tion hoffentlich weiter dazu beitragen, radverkehr in die waren, insbesondere nicht in so stark von den Medien Mass2, und das späte Datum seiner aussaat war das und treffpunkt) gegründet und die ersten ausgaben von normalität der alltagskultur zu integrieren, bis das alltäg- beeinflussten zeiten wie heutzutage. Durch inspiration frühjahr 2006. Wie auch anderswo (und 14 Jahre nach Velosophie veröffentlicht, einem Magazin für fahrrad- liche radfahren so verbreitet, normal und damit unauf- und adoption fügt die reproduktion dem alten stets et- dem Beginn in San francisco) begann diese Bewegung kultur, das sich bald zu einer der am meisten verbreite- fällig sein wird wie ein vertrauter Baum im Urwald. was neues hinzu; dieser ständige Prozess – und nichts in Wien in kleinem Maßstab und konnte durch eine ten radzeitschriften im deutschsprachigen raum entwi- anderes ist kultur – führt zu Veränderungen. Handvoll Menschen und deren gezielte Begeisterung 1 topos, Plural: topoi. altgriechisch für „ort“, hier kulturwissenschaftlich „Vorstellungsbild“ � 2 als „critical Mass“ werden spontane Massenfahrten mit dem rad bezeichnet, die heute in mehr als 400 Städten weltweit stattfinden. � Velosophie Magazin Bike kitchen critical Mass 4,1 % Modal Split 5,2 % Modal Split 6 % Modal Split ig fahrrad 2004 Bff fahrradbotinnen critical Mass radfahraktivistinnen ig fahrrad argUS 1979 Wiener argUS fahrradboten WUk cyclisten club critical Mass, fahrradsport, fixDich, fahrradbotinnen, Bike kitchen, Heavy radfahren am freitag 1883 Pedals, lastenradkollektiv, Bike film night, fahrradschulen, cycle chic, fahrradsport radparade, fahrraDhaus, tweed ride, cycle cinema club, WUk, argUS & igf = radlobby Wien, radku.lt festival Wien … 2006 – reproduktion, inspiration, adaption 2008 – reproduktion, inspiration, adoption 2013 – noch mehr inspiration
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