Sozialwirtschaft und Non-Profit-Unternehmen - Neue Politik für Sozial-wirtschaft und NPO? Änderungen mit Chancenpotential
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Sozialwirtschaft und Non-Profit-Unternehmen Neue Politik für Sozial- wirtschaft und NPO? Änderungen mit Chancenpotential
PKF THEMEN · SOZIALWIRTSCHAFT UND NON-PROFIT-UNTERNEHMEN | JANUAR 2022 Sehr geehrte Leserinnen und Leser! Die sog. Ampelkoalition ist gestartet und hat sich auch Sponsoringerträge sind nach wie vor eine wichtige Ein- vorgenommen, Gemeinnützigkeitsthemen zu bearbei- nahmenquelle für NPO. Die erfolgreiche Akquisition ten. Als Extrakt aus dem Koalitionsvertrag sind im Top- hängt u.a. von den steuerlichen Abzugsmöglichkeiten Thema überblicksweise die Aspekte zusammengestellt, der Aufwendungen beim Geber ab. Wir geben Ihnen die für Non-Profit-Organisationen von Bedeutung sein einen Überblick über die Voraussetzungen und Grenzen können. Wichtige Beispiele sind die Erwachsenenbil- der steuerlichen Anerkennung. dung, die Kulturförderung und der Sachspendenabzug. Was davon wann umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Die Sozialversicherungspflicht eines Stiftungsvorstands beschäftigt immer wieder die Stiftungspraxis. Theore- Anschließend analysieren wir praktische Fragen bei der tisch mögliche Weisungen können bereits zur Sozialver- Überführung bisher gewerblich tätiger Servicegesell- sicherungspflicht führen. Neue Herausforderungen für schaften innerhalb eines gemeinnützigen Unterneh- Pflegeeinrichtungen, die sich ab 2022 aus den gesetz- mensverbunds in die Gemeinnützigkeit. Dies ist seit dem lichen Reformen der Pflegeversicherung ergeben, stellen Jahressteuergesetz 2020 möglich. Fraglich ist aber, ob wir Ihnen ab Seite 13 vor. die Überführung der Servicegesellschaft im Falle einer sog. Betriebsaufspaltung zur Aufdeckung stiller Reser- Eine informative Lektüre dieser und der weiteren Themen ven und damit zu negativen ertragsteuerlichen Folgen im Heft sowie viel Erfolg im neuen Jahr 2022 wünscht führt. Zu beachten sind auch neue Ausführungen der Ihnen Finanzverwaltung zur Gemeinnützigkeit von reinen Hol- dinggesellschaften oder zu Kooperationen – quasi ein Ihr Team von PKF „Nichtanwendungserlass“ . 2
TOP-Thema Neue Politik für Sozialwirtschaft und NPO? – Änderungen mit Inhalt Chancenpotential TOP-Thema Gesundheitsrecht Neue Politik für Sozialwirtschaft und NPO? Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheits- Vielfältige Änderungen mit Chancenpotential ............... 4 versorgung – Neue Herausforderungen für Pflege- einrichtungen ........................................................... 13 Steuerrecht Servicegesellschaften und Betriebsaufspaltung – Kurz notiert Führt die Anwendung von § 57 Abs. 3 AO n.F. Zulässigkeit und Grenzen politischer Betätigung von zur Aufdeckung stiller Reserven? ................................. 6 Vereinen (Attac III) ...................................................... 15 Änderungen des AEAO im Hinblick auf das neue Abberufung und Amtsuntersagung durch Stiftungsbe- Gemeinnützigkeitsrecht gem. JSG 2020 ..................... 7 hörden ...................................................................... 15 Sponsoringaufwendungen als Betriebsausgaben – Voraussetzungen und Grenzen der steuerlichen EuGH: Keine Umsatzsteuerfreiheit für unterrichtsnahe Anerkennung .............................................................. 8 Leistungen (Schwimmunterricht) ................................ 16 Stiftungsrecht Vorsteuerabzug bei nicht unternehmerisch tätiger Sozialversicherungspflicht eines Stiftungsvorstands – Bruchteilsgemeinschaft .............................................. 17 Anwendung von Abgrenzungskriterien gemäß neuer BSG-Rechtsprechung ............................................... 11 Neue Webinar-Reihe Sozialwirtschaft und NPO ......... 17 3
PKF THEMEN · SOZIALWIRTSCHAFT UND NON-PROFIT-UNTERNEHMEN | JANUAR 2022 TOP-THEMA Gemeinnützigkeitsbezogene Vorhaben im Koalitionsvertrag Ansatzpunkte für NPO im Überblick Unmittelbar im Anschluss an die am 8.12.2021 4. Kulturförderung erfolgte Wahl von Olaf Scholz zum neuen Bundes- kanzler hat die sog. Ampelkoalition ihre Arbeit begon- Hierzu wird im Koalitionsvertrag ausgeführt, dass eine nen. Neben vielem anderen stehen auch zahlreiche Ansprechpartnerin (bzw. ein Ansprechpartner) für die Gemeinnützigkeitsthemen auf der Tagesordnung. Als Kultur- und Kreativwirtschaft bei der Bundesregierung Extrakt aus dem Koalitionsvertrag sind im Folgenden verankert werden soll und dass die Förderung auch für ausgewählte Aspekte (teilweise wortwörtliche Passa- kreative, nicht-technische Innovationen vereinfacht bzw. gen) zusammengestellt, die für Non-Profit-Organisa- verbessert werden soll. Ferner heißt es in diesem Zusam- tionen von Bedeutung sein können. menhang: » „Wir wollen den Games-Standort stärken und die För- 1. Bauen und Wohnen derung verstetigen. » Wir schaffen Rechtssicherheit für gemeinnützigen Beabsichtigt ist, ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ Journalismus und machen E-Sport gemeinnützig. mit allen wichtigen Akteuren zu schließen. Dazu heißt » Wir prüfen mit den Ländern eine Förderung unabhän- es weiter: „Wir werden zeitnah eine neue Wohngemein- giger Verlage, um die kulturelle Vielfalt auf dem Buch- nützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszu- markt zu sichern.“ lagen auf den Weg bringen und so eine neue Dynamik in den Bau und die dauerhafte Sozialbindung bezahlba- 5. Unternehmensrecht ren Wohnraums erzeugen.“ Dabei soll „nach den Grund- sätzen der Wirtschaftlichkeit die Struktur der etablierten Laut Koalitionsvertrag soll die Gründung von Gesellschaf- Wohnungswirtschaft“ ergänzt werden, „ohne diese zu ten erleichtert werden, „indem wir die Digitalisierung des benachteiligen.“ Gesellschaftsrechts vorantreiben und Beurkundungen per Videokommunikation auch bei Gründungen mit Sach- 2. Erwachsenenbildung einlage und weiteren Beschlüssen erlauben.“ Im Bereich der Erwachsenenbildung soll mit einem För- Hinweis: Ferner ist für Aktiengesellschaften bedeutsam, derprogramm für Volkshochschulen und andere gemein- dass Online-Hauptversammlungen dauerhaft ermöglicht nützige Bildungseinrichtungen in digitale Infrastruktur werden und dabei die Aktionärsrechte uneingeschränkt investiert werden. Dabei soll die Umsatzsteuerbefreiung gewahrt bleiben sollen. für gemeinwohlorientierte Bildungsdienstleistungen euro- parechtskonform beibehalten werden. Angebote zur 6. Steuern und Spenden Alphabetisierung sollen ausgebaut werden. In steuerrechtlicher Sicht ist zunächst die gesetzliche 3. Zivilgesellschaft und Demokratie Klarstellung beabsichtigt, dass „sich eine gemeinnützige Organisation innerhalb ihrer steuerbegünstigten Zwecke Um Unsicherheiten entgegenzuwirken, die aus der politisch betätigen kann sowie auch gelegentlich darü- Gemeinnützigkeitsrechtsprechung des BFH entstanden ber hinaus zu tagespolitischen Themen Stellung nehmen sind, sollen die einzelnen Gemeinnützigkeitszwecke kon- kann, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu gefährden.“ Die kretisiert und ggf. auch ergänzt werden. Ampel-Parteien haben sich im Koalitionsvertrag ferner darauf verständigt, „handhabbare, standardisierte Trans- Hinweis: Dies soll mit Transparenzpflichten für größere parenzpflichten und Regeln zur Offenlegung der Spen- Organisationen verbunden werden. denstruktur und Finanzierung“ zu schaffen. 4
Hinweis: Aus spendenrechtlicher Hinsicht ist für Sach- weise durch höhere Schwellenwerte und volldigitalisierte spenden die folgende Formulierung im Koalitionsvertrag Verfahren.“ bedeutsam: „Wir werden bestehende steuerrechtliche Hürden für Sachspenden an gemeinnützige Organisatio- Hinweis: Zur Sicherung der Anschlussfähigkeit der Steuer- nen durch eine rechtssichere, bürokratiearme und einfa- verwaltung an den digitalen Wandel und für eine spürbare che Regelung beseitigen, um so die Vernichtung dieser Verringerung der Steuerbürokratie soll eine zentrale Orga- Waren zu verhindern.“ nisationseinheit auf Bundesebene eingerichtet werden. 7. Steuervollzug und Digitalisierung 8. EU-Rechtsstaatlichkeit Die Erfüllung der steuerlichen Pflichten soll für die Bürge- Die Koalitionäre betonen, das zivilgesellschaftliche Enga- rinnen und Bürger durch den Einsatz digitaler Verfahren gement durch die Stärkung gemeinnütziger Tätigkeit erleichtert werden, beispielsweise durch vorausgefüllte über Grenzen hinweg fördern zu wollen: „Wir wollen Steuererklärungen (Easy Tax). Dazu heißt es im Vertrag: EU-Rechtsformen für Vereine und Stiftungen, die Äqui- „Wir werden daher die Digitalisierung des Besteuerungs- valenzprüfungen für Gemeinnützigkeit aus anderen Mit- verfahrens konsequent weiter vorantreiben und dafür gliedstaaten vereinfachen und so grenzüberschreitende sorgen, dass steuerliche Regelungen grundsätzlich auch Spenden und Kooperationen EuGH-konform erleichtern.“ digital umsetzbar sind. Unser Ziel ist es, das die gesamte Interaktion zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwal- Ausblick tung digital möglich ist.“ Für den Bereich der Unternehmensbesteuerung wird im Koalitionsvertrag das Anliegen betont, die Steuerprüfung Abzuwarten bleibt, was davon wann in der zu modernisieren und zu beschleunigen: „Dafür setzen wir Tagespolitik ankommen und wie umgesetzt uns insbesondere für verbesserte Schnittstellen, Standardi- wird. Ihr PKF-Ansprechpartner informiert Sie sierung und den sinnvollen Einsatz neuer Technologien ein. gern, inwieweit vorbereitende Maßnahmen Wir wollen Steuerbürokratie spürbar verringern, beispiels- sinnvoll sein könnten. 5
PKF THEMEN · SOZIALWIRTSCHAFT UND NON-PROFIT-UNTERNEHMEN | JANUAR 2022 STEUERRECHT Servicegesellschaften und Betriebsaufspaltung Führt die Anwendung von § 57 Abs. 3 AO n.F. zur Aufdeckung stiller Reserven? Durch das Jahressteuergesetz 2020 wurde die Mög- 1. Ausgangslage: Betriebsaufspaltung lichkeit eröffnet, bisher gewerblich tätige Service- gesellschaften innerhalb eines gemeinnützigen In der Praxis gemeinnütziger Unternehmensstrukturen Unternehmensverbunds in die Gemeinnützigkeit zu sind Servicegesellschaften häufig dergestalt entstanden, überführen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Ser- dass Unterstützungsprozesse – wie Rechnungswesen, vicegesellschaft nach ihrer Satzung planmäßig i.S. Personalverwaltung, Fundraising etc. – bzw. Versor- des § 57 Abs. 3 AO n.F. mit anderen gemeinnützigen gungseinrichtungen – wie z.B. Küchen, Wäschereien, Körperschaften zusammenwirkt. Die Serviceleis- Gebäudereinigungen – auf gewerbliche Tochtergesell- tungen werden dann insoweit nicht mehr im steuer- schaften ausgelagert worden sind. In diesem Zuge sind pflichtigen Bereich, sondern in einem einheitlichen zumeist Grundstücke und Gebäude bzw. Inventar an die steuerbefreiten Zweckbetrieb erbracht. Fraglich ist, Servicegesellschaft gegen Entgelt zur Nutzung überlas- ob die Überführung der Servicegesellschaft in die sen worden. Nach den Grundsätzen der sog. Betriebs- Gemeinnützigkeit im Falle einer sog. Betriebsaufspal- aufspaltung kann somit eine sachliche Verflechtung durch tung zur Aufdeckung stiller Reserven und damit zu Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen gegeben unerwünschten ertragsteuerlichen Folgen führt. sein. Die gemeinnützige Muttergesellschaft ist häufig als 6
Allein- bzw. Mehrheitsgesellschafterin in der Lage, ihren aufgabe i.S. von § 16 Abs. 3 EStG vor. Hieraus droht die Willen auf Ebene der Tochtergesellschaft durchzusetzen, Aufdeckung und Besteuerung der während der Laufzeit so dass auch eine personelle Verflechtung vorhanden ist. der Betriebsaufspaltung entstandenen Wertsteigerungen Des Weiteren unterhält die Tochtergesellschaft mit ihrer bei den überlassenen Wirtschaftsgütern und den Anteilen Tätigkeit als Servicegesellschaft einen Gewerbebetrieb. an der Tochtergesellschaft, den sog. stillen Reserven. Im Ergebnis liegt damit zwischen Mutter- und Tochter- Die bisher als gewerbliche Gesellschaft geführte Toch- gesellschaft eine Betriebsaufspaltung vor. Dies hat zur tergesellschaft kann die Wirtschaftsgüter in der letzten Folge, dass die Anteile an der Tochtergesellschaft, die Bilanz als gewerbliche Körperschaft mit dem Buchwert überlassenen Wirtschaftsgüter sowie sämtliche Einnah- ansetzen. Bei der Tochtergesellschaft kommt es somit men (Nutzungsentgelte, Dividenden) auf der Ebene der nicht zur Aufdeckung stiller Reserven. Grundlage hierfür Muttergesellschaft dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen ist § 13 Abs. 4 Satz 1 KStG: „Beginnt die Steuerbefrei- Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind. ung aufgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 9 (KStG), sind die Wirt- schaftsgüter … in der Schlussbilanz mit den Buchwerten 2. Überführung der Servicegesellschaft in die anzusetzen.“ Gemeinnützigkeit Bei der Muttergesellschaft werden hingegen die überlas- Wird nunmehr die Tochtergesellschaft mittels einer den senen Wirtschaftsgüter sowie die Anteile an der Tochter- Voraussetzungen des § 57 Abs. 3 AO entsprechenden gesellschaft aufgrund des Wegfalls der Betriebsaufspal- Satzungsänderung in eine gemeinnützige Körperschaft tung in die gemeinnützige Sphäre überführt. An dieser überführt, bleibt in der vorstehend geschilderten Aus- Stelle sind die Folgen noch unklar. gangskonstellation die sachliche und personelle Verflech- tung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft erhalten. Allerdings betreibt die Servicegesellschaft fortan keinen Gewerbebetrieb mehr, sondern erbringt ihre Service- leistungen (ganz oder teilweise) in einem steuerbefrei- Empfehlung ten Zweckbetrieb, so dass die Voraussetzungen der Wir empfehlen daher, vor Umstellung der Sat- Betriebsaufspaltung nicht mehr erfüllt sind. zung der Servicegesellschaft insbesondere bei Betriebsaufspaltungen mit uns Rücksprache 3. Folgen des Wegfalls der Betriebsaufspaltung zu halten und ggf. eine verbindliche Auskunft zum steuerlichen Gleichklang von Mutter- und Auf Ebene der Muttergesellschaft liegt durch den Wegfall Tochtergesellschaft einzuholen. der Betriebsaufspaltung grundsätzlich eine sog. Betriebs- Änderungen des AEAO im Hinblick auf das neue Gemeinnützigkeitsrecht gem. JStG 2020 Nichtanwendungserlass im Hinblick auf steuerbegünstigte Servicekörperschaften? Das BMF ist mit Schreiben vom 6.8.2021 zur Ände- Fachwelt hat allerdings erste Bedenken insbeson- rung des Anwendungserlasses zur AO (AEAO) auf dere zu den Ausführungen zu § 57 Abs. 3 AO n.F. viele Einzelfragen zu dem mit dem JStG 2020 geän- derten Gemeinnützigkeitsrecht klärend eingegangen. Wie bereits im Beitrag ab S. 6 in diesem Themenheft aus- Dazu zählen insbesondere die Ausführungen zur geführt, gibt es bei der Anwendung des § 57 Abs. 3 AO Gemeinnützigkeit von reinen Holdinggesellschaften n.F. Unsicherheiten darüber, ob die Buchwertfortführung nach § 57 Abs. 4 AO n.F. oder zum Einsatz von zeit- und die Vermeidung der Aufdeckung stiller Reserven auf nah zu verwendenden Mitteln im Rahmen von Beteili- Ebene der Muttergesellschaft bei der Beendigung einer gungserwerben oder Nutzungsüberlassungen. Diese Betriebsaufspaltung nach Überführung einer Tochterge- Änderungen sind weitestgehend zu begrüßen. Die sellschaft in die Gemeinnützigkeit auf der Grundlage die- 7
PKF THEMEN · SOZIALWIRTSCHAFT UND NON-PROFIT-UNTERNEHMEN | JANUAR 2022 ser Rechtsnorm ohne Weiteres umgesetzt werden kann. Zweckverwirklichung festgehalten sein muss. Die Kör- perschaften, mit denen kooperiert wird, und die Art und Zusätzlich sorgt die Finanzverwaltung nun mit ihren im Weise der Kooperation müssen in den Satzungen der Anwendungserlass aufgestellten Anforderungen an die Beteiligten bezeichnet werden. Kooperationen von steuerbegünstigten Körperschaften i.S. des § 57 Abs. 3 AO für Irritationen. Die Anforderun- Diese Anforderungen werden z.B. bei sich ständig wan- gen werden von vielen als zu einschränkend und unprak- delnden Konzernstrukturen in der Sozialwirtschaft regel- tikabel angesehen. Sogar von einem „Nichtanwendungs- mäßig Satzungsänderungen auf allen Seiten hervorrufen erlass“ zu steuerbegünstigten Servicekörperschaften ist – und zwar für jede Aufnahme einer neuen Tätigkeit bzw. die Rede. eines neuen Kooperationspartners. Zu befürchten ist, dass die Finanzverwaltung insbesondere das Erforder- Die Kritik richtet sich gegen Nr. 8 des AEAO zu § 57 nis der konkreten Benennung von Kooperationspartnern Abs. 3 n.F., wonach das Zusammenwirken mit anderen wörtlich auslegen wird. Wünschenswert wäre es, eine Körperschaften zur Verwirklichung der eigenen steuerbe- abstrakte Nennung von Kriterien, die ein Kooperations- günstigten Satzungszwecke in der Satzung als Art der partner erfüllen muss, als ausreichend anzusehen. Sponsoringaufwendungen als Betriebsausgaben Voraussetzungen und Grenzen der steuerlichen Anerkennung Ein Sponsor möchte i.d.R. seine Förderbeiträge auch 2.1 Gegenleistung als Voraussetzung des Betriebs- vollständig steuerlich nutzen und als Betriebsausga- ausgabenabzugs ben geltend machen. Die Finanzverwaltung zieht für die steuerliche Beurteilung von Sponsoringzahlungen Betriebsausgaben sind gem. § 4 Abs. 4 EStG alle Auf- drei Möglichkeiten in Betracht: Die Zahlungen können wendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Eine Betriebsausgaben, (beschränkt abziehbare) Spenden betriebliche Veranlassung liegt i.d.R. vor, wenn die Auf- oder nicht abziehbare Kosten der privaten Lebens- wendungen objektiv im Zusammenhang mit dem Betrieb führung bzw. bei Kapitalgesellschaften verdeckte stehen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt Gewinnausschüttungen darstellen. Wir werfen einen sind. In Abgrenzung zu den Ausgaben der privaten detaillierten Blick auf die aktuellen Abgrenzungskrite- Lebensführung müssen hier überwiegend betriebliche rien aus Sicht des betrieblichen Gebers. Gründe als Auslöser für die Aufwendungen vorliegen. Dies hängt im Einzelfall von einer Gesamtwürdigung aller 1. Begriff Sponsoring Umstände ab. Unter Sponsoring wird üblicherweise die Gewährung von Grundsätzlich kann der Unternehmer frei entscheiden, Geld oder geldwerten Vorteilen durch Unternehmen zur welche Aufwendungen er für seinen Betrieb tätigen Förderung von Personen, Gruppen und/oder Organisati- will. Die Höhe der Aufwendungen, ihre Notwendigkeit, onen in sportlichen, kulturellen, kirchlichen, wissenschaft- ihre Üblichkeit und ihre Zweckmäßigkeit sind für die lichen, sozialen, ökologischen oder ähnlich bedeutsamen Anerkennung als Betriebsausgaben i.d.R. ohne Bedeu- gesellschaftspolitischen Bereichen verstanden. Hiermit tung. Voraussetzung für den Abzug der Aufwendungen sollen regelmäßig auch eigene unternehmensbezogene als Betriebsausgaben ist jedoch, dass der Sponsor mit Ziele der Werbung oder der Öffentlichkeitsarbeit verfolgt den Zahlungen wirtschaftliche Vorteile erstrebt. Die Moti- werden. Leistungen eines Sponsors beruhen häufig auf vation zur Erlangung wirtschaftlicher Vorteile ist insbe- vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Sponsor sondere dann zu bejahen, wenn der Sponsor mit den und dem Empfänger der Leistungen. Zahlungen eine Gegenleistung erlangen möchte. Hierin liegt der Unterschied zu einer Spende (mehr dazu in 2. Anerkennung als Betriebsausgaben Abschn. 3). Die (vollständige) steuerliche Berücksichtigung der Auf- Eine mit dem Sponsoring erstrebte Gegenleistung liegt wendungen setzt voraus, dass die Sponsoringaufwen- nach der Rechtsprechung beispielsweise vor, wenn der dungen Betriebsausgaben darstellen. Gesponsorte im Gegenzug für das Sponsoring als Wer- 8
beträger für den Sponsor auftritt oder anderweitig auf ihn Als Orientierung zur Bestimmung der Unangemessenheit aufmerksam macht. Ebenso stellt die Berichterstattung soll nach der Rechtsprechung kein allgemeingültiger Maß- in den Medien einen wirtschaftlichen Vorteil dar, wenn stab gelten, sondern eine Abwägung im Einzelfall erfor- der Sponsor als Gegenleistung für seine Zahlungen in die derlich sein. Hätte ein „ordentlicher und gewissenhafter Öffentlichkeitsarbeit des Empfängers eingebunden wird Unternehmer“, der sich in der gleichen Situation wie der oder im Rahmen von Pressekonferenzen für sein Unter- Unternehmer befindet, angesichts der erwarteten Vorteile nehmen werben kann. bzw. Kosten diese Sponsoringaufwendungen ebenfalls getätigt? Dies ist jedoch nicht einfach festzustellen, da die 2.2 Beschränkung der Abziehbarkeit Werbewirksamkeit einer aufgrund eines Sponsoring-Ver- trags geschuldeten Maßnahme i.d.R. nicht betragsmäßig Handelt es sich bei den Aufwendungen eines Sponsors fixierbar sein wird. Hinzu kommt auch, dass Betriebsaus- nach den o.g. Grundsätzen um Betriebsausgaben, so gaben nicht „erfolgreich“ sein müssen, um den Gewinn kann die Finanzverwaltung deren Abzugsfähigkeit den- zu mindern. noch versagen, wenn ein „krasses Missverhältnis“ zwi- schen den Leistungen des Sponsors und dem dafür im Da es sich um steuermindernde Tatsachen handelt, muss Gegenzug erstrebten wirtschaftlichen Vorteil besteht (§ 4 grundsätzlich der Unternehmer nachweisen, dass es Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG). sich um Betriebsausgaben handelt; geht es jedoch um eine etwaige Unangemessenheit, so trägt die Finanz- Aufwendungen, die zwar Betriebsausgaben sind, zugleich verwaltung die Beweislast. Folge ist ggf., dass lediglich aber die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder ande- der „angemessene“ Betrag als Betriebsausgaben den rer Personen berühren, dürfen den Gewinn nicht min- Gewinn des Unternehmers mindern darf. dern, soweit die Aufwendungen nach allgemeiner Ver- kehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind. 2.3 Umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch Diese Berührung besteht z.B., wenn die Aufwendungen durch persönliche Motive des Sponsors mitveranlasst Zu beachten ist, dass Sponsoringzahlungen i.d.R. im sind, ohne deshalb gleich die betriebliche Veranlassung umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch getätigt werden ganz zu verlieren. und damit steuerbar und grundsätzlich auch steuerpflich- 9
PKF THEMEN · SOZIALWIRTSCHAFT UND NON-PROFIT-UNTERNEHMEN | JANUAR 2022 tig sind. Im Falle der Umsatzsteuerpflicht ist auf eine den hig ist. Da keine konkrete Gegenleistung für die Spende Anforderungen des § 14 UStG entsprechende Rechnung vorliegt, wird keine Umsatzsteuer (mit Ausnahme einer zu achten, damit beim Sponsor insoweit die Vorausset- eventuell vorliegenden unentgeltlichen Wertabgabe bei zungen für einen Vorsteuerabzug vorliegen. Sachspenden) geschuldet. Weist der Empfänger von Zuwendungen aus einem … und zu Kosten der privaten Lebensführung Sponsoringvertrag lediglich auf Plakaten, in Veranstal- tungshinweisen, in Ausstellungskatalogen, auf seiner Wenn die private Veranlassung der Aufwendungen über- Internetseite oder in anderer Weise auf die Unterstützung wiegt und auch keine Spende vorliegt, so handelt es durch den Sponsor hin, erbringt er insoweit keine Leis- sich bei den Aufwendungen um nicht abziehbare Kos- tung im Rahmen eines Leistungsaustausches und die ten der privaten Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG). Leistung ist nicht umsatzsteuerbar. Dieser Hinweis kann Bei Kapitalgesellschaften stellen handelsrechtlich solche unter Verwendung des Namens, Emblems oder Logos Zahlungen dennoch gewinnmindernde Aufwendungen des Sponsors, jedoch ohne besondere Hervorhebung dar, denn das Eigenkapital wird hierdurch gemindert. Im oder Verlinkung zu dessen Internetseiten, erfolgen. Rahmen der (steuerrechtlichen) Gewinnkorrektur in Form der verdeckten Gewinnausschüttung wird insoweit der 3. Abgrenzung zu Spenden … Gewinn wieder erhöht. Spenden können grundsätzlich nur dann steuermindernd Hinweis: Darüber hinaus ist für diese Beträge grundsätz- im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Höchstbeträge lich auch Kapitalertragsteuer anzumelden und abzuführen. berücksichtigt werden, wenn es sich um Zuwendungen zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke handelt und 4. Sonstige Hinweise sofern es sich beim Empfänger um eine gemeinnützige Körperschaft oder um eine juristische Person des öffent- Die steuerliche Einordnung der Sponsoringleistung beim lichen Rechts handelt (vgl. § 10b EStG). Voraussetzung Empfänger und beim Sponsor können unabhängig von- ist, dass die Förderung freiwillig oder aufgrund einer frei- einander erfolgen. Demnach könnte eine Sponsoringein- willig eingegangenen Rechtspflicht erbracht wird und kein nahme beim Empfänger steuerfrei sein, auch wenn der Entgelt für eine bestimmte Leistung des Empfängers dar- Sponsor die Aufwendungen in voller Höhe als Betriebs- stellt. Als Gegenleistung zählt nach der Rechtsprechung ausgabe geltend machen kann. bereits jede Art der Werbung, die über die Erwähnung des „bloßen Danks“ hinausgeht. Unabhängig von den steuerrechtlichen Folgen sollte ins- besondere in Corona-Zeiten (aber auch danach) darauf Bei einer Spende erhält der Zuwendende eine Spenden- geachtet werden, dass sog. Force-Majeure-Klauseln in bescheinigung nach amtlichem Vordruck, die im Rahmen Sponsoringverträge aufgenommen werden, um bei unvor- der Einkommensteuer- bzw. der Körperschaftsteuerer- hersehbaren und unabwendbaren Ereignissen vertragliche klärung (im beschränkten Umfang) steuerlich abzugsfä- Zusagen nicht unter allen Umständen erfüllen zu müssen. Empfehlung Ein Sponsoringvertrag kann neben zivilrechtlichen auch weitreichende steuerliche Fol- gen haben. Damit beim Spon- sor die erwünschten steuer- lichen Wirkungen erreicht werden, sind die Umstände im Einzelfall abzuwägen und bei den vertraglichen Gestaltun- gen einzubeziehen. 10
STIFTUNGSRECHT Sozialversicherungspflicht eines Stiftungsvorstands Anwendung von Abgrenzungskriterien gemäß aktueller BSG-Rechtsprechung Für die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozial- eines entgeltlich tätigen Stiftungsvorstands kommt gerichts (BSG) setzt eine abhängige Beschäftigung vor- es im Wesentlichen auf die Frage an, ob er weisungs- aus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich gebunden ist. Das Bundessozialgericht hat dazu abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden kürzlich Abgrenzungen vorgenommen und sich auch Betrieb ist dies z.B. der Fall, wenn der Beschäftigte in den zur Entgeltlichkeit und zum Aufwendungsersatz im Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort Ehrenamt geäußert. und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. 1. Allgemeines zur Sozialversicherungspflicht Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehm- Sozialversicherungspflichtig sind gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 lich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhanden- SGB IV Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglich- sind. Wesentliches Kriterium ist der Begriff der Beschäf- keit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen tigung. Im Sinne des Sozialversicherungsrechts ist frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Beschäftigung definiert als die „nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte Hinweis: Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisun- ist, richtet sich letztlich danach, welche Umstände das gen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und welche Merk- Weisungsgebers“ (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). male überwiegen. 11
PKF THEMEN · SOZIALWIRTSCHAFT UND NON-PROFIT-UNTERNEHMEN | JANUAR 2022 2. Sozialversicherungspflicht eines Stiftungsvor- dass sich der Vorstand insgesamt ohnehin nur innerhalb stands eines vom Stifter festgelegten Rahmens bewegen durfte. Im Ergebnis bejahte das BSG eine abhängige Beschäfti- Die vorbeschriebenen Maßstäbe gelten auch für Vor- gung. standsmitglieder einer Stiftung. Auch sie können der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Zwar gelten gem. 2.2 Ehrenamtlicher Vorstand § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG Personen, die kraft Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung einer Eine weisungsgebundene Tätigkeit ist nur dann sozialver- juristischen Person berufen sind (wie z.B. Vorstandsmit- sicherungspflichtig, wenn sie auch entgeltlich erfolgt. Das glieder) nicht als Arbeitnehmer; allerdings beurteilt sich BSG stellte schon mit einer Entscheidung aus dem Jahr die Frage der Sozialversicherungspflicht nicht nach dem 2017 (Urteil vom 16.8.20217, Az.: B 12 KR 14/16 R) fest, ArbGG, sondern ausschließlich nach den Regelungen dass die organschaftliche Stellung einer ein Ehrenamt des Sozialversicherungsrechts. ausübenden Person regelmäßig nicht zu einer persönli- chen Abhängigkeit i.S. des § 7 Abs. 1 SGB IV und damit Für die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung eines zu einer Sozialversicherungspflicht führt. Stiftungsvorstands kommt es im Wesentlichen auf die Frage an, ob der Stiftungsvorstand weisungsgebunden Ehrenämter erhalten ihr Gepräge durch die ideellen ist und ob eine ehrenamtliche Tätigkeit vorliegt. Zwecke sowie die Unentgeltlichkeit. Finanzielle Zuwen- dungen schließen die Unentgeltlichkeit zwar nicht aus, 2.1 Weisungsgebundenheit dürfen dann aber nur in Form von Aufwendungsersatz für konkrete oder pauschal berechnete Aufwände oder Hat eine Stiftung neben dem Vorstand kein weiteres zum Ausgleich für Zeitversäumnis oder Verdienstausfall Organ (wie z.B. ein Stiftungsrat), das Weisungen ertei- erbracht werden. len könnte, folgt daraus sozialversicherungsrechtlich nach Ansicht des BSG (Urteil vom 23.2.2021, Az.: B 12 Im Rahmen des Urteils vom 23.2.2021 stellte das BSG R 15/19 R) nicht automatisch, dass ein Stiftungsvor- außerdem klar, dass kein Ehrenamt mehr vorliegt, wenn standsmitglied weisungsfrei handeln kann. Maßgebend Vergütungen auf der Basis eines Stundesatzes bezahlt ist in einem mehrköpfigen Vorstand die Rechtsmacht werden und deren Umfang nicht evident einer Ehrenamts- des einzelnen Vorstandsmitglieds, ihm nicht genehme pauschale gleichkommt. Im konkreten Fall waren als Auf- „Weisungen“ durch Mehrheitsbeschlüsse verhindern zu wendungsersatz bezeichnete Zahlungen bis zu 60.000 € können. geleistet worden. Basis war ein Vorstandsbeschluss über den geschätzten jährlichen Zeitaufwand für Vorstandstä- Im o.g. Fall des BSG war das Mitglied des Stiftungsvor- tigkeiten unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von stands auf die Zustimmung mindestens eines weiteren 75 €. Das BSG sah dies als eine (verdeckte) Entlohnung Vorstandsmitglieds angewiesen und konnte auch ihm an, die objektiv betrachtet zu Erwerbszwecken erfolgte, missliebige Vorstandsbeschlüsse nicht mit seiner Stimme und bejahte die Sozialversicherungspflicht des Stiftungs- verhindern. Darüber hinaus stellte das BSG darauf ab, vorstands. Empfehlung Unabhängig von ihrer konkreten Bezeichnung sollten Zahlungen an Vorstandsmitglieder, die die gesetzlichen Ehrenamtspauschalen wesentlich überschreiten, genau darauf über- prüft werden, ob sie sozialversicherungsrecht- lich als (verdecktes) Entgelt gelten können. In Fällen nachträglicher Aufdeckung drohen erhebliche Nachzahlungen. 12
GESUNDHEITSRECHT Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheits- versorgung Neue Herausforderungen für Pflegeeinrichtungen Das am 19.7.2021 im Bundesgesetzblatt verkündete mit Wirkung zum 1.1.2017 den sog. einrichtungseinheit- Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsver- lichen Eigenanteil (EEE) eingeführt. Der EEE bewirkt, dass sorgung (GVWG) hält auch für Pflegeeinrichtungen Bewohner von stationären Pflegeeinrichtungen unabhän- zahlreiche Neuerungen bereit, die ab 2022 ihre volle gig von ihrem Pflegegrad einen einheitlichen Tagessatz Wirkung entfalten werden. Damit werden die Anfor- nach Abzug der nach Pflegegraden gestaffelten Leistung derungen an die Datenqualität und die Vorbereitung der Pflegeversicherung tragen müssen. von Pflegesatzverhandlungen insbesondere für sta- tionäre Pflegeinrichtungen steigen. Nachstehend Auch nach Einführung des EEE waren die Aufwendungen beleuchten wir einige Aspekte der Gesetzesreform, für stationäre Pflegeeinrichtungen, die von der Pflegever- die zu dieser Einschätzung Anlass geben. sicherung übernommen werden, bisher auf die in § 43 Abs. 2 SGB XI genannten, nach Pflegegraden gestaffel- 1. Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil (EEE) in der ten Beträge gedeckelt. Die Belastung der Pflegeversiche- vollstationären Pflege rung hängt somit bisher ausschließlich von der Einstufung des Versicherten in einen Pflegegrad, nicht aber von der Bereits mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz hat der Höhe des Pflegesatzes der jeweiligen stationären Pflege- Gesetzgeber für Einrichtungen der stationären Pflege einrichtung ab. 13
PKF THEMEN · SOZIALWIRTSCHAFT UND NON-PROFIT-UNTERNEHMEN | JANUAR 2022 schen Grundsatz „ambulant vor stationär“ zu vereinbaren ist, bleibt abzuwarten. 2. Personalschlüssel im SGB XI veran- kert Das GVWG hat im § 113c SGB XI n.F. die Personalbemessung in stationären Pfle- geeinrichtungen neu geregelt und u.a. ab 1.7.2023 gültige Personalanhaltswerte für die personelle Ausstattung mit Pflege- und Betreuungspersonal im Gesetz verankert. Vor dem Hintergrund » des bestehenden Mangels an Pflege- fachkräften einerseits und » der Auswirkungen von Umstellungspro- zessen auf die Pflegesätze anderseits stehen stationäre Pflegeeinrichtungen somit vor großen Herausforderungen, die in der Personalplanung zu berücksichtigen sind. Dies hat sich mit dem 1.1.2022 durch das GVWG geän- 3. Tarifvertragliche Regelungen dert: Versicherte der Pflegegrade 2 bis 5 erhalten ab dem 1.1.2022 eine finanzielle Entlastung durch die Pflegever- Nach dem GVWG dürfen ab dem 1.9.2022 Versor- sicherung von 5% des EEE; dieser Leistungszuschlag gungsverträge nur noch mit Einrichtungen abgeschlos- erhöht sich ab dem 13. Monat der vollstationären Pflege sen werden, die tarifvertraglich oder nach kirchlichem auf 25%, ab dem 25. Monat auf 45% und ab dem 37. Arbeitsrecht vereinbarte Entgelte an ihre Arbeitnehmer Monat auf 70% des EEE. und Arbeitnehmerinnen bezahlen bzw. Vergütungen nach diesen Regelungen nicht unterschreiten. Für bestehende Diese aus Sicht der Pflegebedürftigen zu begrüßende Versorgungsverträge sind diese Voraussetzungen bis Entlastung führt dazu, dass die finanzielle Belastung spätestens 31.8.2022 umzusetzen. der Pflegeversicherung nunmehr (erstmals) unmittelbar von der Höhe der Pflegesätze der jeweiligen Einrichtung Die Umsetzung dieser Regelungen ist von den Leistungs- abhängt. Die Pflegekassen werden somit ab sofort nicht erbringern gegenüber den Kostenträgern nachzuweisen. nur als „Anwalt der Versicherten“, sondern mit Blick auf Die daraus resultierenden Anforderungen an die Qualität die Lasten der Pflegeversicherung an den Pflegesatzver- und Quantität der zu übermittelnden Personaldaten wer- handlungen teilnehmen. Welche Auswirkungen diese Ver- den dadurch tendenziell eher ansteigen. Auch wird die änderung auf das „Verhandlungsklima“ haben wird, bleibt Transparenz bei den Pflegekassen über die Gestehungs- abzuwarten. kosten der Leistungserbringer zunehmen. Ein weiterer Nebeneffekt dieser Neuregelung wird voraus- sichtlich den Bereich der ambulanten Pflege betreffen: Während der vom Versicherten zu tragende Kostenanteil Empfehlung bei anhaltender Dauer der Pflege bei stationärer Unter- bringung in einem Pflegeheim durch die Neuregelung Pflegeeinrichtungen sollten zeitnah ihre Con sinkt, bleibt die Belastung für den Pflegebedürftigen bei trolling-Instrumente und insbesondere die der Inanspruchnahme eines ambulanten Pflegedienstes Pflege satzkalkulationen dahingehend über- über die Jahre unverändert. Die Kostenschere zwischen prüfen, ob die aus dem GVWG resultierenden ambulanter und stationärer Pflege wird dadurch mit Anforderungen erfüllt werden können bzw. wel- zunehmender Verweildauer zu Lasten des ambulanten che Auswirkungen sich auf die Weiterentwick- Bereichs immer weiter aufgehen. lung der Entgelte und die Wirtschaftlichkeit der Pflegeeinrichtungen ergeben. Hinweis: Wie diese Entwicklung mit dem pflegepoliti- 14
KURZ NOTIERT Zulässigkeit und Grenzen politischer Betätigung von Vereinen (Attac III) Zum dritten Mal innerhalb von drei Jahren hat sich der Zweck für sich entdeckt und sich dabei öffentlich und Bundesfinanzhof (BFH) am Beispiel von Attac aus ver- einseitig in allzu große Nähe zu Verschwörungs- und schiedenen Blickwinkeln mit der Zulässigkeit und den Geheimbundtheoretikern begeben. So hatte der Verein Grenzen politischer Betätigung durch Vereine befasst u.a. Schutzmaßnahmen gegen Covid-19 als gesund- – zuletzt mit BFH-Beschluss vom 18.8.2021 (Az.: V B heitsschädlich gebrandmarkt und konkludent als legitime 25/21). Auch in diesem Fall ist Attac gescheitert. Gegenmaßnahme einen Zusammenhang mit dem Wider- standsrecht nach Art. 20 Abs. 4 GG hergestellt. Der BFH In den vorherigen Verfahren ging es um Äußerungen von hat richtigerweise noch einmal klargestellt, dass die Dis- Attac zu einer Vielzahl von allgemeinpolitischen Themen. kussion politischer Fragen innerhalb der Erfüllung eines Der BFH sah dies nicht mehr als Förderung der Volks- gemeinnützigen Zwecks zwar „pointiert“ erfolgen dürfe, bildung oder der politischen Bildung (§ 52 Abs. 2 Nr. 7 dies aber nur innerhalb gewisser Grenzen, die im konkre- AO) an. Innerhalb der Verfolgung einzelner gemeinnützi- ten Fall überschritten waren. ger Aufgaben sei eine politische Betätigung zwar zuläs- sig und könne sogar notwendig sein. Die einseitige Ein- Hinweis: Als eine der Nebenfolgen der insgesamt als flussnahme auf die politische Willensbildung sei aber richtig zu wertenden Attac-Rechtsprechung kommt es kein eigenständiger steuerbegünstigter Zweck nach § 52 derzeit immer mehr auch in anderen Bereichen zu Dis- Abs. 2 AO (Urteil vom 10.1.2019, Az.: V R 60/17). Sie kussionen mit Finanzämtern, wann die Grenzen zulässi- darf gem. der Entscheidung im zweiten Verfahren (BFH- ger politischer Betätigung gemeinnütziger Einrichtungen Beschluss vom 10.12.2020, Az.: V R 14/20) gegenüber noch eingehalten und wann sie überschritten werden. der unmittelbaren Förderung des jeweiligen gemeinnüt- Die Ampelkoalition hat sich auf die Fahne geschrieben, zigen Zwecks nicht überwiegen. Beispielsweise kann zu für Klarstellungen zu sorgen: So soll das Gemeinnützig- den Aufgaben eines Umweltschutzvereins auch – aber keitsrecht modernisiert werden, um den Unsicherheiten eben nur auch – der Versuch gehören, die Umweltschutz- aufgrund der Gemeinnützigkeitsrechtsprechung des politik zu beeinflussen. BFH entgegenzuwirken (vgl. hierzu und zu weiteren aus- gewählten Punkten des Koalitionsvertrags die Übersicht Im aktuellen Verfahren vom 18.8.2021 hatte Attac die im Top-Thema-Beitrag ab S. 4). Wir werden Sie auf dem Förderung des Gesundheitswesens als gemeinnützigen Laufenden halten. Abberufung und Amtsuntersagung durch Stiftungsbehörden Zu den Möglichkeiten von Stiftungsbehörden, Stif- Beruft die Stiftungsbehörde den Stiftungsvorstand ab, so tungsvorständen (und anderen Organmitgliedern) die kann sie damit allein allerdings noch nicht verhindern, dass Wahrnehmung ihrer Geschäfte zu untersagen, hat dieser weiter tätig wird. Verwaltungsrechtlich handelt es sich sich das Verwaltungsgericht (VG) Freiburg mit einem nämlich nur um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt, Beschluss vom 21.10.2021 (Az.: 10 K 2622/21) geäu- der für sich genommen noch nicht zu einer Handlung, Dul- ßert. Die Möglichkeit einer einstweiligen Untersa- dung oder Unterlassung verpflichtet. Das Verwaltungsge- gung enthalten fast alle Stiftungsgesetze. Als nächst richt hat nun klargestellt, dass die Stiftungsbehörde gleich- schärfere Maßnahme kann die Stiftungsbehörde den zeitig mit der Abberufung auch dauerhaft und mit sofortiger Stiftungsvorstand auch abberufen (z.B. § 12 Abs. 1 Wirkung Tätigkeiten des Vorstands untersagen und dies StiftG BW, § 9 Abs. 1 StiftG NRW). auch mit geeigneten Maßnahmen durchsetzen kann. 15
PKF THEMEN · SOZIALWIRTSCHAFT UND NON-PROFIT-UNTERNEHMEN | JANUAR 2022 Zugleich hat das Gericht abgegrenzt, wann das öffentliche Vorwurf im Raum, dass Geld aus dem Stiftungsvermögen Interesse an einer sofortigen Untersagung das Interesse auf ein Privatkonto geflossen sei. eines von der Stiftungsbehörde für ungeeignet erklärten Vorstands an einer vorläufigen Fortführung seiner Tätigkeit Hinweis: Die Entscheidung zeigt erneut, dass die Stif- überwiegt. Im konkreten Fall hatten die Vorstandsmitglie- tungsbehörden – wenn ihre Geduld einmal am Ende ist der seit 2019 keine Jahresrechnungen und Tätigkeitsbe- – durchaus willens und in der Lage sind, Aufsichtsmaßnah- richte abgegeben und das Finanzamt hatte der Stiftung men zum Schutze von Stiftungen anzuordnen und konse- die Gemeinnützigkeit entzogen. Darüber hinaus stand der quent durchzusetzen. EuGH: Keine Umsatzsteuerfreiheit für unterrichts- nahe Leistungen (Schwimmunterricht) Mit Urteil vom 21.10.2021 (Rs. C 373/19) hat der EuGH V R 32/18) dem EuGH u.a. folgende Frage zur Vorabent- in der Rs. Dubrovin & Tröger GbR – Aquatics entschie- scheidung vorgelegt: Umfasst der Begriff des Schul– und den, dass Schwimmunterricht für Kinder nicht von der Hochschulunterrichts i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und Umsatzsteuer befreit ist, da ein „spezialisierter, punk- j MwStSystRL auch die Erteilung von Schwimmunterricht? tuell erteilter Unterricht“ nicht vom unionsrechtlichen Unterrichtsbegriff gedeckt sei. Der EuGH hat nun entschieden, dass der von einer Schwimmschule erteilte Schwimmunterricht nicht als Hintergrund ist, dass Bildungsleistungen im deutschen Schul- und Hochschulunterricht im Sinne des Unions- Umsatzsteuerrecht in § 4 Nr. 21 und 22 UStG von der rechts betrachtet werden kann. Umsatzsteuer befreit sind. Auf EU-Ebene ist die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL geregelte Steuer- Hinweis: Erste Stimmen in der Literatur bewerten die befreiung für Bildungsleistungen anzuwenden. Da es zwi- Entscheidung so, dass der EuGH Art. 132 Abs. 1 Buchst. schen dem nationalen Recht und dem Unionsrecht Wort- i und j MwStSytRL insgesamt sehr restriktiv auslegt. Im lautunterschiede gibt, muss die Mehrwertsteuer-Richtlinie Ergebnis ist demnach nur solcher Unterricht steuerfrei, ausgelegt werden. der auf eine Vielzahl von Unterrichtsinhalten gerichtet ist, was i.d.R. nur der Unterricht an öffentlichen oder privaten Dazu hatte der BFH mit Beschluss vom 27.3.2019 (Az.: allgemeinbildenden Schulen gewährleistet. 16
Vorsteuerabzug bei nicht unternehmerisch tätiger Bruchteilsgemeinschaft Das BMF hat mit Schreiben vom 27.10.2021 den meinschaft geändert. Die Neuregelungen können auch Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) an mehreren für Non-Profit-Organisationen, die im Rahmen solcher Stellen bezüglich der Regelungen zum Vorsteuerabzug Bruchteilsgemeinschaften Wirtschaftsgüter gemeinsam im Fall einer nicht unternehmerisch tätigen Bruchteilsge- nutzen, von Bedeutung sein. Webinar „Aus der Praxis für die Praxis – Sozialwirtschaft und NPO“ Beginnend mit dem neuen Jahr bieten wir Ihnen ein Unsere Themenschwerpunkte: neues Format für die Sozialwirtschaft und Non-Profit- Organisationen an. Erstmals am 20.1.2022 laden wir Sie » Ampel-Koalition und Gemeinnützigkeit von 11:00 bis 12:30 Uhr herzlich zu unserem kostenlosen » Aktuelles zur Umsatzsteuer bei NPO Webinar „Aus der Praxis für die Praxis – Sozialwirtschaft » Geändertes Gemeinnützigkeitsrecht – Erfahrungen und NPO“ ein. Weitere Termine werden folgen. aus der Praxis » Highlights der Stiftungsrechtsreform Unsere Webinare halten Sie mit unterschiedlichen Schwerpunkten über aktuelle Änderungen auf dem Lau- Registrieren Sie sich jetzt unter fenden und liefern Ihnen Impulse für die Praxis. https://bit.ly/3F71X6c 17
PKF THEMEN · SOZIALWIRTSCHAFT UND NON-PROFIT-UNTERNEHMEN | JANUAR 2022 Bildnachweis: Titel: © pidjoe; S.3 © Baloncici, S. 5 © Hispanolistic, S. 6 © anandaBGD, S. 9 © matimix, S. 10 © miodrag ignjatovic, S. 11 + 13 © pixelfit, S. 12 © skynesher, S. 14 © Halfpoint, S. 16 © Imgorthand, S. 17 © courtneyk; alle iStock.com PKF Deutschland GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EUREF-Campus 10/11 | 10829 Berlin | Tel. +49 30 306 907 - 0 | www.pkf.de Die Inhalte dieser PKF* Publikation können weder eine umfassende Darstellung der jeweiligen Problemstellungen sein noch den auf die Besonderheiten von Einzel fällen abgestimmten steuerlichen oder sonstigen fachlichen Rat ersetzen. Wir sind außerdem bestrebt sicherzustellen, dass die Inhalte dieser PKF* Publikation dem aktuellen Rechtsstand entsprechen, weisen aber darauf hin, dass Änderungen der Gesetzgebung, der Rechtsprechung oder der Verwaltungsauffassung immer wieder auch kurzfristig eintreten können. Deshalb sollten Sie sich unbedingt individuell beraten lassen, bevor Sie konkrete Maßnahmen treffen oder unterlassen. *PKF Deutschland GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist ein Mitgliedsunternehmen des PKF International Limited Netzwerks und in Deutschland Mitglied ei nes Netzwerks von Wirtschaftsprüfern g emäß § 319 b HGB. Das Netzwerk besteht aus rechtlich unabhängigen Mitgliedsunternehmen. PKF Deutschland GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft übernimmt keine Verantwortung oder Haftung für Handlungen oder Unterlassungen einzelner oder mehrerer Mitgliedsunternehmen. Die Angaben nach der Dienstleistungsinformationspflichten-Verordnung sind unter www.pkf.de einsehbar. 18
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